VERFASSTE STUDIERENDENSCHAFT - W I - ASTA FRANKFURT

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VERFASSTE STUDIERENDENSCHAFT - W I - ASTA FRANKFURT
AStA ZEITUNG
U   N   I   F   R   A   N   K   F   U   R   T   –   W   I   N   T   E   R   2   0   2   0

                                                  Verfasste
                                        Studierendenschaft
VERFASSTE STUDIERENDENSCHAFT - W I - ASTA FRANKFURT
Hrsg.                AStA der Universität Frankfurt am Main

V. i. S. d. P.       AStA-Vorstand:
                     Melissa Dutz
                     Kyra Beninga
                     Nils Zumkley
                     David Höhnerbach
                     Sebastian Heidrich
                     Mathias Ochs

Anschrift            Mertonstr. 26 – 28,
                     60325 Frankfurt a. M.

Web                  www.asta-frankfurt.de

Mail                 info@asta-frankfurt.de

Redaktion            AStA-Zeitungsreferat:
                     Malte Tübbecke
                     Finn Gölitzer
                     Alexander Toumanides

eMail                zeitung@asta-frankfurt.de

Gestaltung           gegenfeuer.net

Druck                Bechtle Verlag & Druck

Auflage              46 839

Jahrgang             2020

                     Die Inhalte der Artikel spiegeln nicht
                     zwangsläufig die Meinung der Mitglieder
                     des AStA oder der Redaktion wieder.
                     Die Rechte der Artikel liegen bei den
                     Autor*innen.

Eigentumsvorbehalt   Liegen bei niemanden. Geben Sie diese
                     Zeitung jeder x-beliebigen Person
                     für x Äquivalente weiter.                 Coverfoto: Kool Shooters von Pexels
VERFASSTE STUDIERENDENSCHAFT - W I - ASTA FRANKFURT
Editorial
Die letzte diesjährige Ausgabe der AStA Zeitung
widmet sich dem Thema ”Verfasste Studierenden-
schaft“. Im Grunde betrifft das Thema alle, die
unsere Zeitung gerade in den Händen halten. Die           1   Das Hochschulpolitische Mandat beschränkt das

Verfassten Studierendenschaften vertreten die Inte-           Mandat der Studierendenschaft auf hochschul-
                                                              politische Belange und Themen. Was genau unter
ressen aller Studierenden einer Universität gegen-            dieses Mandat fällt, ist allerdings umstritten.

                                                          2   Dabei ging es um den Artikel “Stop-Talking” in
über der Hochschule, der Hochschulleitung und der             unserer Ausgabe “Populismus, Diskurs(e) &

Öffentlichkeit. Als offizielles politisches Organ der         Meinungsfreiheit. Einen Kommentar dazu
                                                              unsererseits findet ihr in der letzten Ausgabe
Studierenden stehen die Ausrichtung und die Man-              “Corona & Außnahmeszustand”. Die Anfrage
                                                              der FDP-Landtagsfraktion findet ihr hier:
datsfunktion der Verfassten Studierendenschaft im             http://starweb.hessen.de/cache/
                                                              DRS/20/8/03318.pdf
Zentrum unzähliger Debatten. In der letzten Zeit
haben sich diese Diskussionen wieder verschärft:
Dabei dreht es sich letztendlich immer um die Frage,
was eigentlich Sinn und Zweck der Studierenden-
vertretungen sein sollte, und welchen Aufgaben sie
sich widmen muss. Insbesondere liberale und reak-
tionäre Kräfte versuchen seit jeher die politischen
Handlungsspielräume der Studierendenschaft ein-
zuschränken, indem sie auf das hochschulpolitische
Mandat 1 derselbigen pochen. Die Vertretung der
Studierenden solle sich bloß nicht mit den großen,
drängenden gesellschaftlichen Fragen beschäfti-
gen, am liebsten wäre es, ihre Politik würde gänzlich
zwischen Mensapreisen und Sitzplatzmöglichkeiten
aufgehen. Diese Haltung findet sich auch in aktu-
ellen Auseinandersetzungen: Erst im August dieses
Jahres stellte die FDP eine Anfrage im Landtag, in
der sie die Rechtmäßigkeit eines Artikels in der AStA
Zeitung, den sie wohl zu politisch empfand, infrage
stellte.2 Jedoch wird die politische Haltung nicht am
Unieingang abgelegt, sondern sollte sogar aktiv ein-
gebracht werden. Schließlich braucht es eine Stu-
dierendenschaft, welche die Verhältnisse kritisch
reflektiert und dabei über die symbolischen Mauern
des Universitätscampus hinausblickt. Auf die Frage:
was darf die AStA Zeitung? Alles.
                                                                 Wir
Eure Redaktion                                          wünschen viel
                                                               Spaß
                                                         beim Lesen!
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in
                     Von Sturmhauben
                       und Maulkörben
                                   05

   l
Die Corona-Leugner*innen                  Vom Elend im
und die „zweite Welle“                  Studentenmillieu
21                                                    11

    Klassismus und die Linke
    13
ha
                                        05   Von Sturmhauben und Maulkörben
                                             Gruppe kritischer Studierender

                                           Der Geist der Demokratie:
                                        07	
                                             Vom Studentenhaus zum
                                             Offenen Haus der Kulturen
                                             Tim Schuster
 Kunst und Revolte
 07
                                        11   Vom Elend im Studentenmilieu
                                             Situationistische Internationale

                                           Klassismus und die Linke
                                        13	
                                             Florian Meier

                                        17   MLP & Co. – Freiheit in Forschung

 lt
                                             und Lehre statt ‚Freiheit von
                                             staatlicher Detailsteuerung‘
                                             AStA

                                        19   Mit der Bahn in die Heimat!
                                             Lukas Diezenbach

                                           Die Corona-Leugner*innen
                                        21	

           Mit der Bahn in die Heimat        und die „zweite Welle“
                                             Initiative Aufklärung statt Verschwörung
           19

                                           Was ist der AStA?
                                        23	
                                             AStA

                                           Orte und Adressen
                                        27	
                                             Karte

                                           Call for Papers
                                        29	
                                             „Wem gehört die Stadt?“
5

Von Sturmhauben
und Maulkörben:
Wie politisch darf eine Studierendenvertretung sein?

Vor etwa 100 Jahren, im Jahr 1919, wurde mit der Deutschen Studen-
tenschaft erstmals die Studierendenvertretung institutionalisiert.
Die Frage, wie politisch eine Studierendenvertretung sein darf, prägt
die Geschichte der deutschen Hochschulpolitik – allerdings gilt
„allgemein“-politisches Engagement erst als anrüchig, seit sich viele
ASten politisch links positionieren. Ein Rückblick.

                   Der erste deutsche „Studentenausschuss“      Rechte Verbindungskräfte besetzten lokal
                   existierte bereits zwischen 1821 und 1825    die wichtigsten Gremien, antirepublikani-
                   in Tübingen, war allerdings nur von kurzer   sche und rassistische Positionen gehörten
                   Dauer. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg     zum Standardrepertoire der DSt-Funk-
                   ist stattdessen von unterschiedlichen stu-   tionäre. Auch völkische Ideologie wurde
                   dentischen Verbänden geprägt, die um         in der DSt bereits Mitte der 1920er Jahre
                   Deutungshoheit und Hegemonie ringen          selbstverständlich vertreten.
                   und sämtlich für sich beanspruchen, für         Zwischen 1929 und 1931 gelang es dem
                   die Studentenschaft als solche zu spre-      NS-Studentenbund (NSDStB), die Deut-
                   chen: Etwa Burschenschaften und ihre         sche Studentenschaft zu übernehmen.
                   Verbände oder der Verein Deutscher Stu-      Ebenso wie die Korporationsverbände der
                   denten – in jedem Fall waren es explizit     Studentenverbindungen vollzog sie in der
                   politische, und zwar nationalistische Ver-   Folge eine faktische Selbstgleichschaltung
                   bände, die Bismarck-Ehrungen ausrichte-      zu den NSDAP-Parteistrukturen, schwor
                   ten und studentische Belange zu vertreten    sich auf Führerprinzip und Rassenkampf
                   behaupteten. Erst in den 1890er Jahren       ein – und organisierte im Mai 1933 im Rah-
                   bildeten sich mit den „Freistudenten-        men ihrer Kampagne „Wider den undeut-
                   schaften“ nicht-korporierte Gegenent-        schen Geist“ bundesweit Bücherverbren-
                   würfe, die schließlich die Bildung von       nungen. Auch in Frankfurt waren es vor          Dennoch blieben die ASten noch in den
                   ASten durchsetzen konnten – der Name         allem Studierende, die die Zusammentra-      1950er und 1960er Jahren Instrumente
                   „Allgemeiner Studentenausschuss“ sollte      gung der Bücher und ihre Verbrennung         rechter Gruppen, die sich durchaus offen-
                   anzeigen, dass es sich um eine gemein-       auf dem Römerberg organisierten. Diese       siv politisch bestätigten und deutschna-
                   same Vertretung von Korporierten und         kulturpolitische Säuberungskampagne          tionale Interessen artikulierten. Als bei-
                   Nicht-Korporierten handelte.                 wurde von studentischer Seite also unter-    spielswiese der DDR-Volkskammerpräsi-
                       Dennoch waren auch in der 1919           stützt und sollte öffentlich ein Exempel     dent Johannes Dieckmann 1961 in Marburg
                   gegründeten Deutschen Studentenschaft        zur Zerschlagung jeglicher Opposition        einen Vortrag auf Einladung des „Libera-
                   (DSt) die Korporationen tonangebend.         statuieren.                                  len Deutschen Studentenbundes“ halten
                   Zwar wurden, insbesondere in den Jahren         Ab Ende der 1930er Jahre waren Deut-      sollte, welcher eine Annäherungspolitik
                   nach dem Ersten Weltkrieg, eine Vielzahl     sche Studentenschaft und NSDStB weit-        im Kalten Krieg anstrebte, organisierte der
                   sozialer Initiativen entwickelt – darunter   gehend deckungsgleich. Entsprechend          rechte Marburger AStA kurzerhand Pro-
                   die Gründung des bis heute existierenden     wurde auch die DSt 1945 als NS-Orga-         teste. Das Kurhaus Marburg-Marbach, in
                   Deutschen Studenten[sic!]werks oder der      nisation verboten. 1949 wurde in Mar-        dem der Vortrag stattfand, wurde dabei
                   Studienstiftung des deutschen Volkes –,      burg der „Verband Deutscher Studenten-       mit Steinen und Wurfgeschossen ange-
                   die Deutsche Studentenschaft war jedoch      schaften“ (VDS) als Nachfolgeorganisa-       griffen – was von der Springer-Presse im
                   nach wie vor nationalpolitisch geprägt.      tion gegründet.                              Nachhinein zur „nationalen Heldentat“
6

erklärt wurde. Fackelzüge zum 17. Juni,
Demonstrationen für die Wiederverei-
                                                 »Die Kriminalisierung legitimer Politik durch
                                                         Raumverbote, Ordnungsgelder und
nigung und ähnliche Veranstaltungen
gehörten zum Standardrepertoire der von
Korporationen, RCDS und anderen rechten
Kräften dominierten ASten.
   Ganz anders einige Jahre später: Am 2.
                                                   Demonstrationsverbote ist kein Relikt der
                                                        Vergangenheit, sondern leider noch
Juni 1967 wird der Student Benno Ohne-
sorg, Teilnehmer einer Demonstration
gegen den Shah-Besuch in Berlin, vom
Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen.
Als ASten der Mutter des Erschossenen
                                                                     immer gängige Praxis.«
Beileidstelegramme schickten, wurden sie
wegen Kompetenzüberschreitung verur-
teilt. Aufrufe zum Protest gegen den Ein-
marsch der Sowjetunion in die Tschechos-
lowakei, das Ende des Prager Frühlings,
führten zur Anzeige von AStA-Vorsit-
zenden.
                                                                                             auch wenn die repressiven Maßnahmen
   Linke Gruppen hatten in der Zwischen-
                                                                                             insgesamt seit den 1980ern zurückgegan-
zeit die Mehrheit in vielen ASten und auch
                                                                                             gen sind. Die Kriminalisierung legitimer
im VDS gewonnen. Plötzlich schien poli-
                                                                                             Politik durch Raumverbote, Ordnungsgel-
tische Interessenartikulation nun nicht
                                                                                             der und Demonstrationsverbote ist kein
mehr zu den Aufgaben der Studieren-
                                                                                             Relikt der Vergangenheit, sondern leider
denvertretungen zu gehören. Juristische
                                                                                             noch immer gängige Praxis. Als jüngstes
Repression und diverse Gesetzesverschär-
                                                                                             Beispiel mag hier die Auseinandersetzung
fungen, die den Aufgaben der Studieren-
                                                                                             um einen Artikel aus der AStA-Zeitung
denschaft enge Grenzen setzten, waren
                                                                                             vom Frühjahr mit dem Titel „Stop Tal-
die Folge. Daneben wurden jedoch auch         einen Ausweg bieten. Es kam zum Auf-
                                                                                             king“ dienen. Die Universitätsleitung wit-
der Versuch unternommen, rechte Grup-         blühen der Basisgruppen, die auf basisde-
                                                                                             tert hier, angetrieben von einer FDP-An-
pen an den Hochschulen erneut zu stärken:     mokratische Organisierung statt auf ins-
                                                                                             frage aus dem hessischen Landtag, eine
So päppelte man studentische Gruppen          titutionalisierte Politik setzten. Die ASten
                                                                                             Überschreitung des hochschulpolitischen
mit Steuermitteln und Industriespenden        oder gar der VDS wurden nun für die kon-
                                                                                             Mandats – und möglicherweise gar Ver-
hoch, die die Radikalenbekämpfung und         krete politische Arbeit unwichtiger, wur-
                                                                                             fassungsfeindlichkeit. Dem AStA Pots-
Staatskonformität der Studierendenver-        den eher zu Mitteln zum Zweck, die Finan-
                                                                                             dam wurde in der Vergangenheit verbo-
tretungen beschleunigen sollten. Selbst       zierungsmöglichkeiten, Öffentlichkeit und
                                                                                             ten, eine BAföG-Erhöhung zu fordern, die
Geldmittel aus dem Verfassungsschutze-        Ressourcen versprachen. In Baden-Würt-
                                                                                             durch Verringerung des Rüstungsetats
tat sollen in dieser Zeit in die Kassen von   temberg zeigte der Staat schon 1977
                                                                                             erzielt werden sollte. Letzteres sei eine
RCDS, SLH1, LHV2 und Juso-Hochschul-          erneut seine repressive Seite, als die Ver-
                                                                                             Überschreitung des hochschulpolitischen
gruppen geflossen sein, während diese         fasste Studentenschaft kurzerhand auf-
                                                                                             Mandats.
gleichzeitig von Medien und Bildungsbü-       gelöst wurde – erst 2012, nach dem Sturz
                                                                                                 Diese Beispiele zeigen: Hochschulpo-
rokratie anstelle der ASten als studenti-     der CDU-Regierung, wurde diese wieder
                                                                                             litik ist Allgemeinpolitik ist Hochschul-
sche Gesprächspartner*innen hofiert wur-      eingeführt.
                                                                                             politik. Die Trennung der beiden Sphären
den. An der langen Leine der staatstragen-       Die langjährige juristische Diskussion
                                                                                             wurde erdacht, um linke Politik zu dis-
den Parteien wurden sie so zur Zersetzung     um das Ausmaß politischer Interessen-
                                                                                             ziplinieren und zu kriminalisieren. Die
von als zu „radikal“ wahrgenommenen           artikulation durch Studierendenvertre-
                                                                                             Forderung nach einem allgemeinpoliti-
linken Tendenzen und zur Pazifizierung        tungen war bereits 1979 durch das Bun-
                                                                                             schen Mandat, das von den Studierenden
des studentischen Widerstandspotentials       desverwaltungsgericht beendet worden.
                                                                                             erkämpft werden muss, ist so aktuell wie
instrumentalisiert. Viele dieser Gruppen      Darin entschied das Gericht, dass den Stu-
                                                                                             eh und je.
übernahmen ASten und ergatterten auch         dierendenvertretungen kein „allgemein-
                                                                                             Für eine entfesselte Studierendenschaft!
einen Platz im Vorstand des studentischen     politisches Mandat“ zustehe. Die rechtli-
Bundesverbands VDS 3.                         che Kategorie eines „allgemeinpolitischen
                                                                                                      Gruppe kritischer Studierender
   Die Strategie ging auf: Das Zusammen-      Mandats“, das den Verfassten Studieren-
spiel zwischen staatlicher Repression und     denschaften im Gegensatz zu einem „poli-
Entdemokratisierung trieb die studenti-       tischen Mandat“ nicht zustehe, war in der
sche Selbstverwaltung Ende der 1970er         Rechtsprechung bereits in den 1960er Jah-
Jahre weitgehend in den Ruin. Der Kampf       ren erfunden worden, als es darum ging,
                                                                                                                   1    ozialliberaler Hochschulverband. Vorgänger des
                                                                                                                       S
gegen die Durchsetzung des Hochschul-         missliebige (linke) politische Aktivitäten                               „Bundesverbands Liberaler Hochschulgruppen“
rahmengesetztes in den Jahren 1976 und        von ASten sanktionieren zu können. Ende                                  (1987 gegründet).
1977 hatte erneut spontanes Widerstand-       der 1970er Jahren erreichte die Repression
                                                                                                                   2   Liberaler Hochschulverband. Hochschulverband
spotential der Studierenden entfacht.         gegen linke Studierendenvertreter*in-                                    des FDP-Jugendverbands „Jungdemokraten“,
Staatsverdrossenheit und Verlust von          nen ihren Höhepunkt: War die Verhän-                                     trennte sich gemeinsam mit diesem 1982 nach
Vertrauen in traditionell vorgegebene Ins-    gung von Ordnungsgeldern durch Hoch-                                     dem Bruch der sozialliberalen Bundesregierung
                                                                                                                       von der FDP und nantte sich ab 1988 „Radikalde-
titutionsformen waren die Folge. In einer     schulleitungen seit 1968 üblich geworden
                                                                                                                       mokratische Studentengruppen – Jungdemokra-
historischen Situation, in der steigende      und in Einzelfällen sogar die Suspendie-                                 ten an der Hochschule“.
Arbeitslosigkeit als Folge ökonomischer       rung der gesamten Studierendenvertre-
                                                                                                                   3    erband Deutscher Studentenschaften, ab 1975:
                                                                                                                       V
Rationalisierung, verschärfte Repression      tung durchgesetzt worden (etwa 1974 den                                  Vereinigte Deutsche Studentenschaften. Dach-
gegen Linke angesichts des „Deutschen         AStA Marburg), so folgte ab 1978 die per-                                verband der deutschen Studierendenvertretun-
Herbstes“, entstand bei vielen Studieren-     sönliche strafrechtliche Verfolgung von                                  gen, 1990 im Streit auseinandergebrochen, aber
                                                                                                                       faktisch nie aufgelöst. Nachfolgeorganisation ist
den das Gefühl, nur eine völlige Abwen-       Studierendenvertreter*innen.
                                                                                                                       seit 1993 der freie zusammenschluss von stu-
dung von der bestehenden Parteienpoli-           Die Disziplinierung der Verfassten Stu-                               dent*innenschaften, in dem auch der AStA der
tik der herrschenden Verhältnisse könne       dierendenschaften geht bis heute weiter,                                 Goethe-Universität Mitglied ist.
7

Der Geist der
Demokratie
Der vorliegende (und leicht abgeänderte) Text
erschien ursprünglich in dem Sammelband
«Kunst der Revolte // Revolte der Kunst” (2019),
welcher im Kontext der gleichnamigen Ausstellung
(2018) unterschiedliche Beiträge versammelt.
Die Ausstellung, welche im Studierendenhaus
Bockenheim stattfand, beschäftigte sich
                                                       Der Geist der Demokratie                   muss. Wenn sie doch zurückgekommen
anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der 68er-         Vom Studentenhaus                          sind, dann mit dem klaren Willen und der
Bewegung, mit dem Verhältnis von Kunst und             zum Offenen Haus der Kulturen              vagen Hoffnung, dieses Land auf lange
                                                   Seit 66 Jahren steht das Studierendenhaus      Sicht zu verändern. So schreibt Horkhei-
Revolte, sowie der damaligen Student*innenbe-      nun auf dem alten Universitätscampus           mer 1947 an John Slawson, den geschäfts-
wegung in Frankfurt. Unabhängig von der            in Bockenheim. Was die sich über einen         führenden Vizepräsidenten des Ameri-
                                                   solch langen Zeitraum einschleichende          can Jewish Committee: „Nur wenn eine
Ausstellungsthematik wollen wir euch den Text      Gewohnheit und das jeweilige Tages-            echte Möglichkeit besteht, wenigstens
nicht vorenthalten, da er unterschiedliche         geschehen leicht vergessen lassen: das         einen Teil der neuen Generation, die künf-
                                                   Studierendenhaus ist ein sehr unwahr-          tig die Politik und Kultur des Landes prä-
Dimensionen und historische Momente des Stu-
                                                   scheinlicher Ort. Es ist Symbol für die        gen wird, für jene Werte zu gewinnen, die
dierendenhaus zusammenfasst. Das Studieren-        Redemokratisierung nach dem Krieg und          von Nazi-Deutschland weltweit vernich-
denhaus auf dem Campus Bockenheim, war             die Rückkehr der Frankfurter Schule aus        tet werden sollten, haben verantwortli-
                                                   dem Exil. Es ist über die wechselvollen Zei-   che akademische Lehrer in Deutschland
und ist immer wieder ein wichtiger Ort für die     ten hinweg ein Hort der kritischen Aus-        eine Aufgabe.“1 Dass sie diese Möglich-
verfasste Studierendenschaft, kritische Stu-       einandersetzung mit dem Bestehenden            keit alleine durch das Ende der Naziherr-
                                                   und der utopischen Praxis einer anderen        schaft nicht als bereits gegeben ansahen,
dent*innen, sowie politischen Bewegungen im        Gesellschaft. Als solches hat es die Frank-    zeigt der Briefwechsel von Horkheimer
Allgemeinen.                                       furter Geschichte geprägt wie wenige           und Adorno aus dieser Zeit.2 Beide waren
                                                   andere Gebäude.                                sich durchaus bewusst, dass die formale
                                                      Die Errichtung des Studentenhauses          Existenz eines demokratischen Staates
                                                   war unmittelbar mit der Erfahrung von          noch lange keine Demokratie ausmachte,
                                                   Diktatur und Krieg verbunden. Und sie ist      sondern dass Demokratie nur in einer sich
                                                   im Rückblick nicht nur ein Meilenstein in      immer wieder neu vollziehenden aktiven
                                                   der Redemokratisierung der Hochschule,         Praxis bestehen könne.
                                                   sondern sie steht symbolisch für die Rück-        Doch eine solche demokratisierende
                                                   kehr der Frankfurter Schule aus dem Exil       Praxis brauchte, das war für die im histo-
                                                   und die damit verbundenen emanzipato-          rischen Materialismus geschulten Den-
                                                   rischen Bestrebungen. Denn auch wenn           ker klar, zuallererst materielle Grundla-
                                                   Max Horkheimer nicht, wie es manchmal          gen. Und das Studentenhaus sollte eine
                                                   irrtümlich kolportiert wird, der Initiator     solche neu zu schaffende Grundlage sein.
                                                   des Projektes war, so fällt die Eröffnung      In seiner Eröffnungsrede vom 21. Februar
                                                   des Hauses 1953 doch nicht zufällig in die     1953 widmet Horkheimer den Neubau „der
                                                   Zeit seines zweijährigen Rektorats an der      Erziehung einer akademischen Jugend, die
                                                   Frankfurter Universität.                       sich nicht bloß wissenschaftliche Verfah-
                                                      Die exilierten Wissenschaftler des Ins-     rensweisen aneignet, sondern die zugleich
                                                   tituts für Sozialforschung um Horkhei-         den Umgang mit Menschen anderer Nati-
                                                   mer und Adorno hatten zuvor lange gezö-        onen, Religionen und Rassen (sic!), frei-
                                                   gert nach Deutschland zurückzukommen           willige Hingabe an soziale, künstlerische,
                                                   – in das Land, aus dem sie, weil sie Juden     sportliche Tätigkeiten, Liebe zum Denken
                                                   und weil sie Marxisten waren, vertrieben       und Forschen, zum Diskutieren, zur krea-
                                                   worden waren, und das in der unmittelba-       tiven Muse, kurz die den Geist der realen
                                                   ren Nachkriegszeit von eher schlecht als       und tätigen Demokratie praktiziert“.3 Die-
                                                   recht getarnten Nazis gewimmelt haben          ser an Solidarität, unabhängiges Denken
8

Vom Studentenhaus zum
Offenen Haus der Kulturen

und das Bedürfnis nach Freiheit gekop-        einzelne Organe, Initiativen und Projekte    ten Frauenbewegung in Deutschland steht.
pelte demokratische Geist bedürfe „der        aus diesem Haus heraus gewirkt haben,        In den 70er und 80er-Jahren trafen sich
Übung und der Gelegenheit, des Beispiels      nicht nur in die Universität, sondern auch   hier u. a. die Hausbesetzerszene, die Frie-
und des Umgangs.“                             in die Stadt Frankfurt und die ganze Bun-    densbewegung und die Umweltbewegung,
    Dies waren, trotz der zeittypisch etwas   desrepublik hinein, davon erzählt die Aus-   Anfang der 2000er-Jahre war das Studie-
blumigen Sprache, nicht einfach nur nette     stellung Kunst der Revolte // Revolte der    rendenhaus die bundesweite Schnittstelle
Worte aus gegebenem Anlass, zu dem            Kunst ebenso wie der vorliegende Katalog.    der erfolgreichen Protestbewegung gegen
neben dem Bundespräsidenten Theodor           Einige kurze Schlaglichter: Da gab es seit   die Studiengebühren, und beinahe selbst-
Heuss auch der – zu diesem Zeitpunkt          den 50er Jahren den diskus, eine der fort-   verständlich war es Anfang der 10er Jahre
ungleich einflussreichere – amerikanische     schrittlichsten Zeitschriften der jungen     auch das strategische Zentrum der Blocku-
Hochkommissar John J. McCloy erschienen       Bundesrepublik, die deutlich über das stu-   py-Proteste. In den letzten Jahren schließ-
war, sondern ein durchaus ernst gemein-       dentische Milieu hinaus wirkte. Es gab die   lich fanden hier u. a. die Auseinanderset-
tes Signal. Denn das Haus sollte keines-      neue bühne, die weit mehr war als studen-    zung um ein Recht auf Stadt und für einen
falls, wie es die meisten Hochschulrekto-     tisches Laientheater, sondern als Avant-     menschenwürdigen Umgang mit Geflüch-
ren heute vermutlich betrachten würden,       garde-Theater die Rolle einer damals noch    teten ihren Raum. Und diese Liste liesse
eine studentische Nische am Rande des         nicht existierenden, experimentierfreudi-    sich fortsetzen.
eigentlichen Hochschulbetriebs werden.        gen Freien Szene neben den Stadttheatern
Im Gegenteil: „Wie unendlich klein auch       einnahm, aus der die wichtigsten neuen          Freiraum für Experimente
das Ausmaß dieses Hauses im Hinblick auf      Impulse der Zeit kamen. Da gab es schon      Dass sich das Studierendenhaus über meh-
so hochgesteckte Ziele erscheint, die Wir-    Anfang der 60er Jahre die Auseinanderset-    rere Generationen als derart produkti-
kung dieser Zelle wird sich aufs Ganze der    zung mit der deutschen Schuld und früher     ver Ort erwies, hat mehrere Gründe.
Universität und weiterhin erstrecken, es      als anderswo die Kritik am Krieg in Viet-    Dazu gehört zunächst einmal die großzü-
wird ihr Zentrum werden.“.                    nam. Und natürlich gab es die Studenten-     gige, ein wenig an ein Kloster erinnernde
    Dieser hohe Anspruch scheint sich in      bewegung von 1968, nicht zuletzt mit dem     Architektur: Auf seinen breiten, um einen
den folgenden Jahrzehnten in mancher-         Tomatenwurf im Festsaal des Studieren-       Innenhof gruppierten Fluren schienen
lei Hinsicht eingelöst zu haben. Wie sehr     denhauses, der für den Beginn der zwei-      Diskussion und Debatte offensichtlich
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                         »Als Offenes Haus der Kulturen wird es ein Ort bleiben,
                           an dem soziale, politische Akteure und KünstlerInnen
                               verschiedener Disziplinen, sowie Menschen unter-
                          schiedlicher Herkunft und Milieus in Austausch treten.«

bereits konzipiert zu sein. Und die Vielzahl   entgegen. Doch das Haus selber ist noch        linen, sowie Menschen unterschiedlicher
an Räumen mit ganz unterschiedlichen           lange nicht gewillt, in Rente zu gehen.        Herkunft und Milieus in Austausch tre-
Größen und Qualitäten, vom imposan-            Nachdem es vor einigen Jahren durch den        ten. Es bleibt ein Raum streitbaren gesell-
ten lichtdurchfluteten Festsaal über die       Einsatz engagierter Bürger*innen seinem        schaftlichen Denkens und Handelns, in
Mensa, das spätere Café KoZ, bis zu den        bereits geplanten Abriss entgangen ist,        dem stets neuverhandelt wird, was politi-
vielen variabel nutzbaren Clubräumen           geht es derzeit seinem zweiten Leben ent-      scher und künstlerischer Ausdruck einer
liessen die vielfältigsten Nutzungen zu,       gegen, tritt also quasi in seine Zeit nach     sich stark wandelnden (Stadt-) Gesell-
ohne sie bereits vorzuschreiben. Dazu kam      dem Studium ein. Darin könnte es zum           schaft, auf einem sich rasch verändern-
die logistische, technische und finanzielle    Studienort für die ganze Stadtgesellschaft     den Planeten ist. Haben wir Vertrauen in
Ausstattung rund um den AStA, der zeit-        werden. Nach dem für 2021 vorgesehe-           die Kraft eines selbstbestimmten Mitein-
weise so etwas wie eine Art Mini-Konzern       nen Freizug des Campus Bockenheim soll         anders auf Augenhöhe, kann das Haus als
war, mit seinen über eigenen Etat verfü-       auf dessen Gelände der „Kulturcampus“          Labor einer demokratischen Gesellschaft
genden Referaten, einer Zeitschrift, einer     entstehen, ein „Zentrum der Künste“ mit        neue Wege aufzeigen und wird sicherlich
eigenen Druckwerkstatt und einer her-          der Hochschule für Musik und Darstel-          auch weiterhin ein wichtiger Schauplatz
vorragenden Kino-Projektionstechnik, zu        lende Kunst und mehren Institutionen           für Kunst und Revolte sein.
denen sich in Hochzeiten noch eine Auto-       der Avantgarde-Kunst wie dem Ensem-
vermietung, ein Reisebüro, eine Arbeits-       ble Modern und der Hessischen Theater-                                    Von Tim Schuster
vermittlungsagentur und manches mehr           akademie. In dessen Zentrum wird auch
gesellten.                                     weiterhin das Studierendenhaus ste-
   Um die materielle Basis, von der über       hen - dann jedoch als Offenes Haus der
                                                                                              Buch:
die Jahrzehnte auch viele nicht im engen       Kulturen.
                                                                                              Michaela Filla-Raquin,
Sinne studentische Initiativen und Pro-            Dieses soll in vielerlei Hinsicht an die
                                                                                              Andrea Caroline Kepller (HG.):
jekte profitierten, war es also nicht          Tradition des Studentenhauses anknüp-
                                                                                              “Kunst der Revolte // Revolte der Kunst”,
schlecht bestellt. Entscheidend bei alle-      fen, sich dabei aber auch neu erfinden.
                                                                                              VG-Bildkunst: Bonn.
dem war jedoch etwas, das Karl-Heinz           Wenn man die Demokratie im Sinne
                                                                                              ISBN: 978-3-945365-27-4
Braun, der hier mit der neuen bühne            Horkheimers und Adornos als eine nie-
agierte, noch im Rückblick spürbar begeis-     mals abgeschlossene Praxis versteht,
                                                                                              Offenes Haus der Kulturen
tert beschreibt: „Wir konnten frei arbeiten    dann könnte es die materielle Grundlage
                                                                                              im Studierendenhaus
hier, konnten frei experimentieren und         sein, um deren Geist in Auseinanderset-
                                                                                              https://www.offeneshausderkulturen.de
hatten keinerlei Restriktionen. Ohne die-      zung mit den aktuellen gesellschaftlichen
                                                                                              Instagram: @offeneshausderkulturen
ses Haus hätte das nicht stattgefunden.“4      Herausforderungen zu leben. Bereits
                                                                                              Facebook: @offeneshausderkulturen
Dies klingt nicht nur wie ein spätes Echo      heute zeigen sich konkrete Tendenzen
                                                                                              Mail: info@ohdk.de
auf Horkheimers Eröffnungsrede, sondern        seines zukünftigen Profils: So hat zum
beschreibt offensichtlich auch die biogra-     Beispiel die Einrichtung einer Notunter-
phisch prägende Erfahrung eines Mannes,        kunft für Geflüchtete auf dem brachlie-
der später nicht zufällig zu den Begründern    genden Campus ab 2016 dazu geführt,
des selbstorganisierten Verlags der Auto-      dass sich in und um das Studierendenhaus
ren und der Mitbestimmung am legen-            ein breites Netz von Unterstützer*in-
dären Theater am Turm und am Schau-            nen bildete, das Alt- und Neufrankfurter
spiel Frankfurt wurde. Aus dieser Frei-        zusammenbringt. Seitdem ist das Haus
heit von Vorgaben und Hierarchien, die         ein Ort des Ankommens für Menschen
sich in vielfältigsten Strukturen der Selb-    geworden, die aus Krieg und Verfolgung                                1     gl. Wiggershaus, Rolf: Max Horkheimer. Begründer
                                                                                                                          V
storganisation niederschlug, erwuchs ein       fliehen mussten. Eine Heimat für Men-                                      der „Frankfurter Schule“. Frankfurt am Main 2014.

unwahrscheinlich dichter sozialer Raum         schen verschiedener Herkunft - wenn                                   2     Theodor W. Adorno/Max Horkheimer. Brief-
mit einer kaum überschaubaren Fülle an         man unter Heimat einen Ort versteht, der                                    wechsel 1927-1969. Band III: 1945-1949 und Band
                                                                                                                           IV: 1950-1969, hrsg. v. Christoph Gödde u. Henri
unterschiedlichen Praktiken, Anlässen und      sich aktiv gestalten lässt.                                                 Lonitz. Vgl. Demirovic, Alex: Das Glück der Wahr-
Aktivitäten.                                       Mit der aktuellen Entwicklung knüpft                                    heit. Die Rückkehr der „Frankfurter Schule“.
                                               das Haus also in gewisser Weise an seine
                                                                                                                     3     ax Horkheimer, abgedruckt in: Einweihung des
                                                                                                                          M
    Ein Studienort für die                     Ursprünge als Ort der demokratischen                                       Studentenhauses. Ansprachen gehalten am 21.
    Stadt von morgen                           Praxis und des Neuanfangs an. Als Offe-                                    Febr. 1953 beim Akad. Festakt., Frankfurt 1953.
67 Jahre nach seiner Eröffnung neigt sich      nes Haus der Kulturen wird es ein Ort blei-
                                                                                                                     4     arl-Heinz Braun im Gespräch zur Performance
                                                                                                                          K
die universitäre Nutzung des Studieren-        ben, an dem soziale, politische Akteure                                    „Horkheimers Geist“, einem Audiowalk im Studie-
denhauses heute endgültig ihrem Ende           und KünstlerInnen verschiedener Diszip-                                    rendenhaus der Gruppe profikollektion, 2017.
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    AUTOVERMIETUNG
AN DER UNI FRANKFURT
Das KFZ-Referat („Kraftfahrzeug-Referat“)           Besonders günstig sind Anmietungen im Vier-
existiert seit 1960 an der Universität Frankfurt.   Stunden- oder Nachttarif an Werktagen.
Es wurde vom Allgemeinen Studentenausschuss         Bei Anmietungen am Wochenende empfehlen
(AStA) gegründet, um den Studierenden               wir rechtzeitige Reservierung bzw. Buchung.
preiswerte Umzugs-transporter zur Verfügung zu
                                                    Studierende der Goethe-Uni erhalten gegen
stellen.
                                                    Vorlage des Studierendenausweises einen
Im Jahr 2003 wurde das KFZ-Referat privatisiert     Studierendenrabatt von 20 % auf den Mietpreis.
und vermietet seine Transporter heute auch
                                                    Unsere Fahrzeuge und Tarife finden Sie auch
an Nichtstudenten. Mit dem AStA der Johann
                                                    im Netz unter: www.kfz-referat.de
Wolfgang Goethe Universität besteht ein
umfangreiches Kooperationsabkommen. Die             Frankfurt Bockenheimer Landstraße 133
Fahrzeuge – Mercedes Sprinter und Ford Transit –
                                                    Mo – Fr 8.30 bis 18.00 Uhr; Tel: 069/705469
sind Transporter für Umzüge, Kleintransporte und
Einkaufsfahrten.

                                                                      REFERAT

  WWW.KFZ–REFERAT.DE

                      069/79823048
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Über das Elend im
Studentenmilieu
„Es ist hart, der studentischen Realität ins   zwei mächtigsten Systemen der gesell-            diesen nostalgischen Professoren, die dar-
Gesicht zu sehen. Das studentische Elend       schaftlichen Autorität abhängt: der Fami-        über verbittert sind, ihre alten Funktio-
steht noch unterhalb des Elends der Gesell-    lie und dem Staat. Er ist ihr ordentliches       nen als Hofhunde der zukünftigen Herren
schaft des Spektakels, unter dem neuen         und dankbares Kind.                              gegen die viel weniger edle von Schäfer-
Elend des neuen Proletariats. In einer Zeit,      Da für ihn noch etwas vom zerschlage-         hunden eingetauscht zu haben, die gemäß
wo ein wachsender Teil der Jugend sich         nen Prestige der Universität abfällt, freut      dem geplanten Bedarf des Wirtschaftssys-
immer mehr von den moralischen Vorur-          sich der Student immer noch, Student zu          tems die ‚Weiße-Kragen‘-Herren zu ihren
teilen und der familiären Autorität befreit,   sein. Zu spät. Der mechanisierte und spe-        jeweiligen Fabriken und Büros leiten.
um so früh wie möglich in die offenen Aus-     zialisierte Unterricht, den er empfängt,            Ernster und damit gefährlicher sind die
beutungsverhältnisse einzutreten, ver-         ist ebenso heruntergekommen (im Ver-             Modernisten der Linken, die eine ‚Rein-
harrt der Student auf jeder Ebene in einer     hältnis zum früheren Niveau bürgerlicher         tegrierung der Universität in das Gesell-
verantwortungslosen, gefügigen und ‚ver-       Allgemeinbildung) wie sein eigenes intel-        schafts- und Wirtschaftsleben‘ fordern,
längerten Unmündigkeit‘. Während seine         lektuelles Niveau im Augenblick seines           d.h. ihre Anpassung an die Bedürfnisse
verspätete jugendliche Krise ihn etwas         Studienantritts, und zwar allein aufgrund        des modernen Kapitalismus. Die verschie-
in Opposition zu seiner Familie bringt,        der Tatsache, daß das alles beherrschende        denen Fakultäten und Schulen, die noch
akzeptiert er ohne weiteres, in den ver-       ökonomische System die Massenherstel-            mit anachronistischem Prestige deko-
schiedenen Institutionen, die sein alltägli-   lung ungebildete und zum Denken unfähi-          riert sind, werden von Verteilungsstät-
ches Leben regeln, wie ein Kind behandelt      ger Studenten verlangt. Der Student igno-        ten der ‚Allgemeinbildung‘ zu Diensten
zu werden. Wo ihn keiner anscheißt, tritt      riert, daß die Universität zu einer instituti-   der herrschenden Klassen in Fabriken der
man ihm in den Arsch.                          onalisierten Organisation des Unwissens          hastigen Aufzucht von unteren und mitt-
   Aber die Gründe für unsere Verachtung       geworden ist, daß selbst die ‚hohe Kultur‘       leren Kadern umgewandelt. Weit davon
des Studenten sind ganz anderer Art. Sie       sich im Takt der Serienproduktion von            entfernt, diesen geschichtlichen Prozeß
betreffen nicht nur sein wirkliches Elend,     Professoren auflöst und daß alleProfes-          infrage zu stellen, der einen der letzten
sondern seine Gefälligkeit gegenüber           soren Kretins sind, von denen die meisten        relativ autonomen Sektoren des gesell-
jedem Elend, seine ungesunde Neigung,          sich vor jedweder Gymnasialklasse bla-           schaftlichen Lebens den Forderungen des
glückselig die Entfremdung zu konsumie-        mieren würden. Er hört seine Lehrer auch         Warensystems direkt unterwirft, protes-
ren in der Hoffnung, angesichts allgemei-      weiterhin mit Respekt, mit dem bewuß-            tieren unsere Fortschrittsjünger gegen
nen Mangels an Interesse das Interesse         ten Vorsatz, jeden kritischen Geist aufzu-       Verspätungen und Schwächen auf dem
auf seinen besonderen Mangel zu lenken.        geben, um sich mit den anderen besser in         Weg zu seiner Verwirklichung. Sie sind
Der moderne Kapitalismus bewirkt ganz          der mystischen Illusion verbunden zu füh-        die Befürworter der zukünftigen kyber-
zwangsläufig, daß der größte Teil der Stu-     len, ‚Student‘ geworden zu sein, jemand,         netischen Universität, die sich schon hier
denten ganz einfach zu kleinen Kadern          der ernsthaft damit beschäftigt ist, sich        und dort ankündigt. Das Warensystem
wird. Angesichts des elenden, leicht vor-      ein ernsthaftes Wesen anzueignen, in der         und seine modernen Diener, das ist der
auszusehenden Charakters dieser mehr           Hoffnung, man werde ihm auch die letz-           Feind.”
oder weniger nahen Zukunft, die ihn für        ten Wahrheiten anvertrauen. Das sind
das schmachvolle Elend der Gegenwart           die Wechseljahre des Geistes. Schon jetzt                Situationistische Internationale
‚entschädigen‘ soll, zieht der Student es      bringt der Student alle zum Lachen.
vor, sich seiner Gegenwart zuzuwenden             Dem Studenten wird nicht einmal
und sie mit illusorischem Prestige aus-        bewußt, daß die Geschichte auch seine
                                                                                                                                 Quelle:
zuschmücken. Die Kompensierung selbst          lächerliche ‚geschlossene‘ Welt verändert.
                                                                                                                  http://rolux.net/asa/
ist allzu kläglich, damit man sich mit ihr     Die berühmte ’Universitätskrise‘, Detail
                                                                                                                    txt/elend.htmlÜber
befaßt; der Morgen wird kein Paradies          einer allgemeinen Krise des modernen
sein und zwangsläufig in der Mittelmäßig-      Kapitalismus, bleibt Gegenstand eines Dia-
keit schwimmen. Deshalb flieht der Stu-        logs tauber Fachidioten. In ihr kommen
dent in eine unwirklich gelebte Gegen-         ganz einfach die Schwierigkeiten einer
wart.                                          verspäteten Anpassung dieses besonde-
   Wie ein stoischer Sklave glaubt der         ren Produktionssektors an die Umwand-
Student sich umso freier, je mehr alle Ket-    lung des gesamten Produktionsapparates
ten der Autorität ihn fesseln. Genau wie       zum Ausdruck. Die Überreste der alten
seine neue Familie, die Universität, hält      Ideologie einer liberal-bürgerlichen Uni-
er sich für das gesellschaftliche Wesen        versität werden in dem Augenblick nichts-
mit der größten ‚Autonomie‘, während er        sagend, wo ihre gesellschaftliche Basis
doch gleichzeitig und unmittelbar von den      verschwindet. Daher das Lächerliche an
12

                    1.
Über das Elend im
Studentenmilieu

                         2.

3.
13

Klassismus und
die Linke
Der vorliegende Text wurde bereits in leicht verän-   Die Beziehung der politischen Linken zur      werten plötzlich gezielt ab. Unter anderem
                                                      Arbeiter*innenklasse und zum Klassen-         aufgrund solcher Erfahrungen von Betrof-
derter Form im diskus veröffentlicht und beschäf-
                                                      kampf ist seit langem ein schwieriges         fenen organisierte der Asta der Uni Frank-
tigt sich mit den aktuell geführten Debatten über     Thema. Neu ist jedoch, dass diejenigen,       furt vom 28. 11. bis 29. 11. ein Wochenend-
das Thema Klassismus. Insbesondere das Verhält-       die sich für die Klassenkämpfer*innen der     seminar mit dem Titel „(Anti-) Klassismus
                                                      Stunde halten, die Selbstorganisation von     und Klasse an der Hochschule“.
nis von Klasse, Klassismus und der Linken wurde       Menschen, die in letzter Zeit vor allem          Abgesehen von dem mehrstündigen
in der letzten Zeit vermehrt kontrovers disku-        unter dem Stichwort „Klassismus“ an           Austausch über Diskriminierungserfah-
                                                      deutschen Universitäten stattfindet, ent-     rungen von Klassismusbetroffenen am
tiert, zudem erscheint eine Vielzahl an Publikatio-
                                                      weder völlig ignorieren oder sogar aktiv      Samstag, der von dem vor kurzem gegrün-
nen, wie z. B. der Sammelband „Solidarisch gegen      bekämpfen. Dies verweist auf ein größeres     deten „Autonomen Referat für antiklas-
Klassismus“ von Francis Seeck und Brigitte Theißl,    Problem innerhalb der Linken.                 sistisches Empowerment“ an der Univer-
                                                         Das Standardargument gegen eine            sität zu Köln angeleitet wurde, diskutier-
auf den sich oftmals berufen wird. Gleichzei-         Beschäftigung mit dem Thema „Klassis-         ten die Teilnehmer*innen am Sonntag
tig nimmt die Thematik auch in praktischer Weise      mus“, dass viele Betroffene immer wieder      auch über die theoretischen Fragen des
                                                      zu hören bekommen, ist dabei zweiteilig.      Klassenbegriffes mit Alex Demirović und
Fahrt auf: Innerhalb dieses Jahres wurden sechs       Zum einen wird behauptet, dass Klassis-       Katharina Hoppe. In seiner ausführlichen
neue Antiklassismus-Referate an deutschen Hoch-       mus „nur“ als Diskriminierungsform ver-       historischen Rekonstruktion des moder-
                                                      standen werde und zum anderen wird in         nen Klassenbegriffes und vielen Refe-
schulen gegründet. In diesem Zusammenhang
                                                      den Raum gestellt, dass mit der Fokus-        renzen auf die Theorien von Rosa Lux-
fand am 28./29.11. die (Anti-)Klassismus Tagung       sierung auf die subjektive Erfahrungse-       emburg und Edward P. Thompson zeigte
des AStA-Frankfurt statt, auf die sich der vorlie-    bene der eigentliche Klassenkampf ver-        Alex Demirović auf, dass das „Machen“ der
                                                      loren ginge. Was hier versucht wird, ist      Arbeiter*innenklasse schon immer mit der
gende Artikel unteranderem bezieht.                   natürlich keine ernsthafte Auseinander-       Solidarisierung von Intellektuellen und
                                                      setzung mit der Thematik, verweisen           Einzelpersonen aus der Oberschicht ein-
                                                      doch Theoretiker*innen wie Tanja Abou         herging und die Relationen zwischen den
                                                      oder Andreas Kemper stets darauf, dass        Klassen die entscheidende historisch-ma-
                                                      Klassismus unmittelbar mit der Klassen-       terialistische Kategorie sind, durch die die
                                                      und Verteilungsstruktur der Gesellschaft      Klassengesellschaft verständlich wird.
                                                      verknüpft ist und eben aufgrund dieser        Eine der Fragen, die sich daraus ergibt und
                                                      entsteht. Und damit das langfristige Ziel     der sich wie kein anderer Bourdieu wid-
                                                      antiklassistischer Arbeit die Abschaf-        mete, dessen soziologische Theorie Kat-
                                                      fung der Klassengesellschaft wäre. Viel-      harina Hoppe im Anschluss an Demirović
                                                      mehr wird versucht das Thema Klassismus       vorstellte, ist dabei, welche Rolle diejeni-
                                                      künstlich von den linken Debatten um die      gen, die die Arbeiterklasse von den „besse-
                                                      Klassengesellschaft abzulösen.                ren Plätzen“ der Gesellschaft aus beobach-
                                                         Für Menschen, die aus nicht-akademi-       ten, im Klassenkampf überhaupt spielen
                                                      schen Verhältnissen kommen, ist die Uni-      können. Damit sind im Besonderen die-
                                                      versität kein „natürlicher“ Raum, in dem      jenigen gemeint, die aus der Oberschicht
                                                      man sich gerne bewegt. Hinzu kommt,           und dem Bildungsbürgertum stammen
                                                      dass es sich auch mit den akademisier-        und einen Großteil derjenigen stellen, die
                                                      ten linken Kontexten an den Univer-           heute in den Sozialwissenschaften und
                                                      sitäten oftmals ähnlich verhält. Wenn         der Publizistik tätig sind. Und damit auch
                                                      die Nicht-Akademiker*innen dann auch          eine gewisse Diskursmacht aufzuweisen
                                                      noch von Klassismus sprechen, platzt den      haben, wie über die Klassengesellschaft
                                                      „wahren“ Klassenkämpfer*innen oftmals         gesprochen wird. Es wäre wünschenswert,
                                                      der Kragen und sie sprechen aus, was sie      ging nicht zuletzt aus dem Vortrag von
                                                      eigentlich wirklich über die Selbstrefle-     Alex Demirović hervor, wenn sie an dem
                                                      xion der Arbeiter*innenkinder und Klas-       Transformationsprozess, den Universität
                                                      sismusbetroffenen denken. „Sich nicht so      und Gesellschaft so dringend benötigen,
                                                      in seinem eigenen Leid suhlen“, hört man      mitwirkten. Hierzu reicht es jedoch nicht
                                                      da mal schnell. Menschen, von denen man       nur „Das Kapital“ zu lesen und die ver-
                                                      sich eigentlich Solidarität erwarten würde,   meintlich objektiven Bewegungsgesetze
14

der Klassengesellschaft auswendig zu ler-      des Klassismus, eröffnet dieses bewusst         sie beispielsweise Vergünstigungen beim
nen. Wie bereits 1932 der marxistische         eine Betroffenenperspektive und priori-         Mensaessen bekommen und dadurch am
Theoretiker und Vordenker der Frankf-          siert zurecht diejenigen, die unter der Klas-   Ende des Monats vielleicht auch noch
urter Schule Karl Korsch bemerkte, ist das     senstruktur der Gesellschaft alltäglich lei-    einmal ins Kino gehen können oder eben
Verständnis des Klassenkampfes bei Karl        den. Damit geht, und dies ist die praktische    nicht. Darüber hinaus stellt ein Gleichstel-
Marx selbst, also bereits seit seiner Ent-     Konsequenz des Klassismusbegriffes, eine        lungbüro auch eine Anlaufstelle dar und
stehung, dadurch gekennzeichnet, dass es       Priorisierung der Betroffenen in der Beur-      öffnet im besten Fall einen Raum, in dem
auch als praktische Aktion gedacht wird.       teilung über den Reflexionsprozess der          sich Menschen, die von den universitä-
Es soll ein Reflexionsprozess und Kampf        Klassenpositionen und der klassistischen        ren Strukturen systematisch diskriminiert
„der vereinigten wirklichen Menschen“          Verhaltensmuster einher. Hierdurch gera-        werden und dabei auch noch kaum ökono-
sein, die die revolutionäre Klasse stellen.    ten klassenspezifische Distinktionsmerk-        misches und kulturelles Kapital zur Ver-
Klassen und politische Subjekte werden         male der bildungsbürgerlichen Schichten,        fügung haben, gemeinsam organisieren
eben in historischen Prozessen erzeugt         wie die symbolische Benutzung marxisti-         können. Einen Raum, um sich über klas-
und sind nicht einfach da.                     schen und vermeintlich klassenkämpferi-         sistische Erfahrungen und den oft auch
   In der Klassengesellschaft machen           schen Vokabulars in Gefahr. Wenn die Dik-       leidvollen Prozess des Studierens, der mit
die vereinzelten Subjekte verschiede-          tatur des Proletariats plötzlich nicht mehr     vielen Unsicherheiten verbunden ist, aus-
ner Schichten äußerst unterschiedliche         eine visionäre Zukunftsvorstellung bleibt,      tauschen zu können.
Erfahrungen, durchlaufen unterschied-          mit der man sich vor den Kommiliton*in-            Die Welt, in der wir leben, ist schlecht
liche Sozialisationsprozesse und stehen        nen als klassenbewusst brüsten kann, son-       genug. Sich mit dem alltäglichen Leid der-
an unterschiedlichen Orten innerhalb des       dern die Betroffenen bestimmen möch-            jenigen zu befassen, die unter der Klassen-
sozialen Raums der Gesellschaft. Die Stel-     ten wo es lang geht, zeigen sich dann die       struktur leiden, diese und deren Interes-
lung zum Produktionsprozess der gesell-        bereits oben beschriebenen reaktionären         sen an der Universität und anderswo ernst
schaftlichen Güter, egal ob materieller        Verhaltensweisen gegenüber denjenigen,          zu nehmen, war und ist die Voraussetzung
oder kultureller Art, bestimmt jedoch auch     die wirklich unter der Klassenstruktur der      jeglichen Klassenkampfes und wäre die
heute noch im Wesentlichen die Zugangs-        Gesellschaft leiden und sich auf den Begriff    Aufgabe linker Politik. Ob die Linke diese
möglichkeiten zu Freizeit, Gesundheit und      des Klassismus berufen.                         Aufgabe annehmen kann und wieder zur
Bildung. Niemand weiß dies besser als die         In selbiger Manier verweisen viele Mar-      Klassenbewegung wird, ist eine der zent-
von Klassismus Betroffenen, deren Eltern       xist*innen immer wieder darauf, dass ein        ralen Fragen, die sie für sich beantworten
oft 40 Stunden pro Woche die Wohnun-           Antidiskriminierungsbüro und Antidiskri-        muss. Der Ausgang dieser Frage bedeutet
gen von Reichen putzen oder die selbst         minierungsarbeit am Campus den Klas-            für die von Klassismus Betroffenen viel-
zwei Nebenjobs nachgehen, um ihr Stu-          senkampf nicht ersetzen kann. Dies mag          leicht mehr, als die Linke aktuell selbst zu
dium zu finanzieren und zwischen diesen        aus einer orthodox-marxistischen Per-           erahnen weiß. Die Selbstorganisation von
beiden Welten leben. Inklusive aller Ver-      spektive als richtig erscheinen, jedoch         Betroffenen unter dem Label des Klassis-
antwortungen, die diese mit sich bringen.      wird damit eine bestimmte Vorstellung           mus ist deshalb vor allem ein Hoffnungs-
Die Erfahrungen innerhalb einer Gesell-        von Universität reproduziert, die diese         funke. Sie zeigt, dass die Klassenbewegung
schaft, deren Vielfalt vor allem in den Aus-   außerhalb des Klassenkampfes verortet.          zur Not auch ohne das bildungsbürgerli-
schlüssen, die sie erzeugt, besteht, diver-    Unterschlagen werden dabei die Entwick-         che linke universitäre Milieu fortschrei-
gieren dementsprechend zwischen den            lungen, die die Klassengesellschaft in den      ten kann und wird.
gesellschaftlichen Schichten und Grup-         letzten Jahrzehnten erfahren hat und die
pen. Der Erfahrungshorizont der Ober-          dazu geführt haben, dass sich heute viele                                     Florian Meier
schichten qualifiziert sie damit nicht unbe-   Arbeiter*innenkinder an den Universitä-
dingt besonders für den Klassenkampf           ten wiederfinden und dort einerseits, auf-
und die Bestimmung über dessen Aus-            grund vielfältiger Brüche mit dem Her-
richtung. Egal ob in der Fabrik oder an der    kunftsmilieu und neuer Denk-, und Wahr-
Universität. Insofern stellt die Debatte       nehmungsschemata, beginnen aktiv über
über Klassismus, die übrigens am Wochen-       die Klassengesellschaft zu reflektieren,
ende nicht nur unter Betroffenen geführt       sich jedoch andererseits auch mit aus-
wurde, sondern an der auch Menschen            schließenden Strukturen und diskriminie-
beteiligt waren, die sich selbstkritisch       ren Verhaltensweisen konfrontiert sehen.
mit ihrer eigenen sozialen Stellung inner-     Entgegen der Position vieler Marxist*in-
halb der Klassengesellschaft beschäftigen      nen machen die Debatten um Klassismus
wollten, vielleicht ein neues Mittel dar, um   deutlich, dass die Universität kein neutra-
„den“ Klassenkampf wieder neu zu den-          ler Raum außerhalb des Klassenkampfes
ken. Der Kontakt, der Konflikt, die Kon-       ist. An den Universitäten wird in weiten
frontation und vor allem die Diskussion        Teilen bestimmt, wie über Gesellschaft,
verschiedener Klassenpositionen, die wohl      Klasse und diskriminierende Strukturen
an keinem Ort so geführt werden könnte,        gesprochen wird. Gerade deshalb sind sie
wie dies im gewissermaßen kontingen-           ein Schlachtfeld von Kämpfen um materi-
ten Milieu der Universität möglich ist,        elle Güter, z.B. Studien- und Forschungsfi-
stellt vielleicht einen Ausgangspunkt für      nanzierungen, und um den Zugang zu Dis-
eine solche Praxis, wie sie auch Karl Marx     kursen, sowohl hochschulpolitischen als
und Karl Korsch vorschwebte, dar. Und          auch wissenschaftlichen, und muss not-
müsste nicht jede praktische Aktion zum        wendigerweise als Teil des Klassenkamp-
Umsturz der Klassenverhältnisse damit          fes gedacht werden. Der Schluss, dass das
beginnen, dass sich Menschen verschie-         Gleichstellungsbüro am Klassenkampf
dener Klassen mit ihrer sozialen Herkunft      nichts ändern würde ist zudem eine Ver-
und den damit verbundenen Herrschafts-         kennung von dessen materiellen Gehalt.
mechanismen und Subjektivierungsfor-           Nicht, dass es die Hoffnung darauf gäbe,
men beschäftigen?                              dadurch die Klassenstruktur der Universi-
   Jedoch, und hierin besteht vermutlich       tät wirklich abzuschaffen. Jedoch macht es
auch die Ablehnung vieler marxistischer        eben für arme und von Klassismus betrof-
Denker*innen gegenüber dem Konzept             fene Studierende einen Unterschied, ob
15
16
17

MLP & Co.
Freiheit in Forschung und Lehre statt
›Freiheit von staatlicher Detailsteuerung‹

Die Kooperation der Goethe-Universität mit dem Finanzdienstleister
MLP steht symptomatisch für die Liberalisierung der Hochschulen,
welche diese zu wirtschaftlichen Akteurinnen macht und den Voraus-
setzungen für eine freie Forschung und Lehre entgegensteht.

                                                    Die Initiative ‚Finanzwende‘ hat kürzlich     sondern auch direkt bei der Credit Suisse,
                                                    die Zusammenarbeit der Goethe-Univer-         der Deutsche Bank, der DZ Bank oder der
                                                    sität mit dem Finanzdienstleister MLP         Commerzbank.
                                                    kritisiert.1 MLP bietet an der Universität       Partnerschaften dieser Form gehö-
                                                    Seminare und Workshops, etwa zu Steu-         ren mittlerweile zum Kerngeschäft der
                                                    erfragen und „Financial Education“ oder       Universitäten. Aldi-Süd-Hörsaal, Spar-
                                                    Excel-Kurse, an, die von Mitarbeiter*in-      kassen-Hörsaal, easyCredit-Hörsaal und
                                                    nen des Unternehmens geleitet werden.         Fresenius-Medical-Hörsaal: An deut-
                                                    Diese Seminare haben dann reißerische         schen Universitäten und Fachhochschu-
                                                    Titel wie „Mehr Geld – weniger Steu-          len sind Unternehmen so präsent wie nie.
                                                    ern!“ oder „Gehaltsverhandlungen – Wie        Und obwohl sich die Goethe-Universität
                                                    bekomme ich, was ich verdiene?“. Kun-         in ihrem Leitbild zur „Freiheit und Ein-
                                                    denwerbung gehört natürlich zum festen        heit von Forschung und Lehre“3 bekennt,
                                                    Programm dieser Seminare. So werden           sieht die Universität augenscheinlich kei-
                                                    die Teilnehmenden zum Semesterende            nen Widerspruch zwischen solchen Part-
                                                    dazu aufgefordert, ihre Kontaktdaten für      nerschaften und einer freien Forschung
                                                    weitere Gespräche zu hinterlassen, Ver-       und Lehre. Freiheit impliziert immer auch
                                                    sicherungen bei MLP abzuschließen oder        die Unabhängigkeit von äußeren Ein-
                                                    Praktika wahrzunehmen.                        flüssen, welche die Universität als Ins-
                                                       Diese Zusammenarbeit ist kein Einzel-      titution überhaupt erst dazu in die Lage
                                                    fall, sondern steht exemplarisch für die      versetzt, durch Forschung und Lehre in
                                                    enge Kooperation zwischen Goethe-Uni-         gesellschaftliche – das heißt auch: ökono-
                                                    versität und Wirtschaft. Während Ban-         mische – Prozesse kritisch zu intervenie-
                                                    ken Lehrstühle finanzieren und Dozie-         ren. Dass das House of Finance und die an
                                                    rende etwa für das Modul Finanzmark-          ihm beheimateten Institute ohne ihre För-
                                                    tethik abstellen, nehmen umgekehrt            derer nicht dazu in der Lage wären, „ihre
                                                    Lehrende eine beratende Funktion in           hohen Ansprüche zu verwirklichen und
                                                    Unternehmen ein. Auf ihrer Homepage           die Qualität ihrer Arbeit aufrechtzuerhal-
                                                    lässt die Goethe-Universität 131 Förde-       ten“4, verrät dagegen schon eine Abhän-
                                                    rern des House of Finance ihre „größte        gigkeit, die einer freien Forschung und
                                                    Wertschätzung“2 entgegenkommen, die           Lehre geradezu im Wege steht.
                                                    sich auch in der Benennung der Räumlich-         Was es tatsächlich mit der Freiheit auf
                                                    keiten niederschlägt: Im House of Finance     sich hat, der sich die Goethe-Universität
                                                    lässt es sich nicht nur in Shanghai, Boston   verschrieben hat, lässt sich indessen eben-
                                                    und anderen Finanzmetropolen studieren,       falls auf der Universitäts-Homepage in
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                                                    Erfahrung bringen: Gemeint ist weder die
                                                    Freiheit zur Kritik an gesellschaftlichen
                                                    Verhältnissen noch die Freiheit von jeg-
                                                    licher äußeren Einflussnahme, sondern
                                                    die „Freiheit von staatlicher Detailsteue-
                                                    rung“5 als notwendige Voraussetzung auf
                                                    dem Weg zur Exzellenz.
                                                       Die Orientierung an der klassisch libe-
                                                    ralen Ideologie einer Freiheit von staatli-
                                                    chen Einflüssen macht die Zusammenar-
                                                                                                    Seit Jahren werden die Hochschulen und
                                                    beit mit der Goethe-Universität für andere
                                                                                                    Universitäten unter dem Druck der öffent-
                                                    wirtschaftliche Akteure natürlich unge-
                                                                                                    lichen Finanzierungssysteme zur unter-
                                                    mein attraktiv. Daraus resultiert ein Bünd-
                                                                                                    nehmerischen Hochschule ausgebaut. Das
                                                    nis zwischen Universität und Wirtschaft,
                                                                                                    Ziel ist, Wissen, Bildung und Forschung
                                                    das von einer wechselseitigen Abhängig-
                                                                                                    wirtschaftlich verwertbar zu machen.
                                                    keit geprägt ist. Auf der einen Seite erhofft
                                                                                                    Durch die chronische Unterfinanzierung
                                                    sich die Goethe-Universität durch finan-
                                                                                                    bleibt unabhängige und gesellschaftskri-
                                                    zielle Unterstützung aus der Privatwirt-
                                                                                                    tische Forschung und Lehre, durch die
                                                    schaft „in Zeiten knapper öffentlicher Kas-
                                                                                                    sich nur schwer Drittmittel generieren
                                                    sen neue Spielräume für Forschung und
                                                                                                    lassen, auf der Strecke. Statt einseitiger
                                                    Lehre“ 6. Indessen sollte auf der anderen
                                                                                                    Exzellenz-Förderung bedürfte es vielmehr
                                                    Seite aber klar sein, dass der Universi-
                                                                                                    einer öffentlichen Ausfinanzierung, um die
                                                    tät diese Spielräume von ihren die soge-
                                                                                                    Voraussetzungen für eine Forschung und
                                                    nannten ‚Freunden und Förderern‘ nicht
                                                                                                    Lehre sicherzustellen, die unabhängig von
                                                    aus völliger Selbstlosigkeit eröffnet wer-
                                                                                                    wirtschaftlichen Interessen zu agieren
                                                    den, sondern aus einem Eigeninteresse
                                                                                                    vermag. Für MLP und zahlreiche andere
                                                    heraus. In manchem Fällen, wie etwa bei
                                                                                                    Unternehmen würde das die Koopera-
                                                    MLP, mag das ein ganz konkretes Profi-
                                                                                                    tion mit Universitäten zwar unattraktiv
                                                    tinteresse sein. In anderen Fällen kann es
                                                                                                    machen. Zugleich wäre es der einzige Weg,
                                                    darum gehen, auf die Ausrichtung der For-
                                                                                                    durch den die Universität ihrem Anspruch
                                                    schung Einfluss zu nehmen. In jedem Fall
                                                                                                    gerecht werden könnte, als gesellschaftli-
                                                    aber ist diese Unterstützung an die Erwar-
                                                                                                    che Institution zugleich eine kritische Dis-
                                                    tung geknüpft, dass die Universität ihr
                                                                                                    tanz zur Gesellschaft einzunehmen und
                                                    liberales Leitbild aufrechterhält.
                                                                                                    Wege zu finden, um in gesellschaftliche
                                                       In Wahrheit steht die ‚Freiheit von
                                                                                                    Verhältnisse zu intervenieren.
                                                    staatlicher Detailsteuerung‘ der Freiheit
                                                                                                                                          AStA
                                                    von Forschung und Lehre entgegen. Um
                                                    eine freie Forschung und Lehre zu gewähr-
                                                    leisten, wäre es notwendig, die Universi-
                                                    tät von den finanziellen Sachzwängen zu
                                                    befreien, die ihre Ausrichtung an wissen-
                                                    schaftlicher Exzellenz bedingen und die
                                                    Universität selbst zu einer wirtschaftli-
                                                    chen Akteurin machen, die sich um den
                                                    Erwerb von Drittmitteln zu kümmern hat.
                                                    Die sogenannte Exzellenzstrategie hat zur
                                                    Folge, dass der Wettbewerb um knappe
                                                    Finanzmittel zunimmt, die Grundfinan-
                                                    zierung der Hochschulen durch die Län-
                                                    der zurückgeht und Kettenbefristungen
                                                    im Mittel- und Unterbau der Hochschu-
                                                    len ausufern.

1   https://www.finanzwende.de/kampagnen/
    finanzvermittler-mlp-runter-vom-campus/

2   http://www.hof.uni-frankfurt.de/de/about-us/
    foerderer.html

3   https://www.uni-frankfurt.de/leitbild/

4   http://www.hof.uni-frankfurt.de/de/about-us/
     foerderer.html

5   https://www.stiftunguni.
     uni-frankfurt.de/38072349/
     Informationen_zur_Stiftungsuniversität

6   https://www.stiftunguni.
     uni-frankfurt.de/38072349/
     Informationen_zur_Stiftungsuniversität
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