Grundsätze der Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar 2) - Kongress der Forschungsgruppe anwendungsorientierte Steuerlehre, 24.3.2022 ...
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Grundsätze der Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar 2) 7. Kongress der Forschungsgruppe anwendungsorientierte Steuerlehre, 24.3.2022 (online) Assist.-Prof. MMag. Dr. Peter Bräumann, Johannes Kepler Universität Linz
Das GloBE-Konzept Hintergründe und Funktionsweise
Was verbirgt sich hinter „Pillar 2“ im Wesentlichen? • globale Mindest-KöSt von 15 % • für internationale Konzerne • mit Gesamtumsätzen ≥ € 750 Mio • durch subsidiäre Besteuerung niedrig besteuerter Einheiten in anderen Staaten: 1. Errechnung einer (15%igen) „Soll-Steuer“ je Staat 2. Unterschreitung à Differenz = Top-Up Tax 3. Zugriff anderer Staaten auf die Top-Up Tax nach Hierarchie § übergeordnete Konzerneinheiten à Income Inclusion Rule (IIR) § andere à UTPR (ursprünglich „Undertaxed Payment Rule“)
Entwicklung • Ausfluss aus BEPS-Aktionspunkt 1 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft • Berichte 2015 und 2018 endeten ohne Empfehlungen 2015 ◦ Uneinigkeit über steuerliche Besonderheit der digitalen Wirtschaft ◦ Fragen nach Steueranknüpfungspunkt (Nexus) und Gewinnzurechnung … ◦ Konsens bis 2020 geplant • Ankündigung erstmals mit Policy Note 23.1.2019 2018 ◦ Schlagwort „remaining BEPS issues“ ◦ Niedrigbesteuerung allgemein im Zentrum 2019 ◦ Entgegenkommen (wohl) den USA (GILTI und BEAT als Vorbilder) • Blueprint im Oktober 2020 à „Global Anti Base-Erosion“ (GloBE) 2020 • Modellgesetzgebung nach weiteren Einigungen am 20.12.2021 2021
Umsetzung von „Pillar 2“ „Pillar 2“ umschließt eigentlich vier Maßnahmen: auf DBA-Ebene auf DBA-Ebene: • Subject to Tax Rule (STTR) ◦ als Quellenbesteuerungsrecht für Entwicklungsländer ◦ auf Zinsen, Lizenzgebühren und weitere Zahlungen Musterregelung und ◦ insoweit beim Empfänger weniger als 9 % Nominalbesteuerung mögliches MLI für März 2022 angekündigt • Switch-Over Rule (SoR) ◦ zur Umsetzung der GloBE-Regeln ◦ bei ansonsten befreiten Betriebsstätteneinkünften auf nationaler auf nationalerEbene Ebene: • Income Inclusion Rule (IIR) die eigentlichen • UTPR „GloBE“-Regeln
GloBE-Regeln im nationalen Recht • Absichtserklärung von 137 Staaten • Einigung auf „Common Approach“ ◦ keine Pflicht zur Umsetzung ◦ gegebenenfalls aber nur vereinbartes Modell (à Model Rules) ◦ jedenfalls Akzeptanz fremder GloBE-Regeln ◦ geplantes Inkrafttreten 2023 (außer UTPR à 2024) • Ausarbeitung eines „Implementation Framework“ bis Ende 2022 ◦ vereinbarter Verfahrensablauf (zB Erklärungspflichten) ◦ multilaterale Reviews der nationalen Regeln ◦ womöglich neues MLI zur Koordination • EU à Umsetzungsverpflichtung durch RL ◦ Vorschlag der Kommission COM(2021)823 vom 22.12.2021 ◦ Kompromiss im Rat (6975/22) à Umsetzung zum 31.12.2023/2024 (mit Verzögerungsoption)
Strukturmerkmal: Konzern-RL als Ausgangspunkt • maßgebliche Werte aus Rechnungswesen ◦ akzeptierte Standards: IFRS und Local GAAP vieler Staaten (Art 10.1.1 MR) ◦ andere erfordern gegebenenfalls Anpassung an IFRS • betrifft zB ◦ Umfang und Umsatz einer Gruppe (persönlicher Anwendungsbereich) ◦ Beziehungen und Hierarchie der Einheiten einer Gruppe ◦ Wirtschaftsjahr (zeitlicher Anwendungsbereich) ◦ Berechnung von Einkommen und Steuerquote • steuerliche Anpassungen bewusst „minimal“
Wen betreffen die GloBE-Regeln? „Persönlicher Anwendungsbereich“ der GloBE-Regeln
Zwei Anwendungsvoraussetzungen (Art 1 MR) 1. Multinationale Gruppe à mindestens eine Einheit außerhalb des Ansässigkeitsstaats ◦ voll- oder teilkonsolidierte „kontrollierte“ Unternehmen (Konzern-RL) ◦ und/oder Betriebsstätten 2. Umsatzschwelle von € 750 Mio ◦ konsolidierter Umsatzes ◦ angelehnt an Country-by-Country-Reporting ◦ in mindestens zwei der vier vorangegangenen Wirtschaftsjahre • Ausnahmen (keine Gruppeneinheiten) ◦ Regierungsorganisationen ◦ Non-Profit-Organisationen ◦ Pensionsfonds ◦ Investmentvehikel an der Gruppenspitze
Die Ermittlung der Top-Up Tax „Räumlicher Anwendungsbereich“ der GloBE-Regeln
Auslösender: Niedrigbesteuerung (Art 5 MR) • Effektiver Steuersatz (Effective Tax Rate) ◦ für alle Einheiten in einem Staat gemeinsam 1. ◦ je Wirtschaftsjahr !"#$%&'" ()*'+'" ,-.'% ETR = /0)12 345)6' 2. ETR < 15 % à Entstehen einer Top-Up Tax in diesem Staat und Jahr ETR ≥ 15 % à kein fremder GloBE-Zugriff auf Einheiten in diesem Staat • De-Minimis-Ausnahme (Art 5.5 MR) für Staaten, in denen im Drei-Jahres-Schnitt ◦ Umsatz < € 10 Mio ◦ GloBE-Einkommen < € 1 Mio • Ankündigung: Safe-Harbour-Regeln (Blueprint: CbCR legt keine Unterschreitung nahe)
Im Zähler (1.): Covered Taxes (Art 4 MR) • Steuerbegriff der OECD als Voraussetzung (Art 10.1 MR) ◦ zwingende(!) ◦ gegenleistungsfreie ◦ Zahlung ◦ an eine Gebietskörperschaft oder deren Einrichtungen • GloBE-relevante Steuern ◦ auf eigenes Einkommen bzw Gewinne ◦ mit Netto-Basis (≠ zB Digitalsteuern) ◦ auch in der Konzern-RL als solche anerkannt ◦ einschließlich Hinzurechnungsbesteuerung ◦ ob periodisch oder bei späterer Ausschüttung (Sonderregime für nur ausschüttungsorientierte Steuersysteme à Art 7.3 MR) ◦ ohne Steuern aufgrund von GloBE
Adjustments der erfassten Steuern • Anpassungen nach Art 4.1 MR ◦ Gleichklang mit GloBE-Einkommen ◦ Periodenverschiebungen zwischen Einkommen und Besteuerung § Grundregel: (eingeschränkte) Anerkennung latenter Steuern (Art 4.4 MR) § Wahlrecht: Verlustvortragsmodell (Art 4.5 MR) • Zurechnung nach Art 4.3 MR ◦ Erfassung von Steuern in einem anderen Staat für GloBE-Zwecke ◦ Gedanke wiederum Konnex zu verbuchtem Einkommen, zB § Steuern auf Gewinne ausländischer Betriebsstätten à BS-Staat § Transparenz bei Einkünften à Staat der erfassenden Einheit § Hinzurechnungsbesteuerung à Staat der ursprünglichen Einheit § Quellensteuern Ausschüttungen à Staat der Tochtergesellschaft
Im Nenner (2.): GloBE-Einkommen (Art 3 MR) • Ausgangspunkt im Regelfall: Handelsbilanz II ◦ Betriebsstätten nach steuerlicher Zurechnung (Art 3.4 MR) ◦ Erfassung beim Zurechnungssubjekt bei steuerlich transparenten Einheiten (Art 3.5 MR) • Überleitung für steuerliche Zwecke autonom nach Art 3.2 MR à Ausscheiden von Gewinnwirkungen durch ◦ GloBE-relevanten und -verursachten Steuern ◦ Dividenden (außer Portfolio-Beteiligung < 10 % und < ein Jahr) ◦ Wertänderungen von Beteiligungen und Equity-Methode ◦ Neubewertungsmethode ◦ Währungsumrechnung ◦ Strafen > € 50.000 und illegale Zahlungen ◦ Pensionsrückstellungen • Fremdvergleichsgrundsatz für grenzüberschreitende Transaktionen (Art 3.2.3 MR)
Sonderregeln für das GloBE-Einkommen (Auszug) • Wahlrechte der betroffenen Einheiten (je Staat) ◦ Realisationsprinzip ◦ Fünf-Jahres-Verteilung von Veräußerungsgewinnen aus körperlichen Gütern ◦ Konsolidierung der innerstaatlichen Einheiten • Ausnahme für Einkommen aus der internationalen Schifffahrt • Umstrukturierungen mit Buchwertfortführung unbeachtlich (Art 6.3 MR)
Die Top-Up Tax = „der Kuchen“, der nach den GloBE-Regeln verteilt werden kann Top-Up Tax Rate = 15 % − Anwendung aber nur auf „Excess Profits“ • nach einer sogenannten Substance-based Income Exclusion ◦ 5 % der Personalaufwendungen (einschließlich Steuern) und ◦ 5 % der Buchwerte selbst genutzter körperlicher Wirtschaftsgüter ◦ zunächst 10 % und 8 % mit Abschmelzung bis 2033 (Art 9.2 MR) • reduziert das steuerpflichtige GloBE-Einkommen • danach kann Top-Up Tax des Staates ermittelt und gegebenenfalls im Verhältnis der GloBE- Einkommen auf die einzelnen Einheiten hinuntergerechnet werden
Schematische Ermittlung der Top-Up Tax (OECD) OECD, Overview of the Key Operating Provisions of the GloBE Rules, https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-GloBE-rules-fact-sheets.pdf (14.3.2022) 5.
GloBE-Zugriff auf die Top-Up Tax GloBE-Anwendung durch andere Staaten
Reihenfolge 1. Ansässigkeitsstaat der Einheit selbst (implizit!) ◦ mittels Qualified Domestic Minimum Top-up Tax Muttereinheit ◦ nationale Mindeststeuer nach GloBE-Vorbild ◦ reduziert unmittelbar die Top-up Tax nach GloBE Staat W IIR 2. 2. Staat der (höchst übergeordneten) Muttergesellschaft 1. ◦ mittels Income Inclusion Rule (IIR) niedrig besteuerte QDMTUT Einheit ◦ im Musterfall vollständig durch einen einzigen Staat UTPR Staat X PR 3. andere Staaten mit Einheiten der Gruppe UT 3. ◦ formelmäßig mittels UTPR ◦ sofern keine vollständige Abschöpfung durch IIR Schwestereinheit Tochtereinheit Staat Y Staat Z
Konzept der IIR (Art 2.1–2.3 MR) (hätte Vorrang à 100 %) • Priorität der höchstangewandten IIR (Konzernspitze) • Zusatzsteuer nach (mittelbarer) Beteiligung • Ausschließlichkeit der Anwendung à 28 % abzgl ◦ kontrollierende übergeordnete Einheiten prioritär 20 % von B Co 2 ◦ subsidiär schrittweise „nach unten“ ◦ gleichrangige IIR möglich (à Beispiel) • Bruch bei „teilbeherrschten“ Einheiten ◦ (mittelbare) Konzernquote < 80 % à 90 % ◦ zusätzlich prioritäre IIR auf dieser Stufe • Anrechnung von etwaigen IIR-Schulden unterer Ebenen bei höherrangigen Einheiten Beispiel aus OECD, GloBE Model Rules (Pillar Two) Examples, https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two-examples.pdf (14.3.2022) 7.
IIR bei Partially-Owned Parent Entities (POPEs) • B Co ◦ teilbeherrschte Einheit (Konzernquote 70 %) ◦ prioritäre IIR ◦ 20 % IIR auf C Co • A Co ◦ als Konzernspitze ◦ auf C Co § 84 % Beteiligung § abzüglich 70 % der IIR-Steuer von B ◦ auf D Co à 100 % IIR Beispiel aus OECD, GloBE Model Rules (Pillar Two) Examples, https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two-examples.pdf (14.3.2022) 10.
UTPR als Auffangregelung (Art 2.4–2.6 MR) • Voraussetzung: nicht alle Konzernanteile unterliegen IIR • Anwendung auch auf niedrigbesteuerte Einheiten im Staat der Konzernspitze(!) • UTPR-Summe = Top-Up Tax – von IIR erfasste Beträge (Minderheitenanteile werden nicht ausgeschieden) • Formel zur Verteilung unter allen zugreifenden UTPR-Staaten ◦ Gewichtung zu je 50 % § Anteil am Personalstand § Anteil an materiellen Wirtschaftsgütern ◦ Ausschluss, sofern Zuteilung aus Vorjahren nicht voll ausgeschöpft • Umsetzung als Abzugsverbot (oder ähnliches Instrument) • Gnadenfrist von fünf Jahren für „kleine GloBE-Gruppen“ (maximal in sechs Staaten, körperliche Wirtschaftsgüter außerhalb Sitzstaat max € 50 Mio)
Abschließende Würdigung Einige Worte zur Reflektion
Policy Trends • Zweck des internationalen Steuerrechts zunehmend: Kampf gegen Steuervermeidung • DBA-Recht laut OECD kein Hindernis (nicht unumstritten) • MLIs als neues Durchsetzungsmittel? • Abspaltung eines komplexen Spezial-Steuerrechts „für die Großen“ • Abkehr von der steuerlichen Gewinnermittlung • Reaktion der (bisherigen) Niedrigsteuerstaaten? ◦ Erhöhung der Steuern oder Mindeststeuer im GloBE-Anwendungsbereich ◦ Mehraufkommen der anderen Staaten scheinen fraglich ◦ „Race to the bottom“ könnte eingeschränkt werden • Konflikt mit EU/EWR- bzw Verfassungsrecht bei beschränkter Anwendung(?)
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