1-2021 Verlag Barbara Budrich
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EXPOSÉ Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 1-2021 10,00 EUR / 2. Jahrgang 2021 ISSN 2628-9393 / eISSN 2628-9407 PUBLIZIEREN Die Dissertation veröffentlichen SCHREIBEN Professioneller Feinschliff der Doktorarbeit PROMOVIEREN Wie Sie den Promotionsalltag meistern NETZWERKEN Schluss mit der Selbstsabotage
Inhaltsverzeichnis Editorial 3 Magdalena Gromada Promovieren Der Promotionsalltag: Zwischen Schweinehund, Pomodoro und zu viel Kaffee 4 Louise Hoffmann Die Promotion veröffentlichen 8 Barbara Budrich Das Lektorat als wichtiger Bestandteil Ihres Promotionsprojektes 11 Isabelle Romann Promovieren als handlungsorientiertes Projekt 14 Dagmar Knorr Promovieren mit Kind: Wie lassen sich Dissertation und Familie unter einen Hut bringen? 18 Majana Beckmann Der Nutzen von selbstorganisierten Arbeitsgruppen während der Promotion 22 Alexander Parchow Die Disputation in Zeiten der Covid-19-Pandemie 26 Lena Greinke Netzwerken Erste leisten Pionierarbeit 29 Jasmin Döhling-Wölm Methoden Die Auswahl der passenden statistischen Methode 33 Daniela Keller Nachwuchstipps 36 Rezensionen, Auszeichnungen, Veranstaltungen Autor*innenportraits 40 Impressum Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Die Zeitschrift Exposé erscheint zweimal jährlich. Das Jahres- Publizieren abonnement der Printausgabe kostet im regulären Abonne- ment 15,00 €, Sonderpreis für Studierende 12,00 € (jeweils zzgl. Zustellgebühr). Ein Einzelheft kostet 10,00 € zzgl. Versandkosten. herausgegeben von: Abonnements-Kündigungen bitte schriftlich an den Verlag. Die Barbara Budrich (Verlag Barbara Budrich) und Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Jahresende. Magdalena Gromada (budrich training) Anzeigenverwaltung beim Verlag. Für die Printausgabe © 2021 Verlag Barbara Budrich Redaktionelle Betreuung: Opladen, Berlin & Toronto Magdalena Gromada Druck und Verarbeitung: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang redaktion@expose-zeitschrift.de Printed in Europe Für die Printausgabe: Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeit- Verlag Barbara Budrich GmbH schrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfäl- Stauffenbergstr. 7 tigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie. D-51379 Leverkusen Tel. (+49) (0)2171 79491 50 Die Online-Ausgabe von Exposé erscheint im goldenen Open Access (CC BY-SA 4.0). https://creativecommons.org/licenses/ Fax (+49) (0)2171 79491 69 by-sa/4.0/. Diese Lizenz erlaubt die Verbreitung, Speicherung, info@expose-zeitschrift.de Vervielfältigung und Bearbeitung bei Verwendung der gleichen www.expose-zeitschrift.de CC-BY-SA 4.0-Lizenz und unter Angabe der Urheber*innen, Rechte, www.budrich-journals.de Änderungen und verwendeten Lizenz. Ausgenommen hiervon sind Abbildungen und Fotos
© pixabay 2021, Foto: Lolame Editorial Liebe Leser*innen, Der rege und freudige Austausch während der Her- stellung dieser Ausgabe ist überschattet von einem ich freue mich, Ihnen unsere dritte Ausgabe und unser traurigen Ereignis: Unsere Autorin Louise Hoffmann ist erstes Themenheft mit dem Schwerpunkt Promotion zu kurz nach der Fertigstellung ihres Artikels unerwartet präsentieren! verstorben. Nicht nur wissenschaftlich hochengagiert: Informationen zu Frau Hoffmanns Vita finden Sie unter- Neben den Beiträgen unserer üblichen Expert*innen halb ihres Beitrags und ich empfehle Ihnen einen Blick haben wir unter der Vielfalt und -zahl an eingesandten auf ihre Webseite als Zeugnis ihres inspirierenden Le- Artikeln eine Auswahl getroffen, die aus unterschied- bens und wissenschaftlichen Wirkens. Der motivierende, lichen Perspektiven Aspekte rund um die Dissertation leichtfüßige Artikel zum Promotionsalltag bildet unseren beleuchtet: Überschaubar legt Barbara Budrich Ihnen Auftakt, Sie finden ihn gleich auf der folgenden Seite. Mit die Möglichkeiten dar, die Ihnen zur Veröffentlichung Humor gewürzt gibt er hilfreiche Handreichungen, um in zur Verfügung stehen. Isabelle Romann erläutert, welche Balance durch die Herausforderungen und Hürden der Vorteile ein professionelles Lektorat Ihrer Dissertation Promotionszeit zu kommen. Ihnen bietet (auch wenn Sie fit sind in Orthografie und Grammatik). Mit der Vorstellung ihres Kaskadenmodells Denn das ist Zweck dieser Ausgabe: Sie gut und mit An- lädt Dagmar Knorr Sie ein, die Promotion als Projekt zu regungen versorgt durch die Promotionszeit zu beglei- denken. Wenn Sie promovieren und Kinder haben, hat ten, auf die Dissertation vorzubereiten oder Ihre Studie- Majana Beckmann praktische Tipps für Sie. Alexander renden mit unseren Inhalten zu unterstützen. Sollte das Parchow berichtet von seinen positiven Erfahrungen nicht Ihr Thema sein, haben wir in der 2. Ausgabe 2021 mit selbstorganisierten Arbeitsgruppen, die durch Aus- den Schwerpunkt Internationales und mit Sicherheit tausch und Verbindlichkeit den eigenen Forschungs- den ein und anderen Beitrag für Sie – oder wollen Sie und Schreibprozess im Alltag verankern. Auch in Zeiten selbst einen Artikel verfassen? Schreiben Sie mir gern: der Pandemie wird promoviert: Lena Greinke hat unter, redaktion@exposé-zeitschrift.de! auch technisch, besonderen Umständen verteidigt und lässt uns an ihren Erkenntnissen teilhaben. In diesem Sinne: Kommen Sie gut und ausgeglichen durch die Promotion, genießen Sie den Frühling! Ihre Magdalena Gromada Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 3
© pixabay 2021, chenspec Der Promotionsalltag: Zwischen Schweinehund, Pomodoro und zu viel Kaffee von Louise Hoffmann Das Verfassen einer Doktorarbeit ist ein langer Prozess, ren. Bei der Erstellung der Meilensteine sollten Sie nicht der vor allem viel Selbstorganisation benötigt. Auf den nur an Ihre Promotion, sondern auch an Ihre berufliche folgenden Seiten erhalten Doktorand*innen verschiede- und private Zukunft denken. Wenn Sie also bereits wis- ne Anregungen, wie sie ihren Promotionsalltag optimie- sen, welchen beruflichen Weg Sie nach der Promotion ren können und sich somit besser auf ihr Projekt fokus- einschlagen möchten, könnten Sie überlegen, welche sieren können. Kompetenzen Sie in diesem Bereich während der Pro- motionszeit vertiefen könnten. Überlegen Sie sich für die „Warum tue ich mir das eigentlich an?“ – Warum Ziele gesamte Promotionszeit zunächst größere Meilensteine so wichtig sind (z.B. Exposé), die Sie dann weiter unterteilen – nach Jahr Ein großes Ziel haben Sie sich bereits gesetzt, in dem Sie oder Semester. Diese können Sie anschließend herunter- sich für die Promotion entschieden haben. Sie möchten brechen in kleinere Ziele, wie z.B. Monats-, Wochen-, oder ein bestimmtes Thema durchdringen und somit neue Tagesziele. Planen Sie stets genügend Puffer mit ein, um Forschungsergebnisse erzeugen. Vielleicht haben Sie Frustration angesichts nicht erreichter Ziele zu vermei- auch bereits eine bestimmte wissenschaftliche Tätigkeit den. Behalten Sie dabei auch Ereignisse im Blick, wel- im Blick, für die ein Doktortitel verlangt wird. Der Weg che die Meilensteine in irgendeiner Weise beeinflussen bis dahin dauert jedoch mehrere Jahre und benötigt viel könnten, z.B. die Geburt eines Kindes, ein Umzug usw. Durchhaltevermögen. Zwischenziele in Form von Mei- lensteinen können Sie dabei unterstützen, Ihre großen Ziele (Promotion, Job…) nicht aus den Augen zu verlie- 4 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Der Promotionsalltag „Ach, das kann ich doch auch übermorgen machen“: ßend die wichtigsten Ergebnisse notieren. Drittens kann Planen Sie Diss-Zeiten ein es Sie dabei unterstützen, die nächsten Arbeitsschritte Nachdem die einzelnen Ziele konkretisiert wurden, ist es zu planen, indem Sie aus Ihren Notizen Rückschlüsse zie- wichtig, sich Zeitfenster zu blocken, in denen man un- hen, was als Nächstes bei Ihnen ansteht. gestört arbeiten kann. Damit Sie Ihre Diss-Zeiten nicht immer vor sich hinschieben, blocken Sie Zeiten in Ihrem „Voll die Tasse, fertig, losschreiben“ – Die Aufwärmphase Kalender, die ausschließlich für die Promotion reserviert Nicht nur beim Sport, sondern auch bei der Erstellung sind. Informieren Sie andere Personen über Ihre Abwe- Ihrer Dissertation benötigen Sie eine „Aufwärmphase“. senheit, wie z.B. Familienangehörige oder den Freun- Überlegen Sie sich Rituale, die Ihnen den Beginn der deskreis, damit sie wissen, dass Sie in dieser Zeit nicht Aufwärmphase erleichtern. Bevor Sie sich an den aufge- gestört werden möchten. Nützlich könnte es auch sein, räumten Schreibtisch setzen, könnten Sie sich z.B. noch diese Zeiten in Ihrem Arbeitskalender einzutragen (hier einen Kaffee kochen und diesen in Ihre Lieblingstasse können Sie den Termin als „privat“ markieren). Sofern gießen. Oder Sie hören sich noch ein bestimmtes Lied an, auch andere Promovierende Zeit haben, könnten Sie welches Sie in die richtige Arbeitsstimmung versetzt … Ihre Diss-Zeit für gemeinsame (Online-) Schreibtreffen Seien Sie ruhig kreativ und überlegen Sie, was Ihnen kon- nutzen. Der Vorteil: Sie motivieren sich gegenseitig, tau- kret helfen würde. Geschmäcker sind bekanntlich sehr schen sich über Ihre Ziele aus und der „Gruppenzwang“ verschieden und was die eine Doktorandin als hilfreich hilft, dass Sie an Ihrer Dissertation arbeiten. empfindet, mag der nächste Doktorand nicht. Nutzen Sie die Aufwärmphase auch dazu, sich einen Überblick zu Egal, ob Sie alleine oder gemeinsam mit anderen an die- verschaffen, wo Sie aktuell stehen. Bevor Sie also einen sen Tagen etwas für Ihre Dissertation tun: es ist hilfreich, Aufsatz zu einem bestimmten Teil Ihrer Dissertation le- den Tag in mehrere Arbeitsphasen zu unterteilen und da- sen, könnten Sie eine Mind-Map erstellen, um herauszu- zwischen genügend Pausen einzuplanen. Dabei können finden was Sie schon zu diesem Thema wissen. Nach der Sie nach der Pomodoro-Methode vorgehen: 25 Minuten Lektüre können Sie Ihre Visualisierung anschließend mit arbeiten, dann 5 Minuten Pause und dann wieder 25 Mi- weiteren Begriffen ergänzen. nuten arbeiten. Das Ganze wiederholen Sie insgesamt 4 Mal und machen anschließend eine längere Pause. Sie „Ich recherchiere das mal schnell, dann arbeite ich werden erstaunt sein, wie viel Sie in 25 Minuten geschafft weiter“ – Fokus im Blick bekommen, vorausgesetzt, Sie setzen auch die nächsten Einige Anregungen, um fokussiert arbeiten zu können, Punkte um. haben Sie bereits in den letzten Abschnitten gelesen. Sie wissen mittlerweile, wie Sie Ihre Aufgaben in kleine rea- „Ich weiß sowieso nicht, wo ich gerade stehe, da muss listische Arbeitspakete packen können und wie Sie die ich erst gar nicht anfangen“: Das Motivationsjournal Aufwärmphase nutzen können, um sich gedanklich auf Eine weitere Herausforderung von Promovierenden ist Ihre Promotion vorzubereiten. Das sind schon mal gute es, den Überblick über die verschiedenen Arbeitsschrit- Vorrausetzungen für die nächste Phase: die Fokus-Phase. te zu behalten. Gerade, wenn man nicht täglich an sei- Damit Sie langfristig fokussiert bleiben und nichts dem ner Promotion sitzt, kann es schnell mal passieren, dass Zufall überlassen, ist es wichtig, dass Sie allgemein Ihre man die Orientierung verliert. Ein nützliches Instrument Bedürfnisse kennen: Zu welchen Zeiten sind Sie am pro- kann das Führen eines Journals sein, das verschiedene duktivsten? Wie lange am Stück können Sie konzentriert Funktionen erfüllen kann. Erstens unterstützt es Sie, den arbeiten? Arbeiten Sie lieber mit Hintergrundgeräuschen, Gesamtüberblick über Ihr Projekt zu behalten, indem Sie alleine oder in Gesellschaft? Gerade für die Fokuszeit ist einzelne Arbeitsschritte mit Datum knapp zusammen- es wichtig, dass Sie sich von dem Rest der Welt abschir- fassen. Zweitens kann es Sie auf lange Sicht unterstüt- men. Schließen Sie dafür alle Programme Ihres Compu- zen, fokussierter zu arbeiten, indem Sie zu Beginn einer ters, die Sie aktuell nicht benötigen (insbesondere das Arbeitseinheit die Aufgabe konkretisieren und abschlie- eMail-Programm!). Versuchen Sie zudem, sich nicht von Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 5
Der Promotionsalltag Gedanken ablenken zu lassen, die Ihnen zwischendurch die mehrere Jahre lang andauern und die Sie auch per- durch den Kopf gehen, egal, ob sie Ihre Promotion oder sönlich verändern wird. Lernen Sie geduldig mit sich etwas Anderes betreffen. Notieren Sie sie notfalls kurz selbst zu sein, auch wenn es an der einen oder anderen auf einem Zettel, damit Sie sie nicht vergessen. Wichtig Stelle mal nicht so funktioniert, wie Sie es sich vorstellen. aber: Behalten Sie den Fokus aufrecht, für alles Weitere Seien Sie kreativ und suchen Sie nach neuen Wegen, um ist später auch noch Zeit. an Ihr Ziel zu kommen. Warum z.B. nicht mal den Schreib- ort oder das Schreibmedium wechseln? Es sind manch- „Tschüss, Schweinehund, hallo Katzenbuckel!“ - Wie Sie mal schon Kleinigkeiten, die viel verändern können. Ver- die Diss und sich selbst in Einklang bringen netzen Sie sich in Ihrer Fachcommunity und tauschen Sie Achten Sie auf regelmäßige Pausen, auch wenn Sie noch sich mit anderen Promovierenden aus. Sie werden sehen, so fokussiert sind. Nutzen Sie die Pausen zum Beispiel, Sie sind mit Ihren Problemen nicht alleine. Holen Sie sich um die Waschmaschine laufen zu lassen (die dann pas- Unterstützung bei Ihrer Betreuung, wenn Sie Hilfe benö- send zur nächsten Pause fertig ist), etwas frische Luft auf tigen und schieben Sie es nicht zu lange vor sich her. Kri- dem Balkon zu holen oder sich mit jemandem aus Ihrer sen in der Promotion und während des Schreibprozesses Familie zu unterhalten. Vergessen Sie Ihren Körper nicht gehören dazu. Auch wenn es nicht immer leicht ist: Neh- und nutzen Sie die Pause, um sich etwas zu bewegen. Ein men Sie sie an und versuchen Sie, sich diese zu Nutze zu paar Yoga-Übungen lassen sich auch in kurzen Pausen machen. Vielleicht hilft es Ihnen ja in solchen Momenten, durchführen, wie z. B. die Katzenbuckel-Übung. Gönnen an Krisen oder Ziele zu denken, die Sie schon gemeistert Sie sich neben kleinen Pausen auch regelmäßig länge- haben und die Sie langfristig vorangetrieben haben? re Auszeiten von der Dissertation. Gerade wenn es mal klemmt, kann dies ein Signal Ihres Körpers sein, dass Sie Und last but not least und frei nach Mark Twain: „Gib je- überlastet sind und etwas zur Ruhe kommen sollten. dem Tag die Chance, der schönste Deiner Diss zu wer- den“. „Wo ist denn hier der Kompass?“ – Die Promotion als Reise zu sich selbst In dem Moment, wo Sie sich entscheiden, den Promo- tionsweg zu gehen, entscheiden Sie sich zu einer Reise, © chenspec pixabay 2021, Foto: Armin Schreijäg 6 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Der Promotionsalltag Zum Weiterlesen: © privat Günauer, Franziska et al. (2017): GEW-Handbuch Promo- vieren mit Perspektive: Ein Ratgeber von und für Dokto- randInnen. Bielefeld: wbv Media. Wergen, Jutta: Promotionsplanung und Exposee (2019): Die ersten Schritte auf dem Weg zum Weg zum Doktor- titel. Opladen, Toronto: utb (Verlag Barbara Budrich). Anm. Prof. Dr. Tobias Schmohl: Louise Hoffmann, M.A. (geb. Lenz) war fachlich im Be- Die Autorin dieses Beitrags ist kurz vor Fertigstellung des reich der wissenschaftlichen Schreibdidaktik angesie- Manuskriptes nach kurzer, schwerer Krankheit unerwar- delt. Sie war Mitglied der Gesellschaft für Schreibdidaktik tet verstorben. In Rücksprache mit den Herausgeberin- und Schreibforschung e. V. Ihr Promotionsthema befass- nen dieser Zeitschrift habe ich den Beitrag redaktionell te sich mit der schreibdidaktischen, diversitätssensiblen überarbeitet, sodass er hier posthum erscheinen kann. Unterstützung von Studierenden in berufsbegleitenden Dafür möchte ich mich nochmals ausdrücklich bedan- Masterprogrammen an deutschen Hochschulen. Ziel ih- ken, da ich weiß, dass Louise Hoffmann sich über die Ma- rer Forschung war es, die Schreibsozialisation bei Master- nuskriptannahme sehr gefreut hatte. Das Dissertations- studierenden im Fernstudium zu untersuchen, um ihre projekt von Louise Hoffmann habe ich seit Anfang 2018 Bedürfnisse herauszufinden und langfristig entsprechen- als kooperative Promotion gemeinsam mit Prof. Dr. Julia de Fördermaßnahmen zum selbstregulierenden Schrei- Schütz (FernUniversität in Hagen) betreut. Die nachfol- ben entwickeln zu können. Ein besonderer Fokus lag auf gende Kurzvita entstammt meiner Feder. der heterogenen Zusammensetzung dieser Lernenden- Gruppe im Hinblick auf unterschiedliche Bildungsverläu- fe, Schreiberfahrungen aus formellen und informellen Lernkontexten sowie fachliche Enkulturationen. Mehr über sie und ihr vielseitiges Engagement finden Sie auf ihrer Webseite: https://www.louise-hoffmann.de/. Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 7
© pixabay 2021, Free-Photos Die Promotion veröffentlichen von Barbara Budrich Im deutschsprachigen Raum gilt für Doktorarbeiten viel- finden – oder gar drei bis vier verschiedene, um dort zu fach eine Publikationspflicht. Häufig haben Promovie- veröffentlichen. Der Doktorvater kannte sich in diesem rende die Wahl, ob sie kumulativ oder monografisch vor- Bereich mit den Publikationsmöglichkeiten selbst nicht gehen. In beiden Fällen ist das zeitnahe, angemessene aus und konnte nicht unterstützen. Zwei Beispiele, die Publizieren nicht trivial. Lassen Sie uns beide Varianten andeuten, wo Probleme liegen können. mit ihren Vor- und Nachteilen kurz beleuchten. Wenn Sie also Ihre Dissertation kumulativ Publizieren Kumulativ Publizieren möchten, stellen Sie sicher, dass Sie eine Vorstellung Die Vorgaben zum kumulativen Publizieren sind unter- davon haben, in welchen Zeitschriften dies für Sie ange- schiedlich – von Hochschule zu Hochschule und von messen möglich ist. Fachbereich zu Fachbereich. Was bedeutet, dass Sie im Falle einer kumulativen Promotion zunächst die Spielre- Hinzu kommt die Zeitschiene: Es mag einfach klingen, geln herauszufinden haben. Und zwar am besten, bevor innerhalb der vorgegebenen Zeit drei oder vier Aufsätze Sie sich fest- und loslegen. zu publizieren. Je nachdem, in welcher Disziplin Sie mit welchem Schwerpunkt unterwegs sind und innerhalb Mir ist es in meiner Beratungspraxis schon begegnet, welches Zeitrahmens die von Ihnen in die engere Wahl dass eine Promovierende vor der Aufgabe stand, in einem genommenen Zeitschriften operieren, kann dies zu einer gerankten Journal zu veröffentlichen – in einem Fachbe- Herausforderung werden. reich, in dem es zu diesem Zeitpunkt keine gerankten deutschsprachigen Journals gab. Ihre Fragestellung al- Ich kenne nicht wenige Zeitschriften, bei denen vom Call lerdings bezog sich explizit auf Deutschland, und es war for Papers bis zur Publikation 12 bis 18 Monate verge- für sie nicht leicht, überhaupt einen englischsprachigen hen. Bei manch einer Zeitschrift dauert es von der Ein- Text zu verfassen. Bei anderer Gelegenheit war das The- reichung bis zur Rückmeldung bereits drei bis sechs Mo- ma einer Doktorarbeit derart interdisziplinär ausgerich- nate. Solange Ihr Vorschlag oder Manuskript akzeptiert tet, dass es schwierig war, eine passende Zeitschrift zu wird, mag daraus ein für Ihre Belange passender Zeitrah- 8 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Die Promotion veröffentlichen men werden. Kassieren Sie hingegen eine oder gar meh- tig sind – die vorgestellten Anforderungen sind weder rere Absagen und es kommen Überarbeitungsschleifen vollständig, noch muss jede einzelne für Sie relevant sein. hinzu, kann das Ganze rasch zu einer sehr langwierigen Operation ausarten. Übrigens ist die Veröffentlichung als eBook zumeist selbstverständlich, und Open Access zu publizieren ist Schließlich bleibt noch die Rechtefrage, wenn Ihre Arbeit häufig eine Option. Bevor Sie sich auf einen Publikations- nach den Veröffentlichungen der einzelnen Aufsätze als partner festlegen, stellen Sie sicher, dass Ihre Monografie Ganzes publiziert werden soll. Diese Frage ist weder kom- in der von Ihnen präferierten Variante bzw. im von Ihnen pliziert noch besonders anspruchsvoll – es empfiehlt sich gewünschten Format veröffentlicht wird und dass Sie im lediglich, bereits vor der Veröffentlichung der Aufsätze Besitz aller notwendigen Rechte sind, die zur Veröffent- mit der jeweiligen Redaktion über Ihre Verpflichtung zu lichung notwendig sind. sprechen, diesen Aufsatz erneut in einem anderen Kon- text zu publizieren. Ihr Ziel – Ihr Weg Welcher Weg der „richtige“ ist, vermag ich nicht zu sagen: Die Doktorarbeit als Monografie Das hängt von Ihnen, Ihren Zielen und Ihren Möglichkei- Um Ihre Doktorarbeit als Monografie zu veröffentlichen, ten ab. Mir sind beinahe schon so viele unterschiedliche haben Sie zahlreiche Möglichkeiten. Welchen Weg Sie Kriterien, Wünsche und Vorstellungen untergekommen beschreiten können und wollen, liegt vor allem an Ihren wie Promovierende. Die eigenen Ideen mit der Realität eigenen Kriterien. abzugleichen, ist unabdingbar (entschuldigen Sie die Tri- vialität!) – und häufig gibt es im je eigenen Umfeld nur Während die Veröffentlichung in einem renommierten Wenige, die sich mit den unterschiedlichen Optionen des Wissenschaftsverlag für gewöhnlich die größte Reputa- Publizierens umfassend auskennen. Wie in vielen Berei- tion bietet, ist dies im Vergleich mit den übrigen Publika- chen des Lebens ist durch die Vervielfältigung der Wahl- tionswegen tendenziell die langwierigste, aufwendigste möglichkeiten die Unsicherheit nicht kleiner geworden. und teuerste Variante. Wenn Sie aber Ihre eigenen Ziele, Ihre Motivation und Ihre Möglichkeiten klar vor Augen haben, fällt die Wahl In der Abbildung finden Sie eine Matrix, die potenziel- leichter. le Publikationspartner und einige Autor*innen-Kriterien verknüpft. Bitte verstehen Sie die Kriterien nur als Bei- spiele: Es gibt weitere und andere Dinge, die Ihnen wich- Anforderung „Ich möchte „Ich möchte, dass „Mir soll niemand „Ich möchte die „Die Publikation möglichst schnell meine Publikation in meinen Text größtmögliche soll mich möglichst Publikations- veröffentlichen!“ im Buchhandel zu „reinquatschen“!“ Reputation wenig kosten.“ partner beziehen ist!“ erreichen!“ Renommierter Wissenschafts- + + verlag Bibliotheks- + + + server Dissertations- + (+) + verlag Abb. 1: Publikationspartner-Kriterien-Matrix für die Dissertation (eigene Darstellung) Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 9
Die Promotion veröffentlichen Die Autorin © privat Barbara Budrich arbeitete über 10 Jahre im Verlag Leske + Budrich ihres Vaters, bevor sie 2004 den Verlag Barbara Budrich gründete. Sie hat zahlreiche Bücher und Aufsätze publiziert, übersetzt und geschrieben. Seit 2012 geben sie und ihr Team im von ihr etablierten Unternehmen bu- drich training (www.budrich-training.de) ihr Know-how zum wissenschaftlichen Publizieren und Schreiben syste- matisch in Vorträgen, Workshops und Coachings weiter. Neuestes Projekt für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist die Zeitschrift Exposé, deren Herausgeberin sie ist. Barbara Budrich Erfolgreich Publizieren Grundlagen und Tipps für Autorinnen und Autoren aus den Sozial-, Erziehungs- und Geisteswissenschaften „Das Buch hätte ich früher lesen müssen! Also ich kann Sie nur dazu beglückwünschen, dass Sie Ihr immenses Verlagswissen nicht nur mir, sondern auch anderen so gut geschrieben zugänglich gemacht haben.“ Prof. Dr. Jochen Kade (zur 2. Auflage) 3., überarb. Auflage | utb M 2019 | 163 S. | Kart. | 16,99 € (D), 17,50 € (A) https://shop.budrich.de ISBN 978-3-8252-5148-2 | eISBN 978-3-8385-5148-7 Kostenfreie E-Mail-Serie von Barbara Budrich „Veröffentlichen: den richtigen Publikationspartner finden und ansprechen“ In der kostenfreien E-Mail-Serie erhalten Sie in sieben E-Mails an sechs aufeinanderfolgenden Tagen wertvolle Tipps und Handreichungen, wie Sie Ihr ganz persönliches „Projekt Buchveröffentlichung“ richtig angehen. Und das dazugehörige 12-seitige Arbeitsbuch (zum Download als Word-/PDF-Datei) enthält Fragen und Aufgaben, die Sie auf dem Weg zu mehr Klarheit begleiten – ebenfalls komplett kostenfrei. Weitere Informationen und Anmeldung unter: https://budrich.de/veroeffentlichen-e-mail-serie 10 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
© pixabay 2021, StartupStockPhotos Das Lektorat als wichtiger Bestandteil Ihres Promotionsprojektes Wie Sie Ihrer Doktorarbeit den professionellen Feinschliff geben und warum Sie darauf nicht verzichten sollten von Isabelle Romann Sie stehen als Promovierende*r kurz vor der Fertigstel- kennen Ihren Text schon fast auswendig. Da überliest das lung Ihrer Dissertation und wissen: Um die sprachliche Auge schon einmal beispielsweise Buchstabendreher. Qualität Ihres jahrelangen Projektes sicherzustellen, brauchen Sie nun mehrere Korrekturdurchgänge durch Die Lösung: Sie holen sich Unterstützung in Form eines Ihren Text. Inhaltlich sind Sie bereits auf der sicheren Sei- Lektorats. te, doch auch ein wenig erschöpft angesichts der nun an- stehenden Aufgaben, und Frust macht sich breit. Gleich- Was kann ein Lektorat beinhalten – und was nicht? zeitig haben Sie einen hohen Qualitätsanspruch an sich Das Lektorat für eine Doktorarbeit legt seinen Schwer- selbst, und Ihnen ist wichtig, dass Ihr gesamtes Werk bei punkt einerseits auf eine sprachliche Optimierung. Be- Gutachter*innen und Leser*innen einen professionellen trachten Sie also Lektor*innen am besten als Testleser*in- Eindruck hinterlässt. Tippfehler, Redundanzen, unein- nen, die Ihnen wichtige Hinweise in puncto Sprache und heitliche Schreibweisen, fehlerhafte Textformatierungen Form geben. Sie selbst entscheiden, welche Hinweise Sie und Literaturangaben haben da keinen Platz. Allerdings beherzigen wollen und welche nicht. stecken Sie als Autor*in sehr tief drin in der Materie und Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 11
Das Lektorat als wichtiger Bestandteil Ihres Promotionsprojektes Zur Orientierung seien ein paar Aufgabenschwerpunkte Hinterlassen Sie einen professionellen Eindruck! von Lektor*innen in puncto Sprache genannt: Optimie- Leser*innen (und Gutachter*innen) mögen es nicht, wenn rung von Orthografie, Grammatik, Interpunktion und ihr Lesefluss durch eine hohe Fehlerquote gestört wird. Typografie (z. B. Binde- vs. Gedankenstriche), Prüfung Sobald hier zu viel Irritation hervorgerufen wird, stellen auf Verständlichkeit, Füllwörter sowie Häufung von ver- sie sich ganz automatisch die Frage, ob in dieser Arbeit meidbaren Wortwiederholungen und Redundanzen, nicht auch mit fachlichen Ungenauigkeiten zu rechnen Augenmerk auf die einheitliche Schreibweise von Be- ist. Fazit: Die sprachliche Nachlässigkeit wird ungewollt grifflichkeiten, Fremdwörtern und zusammengesetzten zum Indikator für fachlich minderwertige Qualität. In Wortgruppen, Überprüfung der vollständigen Bezug- der Folge leiden Ihre Reputation, die Bewertung der Dis- nahme auf enthaltene Abbildungen, der grafischen Dar- sertation, und dieser Gesamteindruck verhindert sogar stellungen und Tabellen sowie Kontrolle der vollständi- im schlimmsten Fall einen erfolgreichen Berufseinstieg. gen Nummerierung und aussagekräftigen Beschriftung Deshalb: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Arbeit in jeder Hin- dieser Elemente. sicht einen professionellen Eindruck hinterlässt! Darüber hinaus kann andererseits stilistisch auf Wunsch Verschaffen Sie sich Sicherheit in sprachlichen Fragen! darauf geachtet werden, inwiefern die Leser*innen der Auch wenn Sie Meister*in Ihres Faches sind, so kann es Argumentation Ihrer Arbeit durch den sog. roten Faden sein, dass Sie sich bei der ein oder anderen Schreibweise gut folgen können. Es gilt, Logikfehler aufzudecken und eines Begriffes oder der Kommasetzung unsicher sind. auf schwer Verständliches hinzuweisen. Damit Sie zur Klärung dieser Fragen nicht selbst Zeit für die Recherche investieren müssen, legen Sie Ihre Disser- Wenn Sie es wünschen, wird im Rahmen des Lektorats tation vertrauensvoll in die Hände von Lektor*innen, den auch geprüft, ob die formalen Anforderungen erfüllt Expert*innen für sprachliche Themen. Somit können Sie werden. Das betrifft beispielsweise die Vollständigkeit am Ende der Zusammenarbeit sicher sein, dass Ihre Dok- der Quellenverzeichnisse und die einheitliche, fehler- torarbeit sowohl inhaltlich als auch sprachlich der Quali- freie Darstellung von Quellenangaben – sowohl im Text tät entspricht, die Sie sich wünschen. als auch in den Verzeichnissen im Anhang. Die frischen Augen des Lektors oder der Lektorin können dabei Gold Jede*r profitiert von einem Lektorat – auch versierte wert sein, denn er oder sie sieht diesen Text ja zum ersten Texter*innen und Autor*innen! Mal, während Sie bereits betriebsblind sein könnten. Es ist ein natürlicher Vorgang, dass man während der eige- nen Korrekturdurchgänge Fehler nicht mehr findet. Als Wichtig zu wissen: Ein Lektorat grenzt sich allein aus Autor*in kennen Sie Ihren Text so gut, dass Gehirn und rechtlichen Gründen deutlich vom Ghostwriting ab. Auge das sehen, was sie kennen und sehen wollen, nicht Auch sehen seriöse Lektor*innen davon ab, ganze Text- aber immer das, was tatsächlich auf dem Papier oder dem passagen neu zu formulieren. Das liegt daran, dass die Bildschirm steht. Das hat absolut nichts damit zu tun, ob wissenschaftliche Leistung bei Qualifikationsarbeiten man sprachlich fit ist oder nicht. Selbst die professionells- ausschließlich von Ihnen selbst erbracht werden muss. ten Schreiber*innen brauchen zwei zusätzliche frische Andernfalls werden Ihnen Leistung, Arbeit und gegebe- Augen, um ihre Texte in bestmöglicher Qualität veröffent- nenfalls Titel aberkannt. lichen zu können. Nutzen also auch Sie diese Möglichkeit! Warum sollten Sie ein Lektorat in Ihr Promotionsprojekt Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, diese Dienst- als festen Bestandteil einplanen? leistung in Anspruch zu nehmen, ist es ratsam, sich Der Nutzen, den ein Lektorat für die Bewertung Ihrer möglichst früh auf die Suche nach dem/der richtigen Dissertation und damit für Ihre Reputation hat, kann gar Lektor*in zu machen. Zum einen sollte es sich um eine nicht hoch genug eingeschätzt werden. Behalten Sie die Person Ihres Vertrauens handeln, der Sie Ihr wertvolles wichtigsten Gründe immer im Hinterkopf: Werk bedenkenlos überlassen wollen. Zum anderen ist 12 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Das Lektorat als wichtiger Bestandteil Ihres Promotionsprojektes sicherzustellen, dass der gewählte Kooperationspartner © privat auch zum von Ihnen gewünschten Zeitpunkt freie Kapa- zitäten hat. Für eine Dissertation mit einem Umfang von ca. 300 Seiten sollten Sie mit einer Bearbeitungszeit von zwei bis vier Wochen rechnen – je nach aktueller Auslas- tung und nach Umfang der Aufgaben. Planen Sie also von Beginn an das Lektorat als eigene Phase in Ihr Promotionsprojekt ein. Sie haben dann ge- nügend Zeit, um die richtige Person zu finden, alle Rah- menbedingungen abzuklären und eventuellen Termin- druck gegen Projektende zu vermeiden. Denn sowohl Universitäten als auch Verlage legen großen Wert auf die Einhaltung der gesetzten Abgabetermine. Für die Buchveröffentlichung: Lektorat in zwei Stufen Die Autorin Die bisherigen Empfehlungen beziehen sich sowohl auf Isabelle Romann studierte Betriebswirtschaftslehre an die Dissertation, bevor sie zur Bewertung bei den uni- der Berufsakademie Heidenheim (heute DHBW) sowie versitären Gutachtern abgegeben wird, als auch auf die Romanistik und Orientalistik/Islamwissenschaft an der Phase vor der Veröffentlichung in einem Verlag. Für mein Ruhr-Universität Bochum. Nachdem sie in der freien Empfinden ist jedoch die Relevanz eines Lektorats vor Wirtschaft jahrelang als Personalentwicklungsreferen- der Abgabe im Verlag noch höher, denn Ihr Publikum tin tätig war, machte sie sich 2012 als freie Lektorin für wächst mit der Herausgabe einer Monografie. Für die- deutschsprachige Fach- und Sachtexte hauptberuflich sen letztgenannten Fall ist sogar über zwei Stufen eines selbstständig. Seitdem begleitet sie zahlreiche wissen- Lektorats nachzudenken: über das Erstlektorat, das so schaftliche Arbeiten aus unterschiedlichen Fachrichtun- abläuft wie oben beschrieben. Nachdem Sie als Autor*in gen bis zur Abgabe und/oder Veröffentlichung. Des Wei- das lektorierte Dokument dann selbst überarbeitet ha- teren lektoriert sie regelmäßig Publikationen von bereits ben und der Text in ein Buchlayout übertragen wurde etablierten Wissenschaftler*innen, Lehrmaterial mehre- (durch Sie selbst oder den veröffentlichenden Verlag), rer großer deutscher Fernhochschulen sowie Fach- und ist ein Schlusslektorat unverzichtbar. Dieses beinhaltet Sachbücher von Unternehmer*innen, die sich mit ihren neben allem, was noch auffällt beim abschließenden Le- Werken als Expert*innen in ihrem Fachgebiet positionie- sedurchgang, eine sogenannte Satzkontrolle. Sie stellt ren wollen. sicher, dass Silbentrennungen und Seitenumbrüche rich- tig umgesetzt wurden. Das Schlusslektorat ist damit eine weitere unverzichtbare Stufe der Qualitätssicherung, be- vor Ihre Dissertation als Buch das Licht der Welt erblickt. Es wird einmal mehr deutlich: Je präziser Sie Ihren ausge- wählten lektorierenden Kooperationspartner über Ihre aktuelle Situation informieren und Ihren Bedarf trans- parent kommunizieren, desto erfolgreicher gestaltet sich die Zusammenarbeit und desto zufriedener werden Sie sein. Ihre Dissertation wird dann den von Ihnen ge- wünschten professionellen Eindruck bei Ihrer Zielgruppe hinterlassen und Ihre Position als Expert*in für Ihr Thema nachhaltig untermauern. Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 13
© pixabay 2021, Foto: Peggy Choucair Promovieren als handlungsorientiertes Projekt Das Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduktion von Dagmar Knorr ken und Strategien einsetzen kann, um eine Aufgabe zu bewältigen, kann als kompetente*r Schreibende*r ange- „Lohnt es sich denn schon, mit dem Schreiben zu sehen werden. beginnen? Ich kenne ja noch nicht die gesamte Literatur!“ Kommt Ihnen diese Aussage bekannt vor? Der Textproduktionsprozess wird in Phasen und Hand- Hinter dieser Aussage steht die Auffassung eines ge- lungen unterschieden, die durch die fortlaufende Zeit ordneten Schreibprozesses: Erst wird sich ein Überblick strukturiert werden. Am Beispiel des Verfassens einer verschafft und geplant, dann geschrieben, zum Schluss Dissertation werden zunächst die Phasen, dann die überarbeitet. Allerdings läuft ein Schreibprozess selten in Handlungen näher erläutert. Das Kaskadenmodell bildet dieser Form ab. Vielmehr überlappen sich die verschie- den Prozess eines komplexen Schreibprozesses ab, wie denen Phasen und es wird zwischen ihnen hin und her das beim Verfassen einer Monografie der Fall ist. Beim gesprungen. Das Textproduzieren wird deshalb häufig kumulativen Promovieren wird der Prozess mehrfach als chaotisch und als äußerst individueller Prozess wahr- durchlaufen und ist anders gerahmt (vgl. Abbildung 2). genommen. Das Kaskadenmodell wissenschaftlicher Text- produktion1 bietet einen Einstieg, die verschiedenen Pha- Jede Phase im Schreibprozess weist spezifische Charak- sen und Handlungen des Schreibens so zu strukturieren, teristika auf: dass es eine Reflektion des eigenen Schreibprozesses ermöglicht. Dahinter steht die Annahme, dass die Selbst- Der Entschluss, promovieren zu wollen, markiert den reflektion hilfreich ist, um das eigene Schreibhandeln zu Eintritt in das Schreibprojekt. In diesem Moment beginnt regulieren. Schreibhandeln umfasst die Tätigkeiten des die Findungsphase. Auch wenn diese sich in der Regel Lesens, Redens und des Schreibens. Wer gezielt Techni- noch nicht nach „Schreiben“ anfühlt. Prozesse des Le- sens, des Redens über das mögliche Projekt, des Ideen- 1 Das Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduktion ist generierens, des Sich-Annäherns an ein Thema sind aber eine Weiterentwicklung des Modells „Phasen und Handlun- Bestandteile des Textproduktionsprozesses, da die Aus- gen akademischer Textproduktion“ (Knorr 2016). 14 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Promovieren als handlungsorientiertes Projekt die Notwendigkeit zur Festlegung und dem Wunsch ge- prägt, sich möglichst lange vielfältige Optionen offen zu halten. Die Überarbeitungsphase stellt für Promovierende häufig eine Herausforderung dar: Einige überarbeiten gar nicht, andere können vor lauter Überarbeiten ihren Text nicht abgeben. In jedem Fall ist die Auseinander- setzung mit dem eigenen Text wesentlicher Bestandteil der Textproduktion und der Umgang mit ihm gilt der Schreibforschung als Maßstab für die wissenschaftliche Schreibkompetenz. Eine Fertigstellungsphase wird in Modellierungen des Schreibprozesses, wie sie in der Schreibforschung und Schreibdidaktik zu finden sind, meist nicht explizit er- wähnt, sondern als Teil des Überarbeitungsprozesses verstanden. Im Gegensatz dazu wird in professionellen Zusammenhängen, wie beispielsweise der technischen Dokumentation und dem Verlagswesen, dem Prozess der Dokumentaufbereitung für den Druck besonde- re Aufmerksamkeit – und damit auch Zeit – zuerkannt. Während die vorherigen Phasen sich alle überlappen, be- ginnt die Fertigstellungsphase erst nach Abschluss der Überarbeitung. Ihr Endpunkt ist in der Regel durch ein extern definiertes Abgabedatum fixiert. Dadurch, dass diese Fertigstellungsphase im Modell Raum einnimmt, kann sie Eingang in die individuelle Zeitplanung finden. Abb. 1: Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textpro- In der Prüfungsphase werden die Gutachten für den Text duktion. Typ: Monografie (eigene Darstellung) erstellt. Den Abschluss bildet die Disputation. Doch dann ist das Schreibprojekt immer noch nicht abgeschlossen. einandersetzung mit dem wissenschaftlichen Diskurs Denn die Arbeit muss noch publiziert werden. Hierfür und die eigene Verortung in ihm ein wesentlicher Be- gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie das Hochladen standteil der zu erbringenden wissenschaftlichen Leis- auf Dissertationsservern und Buchveröffentlichungen. tung ist. In der Findungsphase besteht einerseits die Notwendigkeit in die Breite denken zu müssen, um das Wird kumulativ promoviert, sind Überlegungen über Pu- Thema greifen und im Diskurs verorten zu können. Ande- blikationsorte bereits in der Findungsphase angesiedelt rerseits bedarf es einer Fokussierung, um eine bearbeit- (vgl. Abbildung 2). Innerhalb des Gesamtprozesses bil- bare Fragestellung entwickeln zu können. Ist das Schreib- den die verschiedenen zu produzierenden Texte eigen- projekt mit eigener Datenerhebung verbunden, müssen ständige Textproduktionsprojekte, die jedoch in ein Ge- methodische Entscheidungen hinsichtlich des Designs samtprojekt eingebettet sind. getroffen werden. Aufgrund der zeitlichen Restriktionen im hochschulischen Kontext wird von den Schreiben- Das Rahmenpapier ist ein eigenständiges Textprojekt in- den in der Regel eine frühzeitige Festlegung gefordert nerhalb des Gesamtprojekts. Seine Konzeption beginnt – selbst wenn die Fragestellung noch nicht endgültig ist. häufig schon mit der Erstellung eines Exposés, weil die- Je nach Schreibtyp ist die Textformulierungsphase durch ses einen ersten Entwurf für die Gliederung des Rahmen- Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 15
Promovieren als handlungsorientiertes Projekt papiers enthält. Die Erfahrungen von kumulativ Promo- vierenden zeigen dann jedoch, dass die Hauptarbeit am Rahmenpapier erst beginnt, wenn die notwendigen Ein- zelartikel eingereicht sind. Den Abschluss des Gesamt- prozesses bildet hier die Prüfungsphase, da in der Regel die kumulative Arbeit als solche nicht publiziert wird. Die Handlungen sind in dieser Abbildung nicht noch einmal aufgeführt, da sie sich an den einzelnen Phasen orientie- ren. Die Handlungen wissenschaftlichen Arbeitens werden hinsichtlich ihrer Funktion im Gesamtprozess betrachtet. Es werden erkenntnisgenerierende Handlungen, produkt- orientierte Handlungen und Interaktionen mit Personen unterschieden und mit den Basishandlungen Lesen, Schreiben und Reden verbunden. Leseprozesse in der Findungsphase dienen in der Regel dazu, sich in ein Thema einzuarbeiten und Wissen zu generieren. Demgegenüber wird während der Formulie- rungsphase gelesen, um vorhandenes Wissen zu reaktu- alisieren. Mit fortschreitender Zeit nimmt das Lesen des eigenen Textes zu. Während der Fertigstellungsphase sollte – im Idealfall – kein Rückgriff auf Fachtexte anderer mehr notwendig sein. Alle notwendigen Prüfprozesse sind als Bestandteile der Überarbeitungsphase konzep- tualisiert. Allerdings wird an dieser Stelle die Idealisie- rung des Modells deutlich. In der Praxis kommt es immer Abb. 2: Kaskadenmodell wissenschaftlicher Textproduk- wieder vor, dass bei der Überprüfung formaler Aspekte tion. Typ: Kumulative Dissertation (eigene Darstellung) der eine oder andere Fachtext noch einmal angefasst werden muss. etwas notiert, um dem Vergessen entgegen zu wirken, kann und darf man anders schreiben, als wenn es darum Geschrieben wird in allen Phasen, jedoch unterscheiden geht, Text zu produzieren, der Teil der Dissertation sein sich die Zwecke erheblich: Denn epistemisch-heuristische soll. Die Zeit, die es kostet, auf diese Art zu schreiben, ist Schreibprozesse sind erkenntnisgenerierend und müssen in der Regel sehr gut investierte Zeit. Denn man kann sich daher nicht an textuellen Anforderungen orientie- nur das verständlich und klar aufschreiben, was einem ren. Und: Sie sollten es auch nicht. Denn in der Vorstel- selbst klar ist. Denkschlaufen gehören zum Promovieren lung, dass alles, was geschrieben wird, Teil des einzu- und zum argumentativen Schreiben dazu. Gedankliche reichenden Textes ist und dementsprechend sprachlich Arbeit ist Schwerstarbeit. Sie sollte nicht zusätzlich da- und formal diesen Ansprüchen genügen muss, liegt das durch belastet werden, dass jede Formulierung perfekt größte Missverständnis über das Schreiben – und Ursa- oder eventuell – beim Schreiben in einer Fremdsprache che für so manche Schreibblockade. Wer sich darüber – auch noch sprachliche Hindernisse überwunden wer- bewusst ist, warum und mit welchem Ziel sie oder er ge- den müssen. Hier zwei Arbeitsgänge einzulegen und rade schreibt, gewinnt viel: In Situationen, in denen man das erkenntnisgenerierende vom produktorientierten sich über seine eigenen Gedanken klar werden will oder Schreiben zu trennen, kann sehr entlasten. 16 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Promovieren als handlungsorientiertes Projekt Das Reden über das Schreiben ist ein wesentlicher Be- Kleist, Heinrich von (1805): Über die allmähliche standteil kompetenten Schreibhandelns (vgl. Girgen- Verfertigung der Gedanken beim Reden. Internetaus- sohn/Sennewald 2012: 102). Die Einbindung interaktiver gabe. Version 11.02 von 2002. Heilbronn: Kleist-Archiv Handlungen als Bestandteil von Textproduktion trägt Sembdner. dem Umstand Rechnung, dass professionelles Schrei- ben nicht einsam ist bzw. sein muss. Im hochschulischen Knorr, Dagmar (2016): Modell „Phasen und Handlungen Kontext kann zwischen zwei Personengruppen unter- akademischer Textproduktion“. Eine Visualisierung zur schieden werden, mit denen geredet werden kann: So Beschreibung von Textproduktionsprojekten. In: Ball- reden Schreibende mit Betreuenden und Gutachtenden. weg, Sandra (Hrsg.): Schreibzentrumsarbeit: Theorie, Em- Mit diesen werden mindestens Rahmenbedingungen pirie, Praxis. Frankfurt/Main u. a.: Lang [Wissen – Kompe- und inhaltliche Ausrichtungen besprochen. Im Modell tenz – Text; 11], 251–273. sind deshalb nur wenige Interaktionen visualisiert. Mini- mal gibt es zwei Interaktionen zwischen Schreibenden © privat und Betreuenden: Zu Beginn des Schreibprojekts sollte eine Verständigung über die Rahmenbedingungen des Schreibprojekts erfolgen, am Ende die Mitteilung über die Bewertung des Textes. Ob und wenn ja, welche wei- tere Interaktionen stattfinden, ist von den interagieren- den Personen abhängig. Zusätzlich können (und sollten!) Schreibende mit Peers interagieren. Peers können an- dere Promovierende, Mitarbeitende von schreibdidakti- schen Einrichtungen sein, aber auch Freund*innen, Ver- wandte etc. Die möglichen Interaktionen sind daher sehr vielfältig und reichen von emotionaler Unterstützung, über das „allmähliche Verfertigen der Gedanken beim Reden“ (Kleist 1805) bis hin zu formativem Feedback auf Textteile bzw. dem Text und Reflexion des Arbeits- und Schreibprozesses. Zusammenfassend hat das Kaskadenmodell einen Zweck: die Reflexion und das Sprechen über das Schrei- Die Autorin ben anzuregen – wenn dies gelingt, ist ein wichtiger Dr. Dagmar Knorr ist Schreibwissenschaftlerin und Lingu- Schritt hin zu einer erfolgreichen Promotion getan. istin. Sie forscht, lehrt und publiziert zum wissenschaftli- chen Schreiben unter Bedingungen von Mehrsprachig- Weitere Informationen und Ressourcen zum wissen- keit. Seit 2017 leitet sie das Schreibzentrum/Writing schaftlichen Schreiben, u. a. auch einen Schreibtypen- Center der Leuphana Universität Lüneburg. Zuvor war test, finden Sie unter http://leuphana.de/SWC-Ressource. sie in Hamburg und Modena tätig. Sie setzt sich dafür ein, dass das Schreiben als Thema von den Hochschu- Literatur len stärker in den Blick genommen wird. So hat sie als Girgensohn, Katrin/Sennewald, Nadja (2012): Schreiben Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Schreibdidaktik lehren, Schreiben lernen. Eine Einführung. Darmstadt: und Schreibforschung federführend am „Positionspapier WBG [Einführung Germanistik]. Schreibkompetenz im Studium“ mitgearbeitet. Und in der Gesellschaft für Angewandte Linguistik gründete sie und leitet seitdem die Sektion Schreibwissenschaft. Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 17
© pixabay 2021, Foto: Gerd Altmann Promovieren mit Kind: Wie lassen sich Dissertation und Familie unter einen Hut bringen? von Majana Beckmann Die Herausforderung Vereinbarkeit Vorteile der Promotion mit Kind Als promovierende Eltern stehen Sie vor der besonderen Eine Doktorarbeit zu schreiben und Kinder zu haben, Herausforderung, mit der Dissertation und der eigenen ist (noch) nicht Normalität. Zwischen ca. 13 und 30 Pro- Familie zwei bedeutsame Lebensbereiche zu vereinba- zent der Nachwuchswissenschaftler*innen1 sind Eltern. ren. Immer wieder gilt es abzuwägen, welcher von bei- Interessant ist, dass diese tendenziell zufriedener und den gerade Vorrang hat. Und immer wieder kann sich weniger gestresst sind als ihre Kolleg*innen ohne Kinder, das ungute Gefühl einstellen, dem jeweils anderen nicht wenngleich sie sich durch die Gleichzeitigkeit von Fami- gerecht zu werden. „Ich habe schon viel zu lange nichts lie und Beruf stärker belastet fühlen (Bundesbericht Wis- für die Dissertation gemacht.“ „Soll ich mich noch zum senschaftlicher Nachwuchs 2017: 236; 244). Arbeiten aufraffen, wenn die Kinder schlafen?“ „Reservie- re ich das Wochenende für die Familie oder schreibe ich Was sind Gründe für diese Zufriedenheit? Erstens ergän- an der Dissertation?“ Wenn ein Kind krank wird oder eine zen sich hier zwei intensive, fordernde und auch erfüllen- Deadline im Projekt abläuft, erhöht sich der Druck noch. de Lebensbereiche: Sie haben sowohl die Möglichkeit, Diese inneren Konflikte sind belastend. Oft resultiert da- ein interessantes Thema in aller Tiefe zu bearbeiten als raus eine Unzufriedenheit, die sich in Schreibblockaden, auch die eigenen Kinder beim Aufwachsen zu begleiten. Prokrastination oder Zweifeln niederschlägt. Das Promo- Promovierende Eltern beschreiben häufig, dass die Zeit tionsprojekt rückt in den Hintergrund und die Hürden, mit dem Kind der perfekte Ausgleich zur Forschungsar- es fortzusetzen, wachsen. Wie kann es gelingen, die Dok- beit ist. Zweitens sehen sich Eltern als sehr pragmatisch torarbeit in den Familienalltag zu integrieren? Dieser Bei- trag lädt Sie zu einem neuen Blick auf Ihre Situation ein. 1 Hierunter sind Promovierende und Promovierte zusam- mengefasst. 18 Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren
Promovieren mit Kind und flexibel. Sie reagieren gelassener auf unerwartete beitsbedingungen? Wenn diese Bedingungen im Wider- Änderungen und entwickeln zügig einen Plan B. Drittens spruch stehen zu Ihren Erwartungen, dann ist Unzufrie- sorgt der Tagesablauf oft für klar definierte Schreibzei- denheit vorprogrammiert. Es lohnt sich also, erst einmal ten. Diese werden als wertvoll erachtet, was wiederum die familiären und beruflichen Tatsachen zu prüfen. Da- die Produktivität steigert. Die Zeitfenster zum Promovie- für sind bspw. die Anzahl und das Alter der Kinder wich- ren sind meistens kleiner, jedoch ganz klar in eine Struk- tig, sowie Ihre Vorstellungen vom Betreuungsumfang. tur integriert. Wer ist wann für die Kinder da? Wer übernimmt im Not- fall die Betreuung des kranken Kindes? Welche Aufgaben Sollte Ihre vorgesehene Schreibzeit häufig ungenutzt erledigen Sie im Alltag? Wer trägt wofür die Verantwor- bleiben, ist es ratsam, die Promotion im Hinblick auf Mo- tung? Auf der beruflichen Seite gilt es etwa zu beachten, tivation, Rahmenbedingungen und Aufgabenmanage- ob und in welchem Umfang Sie angestellt sind, ob die ment zu prüfen. Promotion Bestandteil Ihrer Arbeitszeit ist und welche Erwartungen Ihre Betreuungsperson hat. Erfordert Ihr Die Motivation: Was ist Ihr großes Ziel? Forschungsprojekt Laborarbeiten oder Auslandsaufent- Zuerst lohnt sich eine innere Bestandsaufnahme: Wie halte? Wie flexibel sind Arbeitsort und -zeiten? wichtig ist es Ihnen gerade, Ihre Dissertation voranzu- bringen? Welches persönliche Ziel verfolgen Sie damit? Alle diese Dinge in den Blick genommen, lässt sich ab- Zu wie viel Prozent ist Ihre Motivation momentan spür- schätzen, wie viele Stunden pro Woche Sie für Ihre Dis- bar? Mit der Geburt eines Kindes kann sich die Einstel- sertation Zeit haben. Sind dies mehrere Stunden am lung zur Promotion verändern. Mütter und Väter über- Stück oder viele kleine Zeitfenster? Wie viel Zeit bräuch- nehmen plötzlich eine neue Rolle, die mit einem großen ten Sie mehr, damit Ihre Planung aufgeht? Oder fehlt es Verantwortungsgefühl einhergeht. Das Leben steht Kopf nicht an Zeit, sondern an etwas Anderem? und hat einen neuen bzw. weiteren Mittelpunkt. Sollte Zeit der entscheidende Faktor für Sie sein, geht es Für die einen ist es eine willkommene Abwechslung, sich darum, Ihren Spielraum zu erkennen. Wen können Sie für in der Elternzeit mit der eigenen Forschungsarbeit geis- die Kinderbetreuung mit ins Boot holen? Welche Aufga- tig herauszufordern. Für die anderen ist es genau richtig, ben können Sie aus der Schreibzeit auslagern? Haben Sie die Aufmerksamkeit allein dem Kind zu schenken. Wer- sich ganz bewusst für mehr Zeit mit den Kindern und we- den die Fäden wieder aufgenommen, ist das eine gute niger Zeit mit der Dissertation entschieden, dann wären Gelegenheit, die Bedeutung der Doktorarbeit für sich die langfristige Zeitplanung oder die Terminabsprachen selbst zu überprüfen. Wenn sich an dieser Stelle Zweifel mit Doktormutter oder -vater mögliche Stellschrauben einstellen, können Sie überlegen: Was wäre nötig, damit für Sie. Sie sehen: So individuell wie die Antwort auf die ich die Promotion weiterhin verfolgen kann und will? Ha- Frage nach dem Stellenwert der Dissertation fällt auch ben Sie die Promotion bereits mit Kind(ern) begonnen, die Anpassung der Rahmenbedingungen aus. dann sind diese Gedanken vermutlich vorausgegangen. In jedem Fall ist es gut zu klären, welche Relevanz die Pro- Die Promotion in den Alltag holen: Wie gelingt Ihr motion jetzt in Ihrem Leben hat. Mithilfe dieser Erkennt- Aufgabenmanagement? nis können Sie das Maß an Zeit und Energie bestimmen, Als Eltern kennen Sie das nur zu gut: Der Alltag mit Kin- das Sie Ihrer Dissertation derzeit widmen wollen. dern ist von ständigen Unwägbarkeiten geprägt. Auch der Weg zum Doktortitel verläuft so gut wie nie gerad- Der Realitätscheck: Was sind Ihre linig. Im Gegenteil, einige Promotionsphasen bergen ein Rahmenbedingungen? ziemlich hohes Krisenpotential (vgl. Beckmann 2020). In Angenommen, Sie wären zu 100 Prozent motiviert und beiden Lebensbereichen sind Sie also gefordert, mit gro- wollten Ihre Promotion mit voller Energie verfolgen. Wie ßen Unsicherheiten umzugehen. Häufig ist es die Disser- realistisch ist das unter den gegebenen Lebens- und Ar- tation, die zurückstecken muss, wenn etwas im Familien- Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren 19
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