Gradstehen für Gott in der Welt - Evangelische Kirche in ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
NR. 3/2018 Gradstehen für Gott in der Welt THEMA MARIO FISCHER: GLAUBENSZEUGEN MÜSSEN GLAUBWÜRDIG SEIN FOCUS THOMAS HOFER: ANGSTPOLITIKER UND WUTBÜRGER SCHAUPLATZ ANDREA BURCHHART: AUFSTEHEN UND HALTUNG ZEIGEN BLICK VON AUSSEN FLORIAN KLENK: KIRCHE PRIVAT ODER KRAFT IM STAAT? ANDERSWO SIEGFRIED KRÖPFEL: FRESH EXPRESSIONS – KIRCHE NEU VERSUCHT suNewsTTtitelseiteAktuell.indd 1 17.08.18 12:33
E D I T O R I A L ▶ unter uns … Im thema führt uns Mario Fischer in diese Hauptaufgaben der Kir- Foto: epd/ uschmann Die Kirche lebt den Auftrag Jesu, indem che ein. Dass es sinnvoll sie in der einzelnen Gemeinde und als ist, gewisse Grundsätze Weltkirche in gleichen Auffächerungen einzumahnen, schildert dieses Auftrags – in Grundvollzügen – der Journalist und Poli- handelt. Diese Grundvollzüge offenbaren tikberater Thomas Hofer den Sinn und Zweck der Kirche und ge- im Gespräch mit Astrid Schweighofer im hören zu ihrem Wesen. Das Jahresthema focus. „Aufstehen und Haltung zeigen“ – und somit die nächsten vier Hefte von das zählt zu den christlichen Grundwerten superNews haben diese Grundvollzüge und wird immer schwieriger in unserer zum Thema unter dem Motto: „Zurück in Gesellschaft, schildert Andrea Burchhart die Zukunft.“ am schauplatz. Ob Kirche eine pri- vate Angelegenheit oder eine wichtige Die Aufgabe der Kirche und der Christen Kraft im Land ist – dieser Frage geht im ist es, von der Frohbotschaft Zeugnis zu blick von außen der Journalist Florian geben, Zeuge für Gott zu sein in der Welt Klenk nach – interviewt von Erich Witz- (altgriechisch: Martyria – Verkündigung), mann. Weiters fragen unsere superNews- den Glauben zu feiern und die Menschen Redakteure Erich Witzmann und Hubert im Alltag und an den Schnittpunkten des Arnim-Ellissen im standpunkt „Braucht Lebens zu stärken Leiturgia – Liturgie) die Welt Christen?“ Und wo und wie Kir- und die konkrete Nächstenliebe erfahrbar che neu gestaltet, wird, schildert Sieg- zu machen (Diakonia – Diakonie). Diese fried Kröpfel, Gründungsmitglied des Ver- Aufgaben werden erst dann in rechter eins „Fresh X Netzwerk“, in anderswo. Weise verwirklicht, wenn sie auf die Ge- meinschaft ausgerichtet sind (Koinonia – Ebenso können Sie wieder die Kurzbe- Gemeinschaft). richte aus den Gemeinden (gemeinde- mosaik) und einen Bericht vom heurigen Das vor Ihnen liegende erste Heft des Kirchentag (kirche in NÖ) lesen. Einbli- Jahresthemas versucht in den verschie- cke gibt es in die Arbeit der militärseel- denen Rubriken Einblicke in den ersten sorge und Informationen über die nächs- Grundvollzug der Kirche zu geben: Mar- ten Veranstaltungen bei den terminen. tyria – Zeugnis, Verkündigung und Ver- Vielleicht bekommen Sie Lust, dem Buch- breitung des Evangeliums. tipp (literatur) nachzugehen oder kom- men bei „auch das noch“ (glosse) zum Nachdenken. Gradstehen für Gott in der Welt: All das ist verbunden mit einem Relaunch Eine Demonstrantin der superNews. stellt sich ohne Angst charmant und gewaltfrei der Polizeigewalt Ihre/ Eure in den Weg. Pfarrerin Birgit Lusche 2 suNews3_18_2bis9.indd 2 17.08.18 12:36
S U P E R I N T E N D E N T ▶ Evangelische Demokratie 2017 war das große Jahresthema unser Zweitens: Reformationsjubiläum. 2018 ist das Jah- Trotz dieser Pro- resthema: Die Wahlen in der Evangeli- bleme ist die De- schen Kirche. In den Pfarrgemeinden sind mokratie in der nun alle Gremien und Aufgaben besetzt, E va n g e l i s c h e n und die Arbeit für die kommenden 5½ Kirche quick- Jahre kann beginnen. Aber das Wahljahr lebendig und ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. bleibt zurecht Auf der Ebene der Superintendenz wird eine Quelle des Stolzes auf unsere Kirche. sich im Oktober die Superintendential-Ver- Ja, der „Einstieg“ in das demokratische sammlung konstituieren. Sie wählt einen System ist bei hohem Aufwand und nied- neuen SupAusschuss mitsamt Superin- riger Beteiligung holprig. Aber danach tendentialkurator/in. Im Dezember findet werden wir (so lange korrekt gearbeitet sich dann auf Österreichebene erstmals wird) dem Anspruch, demokratisch zu die Synode zusammen und wählt ihrer- sein, vollkommen gerecht: Alle Gesetze seits die Mitglieder der Ausschüsse sowie und Entscheidungen müssen argumen- den/ die Synodenpräsident/in. tiert und abgestimmt werden. Alle Ämter (auch in der Leitung) werden in demokra- Zur Demokratie in unserer Kirche tischen Wahlen besetzt. Alle Amtsträger/ sind mir zwei Dinge wichtig: innen müssen sich nach einer festgeleg- ten Zeit erneut der Wahl stellen. Erstens: Ich weiß, dass die Wahlen in die Gemein- So danke ich allen, die sich in der Vergan- devertretung in den Pfarrgemeinden frus- genheit mit ihren Gedanken, ihrem Glau- trierend sein können. Sie sind mindestens ben und ihrem Wissen in die Gremienar- so aufwendig wie die Gestaltung des Re- beit eingebracht haben. Ich danke auch formationsjubiläums – machen aber (ver- denen, die in Zukunft weitermachen oder mutlich) weniger Spaß. Und vor allem: nun erstmals Gemeindevertreter oder In den allermeisten Fällen nehmen viel Presbyterin, Kuratorin oder Delegierter weniger Menschen daran teil. Die Wahl- in SupVersammlung oder Synode sind. beteiligung ist enttäuschend, ja beinahe Mögen Sie Freude daran haben, eine un- peinlich. Leider auch im Vergleich zu rö- verzichtbare Stimme in unserer demo- misch-katholischen Pfarrgemeinderats- kratischen Kirche zu sein. Und haben Sie wahlen. Mut, gute Entscheidungen für Ihre Pfarr- gemeinde und für die Kirche insgesamt Ich hoffe, dass wir bis zur nächsten Wahl zu treffen! die Vorgänge vereinfachen, dass in den Pfarrgemeinden in Zukunft bei den Wah- Ihr/Euer len in die Gemeindevertretung nicht zu Superintendent viele leere Kilometer gemacht werden müssen. Lars Müller-Marienburg 3 suNews3_18_2bis9.indd 3 17.08.18 12:36
T H E M A ▶ Den Glauben bezeugen in einer unübersichtlichen Welt Mario Fischer Zurechtfinden in der Unübersichtlichkeit „Zurück in die Zukunft“ – unter diesem gemeinsamen Thema stehen heuer die Hefte dieser Zeitschrift. Die Filmtrilogie mit Michael J. Fox und Christo- pher Lloyd in den Hauptrollen, die in den 1980er-Jahren unter diesem Titel erschien, ließ immer wieder Fragen nach der Bedeutung der Zeit und unse- rem Einfluss auf unser Leben aufkommen. Eine Lehre, die die Filme vermit- teln, ist, dass eine kleine Entscheidung in der Gegenwart großen Einfluss auf die Zukunft haben kann. Die Zukunft liegt wie der Horizont ungeahnter Möglichkeiten als unübersichtliches Unbekanntes vor uns. Aber sie baut auf der Gegenwart auf, denn unsere Entscheidungen und Handlungen prägen die Zukunft. Damit man sich in der Unübersichtlich- vollzüge der Kirche auf die einfache For- keit zurechtzufinden vermag, bedarf es mel: Martyria – Leiturgia – Diakonia. grundsätzlicher Orientierung und der Fä- higkeit zu elementarisieren, d. h. Schnei- Die dreieinige Formel sen in das verwirrende Dickicht zu schla- Bewusst wählten sie dabei drei griechi- gen, große Linien zu erkennen. sche Begriffe aus dem Neuen Testament. Es gehört schließlich zur evangelischen Kurz und bündig Tradition, sich an der Bibel auszurichten, In den Kirchen hat sich im Laufe der wenn man Orientierung für das Leben, Jahrhunderte ein Dickicht an Arbeitsbe- Orientierung für die Zukunft sucht. Die reichen angesammelt, die man als kirch- Dreizahl soll Bezug nehmen auf den drei- liche Aufgaben betrachtet: Gottesdienste, einigen Gott. In der Trinitätslehre wird Seelsorge, Armenfürsorge, Schulerhal- zwar innerhalb der Gottheit zwischen Va- tung und Unterricht, Einwohnermeldewe- ter, Sohn und Heiligem Geist unterschie- sen, Pachtverwaltung, Kinder-, Jugend-, den, aber mit dem Bekenntnis, dass das Frauen- und Seniorenarbeit, öffentliche Heilshandeln Gottes nach außen nicht Stellungnahme zu ethischen Themen, einer einzelnen göttlichen Person zuge- diakonische Werke, Rundfunkarbeit und wiesen werden kann. Gott lebt als Ge- vieles mehr. meinschaft (Koinonia) und in vielfältigen Beziehungen. Um sich in dieser Vielzahl von Aufgaben zurechtzufinden und auch auf künftige Keins ohne das andere Aufgaben vorbereitet zu sein, versuchten Auch die drei Schlagworte der Formel in der Zwischenkriegszeit Theologen der Martyria – Leiturgia – Diakonia sind auf Evangelischen Michaels bruderschaft den einander bezogen, bedingen einander Dienst der Kirche kurz und bündig zu um- und werden erst durch die Koinonia in ih- schreiben. Und sie brachten die Grund- rer Verwiesenheit aufeinander bestimmt. 4 suNews3_18_2bis9.indd 4 17.08.18 12:36
T H E M A Martyria: Zeugnis. Oft werden darunter Gottesdienst im Alltag, dem Dienst an der alle Formen kirchlicher Verkündigung ver- Welt (Diakonia). Der evangelische Theo- standen. – Leiturgia: Gottesdienst. Hier loge Ernst Lange sah Diakonia und Leitur- kommt die innige Beziehung zwischen gia sogar so eng verbunden, dass er von Gott und der Gemeinde zum Ausdruck. – Beidem als Gottesdienst sprach – zum Diakonia: Dienende Nächstenliebe. Ob in Einen als Gottesdienst in der gemeind- individueller akuter Hilfe oder in organi- lichen Versammlung, der Ekklesia, und sierter sozialer Arbeit und gesellschafts- zum Anderen als Gottesdienst im Alltag, verantwortlichem Handeln: Die Bezie- in der Zerstreuung, der D iaspora. Ande- hung zu Gott zeigt sich im Umgang mit rerseits wird deutlich, dass das Besonde- anderen. re an kirchlicher Sozialarbeit ihr christli- ches Zeugnis ist. Dass Zeugenschaft, gottesdienstliches Leben und dienende Nächstenliebe auf- Zeugenschaft einander bezogen sind, leuchtet unmit- Am Anfang des Glaubens steht die Mar- telbar ein. Das gottesdienstliche Leben tyria. Andere leben uns den Glauben (Leiturgia) kann sich nicht selbst genü- vor, geben uns Zeugnis von dem, was es gen. Der Ritus braucht die Verkündigung heißt, Christ zu sein, auf Gott zu vertrau- (Martyria) in unsere jeweilige Gegen- en, das Leben an Christus auszurichten. wart hinein. Und die gottesdienstliche Ohne diese Zeuginnen und Zeugen wären Versammlung findet ihre Fortsetzung im wir keine Christen geworden. SIGGIS SIGILLUM 5 suNews3_18_2bis9.indd 5 17.08.18 12:36
T H E M A Karl Lehmann, der kürzlich verstorbene (1 Petr 3,15) Als Zeuge des Glaubens ste- römisch-katholische Mainzer Bischof und he ich immer mit meiner ganzen Person Kardinal sagte: „Der künftige Christ wird für das ein, was ich bezeuge. So nennen ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht wir diejenigen, die mit ihrem Leben für mehr sein.“ Er wandelte damit ein Zitat ihren Glauben eingestanden haben, Mär- seines Mentors Karl Rahner ab. Von Rah- tyrer: Zeugen des Glaubens. ner stammt der Ausspruch: „Der Fromme der Zukunft wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer, Zeugnis umfasst Verhalten und Tun der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird Und es kommt nicht nur darauf an, was nicht mehr sein.“ Die Akzentverschiebung ich bezeuge, sondern auch, wie ich es von Rahner zu Lehmann ist augenfällig: bezeuge. Es wird jedem und jeder sehr Der Mystiker mag sich selbst genügen, schnell deutlich, dass eine unüberbrück- sich im frommen Erlebnis sonnen, aber bare Kluft in meinem Leben besteht, Zeuge ist man nie für sich allein. Zeuge wenn ich vom liebenden Gott spreche ist man für andere. und dabei in meinen Worten und in mei- nem Handeln Härte ausstrahle und mei- Zur richtigen Zeit am richtigen Ort nen Nächsten missachte. Dass man Zeugin oder Zeuge wird, sucht man sich in der Regel nicht aus. Es ist Das Zeugnis der Zeuginnen und Zeugen zufällig. Man ist zu einer bestimmten Zeit besteht eben nicht nur im Reden und im an einem bestimmten Ort, während sich gottesdienstlichen Feiern, sondern auch etwas ereignet. So werde ich zur Zeugin im Handeln; darin, wie ich mich zu mei- oder zum Zeugen dieses Ereignisses. Und nen Mitmenschen und zu meiner Umwelt in bestimmten Fällen kann es geschehen, verhalte. Martyria, Leiturgia und Diakonia dass ich z. B. als Zeuge eines Verkehrs- lassen sich nicht auseinanderreißen. unfalls vernommen werde. Als Augen- zeuge verbürge ich, was geschehen ist. Zeugen sollen die Wahrheit sagen. So, wie sie ein Ereignis aus ihrer Perspekti- ve erlebt haben. Die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und Zeu- Dr. Mario Fischer, gen ist wichtig. Schließlich stützt sich so geb. 1976 in Darm- manches Urteil auf die Zeugenaussage. stadt, ist Pfarrer der Evangelischen Zeugen sind eingebunden Kirche in Hessen und Nassau. Letztlich ist ein Zeuge aber nie unbeteiligt Er studierte Theolo- am Geschehen. Irgendwie muss man sich gie und Philosophie immer zu dem Bezeugten verhalten. Erst in Mainz, Marburg, recht als Zeuge des Glaubens. Der erste Rom und München Petrusbrief mahnt uns als Christinnen und und arbeitet derzeit in Wien in der Geschäftsstelle der Gemein- Christen, immer darauf gefasst zu sein, schaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). unseren Glauben zu bezeugen: „Seid al- Im Herbst 2018 wird er Bischof Michael Bünker lezeit bereit zur Verantwortung vor jeder- im Amt des Generalsekretärs der GEKE nach- mann, der von euch Rechenschaft for- folgen. dert über die Hoffnung, die in euch ist.“ 6 suNews3_18_2bis9.indd 6 17.08.18 12:36
F O K U S ▶ Astrid Schweighofer im Gespräch mit Thomas Hofer „Gewisse Grundsätze einzumahnen ist auch für die Kirchen sinnvoll“ Thomas Hofer (44) ist seit mehr als 20 Jahren als Journalist, Autor und Poli- tikberater tätig. Was sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Politik verändert hat, welche Rolle die neuen Medien spielen und ob die Kirchen (noch) ein politischer Faktor sind, erzählt er superNews-Redakteurin Astrid Schweighofer. Sind Politiker und Politikerinnen bereit, tare zumindest indirekt dazu gezwungen für ihre Überzeugungen einzustehen? werden, bei der vom Klub festgelegten Meinung zu bleiben. Da entsteht in der Ich habe natürlich keinen Jahrhundert- Öffentlichkeit schon der Eindruck, dass vergleich, aber ich würde nicht ab- hier nicht immer nach der eigenen Über- streiten, dass es das gar nicht mehr zeugung gehandelt wird – zuletzt ganz gibt. Allerdings haben wir institutionelle eindrucksvoll beim Thema Nichtraucher- Hemmnisse in Österreich, die das etwas schutz. Ein Problem ist auch die starke bremsen. Was immer wieder, und nicht Wechselbereitschaft von Mandatarinnen ganz zu Unrecht, für Schlagzeilen sorgt, und Mandataren von einer Partei zur an- sind beispielsweise die Fraktionszwänge, deren. Wenn man das Gefühl hat, es geht wo einzelne Mandatarinnen und Manda- zu wie am Basar, dass versucht wird, sich 7 suNews3_18_2bis9.indd 7 17.08.18 12:36
F O K U S zusätzliche Abgeordnete einzuheimsen, von Politik, nämlich Leadership zu zeigen, vermittelt das kein gutes Bild von der bei gesellschaftlichen Veränderungen vo- Politik. ranzugehen und nicht immer hinterher zu hoppeln, verloren. In früheren Zeiten Wird auf Seiten der Politik zu stark auf gab es selbstverständlich auch Politiker, die wahrgenommene Mehrheitsmeinung die populäre Themen aufgegriffen ha- geschaut? ben, aber der Trend ist definitiv stärker geworden. Das hat natürlich auch mit der Ich habe schon vor Jahren vom Phäno- heutigen Medienlandschaft zu tun. men des Angstpolitikers gesprochen, der aus meiner Sicht der Geburtshelfer des Welche Rolle spielen die sozialen Medien? Wutbürgers, der Wutbürgerin war. Es gab und gibt eine Generation von Politikerin- Ich spreche lieber provokant von asozia- nen und Politikern verschiedenster Cou- len Netzwerken, da ich nicht weiß, was leurs, die Meinungsumfragen als eine Art daran sozial sein soll. Natürlich ist kein Handlungsanweisung lesen und nicht als Medium per se sozial oder asozial. Aber Orientierung, wo die Bevölkerung steht in einer immer fragmentierteren Gesell- und wo man dann versucht, für seine schaft setzt man sich in den asozialen Überzeugungen einzutreten und diese Netzwerken, egal ob Politiker oder nicht, in Gesetzesform zu gießen. Der normale relativ rasch einem Shitstorm aus, wenn Weg ist heute eher der, dass man Um- man eine politische Meinung formuliert. fragen liest und schaut, wo die Mehrheit Das, was früher am Stammtisch statt- zu finden ist, um dieser auf populistische gefunden hat, wo sich die Leute das Art und Weise zu entsprechen. Das nenne Maul zerrissen haben, findet jetzt quasi ich Angstpolitik. Gleichzeitig, und das ist öffentlich statt. Und da überlegt man es ein Paradoxon, gab es noch nie einen so sich umso mehr, ob man bereit ist, sich hohen Wechselwähleranteil. Die Wähle- eventuell despektierlichen, verletzenden rinnen und Wähler sind deutlich mobiler, oder gar hetzerischen Meinungen auszu- als das früher der Fall war, und dennoch setzen. – oder gerade deswegen – erstarren viele Politikerinnen und Politiker wie das Kanin- Nehmen Sie in der Bevölkerung einen chen vor der Schlange. Trend, „den Mund zu halten“, wahr? Welche Folgen hat die Orientierung an In autoritären Demokratien kann es der Mehrheitsmeinung für die Politik ins- selbstverständlich zu derartigen Entwick- gesamt? lungen kommen, wenn es staatlicher- seits etwa Säuberungswellen gibt, Op- Der „Glaubensverslust“ in die eigene positionspolitiker verhaftet und Medien Wirkkraft, den ich bei Politikerinnen und gleichgeschaltet werden. Das ist brand- Politikern feststelle, ist etwas Bemerkens- gefährlich. Falls die Frage auf Österreich wertes in der politischen Landschaft und abgezielt hat, so sehe ich hierzulande führt dazu, dass Themen, die vielleicht keine derartige Entwicklung und hoffe, kontroversiell oder negativ aufgenommen dass das auch so bleibt. Meiner Ansicht werden könnten, nicht mehr angespro- nach ist auch der oft verwendete Begriff chen werden. Damit geht die Funktion „Orbanisierung“ für die aktuelle politische 8 suNews3_18_2bis9.indd 8 17.08.18 12:36
F O K U S Entwicklung in Österreich zu hoch gegrif- ter anderem die Causa Groër. Auf evan- fen. Man muss da sehr genau sein und gelischer Seite gab es die Diskussionen differenzieren. Was mir absolut nicht ge- um die Präsidentschaftskandidatur von fällt, aber das habe ich auch schon bei Gertraud Knoll. In der Katholischen Kir- früheren Regierungen kritisch gesehen, che war man damals der Meinung, es sei ist der Versuch, etwa einen Zugriff auf besser, sich medial zurückzuhalten, nicht den ORF zu bekommen. Da braucht es allzu präsent zu sein. In gewisser Weise eine starke Zivilgesellschaft und starke hat die Schockphase infolge der negati- Medien, die dem einen Riegel vorschie- ven Berichterstattung nachgewirkt und ben. Der Unterschied zwischen Österreich dazu geführt, dass man den Ball lieber und Ungarn oder gar Türkei und Russland flach hält und keine allzu offensive Rolle ist da aber himmelhoch. Man sollte vor- spielen will. sichtig sein mit solchen Vergleichen. Gibt es nicht Themen, bei denen die Men- schen eher schweigen als für ihre Mei- nung eintreten, um politische Diskussio- nen oder Konfrontationen zu vermeiden? Natürlich kann es diesen Effekt geben. Gerade beim Flüchtlingsthema können wir einen deutlichen Umschwung in der Bereitschaft zur Artikulation feststellen zwischen Sommer/Herbst 2015 und heu- te: Jene, die damals klar gesagt haben, man sollte mehr Flüchtlinge aufnehmen, sind sicher ruhiger geworden als jene, die anderer Ansicht sind. Parteien, Politiker und Institutionen versuchen in der Regel, bei einzelnen Themen meinungsbildend Das halte ich für falsch. Man muss kei- zu wirken und so die eigene Agenda zur ne politischen Statements abgeben, aber allgemein bestimmenden zu machen. Das gewisse Grundsätze, die man für wichtig ist auch gut so, solange es keine Schlag- hält, einzumahnen, ist auch für die Kir- seite bekommt und eine gewisse Plurali- chen sinnvoll. Kardinal Schönborn tut das tät gewahrt bleibt. in einigen Bereichen, im Wesentlichen bleibt das aber Caritas und Diakonie vor- Sind die Kirchen in Österreich ein politi- behalten. scher Player? Und die evangelische Kirche? Die Kirchen waren bis vor wenigen Jahr- zehnten ein wesentlicher Teil der innen- Gemessen an ihrer Größe ist die Evange- politischen Berichterstattung, eines der lische Kirche definitiv lauter als die Katho- dominierenden Themen. Als Profil-Redak- lische. teur habe ich Mitte der 1990er-Jahre das Thema Katholische Kirche bearbeitet, un- 9 suNews3_18_2bis9.indd 9 17.08.18 12:36
S C H A U P L A T Z „Zuerst überlegen, a Meinung haben, dahinter stehen“ Andrea Burchhart Freiheit, Gleichstellung, Demokratie und Humanismus – es mag unpopulär geworden sein, sich zu seinen christlichen Werten zu bekennen. Vielleicht bräuchte es aber mehr denn je zuvor Menschen, die sich solidarisieren, die aufstehen und Haltung zeigen. Obwohl das Thema ein ernstes war, herrschte beste Laune am Set zum Film „Rechts aussteigen“. Szenenbild mit Cornelius Obonya und David Wurawa. (Foto: Andreas Alvarez) Ein Mann steigt in den Bus und wird blöd spielt im Weinviertel, könnte aber auch angestänkert, beleidigt und diffamiert. in jeder Metropole der Welt spielen. Kein Warum? Der Mann ist schwarz. Allein sei- leichtes Thema, das die beiden Salzbur- ne Anwesenheit provoziert den Fahrgast ger Filmemacher Bernhard Wenger und hinter ihm. „Schwarzfahrer, ha? Hat sicher Rupert Höller in ihrem Kurzfilm „Aus- keinen Fahrschein! Du nix Fahrschein zwi- stieg rechts“ umgesetzt haben. Das jun- cken? In unserem Land leben, aber nicht ge Duo konnte prominente Schauspieler einmal einen Fahrschein zahlen!“ Offener wie Ex-„Jedermann“ Cornelius Obonya, Rassismus – und alle schauen weg. Zi- Thomas Maurer und David Wurawa für 10 vilcourage ist ein Fremdwort. Die Szene den Dreh gewinnen. Das Wegschauen suNews3_18_10bis12.indd 10 17.08.18 12:38
S C H A U P L A T Z steht im Mittelpunkt der filmischen Um- es nicht, sondern steige bei der nächsten setzung. In dem abgeschlossenen Sys- Station aus. tem Bus wirkt das Phänomen besonders erdrückend. Bis endlich einer den Mund aufmacht. Am Ende ist es der Pöbler, der rechts aussteigt und am Straßenrand übrigbleibt. Bei mehr als 50 Filmfestivals weltweit ist der Film gelaufen und hat zahlreiche Preise abgeräumt. Egal, ob in New York oder Bayern, am Ende stellten sich wohl Jury und Publikum die Frage: Wie ist das eigentlich bei mir? Mache ich meinen Mund auf, wenn mir eine Situation nicht gefällt? Wann mische ich mich ein? Wann lasse ich es sein? Und: Mache ich mich mitschuldig, wenn ich nichts sage? Ute Bock setzte sich kompromisslos für Geflüchtete ein. (Foto: Tereza Mundilova) Alltagsrassismus Beim Friseur erklärt die pensionierte Leh- Eine Deutsche um die 40 Jahre in der rerin unter der Trockenhaube, dass es S-Bahn. Sie sieht, dass der junge Mann natürlich traurig sei, dass die Ute Bock neben ihr am Handy das WM-Spiel ver- jetzt gestorben ist. „Auf der anderen Sei- folgt. te, bitte, die war ja nur für die Ausländer. Hat die jemals einem Österreich gehol- Sie: „Wie steht es?“ fen?“ „Ja mit unserem Steuergeld kann Er: „Null zu null.“ man es ja machen“, meint die Friseurin. Sie: „Gegen wen spielen wir überhaupt?“ Weil ich ja Zeit habe und Ute Bock einmal Er: „Deutschland gegen Schweden.“ kennenlernten durfte, mische ich mich ins Sie: „Aaaaaah. Spielt da nicht auch dieser Gespräch ein. „Worum beneiden Sie denn Arnautović?“ die Asylwerber, um die sich die Ute Bock Er: „Nein, der spielt für Österreich.“ gekümmert hat?“ will ich wissen. Zwei Sie: „Aber der ist doch Schwede?“ Augenpaare starren mich an! „Na, die Er: „Nein, seine Eltern kommen aus Ser- kommen da her und kriegen alles!“. „Was bien.“ alles?“ „Na, ein Dach über dem Kopf, Geld, Sie: „Aber er spielt in Schweden.“ Handy. Einfach so! Die müssen überhaupt Er: „Nein, in England.“ nichts leisten!“ Sie können es erahnen: Jetzt ist die Frau völlig verwirrt. Es war ein mühsames Gespräch! Ich weiß „Sie meinen den Ibrahimović.“ nicht, wie Ute Bock solche Szenen kom- Sie: „Ahhhhh. Gibt ja so viele von denen, mentiert hätte. Ich erinnere mich noch nicht?“ gut daran, als sie mir erklärt hat, dass sie von niemandem etwas erwartet. Keinen Der junge Mann nickt emotionslos. Ich Dank und kein Verständnis. Und dass sie schüttle fassungslos meinen Kopf. Eigent- auch die Leute verstehen könne, die sie lich müsste ich jetzt etwas sagen. Ich tue wegen ihre Engagements für Geflüchte- 11 suNews3_18_10bis12.indd 11 17.08.18 12:38
S C H A U P L A T Z te verteufeln. „Ich bin mein Leben lang den? Wo bleibt der Aufschrei, wenn der Erzieherin gewesen. Meine Aufgabe war italienische Premier Geflüchtete als „Men- und ist immer, jungen Menschen zu einer schenfleisch“ bezeichnet? „Aussagen der Chance zu verhelfen“, hat Frau Bock er- extremen Rechten, die man vor 20 Jah- klärt. Bis zu ihrem Tod hat sie gearbeitet, ren nicht einmal ernst genommen hätte, Quartiere gesucht, vermittelt, Türen, Oh- sind heute Mainstream. Das vermittelte ren und Herzen aufgemacht, wo andere Menschenbild ist keines, das sich mit den zugemacht haben. Sie war keine rasend Werten der Aufklärung vereinbaren lässt. sympathische Person. Mehr hart als herz- Wie es soweit kommen konnte? ‚Man‘ hat lich. „Tugenden wie Zivilcourage, Solidari- es zugelassen. ‚Man‘ hat es nicht ernst tät und Menschlichkeit hat uns Ute Bock genommen. Zuerst hat man die extreme zeit ihres Lebens gelehrt. Ohne viel Wor- Rechte ignoriert und belächelt, dann hat te hat sie einfach gehandelt, sich selbst man ihre Themen übernommen und ir- hat sie dabei nie geschont“, heißt es im gendwann auch deren Positionen“ – so Nachruf des Vereins „Flüchtlingsprojekt die Analyse von Politikberater Rudi Fussi. Ute Bock“. Haltung bewahren Wo viel Licht, da auch viel Schatten: Die Flüchtlingshelferin, als moralische Instanz geliebt von ihren Anhängern und gehasst von den Gegnern vor allem im rechten La- ger, war auch harter Kritik ausgesetzt. So wurde sie von ehemaligen Zöglingen als Prüglerin geoutet, denn die Erziehungs- methoden waren in den 1970er-Jahren rabiat, und so mancher wurde mit Ohr- feigen bestraft. „Es war nicht alles in Ord- nung, was ich gemacht habe. Schreck- lich - aber es war so“, gestand sie Jahre Themen ansprechen, auch wenn es weh tut. später unumwunden ein. 2012 wurde ihr Rudi Fussi probierts. das Goldene Verdienstzeichen der Re- (Foto: mindworkers) publik Österreich verliehen. Eitelkeiten und Nettigkeiten waren Bock immer ein „Man“ ist als Christ auch gefordert. Ge- Gräuel. „Ich hab‘ einen Vogel, aber es rade das Gebot der Nächstenliebe macht gibt viele Leute, die meinen Vogel unter- uns den Alltag nicht immer einfach. An- stützen“, sagte Bock im Rahmen der Fei- dersdenkenden wertschätzend gegen- er. Die Unterstützer sind leiser geworden. überzustehen kostet Nerven und Energie. Über Solidarität herrscht kein allgemeiner Aber es zahlt sich aus, seine Meinung zu Konsens. Wer ist noch bereit, Stellung zu vertreten. Am Ende wird aus einer Friseu- beziehen? Wie können wir als Christen rin gar eine Flüchtlingshelferin? wegschauen, wenn vor unseren Augen Menschenrechte mit Füßen getreten wer- 12 suNews3_18_10bis12.indd 12 17.08.18 12:38
B L I C K V O N A U S S E N Florian Klenk zur Rolle der Kirche: Eine wichtige Kraft im Lande Kirche ist eine „Vereinigung“, eine private Angelegenheit – in der Sicht des Journalisten Florian Klenk. Florian Klenk, Jahrgang 1973 und Niederöster- reicher, wechselte nach dem Jusstudium zum Journalismus, genauer: zum investigativen Journalismus. Seit 2012 ist er Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung „Falter“. Kirche ist für Florian Klenk nicht gleich Rückzugsorte für die menschliche See- Kirche. „Was ist das für eine Vereinigung, le aufsuche. Aber das sei ja kaum mehr bei der sich die Führungsperson jeder se- möglich, weil die Kirchen zugesperrt sei- xuellen Beziehung enthalten muss, keine en. Das sei ein großer Fehler der Kirchen. Familie gründen darf, keine Erben hat“, Dann aber gibt es eine zweite Seite, näm- so der impulsive Gesprächsbeginn. Aber lich die Kirche als – „überspitzt gesagt“ wir reden ja über die Evangelischen! „Na- – NGO, also als bedeutende Organisation türlich.“ Klenk räumt ein, dass er beim neben dem Staat. „Da ist sie Anwalt für Thema Kirche erst einmal seiner ersten die Entrechteten, für die Benachteiligten. Assoziation Luft gemacht hat. Er habe Da hat sie eine unglaublich wichtige Stim- den recht großen Unterschied in seiner me.“ Persönlichkeiten wie Michael Land- Hamburger Zeit – er arbeitete beim Wo- au von der Caritas oder Michael Chalupka chenmagazin „Die Zeit“ – erlebt. „Die von der Diakonie wissen auch, wie man evangelischen Pfarrerinnen waren inte- in der Öffentlichkeit kommuniziert und ressante Persönlichkeiten, die im Leben Emotionen erzeugt. Caritas und Diakonie standen. Die katholischen Pfarrer hinge- seien – mehr als ihre Kirchen – „gemein- gen eine Enttäuschung.“ schaftsstiftende Institutionen“. Der Gebrauch der Religion ist für Florian Dass die Evangelischen in Österreich in Klenk „etwas Privates, eine innere Ausei- der Diaspora leben, ist für Klenk „eher nandersetzung mit Gott“. Und: „Man soll ein Vorteil“, weil sie sich stärker auf ihre damit nur jene Leute befassen, ja belästi- Werte fokussieren könnten und damit in gen, die daran glauben.“ Eine „Zwangsbe- ihrem gegenwärtigen Verständnis „einige glückung“ wie in früheren Epochen gebe Kilometer weiter als die katholische Kir- es nicht mehr. Zudem sei im öffentlichen che sind“. Alltag die Kirche nahezu verschwunden, Schließlich das Fazit des Journalisten: sieht man von den Schulgottesdiensten „Als einer der Linken im Lande halte ich oder der Erstkommunion ab. die Kirche doch für eine wichtige Kraft. Dann aber räumt der Journalist ein, dass Demonstrativ zur Schau gestellte Religio- er gerne in die Kirche gehe, „um Stille zu sität geht mir aber auf die Nerven.“ 13 erleben“. Also sozusagen einen der letzten Erich Witzmann suNews3_18S13_20_25.indd 13 17.08.18 12:39
S T A N D P U N K T Der Glaube hilft: Schließlich trägt die Letztverantwortung für alles, was geschieht, der große Macher und ich bin aus dem Schneider. Gegen den Willen des Ewigen ist ja doch kein Kraut gewachsen. Es ist beruhigend zu wissen, dass alles für irgendwas gut ist, denn Gott schreibt auf krum- men Zeilen gerade und zum guten Schluss ist sicher das Erbarmen stärker als die Verdammnis. Blöd nur diese Sache mit dem freien Willen. Das macht es dann doch ein we- nig schwierig: Kann der Mensch sich tatsächlich gegen den Willen und den Heilsplan Gottes durchsetzen? Schließlich haben die Theologen sogar für den Bruderverrat des Judas die felix culpa erfunden: diese glückliche Schuld, ohne die aus dem Erlösungstod Jesu nichts geworden wäre! Und wie BRAUCHT DIE WELT ist das jetzt mit Judas: Hat er aus freiem Willen das Böse „Die Religion ist der Seufzer der b getan und sich somit die ewige Verdammnis verdient? Oder Gemüth einer herzlosen Welt, wie bedeutet die felix culpa, dass er doch – nicht unbedingt zur Zustände ist. Sie ist das Opium des Rechten – vielleicht doch irgendwo in der zweiten Reihe der Karl Marx, 1818 – 1883, schreibt so in se Erlösten sitzt und die Harfe schlägt? Ist der Christ zur Erlö- Rechtsphilosophie“. sung und zur ewigen Herrlichkeit verdammt? Dann hat doch der Glaube mit dem Leben in dieser Welt wirklich nichts zu tun: das persönliche Heil ist gesichert durch die Taufe – es hängt sowieso alles an der Gnade Gottes und die ist uns versprochen. Heilsentschei- dend ist also nur, dass der Kirchenbeitrag geleistet wird. Dann allerdings liegt der Verdacht nahe, dass die Welt weder Christen noch Juden noch Muslime braucht. Sie alle gehen durchs Leben in der Gewissheit, dass ihr Glaube das Heil garantiert – eine Lebensversicherung ohne Angst davor, dass die Konjunktur nach unten ausschlägt und die Aktien in den Keller rasseln. Die Aktie des Ewigen ist krisensicher. Was die Welt braucht, sind Menschen, die nicht auf das Paradies hoffen, sondern daran denken, dass ihre Kinder und Enkelkinder eine Welt brauchen, in der sie atmen können, frisches Wasser bekommen und von den Früchten der Erde leben können. Zugegeben: Der Glaube – welcher Offenbarung auch immer – kann die Haltung, die dafür nötig ist, fördern. Vorausgesetzt, der Stolz auf die eigene Glaubenswahrheit ist nicht größer als die Demut vor der Natur. Wenn es Christen braucht, dann diejenigen, die an der Zukunft auf dieser Welt arbeiten. Hubert Arnim-Ellissen ist Journalist 14 suNews3_18_14bis15.indd 14 17.08.18 12:41
S T A N D P U N K T Es stimmt schon: Eine Religion kann uns von allen Untaten exkulpieren oder auch zur Verdammnis verurteilen. Je nach- dem. Atheisten brauchen keine Gedanken daran verschwen- den, auch Agnostiker, die für sich eine höhere Ethik bean- spruchen, nicht. Aber seien wir ehrlich – wer denkt schon bei seinen täglichen Handlungen an die Vorgaben seiner Re- ligion? Und wie viele in unserer Gesellschaft haben sich mit ihrer Religion auseinandergesetzt? Tatsache ist nun einmal, dass es seit historischen Aufzeich- nungen stets Religionen mit einem Gottesbezug gegeben hat, manchmal nebeneinander, dann wieder in erbittertem E WELT CHRISTEN? Widerstreit. Und seit zwei Jahrtausenden fühlen sich Men- ufzer der bedrängten Kreatur, das schen dem Christentum verpflichtet. Das heißt aber auch: n Welt, wie sie der Geist herzloser Vor Christi Geburt (nomen est omen!) gab es keine Christen, Opium des Volkes.“ also hat (um auf die eingangs gestellte Frage zu kommen) die Welt keine Christen benötigt. Damals. hreibt so in seiner „Kritik der Hegelschen Heute schaut es anders aus. In unseren Landen sinkt die Zahl der Zugehörigen zu einer Religionsgemeinschaft, jene der Abseitsstehenden, Ausgetretenen und auch der harte Kern der Atheisten nimmt zu. Aber wir haben einen Wertekanon, nach dem wir unser eigenes Leben ausrichten, an dem sich auch unsere Gesetze orientieren. Man soll nicht stehlen, nicht töten, nicht falsch aussagen oder auch Vater und Mutter ehren. Diese Verhaltensweisen stehen ja in unserer Gemeinschaft, in unserem Staat außer Diskussion, ob die Menschen einer Religion angehören oder auch nicht. Und sie zählen – neben anderen Verpflichtungen – zu den Geboten der christlichen Religion. Sie sind in unsere Gesetze eingeflossen, weil sich Generationen von Juristen und Staatslenkern an den christlichen Werten orientiert haben. Wenn nun ein Karl Marx die Religion als Opium des Volkes bezeichnet, so sagt das nichts über die Religion sondern alles über Karl Marx aus. Das Christentum und auch andere Religionen haben – lange vor unserer Zeit – diese Welt nachhaltig geprägt. Wer dies verneint, verschließt die Augen vor dieser Welt, vor ihrer Geschichte, vor ihrer Kultur und auch vor ihrer (ihren) Religion(en). Erich Witzmann ist Wissenschaftsjournalist 15 suNews3_18_14bis15.indd 15 17.08.18 12:41
A N D E R S W O ▶ Mit Fresh X Kirche neu entdecken Eine überkonfessionelle Bewegung arbeitet an der Schnittstelle von verfasster Kirche und Gesellschaft Siegfried Kröpfel Anderswo gibt es jetzt statt der Kirchenorgel eine Lobpreisband. Anderswo wurden Kirchenbänke durch bequem gepolsterte Sessel ersetzt. Anderswo kommen wegen der neuen Pfarrerin nun verstärkt auch junge Familien in den Gottesdienst, und wiederum anderswo wird Kirche von Grund auf neu gedacht. Letzteres steht derzeit in der kirchlichen Landschaft mit keinem Schlagwort enger in Verbindung als mit Fresh X, der hippen Kurzform von Fresh Expressions of Church. Was aber verbirgt sich hinter dieser, für viele doch noch sehr kryptischen Bezeichnung? Können wir den Fresh X-Ansatz für unsere Kirche, unsere Gemeinden fruchtbar machen, oder stellt Fresh X doch eher eine Bedrohung für unsere bewährten Strukturen dar? Fest steht, Fresh X ist kein Gemeinde- spricht man hier von missionalen Ge- entwicklungskonzept, kein Jugendevent, meinden, die bei den Menschen selbst kein auf Fern- und Außenstehende zu- bleiben und keine Integration mehr in die geschnittenes Gottesdienstmodell, das aussendende Gemeinde oder Organisa- es jetzt zu adaptieren gilt. Und Fresh X tion intendieren. Mit ihrer Orientierung ist auch nicht der neue letzte Schrei. Kir- an den milieu-spezifischen Bedürfnissen che neu zu denken, bedeutet hier: Kir- gedeihen Fresh X-Gemeinden auf natürli- che zu entdecken, d. h. besonders dort che Weise inmitten der Lebenswelten der am Puls zu sein, wo Gott gerade handelt Menschen und sind daher in hohem Maß und etwas Neues aufbrechen lässt. Fresh kontextuell. X-Initiativen verdanken sich nicht, oder zumindest nicht vordergründig, einem Aktionismus, sondern vielmehr dem auf- merksamen Hinhören auf die Bedürfnisse der Menschen und das göttliche Handeln. Fresh X-Gemeinden verstehen sich als neu aufbrechende Ausdrucksformen von Kirche für eine sich verändernde Kultur und sprechen primär Menschen an, die keinen Bezug zu Kirche haben. Das theologische Vorbild dieses Ansatzes liegt in der göttlichen Inkarnation in Je- Allen Fresh X-Gemeinden liegen vier we- sus selbst: Als Gott Mensch wurde, wur- sentliche Kennzeichen zugrunde. In Ab- de er einer von uns. Gerade mit einem grenzung zu einem missionarischen An- solchen inkarnatorischen Ansatz – so die satz, der darauf abzielt, Menschen in die Überzeugung – kann die christliche Bot- 16 aussendende Gemeinde zu integrieren, schaft direkt bei den Menschen Wurzeln suNews3_18_16bis19.indd 16 17.08.18 12:43
A N D E R S W O schlagen und ihr lebensveränderndes Po- treter eben nicht von einer Kirche Gottes, tenzial entfalten. Mit diesem Bild aus der die auch missionarisch tätig ist, sondern Botanik ist gleichsam das vierte Kennzei- von einem Gott der Mission mit einer chen von Fresh X-Gemeinschaften ange- Kirche in der Welt. Dieser Paradigmen- deutet, die Gemeindebildung. Bei Fresh X wechsel zeichnete sich zwar schon in den geht es eben nicht um punktuelle Aktio- 1950er-Jahren innerhalb der deutsch- nen, auf die der anschließende Rückzug sprachigen Theologie ab, gewann aber in die Heimatgemeinde alternativlos folgt, im Zusammenhang mit Fresh X mit dem sondern vielmehr um Initiativen und Pro- im Jahr 2004 von der anglikanischen Kir- jekte, die durch authentische Beziehun- che herausgegebenen „Mission-shaped gen, gemeinsame Interessen und leben- Church“-Report neu an Bedeutung für dige Glaubenspraxis selbst zu Gemeinden eine breitere Masse. Das rund 200-sei- wachsen. tige Papier problematisiert den Innova- tionsdruck, dem sich die anglikanische Der Fresh X-Ansatz will damit Traditionel- Kirche durch eine sich zunehmend ver- les weder ablösen noch abwerten, son- ändernde Gesellschaft ausgesetzt sah. dern die Vision einer Kirche in vielfältiger Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft Gestalt, einer sogenannten Mixed Eco- in unterschiedliche Subkulturen und Mi- nomy, betonen. So wie etwa ein funktio- lieus mit je eigenen Gesetzmäßigkeiten nierender Turmdrehkran einen stabilen, und Bedürfnissen und der damit einher- fest verankerten Turm und einen mög- gehende Verlust einer gemeinsamen gro- lichst weitreichenden Ausleger braucht, ßen Erzählung stellte die anglikanische so braucht auch Kirche sowohl gefestigte Kirche vor eine Frage, mit der wir uns Parochien als auch neue Ausdrucksfor- auch in Österreich konfrontiert sehen: men, um ihrem Wesen treu bleiben zu Welche Sozialformen braucht es, um als können. Fresh X-Gründungen zehren von Kirche relevant zu sein? In diesem Licht dem Rückhalt, der Stabilität und den Res- erscheint der Fresh X-Ansatz daher zu- sourcen der Ortsgemeinden. Umgekehrt nächst als Chance, Menschen mit der brauchen auch die Ortsgemeinden Ausle- Botschaft Jesu Christi heute bekannt zu ger in Form von neuen Ausdrucksformen, machen und Kirche im Sinne des Wortes um ihren Radius ausweiten und sich wei- zu bleiben. ter entwickeln zu können. An der Basis des Mixed Economy-Ge- dankens steht das theologische Konzept der Missio Dei. Dieses besagt, dass die Mag. Siegfried Kröpfel Kirche keine Mission hat, sondern ihrem ist Religionslehrer an höhe- Wesen nach Mission ist. Mission hat ihren ren Schulen in Oberöster- Ursprung nicht in der Aktivität der Kirche, reich und als Delegierter vielmehr ist Gott selbst Ausgangspunkt des Werks für Evangelisa- und Subjekt der Mission. Der dreieinige tion und Gemeindeaufbau (WeG) Gründungsmitglied Gott ist Sendender und Gesandter zu- des 2017 in Deutsch- gleich. Wie mich der Vater gesandt hat, land gegründeten Vereins so sende ich euch (Joh 20, 21). Vor die- „Fresh X Netzwerk“. sem Hintergrund sprechen Fresh X-Ver- 17 suNews3_18_16bis19.indd 17 17.08.18 12:43
K I R C H E I N N Ö Niederösterreichischer Kirchentag in der Römerstadt Carnuntum Christine Wogowitsch Römerstadt Carnuntum. Unter dem Motto „Sonne und Schild“ feierten am 31. Mai die Evangelischen des Burgenlandes und Niederösterreichs gemeinsam den diesjährigen Kirchentag. Den Festgottesdienst feierten 1300 Personen im Festzelt. (Fotos digifoto helmreich) Den Festgottesdienst feierten 1300 Per- des Gottesdienstes wurde den Gottes- sonen im Festzelt. Die Festpredigt wurde dienstbesuchern eine Freecard mit dem in dialogischer Form von Superintendent Motto der Festpredigt als Erinnerung Lars Müller-Marienburg und Pfarrerin überreicht. Anna Polckova aus Bratislava zum Motto des Festes gestaltet. Zwei Cartoonisten Für Kaffee, Kuchen, Sekt und Wein sorg- zeichneten simultan die Festpredigt als ten die Mitglieder der Pfarrgemeinde an modernes Altarbild. mehreren Bars, die aufgrund des herrli- chen Wetters regen Zuspruch fanden. Für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes sorgten Chöre aus Nie- Anlässlich der Weihe der Truhenorgel derösterreich und der Posaunenchor für die Martin-Luther-Kirche in Hainburg Zurndorf unter der musikalischen Lei- konzertierten Maria Magyarova-Plseko- tung der Diözesankantorinnen Sybille va (Orgel), Martin Mairinger (Tenor) und 18 von Both und Mareen Osterloh. Am Ende das „Mucha-Quartett“. Dabei bestimm- suNews3_18_16bis19.indd 18 17.08.18 12:43
K I R C H E I N N Ö Kunst und Kultur mit regionalen und kulturhistorischen Bezügen zum Aus- tragungsort be- stimmten das übrige Tagesprogramm. So konnte den ganzen Nachmittag über ein umfangreiches Füh- rungs- und Vortrags- programm durch die Römerstadt angebo- ten werden. Vorträ- ge zum Römischen Viele Ehrengäste konnten an diesem Tag begrüßt werden. Recht, zum Früh- christentum und zu den Römern sowie zur Vier-Kaiser-Konferenz wurden über den gesamten Nachmittag verteilt in der kleinen Arena beim Monument in der Rö- merstadt präsentiert. Zusätzlich wurde ein Bustransfer nach Hainburg angeboten, wo das Kulturdenk- mal „Martin-Luther-Kirche“, ein von COOP Ein umfangreiches Spiele-, Verkleidungs- Himmelb(l)au konzipierter und vielfach und Sportprogramm für die Kinder und ausgezeichneter Bau, bei einer geführten Jugendlichen sowie köstliche Snacks mach- ten den Nachmittag besonders kurzweilig. Tour besichtigt werden konnte. ten Orgelwerke von Joseph Haydn das All jenen, die zum Gelingen des Festes Programm. Die Nachbarländer Slowakei, beitrugen, sei an dieser Stelle besonders Ungarn und Tschechien traten sowohl herzlich gedankt. beim Markt der Möglichkeiten als auch im künstlerischen Programm aktiv auf. Ziel Sammeln Sie weitere Eindrücke vom Fest war es, Offenheit und gelebte Freund- unter schaft gegenüber unseren östlichen http://www.sonne-schild.at/gallery.html Nachbarn zu zeigen und neue Möglich- http://www.sonne-schild.at/bilder-vom- keiten zur Stärkung der regionalen Ver- fest-kinder.html bundenheit zu geben. Mag. Christine Wogowitsch ist Kuratorin der Parallel zum Festgottesdienst feierten Evangelischen Pfarrgemeinde 120 Kinder in der Therme der Römer- Bruck/Leitha-Hainburg/Donau stadt einen bewegenden Kindergottes- dienst unter der Leitung von Pfarrerin Iris 19 Haidvogel. suNews3_18_16bis19.indd 19 17.08.18 12:43
M I L I T Ä R S E E L S O R G E ▶ „Emotionen“ Case Management Militärlektor Vzlt. Johann BRUNNER Der Abschluss der Case Management-Aus- bildung meiner Tochter erfolgte durch eine praktische, dokumentierte Fallarbeit im Zertifikationslehrgang. Mit dem Begriff Case Management wird eine Arbeitsweise bezeichnet, mit der die durchzuführende Hilfestellung im spezi- fischen, psychosozialen, medizinischen Wir Menschen zeichnen uns dadurch aus, und pflegerischen Bereich für den Klien- dass wir Glück, Schuldgefühle, Freude, ten koordiniert wird. Trauer, Mitleid, Kummer, Liebe, Ärger und Begeisterung empfinden können. Emotio- Als Leitprinzip und Ziel für den Klienten nen sind gewöhnlich kurze, jedoch inten- gilt die „Hilfe zur Selbsthilfe“, um ein sive Erfahrungen, die von uns bewusst selbständiges Leben führen zu können. wahrgenommen werden. Normalerweise Das bedeutet z. B. Information, Beratung, werden sie durch bestimmte Ereignisse, Unterstützung, Förderung, Ermutigung, Dinge oder Personen hervorgerufen. Steuerung, Einfühlungsvermögen, … Menschen sind emotionale Wesen. Die Der Teilbereich „Die Psychologie der hervorgerufenen Emotionen haben im- Emotionen“ ist für die Arbeit als Seel- mer eine Wirkung, selbst wenn wir ver- sorger von sehr großem Interesse, da es suchen, diese zu unterdrücken. wichtig ist, die uns Anvertrauten zu ver- stehen und dadurch eine Basis des Ver- So ist es für jeden Einzelnen wichtig, bei trauens aufzubauen. Problemen nicht in seiner Gefühlswelt zu versinken, sondern seine emotionale Dis- Beim Kennenlernen der Soldaten und tanz zu bewahren. Soldatinnen ist nicht nur wichtig, sich auf seine Menschenkenntnis zu verlassen, Nicht alles zu ernst zu nehmen, hilfreich ist auch das hilft wie manchmal ein „NEIN“. • Wissen über Emotionen, Um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, • Erkennen von Emotionen, ist regelmäßige körperliche Bewegung in • Kontrollieren von Emotionen, der Natur sehr empfehlenswert, und mit Freunden macht es noch mehr Spaß. um Anliegen, Probleme oder Sorgen zu Gesundheit ist auch Freiheit. erkennen und mein Gegenüber für mich 20 zu gewinnen. suNews3_18S13_20_25.indd 20 17.08.18 12:39
G E M E I N D E M O S A I K ▶ Berichte aus den Gemeinden Niederösterreichs Redigiert von Birgit Lusche Konfirmandentage in Niederösterreich Es bleibt alles anders. Stell’ dir vor, es ist Konfitag, und fast alle gehen hin! (Foto: privat) Am 13. April fand die siebente Aus- Am 5. Mai fand dann der Konfitag gabe des „großen“ Konfitages der Krems der Regionen Ost und West Region Süd in Wiener Neustadt statt. statt. Die Anzahl der TeilnehmerInnen war zwar Nach einer bewegt-bewegenden Ein- geringer, die Anfahrtszeiten dafür um ei- stimmung in der Kirche folgte ein Work- niges länger. Umso mehr hat es sich be- shop-Programm von der Spitze des währt, dass der Konfitag seit dem letzten Kirchturms bis zum letzten Winkel des Jahr einen ganzen Tag dauert und die riesigen Gemeindeareals. Die Themen Workshops zeitlich verlängert wurden. reichten von den „besten Kurzfilmen Inhaltlich ging es u. a. um die Ausein- der Welt“ über Gemeinschaftsspiele und andersetzung mit Gefängnisseelsorge, Bogenschießen bis zum Mitarbeiterinnen- die Analyse und Diskussionen von Kurz- workshop mit Lars Müller-Marienburg. filmen, Kooperationsspiele und Kreativ- Der Tag endete mit dem Jugendgottes- workshops. Und zum Abschluss folgte dienst und dem großen Bratwurstessen die legendäre Konfi-Paradeiser-Predigt im im Garten. Jugendgottesdienst. 21 Michael Simmer suNews3_18_21bis24.indd 21 17.08.18 12:44
G E M E I N D E M O S A I K Tag der „Vergebung“ Sommerkonzert Laab im Walde. Die Teilnehmerinnen Traisen. Am lauen Frühsommer- und Teilnehmer des Seminartages abend des 8. Juni fand auf dem Platz am 21. April, den die CLS (Christ- vor der Auferstehungskirche in Trai- liche Initiative für Lebensberatung sen das traditionelle Sommerkon- und Seelsorge) veranstaltet hat, zert der Pfarrgemeinde St. Aegyd- widmeten sich dem Thema „Verge- Traisen statt. bung“. Die Gruppe „Trio Bacana“ mit Walter Tie- Jeder Mensch ist in seinem Leben mit fenbacher und Otto Jezek an den Gitar- der Notwendigkeit zwischenmenschlicher ren und Raphael Schwab am Kontrabass Vergebung konfrontiert. Die Sehnsucht sorgte mit der feinen Musik des Gipsy nach Harmonie ist so menschlich, wie es Swing, des Bossa Nova und des Flamen- menschlich ist, dass sie weitgehend un- co für Stimmung und Lebensfreude unter erfüllt bleibt. Vergebung bleibt eine He- den zahlreichen Besuchern. Auch Musik rausforderung, die uns ganz erfasst und von George Gershwin hatte das Trio in entsprechend schwer sein kann. ihrem Repertoire. Die Neigung, Abkürzungen einzuschlagen oder schnel- le Lösungen herbeiführen zu wollen, ist allzumal gegeben. Oft sind der Wunsch und das religiöse Ideal schneller als unsere Wirklichkeit. Am Seminartag haben wir uns dem Thema „Vergebung“ als einem prozesshaften Vorgang Niveauvolle Musik und gute Stimmung versprechen die gewidmet. Das ist nicht nur Konzerte und Lesungen in der Auferstehungskirche in über kognitive Auseinander- Traisen. (Foto: privat) setzung geschehen, sondern auch spielerisch und erfahrungsbezogen, Die Grillmeister der Gemeinde, Kurt und indem etwa durch Rollenspiele typische Manfred, und das Bier vom Fass mach- Abkürzungswege humorvoll dargestellt ten den Abend auch kulinarisch zu einem wurden. Fest. Von den 18 Teilnehmenden waren einige Nachdem die Musiker mit Mozarts „Rondo aus evangelischen Gemeinden. Im Sep- alla turca“ als Zugabe virtuos beweisen tember beginnt eine Ausbildung zur be- konnten, dass sie auch Klassik im Gepäck gleitenden Beratung und Seelsorge im haben, saßen die Gäste in der warmen gleichen schönen Ambiente des Semi- Sommernacht noch lange gemütlich bei- narhauses der Barmherzigen Schwestern sammen. (www.cls-austria.at). Heide Bamer 22 Markus Fellinger suNews3_18_21bis24.indd 22 17.08.18 12:44
G E M E I N D E M O S A I K „Bevor ma wos nachsogt …“ – Naßwalder Schule im Berggottesdienst Der kurze Regenschauer am 3. Juni machte den fast 300 gut ausgerüste- ten Teilnehmern des 42. Naßwalder Berggottesdienstes am Gscheidl über- haupt nichts aus, zumal ansonsten wieder einmal „evangelisches Wetter“ herrschte. Eingebettet in die Liturgie, die Pfar- wos nachsagn kann, braucht ma do net rer Andreas Lisson zusammen mit dem denkn!“ – Schüler Georg („Raxkönig“ Naßwalder Lektor Robert Schneeberger, Hubmer): „Öha, do liegst oba falsch! dem Naßwalder Theaterverein und der Grod bevor ma wos nachsogt, muaß ma Sängerrunde Schwarzau im Gebirge ge- besunders guat denken!“ Diese beiden staltete, hielt Superintendent Lars Mül- kurzen, nebensächlich scheinenden Sätze ler-Marienburg seine erste „Gschoarl- griff der Prediger spontan auf, um die Berg-Predigt“. Wichtigkeit des von den Evangelischen so forcierten Bildungswesens zu unter- Der Naßwalder Theaterverein brachte streichen. zuvor eine humorvolle, aber tiefsinnige Szene aus dem Theaterstück „Der Rax- Bereichert und erbaut von diesem span- könig, Teil 2“, in dem Lehrer Kaspar im nenden Lehrstück hatte man sich dann gerade neu errichteten Naßwalder Bet- eine kräftige Jause redlich verdient und haus (1826) seinen Schülern – allesamt verweilte noch lange und fröhlich im gestandene Holzknechte – verzweifelt herrlichen „Pausenhof Natur“. – Nächstes das Lesen und Schreiben beizubringen Jahr: 2. Juni! versucht: Schüler Pehofer: „Wenn ma 23 red suNews3_18_21bis24.indd 23 17.08.18 12:44
G E M E I N D E M O S A I K „Goldene Kelle“ Jugend heute in Mödling für Mitterbach Mödling. 47 Jugendliche sprachen ihr großes „Ja!“ zum Glauben und Schloss Weitra. Am 8. Juni wurde im zur Evangelischen Kirche bei der Rahmen eines Festaktes die „Golde- Konfirmation in Mödling am Pfingst- ne Kelle“, die höchste Auszeichnung sonntag. des Landes Niederösterreich für he- rausragende architektonische Ge- 4,8 Stunden verbringen Mädchen im staltung, vergeben. Schnitt täglich in sozialen Netzwerken, und ca. 4,1 Stunden verbringen Bur- Jedes Jahr werden im Magazin „Nieder- schen in dieser Sache. Eine Studie zeigt österreich GESTALTE(N)“ zahlreiche Ar- aber, dass sie ganz besonderen Wert auf chitekturbeispiele aus Niederösterreich Freunde und Familie legen. vorgestellt. Die Jury bei der Wahl zur Das war bei den diesjährigen Konfis deut- lich zu bemerken. Sie haben Freude ge- habt, mit anderen beisammen zu sein. Sie waren neugierig und hatten auch im- mer wieder spezielle Fragen. Ihr Interes- se war in sichtbarer Weise für Religiöses geweckt. Ingeborg Reinprecht Der weise Abraxas zitiert Superintendent Lars Müller-Marienburg, Albert Schweitzer: Presbyter Martin Weber und Fabian Fluch, Gemeindevertreterin Brigitte Nutz, Pfarrerin Dr. Birgit Lusche, Bürgermeister Alfred Hin- terecker und Architekt DI Ernst Beneder (Foto: privat) „Goldenen Kelle“ sind die Leser des Ma- gazins. Die Eigentümer, Planer und Ge- meinden jener Objekte, welche die meis- ten Stimmen erhalten, werden mit der „Goldenen Kelle“ ausgezeichnet. Für das Jahr 2017 betraf dies acht Projekte. Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, Landeshauptfrau Dr. Johanna Mikl-Leitner verlieh Pfarrerin Birgit Lusche den Preis irrt sich. – für die historische Renovierung der evan- Man wird ja auch kein Auto, gelischen Kirche in Mitterbach. wenn man in die Garage geht. 24 red suNews3_18_21bis24.indd 24 17.08.18 12:44
Sie können auch lesen