GEW-Bundesforum "Bildung in der digitalen Welt" - Projektbericht

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GEW-Bundesforum "Bildung in der digitalen Welt" - Projektbericht
Gewerkschaft
                     Erziehung und Wissenschaft

  GEW-Bundesforum
 „Bildung in der digitalen Welt“
Projektbericht

                                          www.gew.de
GEW-Bundesforum "Bildung in der digitalen Welt" - Projektbericht
Impressum
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Hauptvorstand
Verantwortlich: Ilka Hoffmann und Ansgar Klinger (V.i.S.d.P.)
Reifenberger Straße 21
60489 Frankfurt am Main
Telefon: 069/78973-0
Fax: 069/78973-202
E-Mail: info@gew.de
www.gew.de

Redaktion: Birgita Dusse, Ilka Hoffmann, Ansgar Klinger, Helena Müller und Martina Schmerr
Gestaltung: Karsten Sporleder, Wiesbaden
Titelbild: illustration - iStock
Druck: Druckerei Leutheußer, Coburg

Artikel-Nr.: 2216

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Mai 2021
Inhalt     3

GEW-Bundesforum
„Bildung in der digitalen Welt“
Projektbericht

1.   Vorwort                                                                                               5
2.	Das GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“: 
    Einleitung mit Mindmap und Projektübersicht                                                            7
3. Beschleunigte Kontexte                                                                                  9
     3.1    Digitaler Kapitalismus: Neue Rahmenbedingungen für die Bildung?                                 9
     3.2    Überraschende Wendung: Von 0 auf 100. Die Coronapandemie                                        9
     3.3    Unterm Brennglas: Verschärft Digitalisierung soziale Ungleichheit?                            11
4.   Digitalisierung aus Beschäftigtensicht: AG 1                                                         12
     4.1    Digitalpakt (AG 1)                                                                            12
     4.2    Datenschutz – Schulclouds – Mobiles Arbeiten (AG 1)                                           14
5.   Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität: AG 2 und AG 3                       15
     5.1    Ausbuchstabiert: Was bedeutet Digitalisierung für die einzelnen Bildungsbereiche?             16
     5.2    Klärungsbedarf: Was ist ein adäquater Medienbegriff?                                          16
     5.3    Wirklich ein Widerspruch? Informatik vs. Medienbildung                                        18
     5.4    Was lernen Lehrende in der Digitalisierung? Aus-, Fort und Weiterbildungsbedarfe              19
6.   Drängende Antworten                                                                                  21
     6.1    Digitalisierung ist keine Privatsache                                                         21
     6.2    Digitalisierung soll alle mitnehmen                                                           22
     6.3    Gute Bildung und gute Arbeit für die digitale Welt                                            23
     6.4    Didaktik für die Bildung in der digitalen Welt                                                23
7.   Ist 2021 das neue 1984? Learning Analytics und Big Data in der Bildung (AG 4)                        24
8.   Whole lotta lobby? Kommerzialisierung und Ökonomisierung von Bildung (AG 4)                          26
9.   Ein Blick auf die Zukunft: Grundrechte für eine Bildung in der digitalen Welt                        28
10. Terminleiste und Publikationsübersicht                                                                30
     10.1	Terminübersicht des GEW-Bundesforums „Bildung in der digitalen Welt“
           im Zeitraum März 2019 – Mai 2021                                                               30
     10.2   Publikationsübersicht des GEW-Bundesforums „Bildung in der digitalen Welt“                    32

                                                                   GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Vorwort       5

1. Vorwort
„Die GEW stellt sich den Risiken und Chancen einer durch Automatisierung, Algorith-
men und künstlicher Intelligenz beeinflussten Gesellschaft. Sie stellt Bedingungen für
ein zukunftsfähiges Bildungswesen und die Sicherung von Freiheit und Demokratie auf.
Sie arbeitet auch über den Gewerkschaftstag 2017 hinaus dauerhaft an der Gestaltung
der Arbeits- und Lebensbedingungen im Zeichen der Digitalisierung. Zentrale Prinzipien
dieser Arbeit sind Inklusion, Chancengleichheit und Gerechtigkeit, gute Lern- und
Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Beteiligung, Qualität der Bildung, Erhalt der
öffentlichen Bildung sowie die Sicherheit und das Wohlbefinden von Lernenden und
Lehrenden.“ Diese Ausführungen aus der Präambel des Gewerkschaftstagsbeschlusses
„Bildung in der digitalen Welt“ sind Grundlage für einen der Arbeitsschwerpunkte des
Geschäftsführenden Vorstands wie für die Arbeit des 2018 begründeten gleichnamigen
Bundesforums.                                                                               Ilka Hoffmann

Dessen Zusammensetzung aus Vertreter*innen aller Landesverbände sowie der
Bundesausschüsse, ergänzt um einzelne berufene Expert*innen, ermöglicht einen
vertiefenden Austausch in den inhaltlich begründeten vier Arbeitsgruppen.

Während der Coronapandemie hat sich die Auseinandersetzung mit digitalen Medien
und Tools noch beschleunigt. Der 2019 beschlossene Digitalpakt Schule wurde mehr-
fach erweitert. Die Schulen haben vielfältige Erfahrungen gemacht, Kompetenzen
wurden erworben und kreative Ideen entwickelt. Es stellen sich aber auch viele Fragen:
Welche neuen sozialen Spaltungen ergeben sich durch die Digitalisierung? Wie können
alle Menschen in dieser Gesellschaft Souveränität und Sicherheit im Umgang mit
digitalen Medien erwerben? Wie kann ein Erfahrungsaustausch zwischen den
Kolleg*innen fruchtbar gemacht werden? Wie sollte eine Didaktik in der digitalen Welt
aussehen? Was bedeutet die Digitalisierung für Selbstbestimmung, Grundrechte und            Ansgar Klinger
Demokratie? All diesen Fragen werden im Bundesforum behandelt.

Auch wenn die Pandemie die Arbeit im Bundesforum zunächst beeinträchtigte und
dann wiederum beschleunigte, konnten in kurzen Zeiträumen drei Fachtagungen und
mehrere Fachveranstaltungen in Präsenz-, Hybrid- und virtuellen Formaten bislang
veranstaltet werden. Das Bundesforum blickt auf eine Vielzahl bereits erstellter
Publikationen und Materialien zurück und sieht der öffentlichkeitswirksamen Veröffent-
lichung zweier wissenschaftlicher Gutachten zur Wirkungsweise des Digitalpakts sowie
zur Arbeitsbelastung der Pädagog*innen im Kontext des Gewerkschaftstags 2021
entgegen.

Mit besonderem Dank an die Mitglieder des Bundesforums einschließlich dessen
Koordinierungsgruppe und die Projektreferentin für deren unterstützende Arbeit sowie
die beteiligten weiteren Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle legen wir hier den Bericht
des Projekts Bildung in der digitalen Welt vor. Uns ist bewusst, dass die Gestaltung der
Arbeits- und Lebensbedingungen im Zeichen der Digitalisierung einer Fortsetzung über
den Gewerkschaftstag hinaus bedarf – ganz im Sinne der genannten Präambel.

Dr. Ilka Hoffmann                Dr. Ansgar Klinger
Vorstandsmitglied Schule         Vorstandsmitglied Berufliche Bildung u. Weiterbildung
Projektleiterin                  Projektleiter

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                                                                             GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“                 7

2. Das Bundesforum „Bildung
    in der digitalen Welt“
// Einleitung mit Mind-Map und Projektübersicht //

Digitalisierung sei ein „Kofferwort“, so Timo Daum, einer        richtet zum Abschluss den Blick in die Zukunft, auf die
der Referenten für die geplante und kurzfristig ausgefalle-      Debatte um Grundrechte für Lernende und Lehrende im
ne Tagung des Bundesforums „Gesellschaft digital?“, die          digitalisierten Bildungsbereich – ein Teilprojekt, das von
mitten in den ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020            der AG 4 des Bundesforums angestoßen wurde. Da der
fiel. Was der vollgepackte Digitalisierungskoffer für das        Gewerkschaftstag im Juni 2021 noch nicht alle Themen
GEW-Projekt „Bildung in der digitalen Welt“ alles enthielt       des Bundesforums aufrufen wird, bleiben wir am Ball und
und welche Leerstellen es noch für die „Daueraufgabe             das Bundesforum setzt bis Ende 2021 seine Arbeit fort.
Digitalisierung“ zu füllen gilt, stellt der folgende Bericht     Weitere Veranstaltungen – u.a. eine Abschlusssitzung des
dar. Er beinhaltet neben den Berichten zu den vier               Bundesforums sowie weitere Publikationen, die zum
Arbeitsgruppen des Projekts drei Themenaufrisse zu               Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des Berichts noch
zentralen Digitalisierungsentwicklungen sowie Antworten          nicht abgeschlossen waren, werden 2021 noch durchge-
auf drängende Fragen im Kontext der Digitalisierung, die         führt und fertiggestellt. Eine chronologische Zeitleiste des
im Bundesforum diskutiert worden sind. Der Bericht               Projekts findet sich im Anhang dieser Publikation.

                                          Welche Gesellschaft wollen wir?

                                                                 Personal-
  AG 4                        Öffentliche
                            Verantwortung/
                                                                vertretung
                                                                                    Bildungs­
                             Finanzierung                                           bereiche

          Datenintegrität                               Datenschutz                                   AG 1
          als öffentliches                                                         Arbeits und
          Gemeingut und               Clouds/                                     Gesundheits-
            Grundrecht                Daten-                                         schutz
                                   verarbeitung/
                                         KI                    DigitalPakt
             Urheberrecht                   Bildungs-/                                      Ressourcen
                                       Wissenschaftsinhalte
                                         + Aufbereitung
                                                                          Medien-
                                                                         didaktische
                                                                                                                  AG 3
                                                Primat der            Grundqualifikation
                                                Pädagogik                                      Anforderungen
                                                                                             an Bildungspolitik/-
                              Informatik/                                                        verwaltung
                            informatorische
                             Grundbildung              Konzepte                    Medien-
                                                     Medienbildung                bildung als
                   AG 2                Kompetenzen
                                                                                  Querschnitt

                                                                               GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
8 Das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“

      Wir beginnen mit einem Blick auf den Anfang: Der               Lobbyismus eine zentrale Rolle. Eines der Kernthemen des
      Beschluss „Bildung in der digitalen Welt“ auf dem              Bundesforums war überdies der im März 2019 beschlos-
      Gewerkschaftstag 2017 in Freiburg bildete die Basis für        sene Digitalpakt Schule.
      das bundesweite gleichnamige GEW-Projekt, das durch
      einen vom HV im Juni 2018 verabschiedeten Aktionsplan          Bei der konstituierenden Tagung des Bundesforums im
      konkretisiert wurde. Das Bundesforum arbeitete von             März 2019 fand im Rahmen eines World Café ein thema­
      März 2019 bis zum Gewerkschaftstag 2021 an der                 tischer Austausch statt, der die Basis für die Bildung von
      Umsetzung des Aktionsplans. Die Arbeit beinhaltete             vier Arbeitsgruppen für die weitere Arbeit gelegt hat:
      Veranstaltungen, Stellungnahmen, Dossiers und Broschü-
      ren sowie eine Mitgliederbefragung und mehrere Exper­          1. Arbeit, Rechte und Arbeitsbedingungen der Beschäf-
      tisen. Durch die Coronapandemie hat das Thema Digitali-           tigten im Bildungsbereich,
      sierung im Bildungsbereich massiv an Bedeutung gewon-          2. Pädagogische Herausforderungen und Chancen,
      nen, was sich auch im öffentlichen und medialen Interesse      3. Aus-, Fort- und Weiterbildung der im Bildungsbereich
      an den Positionen der GEW in diesem Bereich widerspie-            Beschäftigten und
      gelt. Das Bundesforum hatte zum Ziel arbeitspolitische,        4. Ökonomisierung und Kommerzialisierung.
      rechtliche und pädagogische Herausforderungen zu
      diskutieren und Positionen und Forderungen für diese           Das Bundesforum wurde von Dr. Ilka Hoffmann und Dr.
      Bereiche zu entwickeln. Vorschläge für eine bessere            Ansgar Klinger geleitet und bestand aus Vertreter*innen
      Verankerung von Medienbildung und Digitalisierung in           aller GEW-Landesverbände sowie aller Fach- und Perso-
      den Curricula stehen ebenso auf der Agenda wie die             nengruppen. Koordiniert wurde die Arbeit von einem
      Aus- und Fort- und Weiterbildung der Lehrenden. Weil die       Koordinierungsteam, das aus Dr. Ilka Hoffmann (GV),
      Digitalisierung auch ein Einfallstor für die Kommerzialisie-   Dr. Ansgar Klinger (GV), Marlis Tepe (GV), Dr. Julia Landgraf
      rung und Ökonomisierung des Bildungswesens ist, spielen        und Björn Rützenhoff (Vertreter*innen der Landesverbän-
      die Verteidigung öffentlich verantworteter und finanzier-      de) sowie Dr. Fred Schell und Ellen Sefrin (Vertreter*innen
      ter Bildung sowie das Zurückdrängen des zunehmenden            der Bundesfachgruppen) bestand.

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   GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Beschleunigte Kontexte           9

3. Beschleunigte Kontexte
3.1 Ü
     berraschende Wendung: Von 0 auf 100.                   Während die konstituierende Sitzung im März 2019 noch
    Die Coronapandemie                                       als „normale“ Präsenzsitzung stattfand, musste die zweite
                                                             Sitzung im März 2020 sehr kurzfristig abgesagt werden.
Noch im Februar 2020 schien „Corona“ weit entfernt –         Den Schwerpunkt der verschobenen 2. Sitzung des
obschon sich auch öffentliche Einrichtungen und Bildungs-    Bundesforums im September 2020, die als Hybridveran-
einrichtungen in Deutschland bereits mit Schließungs­        staltung in Steinbach/Ts. durchgeführt wurde, bildete die
szenarien auseinandersetzten. Ab dem 16. März 2020           Vorbereitung des Gewerkschaftstages 2021 und die
brach die Krise dann im ersten Lockdown auch über das        Beratung der in den Arbeitsgruppen erstellten Antrags-
Bundesforum herein. Die Coronapandemie führte zu dem         entwürfe. Das Koordinierungsteam und das Bundesforum
Paradox, dass die Arbeit des Bundesforums sowohl             hatten sich dafür entschieden, dem Gewerkschaftstag
blockiert als auch intensiviert wurde. Einerseits mussten    keinen weiteren „Leitantrag“ (wie in 2017) vorzulegen,
sowohl die bereits vollständig vorbereitete Tagung           sondern ein Antragspaket, das wichtige und notwendige
„Gesellschaft digital?“ Herausforderungen der Digitalisie-   Positionen zu den Problemen der Digitalisierung konkreti-
rung für Gesellschaft, Bildung und Unterricht“ und die       siert: Cloudsysteme im Schulbereich, Anforderungen an
2. Bundesforumssitzung Mitte März 2020 sowie ein             Datenschutz, Forderungen zur Umsetzung des Digital-
Parlamentarisches Frühstück zum einjährigen Bestehen         pakts Schule, pädagogische Fragen der Digitalisierung
des Digitalpakts binnen kurzer Zeit abgesagt werden. Die     („Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und
Arbeitsgruppen des Bundesforums, dessen Mitglieder           Souveränität“), Aus-, Fort- und Weiterbildung, „Learning
häufig in das Corona-Krisenmanagement vor Ort einge-         Analytics, Algorithmen und Big Data in Bildung und
bunden waren, mussten sich zunächst auf die neue             Wissenschaft“, Transparente zivilgesellschaftliche Organi-
Arbeitsweise umstellen.                                      sationen sowie Grundrechte von Lernenden und Lehren-
                                                             den in der digitalisierten Welt. Das dritte Bundesforum
Andererseits bekam das Digitalisierungsthema mit der         wurde aufgrund der neuerlichen Verschärfung der
Pandemie eine neue Dynamik. Plötzlich lag die Arbeit mit     Pandemielage als reine Onlinesitzung am 27. März 2021
digitalen Tools, Apps, Konferenzsystemen, Distanz- und       durchgeführt (siehe 6.3).
Hybridunterricht nicht mehr im Bereich der Vorstellung,
sondern war Alltag sowohl für die Lehrkräfte als auch für
die Schüler*innen und Studierenden geworden. Beide           3.2 Digitaler Kapitalismus: Neue Rahmen­
Seiten mussten sich mit einem enormen Improvisations-             bedingungen für die Bildung?
talent auf die neue Situation einstellen.
                                                             Gehörten 2006 noch drei von fünf der weltweit wertvolls-
So bewirkte auch die erste Online-Pressekonferenz der        ten Unternehmen zur Old Economy (zwei Ölkonzerne und
GEW zur Mitgliederbefragung im Juni 2020 ein derart          General Electrics) so hatten nur zehn Jahre später die
großes und positives Medienecho, wie es die GEW selten       „Big 5“ der Internetwirtschaft übernommen: Apple,
zuvor erlebt hat. Mit der Kernforderung „Digitalisierung     Alphabet (Google), Microsoft, Amazon und Facebook
ist keine Privatsache“ konnten wir zum Beispiel die          gehörten seitdem zu den wertvollsten Unternehmen mit
Debatte um die öffentliche Bereitstellung von Dienstgerä-    einer enormen Wertsteigerung im Vergleich zu den alten
ten erheblich voranbringen (siehe 6.1). Die geplanten        Riesen, aber auch zu sich selbst (vgl. Daum 2019: 34f.).
Beiträge der Tagung „Gesellschaft digital?“ u.a. zur         Und das war noch vor der Coronapandemie. Doch diese
Kontroverse zwischen Informatik und Medienpädagogik          Internetrevolution wälzt nicht nur die Machtverhältnisse
sowie zum „digitalen Kapitalismus“ wurden schließlich in     auf dem Weltmarkt um, sondern auch die Rahmenbedin-
einer Broschüre veröffentlicht. Über den Sommer fanden       gungen für Bildung.
außerdem die Arbeitsgruppen zu ihrer regelmäßigen
Zusammenarbeit zurück, wenn auch überwiegend online.         Mit dem Digitalisierungsschub der Coronapandemie hat
                                                             die Realität manche Konzept- und Strategiephasen nicht
Präsenz, gecancelt, hybrid, online: Keine der bisherigen     nur ein- sondern auch überholt. Umso mehr war das
Sitzungen des Bundesforums „Bildung in der digitalen         GEW-Bundesforum gefordert, in der aktuellen politischen
Welt“ konnte im gleichen Format durchgeführt werden.         Situation der beschleunigten Digitalisierung mit einer

                                                                           GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
10 Beschleunigte Kontexte

        kritischen Stimme „reine Sachzwänge“ zu hinterfragen:         beschäftigte sich daher z.B. eingehend mit der Thematik
        zum Beispiel den Gebrauch von vermeintlich kostenfreien       Ökonomisierung und Kommerzialisierung (siehe 7.–9.).
        Angeboten kommerzieller Dienstleister, die eben genau
        genommen mit Daten bezahlt werden. Das Prinzip des            Digitalisierung ist eben nicht nur eine Frage der reinen,
        Data-Mining, also das Abschöpfen von Daten, hat der           „neutralen“ Technik, sondern eine höchst politische
        Physiker und Autor Timo Daum in seinen Publikationen          Frage. Wie werden z.B. Algorithmen eingesetzt? Wer
        analysiert. Wir konnten ihn für eine für März 2020            bestimmt darüber, wie Algorithmen programmiert
        geplante Tagung des Bundesforums gewinnen, die leider         werden? Wie können wir im demokratischen Sinne
        dem ersten Lockdown zum Opfer fiel. Allerdings hat Daum       überhaupt noch Einfluss hierauf nehmen? Zentrale
        für die GEW einen Beitrag für die „Dokumentation“ der         Zukunftsfragen. In einer Veranstaltung des GEW-Bundes-
        ausgefallenen Tagung „Gesellschaft digital?“ verfasst, in     forums zum Thema „Digitalisierung zwischen Teilhabe und
        der er zentrale Thesen seiner Arbeit zusammenfasst. So        Spaltung“ hat Welf Schröter, Forum Soziale Technikgestal-
        schlussfolgert er etwa: „Die Digitalisierung – sowohl die     tung des DGB Baden-Württemberg, über sein Konzept des
        technische, als auch die gesellschaftliche – findet aller-    „mitbestimmten Algorithmus“ referiert (siehe 6.2), so
        dings unter Rahmenbedingungen statt, die sie selbst weit      dass wir diese kritische und handlungsorientierte Position
        über technische und Rationalitätskriterien hinaus bestim-     munter diskutieren konnten.
        men: Sie findet in einem kapitalistischen Umfeld statt. Das
        Internet ist längst zum größten Marktplatz der Welt           Welche Kompetenzen und welches Wissen brauchen
        geworden, zum digitalen Weltmarkt. Die kommerzielle           Lernende in den unterschiedlichen Bildungsbereichen, um
        Ausrichtung des Internets, das im Kalten Krieg als Ab-        als mündige Bürger*innen an der digitalisierten Gesell-
        wehrwaffe entwickelt und dann zu einer Spielwiese der         schaft partizipieren zu können? Wie können wir der
        Wissenschaft wurde, ist zu einem Selbstläufer geworden“       Kommerzialisierung des Bildungsbereichs entgegentre-
        (Daum 2020). Diesen Automatismus, der auch die Kom-           ten? Wie können wir die Daten von Lehrenden und
        merzialisierung im Bildungsbereich verschärft, möchte die     Lernenden schützen? All diese Fragen wurden in den
        GEW so nicht hinnehmen. Die AG 4 des Bundesforums             Arbeitsgruppen des Bundesforums erörtert, über die
                                                                      weiter unten berichtet wird.

     GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Beschleunigte Kontexte          11

3.3 U
     nterm Brennglas: Verschärft                            (33,2 Prozent) verfügen lediglich über Grundkenntnisse im
    Digitalisierung soziale Ungleichheit?                    Umgang mit digitalen Medien, während nur 1,9 Prozent
                                                             der Jugendlichen hier Höchstwerte erreicht. Die Ergebnis-
Was sich schon mit der ICLS-Studie von 2018 (Senkbeil        se für Deutschland bewegen sich knapp über dem
u.a. 2019: 301ff.) angedeutet hat, hat sich in der Corona­   EU-Durchschnitt. Die Daten zu den digitalen Kompetenzen
krise wie unter einem Brennglas verstärkt: Digitalisierung   von Achtklässlern beziehen sich auf die ICILS-Studie 2018.
verschärft soziale Ungleichheit. Bei Ausbruch der Corona-    Die Frage der digitalen Kompetenzen ist auch eine soziale
pandemie klaffte eine große Lücke bei der Nutzung von        Frage und zeigt den „digital divide“ auf. Während 84 Pro-
Endgeräten durch Schüler*innen: Die einen nutzten privat     zent der Menschen mit einem hohen formellen Bildungs-
neueste Notebooks, andere mussten das komplette              abschluss über grundlegende oder höhere digitale
„Homeschooling“ über ihr Smartphone abwickeln. Neue          Kompetenzen verfügen, liegt dieser Wert bei Menschen
Regelungen zum Verleih von Endgeräten und im Frühjahr        mit niedrigeren oder keinen formellen Bildungsabschlüs-
2020 zusätzlich beschlossene Mittel aus einem Digital-       sen nur bei 32 Prozent und bei Arbeitslosen bei 44 Pro-
pakt-Sofortprogramm über 500 Mio. Euro für digitale          zent. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und einem guten
Endgeräte sollen ein wenig Ausgleich schaffen. Doch die      Einkommen hängt im zunehmenden Maße von den
Benachteiligung erstreckte sich nicht nur auf die techni-    digitalen Kompetenzen ab, die den Menschen eben nicht
sche Ausstattung. Ein Schul-Barometer aus Deutschland,       in die Wiege gelegt werden, sondern erlernt werden
Österreich und der Schweiz zeigte, dass sich bei sozio-      müssen. Auch viele der „digital natives“ verfügen nicht
ökonomisch schlechter gestellten Schüler*innen auch          über genügend Kompetenzen. Die Schere besteht nicht
häufiger eine fehlende elterliche Unterstützung sowie        nur zwischen Alt und Jung, sondern wird zu einer sozialen
mangelhafte Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen und       Frage. Im Bundesforum haben wir diese Problematik
zur Selbstorganisation negativ auswirkten (vgl. Huber und    unter anderem bei einer Veranstaltung zum Thema
Helm 2020: 55f.).                                            „Digitalisierung zwischen Teilhabe und Spaltung“ disku-
                                                             tiert. (siehe 6.2)
Der EU-Bildungsbericht 2020 machte weitere Spaltungen
deutlich: Rund ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland

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12 Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive

                                                                                                                        AG 1
         4. Digitalisierung aus
             Beschäftigtenperspektive
         // Die Arbeitsgruppe 1 //

         Im Anschluss an das am 22. März 2019 in Göttingen            digitale Endgeräte sowie ein bestimmter Sockelbetrag
         veranstaltete Bundesforum Bildung in der digitalen Welt      (z.B.: 20.000–25.000 Euro) je Schule für weitere mobile
         fand die konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe 1         Endgeräte.
         statt. Als prioritäre Themen wurden der Digitalpakt und
         dessen Umsetzung, der Datenschutz, die Personalvertre-       Die AG 1 des Bundesforums hat im Frühjahr 2019 zentrale
         tung sowie der Arbeits- und Gesundheitsschutz festgehal-     Forderungen zum Digitalpakt aufgestellt, die sich in der
         ten. Mit der Einbindung von Arbeitswissenschaftler*innen     Coronapandemie als äußerst sinnvoll erwiesen haben und
         wurde zudem externe Expertise eingeholt. Die Gruppe          die auch durch die inzwischen vorgenommenen Ergänzun-
         vernetzt sich über die GEW-Cloud. Nach den anfänglichen      gen und Modifikationen zum Digitalpakt nicht obsolet
         Präsenztreffen stellte die AG seit dem Frühjahr 2020         geworden sind:
         notgedrungen auf Onlinesitzungen um – was die Sitzungs-
         frequenz wie auch den Arbeitszusammenhang jedoch               • Mitbestimmung und Beteiligung
         nach dem anfänglichen „Coronaschock“ noch intensiviert           Bei der Erarbeitung der Förderrichtlinie und ihrer
         hat. Die Schwerpunktthemen der AG sowie die bis Mitte            Umsetzung, bei der Einführung digitaler Arbeits-
         2021 abgeschlossenen Expertisen werden in den folgen-            und Unterrichtstechnologien sowie beim Daten-
         den Abschnitten dargelegt.                                       schutz müssen Mitbestimmungs- und Beteiligungs-
                                                                          rechte gewahrt werden.

         4.1 D
              igitalpakt, Arbeitsbelastung und                         • Ausstattung der Schulen
             Urheberrecht                                                 Es muss langfristig gesichert sein, dass die Schulen
                                                                          pädagogisch sinnvoll und leistungsfähig ausgestat-
         Bereits in den auf die konstituierende Sitzung des Bundes-       tet sind.
         forums folgenden Wochen erstellte die AG von den
         Landesverbänden nutzbare „Empfehlungen zur Umset-              • Ausweitung der Lehr- und Lernmittelfreiheit
         zung des Digitalpakts“, die vom Geschäftsführenden               Die Ausstattung von Lehrenden und Lernenden mit
         Vorstand als Empfehlungen der GEW beschlossen und                entsprechender Technik ist öffentliche Aufgabe.
         veröffentlicht wurden. In der im Juni 2019 in Göttingen          Für Lehrende muss gelten: „dienstliche Tätigkeit –
         veranstalteten zweiten Sitzung wurde neben einem                 dienstliche Arbeitsmittel“.
         Rückblick auf die Aktivitäten beim zurückliegenden
         Mai-Meeting der GEW der Umsetzungsstand des Digital-           • Mindeststandards für den Datenschutz
         pakts in den Bundesländern erörtert. Die Gruppe legte            Sowohl für Lernplattformen als auch für alle Geräte
         Eckpunkte für zu beauftragende Expertisen des E-Lear-            in Unterricht und Verwaltung müssen Mindeststan-
         nings und der Erfassung von Arbeitszeit und -belastung           dards für den Datenschutz festgelegt und sicher­
         mobilen Arbeitens fest.                                          gestellt werden.

         Die Umsetzung des Digitalpakts in den Bundesländern            • Wartung und Administration von Hard- und Soft-
         und der Stellenwert der von der AG erarbeiteten Empfeh-          ware
         lungen standen auch in der dritten im September 2019 in          Wartung und Administration ist nicht von Lehr­
         Göttingen abgehaltenen Sitzung im Vordergrund. In                kräften „on top“ oder mit nicht ausreichender
         mehreren Bundesländern scheint sich eine „Abarbeitung“           Freistellung zu leisten. Hierfür sind zusätzliches
         mit folgender Reihenfolge herauszukristallisieren, so ein        Personal und Unterstützungssysteme nötig. Lehr-
         Beratungsbefund der AG: Umfassender Glasfaserausbau,             kräfte müssen bedarfsgerecht freigestellt und
         schulisches WLAN, Aufbau digitaler Lehr-Lern-Infrastruk-         regelmäßig fortgebildet werden.
         turen, Anzeige und Interaktionsgeräte, schulgebundene

      GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive                                  13
                              Die GEW set
                                               zt sich seit
                             cen für Bildu                  langem für
                                              ng sowie die                zusätzliche
                             verbotes zw                      Aufhebung                  Ressour-
                                             ischen Bund                     des Koopera
                            sie im Janua                     und Lände                       tions-
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                                                                                      mmten                                                                                                                        //

  • Bildungsclouds     Bereits 20
                       ergeben, da
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                                                                    ng und Ad
                                                                chtigsten hie
                                                                                  minis-
                                                  ßerdem die                      lten.
    „öffentlicher Hand“ liegen, sowie Datenschutz und
                     in digitaler
                     hängigkeit
                                   Bildung ge
                                  der Bildung
                                                  nauso notw
                                                                Lehrkräftefo
                                                               endig wie
                                                                                 rtbildung
                                                                             die Unab-
                    fast alle GE                   von Medie
    Rechtssicherheit gewährleisten.
                   anderen Be
                                  W-Mitglied
                                  rufen selbst
                                                  er wünsche
                                                               nkonzerne
                                                                n sich, was
                                                                             n. Und
                                                                               in allen
                   Arbeitgebe                      verständlich
                                 r die digita                     ist: dass de
                                                le Hardware                     r
                                                               bereitstell
                                                                            t.
                     Mehr
  • Arbeits- undDigitGesundheitsschutz
                        Informatio
                      alisierung:
                                   nen zu Bildu
                                               ng und
                                                              www.gew.
                 www.gew.                                             de/digital
    Die Einhaltung von          Arbeitsschutzgesetzen ist sicher­
                             de/digital

    zustellen, insbesondere das Recht auf Nicht-
    Erreichbarkeit.                                                                                                                                                                   DigitalPak
                                                                                                                                                                                                          t
                                                                                                                                                                                    Worauf es Schule:
                                                                                                      Impressum:
                                                                                                     Gewerk sch

                                                                                                                                                                                                          jetzt ankom
                                                                                                                  aft Erziehung
                                                                                                     Hauptvors                    und Wissen
                                                                                                                tand                          schaft

                                                                                                                                                                                                                     mt
                                                                                                    Verant wo
                                                                                                               rtlich: Dr.
                                                                                                    Reifenber
                                                                                                               ger
                                                                                                                            Ilka Hoffma
                                                                                                                                        nn                                       Wichtige As
                                                                                                   Tel.: 069/78 Str. 21, 604 89 Frankf
                                                                                                                                                                                in de        pekte für die
                                                                                                                 973 -0, info              urt am Ma                               n Ländern             Um
                                                                                                                                                                                               und vor Or setzung
In der weiteren Arbeit des Bundesforums kristallisierte                                            Redaktion:                  @g ew. de               in
                                                                                                                Dr.
                                                                                                   Martina Sch Ilka Hoffmann, Ans                                                                        t
                                                                                                                merr, Laura              gar Klinger
                                                                                                  Gestaltung                    Wallner              , Arnfried
                                                                                                              : Karsten Spo                                     Gläser,

sich die Forderung nach einer Verstetigung der Digital-                                           Fotos: Pixa
                                                                                                 Druck: Leu
                                                                                                 Bestellung
                                                                                                              bay/CCO,
                                                                                                                          iSto
                                                                                                                               rleder
                                                                                                             theußer, Cob ck/FatCamera
                                                                                                                              urg

paktmittel heraus. Dies wurde auch durch eine Studie von
                                                                                                            en: ww w.g
                                                                                                Juni 2019                ew-shop.d
                                                                                                                                      e

Dr. Roman George zur adäquaten Mittelausstattung an
allgemeinbildenden Schulen sowie durch eine Studie von                                                                                                                                                       www.gew.
                                                                                                                                                                                                                     de/digital

Dr. Roman George und Dr. Ansgar Klinger zur Mittelaus-
stattung an berufsbildenden Schulen unterstrichen.
Alleine für die berufsbildenden Schulen errechneten die
Autoren einen Mehrbedarf von 1,05 Mrd. Euro jährlich                                                                                                          Studie zur Arbeitsbelastung durch
(George und Klinger 2020).                                                                                                                                    Digitalisierung
Die GEW fordert, Systemadministrator*innen einzustel-                                                                                                         Die AG beriet Kriterien einer möglichen Expertise zur
len, die sich um zusätzlich anfallende Bedarfe kümmern.                                                                                                       Arbeitszeit von Pädagog*innen vor dem Hintergrund des
Hierzu erforderlich wären 15.881 IT-Stellen für Schüler*in­                                                                                                   E-Learnings und tauschte sich anschließend mit dem als
nenbedarfe und ca. 3.002 für die Endgeräte der Lehrkräf-                                                                                                      Gast eingeladenen Arbeitswissenschaftler Dr. Frank
te (George 2020). Schließlich hat die Coronapandemie                                                                                                          Mußmann aus. Die Zusammenarbeit konkretisierte sich in
deutlich gemacht, dass es auch in anderen Bildungsberei-                                                                                                      dem von der MTS geförderten Forschungsprojekt (Bewilli-
chen erhebliche Digitalisierungsdefizite gibt. Die zahlrei-                                                                                                   gung im März 2020) „Digitalisierung im Schulsystem:
chen zum GEW-Gewerkschaftstag vorgelegten Anträge                                                                                                             Herausforderung für Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von
enthalten daher auch Forderungen nach einer Ausweitung                                                                                                        Lehrkräften“, das von Frank Mußmann, Kooperationsstelle
des Digitalpakts, etwa in Form eines „Digitalpakts                                                                                                            Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-
Hochschule“, eines „Digitalpakts Weiterbildung“ sowie                                                                                                         Universität Göttingen, geleitet wird. Für die bundesweite
eines „Digitalpakts Alter“.                                                                                                                                   Befragung von Lehrkräften wurde eigens eine Projektplatt-
                                                                                                                                                              form eingerichtet. In einer enormen Kraftanstrengung
Im Rahmen des Bundesforums wurde eine Expertise zur                                                                                                           trotz Corona-Mehrfachbelastung in den Kollegien haben
Umsetzung des Digitalpakts in Auftrag gegeben, die im                                                                                                         die Kolleg*innen als Mulitplikator*innen für die Beteili-
Frühherbst 2020 gestartet ist. Unter dem Titel „Die                                                                                                           gung an der Studie geworben. So konnte die bundesweite
Umsetzung des Digitalpakts Schule in den 16 Bundeslän-                                                                                                        Repräsentativität der Studie sichergestellt werden. Im
dern: Wirkungsweisen und mögliche Problemlagen“                                                                                                               Juni 2021 werden erste Ergebnisse der Studie veröffent-
untersuchen Prof. Dr. Michael Wrase und sein Projektmit-                                                                                                      licht.
arbeiter Daniel Rohde von der Universität Hildesheim die
Strukturen, die zu einer neuen Form der Zusammenarbeit                                                                                                        Urheberrecht
der Verwaltungsebenen zwischen Bund, Ländern und
Kommunen führen könnten. Auch die Finanzierungstruk-                                                                                                          Mit der Umsetzung der EU-Richtlinien zum Urheberrecht
turen und die Frage nach adäquater Mittelverteilung                                                                                                           beschäftigte sich die AG 1 im Januar 2020 bei ihrer vierten
spielen in der qualitativen Untersuchung eine Rolle. Für                                                                                                      Sitzung in Kassel. Hier tauschte sich die AG mit dem Gast
die Expert*inneninterviews konnten wir auch die Expertise                                                                                                     Dr. Jasper Prigge aus, der eine Expertise im Auftrag der
der Delegierten unseres Bundesforums miteinbeziehen.                                                                                                          GEW zur Thematik erstellt hat. Im März 2020 gab die GEW
                                                                                                                                                              eine auf den Vorarbeiten in der AG beruhenden Mitglie-
                                                                                                                                                              derinfo „Neues EU-Urheberrecht: Was heißt das für
                                                                                                                                                              Schulen und Hochschulen?“ heraus.

                                                                                                                                                                                 GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
14 Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive

                                                                                                                                   Erziehung       Gewerk
                                                                                                                                               und Wissen schaft
                                                                                                                                                         schaft

         4.2 D
              atenschutz – Schulclouds – Mobiles
             Arbeiten

         Eine zentrale Herausforderung für die Bildung und die
         Arbeit in der digitalen Welt liegt in einem adäquaten
         Datenschutz. Hackerangriffe in digitalen Lernumgebungen
         wie Schulclouds und Videokonferenzsystemen haben
         Anfang 2021 frappierend vor Augen geführt, dass der
         Schutz der Daten von Lehrkräften und Schüler*innen im
         Distanzunterricht erhebliche Lücken aufweist. Die AG 1
         des Bundesforums hat sich dem Thema gewidmet und
         neben einer Stellungnahme zum EU-Urheberrecht im
                                                                                                                   Neun Anfo
         Frühjahr 2020 Anforderungen an den Datenschutz, an                                                       an Cloudsy rderungen
         Schulclouds und mobiles Arbeiten formuliert.       In dem im
                                                      Impressum:
                                                                                                                 Bereich Sc steme im
                                                                                                                           hule
                                                     Gewerk sch
                                                     Reifenber aft Erziehung und Wis
         Rahmen des Bundesforums entstandenen Flyers „Anfor-
                                                                ger Straße             senschaft
                                                     604 89 Fra             21
                                                                nkfurt /Ma
                                                    Verant wo              in
                                                               rtlic
                                                    Redaktion: h: Ansgar Klinger
                                                                                    (V.i.S.d.P.)
                                                    Gestaltung Birgita Dusse
         derungen an Cloudsysteme im Bereich Schule“ wird u.a.
                                                   Fotos: Eon : Karsten Sporleder
                                                              ere
                                                   Druck: Dru n, Azazello ­ iStock
                                                              ckerei Leu
                                                                         theußer, Cob

         die Stärkung des Datenschutzes angemahnt. Die Sicher-
                                                   Oktober 202                        urg
                                                                 0

         heit vor dem Zugriff von außen, klare Verantwortlich­
         keiten der Länder als Arbeitgeber im Bereich Schule und                                                                www.gew.de
                                                                                                                                          /digital

         klare Regeln für die Datenerhebung und -verarbeitung
         sind dringend erforderlich. Außerdem soll die Mitbestim-
         mung durch Personalvertretungen bei der Einführung und
         Nutzung von Schulclouds verankert werden, denn mittels                                    Kommunikation von Beschäftigten muss also auch sicher
         der Schulclouds könnten auch das Verhalten oder die                                       sein vor dem Zugriff von außen u.a. durch Verschlüsselung
         Leistung der Beschäftigten überwacht werden. Über die                                     und die Kommunikation soll über Server in Landesverant-
         Clouds sollen Dienstvereinbarungen geschlossen werden,                                    wortung laufen. Die Einhaltung der DSGVO muss garan-
         die u.a. die Nutzung von Software durch Kolleg*innen                                      tiert sein. Auf ihrer Sitzung Ende März 2021 hat die AG
         oder die Zeiträume der Erreichbarkeit regeln sollen. Eine                                 nach einem Input von Ilka Hoffmann das Thema Video-
         weitere Forderung ist die Einführung so genannter                                         übertragung im Unterricht diskutiert. Hier bestehen
         Whitelists über datenschutzkonforme Software und die                                      Gefahren der Aufzeichnung und Manipulation sowie
         Möglichkeit, Open-Source-Produkte zu nutzen. Personali-                                   Weiterverbreitung durch Dritte. Außerdem kann die
         sierte Mailadressen zur sicheren Kommunikation bilden                                     Aufzeichnung des Unterrichts ein Einstieg in Überwa-
         einen weiteren Baustein der sicheren Schulcloud.                                          chungsszenarien von Lehrenden und Lernenden sein. Für
                                                                                                   das Hacken von Videokonferenzen und die Störung des
         In eine ähnliche Richtung weisen die von der AG 1                                         Unterrichts hat es Anfang 2021 bereits zahlreiche Beispie-
         aufgestellten Anforderungen zum Datenschutz. Hier                                         le gegeben. Mögliche Lösungen für das Problem könnten
         sollen einige der Kernforderungen dargestellt werden: Die                                 sein: Videoübertragung nur DSGVO-konform mit schrift­
         AG 1 des Bundesforums befürwortet, Dienstvereinbarun-                                     licher Einwilligung aller Beteiligten, umgehende Anzeige
         gen zum Datenschutz abzuschließen, wenn möglich                                           und Strafverfolgung bei Missbrauch (Anzeige durch
         vorrangig Rahmendienstvereinbarungen auf Landesebe-                                       Behörde nicht durch Schule), Mitbestimmung der Perso-
         ne. Geregelt werden sollten in den Dienstvereinbarungen                                   nalvertretung, wenn Videoübertragungen in einem Erlass
         z.B. die Nutzung von Software, die Arbeit mit digitalen                                   geregelt werden sollen, klare Konzepte und rechtlich-
         Arbeitsgeräten, eine zeitliche Begrenzung der Erreichbar-                                 organisatorische Rahmenbedingungen, wie Kinder und
         keit, Nichtüberwachung der Kolleg*innen und Schulungs-                                    Jugendliche (in der Pandemie und bei Langzeiterkrankun-
         angebote. Für eine sichere Kommunikation mit                                              gen) im Fernunterricht erreicht werden können und
         Schüler*innen, Eltern und unter Kolleg*innen fordert das                                  langfristig die Einstellung zusätzlichen Personals. Zu
         GEW-Bundesforum, dass alle in Schule Beschäftigten wie                                    differenzieren sei – so die AG – zwischen Videokonferen-
         auch die Schüler*innen personalisierte Mailadressen                                       zen und dem Streaming von Unterricht. Die AG möchte
         erhalten sowie einen sicheren, webbasierten Messenger-                                    ein Rechtsgutachten zu diesem Themenbereich in Auftrag
         dienst zur Verfügung gestellt bekommen. Denn nur so                                       geben. Sie erstellt im Frühjahr 2021 ein Papier zum Thema
         kann gewährleistet werden, dass die Beteiligten auf                                       Nutzungsordnung für dienstliche Endgeräte und reicht
         kommerzielle Angebote wie z. B. WhatsApp verzichten,                                      dies im GV ein. Außerdem stellt sie bis zum Gewerk-
         die mangelhaft in Bezug auf den Datenschutz sind. Die                                     schaftstag 2021 Kriterien für mobiles Arbeiten auf.

                                                                                 zurück zum Inhalt

      GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität                                    15

                                                                                                                                                                         AG 3
5. Die digitale Welt braucht
    Gestaltungskompetenz und
    Souveränität                                                                                                        AG 2
// Arbeitsgruppe 2 und Arbeitsgruppe 3 //

„Digitale Medien sind in Form medialer Angebote, Strukturen und Technologien omnipräsent und sie werden zuneh-
mend omnipotent. Sie sind, wie alle technischen Systeme, janusköpfig: Sie können unser Leben in vielfältigen Formen
erleichtern und bereichern, sie können aber auch zu erheblichen Problemen führen. Ihre Bedeutung ist gebunden an
die Bedingungen, die die Gesellschaft für die Lebensführung der Subjekte und für die Entwicklung und Gestaltung der
Medien vorhält. Die Subjekte können und müssen diese Entwicklung – so sie eine positive Richtung nehmen soll –
erkennen, kritisch reflektieren und aktiv mitgestalten.“
                    aus dem Antrag der AG 2 und 3: „Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität“

Die Arbeitsgruppe 2 Pädagogische Herausforderungen und                                                           haben die Arbeitsgruppen zwei Anträge für den Gewerk-
Chancen sowie die AG 3 Aus-, Fort- und Weiterbildung der                                                         schaftstag erarbeitet: „Die digitale Welt braucht Gestal-
im Bildungsbereich Beschäftigten haben sich im Laufe des                                                         tungsfähigkeit und Souveränität“ und „Aus-, Fort- und
Bundesforums überwiegend gemeinsam getroffen, da die                                                             Weiterbildung für die digitale Welt“. Eine Broschüre mit
Themenbereiche sehr eng ineinandergreifen. Zusammen                                                              dem Arbeitstitel „Umrisse einer Medienpädagogik des
                                                                                                                 21. Jahrhunderts“, in der die Schwerpunkte für die
                                                                                                                 Bildungsbereiche Kita, Primarschulbereich, Sekundarschul-
                                                                                                                 bereich, Hochschulbereich, Berufliche Bildung und
                                                                                     Gewerkschaft
                                                                                                                 Erwachsenenbildung erarbeitet werden, wird bis Ende
                                                                        Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                                 2021 erstellt. Im Folgenden sollen zentrale Debatten und
                                                                                                                 Erkenntnisse der produktiven und diskussionsfreudigen
                                                                                                                 AG-Sitzungen wiedergegeben werden.

                      // DOSSIER //                                                                              Digitale Medien prägen unseren Alltag, die Arbeitswelt
                                                                                                                 und die Sozialisation junger Menschen. Dies stellt die
                                                                                                                 Pädagogik vor große Herausforderungen. Darüber wie
                                                                                                                 diese Herausforderungen aussehen und wie sie zu
                                                                                                                 meistern sind, existiert kein gesellschaftlicher Konsens.
                                                                                                                 Während von politischer und wirtschaftlicher Seite
                                                                                                                 vorwiegend die Vorbereitung auf eine digitalisierte
                                                                                                                 Arbeitswelt und die Heranbildung entsprechender
                                                                                                                 Fachkräfte gefordert wird, betonen Pädagog*innen, die
                                                                                                                 Bildungsziele der Selbstbestimmung, Teilhabe, Mitbestim-
                                                                                                                 mung und Mitgestaltung in einer digitalen Welt.

      Die KMK-Strategie                                                                                          In einem ersten Schritt wurde in der AG-Arbeit versucht,
     „Bildung in der digitalen Welt“                                                                             die Herausforderungen an die Pädagogik sowie die
     2016 hat die Kultusministerkonferenz
                                          (KMK) die Strategie “Bildung in der
                                                                              digitalen Welt” beschlossen. Die   notwendigen Kompetenzen genauer zu bestimmen.
                                                                                    Hintergrund ihrer
                                              zusammen und ordnet diese vor dem
     GEW fasst zentrale Aspekte der Strategie
     bildungspolitischen Positionen ein.
                                                                                                                 Herausforderungen ergeben sich zum einen aus der
                                                                                                                 sozialen Nutzung digitaler Medien. Wie gestalten sich die
                                                                                                                 gesellschaftlichen Veränderungen durch Datensysteme?
                                                                                                                 Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die
                                                                                        www.gew. de/digital

                                                                                                                               GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
16 Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität

         politischen Diskurse, das kritische Denken, die Demokratie     Die AG-Mitglieder diskutierten die Thematik aus der
         und die Kommunikation? Eine weitere Herausforderung ist        Perspektive verschiedener Bildungsbereiche und Arbeits-
         die Veränderung der Didaktik und Methodik durch                felder. Hierbei ergaben sich durchaus ambivalente
         Konzepte wie Learning Analytics. Die Bildungsinstitutionen     Betrachtungen: Bildung muss auf der einen Seite an der
         müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen die       (digitalen) Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen
         Kompetenzen erwerben, die ihnen eine aktive Teilhabe an        anknüpfen, andererseits wird Bildung entwicklungspsy-
         den digitalisierten Lebens- und Arbeitswelten ermögli-         chologisch und ethisch begründet. Visionen stehen
         chen. Auch neue soziale Spaltungen, die sich aus der           pragmatische Überlegungen gegenüber. Auch eine
         Digitalisierung ergeben, müssen beachtet werden.               Kontroverse zwischen Medienpädagogik und Informatik
                                                                        tat sich auf. Es wurde diskutiert, welche gesellschaftskriti-
           Bildungspolitische Ziele wie Inklusion und reform­           schen bzw. technischen Inhalte das jeweilige Konzept
           pädagogische Ansätze müssen mit der Bildung in der           enthält.
           digitalen Welt verknüpft werden. Im Mittelpunkt
           stehen die Urteilsfähigkeit und die Selbst­bestimmung        Von Beginn an zeigte sich, dass die Bedeutung der
           der Lernenden und Lehrenden. Insofern ist Medien­            „Digitalisierung“ für die Bildungsbereiche sehr unter-
           bildung auch immer politische Bildung.                       schiedlich ist. Diese Erkenntnis wurde in zweifacher
                                                                        Hinsicht aufgegriffen. Zum einen haben die AG 2 und 3
         Im Kern – so spitzten es Delegierte der Arbeitsgruppe 2        Forderungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedar-
         und 3 auf der Sitzung des Bundesforums in Steinbach im         fe aufgestellt, die nach den Bildungsbereichen differenzie-
         September 2020 zu – geht es sowohl in der Aus-, Fort- und      ren (siehe 5.4). Zum anderen erstellen die AGs bis Ende
         Weiterbildung als auch im Schulunterricht und in der           2021 eine umfangreiche Broschüre, die die pädagogischen
         Hochschullehre darum, den Lernenden die Kompetenzen            Herausforderungen und Chancen entlang der Bildungsbe-
         und das Wissen an die Hand zu geben, als mündige,              reiche ausbuchstabieren. Ein ausführliches Papier liegt
         kritische und souveräne Bürger*innen, die digitalisierte       z.B. schon zum Kitabereich und zum Bereich der Bildung
         Welt zu gestalten und mitzubestimmen. An diesem Ziel           älterer Menschen vor.
         sollte sich die Pädagogik in der digitalen Welt orientieren,
         um Herausforderungen in Chancen umzumünzen.
                                                                        5.2 Klärungsbedarf: Was ist ein adäquater
                                                                             Medienbegriff? Medienkompetenz als
         5.1 Ausbuchstabiert: Was bedeutet                                  Schlüsselbegriff
              Digitalisierung für die einzelnen
              Bildungsbereiche?                                         Aus den Fragen und zum Teil auch kontroversen Diskussi-
                                                                        onen in den Arbeitsgruppen 2 und 3 ergab sich eine
         Die KMK betont in Ihrem Strategiepapier zur „Bildung in        Einigung auf den Begriff der „Medienkompetenz“:
         der digitalen Welt“ das „Primat der Pädagogik“. Wir
         begrüßen dies als Bildungsgewerkschaft und fordern dies          „Wer in der mediatisierten oder digitalen Gesellschaft
         häufig ein. Allerdings ist das Primat der Pädagogik zu-          souverän leben und politische Teilhabe realisieren will,
         nächst ein unklarer Begriff. Folgende Aspekte sehen wir als      muss über das Fähigkeitsbündel, das die Schlüssel­
         handlungsleitend: Was bedeutet Medienbildung auf                 qualifikation Medienkompetenz ausmacht, verfügen
         entwicklungspsychologischer Grundlage, bezogen auf               und es fortwährend ausbauen. Dieses Fähigkeits­
         Altersstufen, auf die Methodik und Didaktik, auf die Frage       bündel umfasst
         nach Fächern, und die Zielsetzungen von Medienbildung            • Instrumentelles, analytisches, strukturelles und
         sowie bezogen auf die lernort- und altersbezogene                  informatorisches Wissen
         Betrachtung.                                                     • Kritische Reflexion (selbstbezogen, medienbezogen
                                                                            und gesellschaftsbezogen)
         Ausführlich haben die AG 2 und 3 diskutiert, was Digitali-       • Kommunikatives und partizipatives Handeln (mit
         sierung für die einzelnen Bildungsbereiche bedeutet.               Medien und bezogen auf Medien)“
         Diese sehr intensive und fruchtbare Diskussion wird in
         einer Broschüre münden, die dies für die Bildungsberei-
         che ausbuchstabiert. So hat die Digitalisierung für den        Diese umfassende pädagogische Auffassung von Medien-
         frühkindlichen Bereich andere Konsequenzen als für den         kompetenz gilt es in den Nach-Coronazeiten gegen die
         Hochschulbereich.                                              technokratischen Auffassungen „digitaler Bildung“ und
                                                                        Konzepten wie Learning Analytics zu verteidigen.

      GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität                                                       17

  Medienkompetenz

                                                                  Medienkompetenz
                                                                              Handeln
                                                                            kommunikativ
                                                                               kreativ
                                                                             partizipativ

                                                                           Orientierung
                                                                          Positionierung

                                             Wissen                                                             Reflexion
                                         instrumentell                                                       selbstbezogen
                                           analytisch                                                       medienbezogen
                                           strukturell                                                    gesellschaftsbezogen

                                                        Kommunikative Kompetenz
    Quelle: Theunert, Helga (2009: Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Anfang, Günther/Demmler,Kathrin (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik – Praxis. München, S. 199 ff.)

In den gemeinsamen Sitzungen stand die Frage im                                           Aspekte des Medieneinsatzes in der Schule
Mittelpunkt, welche Zielsetzungen Bildung (von der KiTa
über Schule, außerschulische Bildung und Erwachsenen-                                     Ausführliche Diskussionen gab es um die Frage des
bildung bis hin zur Hochschule) angesichts der Digitalisie-                               Gesundheitsschutzes: Sehprobleme durch übermäßige
rung aller Lebensbereiche verfolgen muss, um Lernende                                     Bildschirmnutzung, Strahlenbelastung, zu lange und zu
bei ihrem Weg zu einem souveränen Leben in der Medi-                                      häufige Mediennutzung sowie keine Beachtung ergono­
enwelt zu fördern. Dabei bestand Einigkeit darüber, dass                                  mischer Kriterien. Es wird die Notwendigkeit gesehen, sich
das Humboldt’sche Bildungsideal sowie Ideen der Reform-                                   mit Fragen des Gesundheitsschutzes auseinanderzusetzen.
pädagogik, auf denen auch die bildungspolitischen                                         Allerdings wird in Frage gestellt, ob hierfür einheitliche
Vorstellungen der GEW beruhen, angesichts der Digitali-                                   Normen (z.B. feste Alters- und Zeitgrenzen) aufgestellt
sierung nicht obsolet sind, sondern im Gegenteil an                                       werden können. Angebracht ist auch hier ein ziel- und
Bedeutung gewinnen.                                                                       adressatengerechter Einsatz von Medien im Bildungspro-
                                                                                          zess. Im Kitabereich ist besondere Achtsamkeit geboten.
Die Digitalisierung aller Bereiche des menschlichen                                       Zentrales Kriterium muss das Wohlbefinden der Beteilig-
Lebens erfordert – auf der Basis humanistischer Bildungs-                                 ten sein. Verwiesen wird auf Informationen des Familien-
ziele – verstärkte Anstrengungen aller Bildungsinstitutio-                                ministeriums zu Kinderrechten im Umgang mit digitalen
nen, um Heranwachsende und Erwachsene zu Souverä-                                         Medien. Besonders wichtig in diesem pädagogischen Feld
nen der digitalen Welt zu machen. Es geht darum, sich in                                  ist eine medienpädagogische Elternarbeit.
der digitalen Welt zurecht zu finden, d.h. sie zu verstehen
und ihre Angebote kritisch-reflexiv und kompetent zu                                      Die technische Bedienbarkeit von Tablets ist kein Selbst-
nutzen sowie sie mit zu gestalten. Dies gelingt am ehesten                                läufer, sie muss erlernt werden. Bereits im Grundschul­
über die Förderung von Kompetenzen, deren Fähigkeits-                                     bereich muss ein kritisch-reflektierter Umgang mit dem
bündel instrumentelles, analytisches und strukturelles                                    Internet, Messengerdiensten und Social Media themati-
Wissen, selbstbezogene, medienbezogene und gesell-                                        siert werden. Eine Kollegin wies darauf hin, dass Whats-
schaftsbezogene Reflexion sowie partizipatives und                                        App und Facebook in Rheinland-Pfalz wegen der Daten-
kommunikatives Handeln umfasst.                                                           sammlung im schulischen Kontext verboten sind. Da sie
                                                                                          massenhaft von Kindern und Jugendlichen genutzt
                                                                                          werden, stellt dies ein großes Problem dar! Wie sollen sie

                                                                                                              GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
18 Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität

         einen kritisch-reflexiven Umgang damit lernen, wenn           seinem Beitrag gegenüber dem Pflichtfach Informatik für
         soziale Medien im Unterricht nicht anschaulich thematisiert   eine weitergehende Reform des Curriculums. Er steht
         werden können? Etwas kontrovers verlief die Diskussion        einem Pflichtfach Informatik eher skeptisch gegenüber,
         um die Frage, ob Kinder programmieren lernen sollen oder      weil dies zu einer weiteren Ver-Naturwissenschaftlichung
         nicht, wobei die Frage zu klären wäre, was man als            des Curriculums führen könnte und einer Schwächung
         Programmieren bezeichnet.                                     sozialwissenschaftlicher Fächer. Hier betont er: „Die
                                                                       Probleme der Digitalisierung sind soziale Probleme und
         Für die erste Klasse gibt es gute Lernprogramme (z.B. für     müssen auch sozial angegangen und reguliert werden.“
         Rechtschreibbewusstsein). Solche Programme würden             (Aufenanger 2020: 13). Dies ist jedoch keine prinzipielle
         vernetztes statt lineares Denken befördern und ein            Ablehnung eines Faches Informatik oder eines gemeinsa-
         offeneres, aktiveres und selbstbestimmteres Lernen            men Angebots von Informatik und Medienpädagogik.
         ermöglichen. Ein aktiver und kreativer Umgang mit             Aufenanger spricht sich für eine tiefgehendere Lösung
         Medien müsse gefördert werden. Es sei zu überlegen, die       aus: Die Idee des Unterrichtens selbst passe nicht mehr in
         Förderung von Medienkompetenz mit musisch-künstleri-          eine digital geprägte Welt. Stattdessen fordert er themen-
         schen Fächern zu koppeln, um einer Verengung auf              bezogene Curricula, die auf Zukunftsfragen orientiert sind,
         MINT-Fächer vorzubeugen. Zustimmung findet der                projektorientiertes und personalisiertes Lernen sowie
         Vorschlag, einen fächerübergreifenden Ansatz zu wählen,       neue Zeit- und Raumstrukturen.
         denn Medienbildung ist Aufgabe aller Fächer.

         5.3 W
              irklich ein Widerspruch? Informatik vs.
             Medienbildung                                                                                                                            Gewerkschaft
                                                                                                                                         Erziehung und Wissenschaft

         Bei der Kontroverse zwischen Medienpädagogik und
         Informatik ging es um die Frage, ob im schulischen
         Bereich ein eigenes Fach Informatik eingerichtet werden
         soll. Für die allgemeinbildenden Schulen wurde dies
         zunächst mehrheitlich abgelehnt. Unstrittig ist, dass auch
         dort informatische Aspekte (Algorithmen, Künstliche
         Intelligenz etc.) Bestandteil der Förderung von Medien-
         kompetenz sind. Präferiert wird aber eher ein fächerüber-
         greifendes Konzept der Medienbildung und kein eigenes
         Prüfungsfach Informatik. Eine Expert*innenrunde zur
         Kontroverse, die auf einer Tagung im März 2020 stattfin-
         den sollte, musste wegen der Coronapandemie leider
         ausfallen. Gleichwohl haben wir die geplanten Beiträge
         zwischen Ira Diethelm und Stefan Aufenanger in einer
         Tagungsdokumentation festgehalten. Ira Diethelm,                    Gesellschaft digital?
                                                                            Herausforderungen der Digitalisierung
         Mitglied der Gesellschaft für Informatik, plädiert für ein                                                 für Gesellschaft, Bildung und Unterri
                                                                                                                                                         cht

         Leitfach Informatik, das die Grundkompetenzen und das
         Hintergrundwissen zur Digitalisierung verpflichtend lehrt.
         Diethelm stellt das Dagstuhl-Dreieck vor, welches neben
         einer technologischen Perspektive, die nach den Funktio-
         nen fragt und der anwendungsorientierten Perspektive
         auch eine gesellschaftlich-kulturelle Perspektive und die
                                                                                                                                                www.gew.de/digital
         Frage nach der Wirkung stellt. Das Dagstuhl-Dreieck und
         die Weiterentwicklung in der Frankfurter Erklärung sahen
         die AG-Mitglieder bei einer Sitzung im September 2020
         als Bezugspunkt. Eine Schnittmenge mit der AG-Position
         findet sich in der Dagstuhl-Forderung, dass das Lernen        Für den Gewerkschaftstagsantrag der AG 2 und 3 zur
         über die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Digitali-       „Souveränität und Gestaltungskompetenz“ einigten sich
         sierung ein notwendiger Teil des Curriculums für die          die AG-Mitglieder darauf, die „Verankerung informati-
         „digitale Welt“ sein muss. Stefan Aufenanger plädiert in      scher Grundlagen in allen Bildungsbereichen“ zu fordern:

      GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität                      19

„Informatische Bildung wird als wichtiger Teil eines umfas-   „digitale Welt“ sind eine Verzahnung der Akteure aller
senden medienpädagogischen Konzepts in den Fachunter-         Bildungsbereiche mittels eines Gesamtkonzepts, eine
richt, den Wahlpflichtbereichen und in Formen des             strukturelle Verankerung und Zertifizierung fachlicher und
Epochen- und Projektunterrichts strukturell verankert.        überfachlicher Inhalte für den Kompetenzerwerb in allen
Informatische Bildung sollte im Sinne des Dagstuhl-Drei-      Aus-, Fort- und Weiterbildungsordnungen und -plänen
ecks in eine technologische, anwendungsorientierte und        sowie Möglichkeiten zur gleichberechtigten Zusammenar-
gesellschaftlich-kulturelle sowie geschlechtersensible        beit von Kolleg*innen und Lernenden. Ungleichheiten und
Perspektive eingebettet sein und sich nicht auf die rein      Ausschlüsse sollen unter der Perspektive der Inklusion in
anwendungsorientierte Perspektive erstrecken.“                den Blick genommen und ihnen entgegengewirkt werden.

                                                                Diese allgemeinen Forderungen für alle Bildungs­
5.4 W
     as lernen Lehrende in der                                 bereiche haben die AG 2 und 3 für die unterschied­
    Digitalisierung? Aus-, Fort und Weiter­                     lichen Bildungsbereiche aufgeschlüsselt. Einige der
    bildungsbedarfe                                             Forderungen werden hier exemplarisch vorgestellt:

Ausführlich haben sich die Kolleg*innen der AG 2 und 3          Im Kitabereich sollten Medien sowohl als Mittel zum
mit den Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarfen für die          Lernen und Gestalten eingesetzt werden als auch selbst
digitale Welt beschäftigt. Für die verschiedenen Bildungs-      Gegenstand kritischen Lernens sein. Das Medienhan-
bereiche wurden in einem Antrag für den Gewerkschafts-          deln der Kinder soll ohne Diskriminierung betrachtet
tag die Spezifika herausgearbeitet. Neben der Berücksich-       und die Eltern in die medienpädagogische Arbeit einge-
tigung der Besonderheiten der Bildungsbereiche galt es          bunden werden. Zur langfristigen Verankerung von
aber auch, eine gemeinsame Sichtweise für die Forderun-         Medienerziehung im Kita-Alltag benötigen
gen zu entwickeln, die dann dem jeweils spezifischen            Erzieher*innen auch nach dem Ende von Bildungsmaß-
Medienhandeln der Lernenden in den Bildungsbereichen            nahmen eine dauerhafte Unterstützung zu technischen
gerecht werden soll. Die Medienkompetenz der Lehren-            wie pädagogischen Fragen.
den der Bildungsbereiche selbst ist Ausgangspunkt für die
Förderung der Medienkompetenz der Lernenden aller               Für den Schulbereich sollen u.a. Angebote für koopera-
Bildungsbereiche.                                               tives Arbeiten mit Kolleg*innen und Schüler*innen
                                                                ermöglicht werden. Verlässliche Qualifizierungsmaß-
Darüber hinaus gilt es ebenso die medienpädagogischen           nahmen für Schulleitungen, Unterrichtende an den
Kompetenzen sowie die technischen und informatischen            Studienseminaren und Lehrkräfte mit besonderen
Kenntnisse der Lehrenden zu verbessern. Solche Angebo-          Aufgaben sollen aufgebaut werden, um Schulen und
te erfordern eine entsprechende Ausstattung mit materi-         Studienseminare zu befähigen, kompetent auszubilden.
ellen und zeitlichen Ressourcen. Neben einer Grundlagen-        Qualifizierte Angebote sowohl für den Kompetenzer-
vermittlung und Sachreflexion soll ausreichend Zeit zur         werb als auch für Austausch sowie für selbstständiges
Selbstreflexion gewährleistet werden. Hierfür muss              Lernen sollen bereitgestellt werden. Unabhängige
Arbeitszeit zur Verfügung stehen. Voraussetzung für den         Einrichtungen zur (medien-)pädagogischen Beurteilung
Erfolg des Erwerbs von Bildungskompetenzen für die              und Bewertung von Lehr-Lernmaterialien unterschiedli-

                                                                           GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
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