GEW-Bundesforum "Bildung in der digitalen Welt" - Projektbericht
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Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ Projektbericht www.gew.de
Impressum Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand Verantwortlich: Ilka Hoffmann und Ansgar Klinger (V.i.S.d.P.) Reifenberger Straße 21 60489 Frankfurt am Main Telefon: 069/78973-0 Fax: 069/78973-202 E-Mail: info@gew.de www.gew.de Redaktion: Birgita Dusse, Ilka Hoffmann, Ansgar Klinger, Helena Müller und Martina Schmerr Gestaltung: Karsten Sporleder, Wiesbaden Titelbild: illustration - iStock Druck: Druckerei Leutheußer, Coburg Artikel-Nr.: 2216 Bestellungen bis 9 Stück richten Sie bitte an: broschueren@gew.de Fax: 069/78973-70161 Bestellungen ab 10 Stück erhalten Sie im GEW-Shop: www.gew-shop.de gew-shop@callagift.de Fax: 06103-30332-20 Mai 2021
Inhalt 3 GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ Projektbericht 1. Vorwort 5 2. Das GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“: Einleitung mit Mindmap und Projektübersicht 7 3. Beschleunigte Kontexte 9 3.1 Digitaler Kapitalismus: Neue Rahmenbedingungen für die Bildung? 9 3.2 Überraschende Wendung: Von 0 auf 100. Die Coronapandemie 9 3.3 Unterm Brennglas: Verschärft Digitalisierung soziale Ungleichheit? 11 4. Digitalisierung aus Beschäftigtensicht: AG 1 12 4.1 Digitalpakt (AG 1) 12 4.2 Datenschutz – Schulclouds – Mobiles Arbeiten (AG 1) 14 5. Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität: AG 2 und AG 3 15 5.1 Ausbuchstabiert: Was bedeutet Digitalisierung für die einzelnen Bildungsbereiche? 16 5.2 Klärungsbedarf: Was ist ein adäquater Medienbegriff? 16 5.3 Wirklich ein Widerspruch? Informatik vs. Medienbildung 18 5.4 Was lernen Lehrende in der Digitalisierung? Aus-, Fort und Weiterbildungsbedarfe 19 6. Drängende Antworten 21 6.1 Digitalisierung ist keine Privatsache 21 6.2 Digitalisierung soll alle mitnehmen 22 6.3 Gute Bildung und gute Arbeit für die digitale Welt 23 6.4 Didaktik für die Bildung in der digitalen Welt 23 7. Ist 2021 das neue 1984? Learning Analytics und Big Data in der Bildung (AG 4) 24 8. Whole lotta lobby? Kommerzialisierung und Ökonomisierung von Bildung (AG 4) 26 9. Ein Blick auf die Zukunft: Grundrechte für eine Bildung in der digitalen Welt 28 10. Terminleiste und Publikationsübersicht 30 10.1 Terminübersicht des GEW-Bundesforums „Bildung in der digitalen Welt“ im Zeitraum März 2019 – Mai 2021 30 10.2 Publikationsübersicht des GEW-Bundesforums „Bildung in der digitalen Welt“ 32 GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Vorwort 5 1. Vorwort „Die GEW stellt sich den Risiken und Chancen einer durch Automatisierung, Algorith- men und künstlicher Intelligenz beeinflussten Gesellschaft. Sie stellt Bedingungen für ein zukunftsfähiges Bildungswesen und die Sicherung von Freiheit und Demokratie auf. Sie arbeitet auch über den Gewerkschaftstag 2017 hinaus dauerhaft an der Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Zeichen der Digitalisierung. Zentrale Prinzipien dieser Arbeit sind Inklusion, Chancengleichheit und Gerechtigkeit, gute Lern- und Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Beteiligung, Qualität der Bildung, Erhalt der öffentlichen Bildung sowie die Sicherheit und das Wohlbefinden von Lernenden und Lehrenden.“ Diese Ausführungen aus der Präambel des Gewerkschaftstagsbeschlusses „Bildung in der digitalen Welt“ sind Grundlage für einen der Arbeitsschwerpunkte des Geschäftsführenden Vorstands wie für die Arbeit des 2018 begründeten gleichnamigen Bundesforums. Ilka Hoffmann Dessen Zusammensetzung aus Vertreter*innen aller Landesverbände sowie der Bundesausschüsse, ergänzt um einzelne berufene Expert*innen, ermöglicht einen vertiefenden Austausch in den inhaltlich begründeten vier Arbeitsgruppen. Während der Coronapandemie hat sich die Auseinandersetzung mit digitalen Medien und Tools noch beschleunigt. Der 2019 beschlossene Digitalpakt Schule wurde mehr- fach erweitert. Die Schulen haben vielfältige Erfahrungen gemacht, Kompetenzen wurden erworben und kreative Ideen entwickelt. Es stellen sich aber auch viele Fragen: Welche neuen sozialen Spaltungen ergeben sich durch die Digitalisierung? Wie können alle Menschen in dieser Gesellschaft Souveränität und Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien erwerben? Wie kann ein Erfahrungsaustausch zwischen den Kolleg*innen fruchtbar gemacht werden? Wie sollte eine Didaktik in der digitalen Welt aussehen? Was bedeutet die Digitalisierung für Selbstbestimmung, Grundrechte und Ansgar Klinger Demokratie? All diesen Fragen werden im Bundesforum behandelt. Auch wenn die Pandemie die Arbeit im Bundesforum zunächst beeinträchtigte und dann wiederum beschleunigte, konnten in kurzen Zeiträumen drei Fachtagungen und mehrere Fachveranstaltungen in Präsenz-, Hybrid- und virtuellen Formaten bislang veranstaltet werden. Das Bundesforum blickt auf eine Vielzahl bereits erstellter Publikationen und Materialien zurück und sieht der öffentlichkeitswirksamen Veröffent- lichung zweier wissenschaftlicher Gutachten zur Wirkungsweise des Digitalpakts sowie zur Arbeitsbelastung der Pädagog*innen im Kontext des Gewerkschaftstags 2021 entgegen. Mit besonderem Dank an die Mitglieder des Bundesforums einschließlich dessen Koordinierungsgruppe und die Projektreferentin für deren unterstützende Arbeit sowie die beteiligten weiteren Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle legen wir hier den Bericht des Projekts Bildung in der digitalen Welt vor. Uns ist bewusst, dass die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Zeichen der Digitalisierung einer Fortsetzung über den Gewerkschaftstag hinaus bedarf – ganz im Sinne der genannten Präambel. Dr. Ilka Hoffmann Dr. Ansgar Klinger Vorstandsmitglied Schule Vorstandsmitglied Berufliche Bildung u. Weiterbildung Projektleiterin Projektleiter zurück zum Inhalt GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ 7 2. Das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ // Einleitung mit Mind-Map und Projektübersicht // Digitalisierung sei ein „Kofferwort“, so Timo Daum, einer richtet zum Abschluss den Blick in die Zukunft, auf die der Referenten für die geplante und kurzfristig ausgefalle- Debatte um Grundrechte für Lernende und Lehrende im ne Tagung des Bundesforums „Gesellschaft digital?“, die digitalisierten Bildungsbereich – ein Teilprojekt, das von mitten in den ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 der AG 4 des Bundesforums angestoßen wurde. Da der fiel. Was der vollgepackte Digitalisierungskoffer für das Gewerkschaftstag im Juni 2021 noch nicht alle Themen GEW-Projekt „Bildung in der digitalen Welt“ alles enthielt des Bundesforums aufrufen wird, bleiben wir am Ball und und welche Leerstellen es noch für die „Daueraufgabe das Bundesforum setzt bis Ende 2021 seine Arbeit fort. Digitalisierung“ zu füllen gilt, stellt der folgende Bericht Weitere Veranstaltungen – u.a. eine Abschlusssitzung des dar. Er beinhaltet neben den Berichten zu den vier Bundesforums sowie weitere Publikationen, die zum Arbeitsgruppen des Projekts drei Themenaufrisse zu Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des Berichts noch zentralen Digitalisierungsentwicklungen sowie Antworten nicht abgeschlossen waren, werden 2021 noch durchge- auf drängende Fragen im Kontext der Digitalisierung, die führt und fertiggestellt. Eine chronologische Zeitleiste des im Bundesforum diskutiert worden sind. Der Bericht Projekts findet sich im Anhang dieser Publikation. Welche Gesellschaft wollen wir? Personal- AG 4 Öffentliche Verantwortung/ vertretung Bildungs Finanzierung bereiche Datenintegrität Datenschutz AG 1 als öffentliches Arbeits und Gemeingut und Clouds/ Gesundheits- Grundrecht Daten- schutz verarbeitung/ KI DigitalPakt Urheberrecht Bildungs-/ Ressourcen Wissenschaftsinhalte + Aufbereitung Medien- didaktische AG 3 Primat der Grundqualifikation Pädagogik Anforderungen an Bildungspolitik/- Informatik/ verwaltung informatorische Grundbildung Konzepte Medien- Medienbildung bildung als AG 2 Kompetenzen Querschnitt GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
8 Das Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“ Wir beginnen mit einem Blick auf den Anfang: Der Lobbyismus eine zentrale Rolle. Eines der Kernthemen des Beschluss „Bildung in der digitalen Welt“ auf dem Bundesforums war überdies der im März 2019 beschlos- Gewerkschaftstag 2017 in Freiburg bildete die Basis für sene Digitalpakt Schule. das bundesweite gleichnamige GEW-Projekt, das durch einen vom HV im Juni 2018 verabschiedeten Aktionsplan Bei der konstituierenden Tagung des Bundesforums im konkretisiert wurde. Das Bundesforum arbeitete von März 2019 fand im Rahmen eines World Café ein thema März 2019 bis zum Gewerkschaftstag 2021 an der tischer Austausch statt, der die Basis für die Bildung von Umsetzung des Aktionsplans. Die Arbeit beinhaltete vier Arbeitsgruppen für die weitere Arbeit gelegt hat: Veranstaltungen, Stellungnahmen, Dossiers und Broschü- ren sowie eine Mitgliederbefragung und mehrere Exper 1. Arbeit, Rechte und Arbeitsbedingungen der Beschäf- tisen. Durch die Coronapandemie hat das Thema Digitali- tigten im Bildungsbereich, sierung im Bildungsbereich massiv an Bedeutung gewon- 2. Pädagogische Herausforderungen und Chancen, nen, was sich auch im öffentlichen und medialen Interesse 3. Aus-, Fort- und Weiterbildung der im Bildungsbereich an den Positionen der GEW in diesem Bereich widerspie- Beschäftigten und gelt. Das Bundesforum hatte zum Ziel arbeitspolitische, 4. Ökonomisierung und Kommerzialisierung. rechtliche und pädagogische Herausforderungen zu diskutieren und Positionen und Forderungen für diese Das Bundesforum wurde von Dr. Ilka Hoffmann und Dr. Bereiche zu entwickeln. Vorschläge für eine bessere Ansgar Klinger geleitet und bestand aus Vertreter*innen Verankerung von Medienbildung und Digitalisierung in aller GEW-Landesverbände sowie aller Fach- und Perso- den Curricula stehen ebenso auf der Agenda wie die nengruppen. Koordiniert wurde die Arbeit von einem Aus- und Fort- und Weiterbildung der Lehrenden. Weil die Koordinierungsteam, das aus Dr. Ilka Hoffmann (GV), Digitalisierung auch ein Einfallstor für die Kommerzialisie- Dr. Ansgar Klinger (GV), Marlis Tepe (GV), Dr. Julia Landgraf rung und Ökonomisierung des Bildungswesens ist, spielen und Björn Rützenhoff (Vertreter*innen der Landesverbän- die Verteidigung öffentlich verantworteter und finanzier- de) sowie Dr. Fred Schell und Ellen Sefrin (Vertreter*innen ter Bildung sowie das Zurückdrängen des zunehmenden der Bundesfachgruppen) bestand. zurück zum Inhalt GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Beschleunigte Kontexte 9 3. Beschleunigte Kontexte 3.1 Ü berraschende Wendung: Von 0 auf 100. Während die konstituierende Sitzung im März 2019 noch Die Coronapandemie als „normale“ Präsenzsitzung stattfand, musste die zweite Sitzung im März 2020 sehr kurzfristig abgesagt werden. Noch im Februar 2020 schien „Corona“ weit entfernt – Den Schwerpunkt der verschobenen 2. Sitzung des obschon sich auch öffentliche Einrichtungen und Bildungs- Bundesforums im September 2020, die als Hybridveran- einrichtungen in Deutschland bereits mit Schließungs staltung in Steinbach/Ts. durchgeführt wurde, bildete die szenarien auseinandersetzten. Ab dem 16. März 2020 Vorbereitung des Gewerkschaftstages 2021 und die brach die Krise dann im ersten Lockdown auch über das Beratung der in den Arbeitsgruppen erstellten Antrags- Bundesforum herein. Die Coronapandemie führte zu dem entwürfe. Das Koordinierungsteam und das Bundesforum Paradox, dass die Arbeit des Bundesforums sowohl hatten sich dafür entschieden, dem Gewerkschaftstag blockiert als auch intensiviert wurde. Einerseits mussten keinen weiteren „Leitantrag“ (wie in 2017) vorzulegen, sowohl die bereits vollständig vorbereitete Tagung sondern ein Antragspaket, das wichtige und notwendige „Gesellschaft digital?“ Herausforderungen der Digitalisie- Positionen zu den Problemen der Digitalisierung konkreti- rung für Gesellschaft, Bildung und Unterricht“ und die siert: Cloudsysteme im Schulbereich, Anforderungen an 2. Bundesforumssitzung Mitte März 2020 sowie ein Datenschutz, Forderungen zur Umsetzung des Digital- Parlamentarisches Frühstück zum einjährigen Bestehen pakts Schule, pädagogische Fragen der Digitalisierung des Digitalpakts binnen kurzer Zeit abgesagt werden. Die („Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Arbeitsgruppen des Bundesforums, dessen Mitglieder Souveränität“), Aus-, Fort- und Weiterbildung, „Learning häufig in das Corona-Krisenmanagement vor Ort einge- Analytics, Algorithmen und Big Data in Bildung und bunden waren, mussten sich zunächst auf die neue Wissenschaft“, Transparente zivilgesellschaftliche Organi- Arbeitsweise umstellen. sationen sowie Grundrechte von Lernenden und Lehren- den in der digitalisierten Welt. Das dritte Bundesforum Andererseits bekam das Digitalisierungsthema mit der wurde aufgrund der neuerlichen Verschärfung der Pandemie eine neue Dynamik. Plötzlich lag die Arbeit mit Pandemielage als reine Onlinesitzung am 27. März 2021 digitalen Tools, Apps, Konferenzsystemen, Distanz- und durchgeführt (siehe 6.3). Hybridunterricht nicht mehr im Bereich der Vorstellung, sondern war Alltag sowohl für die Lehrkräfte als auch für die Schüler*innen und Studierenden geworden. Beide 3.2 Digitaler Kapitalismus: Neue Rahmen Seiten mussten sich mit einem enormen Improvisations- bedingungen für die Bildung? talent auf die neue Situation einstellen. Gehörten 2006 noch drei von fünf der weltweit wertvolls- So bewirkte auch die erste Online-Pressekonferenz der ten Unternehmen zur Old Economy (zwei Ölkonzerne und GEW zur Mitgliederbefragung im Juni 2020 ein derart General Electrics) so hatten nur zehn Jahre später die großes und positives Medienecho, wie es die GEW selten „Big 5“ der Internetwirtschaft übernommen: Apple, zuvor erlebt hat. Mit der Kernforderung „Digitalisierung Alphabet (Google), Microsoft, Amazon und Facebook ist keine Privatsache“ konnten wir zum Beispiel die gehörten seitdem zu den wertvollsten Unternehmen mit Debatte um die öffentliche Bereitstellung von Dienstgerä- einer enormen Wertsteigerung im Vergleich zu den alten ten erheblich voranbringen (siehe 6.1). Die geplanten Riesen, aber auch zu sich selbst (vgl. Daum 2019: 34f.). Beiträge der Tagung „Gesellschaft digital?“ u.a. zur Und das war noch vor der Coronapandemie. Doch diese Kontroverse zwischen Informatik und Medienpädagogik Internetrevolution wälzt nicht nur die Machtverhältnisse sowie zum „digitalen Kapitalismus“ wurden schließlich in auf dem Weltmarkt um, sondern auch die Rahmenbedin- einer Broschüre veröffentlicht. Über den Sommer fanden gungen für Bildung. außerdem die Arbeitsgruppen zu ihrer regelmäßigen Zusammenarbeit zurück, wenn auch überwiegend online. Mit dem Digitalisierungsschub der Coronapandemie hat die Realität manche Konzept- und Strategiephasen nicht Präsenz, gecancelt, hybrid, online: Keine der bisherigen nur ein- sondern auch überholt. Umso mehr war das Sitzungen des Bundesforums „Bildung in der digitalen GEW-Bundesforum gefordert, in der aktuellen politischen Welt“ konnte im gleichen Format durchgeführt werden. Situation der beschleunigten Digitalisierung mit einer GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
10 Beschleunigte Kontexte kritischen Stimme „reine Sachzwänge“ zu hinterfragen: beschäftigte sich daher z.B. eingehend mit der Thematik zum Beispiel den Gebrauch von vermeintlich kostenfreien Ökonomisierung und Kommerzialisierung (siehe 7.–9.). Angeboten kommerzieller Dienstleister, die eben genau genommen mit Daten bezahlt werden. Das Prinzip des Digitalisierung ist eben nicht nur eine Frage der reinen, Data-Mining, also das Abschöpfen von Daten, hat der „neutralen“ Technik, sondern eine höchst politische Physiker und Autor Timo Daum in seinen Publikationen Frage. Wie werden z.B. Algorithmen eingesetzt? Wer analysiert. Wir konnten ihn für eine für März 2020 bestimmt darüber, wie Algorithmen programmiert geplante Tagung des Bundesforums gewinnen, die leider werden? Wie können wir im demokratischen Sinne dem ersten Lockdown zum Opfer fiel. Allerdings hat Daum überhaupt noch Einfluss hierauf nehmen? Zentrale für die GEW einen Beitrag für die „Dokumentation“ der Zukunftsfragen. In einer Veranstaltung des GEW-Bundes- ausgefallenen Tagung „Gesellschaft digital?“ verfasst, in forums zum Thema „Digitalisierung zwischen Teilhabe und der er zentrale Thesen seiner Arbeit zusammenfasst. So Spaltung“ hat Welf Schröter, Forum Soziale Technikgestal- schlussfolgert er etwa: „Die Digitalisierung – sowohl die tung des DGB Baden-Württemberg, über sein Konzept des technische, als auch die gesellschaftliche – findet aller- „mitbestimmten Algorithmus“ referiert (siehe 6.2), so dings unter Rahmenbedingungen statt, die sie selbst weit dass wir diese kritische und handlungsorientierte Position über technische und Rationalitätskriterien hinaus bestim- munter diskutieren konnten. men: Sie findet in einem kapitalistischen Umfeld statt. Das Internet ist längst zum größten Marktplatz der Welt Welche Kompetenzen und welches Wissen brauchen geworden, zum digitalen Weltmarkt. Die kommerzielle Lernende in den unterschiedlichen Bildungsbereichen, um Ausrichtung des Internets, das im Kalten Krieg als Ab- als mündige Bürger*innen an der digitalisierten Gesell- wehrwaffe entwickelt und dann zu einer Spielwiese der schaft partizipieren zu können? Wie können wir der Wissenschaft wurde, ist zu einem Selbstläufer geworden“ Kommerzialisierung des Bildungsbereichs entgegentre- (Daum 2020). Diesen Automatismus, der auch die Kom- ten? Wie können wir die Daten von Lehrenden und merzialisierung im Bildungsbereich verschärft, möchte die Lernenden schützen? All diese Fragen wurden in den GEW so nicht hinnehmen. Die AG 4 des Bundesforums Arbeitsgruppen des Bundesforums erörtert, über die weiter unten berichtet wird. GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Beschleunigte Kontexte 11 3.3 U nterm Brennglas: Verschärft (33,2 Prozent) verfügen lediglich über Grundkenntnisse im Digitalisierung soziale Ungleichheit? Umgang mit digitalen Medien, während nur 1,9 Prozent der Jugendlichen hier Höchstwerte erreicht. Die Ergebnis- Was sich schon mit der ICLS-Studie von 2018 (Senkbeil se für Deutschland bewegen sich knapp über dem u.a. 2019: 301ff.) angedeutet hat, hat sich in der Corona EU-Durchschnitt. Die Daten zu den digitalen Kompetenzen krise wie unter einem Brennglas verstärkt: Digitalisierung von Achtklässlern beziehen sich auf die ICILS-Studie 2018. verschärft soziale Ungleichheit. Bei Ausbruch der Corona- Die Frage der digitalen Kompetenzen ist auch eine soziale pandemie klaffte eine große Lücke bei der Nutzung von Frage und zeigt den „digital divide“ auf. Während 84 Pro- Endgeräten durch Schüler*innen: Die einen nutzten privat zent der Menschen mit einem hohen formellen Bildungs- neueste Notebooks, andere mussten das komplette abschluss über grundlegende oder höhere digitale „Homeschooling“ über ihr Smartphone abwickeln. Neue Kompetenzen verfügen, liegt dieser Wert bei Menschen Regelungen zum Verleih von Endgeräten und im Frühjahr mit niedrigeren oder keinen formellen Bildungsabschlüs- 2020 zusätzlich beschlossene Mittel aus einem Digital- sen nur bei 32 Prozent und bei Arbeitslosen bei 44 Pro- pakt-Sofortprogramm über 500 Mio. Euro für digitale zent. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und einem guten Endgeräte sollen ein wenig Ausgleich schaffen. Doch die Einkommen hängt im zunehmenden Maße von den Benachteiligung erstreckte sich nicht nur auf die techni- digitalen Kompetenzen ab, die den Menschen eben nicht sche Ausstattung. Ein Schul-Barometer aus Deutschland, in die Wiege gelegt werden, sondern erlernt werden Österreich und der Schweiz zeigte, dass sich bei sozio- müssen. Auch viele der „digital natives“ verfügen nicht ökonomisch schlechter gestellten Schüler*innen auch über genügend Kompetenzen. Die Schere besteht nicht häufiger eine fehlende elterliche Unterstützung sowie nur zwischen Alt und Jung, sondern wird zu einer sozialen mangelhafte Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen und Frage. Im Bundesforum haben wir diese Problematik zur Selbstorganisation negativ auswirkten (vgl. Huber und unter anderem bei einer Veranstaltung zum Thema Helm 2020: 55f.). „Digitalisierung zwischen Teilhabe und Spaltung“ disku- tiert. (siehe 6.2) Der EU-Bildungsbericht 2020 machte weitere Spaltungen deutlich: Rund ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland zurück zum Inhalt GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
12 Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive AG 1 4. Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive // Die Arbeitsgruppe 1 // Im Anschluss an das am 22. März 2019 in Göttingen digitale Endgeräte sowie ein bestimmter Sockelbetrag veranstaltete Bundesforum Bildung in der digitalen Welt (z.B.: 20.000–25.000 Euro) je Schule für weitere mobile fand die konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe 1 Endgeräte. statt. Als prioritäre Themen wurden der Digitalpakt und dessen Umsetzung, der Datenschutz, die Personalvertre- Die AG 1 des Bundesforums hat im Frühjahr 2019 zentrale tung sowie der Arbeits- und Gesundheitsschutz festgehal- Forderungen zum Digitalpakt aufgestellt, die sich in der ten. Mit der Einbindung von Arbeitswissenschaftler*innen Coronapandemie als äußerst sinnvoll erwiesen haben und wurde zudem externe Expertise eingeholt. Die Gruppe die auch durch die inzwischen vorgenommenen Ergänzun- vernetzt sich über die GEW-Cloud. Nach den anfänglichen gen und Modifikationen zum Digitalpakt nicht obsolet Präsenztreffen stellte die AG seit dem Frühjahr 2020 geworden sind: notgedrungen auf Onlinesitzungen um – was die Sitzungs- frequenz wie auch den Arbeitszusammenhang jedoch • Mitbestimmung und Beteiligung nach dem anfänglichen „Coronaschock“ noch intensiviert Bei der Erarbeitung der Förderrichtlinie und ihrer hat. Die Schwerpunktthemen der AG sowie die bis Mitte Umsetzung, bei der Einführung digitaler Arbeits- 2021 abgeschlossenen Expertisen werden in den folgen- und Unterrichtstechnologien sowie beim Daten- den Abschnitten dargelegt. schutz müssen Mitbestimmungs- und Beteiligungs- rechte gewahrt werden. 4.1 D igitalpakt, Arbeitsbelastung und • Ausstattung der Schulen Urheberrecht Es muss langfristig gesichert sein, dass die Schulen pädagogisch sinnvoll und leistungsfähig ausgestat- Bereits in den auf die konstituierende Sitzung des Bundes- tet sind. forums folgenden Wochen erstellte die AG von den Landesverbänden nutzbare „Empfehlungen zur Umset- • Ausweitung der Lehr- und Lernmittelfreiheit zung des Digitalpakts“, die vom Geschäftsführenden Die Ausstattung von Lehrenden und Lernenden mit Vorstand als Empfehlungen der GEW beschlossen und entsprechender Technik ist öffentliche Aufgabe. veröffentlicht wurden. In der im Juni 2019 in Göttingen Für Lehrende muss gelten: „dienstliche Tätigkeit – veranstalteten zweiten Sitzung wurde neben einem dienstliche Arbeitsmittel“. Rückblick auf die Aktivitäten beim zurückliegenden Mai-Meeting der GEW der Umsetzungsstand des Digital- • Mindeststandards für den Datenschutz pakts in den Bundesländern erörtert. Die Gruppe legte Sowohl für Lernplattformen als auch für alle Geräte Eckpunkte für zu beauftragende Expertisen des E-Lear- in Unterricht und Verwaltung müssen Mindeststan- nings und der Erfassung von Arbeitszeit und -belastung dards für den Datenschutz festgelegt und sicher mobilen Arbeitens fest. gestellt werden. Die Umsetzung des Digitalpakts in den Bundesländern • Wartung und Administration von Hard- und Soft- und der Stellenwert der von der AG erarbeiteten Empfeh- ware lungen standen auch in der dritten im September 2019 in Wartung und Administration ist nicht von Lehr Göttingen abgehaltenen Sitzung im Vordergrund. In kräften „on top“ oder mit nicht ausreichender mehreren Bundesländern scheint sich eine „Abarbeitung“ Freistellung zu leisten. Hierfür sind zusätzliches mit folgender Reihenfolge herauszukristallisieren, so ein Personal und Unterstützungssysteme nötig. Lehr- Beratungsbefund der AG: Umfassender Glasfaserausbau, kräfte müssen bedarfsgerecht freigestellt und schulisches WLAN, Aufbau digitaler Lehr-Lern-Infrastruk- regelmäßig fortgebildet werden. turen, Anzeige und Interaktionsgeräte, schulgebundene GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive 13 Die GEW set zt sich seit cen für Bildu langem für ng sowie die zusätzliche verbotes zw Aufhebung Ressour- ischen Bund des Koopera sie im Janua und Lände tions- r eine repräs rn ein. Zulet gestartet: entative Mi zt hatte „Sollte der tgliederbefr Erziehung Gewerk Ihrer Meinu Bund Komm agung und Wissen schaft ng nach kü unen und schaft und Unter nftig mit me Länder richt als bis hr Geld für der Befragte her unterstü Schulen n antwortete tzen?“ 89,7 deutsche Sch n mit „Ja“. Prozent ulen Ihrer Der Frage stattet we Meinung na „Sollten rden, um Sch ch besser au das digitale ülerinnen sge- Lernen & Leb und Schüle sogar 90,2 en vorzube r gut auf Prozent zu. reiten?“ sti // SC HU LE mmten // • Bildungsclouds Bereits 20 ergeben, da 18 hatte ein ss 94 Prozen e Umfrage unter den Mitgliedern Kommunikations- und Lernplattformen müssen in tration dig 85 Prozent italer Gerät fanden au t die Wartu e für am wi ng und Ad chtigsten hie minis- ßerdem die lten. „öffentlicher Hand“ liegen, sowie Datenschutz und in digitaler hängigkeit Bildung ge der Bildung nauso notw Lehrkräftefo endig wie rtbildung die Unab- fast alle GE von Medie Rechtssicherheit gewährleisten. anderen Be W-Mitglied rufen selbst er wünsche nkonzerne n sich, was n. Und in allen Arbeitgebe verständlich r die digita ist: dass de le Hardware r bereitstell t. Mehr • Arbeits- undDigitGesundheitsschutz Informatio alisierung: nen zu Bildu ng und www.gew. www.gew. de/digital Die Einhaltung von Arbeitsschutzgesetzen ist sicher de/digital zustellen, insbesondere das Recht auf Nicht- Erreichbarkeit. DigitalPak t Worauf es Schule: Impressum: Gewerk sch jetzt ankom aft Erziehung Hauptvors und Wissen tand schaft mt Verant wo rtlich: Dr. Reifenber ger Ilka Hoffma nn Wichtige As Tel.: 069/78 Str. 21, 604 89 Frankf in de pekte für die 973 -0, info urt am Ma n Ländern Um und vor Or setzung In der weiteren Arbeit des Bundesforums kristallisierte Redaktion: @g ew. de in Dr. Martina Sch Ilka Hoffmann, Ans t merr, Laura gar Klinger Gestaltung Wallner , Arnfried : Karsten Spo Gläser, sich die Forderung nach einer Verstetigung der Digital- Fotos: Pixa Druck: Leu Bestellung bay/CCO, iSto rleder theußer, Cob ck/FatCamera urg paktmittel heraus. Dies wurde auch durch eine Studie von en: ww w.g Juni 2019 ew-shop.d e Dr. Roman George zur adäquaten Mittelausstattung an allgemeinbildenden Schulen sowie durch eine Studie von www.gew. de/digital Dr. Roman George und Dr. Ansgar Klinger zur Mittelaus- stattung an berufsbildenden Schulen unterstrichen. Alleine für die berufsbildenden Schulen errechneten die Autoren einen Mehrbedarf von 1,05 Mrd. Euro jährlich Studie zur Arbeitsbelastung durch (George und Klinger 2020). Digitalisierung Die GEW fordert, Systemadministrator*innen einzustel- Die AG beriet Kriterien einer möglichen Expertise zur len, die sich um zusätzlich anfallende Bedarfe kümmern. Arbeitszeit von Pädagog*innen vor dem Hintergrund des Hierzu erforderlich wären 15.881 IT-Stellen für Schüler*in E-Learnings und tauschte sich anschließend mit dem als nenbedarfe und ca. 3.002 für die Endgeräte der Lehrkräf- Gast eingeladenen Arbeitswissenschaftler Dr. Frank te (George 2020). Schließlich hat die Coronapandemie Mußmann aus. Die Zusammenarbeit konkretisierte sich in deutlich gemacht, dass es auch in anderen Bildungsberei- dem von der MTS geförderten Forschungsprojekt (Bewilli- chen erhebliche Digitalisierungsdefizite gibt. Die zahlrei- gung im März 2020) „Digitalisierung im Schulsystem: chen zum GEW-Gewerkschaftstag vorgelegten Anträge Herausforderung für Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von enthalten daher auch Forderungen nach einer Ausweitung Lehrkräften“, das von Frank Mußmann, Kooperationsstelle des Digitalpakts, etwa in Form eines „Digitalpakts Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August- Hochschule“, eines „Digitalpakts Weiterbildung“ sowie Universität Göttingen, geleitet wird. Für die bundesweite eines „Digitalpakts Alter“. Befragung von Lehrkräften wurde eigens eine Projektplatt- form eingerichtet. In einer enormen Kraftanstrengung Im Rahmen des Bundesforums wurde eine Expertise zur trotz Corona-Mehrfachbelastung in den Kollegien haben Umsetzung des Digitalpakts in Auftrag gegeben, die im die Kolleg*innen als Mulitplikator*innen für die Beteili- Frühherbst 2020 gestartet ist. Unter dem Titel „Die gung an der Studie geworben. So konnte die bundesweite Umsetzung des Digitalpakts Schule in den 16 Bundeslän- Repräsentativität der Studie sichergestellt werden. Im dern: Wirkungsweisen und mögliche Problemlagen“ Juni 2021 werden erste Ergebnisse der Studie veröffent- untersuchen Prof. Dr. Michael Wrase und sein Projektmit- licht. arbeiter Daniel Rohde von der Universität Hildesheim die Strukturen, die zu einer neuen Form der Zusammenarbeit Urheberrecht der Verwaltungsebenen zwischen Bund, Ländern und Kommunen führen könnten. Auch die Finanzierungstruk- Mit der Umsetzung der EU-Richtlinien zum Urheberrecht turen und die Frage nach adäquater Mittelverteilung beschäftigte sich die AG 1 im Januar 2020 bei ihrer vierten spielen in der qualitativen Untersuchung eine Rolle. Für Sitzung in Kassel. Hier tauschte sich die AG mit dem Gast die Expert*inneninterviews konnten wir auch die Expertise Dr. Jasper Prigge aus, der eine Expertise im Auftrag der der Delegierten unseres Bundesforums miteinbeziehen. GEW zur Thematik erstellt hat. Im März 2020 gab die GEW eine auf den Vorarbeiten in der AG beruhenden Mitglie- derinfo „Neues EU-Urheberrecht: Was heißt das für Schulen und Hochschulen?“ heraus. GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
14 Digitalisierung aus Beschäftigtenperspektive Erziehung Gewerk und Wissen schaft schaft 4.2 D atenschutz – Schulclouds – Mobiles Arbeiten Eine zentrale Herausforderung für die Bildung und die Arbeit in der digitalen Welt liegt in einem adäquaten Datenschutz. Hackerangriffe in digitalen Lernumgebungen wie Schulclouds und Videokonferenzsystemen haben Anfang 2021 frappierend vor Augen geführt, dass der Schutz der Daten von Lehrkräften und Schüler*innen im Distanzunterricht erhebliche Lücken aufweist. Die AG 1 des Bundesforums hat sich dem Thema gewidmet und neben einer Stellungnahme zum EU-Urheberrecht im Neun Anfo Frühjahr 2020 Anforderungen an den Datenschutz, an an Cloudsy rderungen Schulclouds und mobiles Arbeiten formuliert. In dem im Impressum: Bereich Sc steme im hule Gewerk sch Reifenber aft Erziehung und Wis Rahmen des Bundesforums entstandenen Flyers „Anfor- ger Straße senschaft 604 89 Fra 21 nkfurt /Ma Verant wo in rtlic Redaktion: h: Ansgar Klinger (V.i.S.d.P.) Gestaltung Birgita Dusse derungen an Cloudsysteme im Bereich Schule“ wird u.a. Fotos: Eon : Karsten Sporleder ere Druck: Dru n, Azazello iStock ckerei Leu theußer, Cob die Stärkung des Datenschutzes angemahnt. Die Sicher- Oktober 202 urg 0 heit vor dem Zugriff von außen, klare Verantwortlich keiten der Länder als Arbeitgeber im Bereich Schule und www.gew.de /digital klare Regeln für die Datenerhebung und -verarbeitung sind dringend erforderlich. Außerdem soll die Mitbestim- mung durch Personalvertretungen bei der Einführung und Nutzung von Schulclouds verankert werden, denn mittels Kommunikation von Beschäftigten muss also auch sicher der Schulclouds könnten auch das Verhalten oder die sein vor dem Zugriff von außen u.a. durch Verschlüsselung Leistung der Beschäftigten überwacht werden. Über die und die Kommunikation soll über Server in Landesverant- Clouds sollen Dienstvereinbarungen geschlossen werden, wortung laufen. Die Einhaltung der DSGVO muss garan- die u.a. die Nutzung von Software durch Kolleg*innen tiert sein. Auf ihrer Sitzung Ende März 2021 hat die AG oder die Zeiträume der Erreichbarkeit regeln sollen. Eine nach einem Input von Ilka Hoffmann das Thema Video- weitere Forderung ist die Einführung so genannter übertragung im Unterricht diskutiert. Hier bestehen Whitelists über datenschutzkonforme Software und die Gefahren der Aufzeichnung und Manipulation sowie Möglichkeit, Open-Source-Produkte zu nutzen. Personali- Weiterverbreitung durch Dritte. Außerdem kann die sierte Mailadressen zur sicheren Kommunikation bilden Aufzeichnung des Unterrichts ein Einstieg in Überwa- einen weiteren Baustein der sicheren Schulcloud. chungsszenarien von Lehrenden und Lernenden sein. Für das Hacken von Videokonferenzen und die Störung des In eine ähnliche Richtung weisen die von der AG 1 Unterrichts hat es Anfang 2021 bereits zahlreiche Beispie- aufgestellten Anforderungen zum Datenschutz. Hier le gegeben. Mögliche Lösungen für das Problem könnten sollen einige der Kernforderungen dargestellt werden: Die sein: Videoübertragung nur DSGVO-konform mit schrift AG 1 des Bundesforums befürwortet, Dienstvereinbarun- licher Einwilligung aller Beteiligten, umgehende Anzeige gen zum Datenschutz abzuschließen, wenn möglich und Strafverfolgung bei Missbrauch (Anzeige durch vorrangig Rahmendienstvereinbarungen auf Landesebe- Behörde nicht durch Schule), Mitbestimmung der Perso- ne. Geregelt werden sollten in den Dienstvereinbarungen nalvertretung, wenn Videoübertragungen in einem Erlass z.B. die Nutzung von Software, die Arbeit mit digitalen geregelt werden sollen, klare Konzepte und rechtlich- Arbeitsgeräten, eine zeitliche Begrenzung der Erreichbar- organisatorische Rahmenbedingungen, wie Kinder und keit, Nichtüberwachung der Kolleg*innen und Schulungs- Jugendliche (in der Pandemie und bei Langzeiterkrankun- angebote. Für eine sichere Kommunikation mit gen) im Fernunterricht erreicht werden können und Schüler*innen, Eltern und unter Kolleg*innen fordert das langfristig die Einstellung zusätzlichen Personals. Zu GEW-Bundesforum, dass alle in Schule Beschäftigten wie differenzieren sei – so die AG – zwischen Videokonferen- auch die Schüler*innen personalisierte Mailadressen zen und dem Streaming von Unterricht. Die AG möchte erhalten sowie einen sicheren, webbasierten Messenger- ein Rechtsgutachten zu diesem Themenbereich in Auftrag dienst zur Verfügung gestellt bekommen. Denn nur so geben. Sie erstellt im Frühjahr 2021 ein Papier zum Thema kann gewährleistet werden, dass die Beteiligten auf Nutzungsordnung für dienstliche Endgeräte und reicht kommerzielle Angebote wie z. B. WhatsApp verzichten, dies im GV ein. Außerdem stellt sie bis zum Gewerk- die mangelhaft in Bezug auf den Datenschutz sind. Die schaftstag 2021 Kriterien für mobiles Arbeiten auf. zurück zum Inhalt GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität 15 AG 3 5. Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität AG 2 // Arbeitsgruppe 2 und Arbeitsgruppe 3 // „Digitale Medien sind in Form medialer Angebote, Strukturen und Technologien omnipräsent und sie werden zuneh- mend omnipotent. Sie sind, wie alle technischen Systeme, janusköpfig: Sie können unser Leben in vielfältigen Formen erleichtern und bereichern, sie können aber auch zu erheblichen Problemen führen. Ihre Bedeutung ist gebunden an die Bedingungen, die die Gesellschaft für die Lebensführung der Subjekte und für die Entwicklung und Gestaltung der Medien vorhält. Die Subjekte können und müssen diese Entwicklung – so sie eine positive Richtung nehmen soll – erkennen, kritisch reflektieren und aktiv mitgestalten.“ aus dem Antrag der AG 2 und 3: „Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität“ Die Arbeitsgruppe 2 Pädagogische Herausforderungen und haben die Arbeitsgruppen zwei Anträge für den Gewerk- Chancen sowie die AG 3 Aus-, Fort- und Weiterbildung der schaftstag erarbeitet: „Die digitale Welt braucht Gestal- im Bildungsbereich Beschäftigten haben sich im Laufe des tungsfähigkeit und Souveränität“ und „Aus-, Fort- und Bundesforums überwiegend gemeinsam getroffen, da die Weiterbildung für die digitale Welt“. Eine Broschüre mit Themenbereiche sehr eng ineinandergreifen. Zusammen dem Arbeitstitel „Umrisse einer Medienpädagogik des 21. Jahrhunderts“, in der die Schwerpunkte für die Bildungsbereiche Kita, Primarschulbereich, Sekundarschul- bereich, Hochschulbereich, Berufliche Bildung und Gewerkschaft Erwachsenenbildung erarbeitet werden, wird bis Ende Erziehung und Wissenschaft 2021 erstellt. Im Folgenden sollen zentrale Debatten und Erkenntnisse der produktiven und diskussionsfreudigen AG-Sitzungen wiedergegeben werden. // DOSSIER // Digitale Medien prägen unseren Alltag, die Arbeitswelt und die Sozialisation junger Menschen. Dies stellt die Pädagogik vor große Herausforderungen. Darüber wie diese Herausforderungen aussehen und wie sie zu meistern sind, existiert kein gesellschaftlicher Konsens. Während von politischer und wirtschaftlicher Seite vorwiegend die Vorbereitung auf eine digitalisierte Arbeitswelt und die Heranbildung entsprechender Fachkräfte gefordert wird, betonen Pädagog*innen, die Bildungsziele der Selbstbestimmung, Teilhabe, Mitbestim- mung und Mitgestaltung in einer digitalen Welt. Die KMK-Strategie In einem ersten Schritt wurde in der AG-Arbeit versucht, „Bildung in der digitalen Welt“ die Herausforderungen an die Pädagogik sowie die 2016 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) die Strategie “Bildung in der digitalen Welt” beschlossen. Die notwendigen Kompetenzen genauer zu bestimmen. Hintergrund ihrer zusammen und ordnet diese vor dem GEW fasst zentrale Aspekte der Strategie bildungspolitischen Positionen ein. Herausforderungen ergeben sich zum einen aus der sozialen Nutzung digitaler Medien. Wie gestalten sich die gesellschaftlichen Veränderungen durch Datensysteme? Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die www.gew. de/digital GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
16 Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität politischen Diskurse, das kritische Denken, die Demokratie Die AG-Mitglieder diskutierten die Thematik aus der und die Kommunikation? Eine weitere Herausforderung ist Perspektive verschiedener Bildungsbereiche und Arbeits- die Veränderung der Didaktik und Methodik durch felder. Hierbei ergaben sich durchaus ambivalente Konzepte wie Learning Analytics. Die Bildungsinstitutionen Betrachtungen: Bildung muss auf der einen Seite an der müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen die (digitalen) Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen Kompetenzen erwerben, die ihnen eine aktive Teilhabe an anknüpfen, andererseits wird Bildung entwicklungspsy- den digitalisierten Lebens- und Arbeitswelten ermögli- chologisch und ethisch begründet. Visionen stehen chen. Auch neue soziale Spaltungen, die sich aus der pragmatische Überlegungen gegenüber. Auch eine Digitalisierung ergeben, müssen beachtet werden. Kontroverse zwischen Medienpädagogik und Informatik tat sich auf. Es wurde diskutiert, welche gesellschaftskriti- Bildungspolitische Ziele wie Inklusion und reform schen bzw. technischen Inhalte das jeweilige Konzept pädagogische Ansätze müssen mit der Bildung in der enthält. digitalen Welt verknüpft werden. Im Mittelpunkt stehen die Urteilsfähigkeit und die Selbstbestimmung Von Beginn an zeigte sich, dass die Bedeutung der der Lernenden und Lehrenden. Insofern ist Medien „Digitalisierung“ für die Bildungsbereiche sehr unter- bildung auch immer politische Bildung. schiedlich ist. Diese Erkenntnis wurde in zweifacher Hinsicht aufgegriffen. Zum einen haben die AG 2 und 3 Im Kern – so spitzten es Delegierte der Arbeitsgruppe 2 Forderungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedar- und 3 auf der Sitzung des Bundesforums in Steinbach im fe aufgestellt, die nach den Bildungsbereichen differenzie- September 2020 zu – geht es sowohl in der Aus-, Fort- und ren (siehe 5.4). Zum anderen erstellen die AGs bis Ende Weiterbildung als auch im Schulunterricht und in der 2021 eine umfangreiche Broschüre, die die pädagogischen Hochschullehre darum, den Lernenden die Kompetenzen Herausforderungen und Chancen entlang der Bildungsbe- und das Wissen an die Hand zu geben, als mündige, reiche ausbuchstabieren. Ein ausführliches Papier liegt kritische und souveräne Bürger*innen, die digitalisierte z.B. schon zum Kitabereich und zum Bereich der Bildung Welt zu gestalten und mitzubestimmen. An diesem Ziel älterer Menschen vor. sollte sich die Pädagogik in der digitalen Welt orientieren, um Herausforderungen in Chancen umzumünzen. 5.2 Klärungsbedarf: Was ist ein adäquater Medienbegriff? Medienkompetenz als 5.1 Ausbuchstabiert: Was bedeutet Schlüsselbegriff Digitalisierung für die einzelnen Bildungsbereiche? Aus den Fragen und zum Teil auch kontroversen Diskussi- onen in den Arbeitsgruppen 2 und 3 ergab sich eine Die KMK betont in Ihrem Strategiepapier zur „Bildung in Einigung auf den Begriff der „Medienkompetenz“: der digitalen Welt“ das „Primat der Pädagogik“. Wir begrüßen dies als Bildungsgewerkschaft und fordern dies „Wer in der mediatisierten oder digitalen Gesellschaft häufig ein. Allerdings ist das Primat der Pädagogik zu- souverän leben und politische Teilhabe realisieren will, nächst ein unklarer Begriff. Folgende Aspekte sehen wir als muss über das Fähigkeitsbündel, das die Schlüssel handlungsleitend: Was bedeutet Medienbildung auf qualifikation Medienkompetenz ausmacht, verfügen entwicklungspsychologischer Grundlage, bezogen auf und es fortwährend ausbauen. Dieses Fähigkeits Altersstufen, auf die Methodik und Didaktik, auf die Frage bündel umfasst nach Fächern, und die Zielsetzungen von Medienbildung • Instrumentelles, analytisches, strukturelles und sowie bezogen auf die lernort- und altersbezogene informatorisches Wissen Betrachtung. • Kritische Reflexion (selbstbezogen, medienbezogen und gesellschaftsbezogen) Ausführlich haben die AG 2 und 3 diskutiert, was Digitali- • Kommunikatives und partizipatives Handeln (mit sierung für die einzelnen Bildungsbereiche bedeutet. Medien und bezogen auf Medien)“ Diese sehr intensive und fruchtbare Diskussion wird in einer Broschüre münden, die dies für die Bildungsberei- che ausbuchstabiert. So hat die Digitalisierung für den Diese umfassende pädagogische Auffassung von Medien- frühkindlichen Bereich andere Konsequenzen als für den kompetenz gilt es in den Nach-Coronazeiten gegen die Hochschulbereich. technokratischen Auffassungen „digitaler Bildung“ und Konzepten wie Learning Analytics zu verteidigen. GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität 17 Medienkompetenz Medienkompetenz Handeln kommunikativ kreativ partizipativ Orientierung Positionierung Wissen Reflexion instrumentell selbstbezogen analytisch medienbezogen strukturell gesellschaftsbezogen Kommunikative Kompetenz Quelle: Theunert, Helga (2009: Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Anfang, Günther/Demmler,Kathrin (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik – Praxis. München, S. 199 ff.) In den gemeinsamen Sitzungen stand die Frage im Aspekte des Medieneinsatzes in der Schule Mittelpunkt, welche Zielsetzungen Bildung (von der KiTa über Schule, außerschulische Bildung und Erwachsenen- Ausführliche Diskussionen gab es um die Frage des bildung bis hin zur Hochschule) angesichts der Digitalisie- Gesundheitsschutzes: Sehprobleme durch übermäßige rung aller Lebensbereiche verfolgen muss, um Lernende Bildschirmnutzung, Strahlenbelastung, zu lange und zu bei ihrem Weg zu einem souveränen Leben in der Medi- häufige Mediennutzung sowie keine Beachtung ergono enwelt zu fördern. Dabei bestand Einigkeit darüber, dass mischer Kriterien. Es wird die Notwendigkeit gesehen, sich das Humboldt’sche Bildungsideal sowie Ideen der Reform- mit Fragen des Gesundheitsschutzes auseinanderzusetzen. pädagogik, auf denen auch die bildungspolitischen Allerdings wird in Frage gestellt, ob hierfür einheitliche Vorstellungen der GEW beruhen, angesichts der Digitali- Normen (z.B. feste Alters- und Zeitgrenzen) aufgestellt sierung nicht obsolet sind, sondern im Gegenteil an werden können. Angebracht ist auch hier ein ziel- und Bedeutung gewinnen. adressatengerechter Einsatz von Medien im Bildungspro- zess. Im Kitabereich ist besondere Achtsamkeit geboten. Die Digitalisierung aller Bereiche des menschlichen Zentrales Kriterium muss das Wohlbefinden der Beteilig- Lebens erfordert – auf der Basis humanistischer Bildungs- ten sein. Verwiesen wird auf Informationen des Familien- ziele – verstärkte Anstrengungen aller Bildungsinstitutio- ministeriums zu Kinderrechten im Umgang mit digitalen nen, um Heranwachsende und Erwachsene zu Souverä- Medien. Besonders wichtig in diesem pädagogischen Feld nen der digitalen Welt zu machen. Es geht darum, sich in ist eine medienpädagogische Elternarbeit. der digitalen Welt zurecht zu finden, d.h. sie zu verstehen und ihre Angebote kritisch-reflexiv und kompetent zu Die technische Bedienbarkeit von Tablets ist kein Selbst- nutzen sowie sie mit zu gestalten. Dies gelingt am ehesten läufer, sie muss erlernt werden. Bereits im Grundschul über die Förderung von Kompetenzen, deren Fähigkeits- bereich muss ein kritisch-reflektierter Umgang mit dem bündel instrumentelles, analytisches und strukturelles Internet, Messengerdiensten und Social Media themati- Wissen, selbstbezogene, medienbezogene und gesell- siert werden. Eine Kollegin wies darauf hin, dass Whats- schaftsbezogene Reflexion sowie partizipatives und App und Facebook in Rheinland-Pfalz wegen der Daten- kommunikatives Handeln umfasst. sammlung im schulischen Kontext verboten sind. Da sie massenhaft von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, stellt dies ein großes Problem dar! Wie sollen sie GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
18 Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität einen kritisch-reflexiven Umgang damit lernen, wenn seinem Beitrag gegenüber dem Pflichtfach Informatik für soziale Medien im Unterricht nicht anschaulich thematisiert eine weitergehende Reform des Curriculums. Er steht werden können? Etwas kontrovers verlief die Diskussion einem Pflichtfach Informatik eher skeptisch gegenüber, um die Frage, ob Kinder programmieren lernen sollen oder weil dies zu einer weiteren Ver-Naturwissenschaftlichung nicht, wobei die Frage zu klären wäre, was man als des Curriculums führen könnte und einer Schwächung Programmieren bezeichnet. sozialwissenschaftlicher Fächer. Hier betont er: „Die Probleme der Digitalisierung sind soziale Probleme und Für die erste Klasse gibt es gute Lernprogramme (z.B. für müssen auch sozial angegangen und reguliert werden.“ Rechtschreibbewusstsein). Solche Programme würden (Aufenanger 2020: 13). Dies ist jedoch keine prinzipielle vernetztes statt lineares Denken befördern und ein Ablehnung eines Faches Informatik oder eines gemeinsa- offeneres, aktiveres und selbstbestimmteres Lernen men Angebots von Informatik und Medienpädagogik. ermöglichen. Ein aktiver und kreativer Umgang mit Aufenanger spricht sich für eine tiefgehendere Lösung Medien müsse gefördert werden. Es sei zu überlegen, die aus: Die Idee des Unterrichtens selbst passe nicht mehr in Förderung von Medienkompetenz mit musisch-künstleri- eine digital geprägte Welt. Stattdessen fordert er themen- schen Fächern zu koppeln, um einer Verengung auf bezogene Curricula, die auf Zukunftsfragen orientiert sind, MINT-Fächer vorzubeugen. Zustimmung findet der projektorientiertes und personalisiertes Lernen sowie Vorschlag, einen fächerübergreifenden Ansatz zu wählen, neue Zeit- und Raumstrukturen. denn Medienbildung ist Aufgabe aller Fächer. 5.3 W irklich ein Widerspruch? Informatik vs. Medienbildung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bei der Kontroverse zwischen Medienpädagogik und Informatik ging es um die Frage, ob im schulischen Bereich ein eigenes Fach Informatik eingerichtet werden soll. Für die allgemeinbildenden Schulen wurde dies zunächst mehrheitlich abgelehnt. Unstrittig ist, dass auch dort informatische Aspekte (Algorithmen, Künstliche Intelligenz etc.) Bestandteil der Förderung von Medien- kompetenz sind. Präferiert wird aber eher ein fächerüber- greifendes Konzept der Medienbildung und kein eigenes Prüfungsfach Informatik. Eine Expert*innenrunde zur Kontroverse, die auf einer Tagung im März 2020 stattfin- den sollte, musste wegen der Coronapandemie leider ausfallen. Gleichwohl haben wir die geplanten Beiträge zwischen Ira Diethelm und Stefan Aufenanger in einer Tagungsdokumentation festgehalten. Ira Diethelm, Gesellschaft digital? Herausforderungen der Digitalisierung Mitglied der Gesellschaft für Informatik, plädiert für ein für Gesellschaft, Bildung und Unterri cht Leitfach Informatik, das die Grundkompetenzen und das Hintergrundwissen zur Digitalisierung verpflichtend lehrt. Diethelm stellt das Dagstuhl-Dreieck vor, welches neben einer technologischen Perspektive, die nach den Funktio- nen fragt und der anwendungsorientierten Perspektive auch eine gesellschaftlich-kulturelle Perspektive und die www.gew.de/digital Frage nach der Wirkung stellt. Das Dagstuhl-Dreieck und die Weiterentwicklung in der Frankfurter Erklärung sahen die AG-Mitglieder bei einer Sitzung im September 2020 als Bezugspunkt. Eine Schnittmenge mit der AG-Position findet sich in der Dagstuhl-Forderung, dass das Lernen Für den Gewerkschaftstagsantrag der AG 2 und 3 zur über die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Digitali- „Souveränität und Gestaltungskompetenz“ einigten sich sierung ein notwendiger Teil des Curriculums für die die AG-Mitglieder darauf, die „Verankerung informati- „digitale Welt“ sein muss. Stefan Aufenanger plädiert in scher Grundlagen in allen Bildungsbereichen“ zu fordern: GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
Die digitale Welt braucht Gestaltungskompetenz und Souveränität 19 „Informatische Bildung wird als wichtiger Teil eines umfas- „digitale Welt“ sind eine Verzahnung der Akteure aller senden medienpädagogischen Konzepts in den Fachunter- Bildungsbereiche mittels eines Gesamtkonzepts, eine richt, den Wahlpflichtbereichen und in Formen des strukturelle Verankerung und Zertifizierung fachlicher und Epochen- und Projektunterrichts strukturell verankert. überfachlicher Inhalte für den Kompetenzerwerb in allen Informatische Bildung sollte im Sinne des Dagstuhl-Drei- Aus-, Fort- und Weiterbildungsordnungen und -plänen ecks in eine technologische, anwendungsorientierte und sowie Möglichkeiten zur gleichberechtigten Zusammenar- gesellschaftlich-kulturelle sowie geschlechtersensible beit von Kolleg*innen und Lernenden. Ungleichheiten und Perspektive eingebettet sein und sich nicht auf die rein Ausschlüsse sollen unter der Perspektive der Inklusion in anwendungsorientierte Perspektive erstrecken.“ den Blick genommen und ihnen entgegengewirkt werden. Diese allgemeinen Forderungen für alle Bildungs 5.4 W as lernen Lehrende in der bereiche haben die AG 2 und 3 für die unterschied Digitalisierung? Aus-, Fort und Weiter lichen Bildungsbereiche aufgeschlüsselt. Einige der bildungsbedarfe Forderungen werden hier exemplarisch vorgestellt: Ausführlich haben sich die Kolleg*innen der AG 2 und 3 Im Kitabereich sollten Medien sowohl als Mittel zum mit den Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarfen für die Lernen und Gestalten eingesetzt werden als auch selbst digitale Welt beschäftigt. Für die verschiedenen Bildungs- Gegenstand kritischen Lernens sein. Das Medienhan- bereiche wurden in einem Antrag für den Gewerkschafts- deln der Kinder soll ohne Diskriminierung betrachtet tag die Spezifika herausgearbeitet. Neben der Berücksich- und die Eltern in die medienpädagogische Arbeit einge- tigung der Besonderheiten der Bildungsbereiche galt es bunden werden. Zur langfristigen Verankerung von aber auch, eine gemeinsame Sichtweise für die Forderun- Medienerziehung im Kita-Alltag benötigen gen zu entwickeln, die dann dem jeweils spezifischen Erzieher*innen auch nach dem Ende von Bildungsmaß- Medienhandeln der Lernenden in den Bildungsbereichen nahmen eine dauerhafte Unterstützung zu technischen gerecht werden soll. Die Medienkompetenz der Lehren- wie pädagogischen Fragen. den der Bildungsbereiche selbst ist Ausgangspunkt für die Förderung der Medienkompetenz der Lernenden aller Für den Schulbereich sollen u.a. Angebote für koopera- Bildungsbereiche. tives Arbeiten mit Kolleg*innen und Schüler*innen ermöglicht werden. Verlässliche Qualifizierungsmaß- Darüber hinaus gilt es ebenso die medienpädagogischen nahmen für Schulleitungen, Unterrichtende an den Kompetenzen sowie die technischen und informatischen Studienseminaren und Lehrkräfte mit besonderen Kenntnisse der Lehrenden zu verbessern. Solche Angebo- Aufgaben sollen aufgebaut werden, um Schulen und te erfordern eine entsprechende Ausstattung mit materi- Studienseminare zu befähigen, kompetent auszubilden. ellen und zeitlichen Ressourcen. Neben einer Grundlagen- Qualifizierte Angebote sowohl für den Kompetenzer- vermittlung und Sachreflexion soll ausreichend Zeit zur werb als auch für Austausch sowie für selbstständiges Selbstreflexion gewährleistet werden. Hierfür muss Lernen sollen bereitgestellt werden. Unabhängige Arbeitszeit zur Verfügung stehen. Voraussetzung für den Einrichtungen zur (medien-)pädagogischen Beurteilung Erfolg des Erwerbs von Bildungskompetenzen für die und Bewertung von Lehr-Lernmaterialien unterschiedli- GEW-Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“
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