VERFASSTE STUDIERENDENSCHAFT - W I - ASTA FRANKFURT
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Hrsg. AStA der Universität Frankfurt am Main V. i. S. d. P. AStA-Vorstand: Melissa Dutz Kyra Beninga Nils Zumkley David Höhnerbach Sebastian Heidrich Mathias Ochs Anschrift Mertonstr. 26 – 28, 60325 Frankfurt a. M. Web www.asta-frankfurt.de Mail info@asta-frankfurt.de Redaktion AStA-Zeitungsreferat: Malte Tübbecke Finn Gölitzer Alexander Toumanides eMail zeitung@asta-frankfurt.de Gestaltung gegenfeuer.net Druck Bechtle Verlag & Druck Auflage 46 839 Jahrgang 2020 Die Inhalte der Artikel spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Mitglieder des AStA oder der Redaktion wieder. Die Rechte der Artikel liegen bei den Autor*innen. Eigentumsvorbehalt Liegen bei niemanden. Geben Sie diese Zeitung jeder x-beliebigen Person für x Äquivalente weiter. Coverfoto: Kool Shooters von Pexels
Editorial Die letzte diesjährige Ausgabe der AStA Zeitung widmet sich dem Thema ”Verfasste Studierenden- schaft“. Im Grunde betrifft das Thema alle, die unsere Zeitung gerade in den Händen halten. Die 1 Das Hochschulpolitische Mandat beschränkt das Verfassten Studierendenschaften vertreten die Inte- Mandat der Studierendenschaft auf hochschul- politische Belange und Themen. Was genau unter ressen aller Studierenden einer Universität gegen- dieses Mandat fällt, ist allerdings umstritten. 2 Dabei ging es um den Artikel “Stop-Talking” in über der Hochschule, der Hochschulleitung und der unserer Ausgabe “Populismus, Diskurs(e) & Öffentlichkeit. Als offizielles politisches Organ der Meinungsfreiheit. Einen Kommentar dazu unsererseits findet ihr in der letzten Ausgabe Studierenden stehen die Ausrichtung und die Man- “Corona & Außnahmeszustand”. Die Anfrage der FDP-Landtagsfraktion findet ihr hier: datsfunktion der Verfassten Studierendenschaft im http://starweb.hessen.de/cache/ DRS/20/8/03318.pdf Zentrum unzähliger Debatten. In der letzten Zeit haben sich diese Diskussionen wieder verschärft: Dabei dreht es sich letztendlich immer um die Frage, was eigentlich Sinn und Zweck der Studierenden- vertretungen sein sollte, und welchen Aufgaben sie sich widmen muss. Insbesondere liberale und reak- tionäre Kräfte versuchen seit jeher die politischen Handlungsspielräume der Studierendenschaft ein- zuschränken, indem sie auf das hochschulpolitische Mandat 1 derselbigen pochen. Die Vertretung der Studierenden solle sich bloß nicht mit den großen, drängenden gesellschaftlichen Fragen beschäfti- gen, am liebsten wäre es, ihre Politik würde gänzlich zwischen Mensapreisen und Sitzplatzmöglichkeiten aufgehen. Diese Haltung findet sich auch in aktu- ellen Auseinandersetzungen: Erst im August dieses Jahres stellte die FDP eine Anfrage im Landtag, in der sie die Rechtmäßigkeit eines Artikels in der AStA Zeitung, den sie wohl zu politisch empfand, infrage stellte.2 Jedoch wird die politische Haltung nicht am Unieingang abgelegt, sondern sollte sogar aktiv ein- gebracht werden. Schließlich braucht es eine Stu- dierendenschaft, welche die Verhältnisse kritisch reflektiert und dabei über die symbolischen Mauern des Universitätscampus hinausblickt. Auf die Frage: was darf die AStA Zeitung? Alles. Wir Eure Redaktion wünschen viel Spaß beim Lesen!
h in Von Sturmhauben und Maulkörben 05 l Die Corona-Leugner*innen Vom Elend im und die „zweite Welle“ Studentenmillieu 21 11 Klassismus und die Linke 13
ha 05 Von Sturmhauben und Maulkörben Gruppe kritischer Studierender Der Geist der Demokratie: 07 Vom Studentenhaus zum Offenen Haus der Kulturen Tim Schuster Kunst und Revolte 07 11 Vom Elend im Studentenmilieu Situationistische Internationale Klassismus und die Linke 13 Florian Meier 17 MLP & Co. – Freiheit in Forschung lt und Lehre statt ‚Freiheit von staatlicher Detailsteuerung‘ AStA 19 Mit der Bahn in die Heimat! Lukas Diezenbach Die Corona-Leugner*innen 21 Mit der Bahn in die Heimat und die „zweite Welle“ Initiative Aufklärung statt Verschwörung 19 Was ist der AStA? 23 AStA Orte und Adressen 27 Karte Call for Papers 29 „Wem gehört die Stadt?“
5 Von Sturmhauben und Maulkörben: Wie politisch darf eine Studierendenvertretung sein? Vor etwa 100 Jahren, im Jahr 1919, wurde mit der Deutschen Studen- tenschaft erstmals die Studierendenvertretung institutionalisiert. Die Frage, wie politisch eine Studierendenvertretung sein darf, prägt die Geschichte der deutschen Hochschulpolitik – allerdings gilt „allgemein“-politisches Engagement erst als anrüchig, seit sich viele ASten politisch links positionieren. Ein Rückblick. Der erste deutsche „Studentenausschuss“ Rechte Verbindungskräfte besetzten lokal existierte bereits zwischen 1821 und 1825 die wichtigsten Gremien, antirepublikani- in Tübingen, war allerdings nur von kurzer sche und rassistische Positionen gehörten Dauer. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zum Standardrepertoire der DSt-Funk- ist stattdessen von unterschiedlichen stu- tionäre. Auch völkische Ideologie wurde dentischen Verbänden geprägt, die um in der DSt bereits Mitte der 1920er Jahre Deutungshoheit und Hegemonie ringen selbstverständlich vertreten. und sämtlich für sich beanspruchen, für Zwischen 1929 und 1931 gelang es dem die Studentenschaft als solche zu spre- NS-Studentenbund (NSDStB), die Deut- chen: Etwa Burschenschaften und ihre sche Studentenschaft zu übernehmen. Verbände oder der Verein Deutscher Stu- Ebenso wie die Korporationsverbände der denten – in jedem Fall waren es explizit Studentenverbindungen vollzog sie in der politische, und zwar nationalistische Ver- Folge eine faktische Selbstgleichschaltung bände, die Bismarck-Ehrungen ausrichte- zu den NSDAP-Parteistrukturen, schwor ten und studentische Belange zu vertreten sich auf Führerprinzip und Rassenkampf behaupteten. Erst in den 1890er Jahren ein – und organisierte im Mai 1933 im Rah- bildeten sich mit den „Freistudenten- men ihrer Kampagne „Wider den undeut- schaften“ nicht-korporierte Gegenent- schen Geist“ bundesweit Bücherverbren- würfe, die schließlich die Bildung von nungen. Auch in Frankfurt waren es vor Dennoch blieben die ASten noch in den ASten durchsetzen konnten – der Name allem Studierende, die die Zusammentra- 1950er und 1960er Jahren Instrumente „Allgemeiner Studentenausschuss“ sollte gung der Bücher und ihre Verbrennung rechter Gruppen, die sich durchaus offen- anzeigen, dass es sich um eine gemein- auf dem Römerberg organisierten. Diese siv politisch bestätigten und deutschna- same Vertretung von Korporierten und kulturpolitische Säuberungskampagne tionale Interessen artikulierten. Als bei- Nicht-Korporierten handelte. wurde von studentischer Seite also unter- spielswiese der DDR-Volkskammerpräsi- Dennoch waren auch in der 1919 stützt und sollte öffentlich ein Exempel dent Johannes Dieckmann 1961 in Marburg gegründeten Deutschen Studentenschaft zur Zerschlagung jeglicher Opposition einen Vortrag auf Einladung des „Libera- (DSt) die Korporationen tonangebend. statuieren. len Deutschen Studentenbundes“ halten Zwar wurden, insbesondere in den Jahren Ab Ende der 1930er Jahre waren Deut- sollte, welcher eine Annäherungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg, eine Vielzahl sche Studentenschaft und NSDStB weit- im Kalten Krieg anstrebte, organisierte der sozialer Initiativen entwickelt – darunter gehend deckungsgleich. Entsprechend rechte Marburger AStA kurzerhand Pro- die Gründung des bis heute existierenden wurde auch die DSt 1945 als NS-Orga- teste. Das Kurhaus Marburg-Marbach, in Deutschen Studenten[sic!]werks oder der nisation verboten. 1949 wurde in Mar- dem der Vortrag stattfand, wurde dabei Studienstiftung des deutschen Volkes –, burg der „Verband Deutscher Studenten- mit Steinen und Wurfgeschossen ange- die Deutsche Studentenschaft war jedoch schaften“ (VDS) als Nachfolgeorganisa- griffen – was von der Springer-Presse im nach wie vor nationalpolitisch geprägt. tion gegründet. Nachhinein zur „nationalen Heldentat“
6 erklärt wurde. Fackelzüge zum 17. Juni, Demonstrationen für die Wiederverei- »Die Kriminalisierung legitimer Politik durch Raumverbote, Ordnungsgelder und nigung und ähnliche Veranstaltungen gehörten zum Standardrepertoire der von Korporationen, RCDS und anderen rechten Kräften dominierten ASten. Ganz anders einige Jahre später: Am 2. Demonstrationsverbote ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern leider noch Juni 1967 wird der Student Benno Ohne- sorg, Teilnehmer einer Demonstration gegen den Shah-Besuch in Berlin, vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Als ASten der Mutter des Erschossenen immer gängige Praxis.« Beileidstelegramme schickten, wurden sie wegen Kompetenzüberschreitung verur- teilt. Aufrufe zum Protest gegen den Ein- marsch der Sowjetunion in die Tschechos- lowakei, das Ende des Prager Frühlings, führten zur Anzeige von AStA-Vorsit- zenden. auch wenn die repressiven Maßnahmen Linke Gruppen hatten in der Zwischen- insgesamt seit den 1980ern zurückgegan- zeit die Mehrheit in vielen ASten und auch gen sind. Die Kriminalisierung legitimer im VDS gewonnen. Plötzlich schien poli- Politik durch Raumverbote, Ordnungsgel- tische Interessenartikulation nun nicht der und Demonstrationsverbote ist kein mehr zu den Aufgaben der Studieren- Relikt der Vergangenheit, sondern leider denvertretungen zu gehören. Juristische noch immer gängige Praxis. Als jüngstes Repression und diverse Gesetzesverschär- Beispiel mag hier die Auseinandersetzung fungen, die den Aufgaben der Studieren- um einen Artikel aus der AStA-Zeitung denschaft enge Grenzen setzten, waren vom Frühjahr mit dem Titel „Stop Tal- die Folge. Daneben wurden jedoch auch einen Ausweg bieten. Es kam zum Auf- king“ dienen. Die Universitätsleitung wit- der Versuch unternommen, rechte Grup- blühen der Basisgruppen, die auf basisde- tert hier, angetrieben von einer FDP-An- pen an den Hochschulen erneut zu stärken: mokratische Organisierung statt auf ins- frage aus dem hessischen Landtag, eine So päppelte man studentische Gruppen titutionalisierte Politik setzten. Die ASten Überschreitung des hochschulpolitischen mit Steuermitteln und Industriespenden oder gar der VDS wurden nun für die kon- Mandats – und möglicherweise gar Ver- hoch, die die Radikalenbekämpfung und krete politische Arbeit unwichtiger, wur- fassungsfeindlichkeit. Dem AStA Pots- Staatskonformität der Studierendenver- den eher zu Mitteln zum Zweck, die Finan- dam wurde in der Vergangenheit verbo- tretungen beschleunigen sollten. Selbst zierungsmöglichkeiten, Öffentlichkeit und ten, eine BAföG-Erhöhung zu fordern, die Geldmittel aus dem Verfassungsschutze- Ressourcen versprachen. In Baden-Würt- durch Verringerung des Rüstungsetats tat sollen in dieser Zeit in die Kassen von temberg zeigte der Staat schon 1977 erzielt werden sollte. Letzteres sei eine RCDS, SLH1, LHV2 und Juso-Hochschul- erneut seine repressive Seite, als die Ver- Überschreitung des hochschulpolitischen gruppen geflossen sein, während diese fasste Studentenschaft kurzerhand auf- Mandats. gleichzeitig von Medien und Bildungsbü- gelöst wurde – erst 2012, nach dem Sturz Diese Beispiele zeigen: Hochschulpo- rokratie anstelle der ASten als studenti- der CDU-Regierung, wurde diese wieder litik ist Allgemeinpolitik ist Hochschul- sche Gesprächspartner*innen hofiert wur- eingeführt. politik. Die Trennung der beiden Sphären den. An der langen Leine der staatstragen- Die langjährige juristische Diskussion wurde erdacht, um linke Politik zu dis- den Parteien wurden sie so zur Zersetzung um das Ausmaß politischer Interessen- ziplinieren und zu kriminalisieren. Die von als zu „radikal“ wahrgenommenen artikulation durch Studierendenvertre- Forderung nach einem allgemeinpoliti- linken Tendenzen und zur Pazifizierung tungen war bereits 1979 durch das Bun- schen Mandat, das von den Studierenden des studentischen Widerstandspotentials desverwaltungsgericht beendet worden. erkämpft werden muss, ist so aktuell wie instrumentalisiert. Viele dieser Gruppen Darin entschied das Gericht, dass den Stu- eh und je. übernahmen ASten und ergatterten auch dierendenvertretungen kein „allgemein- Für eine entfesselte Studierendenschaft! einen Platz im Vorstand des studentischen politisches Mandat“ zustehe. Die rechtli- Bundesverbands VDS 3. che Kategorie eines „allgemeinpolitischen Gruppe kritischer Studierender Die Strategie ging auf: Das Zusammen- Mandats“, das den Verfassten Studieren- spiel zwischen staatlicher Repression und denschaften im Gegensatz zu einem „poli- Entdemokratisierung trieb die studenti- tischen Mandat“ nicht zustehe, war in der sche Selbstverwaltung Ende der 1970er Rechtsprechung bereits in den 1960er Jah- Jahre weitgehend in den Ruin. Der Kampf ren erfunden worden, als es darum ging, 1 ozialliberaler Hochschulverband. Vorgänger des S gegen die Durchsetzung des Hochschul- missliebige (linke) politische Aktivitäten „Bundesverbands Liberaler Hochschulgruppen“ rahmengesetztes in den Jahren 1976 und von ASten sanktionieren zu können. Ende (1987 gegründet). 1977 hatte erneut spontanes Widerstand- der 1970er Jahren erreichte die Repression 2 Liberaler Hochschulverband. Hochschulverband spotential der Studierenden entfacht. gegen linke Studierendenvertreter*in- des FDP-Jugendverbands „Jungdemokraten“, Staatsverdrossenheit und Verlust von nen ihren Höhepunkt: War die Verhän- trennte sich gemeinsam mit diesem 1982 nach Vertrauen in traditionell vorgegebene Ins- gung von Ordnungsgeldern durch Hoch- dem Bruch der sozialliberalen Bundesregierung von der FDP und nantte sich ab 1988 „Radikalde- titutionsformen waren die Folge. In einer schulleitungen seit 1968 üblich geworden mokratische Studentengruppen – Jungdemokra- historischen Situation, in der steigende und in Einzelfällen sogar die Suspendie- ten an der Hochschule“. Arbeitslosigkeit als Folge ökonomischer rung der gesamten Studierendenvertre- 3 erband Deutscher Studentenschaften, ab 1975: V Rationalisierung, verschärfte Repression tung durchgesetzt worden (etwa 1974 den Vereinigte Deutsche Studentenschaften. Dach- gegen Linke angesichts des „Deutschen AStA Marburg), so folgte ab 1978 die per- verband der deutschen Studierendenvertretun- Herbstes“, entstand bei vielen Studieren- sönliche strafrechtliche Verfolgung von gen, 1990 im Streit auseinandergebrochen, aber faktisch nie aufgelöst. Nachfolgeorganisation ist den das Gefühl, nur eine völlige Abwen- Studierendenvertreter*innen. seit 1993 der freie zusammenschluss von stu- dung von der bestehenden Parteienpoli- Die Disziplinierung der Verfassten Stu- dent*innenschaften, in dem auch der AStA der tik der herrschenden Verhältnisse könne dierendenschaften geht bis heute weiter, Goethe-Universität Mitglied ist.
7 Der Geist der Demokratie Der vorliegende (und leicht abgeänderte) Text erschien ursprünglich in dem Sammelband «Kunst der Revolte // Revolte der Kunst” (2019), welcher im Kontext der gleichnamigen Ausstellung (2018) unterschiedliche Beiträge versammelt. Die Ausstellung, welche im Studierendenhaus Bockenheim stattfand, beschäftigte sich Der Geist der Demokratie muss. Wenn sie doch zurückgekommen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der 68er- Vom Studentenhaus sind, dann mit dem klaren Willen und der Bewegung, mit dem Verhältnis von Kunst und zum Offenen Haus der Kulturen vagen Hoffnung, dieses Land auf lange Seit 66 Jahren steht das Studierendenhaus Sicht zu verändern. So schreibt Horkhei- Revolte, sowie der damaligen Student*innenbe- nun auf dem alten Universitätscampus mer 1947 an John Slawson, den geschäfts- wegung in Frankfurt. Unabhängig von der in Bockenheim. Was die sich über einen führenden Vizepräsidenten des Ameri- solch langen Zeitraum einschleichende can Jewish Committee: „Nur wenn eine Ausstellungsthematik wollen wir euch den Text Gewohnheit und das jeweilige Tages- echte Möglichkeit besteht, wenigstens nicht vorenthalten, da er unterschiedliche geschehen leicht vergessen lassen: das einen Teil der neuen Generation, die künf- Studierendenhaus ist ein sehr unwahr- tig die Politik und Kultur des Landes prä- Dimensionen und historische Momente des Stu- scheinlicher Ort. Es ist Symbol für die gen wird, für jene Werte zu gewinnen, die dierendenhaus zusammenfasst. Das Studieren- Redemokratisierung nach dem Krieg und von Nazi-Deutschland weltweit vernich- denhaus auf dem Campus Bockenheim, war die Rückkehr der Frankfurter Schule aus tet werden sollten, haben verantwortli- dem Exil. Es ist über die wechselvollen Zei- che akademische Lehrer in Deutschland und ist immer wieder ein wichtiger Ort für die ten hinweg ein Hort der kritischen Aus- eine Aufgabe.“1 Dass sie diese Möglich- verfasste Studierendenschaft, kritische Stu- einandersetzung mit dem Bestehenden keit alleine durch das Ende der Naziherr- und der utopischen Praxis einer anderen schaft nicht als bereits gegeben ansahen, dent*innen, sowie politischen Bewegungen im Gesellschaft. Als solches hat es die Frank- zeigt der Briefwechsel von Horkheimer Allgemeinen. furter Geschichte geprägt wie wenige und Adorno aus dieser Zeit.2 Beide waren andere Gebäude. sich durchaus bewusst, dass die formale Die Errichtung des Studentenhauses Existenz eines demokratischen Staates war unmittelbar mit der Erfahrung von noch lange keine Demokratie ausmachte, Diktatur und Krieg verbunden. Und sie ist sondern dass Demokratie nur in einer sich im Rückblick nicht nur ein Meilenstein in immer wieder neu vollziehenden aktiven der Redemokratisierung der Hochschule, Praxis bestehen könne. sondern sie steht symbolisch für die Rück- Doch eine solche demokratisierende kehr der Frankfurter Schule aus dem Exil Praxis brauchte, das war für die im histo- und die damit verbundenen emanzipato- rischen Materialismus geschulten Den- rischen Bestrebungen. Denn auch wenn ker klar, zuallererst materielle Grundla- Max Horkheimer nicht, wie es manchmal gen. Und das Studentenhaus sollte eine irrtümlich kolportiert wird, der Initiator solche neu zu schaffende Grundlage sein. des Projektes war, so fällt die Eröffnung In seiner Eröffnungsrede vom 21. Februar des Hauses 1953 doch nicht zufällig in die 1953 widmet Horkheimer den Neubau „der Zeit seines zweijährigen Rektorats an der Erziehung einer akademischen Jugend, die Frankfurter Universität. sich nicht bloß wissenschaftliche Verfah- Die exilierten Wissenschaftler des Ins- rensweisen aneignet, sondern die zugleich tituts für Sozialforschung um Horkhei- den Umgang mit Menschen anderer Nati- mer und Adorno hatten zuvor lange gezö- onen, Religionen und Rassen (sic!), frei- gert nach Deutschland zurückzukommen willige Hingabe an soziale, künstlerische, – in das Land, aus dem sie, weil sie Juden sportliche Tätigkeiten, Liebe zum Denken und weil sie Marxisten waren, vertrieben und Forschen, zum Diskutieren, zur krea- worden waren, und das in der unmittelba- tiven Muse, kurz die den Geist der realen ren Nachkriegszeit von eher schlecht als und tätigen Demokratie praktiziert“.3 Die- recht getarnten Nazis gewimmelt haben ser an Solidarität, unabhängiges Denken
8 Vom Studentenhaus zum Offenen Haus der Kulturen und das Bedürfnis nach Freiheit gekop- einzelne Organe, Initiativen und Projekte ten Frauenbewegung in Deutschland steht. pelte demokratische Geist bedürfe „der aus diesem Haus heraus gewirkt haben, In den 70er und 80er-Jahren trafen sich Übung und der Gelegenheit, des Beispiels nicht nur in die Universität, sondern auch hier u. a. die Hausbesetzerszene, die Frie- und des Umgangs.“ in die Stadt Frankfurt und die ganze Bun- densbewegung und die Umweltbewegung, Dies waren, trotz der zeittypisch etwas desrepublik hinein, davon erzählt die Aus- Anfang der 2000er-Jahre war das Studie- blumigen Sprache, nicht einfach nur nette stellung Kunst der Revolte // Revolte der rendenhaus die bundesweite Schnittstelle Worte aus gegebenem Anlass, zu dem Kunst ebenso wie der vorliegende Katalog. der erfolgreichen Protestbewegung gegen neben dem Bundespräsidenten Theodor Einige kurze Schlaglichter: Da gab es seit die Studiengebühren, und beinahe selbst- Heuss auch der – zu diesem Zeitpunkt den 50er Jahren den diskus, eine der fort- verständlich war es Anfang der 10er Jahre ungleich einflussreichere – amerikanische schrittlichsten Zeitschriften der jungen auch das strategische Zentrum der Blocku- Hochkommissar John J. McCloy erschienen Bundesrepublik, die deutlich über das stu- py-Proteste. In den letzten Jahren schließ- war, sondern ein durchaus ernst gemein- dentische Milieu hinaus wirkte. Es gab die lich fanden hier u. a. die Auseinanderset- tes Signal. Denn das Haus sollte keines- neue bühne, die weit mehr war als studen- zung um ein Recht auf Stadt und für einen falls, wie es die meisten Hochschulrekto- tisches Laientheater, sondern als Avant- menschenwürdigen Umgang mit Geflüch- ren heute vermutlich betrachten würden, garde-Theater die Rolle einer damals noch teten ihren Raum. Und diese Liste liesse eine studentische Nische am Rande des nicht existierenden, experimentierfreudi- sich fortsetzen. eigentlichen Hochschulbetriebs werden. gen Freien Szene neben den Stadttheatern Im Gegenteil: „Wie unendlich klein auch einnahm, aus der die wichtigsten neuen Freiraum für Experimente das Ausmaß dieses Hauses im Hinblick auf Impulse der Zeit kamen. Da gab es schon Dass sich das Studierendenhaus über meh- so hochgesteckte Ziele erscheint, die Wir- Anfang der 60er Jahre die Auseinanderset- rere Generationen als derart produkti- kung dieser Zelle wird sich aufs Ganze der zung mit der deutschen Schuld und früher ver Ort erwies, hat mehrere Gründe. Universität und weiterhin erstrecken, es als anderswo die Kritik am Krieg in Viet- Dazu gehört zunächst einmal die großzü- wird ihr Zentrum werden.“. nam. Und natürlich gab es die Studenten- gige, ein wenig an ein Kloster erinnernde Dieser hohe Anspruch scheint sich in bewegung von 1968, nicht zuletzt mit dem Architektur: Auf seinen breiten, um einen den folgenden Jahrzehnten in mancher- Tomatenwurf im Festsaal des Studieren- Innenhof gruppierten Fluren schienen lei Hinsicht eingelöst zu haben. Wie sehr denhauses, der für den Beginn der zwei- Diskussion und Debatte offensichtlich
9 »Als Offenes Haus der Kulturen wird es ein Ort bleiben, an dem soziale, politische Akteure und KünstlerInnen verschiedener Disziplinen, sowie Menschen unter- schiedlicher Herkunft und Milieus in Austausch treten.« bereits konzipiert zu sein. Und die Vielzahl entgegen. Doch das Haus selber ist noch linen, sowie Menschen unterschiedlicher an Räumen mit ganz unterschiedlichen lange nicht gewillt, in Rente zu gehen. Herkunft und Milieus in Austausch tre- Größen und Qualitäten, vom imposan- Nachdem es vor einigen Jahren durch den ten. Es bleibt ein Raum streitbaren gesell- ten lichtdurchfluteten Festsaal über die Einsatz engagierter Bürger*innen seinem schaftlichen Denkens und Handelns, in Mensa, das spätere Café KoZ, bis zu den bereits geplanten Abriss entgangen ist, dem stets neuverhandelt wird, was politi- vielen variabel nutzbaren Clubräumen geht es derzeit seinem zweiten Leben ent- scher und künstlerischer Ausdruck einer liessen die vielfältigsten Nutzungen zu, gegen, tritt also quasi in seine Zeit nach sich stark wandelnden (Stadt-) Gesell- ohne sie bereits vorzuschreiben. Dazu kam dem Studium ein. Darin könnte es zum schaft, auf einem sich rasch verändern- die logistische, technische und finanzielle Studienort für die ganze Stadtgesellschaft den Planeten ist. Haben wir Vertrauen in Ausstattung rund um den AStA, der zeit- werden. Nach dem für 2021 vorgesehe- die Kraft eines selbstbestimmten Mitein- weise so etwas wie eine Art Mini-Konzern nen Freizug des Campus Bockenheim soll anders auf Augenhöhe, kann das Haus als war, mit seinen über eigenen Etat verfü- auf dessen Gelände der „Kulturcampus“ Labor einer demokratischen Gesellschaft genden Referaten, einer Zeitschrift, einer entstehen, ein „Zentrum der Künste“ mit neue Wege aufzeigen und wird sicherlich eigenen Druckwerkstatt und einer her- der Hochschule für Musik und Darstel- auch weiterhin ein wichtiger Schauplatz vorragenden Kino-Projektionstechnik, zu lende Kunst und mehren Institutionen für Kunst und Revolte sein. denen sich in Hochzeiten noch eine Auto- der Avantgarde-Kunst wie dem Ensem- vermietung, ein Reisebüro, eine Arbeits- ble Modern und der Hessischen Theater- Von Tim Schuster vermittlungsagentur und manches mehr akademie. In dessen Zentrum wird auch gesellten. weiterhin das Studierendenhaus ste- Um die materielle Basis, von der über hen - dann jedoch als Offenes Haus der Buch: die Jahrzehnte auch viele nicht im engen Kulturen. Michaela Filla-Raquin, Sinne studentische Initiativen und Pro- Dieses soll in vielerlei Hinsicht an die Andrea Caroline Kepller (HG.): jekte profitierten, war es also nicht Tradition des Studentenhauses anknüp- “Kunst der Revolte // Revolte der Kunst”, schlecht bestellt. Entscheidend bei alle- fen, sich dabei aber auch neu erfinden. VG-Bildkunst: Bonn. dem war jedoch etwas, das Karl-Heinz Wenn man die Demokratie im Sinne ISBN: 978-3-945365-27-4 Braun, der hier mit der neuen bühne Horkheimers und Adornos als eine nie- agierte, noch im Rückblick spürbar begeis- mals abgeschlossene Praxis versteht, Offenes Haus der Kulturen tert beschreibt: „Wir konnten frei arbeiten dann könnte es die materielle Grundlage im Studierendenhaus hier, konnten frei experimentieren und sein, um deren Geist in Auseinanderset- https://www.offeneshausderkulturen.de hatten keinerlei Restriktionen. Ohne die- zung mit den aktuellen gesellschaftlichen Instagram: @offeneshausderkulturen ses Haus hätte das nicht stattgefunden.“4 Herausforderungen zu leben. Bereits Facebook: @offeneshausderkulturen Dies klingt nicht nur wie ein spätes Echo heute zeigen sich konkrete Tendenzen Mail: info@ohdk.de auf Horkheimers Eröffnungsrede, sondern seines zukünftigen Profils: So hat zum beschreibt offensichtlich auch die biogra- Beispiel die Einrichtung einer Notunter- phisch prägende Erfahrung eines Mannes, kunft für Geflüchtete auf dem brachlie- der später nicht zufällig zu den Begründern genden Campus ab 2016 dazu geführt, des selbstorganisierten Verlags der Auto- dass sich in und um das Studierendenhaus ren und der Mitbestimmung am legen- ein breites Netz von Unterstützer*in- dären Theater am Turm und am Schau- nen bildete, das Alt- und Neufrankfurter spiel Frankfurt wurde. Aus dieser Frei- zusammenbringt. Seitdem ist das Haus heit von Vorgaben und Hierarchien, die ein Ort des Ankommens für Menschen sich in vielfältigsten Strukturen der Selb- geworden, die aus Krieg und Verfolgung 1 gl. Wiggershaus, Rolf: Max Horkheimer. Begründer V storganisation niederschlug, erwuchs ein fliehen mussten. Eine Heimat für Men- der „Frankfurter Schule“. Frankfurt am Main 2014. unwahrscheinlich dichter sozialer Raum schen verschiedener Herkunft - wenn 2 Theodor W. Adorno/Max Horkheimer. Brief- mit einer kaum überschaubaren Fülle an man unter Heimat einen Ort versteht, der wechsel 1927-1969. Band III: 1945-1949 und Band IV: 1950-1969, hrsg. v. Christoph Gödde u. Henri unterschiedlichen Praktiken, Anlässen und sich aktiv gestalten lässt. Lonitz. Vgl. Demirovic, Alex: Das Glück der Wahr- Aktivitäten. Mit der aktuellen Entwicklung knüpft heit. Die Rückkehr der „Frankfurter Schule“. das Haus also in gewisser Weise an seine 3 ax Horkheimer, abgedruckt in: Einweihung des M Ein Studienort für die Ursprünge als Ort der demokratischen Studentenhauses. Ansprachen gehalten am 21. Stadt von morgen Praxis und des Neuanfangs an. Als Offe- Febr. 1953 beim Akad. Festakt., Frankfurt 1953. 67 Jahre nach seiner Eröffnung neigt sich nes Haus der Kulturen wird es ein Ort blei- 4 arl-Heinz Braun im Gespräch zur Performance K die universitäre Nutzung des Studieren- ben, an dem soziale, politische Akteure „Horkheimers Geist“, einem Audiowalk im Studie- denhauses heute endgültig ihrem Ende und KünstlerInnen verschiedener Diszip- rendenhaus der Gruppe profikollektion, 2017.
10 AUTOVERMIETUNG AN DER UNI FRANKFURT Das KFZ-Referat („Kraftfahrzeug-Referat“) Besonders günstig sind Anmietungen im Vier- existiert seit 1960 an der Universität Frankfurt. Stunden- oder Nachttarif an Werktagen. Es wurde vom Allgemeinen Studentenausschuss Bei Anmietungen am Wochenende empfehlen (AStA) gegründet, um den Studierenden wir rechtzeitige Reservierung bzw. Buchung. preiswerte Umzugs-transporter zur Verfügung zu Studierende der Goethe-Uni erhalten gegen stellen. Vorlage des Studierendenausweises einen Im Jahr 2003 wurde das KFZ-Referat privatisiert Studierendenrabatt von 20 % auf den Mietpreis. und vermietet seine Transporter heute auch Unsere Fahrzeuge und Tarife finden Sie auch an Nichtstudenten. Mit dem AStA der Johann im Netz unter: www.kfz-referat.de Wolfgang Goethe Universität besteht ein umfangreiches Kooperationsabkommen. Die Frankfurt Bockenheimer Landstraße 133 Fahrzeuge – Mercedes Sprinter und Ford Transit – Mo – Fr 8.30 bis 18.00 Uhr; Tel: 069/705469 sind Transporter für Umzüge, Kleintransporte und Einkaufsfahrten. REFERAT WWW.KFZ–REFERAT.DE 069/79823048
11 Über das Elend im Studentenmilieu „Es ist hart, der studentischen Realität ins zwei mächtigsten Systemen der gesell- diesen nostalgischen Professoren, die dar- Gesicht zu sehen. Das studentische Elend schaftlichen Autorität abhängt: der Fami- über verbittert sind, ihre alten Funktio- steht noch unterhalb des Elends der Gesell- lie und dem Staat. Er ist ihr ordentliches nen als Hofhunde der zukünftigen Herren schaft des Spektakels, unter dem neuen und dankbares Kind. gegen die viel weniger edle von Schäfer- Elend des neuen Proletariats. In einer Zeit, Da für ihn noch etwas vom zerschlage- hunden eingetauscht zu haben, die gemäß wo ein wachsender Teil der Jugend sich nen Prestige der Universität abfällt, freut dem geplanten Bedarf des Wirtschaftssys- immer mehr von den moralischen Vorur- sich der Student immer noch, Student zu tems die ‚Weiße-Kragen‘-Herren zu ihren teilen und der familiären Autorität befreit, sein. Zu spät. Der mechanisierte und spe- jeweiligen Fabriken und Büros leiten. um so früh wie möglich in die offenen Aus- zialisierte Unterricht, den er empfängt, Ernster und damit gefährlicher sind die beutungsverhältnisse einzutreten, ver- ist ebenso heruntergekommen (im Ver- Modernisten der Linken, die eine ‚Rein- harrt der Student auf jeder Ebene in einer hältnis zum früheren Niveau bürgerlicher tegrierung der Universität in das Gesell- verantwortungslosen, gefügigen und ‚ver- Allgemeinbildung) wie sein eigenes intel- schafts- und Wirtschaftsleben‘ fordern, längerten Unmündigkeit‘. Während seine lektuelles Niveau im Augenblick seines d.h. ihre Anpassung an die Bedürfnisse verspätete jugendliche Krise ihn etwas Studienantritts, und zwar allein aufgrund des modernen Kapitalismus. Die verschie- in Opposition zu seiner Familie bringt, der Tatsache, daß das alles beherrschende denen Fakultäten und Schulen, die noch akzeptiert er ohne weiteres, in den ver- ökonomische System die Massenherstel- mit anachronistischem Prestige deko- schiedenen Institutionen, die sein alltägli- lung ungebildete und zum Denken unfähi- riert sind, werden von Verteilungsstät- ches Leben regeln, wie ein Kind behandelt ger Studenten verlangt. Der Student igno- ten der ‚Allgemeinbildung‘ zu Diensten zu werden. Wo ihn keiner anscheißt, tritt riert, daß die Universität zu einer instituti- der herrschenden Klassen in Fabriken der man ihm in den Arsch. onalisierten Organisation des Unwissens hastigen Aufzucht von unteren und mitt- Aber die Gründe für unsere Verachtung geworden ist, daß selbst die ‚hohe Kultur‘ leren Kadern umgewandelt. Weit davon des Studenten sind ganz anderer Art. Sie sich im Takt der Serienproduktion von entfernt, diesen geschichtlichen Prozeß betreffen nicht nur sein wirkliches Elend, Professoren auflöst und daß alleProfes- infrage zu stellen, der einen der letzten sondern seine Gefälligkeit gegenüber soren Kretins sind, von denen die meisten relativ autonomen Sektoren des gesell- jedem Elend, seine ungesunde Neigung, sich vor jedweder Gymnasialklasse bla- schaftlichen Lebens den Forderungen des glückselig die Entfremdung zu konsumie- mieren würden. Er hört seine Lehrer auch Warensystems direkt unterwirft, protes- ren in der Hoffnung, angesichts allgemei- weiterhin mit Respekt, mit dem bewuß- tieren unsere Fortschrittsjünger gegen nen Mangels an Interesse das Interesse ten Vorsatz, jeden kritischen Geist aufzu- Verspätungen und Schwächen auf dem auf seinen besonderen Mangel zu lenken. geben, um sich mit den anderen besser in Weg zu seiner Verwirklichung. Sie sind Der moderne Kapitalismus bewirkt ganz der mystischen Illusion verbunden zu füh- die Befürworter der zukünftigen kyber- zwangsläufig, daß der größte Teil der Stu- len, ‚Student‘ geworden zu sein, jemand, netischen Universität, die sich schon hier denten ganz einfach zu kleinen Kadern der ernsthaft damit beschäftigt ist, sich und dort ankündigt. Das Warensystem wird. Angesichts des elenden, leicht vor- ein ernsthaftes Wesen anzueignen, in der und seine modernen Diener, das ist der auszusehenden Charakters dieser mehr Hoffnung, man werde ihm auch die letz- Feind.” oder weniger nahen Zukunft, die ihn für ten Wahrheiten anvertrauen. Das sind das schmachvolle Elend der Gegenwart die Wechseljahre des Geistes. Schon jetzt Situationistische Internationale ‚entschädigen‘ soll, zieht der Student es bringt der Student alle zum Lachen. vor, sich seiner Gegenwart zuzuwenden Dem Studenten wird nicht einmal und sie mit illusorischem Prestige aus- bewußt, daß die Geschichte auch seine Quelle: zuschmücken. Die Kompensierung selbst lächerliche ‚geschlossene‘ Welt verändert. http://rolux.net/asa/ ist allzu kläglich, damit man sich mit ihr Die berühmte ’Universitätskrise‘, Detail txt/elend.htmlÜber befaßt; der Morgen wird kein Paradies einer allgemeinen Krise des modernen sein und zwangsläufig in der Mittelmäßig- Kapitalismus, bleibt Gegenstand eines Dia- keit schwimmen. Deshalb flieht der Stu- logs tauber Fachidioten. In ihr kommen dent in eine unwirklich gelebte Gegen- ganz einfach die Schwierigkeiten einer wart. verspäteten Anpassung dieses besonde- Wie ein stoischer Sklave glaubt der ren Produktionssektors an die Umwand- Student sich umso freier, je mehr alle Ket- lung des gesamten Produktionsapparates ten der Autorität ihn fesseln. Genau wie zum Ausdruck. Die Überreste der alten seine neue Familie, die Universität, hält Ideologie einer liberal-bürgerlichen Uni- er sich für das gesellschaftliche Wesen versität werden in dem Augenblick nichts- mit der größten ‚Autonomie‘, während er sagend, wo ihre gesellschaftliche Basis doch gleichzeitig und unmittelbar von den verschwindet. Daher das Lächerliche an
12 1. Über das Elend im Studentenmilieu 2. 3.
13 Klassismus und die Linke Der vorliegende Text wurde bereits in leicht verän- Die Beziehung der politischen Linken zur werten plötzlich gezielt ab. Unter anderem Arbeiter*innenklasse und zum Klassen- aufgrund solcher Erfahrungen von Betrof- derter Form im diskus veröffentlicht und beschäf- kampf ist seit langem ein schwieriges fenen organisierte der Asta der Uni Frank- tigt sich mit den aktuell geführten Debatten über Thema. Neu ist jedoch, dass diejenigen, furt vom 28. 11. bis 29. 11. ein Wochenend- das Thema Klassismus. Insbesondere das Verhält- die sich für die Klassenkämpfer*innen der seminar mit dem Titel „(Anti-) Klassismus Stunde halten, die Selbstorganisation von und Klasse an der Hochschule“. nis von Klasse, Klassismus und der Linken wurde Menschen, die in letzter Zeit vor allem Abgesehen von dem mehrstündigen in der letzten Zeit vermehrt kontrovers disku- unter dem Stichwort „Klassismus“ an Austausch über Diskriminierungserfah- deutschen Universitäten stattfindet, ent- rungen von Klassismusbetroffenen am tiert, zudem erscheint eine Vielzahl an Publikatio- weder völlig ignorieren oder sogar aktiv Samstag, der von dem vor kurzem gegrün- nen, wie z. B. der Sammelband „Solidarisch gegen bekämpfen. Dies verweist auf ein größeres deten „Autonomen Referat für antiklas- Klassismus“ von Francis Seeck und Brigitte Theißl, Problem innerhalb der Linken. sistisches Empowerment“ an der Univer- Das Standardargument gegen eine sität zu Köln angeleitet wurde, diskutier- auf den sich oftmals berufen wird. Gleichzei- Beschäftigung mit dem Thema „Klassis- ten die Teilnehmer*innen am Sonntag tig nimmt die Thematik auch in praktischer Weise mus“, dass viele Betroffene immer wieder auch über die theoretischen Fragen des zu hören bekommen, ist dabei zweiteilig. Klassenbegriffes mit Alex Demirović und Fahrt auf: Innerhalb dieses Jahres wurden sechs Zum einen wird behauptet, dass Klassis- Katharina Hoppe. In seiner ausführlichen neue Antiklassismus-Referate an deutschen Hoch- mus „nur“ als Diskriminierungsform ver- historischen Rekonstruktion des moder- standen werde und zum anderen wird in nen Klassenbegriffes und vielen Refe- schulen gegründet. In diesem Zusammenhang den Raum gestellt, dass mit der Fokus- renzen auf die Theorien von Rosa Lux- fand am 28./29.11. die (Anti-)Klassismus Tagung sierung auf die subjektive Erfahrungse- emburg und Edward P. Thompson zeigte des AStA-Frankfurt statt, auf die sich der vorlie- bene der eigentliche Klassenkampf ver- Alex Demirović auf, dass das „Machen“ der loren ginge. Was hier versucht wird, ist Arbeiter*innenklasse schon immer mit der gende Artikel unteranderem bezieht. natürlich keine ernsthafte Auseinander- Solidarisierung von Intellektuellen und setzung mit der Thematik, verweisen Einzelpersonen aus der Oberschicht ein- doch Theoretiker*innen wie Tanja Abou herging und die Relationen zwischen den oder Andreas Kemper stets darauf, dass Klassen die entscheidende historisch-ma- Klassismus unmittelbar mit der Klassen- terialistische Kategorie sind, durch die die und Verteilungsstruktur der Gesellschaft Klassengesellschaft verständlich wird. verknüpft ist und eben aufgrund dieser Eine der Fragen, die sich daraus ergibt und entsteht. Und damit das langfristige Ziel der sich wie kein anderer Bourdieu wid- antiklassistischer Arbeit die Abschaf- mete, dessen soziologische Theorie Kat- fung der Klassengesellschaft wäre. Viel- harina Hoppe im Anschluss an Demirović mehr wird versucht das Thema Klassismus vorstellte, ist dabei, welche Rolle diejeni- künstlich von den linken Debatten um die gen, die die Arbeiterklasse von den „besse- Klassengesellschaft abzulösen. ren Plätzen“ der Gesellschaft aus beobach- Für Menschen, die aus nicht-akademi- ten, im Klassenkampf überhaupt spielen schen Verhältnissen kommen, ist die Uni- können. Damit sind im Besonderen die- versität kein „natürlicher“ Raum, in dem jenigen gemeint, die aus der Oberschicht man sich gerne bewegt. Hinzu kommt, und dem Bildungsbürgertum stammen dass es sich auch mit den akademisier- und einen Großteil derjenigen stellen, die ten linken Kontexten an den Univer- heute in den Sozialwissenschaften und sitäten oftmals ähnlich verhält. Wenn der Publizistik tätig sind. Und damit auch die Nicht-Akademiker*innen dann auch eine gewisse Diskursmacht aufzuweisen noch von Klassismus sprechen, platzt den haben, wie über die Klassengesellschaft „wahren“ Klassenkämpfer*innen oftmals gesprochen wird. Es wäre wünschenswert, der Kragen und sie sprechen aus, was sie ging nicht zuletzt aus dem Vortrag von eigentlich wirklich über die Selbstrefle- Alex Demirović hervor, wenn sie an dem xion der Arbeiter*innenkinder und Klas- Transformationsprozess, den Universität sismusbetroffenen denken. „Sich nicht so und Gesellschaft so dringend benötigen, in seinem eigenen Leid suhlen“, hört man mitwirkten. Hierzu reicht es jedoch nicht da mal schnell. Menschen, von denen man nur „Das Kapital“ zu lesen und die ver- sich eigentlich Solidarität erwarten würde, meintlich objektiven Bewegungsgesetze
14 der Klassengesellschaft auswendig zu ler- des Klassismus, eröffnet dieses bewusst sie beispielsweise Vergünstigungen beim nen. Wie bereits 1932 der marxistische eine Betroffenenperspektive und priori- Mensaessen bekommen und dadurch am Theoretiker und Vordenker der Frankf- siert zurecht diejenigen, die unter der Klas- Ende des Monats vielleicht auch noch urter Schule Karl Korsch bemerkte, ist das senstruktur der Gesellschaft alltäglich lei- einmal ins Kino gehen können oder eben Verständnis des Klassenkampfes bei Karl den. Damit geht, und dies ist die praktische nicht. Darüber hinaus stellt ein Gleichstel- Marx selbst, also bereits seit seiner Ent- Konsequenz des Klassismusbegriffes, eine lungbüro auch eine Anlaufstelle dar und stehung, dadurch gekennzeichnet, dass es Priorisierung der Betroffenen in der Beur- öffnet im besten Fall einen Raum, in dem auch als praktische Aktion gedacht wird. teilung über den Reflexionsprozess der sich Menschen, die von den universitä- Es soll ein Reflexionsprozess und Kampf Klassenpositionen und der klassistischen ren Strukturen systematisch diskriminiert „der vereinigten wirklichen Menschen“ Verhaltensmuster einher. Hierdurch gera- werden und dabei auch noch kaum ökono- sein, die die revolutionäre Klasse stellen. ten klassenspezifische Distinktionsmerk- misches und kulturelles Kapital zur Ver- Klassen und politische Subjekte werden male der bildungsbürgerlichen Schichten, fügung haben, gemeinsam organisieren eben in historischen Prozessen erzeugt wie die symbolische Benutzung marxisti- können. Einen Raum, um sich über klas- und sind nicht einfach da. schen und vermeintlich klassenkämpferi- sistische Erfahrungen und den oft auch In der Klassengesellschaft machen schen Vokabulars in Gefahr. Wenn die Dik- leidvollen Prozess des Studierens, der mit die vereinzelten Subjekte verschiede- tatur des Proletariats plötzlich nicht mehr vielen Unsicherheiten verbunden ist, aus- ner Schichten äußerst unterschiedliche eine visionäre Zukunftsvorstellung bleibt, tauschen zu können. Erfahrungen, durchlaufen unterschied- mit der man sich vor den Kommiliton*in- Die Welt, in der wir leben, ist schlecht liche Sozialisationsprozesse und stehen nen als klassenbewusst brüsten kann, son- genug. Sich mit dem alltäglichen Leid der- an unterschiedlichen Orten innerhalb des dern die Betroffenen bestimmen möch- jenigen zu befassen, die unter der Klassen- sozialen Raums der Gesellschaft. Die Stel- ten wo es lang geht, zeigen sich dann die struktur leiden, diese und deren Interes- lung zum Produktionsprozess der gesell- bereits oben beschriebenen reaktionären sen an der Universität und anderswo ernst schaftlichen Güter, egal ob materieller Verhaltensweisen gegenüber denjenigen, zu nehmen, war und ist die Voraussetzung oder kultureller Art, bestimmt jedoch auch die wirklich unter der Klassenstruktur der jeglichen Klassenkampfes und wäre die heute noch im Wesentlichen die Zugangs- Gesellschaft leiden und sich auf den Begriff Aufgabe linker Politik. Ob die Linke diese möglichkeiten zu Freizeit, Gesundheit und des Klassismus berufen. Aufgabe annehmen kann und wieder zur Bildung. Niemand weiß dies besser als die In selbiger Manier verweisen viele Mar- Klassenbewegung wird, ist eine der zent- von Klassismus Betroffenen, deren Eltern xist*innen immer wieder darauf, dass ein ralen Fragen, die sie für sich beantworten oft 40 Stunden pro Woche die Wohnun- Antidiskriminierungsbüro und Antidiskri- muss. Der Ausgang dieser Frage bedeutet gen von Reichen putzen oder die selbst minierungsarbeit am Campus den Klas- für die von Klassismus Betroffenen viel- zwei Nebenjobs nachgehen, um ihr Stu- senkampf nicht ersetzen kann. Dies mag leicht mehr, als die Linke aktuell selbst zu dium zu finanzieren und zwischen diesen aus einer orthodox-marxistischen Per- erahnen weiß. Die Selbstorganisation von beiden Welten leben. Inklusive aller Ver- spektive als richtig erscheinen, jedoch Betroffenen unter dem Label des Klassis- antwortungen, die diese mit sich bringen. wird damit eine bestimmte Vorstellung mus ist deshalb vor allem ein Hoffnungs- Die Erfahrungen innerhalb einer Gesell- von Universität reproduziert, die diese funke. Sie zeigt, dass die Klassenbewegung schaft, deren Vielfalt vor allem in den Aus- außerhalb des Klassenkampfes verortet. zur Not auch ohne das bildungsbürgerli- schlüssen, die sie erzeugt, besteht, diver- Unterschlagen werden dabei die Entwick- che linke universitäre Milieu fortschrei- gieren dementsprechend zwischen den lungen, die die Klassengesellschaft in den ten kann und wird. gesellschaftlichen Schichten und Grup- letzten Jahrzehnten erfahren hat und die pen. Der Erfahrungshorizont der Ober- dazu geführt haben, dass sich heute viele Florian Meier schichten qualifiziert sie damit nicht unbe- Arbeiter*innenkinder an den Universitä- dingt besonders für den Klassenkampf ten wiederfinden und dort einerseits, auf- und die Bestimmung über dessen Aus- grund vielfältiger Brüche mit dem Her- richtung. Egal ob in der Fabrik oder an der kunftsmilieu und neuer Denk-, und Wahr- Universität. Insofern stellt die Debatte nehmungsschemata, beginnen aktiv über über Klassismus, die übrigens am Wochen- die Klassengesellschaft zu reflektieren, ende nicht nur unter Betroffenen geführt sich jedoch andererseits auch mit aus- wurde, sondern an der auch Menschen schließenden Strukturen und diskriminie- beteiligt waren, die sich selbstkritisch ren Verhaltensweisen konfrontiert sehen. mit ihrer eigenen sozialen Stellung inner- Entgegen der Position vieler Marxist*in- halb der Klassengesellschaft beschäftigen nen machen die Debatten um Klassismus wollten, vielleicht ein neues Mittel dar, um deutlich, dass die Universität kein neutra- „den“ Klassenkampf wieder neu zu den- ler Raum außerhalb des Klassenkampfes ken. Der Kontakt, der Konflikt, die Kon- ist. An den Universitäten wird in weiten frontation und vor allem die Diskussion Teilen bestimmt, wie über Gesellschaft, verschiedener Klassenpositionen, die wohl Klasse und diskriminierende Strukturen an keinem Ort so geführt werden könnte, gesprochen wird. Gerade deshalb sind sie wie dies im gewissermaßen kontingen- ein Schlachtfeld von Kämpfen um materi- ten Milieu der Universität möglich ist, elle Güter, z.B. Studien- und Forschungsfi- stellt vielleicht einen Ausgangspunkt für nanzierungen, und um den Zugang zu Dis- eine solche Praxis, wie sie auch Karl Marx kursen, sowohl hochschulpolitischen als und Karl Korsch vorschwebte, dar. Und auch wissenschaftlichen, und muss not- müsste nicht jede praktische Aktion zum wendigerweise als Teil des Klassenkamp- Umsturz der Klassenverhältnisse damit fes gedacht werden. Der Schluss, dass das beginnen, dass sich Menschen verschie- Gleichstellungsbüro am Klassenkampf dener Klassen mit ihrer sozialen Herkunft nichts ändern würde ist zudem eine Ver- und den damit verbundenen Herrschafts- kennung von dessen materiellen Gehalt. mechanismen und Subjektivierungsfor- Nicht, dass es die Hoffnung darauf gäbe, men beschäftigen? dadurch die Klassenstruktur der Universi- Jedoch, und hierin besteht vermutlich tät wirklich abzuschaffen. Jedoch macht es auch die Ablehnung vieler marxistischer eben für arme und von Klassismus betrof- Denker*innen gegenüber dem Konzept fene Studierende einen Unterschied, ob
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17 MLP & Co. Freiheit in Forschung und Lehre statt ›Freiheit von staatlicher Detailsteuerung‹ Die Kooperation der Goethe-Universität mit dem Finanzdienstleister MLP steht symptomatisch für die Liberalisierung der Hochschulen, welche diese zu wirtschaftlichen Akteurinnen macht und den Voraus- setzungen für eine freie Forschung und Lehre entgegensteht. Die Initiative ‚Finanzwende‘ hat kürzlich sondern auch direkt bei der Credit Suisse, die Zusammenarbeit der Goethe-Univer- der Deutsche Bank, der DZ Bank oder der sität mit dem Finanzdienstleister MLP Commerzbank. kritisiert.1 MLP bietet an der Universität Partnerschaften dieser Form gehö- Seminare und Workshops, etwa zu Steu- ren mittlerweile zum Kerngeschäft der erfragen und „Financial Education“ oder Universitäten. Aldi-Süd-Hörsaal, Spar- Excel-Kurse, an, die von Mitarbeiter*in- kassen-Hörsaal, easyCredit-Hörsaal und nen des Unternehmens geleitet werden. Fresenius-Medical-Hörsaal: An deut- Diese Seminare haben dann reißerische schen Universitäten und Fachhochschu- Titel wie „Mehr Geld – weniger Steu- len sind Unternehmen so präsent wie nie. ern!“ oder „Gehaltsverhandlungen – Wie Und obwohl sich die Goethe-Universität bekomme ich, was ich verdiene?“. Kun- in ihrem Leitbild zur „Freiheit und Ein- denwerbung gehört natürlich zum festen heit von Forschung und Lehre“3 bekennt, Programm dieser Seminare. So werden sieht die Universität augenscheinlich kei- die Teilnehmenden zum Semesterende nen Widerspruch zwischen solchen Part- dazu aufgefordert, ihre Kontaktdaten für nerschaften und einer freien Forschung weitere Gespräche zu hinterlassen, Ver- und Lehre. Freiheit impliziert immer auch sicherungen bei MLP abzuschließen oder die Unabhängigkeit von äußeren Ein- Praktika wahrzunehmen. flüssen, welche die Universität als Ins- Diese Zusammenarbeit ist kein Einzel- titution überhaupt erst dazu in die Lage fall, sondern steht exemplarisch für die versetzt, durch Forschung und Lehre in enge Kooperation zwischen Goethe-Uni- gesellschaftliche – das heißt auch: ökono- versität und Wirtschaft. Während Ban- mische – Prozesse kritisch zu intervenie- ken Lehrstühle finanzieren und Dozie- ren. Dass das House of Finance und die an rende etwa für das Modul Finanzmark- ihm beheimateten Institute ohne ihre För- tethik abstellen, nehmen umgekehrt derer nicht dazu in der Lage wären, „ihre Lehrende eine beratende Funktion in hohen Ansprüche zu verwirklichen und Unternehmen ein. Auf ihrer Homepage die Qualität ihrer Arbeit aufrechtzuerhal- lässt die Goethe-Universität 131 Förde- ten“4, verrät dagegen schon eine Abhän- rern des House of Finance ihre „größte gigkeit, die einer freien Forschung und Wertschätzung“2 entgegenkommen, die Lehre geradezu im Wege steht. sich auch in der Benennung der Räumlich- Was es tatsächlich mit der Freiheit auf keiten niederschlägt: Im House of Finance sich hat, der sich die Goethe-Universität lässt es sich nicht nur in Shanghai, Boston verschrieben hat, lässt sich indessen eben- und anderen Finanzmetropolen studieren, falls auf der Universitäts-Homepage in
18 Erfahrung bringen: Gemeint ist weder die Freiheit zur Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen noch die Freiheit von jeg- licher äußeren Einflussnahme, sondern die „Freiheit von staatlicher Detailsteue- rung“5 als notwendige Voraussetzung auf dem Weg zur Exzellenz. Die Orientierung an der klassisch libe- ralen Ideologie einer Freiheit von staatli- chen Einflüssen macht die Zusammenar- Seit Jahren werden die Hochschulen und beit mit der Goethe-Universität für andere Universitäten unter dem Druck der öffent- wirtschaftliche Akteure natürlich unge- lichen Finanzierungssysteme zur unter- mein attraktiv. Daraus resultiert ein Bünd- nehmerischen Hochschule ausgebaut. Das nis zwischen Universität und Wirtschaft, Ziel ist, Wissen, Bildung und Forschung das von einer wechselseitigen Abhängig- wirtschaftlich verwertbar zu machen. keit geprägt ist. Auf der einen Seite erhofft Durch die chronische Unterfinanzierung sich die Goethe-Universität durch finan- bleibt unabhängige und gesellschaftskri- zielle Unterstützung aus der Privatwirt- tische Forschung und Lehre, durch die schaft „in Zeiten knapper öffentlicher Kas- sich nur schwer Drittmittel generieren sen neue Spielräume für Forschung und lassen, auf der Strecke. Statt einseitiger Lehre“ 6. Indessen sollte auf der anderen Exzellenz-Förderung bedürfte es vielmehr Seite aber klar sein, dass der Universi- einer öffentlichen Ausfinanzierung, um die tät diese Spielräume von ihren die soge- Voraussetzungen für eine Forschung und nannten ‚Freunden und Förderern‘ nicht Lehre sicherzustellen, die unabhängig von aus völliger Selbstlosigkeit eröffnet wer- wirtschaftlichen Interessen zu agieren den, sondern aus einem Eigeninteresse vermag. Für MLP und zahlreiche andere heraus. In manchem Fällen, wie etwa bei Unternehmen würde das die Koopera- MLP, mag das ein ganz konkretes Profi- tion mit Universitäten zwar unattraktiv tinteresse sein. In anderen Fällen kann es machen. Zugleich wäre es der einzige Weg, darum gehen, auf die Ausrichtung der For- durch den die Universität ihrem Anspruch schung Einfluss zu nehmen. In jedem Fall gerecht werden könnte, als gesellschaftli- aber ist diese Unterstützung an die Erwar- che Institution zugleich eine kritische Dis- tung geknüpft, dass die Universität ihr tanz zur Gesellschaft einzunehmen und liberales Leitbild aufrechterhält. Wege zu finden, um in gesellschaftliche In Wahrheit steht die ‚Freiheit von Verhältnisse zu intervenieren. staatlicher Detailsteuerung‘ der Freiheit AStA von Forschung und Lehre entgegen. Um eine freie Forschung und Lehre zu gewähr- leisten, wäre es notwendig, die Universi- tät von den finanziellen Sachzwängen zu befreien, die ihre Ausrichtung an wissen- schaftlicher Exzellenz bedingen und die Universität selbst zu einer wirtschaftli- chen Akteurin machen, die sich um den Erwerb von Drittmitteln zu kümmern hat. Die sogenannte Exzellenzstrategie hat zur Folge, dass der Wettbewerb um knappe Finanzmittel zunimmt, die Grundfinan- zierung der Hochschulen durch die Län- der zurückgeht und Kettenbefristungen im Mittel- und Unterbau der Hochschu- len ausufern. 1 https://www.finanzwende.de/kampagnen/ finanzvermittler-mlp-runter-vom-campus/ 2 http://www.hof.uni-frankfurt.de/de/about-us/ foerderer.html 3 https://www.uni-frankfurt.de/leitbild/ 4 http://www.hof.uni-frankfurt.de/de/about-us/ foerderer.html 5 https://www.stiftunguni. uni-frankfurt.de/38072349/ Informationen_zur_Stiftungsuniversität 6 https://www.stiftunguni. uni-frankfurt.de/38072349/ Informationen_zur_Stiftungsuniversität
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