Handlungsleitfaden für die Jugendarbeit Handlungsleitfaden für die Jugendarbeit - Fachstelle für ...
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IMPRESSUM Herausgeber: Text und Redaktion: VIVID - Fachstelle Wolfgang Zeyringer unter Mitarbeit von Doris Hasenschwandtner vom Steirischen Dachverband für Suchtprävention Steiermark der offenen Jugendarbeit – Projektbüro Suchtprävention. Hans-Sachs-Gasse 12/II, 8010 Graz ☎ 0316-82 33 00 Für die Kapitel 4 und 7 wurden Textauszüge aus der Broschüre „Infopool Alkohol“, 2003, VIVID – Fachstelle für Suchtprävention und Steirischer Dachverband der offenen Jugendarbeit – Projektbüro Suchtprävention, übernommen. Jänner 2007 Teile des Kapitels 6 wurden der Orientierungshilfe „Zum Umgang mit Alkohol in der Jugendarbeit“, Hrsg. Justiz-, Gemeinde- und Kulturdepartement des Kantons Luzern, entnommen. Layout: cre[art]eam pichler Druck: Thalerhof Feldkirchen/Graz 65
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ....................................................................................................................................................................................................................................................................................... 5 2. Fakten zum Thema Alkohol & Jugend . ............................................................................................................................................................................................................. 6 3. Verständnis von Alkoholprävention .................................................................................................................................................................................................................... 8 4. Anregungen zum Umgang mit Alkohol in der Jugendarbeit .......................................................................................................................................................... 10 5. Gespräche mit Jugendlichen zum Thema Alkohol ................................................................................................................................................................................... 46 6. Früherkennung von gefährdeten Jugendlichen ......................................................................................................................................................................................... 58 7. Materialien & Links zur Vertiefung ....................................................................................................................................................................................................................... 64
Einleitung Das Thema Alkohol beschäftigt viele Menschen. Vor allem in päda- Das Thema Früherkennung von gefährdeten Jugendlichen sowie gogischen Handlungsfeldern fragt man sich, wie eine zeitgemäße Materialien und Web-Adressen bilden den Abschluss. Zusätzliche Alkoholprävention aussehen kann. Der erhobene Zeigefinger wurde Impulse und Anregungen zur suchtpräventiven Arbeit mit Jugend- mehr und mehr durch sachliche Information ersetzt. Das Bedürfnis lichen sind in den weiteren Materialien des Praxispackages „High von Jugendlichen nach berauschenden Erfahrungen wird mehr und genug?“ zu finden, das bei VIVID, der steirischen Fachstelle für mehr anerkannt. Suchtprävention und beim steirischen Dachverband der offenen Jugendarbeit bestellt werden kann. Wir freuen uns über eine ange- Was sind jedoch die Konsequenzen, die sich daraus in der alltäg- regte und kritische Auseinandersetzung! lichen Jugendarbeit ergeben? Die vorliegende Broschüre möchte Anregungen und Orientierungs- punkte liefern, wie die Begleitung von (riskant) Alkohol konsumie- renden Jugendlichen gestaltet werden kann. Sie baut auf Fakten zum Thema Jugend und Alkohol auf und beschreibt die aktuelle Haltung in der Alkoholprävention. Konkrete Beispiele geben Einblick in Handlungsmöglichkeiten und möchten Ideen für eigene Aktivitäten anregen. Da das Gespräch mit Jugendlichen auch in der Alkoholprävention eine wichtige Rolle spielt, werden Faktoren und Beispiele für gelingende Kommunika- tion dargestellt.
Fakten zum Thema Jugend und Alkohol Österreich ist ein „feuchtes“ Land und in Bezug auf Alkohol Selbst- jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Mädchen versorger. Das Experimentieren und der Konsum von Alkohol gehört bevorzugen vor allem süße und wenig nach Alkohol schmeckende für den Großteil der Jugendlichen – wie andere Entwicklungsauf- Mischgetränke. gaben – zum Erwachsenwerden dazu. Ein Viertel der 15-jährigen Burschen, aber nur ein Zehntel Von 100 Jugendlichen zwischen 15 und 16 Jahren haben der 15-jährigen Mädchen trinken mindestens einmal in 93 im letzten Jahr Alkohol getrunken. der Woche Bier. Harte Getränke wie z.B. Schnaps werden Quelle: ESPAD 2003, www.espad.org in dieser Altersgruppe bereits von 11% der Burschen und 6% der Mädchen mindestens wöchentlich konsumiert. Bei Mädchen wie Burschen sind alkoholische Mischgetränke Bereits im frühen Jugendalter bilden sich regelmäßige Konsum- die beliebteste Form, Alkohol zu trinken. Rund ein Drittel muster aus. Dies zeigt auf, dass es zwischen den gesetzlichen Re- der 15-jährigen Mädchen und ein Viertel der Burschen ma- gelungen (Jugendschutz) und dem Alltag vieler Jugendlicher einen chen dies mindestens einmal in der Woche. Widerspruch gibt. Aus anderen Studien ist weiters bekannt, dass je Quelle: WHO-HSBC-Survey, LBI 2001 früher regelmäßig Alkohol konsumiert wird, desto eher ist man für eine spätere Suchtentwicklung gefährdet. Rauscherfahrungen mit Alkohol gehören für viele Jugendliche zu Zwischen 13 und 15 Jahren erfolgt der Einstieg in einen ihrem Alltag dazu. Je nach Bildungsstatus fallen diese Erfahrungen mehr oder weniger regelmäßigen Konsum von Alkohol. Mit unterschiedlich intensiv aus. 13 Jahren trinken 3% der Jugendlichen mindestens jede Woche Bier und 5% Mischgetränke. Mit 15 Jahren trinken 69% der Jugendlichen im Alter von 15 und 16 Jahren wa- bereits 18% wöchentlich Bier und 29% Mischgetränke. ren in den letzten 12 Monaten betrunken. Zum Vergleich Quelle: WHO-HSBC-Survey, LBI 2001 dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 53%. Schü- ler/-innen einer Hauptschule, polytechnischen Schule oder Berufsschule waren dabei bereits häufiger betrunken als Beim Alkoholkonsum gleichen sich Mädchen an Gewohnheiten der Schüler/-innen einer höheren Schule. Burschen an. Hinsichtlich der einzelnen Getränketypen lassen sich Quellen: WHO-HSBC-Survey, LBI 2001; ESPAD 2003, www.espad.org
Die zunehmende Beliebtheit von Mischgetränken führte zu eini- Die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit dauert in der Regel gen Problemen, wie z.B. der raschen und subjektiv unbemerkten mehrere Jahre bis Jahrzehnte und betrifft daher vor allem die er- Aufnahme von Alkohol im Blut, die zur Bewusstlosigkeit und Alko- wachsene Bevölkerung. Die Muster, wie jemand mit Alkohol um- holvergiftung führen kann. Darüber hinaus hat sich in den letzten geht, bilden sich jedoch bereits im Jugendalter aus und ändern sich Jahren die öffentliche Wahrnehmung zum Thema Jugend und Alko- in der Regel nur noch geringfügig. hol geändert. Übermäßiger Konsum in der Öffentlichkeit und daraus resultieren- In der Steiermark sind etwa 59.000 Personen über 15 Jahre de, mögliche negative Folgen werden mittlerweile weniger als Ka- alkoholabhängig. Durchschnittlich erkranken männliche valiersdelikte, sondern als ernstzunehmende Probleme eingestuft. Alkoholiker um das 26. Lebensjahr und weibliche um das Gleichzeitig ist auch festzuhalten, dass der Anteil von alkoholab- 34. Lebensjahr an Alkoholismus. hängigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Quelle: Uhl/Kobrna 2004: ca. 5% der erwachsenen Bevölkerung ab 15 sind alkoholabhängig. Daten für die Steiermark (1.183.303 Wohnbevölkerung, Statistik Austria, LASTAT Steiermark; Jahren nicht gestiegen ist. 2001); Handbuch Alkohol 2001 Der Trend zu teilweise exzessivem Konsum von alkoho- lischen (Misch-)Getränken zeigt sich darin, dass immer mehr Kinder und Jugendliche wegen Alkoholvergiftungen in Krankenanstalten eingeliefert werden. An der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde stieg die Zahl von 10 (im Jahr 1992) auf 152 (2001) Aufnahmen. Dieser Wert wurde auch 2005 mit 144 Personen wieder er- reicht. Quelle: Uhl 2003; http://api.or.at/lbi/download.htm, Hauptdiagnosen nach ICD-10 der Univ.- Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz. Die Daten wurden von Univ.-Prof. Dr. W. Müller zur Verfügung gestellt.
Verständnis von Alkoholprävention Wie Suchtvorbeugung verstanden wird hat sich in den letzten Jah- ‹ Individuum und Gesellschaft gefordert ren stark verändert: Wurde Alkoholkonsum früher vor allem als Ge- fahr betrachtet und Abstinenz als Ziel propagiert, geht es heute in Der Umgang mit Alkohol ist ein Thema, das die gesamte Gesell- erster Linie darum, Menschen zu befähigen, einen verantwortungs- schaft von jung bis alt betrifft. Es braucht daher sowohl individu- vollen Umgang mit Alkohol zu lernen. elle, als auch strukturelle Ansätze (z.B. die Bereitstellung von Räu- men, in denen Jugendliche wichtige Lebens- und Lernerfahrungen machen können) in der Präventionsarbeit. ‹ Risikooptimierung statt Risikominimierung ‹ Förderung von Alternativen Das Bedürfnis nach Rausch und Risiko ist bei vielen Jugendlichen stark ausgeprägt und verlangt entsprechende präventive Modelle, Eine Jugendeinrichtung sollte ein Gedeih-Raum sein, der neue Mög- die diese Themen nicht moralisierend, sondern an der Lebenswelt lichkeiten des Miteinanders und der Lebensgestaltung eröffnet. Eine junger Menschen orientiert, aufgreifen. kreative Atmosphäre für gemeinsame Aktivitäten und entspannte wohlwollende Gespräche sind wichtige Voraussetzungen dafür. So rückt der Wunsch nach bloßem Konsumieren in den Hintergrund. ‹ Prävention und Intervention als zwei Säulen Jugendeinrichtungen sehen sich gefordert, auf das Thema Jugend ‹ Schutz- und Risikofaktoren und Alkohol präventiv einzugehen, aber auch auf Schädigungen und Gefahren durch Alkoholkonsum adäquat zu reagieren. Die Stärkung der so genannten Schutzfaktoren, d.h. Ressourcen, die den Menschen unterstützen, schwierige Phasen im Leben zu bewältigen und die kritische Auseinandersetzung mit Aspekten, die ‹ Hinschauen statt Wegschauen eine Suchtentwicklung begünstigen (Risikofaktoren), bilden zen- Eine klare Haltung, sich selbst gegenüber und gegenüber anderen, trale Ansatzpunkte für wirksame Prävention. ist zu diesem Thema gefragt, die von einer Bereitschaft zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema geprägt sein sollte.
‹ Partizipation • Fördern eines eigenverantwortlichen Umgangs von Jugend- lichen mit Alkohol in unterschiedlichen Lebensbereichen Maxime bei allen Maßnahmen in der Alkoholprävention (Veranstal- • Bereitstellen von Angeboten und Räumen, die Jugendlichen tungen, Erstellung von Regeln, Ausflüge,...) ist, dass Jugendliche Eigenerfahrungen mit und ohne Alkohol sowie Platz und Raum sowohl in die Vorbereitung wie auch Durchführung aktiv eingebun- für einen Austausch über diese Erfahrungen ermöglichen den sind und ihre Fähigkeiten und ihre Standpunkte einbringen • Aktivierendes und lebendiges Gestalten einer Party-/Festkultur können. • Aushandeln von klaren und transparenten Regeln gemeinsam mit den beteiligten Jugendlichen und gezieltes Einbeziehen der ‹ Geschlechtssensibel Jugendlichen in Entscheidungen und andere Maßnahmen • Mut zur Konfrontation und Begegnung und Ermöglichen eines Mädchen haben andere Wünsche und Vorstellungen was ihr Leben wechselseitigen Austausches betrifft als Burschen. Sie machen andere Erfahrungen, da unsere Gesellschaft Mädchen und Burschen verschieden behandelt und verschiedene Erwartungen an sie knüpft. Die Beschäftigung mit dem Alkoholkonsum Jugendlicher erfordert eine geschlechtssensi- ble Herangehensweise und differenzierte Angebote. Ziele von Alkoholprävention Im Zentrum dieses Handlungsleitfadens stehen Impulse und Anre- gungen, die sich auf die folgenden übergeordneten Ziele beziehen: • Vernetztes Aufgreifen des Themas Jugend und Alkohol und Ko- operation mit anderen Beteiligten im eigenen Arbeitsfeld • Sensibilisieren der unterschiedlichen Beteiligten (Jugendliche, Eltern, Öffentlichkeit…) für die verschiedenen Qualitäten des Konsums: Genuss, Abstinenz, Rausch…
Anregungen zum Umgang mit Alkohol in der Jugendarbeit Das Thema Jugend und Alkohol steht verstärkt im Mittelpunkt des Die Anregungen und konkreten Beispiele in diesem Kapitel zeigen öffentlichen Interesses. Einrichtungen in der Jugendarbeit sind wie aus diesem Grund Möglichkeiten des Handelns auf, welche nicht andere Institutionen auch herausgefordert, sich damit auseinander als allseits geltende Rezepte zu verstehen sind, sondern viel mehr zu setzen. als Impulse, die in der praktischen Arbeit erfolgreich sind oder auch nicht. Was für den /die einen hilfreich und praktisch ist, funk- Jugendarbeit kann sich nicht darauf beschränken, über die Nach- tioniert bei einem/einer anderen nicht. So wie jede Person ihren teile von übermäßigem Alkoholkonsum zu informieren. Vor allem eigenen Stil hat, so verschieden sind auch die Einrichtungen und Jugendarbeiter/innen können behilflich sein, einen Umgang mit Bedingungen in der Jugendarbeit. Jede/r kann sich das heraussu- dieser in unserer Gesellschaft hoch anerkannten und immer und chen, was für sie/ihn als Anregung dienlich ist. überall vorhandenen Substanz zu erlernen. Das „Einüben“ von Genuss und Verzicht, die Reflexion des eigenen 1. Vorbildwirkung Konsum- und Risikoverhaltens oder das Kennenlernen von krea- tiven „berauschenden“ Alternativen sind Möglichkeiten, sich dem Fast jeder Erwachsene trinkt selbst gerne alkoholische Getränke. Thema zu nähern. Der persönliche Umgang mit Alkohol nimmt wiederum Einfluss auf die Beziehung zu Jugendlichen und auf den Ablauf von gemein- In der Regel engagieren und bemühen sich Jugendarbeiter/innen samen Aktivitäten. „richtig“ zu handeln. Die eigenen hohen Erwartungen und die der Gesellschaft können Druck und Resignation erzeugen, wenn das Jugendliche beobachten Erwachsene in ihrem Konsumverhalten Engagement bei den Jugendlichen scheinbar nicht ankommt oder sehr genau. Das bedeutet, dass die Vorbildfunktion von Erwachse- nicht erwünscht ist. Dabei wird manchmal übersehen, dass qua- nen stärker wahrgenommen wird als „pädagogische Erklärungen“. litätvolle Jugendarbeit bei Jugendlichen immer eine Wirkung hin- Durch ihre Beobachtungen lernen Jugendliche einen möglichen terlässt. Auch wenn der Eindruck entsteht, dass man mit einem Umgang mit Alkohol. Eine klare und reflektierte Haltung von Er- Vorhaben gescheitert ist: liebevolles Dasein für Jugendliche hinter- wachsenen sowie die Bereitschaft zum gemeinsamen Dialog kön- lässt immer Spuren! nen Jugendliche anregen, sich Gedanken zum eigenen Alkoholkon- sum zu machen. 10
‹ Wie kann ich als Erwachsener einen konstruk- In diesem Zusammenhang einige Impulsfragen, die den persön- lichen Umgang mit Alkohol und mögliche Auswirkungen in der Ar- tiven Umgang mit Alkohol vermitteln? beit mit Jugendlichen thematisieren: Persönliche Erfahrungen mit Alkohol in der eigenen Entwicklung • Welche Gedanken haben Sie sich zu Ihrer eigenen prägen in der Regel (oft unbewusst) auch die pädagogische Arbeit Einstellung zu Alkohol bisher gemacht? mit Jugendlichen. Spannungen innerhalb eines Teams entstehen • Wie schätzen Sie den Gefährdungsgrad von Alkohol häufig dann, wenn dieses Thema von den Beteiligten unterschied- gegenüber anderen Suchtmitteln wie z.B. Nikotin, lich beurteilt wird und wenn es keinen transparenten Konsens da- Cannabis, Heroin ein? rüber gibt, welche Ziele in Bezug auf die Prävention von Alkohol- • In welchen Situationen konsumieren Sie gemeinsam missbrauch verfolgt werden. Jugendarbeiter X könnte z.B. meinen, mit Jugendlichen alkoholische Getränke? Und mit welcher dass regelmäßiges Rauschtrinken (wie in seiner eigenen Jugend) Absicht? zum jugendlichen Aufwachsen einfach dazugehört. Jugendarbeite- • Wie reagieren Sie, wenn Sie von Jugendlichen auf Ihren rin Y, die in ihrer eigenen Jugend schlechte Erfahrungen mit Alkohol eigenen Umgang mit Alkohol angesprochen werden? gemacht hat, könnte wiederum entgegnen, dass das absolut nicht • Wie werden Jugendliche, welche die geltenden Regeln normal ist und dass einige der betreuten Jugendlichen eigentlich zu Alkohol verletzen, von Ihnen behandelt? Finden Sie schon eine Suchtberatungsstelle aufsuchen sollten. Welcher der manche Jugendliche sympathischer als andere? beiden Standpunkte ist nun der passende für die pädagogische Arbeit? Quelle: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): Manual für die stationäre Jugendhilfe Auf jeden Fall sollten eigene Erfahrungen mit Alkohol nicht als al- leiniger Maßstab für die Begleitung von Jugendlichen herangezo- Wenn mehrere Personen in einem Team zusammenarbeiten, emp- gen werden. Schließlich sind Faktoren, die einen selbst vor einer fiehlt es sich in einer offenen Atmosphäre die unterschiedlichen Suchtentwicklung geschützt haben wie z.B. stabile Familienver- Standpunkte zu diskutieren und eine gemeinsame Entscheidung zu hältnisse oder eine berufliche Perspektive, bei vielen Jugendlichen treffen, die von allen Beteiligten mitgetragen werden kann. heute weniger ausreichend vorhanden. 11
Auch in diesem Zusammenhang einige Impulsfragen: Eine einzige richtige Antwort gibt es auf diese Fragen nicht. Aber es gibt viele Möglichkeiten, wie das Thema Alkohol konstruktiv be- • Wie schätzen Sie die Bereitschaft Ihrer Kollegen und Kolle- arbeitet werden kann. ginnen ein, sich auf das Thema Alkohol in der Einrichtung einzulassen? ‹ Welche Vorbildwirkung hat eigentlich meine • Ist Ihnen der Standpunkt Ihrer Kollegen und Kolleginnen zu Alkohol bekannt? Jugendeinrichtung? • Gibt es im Team eher eine einheitliche Meinung zum Thema Alkohol oder gibt es deutliche Abweichungen zwischen den Welches Image hat eigentlich die eigene Jugendeinrichtung, wenn Kollegen und Kolleginnen? es um das Thema Alkohol bzw. Sucht und Drogen geht? Welches • Gibt es beim Standpunkt zum Thema Alkohol Unterschiede Bild habe ich als Mitarbeiter/in, und welches Bild haben Außenste- zwischen Leitung/Geschäftsführung und Mitarbeiter/in- hende wie z.B. Nachbarn, Eltern, Kooperationspartner? nen? Wenn ja, wie wird mit damit umgegangen? • Wie weit können Sie den im Team vertretenen Standpunkt Anbei einige Tipps, wie eine Jugendeinrichtung vorbildhaft mit dem zu Alkohol mittragen? Thema Alkohol umgehen könnte: • Wie weit steht das Team in kritischen Situationen zueinander? • Wie sorgen Sie dafür, dass es im Team einen regelmäßigen • Entwickeln Sie ein „wahrheitsgemäßes“ Konzept für Ihre Austausch über die Alkoholproblematik gibt? Einrichtung. Stellen Sie in Frage, was Ihre Einrichtung • Wie gehen Sie damit um, wenn ein Kollege oder eine Kolle- tatsächlich beim Thema Alkohol bzw. bei Problemen mit gin unter Umständen selbst ein Alkoholproblem hat? Alkohol leisten kann. • Unterscheiden Sie in Ihrer Arbeit zwischen konsumie- renden, gefährdeten und abhängigen Jugendlichen und Quelle: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): Manual für die stationäre Jugendhilfe überlegen Sie, welche Angebote Sie entsprechend bieten können. • Sichern Sie Ihr Handeln über Ihre Vorgesetzten ab. • Vertrauen Sie auf fachliche Unterstützung und Beratung und suchen Sie den Kontakt zu Fach- und Beratungsstellen. 12
• Nutzen Sie themenspezifische Angebote zur Weiterbildung. diesem Zusammenhang häufig die folgenden Fragen: • Fordern Sie regelmäßige Supervision ein. Wie können Räume für Jugendliche so gestaltet werden, dass sie • Sprechen Sie mit Ihren Kollegen und Kolleginnen und suchtvorbeugend und nicht suchtfördernd wirken? außen stehenden Personen über deren Einstellung zu Alkohol. Dazu ein paar Merksätze: • Platz für Ihren Vorschlag: • Räume dienen dem Wohlbefinden genauso wie ..................................................................................... der Funktionalität Quelle: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): Manual für die stationäre • Räume sollen Bewegung und Entfaltung ermöglichen Jugendhilfe • Rückzugsmöglichkeiten und Intimität müssen möglich sein! • Die Gestaltung von Räumen erzeugt Gefühle oder Das Thema Sucht ist in unserer Gesellschaft noch immer ein sehr Stimmungen (z.B. Farben…) tabuisiertes Thema. Die Bereitschaft zu einer offenen Diskussion • Räume sind Heimat – Identifikation mit ihnen soll darüber erleichtert es Jugendeinrichtungen, konstruktive Hand- entstehen lungsstrategien im Umgang damit zu finden und eine klare Position • Räume haben die Gesundheit nicht zu beeinträchtigen gegenüber anderen Beteiligten zu vermitteln. (Umwelteinflüsse…) Quelle: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): Manual für die stationäre 2. Räume Jugendhilfe Räume sind Orte, an denen Leben gestaltet wird. Deren Ausgestal- tung wirkt sich direkt auf das Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Die Umgebung, in der Jugendliche sich bewegen, prägt und beeinflusst ihre Zufriedenheit und ihre Gefühle. Alkoholische Ge- tränke oder die Werbung dafür sind in vielen gesellschaftlichen Räumen ständig präsent. Für Jugendeinrichtungen stellen sich in 13
‹ Was ist bei der Vermietung von Räumen ‹ Wie sieht das Ganze bei Vermietung an Externe zu beachten? von Proberäumen aus? Für Vermietungen der Einrichtung oder Teilen davon können die Werden im Jugendhaus Proberäume oder Ateliers vermietet, sollen Mietpreise abgestuft werden, damit ein Anreiz besteht, auf den Al- auch dort klare Regeln festgelegt werden. koholkonsum zu verzichten. • In den Proberäumen/Ateliers ist der Konsum von Alkohol für Jugendliche ab 16 Jahren erlaubt Eltern mieten das Jugendhaus für eine private Geburts- • Wenn jemand während oder nach der Probe ein oder tagsfeier ihrer 16- bis 18-jährigen Kinder. Dabei werden mehrere Biere trinkt, ist das kein Problem. Wenn der folgende Abmachungen getroffen: Die Eltern müssen vor Proberaum von der Band als Partyraum missbraucht wird, dem Vertragsabschluss Kontakt mit dem Jugendhaus auf- müssen Konsequenzen gezogen werden. Es erfolgt eine nehmen. Verzichten die Jugendlichen auf Alkohol, so kostet Verwarnung, bei einem weiteren Verstoß die Kündigung. die Miete 60 Euro und eine Musikanlage sowie eine Ba- sisausstattung zum Mixen alkoholfreier Cocktails sind im Quelle: Kanton Luzern (Hrsg.): Zum Umgang mit Alkohol in der Jugendarbeit Mietpreis enthalten. Wollen die Jugendlichen Alkohol kon- sumieren, dann kostet die Miete 100 Euro und Musikanlage und Cocktailausstattung müssen extra bezahlt werden. ‹ Was ist in Bezug auf das Umfeld Quelle: Kanton Luzern (Hrsg.): Zum Umgang mit Alkohol in der Jugendarbeit einer Jugendeinrichtung zu beachten? Das Thema Alkohol sollte in einer Einrichtung nicht bei der Ein- gangstüre enden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Mitar- beiter/innen in Jugendeinrichtungen auch im Umfeld ihrer Einrich- tung darauf achten können, wie ihre jugendlichen Besucher/innen oder Bewohner/innen mit Alkohol umgehen: 14
• Gespräche mit Anrainern: Wenn Nachbarn bemerken, dass Auf diese Weise… Mitarbeiter/innen auch außerhalb der Einrichtung präsent • kann das Image der Einrichtung z.B. gegenüber Anrainern sind, können mögliche Konflikte leichter in persönlichen positiv gefördert werden. Gesprächen geklärt werden. • können negative Folgen übermäßigen Alkoholkonsums › siehe auch Gemeinwesenarbeit wie z.B. Raufereien unter Jugendlichen oder Sachbeschä- digungen unter Umständen rechtzeitig verhindert werden. • Betrunkene Jugendliche: Sie können bereits außerhalb der • kann deeskalierend auf Jugendliche eingewirkt werden. Einrichtung darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie • kann man sich nervenaufreibende Interventionen diese im angetrunkenen Zustand nicht aufsuchen können. ersparen, wenn betrunkene Jugendlichen schon die Einrichtung betreten haben. • Verlagerung des Alkoholkonsums: Immer wieder kommt es vor, dass Jugendliche sich in der Nähe der Einrichtung treffen und gemeinsam Alkohol trinken, da sie dies in der 3. Gemeinwesenarbeit Einrichtung selbst nicht dürfen. Das wird sich auch nicht wirklich verhindern lassen. Jedoch kann im Gespräch mit Kinder und Jugendliche orientieren sich an der Welt der Erwach- den Jugendlichen betont werden, dass sie den Aufent- senen, daher sind Jugendprojekte ohne gleichzeitige Maßnahmen, haltsplatz wieder sauber verlassen und ihre Dosen und die sich an das gesamte Gemeinwesen richten, in ihrer Wirkung Flaschen im Müll entsorgen. Das Aufsuchen von beliebten äußerst begrenzt. Aufenthaltsplätzen von Jugendlichen kann dazu beitragen, miteinander ins Gespräch zu kommen und eine gute ge- Wenn in einem Dorf oder einem Stadtviertel verschiedene Verant- genseitige Beziehungsbasis zu fördern. wortungsträger/innen (Schule, Polizei, Sozialarbeit, Politik, Wirt- schaft,...) kooperieren und an einem Strang ziehen, vergrößert sich die Effizienz unserer Bemühungen. Das gegenseitige Kennenlernen, der Erfahrungsaustausch und das Klarlegen der jeweiligen Interessen erleichtert eine Annäherung und macht gemeinsames Handeln möglich. 15
‹ Was kann die Jugendarbeit dazu beitragen, hörden…), zu einem Treffen ein um sich gegenseitig ken- dass die Auseinandersetzung mit dem Thema nen zu lernen und sich über die einzelnen Arbeitsbereiche Alkohol im Gemeinwesen gefördert wird? auszutauschen. Daraus entwickelte sich in weiterer Folge ein Arbeitskreis, der sich das Thema „Alkohol“ als Arbeits- SENSIBILISIEREN – INFORMIEREN - MOTIVIEREN schwerpunkt wählte. Man kann von der Jugendarbeit nicht verlangen, dass sie Haltungen Aus der folgenden Zusammenarbeit entstanden verschie- in der Politik, Wirtschaft oder Bevölkerung verändert. Über die Be- dene Aktivitäten, u.a. eine Informationsveranstaltung zum teiligung an Plattformen, Arbeitskreisen und Vernetzungsrunden Thema Suchtprävention, die Forcierung des beliebtesten kann man sich jedoch gegenseitig kennen lernen und Positionen alkoholfreien Jugendgetränkes durch finanzielle Förderung austauschen. Dies kann ein erster Schritt sein, um gemeinsam zu der Stadtgemeinde, eine Informationsreihe zu den wich- überlegen, in welcher Form eine Zusammenarbeit möglich ist und tigsten Jugendschutzbestimmungen in Schulen u.v.m.. welche Personen und Organisationen man einbinden möchte. Die Arbeitskreistreffen finden im lokalen Jugendhaus statt, Ein Jugendschutzstammtisch, eine Tagung, eine Informationsver- das auch die Moderation und Koordination der Treffen anstaltung,..... sind Möglichkeiten, verantwortliche Personen für übernimmt und die Hauptansprechpersonen für die Öffent- das Thema Alkohol zu sensibilisieren. Beim Planen und Organisie- lichkeit stellt. Der Bekanntheitsgrad der Einrichtung konn- ren diverser Aktionen können Fachstellen helfen. te durch diese Aktivitäten signifikant gesteigert werden und die Mitarbeiter/innen werden mittlerweile als profes- › siehe auch Adressen im Kapitel „Ideen für Aktivitäten“ sionelle Ansprechpersonen zu Fragen rund um das Thema Jugend und Alkohol angefragt. Der große Gleisdorfer Jugendarbeitskreis entstand im Jahr 2003, kurz nachdem im Ort neue Einrichtungen der Kontakt: Jugend(sozial)arbeit eröffnet worden waren. Das Team [aus]Zeit JUGENDhaus Gleisdorf dieser Einrichtungen lud Menschen, die in Gleisdorf mit Dr. Hermann-Hornung-Gasse 29, 8200 Gleisdorf Jugendlichen arbeiten (Schulen, Exekutive, Vereine, Be- Tel. 03112/4116 info@auszeit.cc 16
‹ Welche Akzente können Politik gendschutzbestimmungen hinsichtlich des Umganges mit und Behörden setzen? Alkohol nicht eingehalten wurden. Klagen darüber waren von verschiedenen Seiten wie von Eltern und anderen Ver- Gemeindevertreter/innen und Behörden können durch ihre Förder- antwortlichen in den Gemeinden immer wieder zu hören. politik und ihre Auflagen wegweisend sein. Dies geschieht, indem sie bei ihren Festen selbst als Vorbild neue Formen einer Genuss- Auf diese unbefriedigende Situation wurde reagiert: Über kultur aufzeigen, andererseits durch die Förderung innovativer zweistündige Informationsveranstaltungen mit anschlie- Festveranstalter/innen, welche Präventionsziele verfolgen. ßender Diskussionsmöglichkeit und begleitenden Merk- blättern wurden Jugendverantwortliche in Vereinen dafür Durch finanzielle Zuschüsse werden Initiativen unterstützt, die sensibilisiert, welchen Stellenwert Alkohol bei Festen Jugendlichen Alternativen anbieten, einen verantwortungsvollen einnimmt, wie Jugendschutz konstruktiv gestaltet werden Umgang mit Alkohol fördern und Jugendschutz ernst nehmen. Ge- kann und wie zeitgemäße Suchtvorbeugung im Verein um- meinden können Räumlichkeiten, Technik, Personal zu besonderen gesetzt werden kann. Aufgrund der regen Resonanz und Konditionen überlassen und besonders kreative Fest-Initiativen von der positiven Rückmeldungen zu diesem Angebot wurde Jugendvereinen in ihren Medien (Gemeindezeitung, lokales Fernse- beschlossen, auch für 2006 und die weitere Zukunft För- hen, ...) hervorheben und öffentlich anerkennen. dermittel für Vereine und Gruppen nur dann zu gewähren, Daher sollte die Jugendarbeit verstärkt die Kooperation mit der wenn Verantwortliche an einer Präventionsveranstaltung Kommunalpolitik suchen. teilgenommen haben. Der Kreisjugendring des Landkreises Charn in Deutschland Quelle: http://www.kommunale-suchtpraevention.de/05-06/beitraege/index.phtml?mode=proje bewilligt seit 2004 nur noch Fördemittel für die Jugend- kt&bbd=981&bd=792 arbeit in Vereinen, die an einer Präventionsveranstaltung hinsichtlich des Jugendschutzes teilgenommen haben. Davor sahen sich die zuständigen Behörden damit kon- frontiert, dass Förderungen häufig für die Veranstaltung von Vereinsfesten eingesetzt wurden, bei denen die Ju- 17
‹ Sind Kooperationen alternative Angebote, wie gesellige Spiele, ruhige Zonen zur Kom- munikation, günstige, attraktive (gesunde) alkoholfreie Getränke, mit der Wirtschaft möglich? etc. gefördert werden. Durch eine anerkennende Darstellung in re- gionalen Medien, steuerliche oder andere finanzielle Anreize durch Betriebe wie Supermärkte oder Lokale haben vorrangig das Ziel, die Gemeinde, können Lokalbetreiber/innen für präventive Anliegen gewinnbringend zu wirtschaften. Mitarbeiter/innen in der Jugend- gewonnen werden. arbeit sehen die Wirtschaft oftmals als Feindbild, das die Jugend zu übermäßigem Konsum animiert. Erfahrungen in der Jugendarbeit In der Jugendeinrichtung, im Jugendzentrum wird ein zeigen jedoch, dass Wirtschaftstreibende auch als Partner/innen Workshop zum Mixen von schmackhaften alkoholfreien gewonnen werden können, die ihre Verantwortung wahrnehmen. Cocktails veranstaltet, zu dem ein/e professionelle/r Mixer/ in eingeladen wird. Im nahe gelegenen Jugendcafe findet Befindet sich in der Nähe der Jugendeinrichtung ein Supermarkt, anschließend eine Party mit öffentlicher Verkostung der so kaufen Jugendliche in ihrer Freizeit dort oft auch alkoholische kreierten Cocktails und einem Voting statt. Das beliebteste Getränke und konsumieren diese in unmittelbarer Nähe. Gespräche „Siegergetränk“ wird auf die Karte des Lokals gesetzt. mit Leitung und Angestellten, um sich und die Jugendeinrichtung vorzustellen und auf die Jugendschutzbestimmungen hinzuweisen, können die Einhaltung von Alterskontrollen verbessern. ‹ Welche Formen der Kooperation Lokalbetreiber/innen profitieren zwar vom Alkoholkonsum Jugendli- mit Eltern bieten sich an? cher, ein schlechter Ruf bei der Exekutive, den Eltern, in der Bevöl- kerung schadet aber auch. Es sollte also gelingen, die Gastronomie Wenn innerhalb von Jugendeinrichtungen das Thema „Zusammen- und deren Mitarbeiter/innen für das Anliegen „genussvoller Um- arbeit mit Eltern“ zur Sprache kommt, sind die Rückmeldungen gang mit Alkohol“ zu gewinnen. von Mitarbeiter/innen häufig von Aussagen geprägt wie „Da kann Das Prädikat „jugendfreundliche Gaststätte“ könnte ein Anreiz man ja nichts machen“ oder „Mit denen macht ein Kontakt sowieso sein, das Angebot für Jugendliche so zu gestalten, dass der Al- keinen Sinn“ oder „Die melden sich nur, wenn ihnen etwas nicht koholkonsum nicht so stark im Vordergrund steht. Der Freiraum passt“. In Bezug auf Alkohol ist man noch dazu häufig mit Fa- für Begegnung, Kommunikation und Konsumgenuss kann durch milienverhältnissen konfrontiert, die von Alkoholmissbrauch oder 18
Alkoholabhängigkeit geprägt sind. Kurz und gut: Eltern von Jugend- Betrachtet man die Kooperation mit Elternteilen aus dieser „Brille“ lichen zählen in der Regel nicht zur attraktivsten Dialoggruppe von fällt es wahrscheinlich leichter, innere Widerstände über Bord zu Jugendeinrichtungen. werfen und zu einer Kultur der gegenseitigen Kooperation zu kom- Gegenseitige Bewertungen und Beschuldigungen (die ja auch häu- men, welche die Entwicklung von Zielen ermöglicht, mit denen sich fig von den Eltern an die Einrichtungen herangetragen werden) alle Beteiligten (Jugendeinrichtung, Eltern, Jugendliche) identifi- sind jedoch kein förderlicher Beitrag zur Weiterentwicklung der zieren können. beteiligten Jugendlichen. Unterstützend in diesem Zusammenhang können z.B. die lösungsorientierten Annahmen über Eltern sein, die Die sozialpädagogische Wohngemeinschaft „Die Krähe“ von Insoo Kim Berg verfasst wurden: investiert sehr viel Zeit in das Aufnahmeverfahren von Jugendlichen. Wenn Eltern und ihre Kinder einen ersten „Bis zum Beweis des Gegenteils glauben wir, dass alle Eltern Kontakt zur Einrichtung haben, werden sie nicht als Al- koholiker mit defizitären Familienverhältnissen sondern • stolz auf ihr Kind sein möchten als Gäste freundlich begrüßt, denen das besondere Ange- • einen positiven Einfluss auf ihr Kind ausüben möchten bot des Hauses bekannt gemacht wird. Auf eine genaue • gute Nachrichten über ihr Kind hören möchten und erfah- Erhebung der bisherigen Schwierigkeiten und Probleme ren möchten, was ihr Kind gut kann (z.B. regelmäßiger Alkoholmissbrauch) wird im Gespräch • ihrem Kind eine gute Ausbildung zukommen lassen möch- vollständig verzichtet, da dies allen Beteiligten nur zu gut ten und ihm die besten Chancen für den Erfolg im Leben bekannt ist und die Diskussion darüber keinen förderlichen geben möchten Beitrag zur künftigen Entwicklung bilden würde. • Hoffnung für ihr Kind haben möchten • das Gefühl haben möchten, dass sie gute Eltern sind Die Aufnahme von Jugendlichen setzt voraus, dass von al- • sehen möchten, dass die Zukunft ihres Kindes besser ist len Beteiligten Zielvorgaben für die Dauer des Aufenthaltes als ihre“ formuliert werden. Diese werden über systemische Fragen z.B. „Woran würden Sie am Tag des Austritts merken, dass Quelle: Zentrum für lösungsorientierte Beratung (Hrsg.): Der WOWW Ansatz sich der Aufenthalt Ihres Sohnes in unserer Einrichtung gelohnt hat?“ oder über Skalierungen erhoben: „Auf einer 19
Skala von 0 bis 10, wenn 10 das Ziel bedeutet, das du Der Sportverein 1. FC Haseldorf fährt mit seinen Kindern beim Austritt erreicht haben willst und 0 das Gegenteil, und Jugendlichen zu einem einwöchigen Trainingscamp wo befindest du dich jetzt?“. Wenn vom Jugendlichen z.B. nach Oberösterreich. Am fünften Tag ist eine Besuchsmög- 3 genannt wird: „Wie kommt es, dass du schon auf 3 bist lichkeit für die Eltern vorgesehen. Bereits vor dem Camp und nicht tiefer?“ Diese Frage wird gleichermaßen auch wurden seitens des Vereins die wichtigsten Regelungen bei beteiligten Eltern, Lehrpersonen, Sozialarbeitern und Sozi- einem Informationsabend den Eltern bekannt gemacht und alarbeiterinnen etc. gestellt. mittels Einverständniserklärung mit ihnen abgemacht. › siehe auch Kapitel „Gespräche“ Unter anderem wird Wert darauf gelegt, dass während des Camps alle Beteiligten (Jugendliche, Mitarbeiter/-innen, In weiterer Folge wird nachgefragt, welcher konkrete Eltern) ohne alkoholische Getränke auskommen und dass Schritt als nächstes gesetzt wird, welcher der Erreichung im Sinne der Vorbildwirkung Erwachsene während ihrer An- der formulierten Ziele dient. Die Dauer des Aufenthaltes wesenheit beim Camp auf das Rauchen verzichten. Wäh- von Jugendlichen in „Die Krähe“ richtet sich dabei alleine rend des Besuchstages klappt diese Abmachung („Com- danach, wann die gesetzten Ziele erreicht werden. Damit mitment“) erstaunlich gut, bei einzelnen unbedachten wird die Verantwortung für die Dauer in die Hände der „Ausrutschern“ der Eltern werden diese von den pädago- Jugendlichen gelegt an Stelle von „Du wirst drei Jahre in gischen Mitarbeiter/-innen höflich und freundlich auf die unserer Einrichtung bleiben müssen.“ getroffene Vereinbarung aufmerksam gemacht. Über diese Vorgangsweise werden Ressourcen der Jugendlichen, wie auch der gesamten Familie bewusst gemacht, was die Zu- versicht auf Fortschritte stärkt. Gleichzeitig werden Klarheit und ‹ Welche Möglichkeiten der Elternkontakte Transparenz über die weitere Entwicklung hergestellt, die eine bieten sich an? wertvolle Basis für die weitere Zusammenarbeit bilden. Wesentliche Voraussetzungen für eine angemessene Elternarbeit Ein weiterer Aspekt, um die Zusammenarbeit mit Eltern zu fördern, sind personelle und zeitliche Ressourcen sowie die Klärung der Mo- ist eine klare Abmachung, wenn es um Regelungen im Umgang mit tivation und des Unterstützungsbedarfs der Eltern. Alkohol geht. 20
Kooperationen mit Eltern erfordern ein Verständnis für die Lebens- durch einen Elternteil, der selbst im Gastronomiegewerbe situation einer Familie und sind gleichzeitig eine Basis für alle wei- tätig ist) teren Formen der Arbeit mit Eltern und Familien. • Bereitstellung von Räumlichkeiten der Einrichtung für Elterntreffs oder moderierte Gesprächskreise mit Eltern zum In der Regel ist eine Kombination verschiedener Kooperations- Thema Alkohol formen sinnvoll, die einander ergänzen und je nach Notwendigkeit eingesetzt werden können. Beispiele für Elternkontakte in der Jugendarbeit sind: 4. Regelwerke • Elternbriefe (schriftlicher Kontakt), die je nach Anlass und Regeln bieten Orientierung und schaffen Klarheit im Umgang mit- Bedarf verschickt werden (z.B. Ankündigung eines Mix- einander. Das Gegenüber und das Verhalten des anderen werden workshops in der Einrichtung, Informationsbrief zu einer einschätzbar und verlässlich. Regeln ermöglichen einen sicheren geplanten Wochenendaktion etc.) Rahmen um einen eigenverantwortlichen Umgang mit Alkohol zu • Telefonate und kurze persönliche Kontakte, bei denen über erlernen. Dieser Rahmen, der von Jugendlichen oft als Reibebaum die aktuelle Entwicklung der Jugendlichen, über mögliche benutzt wird, ist ein wichtiger Teil jugendlicher Identitätsbildung. Sorgen der Eltern u.a. wertschätzend gesprochen wird Das Fehlen von Regeln hingegen kann spätere Suchtentwicklungen • Gespräche gemeinsam mit Eltern und deren Kindern, in wahrscheinlicher machen. denen über Vorstellungen und Ziele für den Aufenthalt in der Einrichtung gesprochen wird (vgl. Beispiel WG „Die Krähe“) • ein Tag der offenen Tür mit einem Informationsprogramm ‹ Was ist bei der Erarbeitung von Regeln zum um sich und die Einrichtung sowie die pädagogischen Überlegungen zum Thema Alkohol vorzustellen Thema Alkohol besonders zu beachten? • die Einbindung von Eltern bei Aktivitäten und Veranstal- Eine der ersten Voraussetzungen ist ein gemeinsamer Konsens un- tungen der Einrichtung durch Nutzung des spezifischen ter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Jugendeinrichtung Know-hows von Eltern (z.B. Workshop „Wie braue ich Bier?“ hinsichtlich der Bedeutung und der Qualität von Regeln. 21
Ein solches Vorgehen ermöglicht Transparenz für alle Beteiligten Bei einer Teamklausur werden (ev. unter fachlicher Beglei- und sichert gleichzeitig das pädagogische Vorgehen einer Ein- tung) die subjektiv unterschiedlichen Einstellungen der richtung nach außen (z.B. gegenüber Eltern, Anrainern, dem Trä- einzelnen Mitarbeiter/innen zu Suchtmitteln, unter ande- ger…). rem auch zu Alkohol, reflektiert und eine gemeinsame Ziel- formulierung zum Umgang mit Suchtmitteln festgelegt, › siehe auch Gemeinwesenarbeit auf die sich alle Beteiligten einigen können. Regeln in Bezug auf Alkohol bedürfen einer Begründung, sollten › siehe auch Vorbildwirkung positiv formuliert sein und eine räumliche und zeitliche Geltung benennen. Sie sollten so einfach formuliert sein, dass sie für jeder- Regeln in Bezug auf Alkohol sollten immer mit allgemeinen Regeln mann nachvollziehbar sind und so genau formuliert sein, dass der der Einrichtung in Verbindung stehen und mit Ritualen versehen Geltungsbereich klar erkennbar ist. werden. Statt „Es ist verboten, in unserer Einrichtung Alkohol zu trin- Neuen Besucher/innen eines Jugendzentrums werden beim ken“ oder „Niemals darf den Jugendlichen erlaubt werden, ersten Besuch die Hausregeln der Einrichtung, zu denen dass sie Alkohol trinken“ könnte formuliert werden: „Jugend- auch der erlaubte maßvolle Konsum von leichten alkoho- lichen, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, ist lischen Getränken ab 16 Jahren zählt, mündlich bekannt der Konsum von Alkohol vom Gesetz her – also auch in un- gemacht. Sollten sie in den folgenden Tagen die Einrich- serer Einrichtung – untersagt. Mit Sanktionen müssen diese tung wieder besuchen wollen, werden sie beim zweiten Jugendlichen rechnen, wenn sie im Gebäude und auf dem Besuch darauf hingewiesen, dass eine schriftliche Einver- Gelände des Jugendhauses, vor dem Eingang des Jugend- ständniserklärung mit den Hausregeln notwendig ist, die hauses und bei gemeinsamen Ausflügen Alkohol trinken.“ mittels Unterschrift und einem Gratisgetränk formell wie rituell besiegelt wird. 22
‹ Wie können Jugendliche bei der Erarbeitung Im Jugendtreff „Omega“ finden alle sechs Wochen Haus- von Regeln einbezogen werden? versammlungen statt, bei denen die jugendlichen Besu- cher/innen die Möglichkeit haben, Lob und Kritik zu äußern Die Akzeptanz von Regeln steigt, wenn alle Beteiligten wissen, dass sowie künftige Schwerpunkte und Aktivitäten zu planen. es sich nicht um Ordnungsmaßnahmen handelt, die „oben“ entwi- Im Rahmen dieser moderierten und mittels Tagesordnung ckelt und „unten“ ausgeführt werden, sondern um Spielregeln, die strukturierten Treffen werden auch die geltenden Rege- allen bekannt und verständlich sind und das Miteinander in einer lungen zum Umgang mit Alkohol in der Einrichtung ab und erträglichen Form gestalten helfen. Das damit verbundene pädago- zu überprüft und gegebenenfalls geändert. gische Ziel ist, dass Jugendliche lernen, sich für ihr eigenes Verhal- ten verantwortlich zu fühlen und Konflikte konstruktiv auszutragen. Die aktive Einbeziehung der Jugendlichen in die Entwicklung von ‹ Was sollte beim Übertreten von Regeln Regeln sollte daher oberste Maxime pädagogischer Bemühungen sein. getan werden und welche Alternativen gibt es statt Strafen? ‹ Warum sollten Regeln wieder Die Wirkung von Strafen ist bekanntlich umstritten – während sie z.B. zur Einhaltung der Regeln im Straßenverkehr geeignet sind, verändert werden? sind sie als Mittel zur Reduktion des Alkoholkonsums untauglich. Pädagogische Strafen wirken nur dann, wenn sie die Einsicht von Bei der Gestaltung von Regelwerken liegt die Wahrheit oft in der Mit- Jugendlichen fördern und sollten nicht als Abgeltung dienen. te: mangelnde Flexibilität verleitet viele Jugendliche zur ständigen Überschreitung, während zuviel Flexibilität keinen klar erkennbaren Negativbeispiel: Orientierungsrahmen bietet. Gefragt sind daher klare statt star- In einem Wohnheim besteht die Regel, dass Jugendliche re Grenzen. Schließlich erfordert der ständige gesellschaftliche eine Geldstrafe von € 10.- zu bezahlen haben, wenn sie Umbruch, der sich z.B. auch in den wechselnden Alkoholkonsum- vom Ausgang betrunken nach Hause kommen. An einem trends Jugendlicher widerspiegelt, laufend Adaptierungen und Freitagabend vor dem Ausgang kommt ein Jugendlicher Anpassungen. 23
zu seiner Sozialpädagogin, hält ihr eine Zehneuronote hin Strafen sind dann sinnvoll, wenn sie mit den Zielen der Jugend- und sagt: „Heute Abend werde ich besoffen nach Hause lichen in einem Zusammenhang stehen (z.B. die Einrichtung zu kommen.“ Mit der Bezahlung von 10 Euro holt sich der besuchen, den Aufenthalt in der Einrichtung beenden zu können). Jugendliche die Berechtigung für einen Regelverstoß, was Es sollte eine Anregung sein darüber nachzudenken, was er oder sie dem Ziel, dem Jugendlichen den sinnvollen Umgang mit anders machen könnte. Strafen sollten daher vor allem so gesehen seiner Freizeit zu lehren, nicht förderlich ist. werden, dass sie Jugendliche in Hinblick auf die Erreichung von Zielen unterstützen. Quelle: Zentrum für lösungsorientierte Beratung (Hrsg.): Einfach, aber nicht leicht „Ich habe bemerkt, dass du gestern Abend angetrunken nach Hause gekommen bist und damit unsere Regeln nicht eingehalten hast. Ich gebe dir nochmals eine Chance. Wenn Die Durchsetzung von Strafen sollte hingegen darauf abzielen, es das nächste Mal wieder nicht klappt, heißt das für mich, dass Jugendliche sich ihres Handelns bewusst werden und dass es dass diese Ausgangsregelung für dich eine Überforderung Konsequenzen hat. Die Durchsetzung sollte sich daher immer auf bedeutet und du nicht in der Lage bist, die Regeln einzu- ein konkretes Verhalten und nicht auf die Person beziehen. halten. Das würde heißen, dass du nicht mehr ausgehen darfst bis du mir plausibel darlegen kannst, wie du diese Wenn Jugendliche verbotenerweise versuchen Alkohol in die Situation verändern willst.“ Damit hat der Jugendliche das Einrichtung zu schmuggeln, wäre man vielleicht versucht Problem und wird sich möglicherweise in einem Einzelge- zu sagen „Ihr seid ein undisziplinierter Haufen, immer ver- spräch mit seiner Bezugsperson unterhalten wollen, was sucht ihr Abmachungen zu umgehen.“ Diese Formulierung er tun könnte, damit er wieder Ausgang haben kann. Er er- spricht jedoch nicht das Handeln, sondern die Personen fährt, dass sein Handeln Konsequenzen hat, er merkt, dass auf eine Art an, die nicht sehr wertschätzend und darüber er der Willkür der Mitarbeiter nicht ausgeliefert ist, sondern hinaus verallgemeinernd („immer“) ist. Hingegen könnte Einfluss nehmen kann auf sein Schicksal. Dies wäre ein formuliert werden: „Ich sehe, es ist euch nicht gelungen, Schritt zur Selbstverantwortlichkeit. die vereinbarte Regel einzuhalten. Aus diesem Grund fällt der Ausgang für heute aus.“ Quelle: Zentrum für lösungsorientierte Beratung (Hrsg.): Einfach, aber nicht leicht 24
Ebenso wichtig sind Anerkennung und Lob, wenn Regeln und Ver- einbarungen von Jugendlichen eingehalten werden. Sehr häufig 5. Abgabe von Alkohol und wird vor allem kritisiert, was alles nicht klappt und wenig Augen- gesetzliche Bestimmungen merk darauf gelegt, was Jugendliche bereits gut können und wel- che Leistung damit verbunden ist. Grundsatz: Nicht ein Verbot von Alkoholika steht im Jürgen ist in einer Wohngemeinschaft untergebracht und Vordergrund, sondern die Frage nach dem sinnvollen dafür bekannt, dass er regelmäßig und viel Alkohol trinkt, Umgang! da dies auch bei seinen Pflegeeltern so gehandhabt wird. Wenn Jürgen wieder einmal mit einer Fahne vom Ausgang zurückkommt, wäre man geneigt zu sagen „Schon wieder Das Thema Alkoholausschank in der Jugendarbeit löst in der Regel hast du über den Durst getrunken. Wie soll das mit dir so kontroverse Meinungen aus. Die einen finden, Alkohol habe in der weitergehen?“. Dabei geht wahrscheinlich das Augenmerk Jugendarbeit nichts zu suchen; andere halten es für wichtig, dass auf die Tage verloren, an denen Jürgen nüchtern vom Aus- gerade in einem geschützten Rahmen, den Jugendarbeit bietet, gang zurückkommt. Statt einfach zu schweigen könnte z.B. eigenverantwortliches Handeln im Umgang mit Alkohol eingeübt gefragt werden „Wie hast du es geschafft, heute keinen Al- werden kann. kohol zu trinken? Und was war da anders als in den letzten Tagen, wo du nicht nüchtern zurückgekommen bist?“ Auf Wer in der Jugendarbeit tätig ist, kennt folgende Situation: Es fin- diese Weise werden Jugendliche dafür sensibilisiert, dass det eine Disco oder ein Konzert in der Jugendeinrichtung statt, wo es im Alltag Unterschiede in ihrem Handeln gibt und sie Alkoholkonsum nicht erlaubt ist. Die Jugendlichen kaufen im Super- selbst dafür Verantwortung tragen. markt Alkohol ein. Da der Konsum in und um die Jugendeinrichtung verboten ist, konsumieren sie die Getränke in der näheren Umge- › siehe auch Kapitel „Gespräche“ bung oder sie versuchen Alkohol einzuschmuggeln. Um dieses Szenario zu verhindern, wird in verschiedenen Jugend- häusern der Konsum von Alkohol (zu gewissen Zeiten und zu gewis- sen Anlässen) erlaubt. 25
In einer Gesellschaft, in der Alkohol eine legale allgegenwärtige wird hier angeführt: Wer kann guten von schlechtem Wein unter- Droge ist, stellt das Erlernen eines Umgangs mit dieser Substanz scheiden, wer kann blind alkoholfreies und alkoholhältiges Bier (von Abstinenz bis zu genussvollem Konsum) eine Entwicklungs- erkennen? aufgabe für Jugendliche dar. Wer Jugendliche vor Alkohol bewahren möchte und diese Substanz verteufelt, ist einerseits nicht glaub- Auffällige Trinkgewohnheiten von Jugendlichen werden sichtbar, würdig und gibt Jugendlichen andererseits nicht die Möglichkeit ein achtsamer Blick ermöglicht das Erkennen von problematischem einen verantwortungsbewussten Konsum zu üben. Konsum. Vertrauliche Gespräche und Hilfsangebote können folgen. ‹ Welche Vorteile kann der Alkoholausschank ‹ Welche Nachteile kann Alkoholausschank in der Jugendeinrichtung haben? mit sich bringen? Ein maßvoller, genüsslicher Umgang kann in geschütztem Rahmen Wenn Alkohol in der Jugendeinrichtung ausgeschenkt wird und erlernt werden. Die Vorbereitung und Reflexion von Konsumsituati- Regeln vereinbart wurden, so benötigen Jugendarbeiter/innen onen in achtsamer Begleitung fördert die Eigenverantwortung. auch Zeit, um ein Funktionieren zu gewährleisten. Für Reflexion, Gespräche und Konsequenzen bei Regelverstößen sollte genügend In einigen Jugendzentren wurde die Erfahrung gemacht, dass das Energie und Aufmerksamkeit vorhanden sein. Jugendeinrichtungen Schmuggeln von Alkohol bei Festen und Partys abnahm, als Alko- mit weniger Personal werden sich damit in der Regel schwerer holausschank eingeführt wurde. tun. Wichtig ist also, dass ein genussvoller und maßvoller Umgang mit Alkoholausschank in Jugendeinrichtungen kann bei der Bevölke- Alkohol erlernbar wird. Eine Genusskultur kann eingeübt werden, rung im Umfeld Unverständnis hervorrufen und in weiterer Folge wenn beim Angebot Qualität statt Quantität im Vordergrund steht. das Image der Einrichtung verschlechtern. Um die fachlichen Überlegungen der Jugendeinrichtung zum The- Die Vorbereitung und Reflexion eines eigenverantwortlichen Um- ma Alkohol den Geldgeber/innen, Eltern und Anrainer/innen näher gangs kann mit Jugendlichen thematisiert werden. Als Beispiel zu bringen und ein Verständnis dafür zu gewinnen, bedarf es fach- 26
licher Überlegungen und Argumente, welche die Einrichtung in der Zu Beginn einer neuen Regelung kann eine Probephase eingebaut Öffentlichkeit vorstellen kann. Sind dafür nicht die notwendigen werden. Die Jugendlichen können so lernen, dass es an ihnen liegt, Ressourcen (Zeit oder Personal) vorhanden oder fehlt der Rückhalt ob der Alkoholausschank funktioniert und beibehalten wird. des Trägers (Gemeinde, Pfarre, Vereinsvorstand,...) so ist von einem Alkoholausschank (vorerst) eher abzuraten. Wenn Jugendliche hinter der Bar stehen und Alkohol ausschenken, müssen sie Verantwortung übernehmen und darauf achten, dass Betrunkene Jugendliche im Ort oder Stadtviertel werden oft der Ju- die Jugendschutzbestimmungen eingehalten werden. Daher sollten gendeinrichtung zugeordnet. Jugendtreffs und –zentren berichten die „Barkeeper“ nicht jünger als 16 Jahre sein. von Vorurteilen und Gerüchten, welche zu entkräften als mühsam empfunden wird. Bei der Auswahl der antialkoholischen Getränke sollen die Jugend- › siehe auch Vorbildwirkung lichen ihre Geschmacksvorlieben einbringen. Möglich wäre auch ein gemeinsames lustvolles Kreieren von schmackhaften anti- alkoholischen Cocktails, die dann im Sortiment des Jugendtreffs günstig angeboten werden. ‹ Wie lässt sich die Abgabe von Alkohol konstruktiv gestalten? Alkohol zu speziellen Anlässen Es ist nicht nötig, immer Alkohol auszuschenken. Alkohol kann spe- Entscheidungen und Vereinbarungen zielle Anlässe (Geburtstag, Konzert, Abschlussfest, …) unterstrei- Die Frage, ob und in welcher Form Alkohol im Jugendtreff ausge- chen, während der normalen Öffnungszeiten oder an Wochentagen schenkt wird, sollte gemeinsam mit den Jugendlichen diskutiert können Treffen auch alkoholfrei ablaufen. Ebenso können attraktive und entschieden werden. Die Jugendlichen schätzen die Sache er- Räumlichkeiten im Jugendtreff zu alkoholfreien Zonen ernannt wer- fahrungsgemäß differenziert ein. Sie setzen Prioritäten, entschei- den (Medienraum, Bandproberaum, ...). den, welche Anlässe alkoholfrei durchgeführt werden können und zu welchen Gelegenheiten sie Alkohol verkaufen möchten. Können die Jugendlichen mitentscheiden, so ist die Chance groß, dass Ver- einbarungen halten. 27
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