HANDLUNGSPROGRAMM PFLEGE & MEHR 2021 2022 - KONSTANZ | ALTENHILFE - Stadt Konstanz
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INHALTSVERZEICHNISS EINLEITUNG 4 AKTUELLE DATEN DER ALTENHILFE KONSTANZ 9 TRENDS, ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN 12 Ende von Zivildienst und Einführung der Freiwilligendienste 12 Die demografische Entwicklung 13 Digitalisierung und technische Entwicklungen 14 Finanzielle Ressourcen der älteren Generationen 15 Veränderte Familienkonstellationen 17 Fazit 18 EINFÜHRUNG ZUR VORGEHENSWEISE 20 BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER 25 I. 24-STUNDEN-PFLEGE AMBULANT UND STATIONÄR 27 Einführung 28 Vision und Handlungsempfehlungen 31 II. ARBEITSKRÄFTE FÜR DEN PFLEGEBEREICH 45 Einführung 46 Vision und Handlungsempfehlungen 49 III. SORGE TRAGEN IN NACHBARSCHAFT UND QUARTIER 65 Einführung 66 Vision und Handlungsempfehlungen 69 HANDLUNGSBEREICHE VERBINDEN 80 AUSBLICK UND FAZIT 84 IMPRESSUM 86 3
EINLEITUNG „Die Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzuneh- men und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken.“ §71(1) SGB XII Seit Einführung der Pflegeversicherung stationäre Versorgungsformen gleicher- 1995 und dem entstehenden Pflegemarkt maßen. Der Kommune kommt damit in sind Steuerungsmöglichkeiten im Bereich der Altenhilfe eine zentrale Rolle bei der der Altenhilfe für die Kommunen einge- Sozialraumgestaltung und bei der Versor- schränkt. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit gung zu. Ein gesetzlicher Auftrag mit den sorgte für die Einstellung aller öffentli- damit verbundenen Rahmenbedingungen chen Zuschüsse in diesem Bereich. Mit z.B. analog der Jugendhilfeplanung wurde dem Ende der Kommunalen Bedarfsprü- nicht geschaffen. fung ist die Voraussetzung für die Gewäh- rung von Investitionskostenzuschüssen Mit dem Handlungsprogramm Pflege & für Pflegeeinrichtungen entfallen. Ein mehr schafft die Stadt Konstanz Grundla- bedeutendes finanzielles Steuerungsele- gen für ein gutes und würdevolles Älter- ment ging damit verloren. Die Kommunen werden und Altsein. Fast jede und jeder stehen seither vor der Frage, welche stellt sich irgendwann die Frage, was gutes Aufgaben im Pflege- und Altenhilfebereich Leben im Alter bedeutet - für sich selbst, sie zu verantworten haben. für die Eltern und für Angehörige. So viel- fältig die Lebensgestaltung eines jeden Älter werdende Menschen suchen zuerst Menschen ist, so unterschiedlich wird die in der Kommune nach Antworten auf ihre Antwort ausfallen, was in dieser Hinsicht sich verändernden Bedürfnisse. Im Lan- „gut“ bedeutet. despflegegesetz ist der Grundsatz formu- liert, dass die notwendige Grundversor- Die Betrachtung des Alters verlangt einen gung der Bevölkerung durch eine differenzierten Blick. Ältere sehen sich möglichst wohnortnahe, leistungsfähige durchaus nicht nur als Empfänger von und wirtschaftliche pflegerische Versor- Hilfen und Unterstützung, sondern viel- gungsstruktur gewährleistet werden soll1. mehr als gesellschaftlich wertvolle Mitglie- Dies gilt für ambulante, teilstationäre und der, die einen Beitrag leisten können und 1 Gesetz zur Umsetzung der Pflegeversicherung in Baden-Württemberg (Landespflegegesetz - LPflG) Vom 11. 4 September 1995
EINLEITUNG Laut der Generali Altersstudie (2017) sind die folgenden Aussagen die wichtigsten Aspekte dessen, was ein gutes Leben im Alter bedeutet 2: wollen. Sie erleben sich im Spannungsfeld • Wissen und Erfahrungen weitergeben, zwischen dem Wunsch, ein normales Kompetenzen und Fähigkeiten einset- Leben zu führen, und dem Wissen um die zen können Herausforderungen des Alters, die Hilfe • für jüngere Menschen (Enkel) die Ent- und Unterstützung notwendig machen wicklung positiv unterstützen können können. und damit in diesen symbolisch weiter- leben • selbstbestimmt leben • Teilhabe am familiären, sozialen und gesellschaftlichen Leben • finanziell abgesichert sein • geistige und körperliche Gesundheit • bei zunehmender gesundheitlicher Beeinträchtigung unterstützende Hilfe und Dienstleistungen erhalten, die so lange wie möglich ein autonomes Leben *Solle mer ermöglichen. zamme...? ** Könnsch mer mol...? 2 VGl. Generali Altersstudie 2017, S. 2ff 5
Das Alter ist nicht nur ein gesellschaftli- Die Rahmenbedingungen für die älteren cher Gestaltungsauftrag, sondern eine Menschen verändern sich durch den Aufgabe für jede Bürgerin und jeden demografischen Wandel und dem daraus Bürger. Die Veränderungen, die das Alter resultierenden Arbeitskräftemangel. mit sich bringt, gilt es gedanklich vorweg- Daher ist die Versorgung im Alter nicht zunehmen, Einbrüche und Umbrüche alleine durch einen Ausbau vorhandener einzukalkulieren und sich darauf vorzube- Infrastruktur und Angebote sicherzu- reiten. Wo die eigenen Möglichkeiten nicht stellen. Alternative Konzepte und die mehr ausreichen und die Selbstverant- Entwicklung von Sorge tragenden wortung an ihre Grenzen stößt, steigt die Gemeinschaften in Nachbarschaft und Mitverantwortung von Angehörigen und Quartier sollen Bestehendes ergänzen. dem persönlichen Umfeld. Die kommuna- len Angebote der Versorgung und Hilfe Bereits 2018 hat die Abteilung Altenhilfe unterstützen dabei. Auch wenn es keinen mit dem Bericht zur Pflege auf den drin- gesetzlichen Anspruch auf Versorgung im gend notwendigen Handlungsbedarf in Alter gibt, liegt die Gestaltungsaufgabe der Altenhilfe in Konstanz hingewiesen bei der Kommunalpolitik, für ausreichende und Themenbereiche benannt, die weiter- und angemessene Versorgungsstrukturen führende Konzepte erfordern. zu sorgen - für heutige wie für zukünftige Generationen 3. Das Handlungsprogramm Pflege & mehr beinhaltet sowohl die Weiterentwicklung und den Ausbau von kommunalen Versor- gungsstrukturen als auch die Entwicklung lokaler Sorgestrukturen durch eine koope- rative Altenhilfeplanung. Diese Herausfor- derungen gilt es im Netzwerk aller Beteiligten anzugehen, Ideen zu sammeln und Möglichkeiten auszuloten. 3 Siehe dazu den 7. Altenbericht der Bundesregierung (Bundes-Drucksache 18/10210;), in dem es um Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften geht: Zur Gestaltungsaufgabe der Kommunen gehört, die örtlichen Rahmenbedingungen für das Älterwerden maßgeblich zu gestalten. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten und Kompe- tenzen sollten deshalb gestärkt und ausgebaut werden, vor allem in der Pflege, im Bereich Wohnen sowie im 6 Gesundheitswesen.
EINLEITUNG Das Handlungsprogramm Pflege & mehr ist ein Ideenpool und ein Steuerungsinst- rument für die Akteure der Altenhilfe und die eingebundenen Abteilungen der Verwaltung. Den kommunalpolitisch Verantwortlichen soll es als Planungs- grundlage dienen. Die erarbeiteten Hand- lungsempfehlungen werden priorisiert, immer wieder überprüft und angepasst, ergänzt und weiterentwickelt. Aus ihnen heraus werden künftige Projektideen und Maßnahmen entstehen. 7
AKTUELLE DATEN DER Zum 31.12.2020 zählte die Stadt Konstanz Die kommenden Jahrzehnte werden rund 86.000 Einwohner*innen. Davon einschneidende Wandlungen mit sich waren über 16.000 Bürger*innen 65 Jahre bringen. Die von 1955 bis 1969 Geborenen, und älter, was 19,2% der städtischen die geburtenstarken Jahrgänge, scheiden Bevölkerung entspricht. Das sozialwissen- schrittweise aus dem Berufsleben aus. schaftliche Forschungsinstitut Empirica Damit steht auch für Pflege und Betreu- errechnete einen Anstieg der Konstanzer ung immer weniger Fachpersonal zur Bevölkerung auf etwa 94.000 Ein- Verfügung. wohner*innen bis zum Jahr 2040. Davon werden 24,3% älter als 65 Jahre alt sein. 8
AKTUELLE DATEN DER ALTENHILFE KONSTANZ ALTENHILFE KONSTANZ PFLEGEBEDÜRFTIGE IN KONSTANZ Berechnung: Pflegequoten: Baden-Württemberg 2015, Bevölkerung: Empirica, Mittelwert, Dez. 2020 Statistik und Steuerungsunterstützung: Wohnbevölkerung Stand Juni 2021 Ab 2035 werden die Ersten der Babyboo- Während aktuell statistisch berechnet mer-Generation ein Alter erreichen, in 2819 Bürger*innen in Konstanz im Sinne dem die Wahrscheinlichkeit eines Hilfe- der Pflegeversicherung pflegebedürftig und Unterstützungsbedarfs steigt. sind, werden es bis 2040 etwa 34,7% mehr Deutlich mehr hochaltrige Menschen sein. Der statistisch berechnete Bedarf an werden in Konstanz leben, und mit stei- 24-Stunden-Pflege in Konstanz steigt gendem Alter nimmt die Wahrscheinlich- erwartungsgemäß bis 2040 von derzeit keit des Pflegebedarfs zu. 847 Plätzen auf 1197. Dieser Berechnung liegen die aktuellen Eckdaten des Sozialmi- nisteriums Baden-Württemberg zugrunde. 9
In die Berechnung des Bestands an 24-Stunden-Pflege-Plätzen sind die bisher bekannten Pflegeheimplanungen im Wei- herhof und Hafner eingegangen, der Umzug des Marienhauses in das Haus Zoffingen sowie die Option eines Pflege- heims am Gerstäcker und einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft auf dem Gelände Ravensberg. Selbst wenn diese Planungen ohne Verzögerungen umge- setzt würden, reichen die Pflegeplätze nicht aus, um den zukünftigen Versor- Häufig sind sie ergänzend und unterstüt- gungsbedarf zu decken. zend zur häuslichen Hilfe und Pflege im Einsatz. Ebenso wie Hauswirtschaftliche Es stehen bisher in Konstanz 750 Pflege- Dienste und Tagespflegeeinrichtungen plätze in der 24-Stunden-Versorgung zur spielen sie eine wichtige Rolle bei der Ent- Verfügung. Folglich werden von 2819 Per- lastung häuslicher Versorgung. sonen mit Pflegebedarf in Konstanz 2069 Personen im privaten Umfeld versorgt. „Es ist nicht ausreichend, die Herausforde- Gepflegt wird überwiegend von Angehö- rungen des demografischen Wandels hin rigen, Freunden und Nachbarn sowie von zu einer älter werdenden Gesellschaft auf osteuropäischen Betreuungskräften. aktuelle Entwicklungen (Stichwort Fach- Die ambulanten Pflegedienste haben laut kräftemangel) zu reduzieren oder zeitlich einer 2019 durchgeführten Befragung auf das Jahr 2030 zu begrenzen. Es wird etwa 1.100 Personen zuhause versorgt. zwei „kritische Jahrzehnte“ geben: Das Jahrzehnt zwischen 2025 und 2035 durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben und ab 2040, wenn sie hochaltrig werden. Dies er- fordert eine breit angelegte und weit über eine Dekade herausgehende Handlungs- strategie. Das dafür noch offene Zeitfens- ter beträgt rund 15 Jahre.“4 10 4 Wege zu einer Demografiestrategie, Baden-Württemberg, Der Demografiebeauftragte des Landes, 2018
AKTUELLE DATEN DER ALTENHILFE KONSTANZ Stand Juni 2021 11
TRENDS, ENTWICK- TRENDS, LUNGEN UND ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN ENDE VON ZIVILDIENST UND EIN- ENDE VON ZIVILDIENST UND FÜHRUNG DER EINFÜHRUNG DER FREIWILLIGENDIENSTE FREIWILLIGENDIENSTE Von 1961 bis 2011 war der Zivildienst die Im Jahr 2019 waren im BFD rund 39.200 häufigste Form des Wehrersatzdienstes Menschen freiwillig aktiv 6, im FSJ mehr als für anerkannte Kriegsdienstverweigerer. 50.0007. Mit die meisten BFDler gibt es So leisteten zum Beispiel im Jahr 2009 heute in Baden-Württemberg. Anhand der 90.555 Kriegsdienstverweigerer Zivil- Zahlen wird deutlich, dass sich mehr Frau- dienst, die meisten im sozialen Bereich en dafür entscheiden (57,35%) als Männer. u.a. in Krankenhäusern und Altenheimen.5 Altersgemäß betrachtet sind es haupt- Die Zivildienstleistenden entlasteten sächlich Freiwillige bis zu einem Alter von hauptamtliche Kräfte und waren die 27 Jahren. Die Öffnung der Freiwilligen- wichtigsten Leistungsträger im hauswirt- dienste für alle Altersgruppen konnte die schaftlich-sozialen Bereich. Anzahl der einst im Zivildienst Tätigen nicht auffangen. 2011 wurde der Zivildienst abgeschafft und stattdessen der Bundesfreiwilligen- dienst zusätzlich zu den schon bestehen- den Freiwilligendienste geschaffen. Das Freiwillige Soziale Jahr ist ein Angebot für Menschen bis zum 27. Lebensjahr. Der Bundesfreiwilligendienst ist für Erwachse- ne über 27 Jahre offen und auch als Teil- zeittätigkeit möglich. In den Freiwilligendiensten engagieren sich Menschen jeden Alters für das Allge- meinwohl, insbesondere im sozialen aber auch im ökologischen und kulturellen Be- reich. Mit diesem Konzept soll der Einsatz für das Gemeinwohl auf eine breitere ge- sellschaftliche Basis gestellt werden. 5 Vgl. Wikipedia – die freie Enzyklopädie; Zivildienst in Deutschland 6 https://www.daten.bmfsfj.de/daten/daten/bundesfreiwilligendienst-137354 12 7 https://www.daten.bmfsfj.de/daten/daten/freiwilliges-soziales-jahr-137090
TRENDS, ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN EINFLUSSFAKTOREN DIE DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG Die demografische Entwicklung zeigt eini- • Ein-Personen-Haushalte nehmen zu. ge Aspekte, die auf zukünftige Planungen Es ist mit einer weiter ansteigenden einwirken werden8: Singularisierung zu rechnen, verbunden • In Baden-Württemberg wird im Jahr mit einem Risiko von Isolation und 2050 ein Drittel der Bevölkerung über 60 Vereinsamung. Jahre alt sein. Etwa 10% der Bevölke- • Die geburtenstarken Jahrgänge haben rung sind dann 80 Jahre und älter.9 Trotz selbst wenige Nachkommen. Das Poten- besserer geistiger und körperlicher Vi- zial an familiärer Pflege wird damit ab- talität bleibt alleine die hohe Zahl eine nehmen. Auf einzelne Familienmitglieder beachtliche gesellschaftliche Herausfor- kommen größere Herausforderungen derung. Insgesamt werden durch den zu. demografischen Wandel deutlich mehr Menschen Hilfe und Pflege benötigen. • Der Anteil an Frauen in der Bevölkerung - besonders im höheren Alter - über- wiegt deutlich. • Betrachtet man das Alterssegment 65+ kann von zwei Generationen Älterer ausgegangen werden. Das bedeutet beispielsweise, dass die Kinder Hochbe- tagter ebenfalls im Rentenalter sein werden. • Die Lebens- und Verhaltensformen älte- rer Menschen weisen eine zunehmende Differenzierung und Vielfalt auf, unter anderem geprägt von Faktoren wie Her- kunft, Kultur und finanzieller Ausstat- tung. 8 Vgl. Wikipedia – die freie Enzyklopädie; Demografie Deutschlands 9 https://www.baden-wuerttemberg.de/de/bw-gestalten/gerechtes-baden-wuerttemberg/aeltere-menschen/ 13
DIGITALISIERUNG UND TECHNISCHE ENTWICKLUNGEN Die Digitalisierung ist eines der zentralen Kontakten durch digitale Anwendungen, Themen unserer Zeit, weshalb die Altenbe- das Online-Banking oder das Einkaufen im richtskommission der Bundesregierung Online-Shop. Das Internet ist vordergrün- ihren neusten und achten Altenbericht dig barrierefrei und 24 Stunden am Tag unter das Thema „Ältere Menschen und zugänglich. Digitalisierung“ gestellt hat. Digitale Tech- Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von nologien spielen für ältere Menschen in entsprechenden Endgeräten wie Handy Lebensbereichen wie Wohnen, Mobilität, oder Rechner und der Zugang zum Netz. soziale Integration, Gesundheit, Pflege Für die ältere Generation ist im Zuge zu- und im Sozialraum eine zunehmende nehmender Digitalisierung - auch von Ver- Rolle. waltungsabläufen – der Zugang zu öffentlichem Internet bedeutsam. Digitale Bei der Digitalisierung sind zwei Entwick- Entwicklungen müssen auf Nutzerfreund- lungen festzustellen: Die Digitalisierung lichkeit achten, eine verständliche Sprache findet in immer weiteren Bereichen Ein- haben sowie Informationen audiovisuell zug, so auch vermehrt in der Pflege. Bei- und grafisch gut aufbereiten. spiele für aktuelle und zukünftige Techniken sind altersgerechte Assistenz- In Kombination mit den technischen Ent- systeme, Robotik in der Pflege oder Tele- wicklungen in der Pflege soll die Digitali- medizin. Auf der anderen Seite entwickeln sierung die Selbständigkeit von und verändern sich technische Innovatio- Pflegebedürftigen erhalten sowie Pflege- nen in immer schnellerem Tempo. fachpersonen unterstützen und entlas- ten.10 Im Bereich der Dokumentation, der Je besser ein Mensch die digitalen Mög- Information und der Sicherheitssysteme lichkeiten unserer Gesellschaft nutzen kommen in der ambulanten und stationä- kann, desto mehr kann er oder sie gesell- ren Pflege seit einiger Zeit neue Systeme schaftlich teilhaben. Auch ältere Menschen zum Einsatz. Dass dadurch Fachpersonal schätzen das Mehr an Lebensqualität und eingespart werden kann, ist im Moment Selbständigkeit durch digitalen Informa- eher nicht zu erwarten. Dafür wird mehr tionstransfer, sei es das Pflegen von Aufwand für die Qualifizierung der 14 10 S. dazu CAREkonkret, Ausgabe 18/30.04.2020
TRENDS, ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN FINANZIELLE RESSOURCEN DER ÄLTEREN GENERATIONEN Mitarbeiter, hohe Investitionskosten und Die Verfügung über finanziell ausreichen- ein großer finanzieller Aufwand für Instal- de, kontinuierlich fließende Mittel ist das lation, Wartung und Anpassung entscheidende Kriterium für eine selbst- entstehen. bestimmte Lebensgestaltung im Alter. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive geht Die Entwicklungen in der Technik und der es Rentnern heute finanziell so gut wie Digitalisierung dürfen nicht aus dem Blick noch nie einer Generation zuvor.11 Aber geraten und werden für kommende Gene- schon der Siebte Altenbericht 2016 warnte rationen selbstverständlicher sein. Die Di- vor einem Anstieg der Altersarmut in den gitalisierung von Arbeitsabläufen ist für kommenden Jahren und Jahrzehnten.12 Werktätige ebenso bedeutsam wie für äl- tere und beeinträchtigte Menschen zur Die gesetzliche Rentenversicherung ist die Unterstützung bei Einschränkungen. In bedeutendste und für die allermeisten diesem Bereich ist es wichtig, Informatio- Rentner*innen auch die einzige Einkom- nen zu sammeln und Brücken in die Praxis mensquelle. So ist es nicht verwunderlich, zu schlagen. Dies hilft Berührungsängste dass Geringverdienende, von Arbeitslosig- abzubauen und sorgt dafür, dass Technik keit oder von Arbeitsunterbrechung und digitale Möglichkeiten dort ankom- Betroffene im Rentenalter nur mit einer men, wo sie benötigt werden. Die letzten geringen Rente rechnen können. Für Jahre haben unter anderem gezeigt, dass ökonomisch und sozial benachteiligte Videotelefonie und Videokonferenzen eine Menschen mit geringerem Handlungs- Alternative zu den gewohnten Formen der spielraum ist das Risiko jedoch höher, Kommunikation sind und auch im Alltag schneller in die Situation von Pflege- und sinnvoll zum Einsatz kommen können. Hilfebedarf zu geraten. Durch die Einführung der Sozialen Pflege- versicherung 1995 und in all ihren Refor- men bis heute kam ein Instrument der Steuerung und Finanzierung von Pflege- leistungen hinzu. Vgl. Heinze et al. 2011, S.53ff 11 Sorge und Mitverantwortung in der kommune – Erkenntnisse und Empfehlungen des Siebten Altenberichts, 12 Hrsg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 15
Die finanziellen Leistungen bei Pflegebe- Die lange erwartete Pflegereform 2021 darf wurden stetig angehoben, Begutach- bleibt weit hinter den Erwartungen zu- tungsverfahren immer wieder angepasst rück. Die nächste Regierung wird sich in und durch den neuen Pflegebedürftig- der kommende Legislaturperiode weiter keitsbegriff der Kreis der Anspruchsbe- mit der Reform der Pflegeversicherung rechtigten erweitert. beschäftigen müssen. Die Pflege durch Familienangehörige wird mit dem Pflegegeld honoriert und Entlastungsmöglichkeiten geschaffen. Dazu gehören zum Beispiel die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege oder Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege. Die Pflegeversicherung versteht sich als Teilkasko-Versicherung und trägt nur einen Teil der entstehenden Kosten für Versorgungsleistungen. Leistungen, die nicht über die Pflegeversicherung abge- deckt sind, müssen von eigenem Einkom- men oder aus Rücklagen finanziert werden. Reichen diese nicht aus, werden notwendige Versorgungsleistungen von der Sozialhilfe getragen. 16
TRENDS, ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN VERÄNDERTE FAMILIENKONSTELLATIONEN Es gibt viele Gründe, warum die Zahl der Die steigende Multilokalität von Familien- Ein-Personen-Haushalte gestiegen ist. angehörigen, die immer häufiger weit Eine zunehmende Instabilität von Paarbe- voneinander entfernt leben, erschwert die ziehungen und die Zunahme von Tren- Rollenklärung zusätzlich. Unterstützung nung und Scheidung gehören dazu. Es und Hilfe ist weniger spontan leistbar und gibt jedoch viele Menschen, die sich be- eher in administrativen Bereichen mög- wusst für das Alleinleben entscheiden und lich. Familiäre Beziehungen werden als darin Kompetenzen entwickeln. Sie zeich- „Intimität auf Distanz“ gepflegt. Für Hilfe- nen sich oft dadurch aus, dass private und Unterstützungsnetzwerke ist in der Netzwerke und Freundschaften gepflegt Folge eine gute Kommunikation wichtig, werden, die gegenseitige Unterstützung damit alle Beteiligten gut informiert sind sichern. Durch die zunehmende finanzielle und sich ergänzen können. Unabhängigkeit von Frauen stellen diese einen hohen Prozentsatz der Alleinleben- Im Zuge von Entwicklung hin zu vielfälti- den in Deutschland dar. gen Familienformen verändern sich Fami- lienarrangements und innerfamiliäre Die Erwerbstätigkeit von Frauen mit und Bindungen. Wenn auch die Kernfamilie in ohne Kinder ist heute eher die Regel als Deutschland die nach wie vor häufigste Fa- die Ausnahme. Übertragen auf das famili- milienform ist, sind Alleinerziehende und äre Pflegepotential nehmen Frauen nicht Patchwork-Familien bereits keine Selten- mehr selbstverständlich berufliche Ein- heit mehr und machen etwa 20 % der Fa- schnitte in Kauf, wenn bei Familienange- milienformen in Deutschland aus. Deren hörigen längerfristig Pflege und Chancen und Ressourcen für die innerfa- Versorgung notwendig werden. An dieser miliäre Pflege sind noch nicht ausreichend Stelle sind die für die familiäre Pflege in erforscht. Betracht kommenden Familienmitglieder häufig im Konflikt zwischen individuellen Wünschen und Verpflichtungen, zwischen Verbundenheit und Eigenständigkeit. 17
FAZIT Es gibt ihn nicht: Den älteren Menschen. aus verschiedenen Perspektiven zu be- Die Unterschiedlichkeit von Lebenssituati- trachten. Es braucht für den Einzelnen Be- onen und Lebensläufen bringt es mit sich, ratung und Information, um rechtzeitig dass Menschen zukünftig auch im Alter di- Entscheidungen für ein im Alter weitge- verser sein werden. Neben diesem Struk- hend selbstbestimmtes Leben treffen zu turwandel des Alterns trägt der können. Andererseits erweitern sich durch demografische Wandel mit einer Zunahme Ressourcen im Alter die Möglichkeiten für an älteren und hochaltrigen Menschen in ältere Menschen, gesellschaftlich weiter- unserer Bevölkerung zu einer gesellschaft- hin einen Beitrag leisten zu können. lichen Veränderung bei. Engagement und Teilhabe werden durch Das Alter gerät mehr und mehr im doppel- digitale Technologien noch leichter mög- ten Sinn als Ressource in den Blick: lich sein. Kritisch betrachtet zeigt sich die Bleiben ältere Menschen aktiv, wirkt sich Problematik der Digitalisierung dort, wo das präventiv aus. Sich selbst versorgen zu die „digitale Spaltung“ zum Ausschluss können und weniger Unterstützung zu be- von älteren Menschen ohne Zugang zu In- nötigen wird durch ein aktiv gestaltetes ternet und digitalen Technologien führt.14 Leben im Alter wahrscheinlicher. Andererseits engagieren sich immer Das Potenzial der neuen Technologien ist mehr Ältere ehrenamtlich und leisten längst nicht ausgeschöpft und muss in vie- damit einen wichtigen gesellschaftlichen len Kontexten als Handlungsthema einflie- Beitrag.13 ßen. Wo aufgrund der beschriebenen Faktoren Angehörige vor Ort immer weni- Ältere bewegen sich im Spannungsfeld ger werden, können technische Hilfsmittel zwischen dem Wunsch, einem aktiven die Kommunikation und Information Leben mit selbstgewähltem Engagement erleichtern. nachzugehen und dem Wissen um die Be- schwernisse des Alters, die Hilfe und Un- Nur auf familiäre Pflege zu setzen und vor- terstützung notwendig machen können. handene Versorgungsstrukturen linear Es lohnt sich daher, das Älterwerden weiterzuentwickeln reicht nach dem aktu- immer wieder zum Thema zu machen und ellen wissenschaftlichen Kenntnisstand https://sozialplanung-senioren.de/die-themenfelder/i-allgemeine-einfuehrung/index.html 13 18 14 Siehe dazu: „ältere Menschen und Digitalisierung“ – Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Juni 2020
TRENDS, ENTWICKLUNGEN UND EINFLUSSFAKTOREN nicht aus. Sozialen nachbarschaftlichen Netzwerken kommt eine bedeutende Rolle zu, nicht nur da, wo keine Familie vor Ort ist. Hier gilt es Modelle geteilter Verant- wortung umzusetzen und Konzepte gemeinschaftlicher Sorge zu entwickeln. 19
EINFÜHRUNG ZUR VORGEHENSWEISE Der Gemeinderat hat auf Initiative der Das Handlungsprogramm Pflege & mehr Abteilung Altenhilfe am 13.12.2018 das ist nur umsetzbar, wenn alle in der Alten- Handlungsprogramm Pflege & mehr hilfe Tätigen und Betroffenen beteiligt beschlossen und die Verwaltung mit der sind. Entwicklung des Programms beauftragt. Zur Auftaktveranstaltung am 16. Oktober 2020 waren daher verschiedene Akteure eingeladen, • die zu einem guten Älterwerden und Alt sein in Konstanz beitragen, • die ihre Erfahrungen und ihre Betrof- fenheit zur Entwicklung von Hand- lungsempfehlungen und Projektideen beisteuern, • die relevanten Entscheidungen mittra- gen und umsetzen können. Dem Aufruf, sich zu beteiligen, sind viele Anwesende gefolgt und haben sich für die Mitarbeit in den vorgestellten Handlungs- feldern gemeldet. 20
EINFÜHRUNG ZUR VORGEHENSWEISE METHODEN ZUR ENTWICKLUNG DES HANDLUNGSPROGRAMMS PFLEGE & MEHR ARBEITSGRUPPEN Im Februar 2021 wurden für die drei fol- Arbeitsgemeinschaft Altenhilfe, aus den genden Handlungsfelder Arbeitsgruppen betroffenen Bereichen der Stadtverwal- gebildet, die in jeweils vier Veranstaltun- tung sowie der Kommunalpolitik teilge- gen Visionen und Handlungsempfehlun- nommen. Persönlich betroffene Personen gen entwickelt haben: haben in den Arbeitsgruppen mit ihrer • 24-Stunden-Pflege ambulant und sta- Sichtweise wichtige Aspekte tionär beigesteuert. • Arbeitskräfte gewinnen, ausbilden und halten Über Video-Konferenzen wurden Ideen sowie auf einem virtuellen Whiteboard gesam- • Sorge tragen in Nachbarschaft und melt und Visionen für das jeweilige Hand- Quartier lungsfeld formuliert. Es wurde intensiv diskutiert, welche Schritte und Ressourcen es zur Umsetzung der Visionen braucht. In jeder Arbeitsgruppe haben Vertreter*in- Daraus wurden die Handlungsempfehlun- nen aus unterschiedlichen Bereichen der gen entwickelt. 21
ERPROBUNG VON HANDLUNGSEMPFEH- LUNGEN DES HANDLUNGSFELDES SORGE TRAGEN IN NACHBARSCHAFT UND QUARTIER Ab dem Frühsommer 2021 wurde die Stadtteilbewohner*innen und andere Handlungsempfehlung „Nachbarschaft Interessierte eingeladen waren, ihre Sicht wird sichtbar (gemacht) und erfährt Wert- auf Nachbarschaft einzubringen. schätzung“ im Stadtteil Paradies erprobt: Noch bevor Sorgestrukturen entstehen Ziel der Postkartenaktion wie auch des können, müssen Menschen sich gegensei- Seminars mit seiner Abschlussveranstal- tig wahrnehmen, kennenlernen und tung war, Impulse zu setzen, ohne die voneinander wissen. Nachbarschaftliche verschiedenen Aspekte von Nachbar- Kontakte sind im Stadtteil Paradies viel- schaft zu bewerten. Eine Auswertung von fach vorhanden. Um diese bereits geleb- Daten war daher nicht angestrebt. ten Kontakte sichtbar zu machen, wurde eine Postkarte für die Nachbarschaft ent- Für eine Bestandsaufnahme, was gutes wickelt. In Kindergärten, Grundschule, Älter werden im Stadtteil erleichtert, Jugendhaus, Kirchengemeinden und im wurden Informationen zu alltags- und Einzelhandel lag diese zum Mitnehmen gesundheitsrelevanten Versorgungsange- aus. Die Postkarte hat dazu angeregt, sie boten gesammelt. Die Abteilung für Statis- einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit tik und Steuerungsunterstützung stellte einer Botschaft zukommen zu lassen. Bevölkerungsdaten auf Stadtviertel- ebene zur Verfügung. Interviews mit Parallel dazu wurde im Sommersemester „Expert*innen“, also Menschen, die im 2021 an der Uni Konstanz ein Seminar in Stadtteil leben oder arbeiten und sich mit Kooperation mit der Abteilung Altenhilfe dem Thema Älterwerden beschäftigen, angeboten, in dem Studierende sich inten- trugen mit zum Gesamtbild bei. Die siv mit dem Thema Nachbarschaft ausein- zusammengetragenen Informationen andersetzten und Nachbarschaftsge- flossen in eine Quartierskarte des Paradie- schichten sammelten. Zum Abschluss des ses mit Teilen der Altstadt ein. Seminars fand im Juli in der Gottlieber- straße eine Veranstaltung statt, bei der 22
EINFÜHRUNG ZUR VORGEHENSWEISE Diese Quartierskarte wird weitergeführt und soll in Zukunft in den Online-Stadtplan der Stadt Konstanz integriert werden. Bildung und Kultur Anteil der über 65 Jährigen an der Gesamtbevölkerung Dienstleister 0% Kirchen und Religionsgemeinschaften 12,3% 20,1% Pflege, Betreuung und Wohnen im Alter 17,5% 22,1% Treffpunkt 18,2% 26,7% gesundheitliche Dienstleistung Ärztliche und therapeutische Versorgung Stadt Konstanz. Amt für Liegenschaften und Geoinformation Stand April 2021 23
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BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 24-STUNDEN-PFLEGE AMBULANT UND STATIONÄR II ARBEITSKRÄFTE FÜR DEN PFLEGEBEREICH III SORGE TRAGEN IN NACHBARSCHAFT UND QUARTIER IV ALTERSGERECHTES WOHNEN (folgt ab Herbst 2021) V ZUHAUSE LEBEN MIT UNTERSTÜTZUNG (folgt ab Herbst 2021) 25
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 26
I. 24-STUNDEN-PFLEGE AMBULANT UND STATIONÄR 24-STUNDEN-PFLEGE AMBULANT UND STATIONÄR 27
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 24-STUNDEN-PFLEGE EINFÜHRUNG Um die Würde, Selbstbestimmung und Diese Bauvorhaben schaffen jedoch kaum Lebensqualität von Heimbewohner*innen zusätzliche Pflegeplätze. zu erhalten, wurde in Baden-Württemberg Die von der Abteilung Altenhilfe fortlau- im September 2009 eine Landesheimbau- fend geführte Statistik macht deutlich, verordnung mit höheren Standards verab- dass die Planung von Pflegeheimen und schiedet. Für neue Pflegeheime gelten die ambulant betreuten Wohngemeinschaf- Regelungen unmittelbar, für bestehende ten dem steigenden Bedarf an 24-Stunden- Einrichtungen wurde eine Übergangsfrist Versorgung kaum hinterherkommt. von 10 Jahren eingeräumt. Pflegende Angehörige und eine unbe- kannte Zahl an osteuropäischen Haus- Doppelzimmer müssen in Einzelzimmer haltshilfen fangen diese Unterdeckung umgewandelt werden, die Wohnstruktur mit erheblichen Belastungen auf. darf maximal 15 Bewohner*innen pro Versorgungseinheit umfassen. Neben Neben Planungsvorhaben neuer Pflege- einer Mindestgröße der Einzelzimmer sind heime hat die Stadt Konstanz den Ausbau dies die grundlegenden Veränderungen von ambulant betreuten Wohngemein- und Vorgaben. Bestehende Pflegeheime schaften im Blick und für den Gründungs- hatten die Möglichkeit, einen Antrag auf prozess Fördermittel bereitgestellt. An vollständige oder teilweise Befreiung bzw. verschiedenen Standorten werden Grün- Ausnahmeregelung zu stellen. dungen ambulant betreuter Wohnge- meinschaften in Betracht gezogen. Die Bei der Umsetzung der Landesheimbau- bauliche, wirtschaftliche und konzeptio- verordnung wurde der große Bedarf an nelle Umsetzbarkeit wird dabei geprüft Pflegeheimplätzen in Konstanz berück- und diskutiert. sichtigt und die Umsetzung seitens der Heimaufsicht meist unterstützend ausge- Die Strukturzuständigkeit im Bereich der legt. In den meisten Fällen müssen Plätze 24-Stunden-Versorgung ist mit Einführung erst nach Abschluss von Umbau- und Neu- der Pflegeversicherung unklar definiert baumaßnahmen der Landesheimbauver- auf die Kassen übergegangen, die diesen ordnung abgebaut werden. Gestaltungsauftrag nicht ausreichend 28
EINFÜHRUNG 24-STUNDEN-PFLEGE AMBULANT UND STATIONÄR ausfüllen. Für die Kommunen gibt es nur Dass der Pflegemarkt alleine aufgrund der noch eingeschränkte Steuerungsmöglich- großen Nachfrage an Pflegeheimplätzen keiten. Im §8 SGB XI wird auf eine gemein- die Planung von Pflegeheimen und ambu- same Verantwortung mit nicht näher lant betreuten Wohngemeinschaften beschriebener Aufgabe verwiesen: regelt, hat sich nicht bewahrheitet. Nach wie vor ist die Realisierung von ambulant „(1) Die pflegerische Versorgung der betreuten Wohngemeinschaften ein Bevölkerung ist eine gesamtgesell- komplexes Vorhaben. Besonders die Start- schaftliche Aufgabe. phase wird den zusammenwirkenden Ak- teuren durch gesetzliche Vorgaben er- (2) Die Länder, die Kommunen, die Pflege- schwert. Der bürokratische Aufwand ist einrichtungen und die Pflegekassen groß. Dazu ist in der Anfangsphase mit wirken unter Beteiligung des Medizini- knappen und nicht gedeckten finanziellen schen Dienstes eng zusammen, um eine Ausgaben zu rechnen. Der positive Impuls, leistungsfähige, regional gegliederte, eine ambulant betreute Wohngemein- ortsnahe und aufeinander abgestimmte schaft zu gründen, wird ausgebremst, so- ambulante und stationäre pflegerische fern nicht weitere Unterstützung Versorgung der Bevölkerung zu angeboten wird. gewährleisten. Sie tragen zum Ausbau und zur Weiterentwicklung der notwen- digen pflegerischen Versorgungsstruk- turen bei; …“ 29
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I Weitere Faktoren bremsen die Entstehung von Plätzen in der 24-Stunden-Pflege aus: • Der mehrheitliche Wunsch im häusli- • Die Fachkraftquote von 50 Prozent für chen Umfeld versorgt zu werden, wurde stationäre Einrichtungen stellt ange- durch den Grundsatz „ambulant vor sta- sichts des Pflegenotstandes eine Her- tionär“15 berücksichtigt und der Schwer- ausforderung dar, welcher die punkt auf den Ausbau ambulanter Einrichtungsträger immer weniger ge- Versorgungsstrukturen gelegt. recht werden können. Ein am Bedarf • Die Reformen der Pflegeversicherung ausgerichtetes Personalbemessungs- haben die ambulante Versorgung finan- verfahren soll zum 01.07.2023 umge- ziell gestärkt. setzt werden. • Die Landesheimbauverordnung sieht • Der Trend geht weg vom klassischen für stationäre Einrichtungen eine 100- Pflegeheim zu alternativen Wohnfor- prozentige Einzelzimmerquote vor, was men. Vor allem veränderte Wohn- und in den letzten Jahren zu einer Reduzie- Versorgungswünsche haben diesen rung vorhandener Platzzahlen geführt Trend befördert. hat. Zwischen „Heim und Häuslichkeit“ ist deutschlandweit eine Vielfalt an neuen Wohnformen entstanden, zu denen auch ambulant betreute Wohngemeinschaften zählen. Umzüge aus dem vertrauten Zuhause werden dennoch herausgezögert und häufig als letzte Möglichkeit gesehen. In der Pflegeheimstatistik der Altenhilfe Konstanz ist zu erkennen, dass die Ver- weildauer in den Pflegeheimen im Durch- schnitt über die letzten 10 Jahre hinweg immer kürzer geworden ist. Die Tendenz geht dahin, dass viele nur ihre letzten Lebensmonate im Pflegeheim verbringen. 30 15 s. SGB XII §13, Abs.1
VISION UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24-STUNDEN-PFLEGE 1 Ein Pflegeheim ist ein Lebensort mit wohnlicher, moderner und zeitgemäß digitaler und technischer Ausstattung. Es orientiert sich an den Bedürfnissen der Bewohner*innen, der Angehörigen und der Mitarbeiter*innen nach Flexibilität, Selbständigkeit und Mitgestaltung. Die Bürgerbefragung 2012 hat ergeben, dass der weitaus größte Teil der Konstanzer Bevölkerung in den eigenen vier Wänden alt werden möchte, unabhängig davon ob Pflegebedürftigkeit besteht oder nicht. Das bekannte Zuhause steht für Autonomie und Vertrautheit, es ist Teil der eigenen Persönlichkeit und Lebensgeschichte. Auch bei Bedarf an 24-Stunden-Pflege in einem Pflegeheim können diese Aspekte berücksichtigt werden. 1.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 1.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Träger der Altenhilfe statten Pflegeein- Im Pflegeheim findet Alltag statt. Entspre- richtungen mit technischem und digitalem chend entwickelte Konzepte ermöglichen Zubehör aus und ermöglichen damit den es den Bewohner*innen den Alltag mitzu- Bewohner*innen weitgehende individuel- gestalten und sich ihren Fähigkeiten le Autonomie, Selbständigkeit und Sicher- entsprechend einzubringen. heit. Jedes Zimmer ist mit W-Lan und Telefon ausgestattet. 31
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 1.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 1.5. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Um Normalität und Individualität in Neue Pflegeheime werden architektonisch hohem Maße zu gewährleisten, richten bedarfsgerecht geplant. Die Erfordernisse Pflegeheimbewohner*innen ihre Zimmer des Pflegealltags werden genauso berück- nach ihren Bedürfnissen selbst mit liebge- sichtigt wie das Bedürfnis zukünftiger wonnenen Gegenständen und Kleinmö- Heimbewohner*innen ausreichend Platz beln ein. im eigenen Zimmer für persönliche wich- tige Dinge vorzufinden. Wohnlichkeit, nicht die Pflegebedürftigkeit prägt die Atmosphäre der Zimmer. 1.4. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Beispiel: Pflegemittel wie Inkontinenz- Bei einem Umzug ins Pflegeheim bekom- material können im Badezimmer sicher men Angehörige und Betroffene Unter- in einem Schrank verstaut werden. stützung. Persönlich wichtige Kleinmöbel und Gegenstände können mitgebracht werden, womit dem Wunsch nach Indivi- dualität Rechnung getragen wird. 1.6. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Beispiel: Ehrenamtliche Helfer*innen In Kooperation mit einem Tierheim oder unterstützen Angehörige und Betroffene vergleichbaren Anbietern wird der bei der Auswahl der Dinge, die mitge- Kontakt zu Haustieren ermöglicht bzw. nommen werden sollen. Sie können bei aufrechterhalten. Bedarf angefragt werden. 32
VISIONEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24–STUNDEN–PFLEGE 2 Das Pflegeheim als Lebensort nimmt seinen besonderen Platz im Quartier ein. Die Bewohner*innen sind Teil der Nachbarschaft und nutzen Angebote im Quartier. Das Pflegeheim bietet selbst Angebote für die Nachbarschaft im Quartier an. Pflegeheime sind eine Ressource für das umliegende Quartier. Umgekehrt kann das Quartier zur Alltagsnähe und Normalität im Pflegeheim beitragen. Einzelne Pflegehei- me in Konstanz bieten beispielsweise einen Mittagstisch für Menschen aus dem Umfeld an. 2.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 2.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG In räumlicher Nähe zum Pflegeheim - Die Pflegeheime in Konstanz entwickeln wenn möglich integriert im gleichen sich mit Quartierskonzepten weiter. Dazu Gebäude - gibt es Infrastruktur wie Arzt- erhalten sie Unterstützung durch die praxen oder Bibliothek, sowie Begeg- Stadtverwaltung und/ oder durch externe nungsräume, die für Menschen aus dem Beratung. Quartier zur Verfügung steht und den Bewohner*innen durch die räumliche Beispiel: Es gibt „Sprechstunden“ oder Nähe einen leichteren Zugang bietet. Informationsveranstaltung im Pflege- heim von anderen Dienstleistern wie Hospizverein oder Pflegeversicherung. 33
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 3 Jeder Mensch, der einen Platz mit 24-Stunden-Versorgung sucht, findet einen für ihn passenden. So individuell Menschen sind, so individuell sind auch ihre Bedürfnisse im Pflegebe- darfsfall rund um die Uhr. Maßgeblich sind Alter, Lebensgewohnheiten, kultureller Hin- tergrund und Interessen. Es gibt Menschen, die sich bei hohem Pflegebedarf um nichts mehr kümmern und keine Verantwortung mehr tragen möchten. Andere wollen so lange wie möglich Teil der Alltagsabläufe bleiben. 3.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 3.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Stadt Konstanz unterstützt Interes- Die Entwicklung alternativer und differen- sent*innen bei Planung und Gründung zierter Konzepte der Kurzzeit- und Verhin- von ambulant betreuten Pflegewohnge- derungspflege wie beispielsweise Pflege- meinschaften. Ziel ist eine ambulant hotels, solitäre Kurzzeitpflege oder betreute Wohngemeinschaft in jedem UrlaubsWGs, werden vorangetrieben. Stadtteil zu etablieren. 3.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 3.4. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Stadt Konstanz treibt zur Deckung Für und mit jüngeren Pflegebedürftigen zukünftiger Versorgungsbedarfe die Pla- wird ein geeignetes Angebot der 24-Stun- nung und den Bau weiterer Einrichtungen den-Pflege entwickelt. der 24-Stunden-Versorgung voran. Bei der Überplanung freiwerdender Bauflächen werden Planungsvorhaben für solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen, ambulant betreute Wohngemeinschaften und Pfle- geheime besonders berücksichtigt. 34
VISIONEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24–STUNDEN–PFLEGE 4 Die Übergänge zwischen ambulant, teilstationär und stationär sind fließend. Die Entwicklung des Grades an Pflegebedürftigkeit ist in den meisten Fällen nicht linear. Viele Betroffene können nach einem Krankenhausaufenthalt und einer Zeit in der Kurz- zeitpflege wieder zurück in ihre Häuslichkeit. Andere wiederum benötigen für eine Weile zusätzlich teilstationäre Angebote oder vermehrt ambulante Unterstützung. Je weniger die Übergänge zwischen ambulant, teilstationär und stationär als Bruch erlebt werden, desto größer sind die Akzeptanz und die Bereitschaft sich auf Unterstützung einzulassen. 4.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 4.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Pflegeheime erweitern ihre Konzepte und Ambulante Dienstleister begleiten Betrof- bieten neben der 24-Stunden-Versorgung fene und stehen ihnen bei der Überleitung auch Tages- und Nachtpflege sowie Kurz- zwischen ambulanter, teilstationärer und zeitpflege bereits ab drei Tagen an. stationärer Versorgung zur Seite. 4.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Eine Gesamtbudgetierung von Pflegeleis- tungen würde den fließenden Übergang zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Bereichen maßgeblich unter- stützen. Dies bedarf einer Reform der Pflegeversicherung. 35
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 5 Die Menschen werden in ihrer letzten Lebensphase bis zum Tod ihren Bedürfnissen entsprechend begleitet. Die Planung von Versorgungsangeboten richtet sich nach dem mehrheitlichen Wunsch der Menschen, ihre letzten Lebenstage zuhause verbringen zu können. Die letzte Lebensphase eines Menschen ist ein dynamischer Prozess, der vielschichtige Sympto- me und Probleme mit sich bringen kann. Für An- und Zugehörige ist dies keine alltäg- liche Situation und mit unterschiedlichsten Gefühlen und Unsicherheiten verbunden. Wo die Angebote an palliativer Versorgung gut ausgebaut sind, sterben mehr Menschen im eigenen Zuhause ohne den belastenden Drehtüreffekt zwischen Krankenhaus und dem Zuhause. 5.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 5.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Stadt Konstanz begleitet und unter- Für Zu- und Angehörige bestehen Bera- stützt die erforderlichen Akteure bei der tungsmöglichkeiten und Hilfestellungen, Implementierung einer spezialisierten an die sie zu einem frühen Zeitpunkt bei ambulanten Palliativversorgung (SAPV) im der Begleitung am Lebensende eines östlichen Teil des Landkreises. Menschen andocken können, um beglei- tet, unterstützt, beraten, informiert und entlastet zu werden. 5.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Kultursensible Aspekte werden hierbei berücksichtigt. Die Zusammenarbeit von Brückenpflege, Hospiz, SAPV, Nachbarschaftshilfen, am- bulanten Pflegediensten und Pflegehei- men wird konzeptionell in der Arbeitsgemeinschaft Altenhilfe (AGAH) verankert. 36
VISIONEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24–STUNDEN–PFLEGE 6 An- und Zugehörige entscheiden sich bewusst für ihre Rolle bei Pflege- und bei Unterstützungsbedarf. Sie haben die Möglichkeit, diese Rolle immer wieder zu reflektieren und finden damit die für sie notwendigen Entlastungsangebote. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf wird in den kommenden Jahrzehnten weiterhin ein zentrales gesellschaftliches Thema bleiben. Wo Arbeitskräfte fehlen, wird die innerfamiliäre Unterstützungsbereitschaft noch wichtiger. 6.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 6.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Abteilung Altenhilfe erarbeitet mit Pflegende Angehörige docken schon früh- Bildungsträgern und Arbeitgebern vielfäl- zeitig an das Hilfenetz an, um neben der tige und niedrigschwellige Angebote wie praktischen Entlastung in Pflege und Vorträge und Workshops, in denen Betreuung auch psychosoziale Beratung pflegende Angehörige ihre Rolle reflektie- zu nutzen. ren können und erfahren, wo sie Unter- stützung und Beratung erhalten. Beispiel: Die Universität Konstanz bietet regelmäßig für ihre Mitarbeiter*innen in Kooperation mit der Abteilung Altenhilfe der Stadt Konstanz Kursangebote an, die Informationen zum bestehenden Hilfe- angebot vermitteln und die Reflektion mit der eigenen Rolle als pflegende Angehörige ermöglichen. 37
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 7 Ein großes Spektrum an unterstützenden und ergänzenden Angeboten und Diensten ermöglicht ein Leben mit 24-Stunden-Versorgung zuhause – so lange wie gewünscht. Gut ausgebaute Strukturen in der ambulanten Versorgung berücksichtigen neben der medizinischen Pflege auch Hauswirtschaft und psychosoziale Betreuung, die von unterschiedlich qualifizierten Menschen - von der Fachkraft bis zu Ehrenamtlichen – geleistet werden. 7.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 7.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Eine aktuelle Bedarfs- und Bestandserhe- Auf Grundlage der Bedarfs- und Bestand- bung macht Versorgungslücken in der am- serhebung in der ambulanten 24-Stunden- bulanten 24-Stunden-Versorgung deutlich Versorgung werden unterschiedliche und ist Basis für den Ausbau differenzier- Konzepte mit Akteuren der Altenhilfe ter Angebote. umgesetzt. Beispiele: Ausbau der Tagespflege, Reali- sierung neuer Konzepte der Nachtpflege oder das Konzept „Tagestöchter“. 38
VISIONEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24–STUNDEN–PFLEGE 8 Es gibt einen legalen und bezahlbaren Rahmen der häuslichen 24-Stunden-Pflege. In der häuslichen 24-Stunden-Pflege arbeiten häufig Frauen und Männer aus Osteuropa. Ohne sie wäre die Versorgung von vielen älteren und pflegebedürftigen Menschen in Konstanz nicht gesichert. Anstellungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind recht- lich oft fragwürdig, da häufig weder Mindestlohn, noch zulässige durchschnittliche Arbeitszeit oder Urlaubsanspruch der Tätigen berücksichtigt werden. 8.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 8.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Abteilung Altenhilfe prüft zusammen Es werden konzeptionelle Wege vorange- mit dem Sozialamt, inwiefern und unter trieben, die eine Abrechnung der 24-Stun- welchen Voraussetzungen die Kosten für den-Versorgung durch ausländische eine häusliche 24-Stunden-Versorgung Haushaltskräfte über Sozialhilfe und sozialhilferechtlich übernommen werden Pflegeversicherung möglich machen und können. gleichzeitig die Qualität des Einsatzes sichern und kontrollieren. 8.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Beispiele: • Dienstleister der 24-Stunden-Pflege Die Abteilung Altenhilfe berät Bürgerin- können eine Anerkennung im Sinne der nen und Bürger über legale Beschäfti- Pflegeversicherung / Krankenkassen gungsmöglichkeiten von ausländischen erhalten Haushaltshilfen insbesondere im Hinblick • Dienstleister der 24-Stunden-Versor- auf die Ausgestaltung der Arbeitszeit und gung arbeiten mit ambulanten Pflege- die Einhaltung der Erholungszeiten. diensten in Kooperation. 39
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 9 Umfangreiche Informationen und Wissen um Angebote stehen zur Verfügung und sind einfach abzufragen bzw. einzuholen. Je vielfältiger das Angebot in der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung wird, je mehr unterschiedliche Dienste, Einrichtungen und Beratungsan- gebote es gibt, desto schwieriger ist es für Bürgerinnen und Bürger, das für sie entsprechend passende Angebot zu finden. Einfache Sprache und die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit fördern ein besseres Verständnis. 9.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Abteilung Altenhilfe aktualisiert fortlaufend Informationen und Angebote rund um das Thema Pflege. Sie veröffentlicht diese Übersicht auf geeignete Weise und bietet zu allen Themen Vorträge an. 9.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Die Krankenkassen informieren ihre Versi- cherten aktiv und präventiv zu Themen in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Beispiel: Neben Gesundheitskursen werden von den Kassen Informationsver- anstaltungen angeboten. 40
VISIONEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 24–STUNDEN–PFLEGE 10 Der Zugang zur 24-Stunden-Pflege ist unbürokratisch und für jeden Menschen bezahlbar. Wer rund um die Uhr Unterstützung und Pflege benötigt, ist auf viele Dienste und Einrichtungen angewiesen, sofern die Versorgung nicht durch Familie oder Freunde geleistet wird. Pflegebedürftigkeit stellt nach wie vor ein hohes finanzielles Risiko für die Familien und Einzelpersonen dar, besonders wenn das Einkommen für den Lebens- unterhalt, nicht aber für zusätzliche pflegerische Leistungen reicht. In einigen Fällen können Bürger*innen zwar nicht auf Privatvermögen, aber auf Immobilienbesitz zurückgreifen. Verschiedene Möglichkeiten, Besitz zu verrenten oder für die Pflege einzusetzen, werden heute bereits von Immobilienmaklern, Banken und Versicherungen angeboten. Diese haben erkannt, dass die geburtenstarken Jahrgänge vergleichsweise wenige Nachkommen haben und ihren Besitz nicht unbedingt für eine Erbschaft einsetzen werden. 10.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG 10.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Träger von Pflegeeinrichtungen entwi- Die Suche nach einem Heimplatz ist mit ckeln alternative Möglichkeiten für Ihre der Anmeldung über die Zentrale Heimp- Kund*innen, eigenanteilig anfallende latzanmeldung verbunden. Diese wird Kosten der Versorgung zu finanzieren. bedarfsgerecht weiterentwickelt. Jede Aufnahme in einem Konstanzer Heim Beispiel: Die Immobilienverrentung wird erfolgt über die Zentrale Heimplatzan- von Trägern der Altenhilfe angeboten. meldung. 10.3. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Über die Zentrale Heimplatzanmeldung können Interessierte einen Platz in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft anfragen. 41
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER I 11 Jeder Mensch setzt sich ganz selbstver- ständlich mit der Möglichkeit seines eigenen Unterstützungsbedarfs auseinander und mit seinen Wünschen nach Selbstbestimmung und Teilhabe. Es ist hilfreich, sich auf das eigene Alter vorzubereiten und mögliche Einschnitte gedanklich vorwegzunehmen. Es können rechtzeitig wichtige Entscheidungen getrof- fen werden, die die Erschwernisse im Alter und den Gestaltungsspielraum in dieser Lebensphase berücksichtigen. 11.1. HANDLUNGSEMPFEHLUNG Träger der Altenhilfe, Arbeitgeber und die Politik verstehen es als ihre vordring-liche Aufgabe, das Alter als persönliche und ge- sellschaftliche Aufgabe immer wieder zum Thema zu machen und den Bürger*innen Möglichkeiten der Ausein- andersetzung zu bieten. Dazu schließen sie sich unter anderem mit Bildungsein- richtungen zusammen. 42
An der Erarbeitung der Visionen und Handlungsfelder waren neben den Mitarbeiter- innen der Abteilung Altenhilfe folgende Personen beteiligt: ANNETTE BORTFELDT PETRA HINDERER Pflegemanagement, Spitalstiftung Geschäftsführerin, Hospiz Konstanz e.V. Konstanz ANKE RAUTENBERG BARBARA BRÜGGEMANN betroffene Angehörige Sozialdienst, AOK Konstanz WOLFGANG SCHÄTZLE KATJA HANISCH betroffener Angehöriger Pflegedienstleitung, AWO Pflegeheim Jungerhalde HANS-ULRICH SCHWENK Mitglied des Stadtseniorenrats IRENE HEILAND Konstanz Vorsitzende, Stadtseniorenrat Konstanz 43
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II. ARBEITSKRÄFTE FÜR DEN PFLEGEBEREICH ARBEITSKRÄFTE FÜR DEN PFLEGEBEREICH 45
BEDEUTUNG DER HANDLUNGSFELDER II ARBEITSKRÄFTE FÜR DEN PFLEGEBEREICH EINFÜHRUNG Die bisher im Altenpflegegesetz und im Bedeutende Änderungen durch die Re- Krankenpflegegesetz getrennt geregelten form sind folgende: Pflegeausbildungen wurden zum 1. Januar • Die generalistische Pflegeausbildung 2020 in einem neuen Pflegeberufereform- wird über die EU-Richtlinie „Anerken- gesetz zusammengeführt. nung von Berufsqualifikationen“ in Die drei Teilbereiche Gesundheits- und anderen EU-Staaten automatisch Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und anerkannt. Altenpflege wurden schrittweise in einer • Die Finanzierung der Pflegeausbildung ebenfalls dreijährigen Berufsausbildung wurde neu geregelt. Sie erfolgt nun vereinheitlicht. Alle Auszubildenden erhal- einheitlich über Landesfonds und ten zwei Jahre lang eine gemeinsame ermöglicht damit bundesweit eine generalistisch ausgerichtete Ausbildung, qualitätsgesicherte und wohnortnahe in der sie einen Vertiefungsbereich in der Ausbildung. praktischen Ausbildung wählen. • Auszubildende haben Anspruch auf Auszubildende, die im dritten Ausbil- eine angemessene Ausbildungsvergü- dungsjahr die generalistische Ausbildung tung. fortsetzen, erwerben den Berufsabschluss • Ein Arbeitswechsel zwischen den ver- „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“. schiedenen Pflegebereichen ist leichter Auszubildende, die ihren Schwerpunkt in möglich. der Pflege alter Menschen sehen, können • Der Einstieg in eine akademische Ausbil- wählen, ob sie - statt die generalistische dung für Pflegende wurde mit der Ausbildung fortzusetzen – einen geson- Reform gefördert. derten Abschluss in der Altenpflege er- • Die generalistische Ausbildung wird werben wollen. eingepasst in ein gestuftes und transpa- Damit soll der Grundstein für eine zu- rentes Fort- und Weiterbildungssys- kunftsfähige und qualitativ hochwertige tem. Pflegeausbildung gelegt werden.16 46 16 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegeberufegesetz.html
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