Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt - www.stadtgrün-naturnah.de - Kommunen für biologische Vielfalt
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Impressum Danksagung Für die inhaltliche Mitarbeit und fachliche Unterstützung möchten wir uns besonders bedanken bei: Katrin Anders (Stadt Wernigerode), Ulrike Aufderheide (Naturgarten e.V.), Christiane Balks-Lehmann (Stadt Osnabrück), Meike Bonsa (Stadt Kirchhain), Dr. Ulrich Bößneck (Stadt Erfurt), Sonja Gärtner (Stadt Mainz), Dr. Jürgen Gerdes (Stadt Bamberg), Simone Jacob (Stadt Frankfurt am Main), Dr. Heino Kamieth (Stadt Hannover), Helmut Kern, Kerstin Klewer (DLR Projektträger), Georg Krause (Stadt Donzdorf), Matthias Harnisch (Stadt Riedstadt), Jens Herbst (Stadt Weingarten), Annemarie Hische (Stadt Hannover), Thomas Lehen- herr (Stadt Bad Saulgau), Franz-Josef Lüttig (Stadt Frankfurt am Main), Michael Packschies (Stadt Eckernförde), Hans Ritthaler (Stadt Landshut), Alice Schröder (Bundesamt für Naturschutz), Susanne Wiertz-Kirchberg (Stadt Neuss), Torsten Wilke (Stadt Leipzig), Malte Wördemann (Stadt Bremerhaven) Herausgeber: MUNE OM N K lt für lfa io e lo gische Vi b Kommunen für biologische Vielfalt e.V. Deutsche Umwelthilfe e.V. Fritz-Reichle-Ring 2 Fritz-Reichle-Ring 4 78315 Radolfzell 78315 Radolfzell Tel. 07732 9995-361 Tel. 07732 9995-0 E-Mail: info@kommbio.de E-Mail: info@duh.de www.kommbio.de www.duh.de Bearbeitung: Text & Konzept: Martin Rudolph, Hendrike Hellmann, Robert Spreter, Tobias Herbst (Kommunen für biologische Vielfalt) und Janos Wieland (Deutsche Umwelthilfe) Grafik: Patricia Lütgebüter (Deutsche Umwelthilfe) Lektorat: Karin Roth Druck: dieUmweltDruckerei GmbH (gedruckt auf 100% Recyclingpapier) Die Broschüre ist im Rahmen des Projekts „Stadtgrün – Artenreich und Vielfältig“ entstanden. Das Projekt wird gefördert im Bundes- programm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Diese Veröffentlichung gibt die Auffassung des Zuwendungsempfängers des Bundesprogramms Biologische Vielfalt wieder und muss nicht mit der Auffassung des Zuwendungsgebers übereinstimmen. Erschienen im September 2018 2 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Inhaltsverzeichnis Vorworte 4 Bundesamt für Naturschutz 4 Kommunen für biologische Vielfalt e.V. & Deutsche Umwelthilfe e.V. 5 Einführung 6 Stadtgrün naturnah, artenreich und vielfältig 6 Grünflächenunterhaltung 9 Grünes Licht für wilde Wiesen 10 Vom Wechselflor zum nachhaltigen Staudenbeet 14 Artenreiche Riesen 16 Ab durch die Hecke! 18 Versäumte Ränder 20 Interview mit Ulrike Aufderheide und Helmut Kern 22 Den Wald vor lauter Bäumen sehen 24 Schutz durch Verzicht 25 Mehr Natur wagen 26 Kleine Mittel – großer Ertrag 29 Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern 30 Eigeninitiative fördern und gemeinsam anpacken 31 Für naturnahes Grün werben 33 Naturzugänge schaffen 35 Zielsetzungen und Planung 37 Eine neue Perspektive 38 Ökologische Standards unter Dach und Fach 40 Das Label „StadtGrün naturnah“ 42 Quellenverzeichnis 43 www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 3
Vorworte Bundesamt für Naturschutz (BfN) Grünflächen bieten den Menschen in ihrem Wohn- und Arbeitsumfeld zahlreiche Möglichkeiten – um sich zu erholen, ihre Gesundheit zu stärken oder um Naturerfahrungen zu sammeln. Stadtgrün erfüllt darüber hinaus vielfältige ökologische Funktionen etwa für den Hochwasserschutz oder zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels. Das Interesse an einem vielfältigen und multifunktionalen Stadtgrün hat daher in jüngerer Zeit deutlich zugenommen. Eine ganze Reihe von Studien belegt die zahlreichen positiven Leistungen und Wirkungen von städtischen Grünstrukturen. Werden diese zudem naturnah angelegt, profitiert auch die biologische Vielfalt. Urbane Räume und städtisches Grün stellen daher auch wichtige Handlungsschwerpunkte der von der Bundesregierung 2007 verabschie- deten „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ und der darauf aufbauenden „Naturschutzoffensive 2020“ dar. Als übergeordnete Ziele sind darin u.a. benannt, dass die Durchgrünung der Siedlungen einschließlich des wohnumfeldnahen Grüns deutlich erhöht wird, dass öffentlich zugängliches Grün mit vielfältigen Qualitäten und Funktionen in der Regel fußläufig zur Verfügung steht. In der Naturschutzoffensive verankert sind zudem neue Programme der Städtebauförderung für mehr Grün in der Stadt. So stellt „Zukunft Stadtgrün“ Fördermittel für eine Verbesserung der urbanen grünen Infrastruktur bereit. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) unterstützt diese Zielstellungen durch zahlreiche Forschungs- und Umsetzungsprojekte. Zu den herausragenden Initiativen zählen die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ und die Gründung des Bündnisses „Kommunen für biologische Vielfalt“ im Jahr 2012. Dieses berät und unterstützt Kommunen darin, Städte grüner zu machen und Bürgerinnen und Bürger in die Umsetzung einzubeziehen. Zudem hat das BfN 2017 gemeinsam mit dem Bündnis und vier weiteren Partnern eine Broschüre zur urbanen grünen Infrastruktur vorgelegt. Urbane grüne Infrastruktur steht für eine Wertschätzung von Stadtgrün als ein essenzieller Beitrag zur Daseinsvorsorge, der für ein gutes Leben in der Stadt ebenso wichtig ist wie die technische oder soziale Infrastruktur. Seit 2016 führt das Bündnis das Projekt „Stadtgrün – Artenreich und Vielfältig“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch. Mit dem Label „StadtGrün naturnah“ werden Kommunen ausgezeichnet, die sich aktiv für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen. Gefragt sind dabei Fachwissen und praktische Erfahrungen, die die Kommunen im Austausch mit den anderen Teilnehmenden des Labelling-Verfahrens gewinnen. Die vorliegende Broschüre vermittelt aus diesem Fundus zahlreiche Anregungen und Beispiele: Was ist bei der fachgerechten Anlage und Pflege von naturnahen Grünflächen zu beachten, die gleichermaßen für Menschen attraktiv sind und heimischen Tieren und Pflanzen Lebensräume bieten? Warum ist auch begleitende Kommunikation unerlässlich? Welche Möglich- keiten bieten sich für Naturerfahrung und Umweltbildung? Wir hoffen, dadurch nicht nur die verschiedenen Facetten des „Werts“ von städtischem Grün anschaulich zu machen, sondern möglichst viele praktische Anstöße zu vermitteln, die zur Nachahmung einladen! Prof. Dr. Beate Jessel Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz 4 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Vorworte Kommunen für biologische Vielfalt e .V. und Deutsche Umwelthilfe e .V. Stadtgrün tut gut: Innerstädtische Parks, Wälder und Gewässeranlagen bieten Raum für Naherholung und Entspannung direkt vor unserer Haustür. Besonders in sozial benachteiligten Stadtquartieren sind Grünflächen wichtig, um den dort lebenden Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Natur in Berührung zu kommen. Kindern und Jugendlichen bieten naturnahe Flächen die Gelegenheit zur Naturerfahrung und zum freien Spiel: Hier können sie auf Entdeckungsreise gehen und ihre Kreativität entwickeln. Und nicht zuletzt sind Grünflächen ein Ort der Begegnung und der Identifikation: Menschen kommen hier zusammen und dadurch wird ein Park zu „ihrem Park“, eine Stadt zu „ihrer Stadt“. Die Bedeutung von Stadtgrün und Stadtnatur geht jedoch über den Erhalt unserer eigenen Lebensqualität hinaus: Mit ihrem Struk- turreichtum – der Abwechslung von Straßen, Stadtbäumen, Häusern und Grünzügen – bieten Städte einen vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Um dieses Potential zu entwickeln und die biologische Vielfalt im urbanen Raum zu fördern, bedarf es eines ökologischen Grünflächenmanagements. Oft ist es aber nicht leicht, die vielfältigen Anforderungen an eine Grünfläche unter einen Hut zu bringen und Akzeptanz für naturnahe Maßnahmen innerhalb der Bevölkerung zu schaffen. Der enorme Flächendruck gerade in wachsenden Kommunen drängt die Räume, in denen sich Natur behaupten kann, immer weiter zurück. Platzmangel und extreme klimatische Bedingungen setzen Bäumen und Sträuchern in Städten zu. Zudem haben Grünflächenämter oft wenig Personal und sehen sich mit einer Öffentlichkeit konfrontiert, der sie die Bedeutung naturnaher Flächengestaltung erst vermitteln müssen. Um Kommunen dabei zu unterstützen, sich den genannten Herausforderungen zu stellen, haben wir diesen Leitfaden erarbeitet. Er soll allen, die sich im Bereich des ökologischen Grünflächen- managements engagieren, als Nachschlagewerk und Inspiration für ein naturnahes Stadtgrün dienen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und viele neue Ideen für Ihre weitere Arbeit vor Ort! Jörg Sibbel Sascha Müller-Kraenner Vorsitzender des Bündnisses Bundesgeschäftsführer der „Kommunen für biologische Vielfalt e.V.“ Deutschen Umwelthilfe e.V. www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 5
Einführung Stadtgrün naturnah , artenreich und vielfältig Parks, Wälder, Grünzüge und Bäume prägen unsere Städte. Sie Spielanlagen, Verkehrsbegleitgrün, Straßenbäume und städtische schaffen ein attraktives und gesundes Wohnumfeld und bedeuten Zierbeete, Fassaden- und Dachgrün aber auch Privatgärten und Lebensqualität. In Parks und Grünanlagen verabreden sich Familien spontane Vegetation. Dieses Stadtgrün nimmt oft größere Flä- und Freunde zum Spaziergang, Picknick, Spiel oder Sport. Grüne chenanteile ein, als uns bewusst ist. So verfügen beispielsweise Schulhöfe und Spielplätze, Klein- und Gemeinschaftsgärten bieten Berlin und Stuttgart laut Statistischem Bundesamt über einen mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Tieren die Möglichkeit, Natur- Grünanteil von fast 30 Prozent! und Umweltzusammenhänge zu erleben. Das Vorhandensein von Grünflächen ist aber nur die Grundvoraus- Für zahlreiche Pflanzen und Tiere – darunter viele heimische setzung, um überhaupt ein ökologisch hochwertiges Stadtgrün Arten wie Mauersegler, Zwergfledermaus oder Igel – sind städti- zu entwickeln. Für die Qualität als Lebensraum und Raum für sche Grünflächen zudem wichtige Lebensräume. Wenn Städte und Naturerleben und Erholung sind Ausgestaltung und Pflege nach Gemeinden bei der Gestaltung und Pflege des öffentlichen Grüns naturnahen Maßstäben entscheidend. Leider werden Grünflächen auch ökologische Aspekte berücksichtigen, können sie aktiv zum vielerorts noch so gepflegt, dass Artenreichtum verhindert wird: Schutz der Pflanzen- und Tierwelt beitragen. Bereits kleine, kos- Es dominieren gemulchte Vielschnittrasen und Zierbeete mit nicht- tengünstige Maßnahmen wie die Verwendung heimischer Arten bei heimischen Sorten, die hohe Material- und Pflegekosten verursa- der Neuanlage von Hecken oder die Reduzierung der Mähhäufig- chen, und eine Gehölzbewirtschaftung, die die Möglichkeiten zur keit können einen großen Effekt auf den Erhalt der biologischen Förderung des Artenschutzes häufig nicht ausschöpft. Hier besteht Vielfalt haben. ein großes Potential, etwas zu verändern! Dabei geht es nicht nur um Artenschutz. Wie jüngste Forschungen Grüne Lebensqualität zeigen, bevorzugen Menschen aller Bevölkerungsgruppen artenrei- Neben der positiven Wirkung auf die biologische Vielfalt bringt das che Grünflächen und sehen die Förderung der biologischen Vielfalt Stadtgrün viele sogenannte Wohlfahrtwirkungen mit sich. Sozialwis- als einen wichtigen Beitrag, um die Lebensqualität in Städten und senschaftliche Studien belegen, dass sich das urbane Grün im sozi- Gemeinden zu steigern1. alen, gesundheitlichen und ökonomischen Bereich positiv auswirkt. Bereits heute leben in Deutschland 75 Prozent der Bevölkerung in Der Begriff „Stadtgrün“ umfasst sämtliche Vegetation im städ- Städten; für die Zukunft ist ein weiterer Anstieg prognostiziert2. Für tischen Raum: Öffentliche Grünflächen wie Parks, Friedhöfe, alle diese Menschen bildet das Stadtgrün einen für die Lebensqualität Stadt Wernigerode 6 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Einführung entscheidenden Bestandteil ihres Wohn- und Arbeitsumfeldes. Stadt- … und wirkt attraktiv und anziehend grün im Sinne einer urbanen grünen Infrastruktur (siehe Infobox) Naturnah gepflegtes Stadtgrün schafft einen positiven Wieder- ist eine wesentliche Voraussetzung für das „Gute Leben“ in Städten erkennungswert. Eine vielfältige und grüne Stadt stellt nicht nur und unterstützt strategische Ziele der Stadtentwicklung. einen ansprechenden Wohnort dar, sondern zieht als attraktives Reise- und Ausflugsziel gleichzeitig viele Besucherinnen und Grün macht zufrieden Besucher von außerhalb an. Solche weichen Standortfaktoren Naturnahes Stadtgrün tut den Menschen gut. Bunte Wiesenflächen sind für viele Menschen heute ein ausschlaggebender Faktor in den Parks laden zum Verweilen und Entspannen ein. In Blumen- bei der Wahl ihres Wohn- und Arbeitsortes. Kommunen, die ihre und Staudenbeeten lassen sich heimische Schmetterlingsarten und Grünflächenpflege bereits vor längerer Zeit umgestellt haben, Wildbienen entdecken, während Straßenränder und Verkehrsinseln, machen sich diesen Effekt für ihr Stadtmarketing zunehmend die im Wechsel der Jahreszeiten in prächtigen Farben blühen, erfolgreich zunutze. das Auge ansprechen. Kurz und gut: Grünflächen schaffen eine lebenswerte Atmosphäre. Sie stiften Identität und Verbundenheit Neue, naturnahe Pflegekonzepte werden nicht immer sofort von mit einem Quartier, einem Stadtteil, einer ganzen Stadt. der Stadtbevölkerung akzeptiert. Hier kann die Kommune aktiv werden, indem sie geplante Maßnahmen frühzeitig kommuni- Naturnahes Stadtgrün fördert auch die gesunde Entwicklung von ziert und durch Umweltbildungsangebote das Bewusstsein der Kindern. Hier können sie Abenteuer mitten in der Stadt erleben Bürgerinnen und Bürger für die Bedeutung von Stadtgrün und und Erfahrungen mit der heimischen Natur sammeln. Für viele von Biodiversität stärkt. ihnen stellen diese Erfahrungen den primären Naturkontakt dar, da gerade Familien aus sozial benachteiligten Quartieren oft nicht Grüne Infrastruktur – nachhaltig und zukunftsfähig über die Mittel und Möglichkeiten verfügen, Natur außerhalb der Dichte Bebauung, geringer Grünflächenanteil und mangelnder Stadt zu erkunden. Luftaustausch führen dazu, dass die Temperaturen in vielen Stadtzentren im Vergleich zum Stadtumland deutlich steigen. Die Auf Erwachsene wirkt sich eine gute Grünversorgung ebenso positiv allgemeine Temperaturzunahme sowie extreme Hitzewellen werden aus. Menschen, die in Quartieren mit vielen Bäumen leben, fühlen diesen Effekt im Zuge des Klimawandels weiter verstärken. Dies sich nachweislich gesünder. erhöht nicht nur die Risiken für die Gesundheit, sondern vermindert Urbane grüne Infrastruktur Gemeinsam mit dem Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“, Darüber hinaus steht der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz, dem Bund deutscher urbane grüne In- Landschaftsarchitekten, dem Bundesverband beruflicher Natur- frastruktur für schutz und dem Bund für Umwelt und Naturschutz hat das Bun- strategische und desamt für Naturschutz im Jahr 2017 eine Broschüre zur urbanen integrierte Pla- grünen Infrastruktur herausgegeben. Nach der gemeinsamen Defi- nung, Sicherung, nition ist urbane grüne Infrastruktur ein Netzwerk aus natürlichen, Entwicklung und naturnahen und gestalteten Flächen und Elementen in Städten, Management von die so geplant und unterhalten werden, dass sie gemeinsam eine städtischen Grün- hohe Qualität im Hinblick auf Nutzbarkeit, biologische Vielfalt und Freiflächen. Sie und Ästhetik aufweisen und ein breites Spektrum an Ökosystem- erfordert gesamtstäd- leistungen erbringen. tische und teilräumliche Konzepte, um sie dauerhaft zu Alle Arten von vegetations- und wassergeprägten Flächen und entwickeln und zu bewirtschaften. Urbane grüne Infrastruktur Einzelelemente können Bestandteile der urbanen grünen Infra- qualifiziert Grün- und Freiflächen in sozialer, ökologischer und struktur sein oder werden – unabhängig von Besitzverhältnissen gestalterischer Hinsicht und sichert eine ausreichende Quantität und Entstehung. Auch versiegelte und bebaute Flächen können und gerechte Verteilung. Natürliche Prozesse werden gefördert als Teil der urbanen grünen Infrastruktur qualifiziert werden, in- und grüne Infrastruktur so entwickelt, dass entsprechend dem dem man sie entsiegelt, begrünt, mit Bäumen bepflanzt oder die lokalen Bedarf vielfältige Ökosystemleistungen erbracht und die Freiräume temporär nutzt. biologische Vielfalt geschützt werden. www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 7
Einführung auch die Lebensqualität. Die gezielte Anlage von Grünflächen kann Während langfristig in manchen Bereichen durchaus Kosten ein- der Überwärmung der Städte jedoch entgegengenwirken: So tragen gespart werden können, erfordert es Anfangsinvestitionen, um auf zum Beispiel Parks und offene Grünflächen zur Abkühlung bei, eine naturnahe Bewirtschaftung umzustellen. Mittel für solche indem sie als Frischluftentstehungsgebiete fungieren und Kaltluft Maßnahmen gibt es aus verschiedenen Förderprogrammen: Das aus dem Umland in die Stadtzentren hineinleiten. Städtebauförderungsprogramm „Zukunft Stadtgrün“ unterstützt Kommunen dabei, öffentliche Räume beispielsweise durch die Wo Grünflächen als zusammenhängendes Netzwerk verstanden Anlage neuer Parks oder kleinteiliger Grünflächen aufzuwerten. und geplant werden, können sie neben den genannten Abküh- Auf Ebene von Bund, Ländern und der Europäischen Union besteht lungseffekten beispielsweise auch zum Hochwasserschutz, zur zudem ein ganzes Bündel an Möglichkeiten, um Maßnahmen der Naherholung oder Luftreinhaltung beitragen. Heute spricht man naturnahen Bewirtschaftung durch verschiedene Förderprogramme daher auch von einer urbanen grünen Infrastruktur (siehe Infobox querzufinanzieren4. Seite 8), die es im Kontext gesamtstädtischer und teilräumlicher Konzepte systematisch zu entwickeln gilt.3 Diese Broschüre Auf eine naturnahe Pflege umzustellen, bringt viele Vorteile im Weniger Kosten, mehr Nutzen? Sinne einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Stadtentwicklung. Allein in der Umstellung von Wechselflorbeeten auf mehrjährige, Diese Broschüre dient dazu, einen Überblick über die Handlungs- heimische Staudenpflanzungen liegt ein enormes Einsparpoten- felder und -optionen des ökologischen Grünflächenmanagements zu tial. Und naturnahe Wiesen, die seltener gemäht werden, sind vermitteln. Es gibt viele Wege, die Artenvielfalt im Siedlungsraum widerstandsfähiger gegen Hitze- und Trockenheitsperioden, die zu schützen und zu fördern. Neben der naturnahen Pflege von mit dem Klimawandel in Zukunft weiter zunehmen. Das naturnahe Wiesen, Bäumen oder Staudenbeeten gehört dazu, die Bevölkerung Stadtgrün wirkt sich außerdem positiv auf Gesundheit und Zufrie- zu sensibilisieren sowie nachhaltige Grundsätze in formellen und denheit und viele weitere Faktoren aus, die in buchhalterischen informellen Planwerken und Konzepten zu verankern. Der Leitfaden Kostenvergleichen nicht dargestellt werden können. wurde im Rahmen des Projektes „Stadtgrün - Artenreich und Viel- fältig“ vom Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ und der Flächen naturnah zu bewirtschaften bedeutet nicht, dass sich die Deutschen Umwelthilfe unter Mitarbeit einer projektbegleitenden gesamte Kommune in Wildnis verwandeln muss. In stark genutzten Arbeitsgruppe entwickelt. Er orientiert sich an den Grundsätzen, Bereichen wird ein klassischer Rasen den Nutzungsansprüchen die bei der Vergabe des Labels „StadtGrün naturnah“ berücksich- möglicherweise besser gerecht als eine artenreiche Wiese. Ein tigt werden. vorausschauendes, differenziertes Grünflächenmanagement kann die jeweiligen Ansprüche an die Flächen auch auf diese Weise Weitere Informationen zum Label „StadtGrün naturnah“ finden berücksichtigen. Sie auf Seite 42. Stadt Radolfzell 8 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Grünflächenunterhaltung haltu ng Grünflächenunter ne, ko st en gü ns ti ge Maßnahmen, wie die Bereits kl ei n he im is ch er Ar te n bei der Neuanlage vo Verwendung de r Mahdhäufigkeit, e Re du zi er un g Hecken oder di i- en gr oß e Ef fe kt e fü r den Erhalt der biolog könn n. schen Vielfalt bewirke www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 9
Grünflächenunterhaltung Grünes Licht für wilde Wiesen Rasen-Wiesenpflege Rasen und Wiesen bilden den flächenmäßig bedeutsamsten verfilzt, vergrast oder sich Nährstoffe anreichern. Was den Pflanzen Anteil städtischer Grünflächen. Als Zierrasen, Spielwiesen in und Tieren zugutekommt, sorgt mitunter für Unverständnis bei Parkanlagen oder als Straßenbegleitgrün prägen sie maßgeblich der Stadtbevölkerung. Umso wichtiger ist daher eine intensive das Stadtbild. Für gewöhnlich finden sich in städtischen Rasen Öffentlichkeitsarbeit, die die Bevölkerung für die Bedeutung der aufgrund der intensiven Pflege mit mehreren Mähgängen pro Jahr naturnahen Pflege sensibilisiert (vergleiche Seite 30ff). nur wenige Arten. Dabei lassen sich bereits mit relativ einfachen Mitteln die Artenvielfalt der städtischen Grasflächen fördern und Herausforderung Mähgut naturnahe und zugleich ästhetisch ansprechende Blühflächen Bei der Bewirtschaftung einer Wiese fallen große Mengen Mähgut schaffen. an. Aufgrund von Verunreinigungen mit Müll oder Hundekot kann dieses häufig nicht weiter genutzt werden. In der kommunalen Weniger ist mehr Praxis wird daher das Mähgut meist gemulcht, das heißt, das zer- Am artenreichsten sind Wiesen für gewöhnlich dort, wo sie zwei- kleinerte Mähgut verbleibt auf der Fläche. Damit entfallen zwar die bis dreimal im Jahr gemäht werden. Eine dreimalige Mahd ist auf Kosten für den Abtransport, doch der Artenreichtum einer Wiese nährstoffreichen Standorten angebracht, auf mittleren Standorten leidet. Zersetzt sich das Mähgut auf der Fläche, werden dem Boden schafft ein zweimaliger Schnitt günstige Voraussetzungen, dass wieder Nährstoffe – insbesondere Stickstoff – zugeführt; davon sich eine artenreiche Wiese entwickeln kann. Ein erster Schnitt profitieren längerfristig konkurrenzstarke Obergräser und nicht drängt zwischen Mitte Mai und Ende Juni die wuchskräftigen die gewünschten Wildblumenarten. Im Sinne der biologischen Obergräser zurück und schafft das nötige Licht für konkurrenz- Vielfalt ist es daher immer sinnvoll, das Mähgut zu entfernen. schwächere Blumen und Kräuter. Da viele Arten zu diesem Zeitpunkt Anstatt es als Abfall zu entsorgen, bieten sich aber nachhaltigere ihre Samenreife noch nicht abgeschlossen haben, sollte der zweite Alternativen an: Beispielsweise kann das Mähgut kompostiert, in Schnitt nicht vor Mitte bis Ende September erfolgen. So können Biogasanlagen energetisch genutzt oder als Futter in der Land- im Laufe des Sommers neue Blüten- und Fruchtstände ausgebildet wirtschaft verwendet werden. werden. Auf sehr nährstoffarmen und wuchsschwachen Standorten kann auch eine einmalige sehr späte Mahd Ende September bis Ok- Schneidende Mähwerke schonen Flora und Fauna tober ausreichen. Entscheidend ist in allen Fällen, dass das Mähgut Eine naturnahe Pflege macht bei der bloßen Verringerung der Mäh- nach Abtrocknung entfernt wird, um zu vermeiden, dass die Fläche häufigkeit nicht Halt. Denn auch das Mähwerk wirkt sich auf die Stadt Bad Saulgau 10 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Grünflächenunterhaltung Gebietseigenes Saat- und Pflanzgut Was sind gebietseigene Pflanzen? nenweidepflanzen in städtischen Parks und Gärten kultiviert. Gebietseigenes Saatgut wird von Wildpflanzen aus definierten Heute haben sie sich stark in der Landschaft ausgebreitet und Herkunftsgebieten gewonnen. Als gebietseigen werden Pflanzen bedrohen dadurch die Vielfalt zahlreicher Lebensräume. Von bezeichnet, „die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, gebietseigenen Pflanzen geht diese Bedrohung nicht aus, da sie welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen sich mit anderen heimischen Tier- und Pflanzenarten arrangieren Zeitraum in vielfacher Generationsfolge vermehrt haben, so dass und ergänzen, statt diese zu verdrängen. Damit leisten sie einen eine genetische Differenzierung gegen Populationen der gleichen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Art aus anderen Naturräumen anzunehmen ist.“5 3. … die Vielfalt der heimischen Pflanzen erhält. Die Verwendung von gebietseigenem Saat- und Standardisierte Saatmischungen werden aufgrund geringerer Pflanzgut ist von Vorteil, weil es… Kosten häufig im Ausland produziert. Dies hat zur Folge, dass das Saat- und Pflanzgut zwar an den Zuchtstandort, nicht aber 1. … den größeren Ansaaterfolg verspricht. an den Aussaatstandort angepasst ist. Kreuzt das Erbmaterial Zwar ist gebietseigenes Saat- und Pflanzgut in der Anschaffung der Züchtungen in die lokal angepassten Arten ein, kann sich teurer als konventionelles, bringt aber auf lange Sicht einen ent- unter Umständen deren Überlebensfähigkeit vermindern und scheidenden Vorteil: Da gebietseigene Pflanzen sehr gut an die sie können sogar aussterben; regionalen und klimatischen Gegebenheiten vor Ort angepasst als Folge verarmt die ge- sind, ist der Erfolg meist größer und von längerer Dauer. Hilfe netische Vielfalt. Die bei der Auswahl des richtigen Saatguts bieten in Deutschland Verwendung von zwei Zertifikate, die gebietseigenes Saatgut garantieren: VWW- Saat- und Pflanz- Regiosaaten und Regiozert. Solches Saat- und Pflanzgut aus gut aus gebiet- gesicherter Herkunft wird üblicherweise auch als Regiosaatgut seigener Her- bezeichnet. kunft schützt hingegen die 2. … möglichen biologischen Invasionen vorbeugt. innerartliche Wo leichtfertig mit gebietsfremden Pflanzen umgegangen wird, und räumlich entsteht die Gefahr, dass sich diese massiv ausbreiten. Invasive ge w a c hs e ne Arten wie das Indische Springkraut, die Kanadische Goldrute Pflanzenviel- oder die Gewöhnliche Robinie wurden einst als Zier- und Bie- falt. Artenvielfalt einer Fläche aus. So wird durch Mulchmäher ein Groß- kann die Häufigkeit von Tagfaltern, Heuschrecken und Wildbienen teil der auf einer Fläche lebenden Käfer und Spinnen verletzt oder erheblich gesteigert werden6. In den ungemähten Bereichen finden getötet. Weniger schädlich sind dagegen schneidende Mähwerke wie viele Insekten auch weiterhin Nahrung und Schutz, zudem können beispielsweise Balkenmäher. Wird bei diesen zudem eine ausreichen- ihre Eier, Raupen oder Puppen ihre Entwicklung in den strukturrei- de Mahdhöhe (idealerweise zwölf Zentimeter) eingehalten, überleben chen Restbeständen abschließen. Zum Schutz von Wildbienen und viele Tiere – vor allem Amphibien und Reptilien – unbeschadet. Für anderen Insekten empfiehlt es sich, zu prüfen, ob eine Grasfläche größere Flächen, auf denen ein Balkenmäher nicht wirtschaftlich überhaupt ganz gemäht werden muss und ob einige Teilbereiche einsetzbar ist, eignen sich Scheibenmäher, die auch bei der land- als Winterquartier für Insekten stehen bleiben können (vergleiche wirtschaftlichen Heuernte verwendet werden und das Langgras un- Seite 20f). zerkleinert schneiden. Fehlen die notwendigen Gerätschaften, kann eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft eine kostengünstige Ansaaten versprechen schnellen Erfolg Möglichkeit zur naturnahen Pflege darstellen: Flächen können zum An Standorten, an die artenreiche Wiesen angrenzen, können Beispiel pachtfrei zur Heunutzung angeboten werden. auf durchgewachsenen Rasenflächen sehr vielfältige Bestände entstehen. Die Samen von Wiesenpflanzen können jedoch häufig Blühende Inseln nur wenige Meter überbrücken, was ihr Ausbreitungsvermögen im Untersuchungen zeigen: Wenn man Rückzugsflächen – wie un- stark fragmentierten Siedlungsraum einschränkt. Hinzu kommt, gemähte Blühinseln, Randstreifen oder Saumelemente – belässt, dass die Böden nach langjähriger intensiver Nutzung oft verarmt www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 11
Grünflächenunterhaltung und keine Wiesenkräutersamen mehr vorhanden sind. Um arten- reiche und ästhetische Wiesen in überschaubaren Zeiträumen zu entwickeln, ist an vielen Standorten daher eine Neu- oder Nachsaat sinnvoll. Bei der Wahl des Saatguts gilt es, Standortbedingungen wie die Wasser-, Boden- oder Lichtverhältnisse zu berücksichti- gen. Verschiedene Saatguthersteller bieten speziell abgestimmte Saatmischungen für unterschiedlichste Standorte an. Dabei sollte immer zertifiziertes Saatgut gebietseigener Arten, sogenanntes Regiosaatgut, verwendet werden (siehe Infobox Seite 11). Wichtig ist es, vor der Einsaat eine feinkrümelige Bodenstruktur herzustellen, um günstige Keimbedingungen zu schaffen. Breiten sich nach der Ansaat unerwünschte Wildkräuter wie Melde oder Gänsefuß aus, sind Schröpfschnitte nötig, um die Ansaat erfolg- reich zu entwickeln. Aber auch hier ist Geduld gefragt: Über ein Jahr kann vergehen, bis sich die gewünschte Blütenpracht einstellt. Wer nicht so lange warten möchte, mischt zur Schnellbegrünung einjährige Arten wie Leindotter, Klatschmohn, Kornblume oder Gartenkresse in das Saatgut unter. Einjährige oder mehrjährige Blumenwiesen? Bunte Blumenwiesen aus einjährigen Saatmischungen erfreuen sich in Städten und Gemeinden großer Beliebtheit. Dort wo der Gestaltungsanspruch im Vordergrund steht, sind die Einjährigen- Mischungen eine kostengünstigere Alternative zu aufwendig gestalteten Wechselfloren oder Staudenpflanzungen. Mit ihren kräftigen und bunten Blüten erfreuen sie viele Bürgerinnen und Bürger. So zieren heute vom Frühsommer bis in den Herbst vieler- orts einjährige Blumenwiesen Kreisverkehre, Straßenrandstreifen oder Parkflächen. Leider ist bereits im zweiten Jahr davon meist nicht mehr viel übrig. Damit die Blüten das Stadtbild auch in den Folgejahren schmücken, müssen die alten Pflanzen im Winter entfernt und die Beete jedes Jahr neu eingesät werden. Vom nötigen Bodenumbruch profitieren die Samen von Wildkräutern wie Beifuß oder Ampfer, welche die Entwicklung der eingesäten Arten in den Folgejahren mehr und mehr beeinträchtigen oder ganz verhindern. Da die handelsüblichen Einjährigen-Mischungen zudem häufig nicht-heimische Arten und Zuchtformen enthalten, bergen diese als mögliche invasive Pflanzen von morgen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die heimische Flora. Um innerstäd- tische Rasen und Wiesen naturnah zu unterhalten, sind langlebige Ansaaten mit mehrjährigen, gebietseigenen Arten erforderlich. Sie sind die ökologischere und langfristig auch die wirtschaftlichere Stadt Donzdorf Alternative. Literaturempfehlungen: • Pro Natura (2014): Blumenwiesen anlegen und pflegen. Pro Natura Praxis 21. • Prasse, R.; Kunzmann, K.; Schröder, R. (2010): Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen. DBU-Abschlussbericht. • Stadt Osnabrück: Ansaat- und Pflegeanleitung zur Osnabrücker Wildblumenmischung. • Van de Poel, D.; Zehm, A. (2014): Die Wirkung des Mähens auf die Fauna der Wiesen – Eine Literaturauswertung für den Naturschutz. In: Anliegen Natur 36(2): S. 36-51. 12 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Grünflächenunterhaltung Blumen- und Stadtwiesenkonzept der Stadt Frankfurt am Main Systematische Ansätze, um die Arten- vielfalt in Stadtwiesen zu fördern, sind bislang noch eine Seltenheit. Ganz anders in Frankfurt am Main: Hier werden, wo immer es sich anbietet, artenarme Viel- schnittrasenflächen in naturnahe ein- bis zweischürige Wiesen umgewandelt. Heute gibt es bereits in fast allen Frankfurter Parks naturnahe Wiesen, die nur noch ein- oder zweimal im Jahr gemäht werden. Auch entlang vieler Straßen hat die Stadt monotone Bodendecker durch lebendige Blumenwiesen ersetzt. Durch die naturnahe Pflege sind manche dieser Flächen bereits heute artenreiche Kleinode in der Stadt. Wenn Flächen auf eine naturnahe Pflege umgestellt werden, muss dabei immer auch an die Erholungs- und Freizeitnutzung der Bevölkerung gedacht werden. Daher hat Frankfurt am Main eine systematische Be- standserfassung der innerstädtischen Rasen und Wiesen durchgeführt. Diese dient als Grundlage, um Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt zu planen und um- Mähgut aus dem nahegelegenen Naturschutzgebiet Schwanheimer zusetzen. Neben dem bereits vorhandenen, etwa 300 Hektar großen Dünen aufgewertet. Gegenüber handelsüblichem Saat- und Pflanz- Wiesenbestand hat die Stadt bislang rund 80 weitere Flächen mit gut hat diese Methode einen entscheidenden Vorteil: Durch die im Potential für die Entwicklung artenreicher Wiesen im Stadtgebiet Heu enthaltenen Samen lässt sich das gesamte Artenspektrum der identifiziert. Teilweise wurden hier Maßnahmen bereits realisiert, Spenderfläche übertragen – inklusive der seltenen Arten, für die befinden sich aktuell in der Umsetzung oder werden noch auf ihre sonst meist kein Saatgut zur Verfügung steht. Heute wachsen an Machbarkeit hin überprüft. der Schwanheimer Uferstraße 180 Arten – fast 70 mehr als noch vor fünf Jahren. Sogar seltene und geschützte Arten wie die Heide- Bei vielen Flächen setzt die Stadt dabei auf eine Zusammenarbeit Nelke, die Sand-Grasnelke oder den Sichelklee kann man heute in mit Naturschutzverbänden oder der lokalen Landwirtschaft. So der Schwanheimer Uferstraße entdecken. gestaltet der BUND Frankfurt in Kooperation mit dem Grünflä- chenamt seit 2002 artenarme Rasen- und Bodendeckerflächen an Kritik und Zweifeln begegnet die Stadt mit einer intensiven Öf- der Stresemannallee zu naturnahen Wiesen um. Diese erfolgreiche fentlichkeitsarbeit. Eine eigens zum Thema gestaltete Broschüre Zusammenarbeit wurde inzwischen auf etwa ein Dutzend Wie- mit dem Titel „Wiesen, Stauden, Schmetterlinge. Mehr Vielfalt in senprojekte im Stadtgebiet ausgeweitet. Auf besonders großen die Stadt!“ informiert über bisherige und geplante Aktivitäten Grünflächen wie zum Beispiel dem Nidda-Park mit rund 50 Hektar sowie Hintergründe zur Unterhaltung der Rasen und Wiesen in zweischürigen Wiesen arbeitet die Stadt mit Landwirtinnen und der Stadt. Landwirten zusammen, die über die notwendigen Gerätschaften für eine naturnahe Pflege verfügen und das Schnittgut zur Tier- Kontaktdaten: fütterung oder als Streu verwenden. Stadt Frankfurt am Main Grünflächenamt Eine Besonderheit im städtischen Raum ist die Mähgutübertragung Franz-Josef Lüttig von Flächen mit besonderer Artenvielfalt – wie beispielsweise an Telefon: 06921-237622 der Schwanheimer Uferstraße. Diese wurde mit gebietseigenem E-Mail: franz-josef.luettig@stadt-frankfurt.de www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 13
Grünflächenunterhaltung Vom Wechselflor zum nachhaltigen Staudenbeet Gärtnerisches Grün Mit dauerhaften Staudenmischpflanzungen können Kommunen sollte der Boden frei von Wildkräutern wie Quecke, Acker-Winde öffentliche Zierflächen attraktiv und naturnah gestalten. Im oder Acker-Schachtelhalm sein. Nach der Pflanzung ist es ratsam, Unterschied zum Wechselflor, der zwei- oder dreimal pro Jahr er- offenen Boden zu vermeiden, da darauf unerwünschte Wildkräuter neuert werden muss, blühen die Staudenpflanzungen bei richtiger keimen könnten. Besonders ökologisch ist es, durch Einsaaten von Planung über viele Jahre hinweg immer wieder neu – ein wichtiger eher kurzlebigen Arten wie zum Beispiel dem Nelkenleimkraut für Schritt zu mehr Naturnähe im städtischen Grün. Wird außerdem auf einen schnellen Lückenschluss zu sorgen. Alternativ kann eine eine insektenfreundliche Auswahl der Arten geachtet, locken die Mulchschicht die Keimung von anfliegenden Samen verringern. Staudenbeete auch Schmetterlinge, Wildbienen und viele andere Bereits ab dem zweiten Jahr reduziert sich der Pflegeaufwand Arten in die Stadt. in Staudenmischpflanzungen erheblich. Neben der regelmäßigen Wildkrautkontrolle beschränkt er sich im Wesentlichen auf einen Staudenpflanzungen als nachhaltige Alternative Rückschnitt der Stauden im Spätwinter. Wildkräuter sollten je- Für fast jeden Standort im öffentlichen Bereich gibt es Stauden- doch mit Bedacht entfernt werden, da eingewanderte Pflanzen mischungen, die in mehrjährigen Versuchen für ihre Anwendung wie Vergissmeinnicht, Hundskamille oder Ehrenpreis das Bild der in ästhetischer und pflegerischer Hinsicht optimiert wurden. Staudenpflanzung auch bereichern können. Solche Mischpflanzungen sind die einfachste Möglichkeit, dau- erhafte und pflegereduzierte Staudenpflanzungen in der Stadt Gestaltungspielräume für mehr biologische Vielfalt zu schaffen, da sie sich weitgehend selbst regulieren: Durch die Werden vorwiegend heimische Arten in den Pflanzungen verwendet, fortlaufende Verjüngung der Stauden, durch Selbstaussaat oder profitieren Wildbienen und andere Blütenbesucher. Außerdem ist vegetative Ausbreitung zieren die attraktiven Pflanzungen oft es wichtig, nur Pflanzen mit ungefüllten Blüten zu verwenden. über Jahre das Stadtgrün. Ihre Langlebigkeit macht Stauden- Gefüllte Sorten wie Garten-Chrysanthemen bieten den Blütenbe- mischpflanzungen zu einer attraktiven und gleichzeitig kos- suchern keinen oder nur wenig Nektar und Pollen. tengünstigen Alternative gegenüber Wechselfloren und anderen Zierbeeten. Einige Pflanzen besitzen zudem die Fähigkeit zur Nachblüte. Wer- den diese nach der Blüte ganz zurückgeschnitten (sogenannter Ob ein Staudenbeet tatsächlich dauerhaft und pflegereduziert Remontierschnitt), treiben sie neu aus und kommen im Herbst ein bleibt, hängt ganz wesentlich von einer korrekten Pflanzung und zweites Mal zu einer attraktiven Blüte – auf diese Weise verlängert Pflege ab. Der Grundstein für eine gelungene Staudenpflanzung sich das Nahrungsangebot für zahlreiche Arten. wird bereits bei der Auswahl der Pflanzen gelegt: Licht-, Was- ser- und Bodenverhältnisse müssen ausreichend berücksichtigt Werden außerdem einige Stauden mit ausdauernden Blütenständen werden. Um den Pflegeaufwand möglichst gering zu halten, wie Königskerze oder Wilde Karde bis ins Frühjahr auf der Fläche Stadt Radolfzell Stadt Radolfzell 14 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Grünflächenunterhaltung belassen, finden Insekten einen wertvollen Brutplatz und Vögel türliche Gestaltungselemente wie Totholz oder Steinhaufen können an den reifen Samenständen Nahrung. Die im Winter mit Raureif die Fläche darüber hinaus bereichern und wertvolle Lebensräume überzogenen Wintersteher haben auch ihren ästhetischen Reiz. Na- für zahlreiche Tierarten schaffen. Naturnahe Gestaltung repräsentativer Flächen in Donzdorf In Donzdorf, einer Kleinstadt mit 11.000 Einwohnern am Fuß der Arten wie zum Beispiel der Sonnenhut zum Einsatz. Aber auch Schwäbischen Alb, wird das Stadtgrün naturnah gepflegt. Konse- hier ist die Insektenfreundlichkeit oberstes Gebot. Zuchtformen quent verzichtet man hier auf Mineraldünger und Pestizide und mit gefüllten Blüten sind in den Staudenpflanzungen in Donzdorf achtet darauf, gebietseigenes Saatgut bei Ansaaten zu verwenden. tabu. Und wo es weniger repräsentativ aussehen kann, setzt die Sogar die sensiblen Zierflächen in der Stadt sind heute naturnah Stadt auf pflegeextensive Ansaaten mit gebietseigenem Saatgut. gestaltet. Seit 2004 hat sich die Stadt komplett von den arbeits- intensiven Wechselfloren verabschiedet. Stattdessen schmücken Nach anfänglicher Skepsis steht die Stadtbevölkerung heute voll heute dauerhafte Staudenplanzungen den Schlossgarten, Kreis- und ganz hinter den naturnahen Flächen. Die Motivation und das verkehre und andere repräsentative Flächen. Die größte Ersparnis Fachwissen des Personals ist dafür eine entscheidende Vorausset- entfällt auf das Saat- und Pflanzgut. Wo zuvor jährlich 6.000 zung. Denn nur bei richtiger Pflege erhalten die Staudenpflanzun- Stiefmütterchen gepflanzt und nach kurzer Zeit schon wieder dem gen auch über viele Jahre hinweg ihr schönes Bild. nächsten Blütenflor weichen mussten, werden die Flächen heute für mehrere Jahre angelegt. Auch der Verzicht auf eine ständige Kontaktdaten: Bewässerung macht sich bezahlt. Damit auch blütenbesuchende Stadt Donzdorf Insekten wie Wildbienen und Tagfalter von den Pflanzungen pro- Stadtplanungs- und Hochbauamt fitieren, setzt die Stadt wo immer möglich auf heimische Arten. Georg Krause Insbesondere kommen Färberkamille, Ochsenauge, Ysop oder die Telefon: 07162-922215 Karthäusernelke zum Einsatz. Eine Kombination aus Früh- und E-Mail: georg.krause@donzdorf.de Spätblühern sorgt für eine üppige Blütenpracht – fast das ganze Jahr über. Für das Sommerloch kommen auch nicht-heimische Literaturempfehlungen: • Heinrich, A.; Messer, U.J. (2012): Staudenmischpflanzungen. Praxis – Beispiele – Tendenzen. • Witt, R. (2015): Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten: Kräuter, Stauden und Sträucher. Für Jahrzehnte erfolgreich gärtnern. Unkrautlexikon, Pflegestrategien. Extrateil Klima und Katastrophen. www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 15
Grünflächenunterhaltung Artenreiche Riesen Baumpflege Bäume stehen bei der Bevölkerung hoch im Kurs. 70 Prozent der ihrer Entwicklung auf die heimischen Bäume spezialisiert. An Deutschen betrachten Bäume und Pflanzen am Straßenrand als Vogelkirschen leben zum Beispiel über 100 holzbesiedelnde Käfer- zweitwichtigsten Bestandteil von Natur in der Stadt – nur die arten und 48 verschiedene Vogelarten verzehren ihre Früchte. Die öffentlichen Parkanlagen erzielen einen noch höheren Wert.7 Zu Bäume in der Stadt – insbesondere jene im Straßenraum – sind Recht, denn Bäume entfalten unzählige positive Wirkungen: Sie jedoch häufig starken Widrigkeiten wie einer hohen Schadstoff- prägen das Stadtbild, fördern die Gesundheit und das Wohlbefinden und Salzbelastung oder extremer Trockenheit und Hitze ausgesetzt. des Menschen, verbessern das Stadtklima und filtern Stäube und Daher kann es gelegentlich sinnvoll sein, auf gebietsfremde Arten Schadstoffe aus der Luft. Auch für die biologische Vielfalt in der aus trockeneren Klimazonen zurückzugreifen. Einen Überblick Stadt sind Bäume von herausragender Bedeutung, da sie vielen zu Baumarten, die für die besonderen Bedingungen in der Stadt Tieren wie Insekten, Vögeln und Fledermäusen Nistplätze, Schutz geeignet sind, gibt die Straßenbaumliste der Deutschen Garten- und Nahrung bieten. amtsleiterkonferenz e.V. (GALK). Deren Empfehlungen gelten allerdings bundesweit und sollten daher vor der Umsetzung auf Baumbestand erhalten und fördern ihre lokale Eignung geprüft werden. In Parks oder Stadtwäldern Im Sinne der biologischen Vielfalt haben der Erhalt und die Erwei- finden Bäume häufig bessere Standortbedingungen vor. Hier soll- terung des Baumbestandes in der Stadt oberste Priorität. Daher te im Sinne der biologischen Vielfalt auf heimische Baumarten sollte der Grundstein für ein gesundes und langfristiges Gedeihen zurückgegriffen werden. der Stadtbäume immer schon bei der Baumpflanzung gelegt werden. Entscheidend dabei ist, eine Alt- und Biotopbäume erhalten für den Standort geeignete Baumart aus- Stadtbäume sind nicht nur widrigen Stand- zuwählen sowie für einen ausreichenden ortbedingungen ausgesetzt, aufgrund der großen Wurzel- und Standraum zu Verkehrssicherungspflicht unterliegen sorgen. In der Realität können diese sie auch einer besonders restrikti- Voraussetzungen in der Stadt aber ven Pflege. Besonders die für die häufig nur schwer eingehalten Tierwelt wertvollen Strukturen werden. Daher ist es umso wich- wie Baumhöhlen oder Totholz tiger, den bereits bestehenden bergen das Risiko von Stamm- und Baumbestand fachgerecht und Astbrüchen. Bäume mit diesen kontinuierlich zu pflegen. Merkmalen werden in der Praxis oft gefällt, ohne die Potenziale Einen wichtigen Beitrag zur Baum- zum Artenschutz auszuschöpfen. gesundheit und somit zum Baumer- Mit einer vorausschauenden Baum- halt leisten auch ökologisch gestalte- kontrolle und -pflege ließen sich die te Baumscheiben. Wird der unversiegelte Konflikte zwischen Artenschutz und Bereich um den Baum begrünt, mindern die Stadt Osnabrück Verkehrssicherung jedoch häufig vermeiden. Pflanzen die Bodenaustrocknung, sorgen für Um frühzeitig erkennen zu können, ob ein Baum einen gesunden Boden und fördern die Nährstoffver- artenschutzrechtlich relevant ist, müssen die betref- fügbarkeit. Bepflanzte Baumscheiben sind zudem Kleinbiotope in fenden Fachkräfte über einen guten Einblick in die rechtlichen einer ansonsten oft weitgehend durch Asphalt und Beton versie- Bestimmungen sowie eine angemessene Artenkenntnis verfügen. Es gelten Umgebung. empfiehlt sich, etwaige Lebensräume besonders geschützter Arten wie Baumhöhlen zu kartieren und zu markieren. Dies erleichtert Nicht nur durch Pflege, sondern auch durch Baumschutzsatzun- es, alternative Maßnahmen zu entwickeln, die im Optimalfall gen können Kommunen dazu beitragen, dass Bäume langfristig sowohl den Erhalt des Baumes als auch die Verkehrssicherheit geschützt und erhalten bleiben. In den Satzungen können garantieren. Mitunter ist es schon damit getan, die Wegführung weitreichende Vorgaben zum Baumschutz formuliert werden. Bei zu ändern, doch auch ein zeitweiliges oder dauerhaftes Absperren besonderen Stadtbäumen können Kommunen zudem Einzelbäume des Gefahrenbereichs kann eine Lösung bieten. Baumpflegerische als Naturdenkmale unter Schutz stellen. Sicherungsmaßnahmen wie das Einkürzen von Kronenteilen oder eine Sicherung durch Erdanker und Stützen kann die ökologisch Heimische Baumarten verwenden besonders wertvollen Alt- und Biotopbäume häufig noch über Jahre Die Verwendung heimischer Baumarten fördert die biologische erhalten. Ein bereits toter Baum kann als Torso verbleiben und Vielfalt, denn viele Tier- und Insektenarten haben sich im Laufe totholzbewohnenden Insekten einen Lebensraum bieten. 16 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
Grünflächenunterhaltung Das Projekt Eichensicherung in Karlsruhe Karlsruhe ist eine junge Stadt, die vor rund 300 Jahren inmitten seltenen Bewohner durch. Zum Teil wurden Stahlstützen an eines ausgedehnten Waldes erbaut wurde. Daher besitzt die Stadt den Bäumen angebracht, um eine Gefährdung von Menschen noch zahlreiche alte Eichen, die seit Jahrzehnten von der Forstver- zu verhindern. waltung und dem Gartenbauamt betreut und gepflegt werden. Sie sind nicht nur prägend für das Stadtbild, sondern auch wichtige Die Eichensicherung wird von einer intensiven Öffentlichkeitsar- Lebensräume für zahlreiche Tierarten. Dazu zählen beispielsweise beit begleitet. So finden zum Beispiel Führungen statt, die den etwa 400 heimische Schmetterlingsarten, die direkt oder indirekt nachtaktiven Heldbock thematisieren und den Nutzen der Pfle- von den Eichen leben oder bedrohte, wärmeliebende Käferarten gemaßnahmen vermitteln. All dies trägt dazu bei, dass Karlsruhe wie der europaweit geschützte Heldbock. unter Fachleuten mittlerweile als „Heldbockhauptstadt“ bekannt ist. Ganz nebenbei profitieren zahlreiche andere Tiere wie der ge- Das Projekt Eichensicherung hat zum Ziel, die nach ihrer auf- fährdete Mittelspecht von den Maßnahmen zur Eichensicherung, da fälligen Charakterart benannten „Heldbockeichen“ langfristig er in den Alteichen ein reichhaltiges Nahrungsangebot vorfindet. zu erhalten. Dazu hat die Stadt viele Bäume als Naturdenk- male ausgewiesen. Privatpersonen, auf deren Grundstück eine Kontaktdaten: „Heldbockeiche“ steht, können zur Sicherung und Pflege des Stadt Karlsruhe Baumes einen Zuschuss erhalten. Oft sind jedoch Eingriffe an Gartenbauamt den wertvollen Eichen notwendig, um der Verkehrssicherungs- Telefon: 0721-1336701 pflicht gerecht zu werden. In Karlsruhe führt man Rückschnit- E-Mail: gba@karlsruhe.de te gezielt und unter größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Literaturempfehlungen: • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) (2012): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze. • Dietz, M.; Dujesiefken, D.; Kowol, T.; Reuther, J.; Rieche, T.; Wurst, C. (2015): Artenschutz und Baumpflege. • GALK Straßenbaumliste: www.strassenbaumliste.galk.de www.stadtgrün-naturnah.de Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt | 17
Grünflächenunterhaltung Ab durch die Hecke! Strauchpflege Hecken und Sträucher erfüllen viele Funktionen: Als grüne Lebend- Kindergärten, Schulhöfen und Spielplätzen lassen sich arten- und zäune dienen sie als Sichtschutz und begrenzen Flächen, schützen strukturreiche Hecken gezielt entwickeln. Vor allem dort, wo Kinder vor Wind und sind ein wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl spielen, bietet es sich an, auf essbare Arten wie Johannisbeere oder heimischer Tierarten. Vögel nutzen sie als Brutgelegenheit, an den Felsenbirne zu setzen, von denen die Kinder naschen können – auf Blüten finden Insekten einen reichgedeckten Tisch, während die giftige Arten wie Eibe, Goldregen und Kirschlorbeer sollte man hier Früchte der Hecken für Vögel, Kleinsäuger und Insekten wertvolle natürlich verzichten. Als ökologisch wertvolle und pflegeleichte Nahrung darstellen. Wie lässt sich ihre Bedeutung als Lebensraum Alternativen zur sonst üblichen Gestaltung mit monotonem Rasen im Rahmen der naturnahen Pflege noch verbessern? oder Bodendeckern eignen sich Gebüschgruppen auch auf steilen und größeren Böschungen. Gestaltungsspielräume bei Formhecken Aufgrund von Platzmangel werden Hecken in der Stadt häufig Mit Rücksicht auf Tiere pflegen regelmäßig geschnitten und als sogenannte Formhecken einfach Auch die freiwachsende, naturnahe Hecke kommt nicht ohne strukturiert. Gerne werden dafür nicht-heimische Ziergehölze wie gelegentliche Pflege aus. Damit aus der Hecke keine Baumreihe Thuja oder Kirschlorbeer verwendet, was den Wert von Formhecken wird, müssen zu groß gewordene Gehölze zurückgeschnitten als Nahrungsquelle und Lebensraum für Tiere weiter schmälert. werden. Mitunter kann es notwendig werden, die Sträucher mit Vorteilhafter ist es, heimische Arten wie Gewöhnlicher Liguster, einem radikalen Rückschnitt „auf den Stock“ zu setzen, um einen Hainbuche, Feldahorn oder Weißdorn zu verwenden. Auch wenn dichten und stabilen Wuchs zur fördern. Dabei gilt die gesetzliche schonende Form- und Pflegeschnitte von der gesetzlichen Schnitt- Schnittzeitenregelung aus § 39 des Bundesnaturschutzgesetzes, zeitenregelung ausgenommen sind, sollten diese aus Rücksicht auf die ein Abschneiden oder Auf-den-Stock-Setzen zum Schutz der Freibrüter wie Zaunkönig oder Heckenbraunelle nach der Brutzeit Vögel zwischen dem 1. März und 30. September verbietet. Beim durchgeführt werden. So fallen die gut versteckten Vogelnester Rückschnitt sollte man immer gestaffelt vorgehen und nur einzelne nicht Nesträubern wie Katzen oder Mardern zum Opfer. Belässt Abschnitte auslichten oder auf den Stock setzen, damit die Tiere man das Laub der Hecke in ihrem Umfeld, sorgt es als natürlicher nicht plötzlich ihren gesamten Lebensraum verlieren. Dünger für ein gesundes Wachstum der Hecke, schützt den Boden vor Verdunstung und Frost und bietet zahlreichen bodenbewoh- Strukturelemente ergänzen nenden Insekten Schutz und Nahrung. Das größte ökologische Potential entfalten Hecken dann, wenn ihnen ein arten- und blütenreicher Saum vorgelagert wird, der Freiwachsende Sträucher erhalten und entwickeln nur ein- bis zweimal im Jahr und abschnittsweise gemäht wird. Freiwachsende Strauchpflanzungen mit heimischen Wildsträuchern Auch kleinteiligere Strukturen wie Haufen aus Ästen oder Laub und dichtem Gebüsch sind mit ihrer Fülle von Blüten, Früchten schaffen wichtige Lebensräume, zum Beispiel als Überwinte- und Versteckmöglichkeiten von besonderem Wert für die Tiere in rungsquartiere für Igel oder die seltenen Brandmäuse. Totholz der Stadt. Da die Farben von Blüten, Laub und Fruchtbehang im in jeglicher Form – sei es als Reisig unter Formhecken oder als Jahresverlauf wechseln, sind diese zudem ein ständiger Blickfang. Baumstumpf in naturnahen Hecken – kommt zudem unzähligen Auf größeren öffentlichen Grünflächen und an Einrichtungen wie Insekten zugute. Stadt Neu-Anspach 18 | Handlungsfelder für mehr Natur in der Stadt www.stadtgrün-naturnah.de
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