Gläsernes Rathaus - Tübinger Linke
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Gläsernes Rathaus - Magazin der linken Gemeinderats- und Kreistagsfraktion Ausgabe Nr. 3 Dezember 2020 www.tuebinger-linke.de Seite 2: Ein „Ökosystem“ der Umverteilung zum Cyber Valley und CureVac Seite 4: Es gibt Alternativen zur Innenstadtstrecke der Stadtbahn! Seite 6: Klimaneutral 2030 - sozial gerecht! Seite 7: Landesdatenschutzbe- auftragter verbietet „Liste der Auffälligen“ Wer zahlt die Kosten der Corona-Krise? Mit dem erneuten Teil-Lockdown wird deutlich: Die Bewältigung SGB II-Unterkunftskosten übernehmen. Für die kommenden der Corona-Krise wird wohl mehr als eine Billion Jahre stehen die Kommunen damit vor dramatischen finanziel- (1 000.000.000.000) Euro kosten! len Einbrüchen, durch die der Erhalt der kommunalen Infra- Die großen Verlierer sind viele derjenigen, die auch in der Kri- struktur und Selbstverwaltung existentiell bedroht ist. se das Land am Laufen gehalten haben und hier vor allem die Die Linke fordert, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, prekär Beschäftigten, Menschen mit Minijobs und Zeitverträgen. die in der Krise profitiert haben: Mit einer Vermögensabgabe 40% der Menschen in Deutschland erlitten Gehaltseinbußen für Milliardäre und Multimillionäre (mit hohen Freigrenzen für (Untersuchung des DIW). Betriebsvermögen) könnten diese 0,7% der Bevölkerung zur Fi- Aber es gibt auch Gewinner der Krise: Amazon und weite- nanzierung der Corona-Krise beitragen. Die dadurch möglichen re Konzerne der Internet- und Finanzwirtschaft haben satte Einnahmen von ca. 300 Mrd. € könnten existentiell notwendige Gewinne eingefahren. Lieferdienste, Autokonzerne und selbst Investitionen in Ländern und Kommunen anschieben. Rüstungsfirmen melden wieder steigende Gewinne. Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt: Allein Während die Konzerngewinne nicht angetastet werden sollen, das reichste 1% der Bevölkerung besitzt 32% , das sind 3,8 werden die Kosten bei den Kommunen abgeladen. Allein für das Billionen €. erste Halbjahr 2020 verzeichnen sie ein Defizit von 10 Mrd. und Bis Ende Juli 2020 ist das Vermögen der 119 Dollar-Milliardäre weitere 10 Mrd. werden als Rückgang bei den Steuereinnahmen in Deutschland in einem Jahr und trotz Krise um 594 Mrd. für 2021 prognostiziert. Bisher noch unbekannt sind die Kosten Dollar und damit 20% gestiegen. durch steigende Sozialleistungen und wegbrechende Einnah- (Quelle: aktuelle Studie der Schweizer Großbank UBS) men. Die Bundesregierung will nur die Gewerbesteuerverluste im Jahr 2020 kompensieren und einen größeren Anteil an den Gisela Kehrer-Bleicher, Kreisrätin der Tübinger Linken Impressum Gemeinderats- und Kreistagsfraktion der Tübinger Linken. Adresse: Pfleghofstraße 8, 72070 Tübingen. Email: info@die-linke-tuebingen.de V.i.S.d.P: Gerlinde Strasdeit
Die Innenstadtbahn frisst unsere Zukunft! Ein „Ökosystem“ der Umverteilung Mit dem Cyber Valley soll Tübingen zu der Hochtechnologie meist nicht aus. So schädlich wie Stuttgart21 einem Ökosystem für Künstliche In- Hier werden oft Beträge in dreistelliger kannibalisiert dieses Bauvorhaben telligenz (KI) werden. Die Idee hinter Millionenhöhe benötigt, bevor auch nur den Stadthaushalt, denn „Kultur“ solchen Ökosystemen ist schlicht eine ein Produkt auf dem Markt ist. Deshalb und „Soziales“ werden für ein Umverteilung von Unten nach Oben. Das müssen sich Startups auch nach privaten Prestigeprojekt geopfert werden merkt man auch am bisherigen „Leucht- Investoren – sog. „Business Angels“ oder “müssen“. Sobald die erste Bau- turm“ des Technologieparks: dem Impf- Risiko-Kapitalfonds – umschauen. Auch grube aufgerissen wird, werden mittelhersteller CureVac. hierbei werden sie von der öffentlichen „leider unvorhersehbare“ Mehraus- Vom Lockdown recht unbeeindruckt Hand unterstützt. Falls am Ende tatsäch- gaben unumgänglich, denn wer will wächst der Tübinger Technologiepark lich ein gewinnbringendes Produkt her- schon eine unfertige Bahn – auch auf der Oberen Viehweide weiter. Das auskommt, sind es dann aber in erster wenn sie nur am Zentrum vorbei umstrittene Amazon-Forschungsgebäude Linie die Investoren, die profitieren. zu einem Prellbock in Waldhäuser zwischen Max-Planck-Instituten, einem Dieser Mechanismus, nach dem Kosten Ost führt und nicht wie andere neuen KI-Forschungsgebäude der Uni sozialisiert und Gewinne privatisiert Innenstadt-Durchfahrungen in eine und mehreren medizintechnischen Unter- werden, zeigt seine Brisanz am Beispiel Nachbarstadt, etwa über Walden- nehmen nimmt bereits klare Formen an. des Impfmittelherstellers CureVac, einem buch nach Böblingen. Das und auch Es entsteht hier das, was die Bundes- der wenigen „Einhörner“ in Deutschland, die Anbindung weiterer Orte im Um- regierung einen „Forschungscampus“ dessen Marktwert auf weit über 1 Mrd. land ohne Bahnhof leistet nur der nennt, ein „Raum der Verdichtung“ Euro geschätzt wird, obwohl es bislang Ausbau des Busverkehrs. Der darf zwischen Industrie und Wissenschaft, noch keine realen Gewinne erwirtschaf- aber nicht am Hauptbahnhof enden der dem „Technologietransfer“ dienen tet. Gegründet wurde das Unternehmen und dort alle zum Umstieg zwingen, soll – und zwar von der Wissenschaft im Jahr 2000 von Wissenschaftlern der sondern er muss durchgebunden in die Industrie. Genau das ist die Idee Universität Tübingen und erhielt immer werden und die Hauptziele jeweils des Cyber Valleys: „Erklärtes Ziel des wieder Unterstützung und Förderung aus möglichst direkt mit den Wohn- Clusters ist es, die Ergebnisse der Grund- der öffentlichen Hand. Größter Anteils- gebieten im Umland verbinden. Es lagenforschung rasch zur Anwendung eigner ist allerdings Dietmar Hopp, der geht nicht nur um junge, betagte zu bringen“, so die Presseerklärung mit seinem Softwareunternehmen SAP zu oder beeinträchtigte Zwangskun- der Landesregierung zur Gründung der einem der reichten Menschen Deutsch- den, die bisher den Öffentlichen Forschungskooperation. Als „Motoren“ lands wurde und nun als Risiko-Kapital- Nahverkehr mitfinanzieren müssen, dieser „Kommerzialisierung“ werden dort geber in der Biotech-Branche aktiv ist. anstatt endlich gratis durchgewun- außerdem Startup-Unternehmen hervor- Im Juni 2020 ist der Bund mit 300 Mio. ken zu werden. Auch die Masse der gehoben. Euro als stiller Teilhaber eingestiegen, Zwangspendler*innen, die durch die Nun spricht grundsätzlich nichts gegen kurz darauf ging das Unternehmen an Mietpreisexplosion gezwungen sind Technologietransfer. Bei Themen wie die US-Börse und erhielt damit weitere aufs Land zu ziehen und die dafür Künstlicher Intelligenz allerdings sollte rund 245 Mio. US$. Im September dann ein Auto brauchen, sollte endlich man durchaus darüber streiten, ob und sagte der Bund eine weitere Förderung mit Direktbus und Jobticket günstig, wie man diesem auch Grenzen set- von 252 Mio. Euro zu. Falls das Unter- schnell und stressfrei zur Arbeit zen kann – wie dies in Bereichen der nehmen tatsächlich einen zulassungsfä- kommen. Das kann nicht bis zum Gentechnik und Atomforschung völlig higen Impfstoff gegen Corona entwickelt, Projektende warten! Das leistet nur unumstritten ist. Deshalb haben wir als haben sich diese Investitionen sicher ein flexibles und schrittweise aus- Fraktion zum Beispiel eine Zivilklausel für gelohnt – finanziell profitieren werden baufähiges Bussystem mit Anbin- den Technologiepark gefordert, um der dann aber v.a. Dietmar Hopp und (ins- dung aller Bahnhalte. Aber den Fans Entwicklung militärischer Anwendungen titutionelle) Anleger. Falls nicht, hat der der Innenstadtstrecke geht es nicht vorzubeugen. Bund vermutlich sehr viel Geld in den um die Belange dieser Mehrheit. Ihr Darüber hinaus zeigt sich allerdings, Sand gesetzt. Hobby, ihre Bahn, ihre Mühlstraße, dass der Technologietransfer, wie er in Es spricht sicher nichts dagegen, ihr 130-cm-Radweg – alle anderen diesem Ökosystem konzipiert ist, prinzi- wenn die öffentliche Hand in Techno- sind doof, unwissend, ungrün. piell ein Mechanismus der Umverteilung logien investiert, die vielleicht scheitern, Michael Schwarz, Kommunal- ist. Universitäten und Max-Planck-Ins- vielleicht aber auch von großem Nutzen AK der LINKEN titute forschen mit öffentlichen Mitteln. sind. Dann allerdings sollten die daraus Wenn dabei Erkenntnisse entstehen, hervorgehenden Produkte jedoch auch mit denen man auch nur potentiell in der öffentlichen Hand bleiben und Geld machen kann – und genau hier- dem Nutzen aller dienen. Wenn die Ge- auf richten sich beide erklärtermaßen sellschaft die Kosten einer Entwicklung immer stärker aus – sollen die Wissen- trägt, sollten dann nicht auch die Ergeb- schaftler*innen ein Startup gründen und nisse allen zur Verfügung stehen, also selbst zu Unternehmer*innen werden. „gemeinfrei“ sein, anstatt die Gewinne Auch dabei bestehen auf verschiede- zu privatisieren? Die „Ökosysteme“ zum nen Ebenen zahlreiche Programme, um „Technologietransfer“, wie sie gegenwär- mehr zum Thema auf Seite 8 unter: diesen Prozess aus der öffentlichen Hand tig überall entstehen, streben genau das „Neue Normalität“ – Bundes- zu fördern. Das Geld aus der öffentlichen Gegenteil an. wehr im Gesundheitsamt? Hand allerdings reicht gerade im Bereich Christoph Marischka Gläsernes Rathaus Dezember 2020 Seite 2
Für einen Neustart des Solewo Auf Dauer kein digitales Abnickverfahren im (Solidarisch leben und wohnen) Gemeinderat Gut wohnen ohne Grundbesitz. Langfris- will sie in die umgebenden Quartiere Kommunale Demokratie erhalten! tig bezahlbar wohnen und Immobilien- Französisches Viertel und Drei-Höfe-Are- Wir wollen kein digitales Abnickver- haien ein Schnippchen schlagen. Groß- al mit Dienstleistungen und Vernetzung fahren im Gemeinderat! Während zügig Platz für Gemeinschaftsflächen ausstrahlen: Solidarische Landwirtschaft, von kommunalen Beschäftigten und genau die ausreichende Fläche für Polyklinik, Café, Räume für Initiativen voller Einsatz verlangt wird, zieht sich selbst. Flexible Wohneinheiten: sind erste Ideen. Tübingen braucht sich der Tübinger Gemeinderat in größere mit Familie, kleinere zu zweit dringend Projekte wie diese. Videokonferenzen zurück. Als Coro- oder alleine und Extrazimmer für flügge Mit der neuen Genossenschaft neus- na-bedingte Ausnahme haben wir werdende Teenager. Eine Art Wandel- tart-solewo wird Wohnflächenwachs- das akzeptiert, als Dauerzustand haus für sich wandelnde Lebensumstän- tum gebremst und der Gentrifizierung nicht. Denn der freie Austausch de. Wow! Klingt super. Utopie? Nein, – der Verdrängung nicht vermögender und die demokratischen Mitwir- sondern sich konkretisierende Realität Menschen raus aus der Stadt – gegen- kungsrechte der Gemeinderäte in Tübingen. Was in Zürich schon lange gesteuert. Es darf nicht sein, dass das sind massiv eingeschränkt. Wir etabliert ist, wird nun Wirklichkeit in Eigenkapital darüber entscheidet, ob fordern für Ratssitzungen deshalb Tübingen. Am 2. Oktober gründeten 71 man überhaupt in unserer Stadt wohnen größere Räume, in denen die Ab- Personen die „Genossenschaft Neustart: darf! Ich möchte dafür werben, dieser standsregeln eingehalten werden solidarisch leben + wohnen (solewo)“. Genossenschaft beizutreten. Mit einem können. Andere Verwaltungen in Damit ist der Startschuss gefallen für Betrag von 500 Euro für einen Anteil der Region bekommen das gut das skizzierte zukunftsorientierte Modell und 250 Euro Eintrittsgeld werden Sie hin. Es war ja auch möglich, dass gemeinschaftlichen Wohnens aller Genoss*in. Mit Stimmrecht, wenn Sie die Aufsichtsräte der GWG, der Generationen und Schichten. Grund und mitwohnen wollen und mit Mitsprache- Tübinger Altenhilfe samt Oberbür- Boden werden dem freien Markt entzo- recht, wenn Sie nur fördern wollen. germeister im Oktober zusammen gen und bleiben für immer in der Hand Informationen und Beitrittsformular im Casino tagen. der Genossenschaft und ihrer Mitglieder. finden Sie auf: Seit Beginn der „Corona-Krise“ hal- Konkret will sich die neue Genossen- www.neustart-solewo.de ten die Kolleginnen und Kollegen schaft für das neue Tübinger Baugebiet den Laden am Laufen. Ob bei der Evelyn Ellwart, Stadträtin der im Marienburger Areal bewerben. Dort Stadtreinigung und der Abfallwirt- Tübinger Linken schaft, der Strom- und Wasserver- sorgung, in Kitas, im Altenheim, im Aktionsplan für Gleichstellung von Jobcenter- ihre Arbeit ist „system- relevant“ und sie haben mehr als Frauen in Tübingen nur Applaus vom Balkon verdient. Die Forderungen von 4,8 Prozent Die Rückkehr zum Regelbetrieb erfor- wird es vom Land übernommen. Lohnerhöhung, aber mindestens dert mehr Erzieher*innen in Kitas und Die Corona-Krise hat das Thema 150 Euro, waren angemessen, mehr Lehrkräfte in Schulen. Die Lehr- Frauenrechte neu belebt. In Tübingen angesichts dessen, dass der Bund amtsausbildung deckt seit Jahren nicht wird derzeit am „runden Tisch Gleich- für private Unternehmen aus den den Bedarf. Der Gesamtelternbeirat stellung“ ein kommunaler Aktionsplan öffentlichen Kassen 130 Milliarden der Tübinger Kitas fordert zu Recht ihr gezimmert. Grundlage ist die EU-Charta Euro zur Verfügung stellt! Die Mitspracherecht bei den Abläufen und für die Stärkung der Gleichstellung von Lohnerhöhung wäre auch ein Mittel Betreuungszeiten. Die Personalschlüs- Männern und Frauen und des Rechts um dem Fachkräftemangel im sel müssen an die Coronabedingungen von Frauen auf ein gewaltfreies Leben. Erziehungs- und Pflegebereich ent- angepasst werden, um den pädagogi- Danke an die Gleichstellungsbeauftragte gegen zu wirken. Auch die Anglei- schen Standard zu halten. In den Kitas und ihr Team. Die Vereinbarkeit von Be- chung der Arbeitszeit in Ost und fehlen Fachkräfte, weil in sozialen Be- ruf und Kinder ist schon im „Normalbe- West ist überfällig, jetzt ist aus- rufen zu wenig bezahlt wird und immer trieb“ ein Spagat. Wir Linke fordern, was gehandelt 39 Std. Woche im Jahr noch nicht mehr für diese Ausbildung sich viele Menschen wünschen, die kein 2022. Die öffentlichen Arbeitgeber bundesweit, landesweit und kommu- Homeoffice machen können: eine Vier- haben eine besondere politische nal dafür geworben wird. Vor einigen Tage-Woche. Erwerbsarbeit und Arbeits- Verantwortung, das Vertrauen in Wochen noch wurden Pflegekräfte und zeit müssen zum Leben und zu Kindern die Handlungsfähigkeit des Staates Kassierer*innen beklatscht. Je näher passen. Das gilt für alle, für wissen- und in die Demokratie zu stärken die Tarifverhandlungen rückten, desto schaftlich Arbeitende an der Universität statt zu spalten. Wir fordern vom mehr wurden sie wieder Kostenfak- ebenso wie für die Wanderarbeiter*in- Bundesgesetzgeber deshalb Ein- toren. Lange hat sich Sozialminister nen auf Baustellen, im Ernteeinsatz oder schnitte und höhere Steuern bei Manfred Lucha (Grüne) geweigert, das in Fleischfabriken. Gute Arbeitsbedin- Milliardären und Einkommensmil- Personal in Pflegeeinrichtungen regel- gungen und auskömmliche Löhne auch lionären und für Konzerne, die an mäßig testen zu lassen. Gut, dass die im unteren Einkommensbereich machen der Krise zusätzlich verdienen wie Stadtverwaltung den Fehler ausgleicht eine solidarische Stadtgesellschaft erst Amazon. und den Pflegebeschäftigten und den möglich. Besucher*innen in den Pflegeheimen Birgit Hoberg Stadträtin der Gerlinde Strasdeit, Linke die Tests kostenfrei anbietet, inzwischen Tübinger Linken Fraktionsvorsitzende Seite 3 Dezember 2020 Gläsernes Rathaus
Gleisfrei in die Zukunft. Es gibt Alternativen zur Innenstadtstrecke der Stadtbahn! Wer die Verkehrsverhältnisse in der Tübinger Innenstadt auch schon recht gut untersucht. In die engere Wahl kennt und nüchtern bewertet, hatte wohl schon immer kommen vor allem zwei Systeme bzw. eine Kombination Zweifel, dass die geplante Innenstadtstrecke mit der Bahn beider: eine Seilbahn und Schnell- bzw. Direktbusse auf die richtige Lösung für Tübingen sein kann. Neuere Unter- eigenen Trassen. Beide Lösungen bieten ausreichende suchengen haben dies jetzt bestätigt. Es gibt Alternativen! Kapazitäten, die jederzeit ausgeweitet werden können. Diese sind nicht nur ebenso leistungsfähig, sondern zudem Beide Lösungen können flexibel ergänzt und erweitert deutlich billiger. werden. Beide Technologien sind ausgereift und es liegen Nadelöhr Mühlstraße z.T. langjährige Erfahrungen aus anderen Städten vor. Vor Die Planungen der Innenstadtstrecke der Regionalstadt- allem für die Verbindung zwischen Bahnhof und Kliniken bahn sehen vor, dass die Züge aus allen Richtungen bzw. Technologiepark bietet sich die Seilbahn auf Grund (Reutlingen, Mössingen, Rottenburg und Herrenberg) über der Tübinger Topografie geradezu an. Dazu kommt, dass die Neckarbrücke und die Mühlstraße durch die Innenstadt lange Wartezeiten an den Haltestellen entfallen und zu fahren. Vorgesehen ist ein Halbstundentakt, d.h. durch Stoßzeiten mehr Kabinen eingesetzt werden können. Eine die Mühlstraße würde in einer Richtung alle 7½ Minuten Seilbahn kann sogar eine touristische Attraktion für Tübin- ein Zug mit einer Länge von 75m (!) fahren, also fast alle Verkehrskonzept der 3 Minuten ein Zug. Dazu kommen in der Mühlstraße ca. Bundestagsfraktion 60 Busse pro Stunde, also jede Minute ein Bus. Da bleibt der LINKEN. Zum nicht mehr viel Platz für Fahrradfahrer und Fußgänger, von nachlesen und mit- Lieferfahrzeugen ganz zu schweigen. Dummerweise ist machen, unter: aber die Mühlstraße gerade auch für Fahrräder und Busse https://www.plan-b- eine Hauptverkehrsachse und es gibt dort eine Menge Ge- mitmachen.de/ schäfte mit Publikumsverkehr. Diese Betriebe wollen belie- fert werden, fragt sich nur, wie und wann. Störungen und Verzögerungen durch Staus, Unfälle oder einfach im Weg Weitere Informa- stehende Fußgänger oder Lieferfahrzeuge sind vorherseh- tionen und Beteili- bar. Nicht zu vergessen: Was ist mit Einsätzen von Feuer- gungsmöglichkeiten wehr, Polizei und Notarzt, auch deren Einsatzfahrzeuge am Protest gegen müssen den Bereich rasch durch- oder anfahren können. die Stadtbahn Für all das gibt es bisher kein schlüssiges Konzept. Tübingen, unter: Genau das Nadelöhr Neckarbrücke/Mühlstraße ist ein https://www.nein- wichtiger Grund, weshalb wir uns mit Alternativen beschäf- zurstadtbahn.de/ tigt haben. Wir wollen flexiblere Lösungen, d.h. Fahrzeuge, welche nicht schienengebunden sind, sondern im Notfall ausweichen und Hindernisse umfahren können. Die Bau- gen werden und würde hervorragend zum innovationsfreu- stellen der Sommermonate zeigen, dass wir in Tübingen digen zukunftsorientierten Image der Stadt passen. ein Transportmittel brauchen, das ggf. bei Problemen über Eine Seilbahn hat hervorragende Werte, was Umweltver- alternative Routen geführt werden kann. Und wir wollen träglichkeit und CO2-Ausstoß angeht, und auch moderne zukunftsfähige Lösungen, die einfach an zukünftige Ent- Bussysteme mit Brennstoffzellen oder Hybridantrieb kön- wicklungen der Stadt angepasst werden können und deren nen in diesen Bereichen mit guten Werten aufwarten. Was Kapazitätsgrenzen nicht bereits beim Bau erschöpft sind. Klimaschutz und Umweltverträglichkeit angeht, schneiden beide Systeme unterm Strich besser ab als die Stadtbahn. Stadtbild und Verkehrssicherheit Dies gilt vor allem auch für den Aufwand für die Unter- Dann wäre da noch das Problem des Stadtbildes und der haltung und Wartung. Und Seilbahn und Bus haben einen Nutzerfreundlichkeit. Haltestellen lägen nicht auf Straßen- nicht zu vernachlässigenden Vorteil: sie kosten deutlich niveau, sondern es müssten zwangsläufig relativ schmale weniger als eine schienengebundene Lösung. Bahnsteige mit 55cm Höhe und 100m Länge mit Trep- Kosten pen und Rampen für Menschen mit Behinderung gebaut Reden wir also vom Geld. Für die Innenstadtstrecke sind werden. Ein Szenario mit notorischer Unfallgefahr, das für Stand 2018 Baukosten von ca. 230 Mio. € vorgesehen. ältere, kranke oder behinderte Menschen eher abschre- Darin nicht enthalten sind die Kosten für den Neubau der ckend sein muss. Neckarbrücke, die im jetzigen Zustand den Belastungen Zu diesen, ach so unauffälligen (in den Werbevideos gut der Züge nicht standhalten würde. Ebenso wenig enthalten kaschierten) Bahnsteigen kommen entlang der Strecke sind Kosten für notwendigerweise geänderte Verkehrsfüh- eine Unzahl von Masten und Trafos für die Oberleitung. rungen am Rande der Strecke und für geänderte Buslinien. Das Bild der historischen Altstadt wäre nachhaltig gestört, Auch wenn die erhofften Zuschüsse von Bund und Land und Tübingen müsste sich mit Recht fragen lassen, wofür tatsächlich fließen sollten, was wegen der Haushaltsbelas- mit großem Aufwand und Engagement für den Erhalt der tungen durch Corona durchaus zweifelhaft ist, bleibt an Altstadt gekämpft wurde, wenn dieses Bild so mutwillig der Stadt Tübingen ein erheblicher Betrag hängen. Bei den zerstört wird. für solche Projekte zu erwartenden Kostensteigerungen Alternativen würde der Betrag mehr als der Hälfte des gesamten Ver- Zum Glück gibt es Alternativen und diese sind inzwischen mögenshaushalts entsprechen. Gläsernes Rathaus Dezember 2020 Seite 4
Im Vergleich erscheinen die Baukosten für die Alternati- Argument „sitzen bleiben“, also nicht umsteigen müssen, ven fast wie ein Schnäppchen, die geschätzten Kosten für angeführt. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich das die Seilbahn liegen bei etwa 75 Mio. € (Stand 2020) plus als großer Bluff. Denn nicht umsteigen und sitzen bleiben Erschließungsmaßnahmen, für Schnell- und Direktbusse könnten schließlich höchstens diejenigen, die von auswärts noch deutlich niedriger. Wichtig: Die Seilbahn könnte im nach Tübingen einpendeln, für die Tübinger*innen gilt das selben Umfang wie die Schienenlösung von Bund und Land grerade Gegenteil: Weil Direktverbindungen gestrichen gefördert werden, für Schnellbusse gibt es Zuschüsse vom würden, müssten sie auf vielen Strecken umsteigen, statt Land. wie bisher ihr Ziel direkt zu erreichen. Aber auch viele der Auch die Kosten für den Unterhalt von Schienen, Wei- Pendler*Innen von auswärts wären gezwungen umzu- chen, Signaltechnik, Oberleitung, Bahnsteige, Brücken steigen, da ihr Ziel nicht an der Route der Stadtbahn liegt und Rampen sind deutlich höher als bei den Alternativen (90% der Fahrgäste wollen nicht zu den Kliniken). und würden den Tübinger Haushalt dauerhaft erheblich Auch wohnen die wenigsten Pendler*innen direkt an belasten. der Stadtbahnstrecke, sie müssen sowieso erst von ihrem Jahrelange Baustelle vs. Klimaschutz jetzt Wohnort zur Stadtbahn kommen und umsteigen. Für sie Ein zentraler Aspekt für uns Linke ist die Frage des Klima- sind der Weg bis zur Stadtbahn, die Anschlüsse und die schutzes. Durch die Verbesserung des öffentlichen Nah- Umsteigezeit dort viel gravierender als ein kurzer Umstieg verkehrs soll Menschen der Umstieg vom PKW attraktiv in Tübingen. gemacht werden, es soll Energie eingespart, Abgase und Fazit für uns: Warum sollten wir uns Probleme (Mühlstra- der CO2-Ausstoß reduziert werden. Die Zeit beim Klima- ße, Flexibilität, jahrelange Baustellen und Kosten) künstlich schutz drängt, es hat keinen Sinn, wenn erst in 10 Jahren schaffen, wenn es bessere Möglichkeiten gibt. der erste Zug fährt. Die Seilbahn und vor allem ein verbes- Warum sollten wir uns, nur weil jahrelang fast aus- sertes Buskonzept lassen sich viel schneller verwirklichen. schließlich über die Schiene geredet und Alternativen Nicht zu vergessen: jahrelange Baustellen in der Innen- verlacht wurden, mit der höchsten zweitbesten Lösung stadt blieben den Tübinger Bürger*innen erspart. Ganz zufrieden geben? abgesehen davon, dass solche Riesenbaustellen und die Entscheiden wir uns lieber für eine zukunftsfähigere damit verbundenen Umleitungen und Umwege kein Bei- Alternative, die Änderungen und Anpassungen zulässt und trag zum Klimaschutz sind, sondern das genaue Gegenteil. die sofort umgesetzt werden kann. Berechnungen haben ergeben, dass ein positiver Klima- Nachbemerkung: Die Diskussion um die Innenstadtstre- schutzeffekt durch die Stadtbahn frühestens nach 20 bis cke krankt unserer Meinung nach von vornherein daran, 30 Jahren eintreten würde. dass nur zur festgelegten Stadtbahnstrecke Alternativen gesucht werden. Eigentlich sollte über ein umfassenderes Umsteigefreiheit Verkehrskonzept für Tübingen und Umgebung gesprochen Wir sind uns im Klaren, dass eine Lösung für den öffentli- werden, das auch Pendlerströme berücksichtigt (Böblin- chen Nahverkehr in Tübingen attraktiv für die potenziellen gen, Dettenhausen und Härten), die in der Planung der Benutzer*innen sein muss. In diesem Zusammenhang wird Stadtbahn nicht bedient werden. von den Befürwortern der Innenstadtstrecke häufig das Wilhelm Bayer, Kommunal-AK der LINKEN Große Unterschiede (Gedicht von Gerhard Bialas) Dank den Göttern, die das schufen Menschen in den Slums versinken für manche kommt Corona wie gerufen in Coronas Sumpf ertrinken die damit dick Geschäfte machen denen muss geholfen werden dass and’re in die Pleite krachen. um zu leben auf der Erden. Rettungsschirme für manche Reichen Wie schön uns’re „Soziale Stadt“ die pfeifen auf die Corona-Leichen in der werden alle satt? verziehen sich auf ihre Jachten In dem Maskenumgetriebe tun nach Profiten weiter trachten. gibt es große Unterschiede. Milliardär auf traumhaft Inseln Rettungsschirme für die Armen hört man um Gewinne winseln denen hilft kein Gotterbarmen die könnten ja verlustig geh’n Reichtum solidarisch teilen wenn sie nicht Rettungsschirme seh’n. statt im Jammern zu verweilen. Seite 5 Dezember 2020 Gläsernes Rathaus
Klimaneutral 2030 – sozial gerecht ! Der Tübinger Gemeinderat verabschiedete im November ein werden und so die ohnehin sehr hohen Mieten noch weiter Klimaschutzprogramm. Ziel ist, dass die Stadt bis zum Jahr erhöht werden. 2030 in Bezug auf die energiebedingten CO2-Emissionen Mobilität: klimaneutral (Netto-Null) werden soll. Das Programm gliedert Beim Kapitel zur Tübinger Innenstadtstrecke der Regional- sich in die drei Energieverbrauchssektoren Wärme, Strom und stadtbahn mussten wir durchsetzen, dass die Formulierungen Mobilität, sowie Querschnittsthemen. Wir Linken stimmten dazu neutral sein müssen, denn ein Bürgerentscheid wird da- insgesamt dafür, meldeten aber auch Kritik an. rüber entscheiden, ob die Innenstadtstrecke gebaut wird oder Wichtigste Forderung für uns war die Sozialverträglichkeit Alternativen umgesetzt werden wie beispielsweise ein Ausbau des Klimaschutzprogramms bei allen Maßnahmen nicht nur zu des Bussystems und Schnellbusse. Der Bürgerentscheids soll prüfen, sondern auch Modelle zu entwickeln, die für finanziell zur Bundestagswahl im September 2021 stattfinden. Wir freu- benachteiligte Personengruppen einen Ausgleich schaffen. en uns, dass es jetzt endlich eine politische Mehrheit für eine Dies konnten wir als Querschnittsaufgabe im Klimaschutz- Verbesserung der Bustakte und eine Senkung der Busticket- programm verankern. Wir wollen, dass Klimaschutz für alle preise gibt! Bisher hatte außer uns nur Markus Vogt gegen bezahlbar ist. Es darf nicht sein, dass Gering- und Durch- die jährlichen nicht öffentlich beschlossenen Erhöhungen der schnittsverdienende überdurchschnittlich belastet werden, Ticketpreise gestimmt. Als erstes müssen die Schülerverkehre obwohl gerade die Superreichen die schlimmsten Klimasün- frei sein. Das gehört zur Lernmittelfreiheit muss auch endlich der*innen sind. im grün-schwarzen Baden-Württemberg umgesetzt werden. Strom: Dafür kämpfen aktive Eltern schon seit einigen Jahren. Wes- DIE LINKE bemängelt bei der Förderung regenerativer Ener- halb geht’s in Bayern und nicht im reichen Baden-Württem- gien schon seit Jahren, dass ausgerechnet energieintensive berg? Industriebetriebe von der EEG-Umlage befreit sind, während Flächenverbrauch und Zivilklausel: die Verbraucher*innen die Energiewende finanzieren. Aktuell Wir wollen innerstädtisch grüne Flächen erhalten und kein wird von Verbraucherschützer*innen scharf kritisiert, dass hemmungsloses Wachstum auf der Oberen Viehweide, vor trotz sinkender EEG-Umlage und geringerer Beschaffungskos- allen keine Konzerne und Forschungseinrichtungen, die in ten die Strompreise im nächsten Jahr für die Verbraucher*in- Rüstungsprojekte verwickelt sind. Krieg ist die schlimmste nen steigen werden. DIE LINKE fordert, dass die Einnahmen Bedrohung für Mensch und Umwelt. Deshalb fordern wir auch CO2-Bepreisung an die Verbraucher*innen zurückfließen und aus Klimaschutzgründen eine verbindliche Zivilklausel. die Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage gestoppt werden. Gerlinde Strasdeit, Linke Fraktionsvorsitzende Wärme: Die reichsten Menschen haben den größten ökologischen Wohnen muss in der Stadt für alle bezahlbar werden, eine Fußabdruck; Der Tübinger Arbeitslosentreff TAT e.V. unter- weitere Gentrifizierung muss verhindert werden. Deswegen sucht nun in einer Studie den ökologischen Fußabdruck von müssen energetische Sanierungen für die Mieter*innen warm- AlG II-Empfänger*innen. Die Studie liegt im Frühjahr vor. mietenneutral sein. Es darf nicht sein, dass die Kosten für Gratulation: dafür gab es jetzt für TAT den Umweltpreis der energetische Sanierung einseitig den Mieter*innen aufgehalst Stadtwerke! Kommunalpolitik in Aktion links: Gerlinde Strasdeit und Evelyn Ellwart (Stadträt*innen) beim Gedenken an die Reichspogromnacht am Synagogenplatz rechts: Kreisrätin Maggie Paal spricht als Mitglied der Verhandlungskommission beim Streik des Öffentlichen Dienstes unten links: Landtagskandidatin Claudia Haydt bei der Kundgebung „Bürgeramt barrierefrei“ unten rechts: Stadträtin Gerlinde Strasdeit bei der Ver. di-Aktion zum Streik am Kreistag Gläsernes Rathaus Dezember 2020 Seite 6
Landesdatenschutzbeauftragter verbietet „Liste der Auffälligen“ Mit einem Bescheid vom 5.10.2020 untersagte Dr. Stefan Verfahren bestätigt hätten. Brink, der Landesbeauftragte für Datenschutz und Infor- - Eine Gefährderliste aufgrund eines bloßen Verdachts aufzu- mationsfreiheit, der Stadt Tübingen das Führen einer Liste stellen verletze die Rechte der Betroffenen. von „auffälligen“ Geflüchteten. Mit dieser erstmals an eine - Die Stadt habe letztlich weder im Einzelfall noch allgemein Kommune ergangenen derartigen Verfügung beendete der darlegen können, dass eine konkrete Gefahr für das eigene Datenschutzbeauftragte einen sich fast zwei Jahre hinzie- Personal bestanden habe. henden Streit um die von Oberbürgermeister Boris Palmer Der Datenschutzbeauftragte monierte die „Blockadehaltung“ und der Stadtverwaltung geführten sog. „strukturierten In- von Palmer und Stadtverwaltung und verwies auf die „gra- formationsaustausch“. Begründung: Keine Rechtsgrundlage, vierende Diskriminierungswirkung“ der Liste. keine Belege für tatsächliche Gefahrenlage, Diskriminierung Gegenüber der Presse teilte OB Palmer mit, nicht gegen der Betroffenen. die Verfügung des Datenschutzbeauftragten klagen zu wol- OB Palmer rechtfertigte diese Liste zu Beginn mit seiner len. Er machte jedoch keinen Hehl daraus, dass er kein Ver- Auffassung, dass straffällig gewordene oder aus seiner Sicht ständnis für diese Entscheidung hat und bezeichnete diese verdächtige Personen in Landesunterkünfte verlegt werden als „behördlich verordnete Schizophrenie“. Palmer kündigte sollten. Zusätzlich oder alternativ wurde das Vorhaben ver- eine Gesetzesinitiative auf Bundesebene an, durch die eine kündet, als „auffällig“ angesehene Personen in die städtische Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit von Sicherheitsbe- Anschlussunterkunft in der Europastraße 37 zu verlegen. hörden und Sozialarbeit geschaffen werden solle. Auf Face- Dort wurde bereits seit 2017 ein Sicherheitsdienst mit jähr- book informierte Palmer seine Fans unter der Überschrift „@ lichen Kosten von rund 300.000 Euro eingesetzt. Erst einige Datenschutz als Täterschutz“ über die „rechtlich und sachlich Zeit später brachte Palmer als weiteren Rechtfertigungs- falsche Entscheidung“ und heizte gleich wieder die flücht- grund für die Liste den Schutz von städtischen Mitarbei- lingsfeindliche und rassistische Stimmungsmache an, indem ter*innen ins Spiel. er das Bild vom dunkelhäutigen Messerstecher zeichnete. Bereits unmittelbar nachdem das Vorhaben, eine solche Anstatt die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten Liste zu führen, öffentlich wurde, zweifelten die Flüchtlings- zu akzeptieren und daraus die nötigen Konsequenzen zu hilfen Kreis Tübingen (Netzwerk ehrenamtlicher Flüchtlings- ziehen, macht Palmer also mit diskriminierender und rassis- unterstützerkreise) in einer Presseerklärung die Rechtmäßig- tischer Stimmungsmache weiter. Offenbar verspricht er sich keit der Liste an und forderten anhand eines umfangreichen selbst nach so einer Rüge, dass aus der Gleichsetzung von Fragenkatalogs Aufklärung über Einzelheiten dieser Praxis. Flüchtlingen und Kriminalität und allgemein aus der Skanda- Gegen „Palmers Liste“ und die geplante Praxis der Errich- lisierung des Themas Flüchtlinge politisch Kapital zu schla- tung einer lokalen „Brennpunkt- und Abschiebeunterkunft“ gen ist. Mit keiner anderen Bevölkerungsgruppe würde sich machte das aus Bündnis Bleiberecht, Flüchtlingshilfen, auch ein Herr Palmer derartiges Verhalten erlauben. Und die Asylzentrum und anderen Initiativen bestehende „Netz- Rechnung scheint aufzugehen, denn Beifall gibt es ja genug, werk Europastraße“ in einer Informationsveranstaltung am nicht nur auf Facebook. All dies ist beschämend für die Stadt 5.4.2019 mobil. Am 9.4. lud OB Palmer zu einer Aussprache Tübingen und das führt auch die von der Stadt geförderten ins Rathaus. Diese geriet zu einer Palmerschen Selbstdar- Antidiskriminierungsprojekte ad absurdum. stellungsshow, bei der in der üblichen selbstherrlichen Art Mit der „Liste der Auffälligen“ haben Palmer und die die Argumente des Netzwerks vom Tisch gewischt wurden Stadtverwaltung die ansonsten gute Integrationsarbeit und keine der gestellten Fragen zufriedenstellend beantwor- für Geflüchtete durch „Haupt- und Ehrenamtliche“ in der tet wurde. Mehrere Fraktionen des Gemeinderats griffen den Stadt Tübingen nachhaltig diskreditiert. Die städtischen Fragenkatalog auf und erhielten zum Teil aufklärende, zum Sozialarbeiter*innen in der Flüchtlingshilfe wurden dabei Teil ausweichende Antworten. eher instrumentalisiert als geschützt und letztlich in ihrem Und auch dem zwischenzeitlich in Kenntnis gesetzten professionellen Selbstverständnis mehr als in Frage gestellt. Datenschutzbeauftragten des Landes antwortete die Stadt- Dass Palmer mit Personen, die vielleicht irgendwie auffällig verwaltung auf die gestellten Fragen nur verzögert oder gar sind oder auch straffällig geworden sind, primär mit Polizei nicht und beschwerte sich stattdessen in einem mit Horror- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen umgehen will, zeigt beispielen von Flüchtlingskriminalität gefüllten Brief bei In- aber auch, wie wenig Ahnung er von Sozialarbeit und deren nenminister Strobl über den Datenschutzbeauftragten. Ende professionellen Grundsätzen und auch deren nachhaltiger Januar erhob dann der Datenschutzbeauftragte erstmals Wirksamkeit hat. öffentlich Kritik an der Stadtverwaltung Tübingen, nachdem Und last but not least die „Betroffenen“? Hat die jemals die „Liste“ und die Nichtkooperation der Stadt auch Eingang irgendjemand über irgendetwas informiert oder nach der in den Datenschutz-Tätigkeitsbericht 2019 gefunden hatte. Meinung gefragt? Clevere Datenschützer*innen haben nach Jetzt beendete der Datenschutzbeauftragte den Streit und der Verfügung des Landesdatenschutzbeauftragten eine Vor- zwar mit einem eigentlich unmissverständlichen Urteil für OB lage erarbeitet, damit Betroffene eine Anfrage nach DSGVO Palmer: stellen können und auf diesem Weg zumindest Auskunft - Für die Weiterleitung von Daten von der Polizei über die erhalten können, ob sie in der Liste der Auffälligen geführt Ausländerbehörde an andere Dienststellen der Stadtverwal- wurden und welche Daten über sie gespeichert waren/ tung bestehe keine Rechtsgrundlage. sind. Engagierte in der Flüchtlingshilfe werden aufgefordert, - Die Aufnahme von personenbezogenen Daten in die Liste potenzielle Betroffene bei der Stellung eines Auskunftsersu- sei erfolgt, ohne dass die Staatsanwaltschaft oder ein Ge- chens zu unterstützen. richt die Tat oder den Tatvorwurf in einem rechtsstaatlichen Andreas Linder, Kreisrat der Tübinger Linken Seite 7 Dezember 2020 Gläsernes Rathaus
Bundeswehr im Gesundheitsamt - „Neue Normalität“? Im Tübinger Gesundheitsamt sind seit November Sol- schäftigte gesucht werden? dat*innen der Bundeswehr in der Kontaktverfolgung Nach Auskunft der Verwaltung ist zwar sichergestellt, eingesetzt. Die Linke-Fraktion im Kreistag sieht im Ein- dass die Soldat*innen der direkten Leitung des Gesund- satz von Bundeswehrsoldaten in zivilen Einrichtungen heitsamts unterstehen und der Datenschutz eingehalten und Ämtern ein problematisches politisches Signal. wird, also Daten nicht an die Bundeswehr weitergege- Wir wissen, dass die Beschäftigten im Gesundheits- ben werden dürfen. amt und weitere Mitarbeitende in den letzten Monaten Fragwürdig ist aber weiterhin die rechtliche und poli- sehr viel geleistet haben und sind für ihren großen Ein- tische Problematik, wenn Soldat*innen Menschen am satz dankbar. Telefon nach ihren Kontakten fragen, sie in Quarantäne Mit einer Anfrage an das Landratsamt wollten wir schicken und kontrollieren, ob die Betroffenen diese wissen, warum nun nicht weitere zivile Möglichkeiten einhalten. ausgeschöpft wurden, z. B. durch Aufrufe an Studie- Während in den letzten Jahren am Gesundheitswesen rende, die ihren Nebenjob verloren haben, oder durch gespart und bei den Gesundheitsämtern Stellen abge- Einbeziehung von Erwerbslosen und Kurzarbeitenden. baut wurden, sind die Ausgaben für Militär und Rüstung In der Antwort des Landrats Herrn Walter wird nur weiter erhöht worden und liegen trotz Corona-Krise in auf den dringenden Bedarf für weitere Unterstützung diesem Jahr bei fast 50 Milliarden Euro. Und die Bun- verwiesen, aber nicht warum dafür Bundeswehrper- deswehr kann sich jetzt zusätzlich noch als flexibler sonal erforderlich ist. Wir fragen uns nach wie vor, Helfer für die zivile Gesellschaft anpreisen. warum die Verwaltung es als notwendig ansieht, bei Zählt der Einsatz der Bundeswehr im zivilen Bereich derzeit insgesamt ca. 100 Beschäftigten im Gesund- etwa auch zur oft genannten „neuen Normalität“, an die heitsamt 6 Stellen mit Soldaten zu besetzen. Warum wir uns gewöhnen sollen? konnten für diese 6 Stellen nicht weitere zivile Be- Gisela Kehrer-Bleicher, Kreisrätin der Tübinger Linken Platz für Kinder – Kein Grundstücksverkauf! Kurzfristig flatterte uns Gemeinderät*innen eine Vorlage da macht man einen Änderungsbeschluss, sodass es ein auf den Tisch, die da heißt: „Sanierung und Erweiterung Bebauungsgrundstück wird. Musikschule; Neubau Martinskindergarten und Köstlin- Von hinten her machen die ganzen Planungen plötz- schule“. lich einen immanenten Sinn: Das Grundstück der Köst- Das klingt doch erst einmal prima! Endlich wird die linschule soll als Baugrund versilbert werden. Darum Musikschule saniert. Schon vor 10 Jahren regnete es dort werden zwei Kindergärten auf dem Platz von einen und zum Dach hinein und eindrücklich wurde mir damals am zwei Schulen auf dem Platz von einer Schule zusammen- „Runden Tisch Kultur“ vorgeführt, wie es in die Eimer gepfercht. Es werden dafür ein Teilgebäude der Musik- tropft. Und auch einen Kindergarten neu bauen und eine schule, die gesamte Köstlinschule und ein Kindergarten Schule, das scheint zunächst nicht falsch. abgerissen. Die Klimabelastung durch den Abriss redet Tja, wenn man dann genau hinschaut, stellen sich nur die Verwaltung in der Vorlage lapidar schön mit Recyc- noch Fragen. Wieso wird der Kindergarten neu gebaut? lingmöglichkeiten der im Abriss enthaltenen Materialien. Weil die Musikschule teilweise abgerissen wird und er da Wann hat der Ausverkauf der Stadt endlich ein Ende? quasi baulich drin steckt. Wieso wird die Köstlinschule Wann hat das ständige Aufreißen, Umbauen und Neubau- neu gebaut? Ja, weil die Planer(*innen?) die Idee hatten, en endlich ein Ende? Wann halten endlich die Paradigmen es wäre schön, wenn man Köstlinschule und Musikschule Suffizienz und Ressourcenschonung Einzug in die Stadt- auf den gleichen Platz steckt, wo man doch von der Mu- planung? Die Linke fordert schon lange, dass städtische sikschule sowieso den Teil zur Wilhelmstraße hin abreißen Grundstücke in städtischer Hand bleiben sollen. Eine gute muss. Und weil das alles so schön ineinander flutscht, Möglichkeit dafür ist das Erbbaurecht. Damit behält die hat man am Ende das Grundstück der Köstlinschule übrig Stadtgemeinschaft dauerhaft die Möglichkeit, mitzuent- und kann es verkaufen. 1,8 Millionen Euro Einnahmen scheiden was in ihrer Stadt passiert. Und wie es passiert. plant die Stadt schon mal dafür in den Stadtsäckel. Dass Respektvoll, bedachtsam und lebensfreundlich. es ein Grundstück für „Gemeinbedarf“ ist, macht nichts, Evelyn Ellwart, Stadträtin der Tübinger Linken Forderungen und Strategie der Partei unter und zahlreiche Materialien zum Download: https://www.die-linke.de/themen/gesundheit-und-pflege/corona/
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