Heinrich von Kleist: "Das Erdbeben in Chili"

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Universität Augsburg
           Philologisch - Historische Fakultät
  Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft

                   Hauptseminar:
Un/Moralische Geschichten. Novelleninterpretation, Teil 2

                        Dozent:
                Prof. Dr. Mathias Mayer

                      WS 2010/11

         Heinrich von Kleist:
       „Das Erdbeben in Chili“

                       Verfasser:

                   Thomas Bergmann
Gliederung

A. Einleitung                                                                      2

B. Hauptteil

       1. „Das Erdbeben in Chili“ als Novelle                                      3

                1.1 Hinführung                                                     3

                1.2 „klassische“ Merkmale der Novelle in „Das Erdbeben in Chili“   4

                       1.2.1 Begebenheit                                           4

                       1.2.2 Konzentration                                         6

       2. Die Novelle und die Moral – narrative Ethik                              7

                2.1 Schaffung und Zerstörung von Sinn                              8

                       2.1.1 Struktureller Aufbau                                  9

                       2.1.2 Irritation und Ambivalenz                             10

                2.2 Verlust der Ordnung                                            12

                       2.2.1 Zum Zusammenhang von Theodizee-Frage und Moral        12

                       2.2.2 Bedeutung des Zufalls                                 13

                       2.2.3 Prinzip der Marionette                                15

                       2.2.4 Metaphysische Ironie                                  15

                2.3 Gesellschaftliche Hintergründe und Motive                      16

                       2.3.1 Der Himmel und die Menschen                           16

                       2.3.2 Das scheinbare Paradies auf Erden                     18

C. Schluss                                                                         20

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Einleitung

„Das Erdbeben in Chili“ gilt als erste publizierte Erzählung Heinrich von
Kleists. Zunächst noch unter dem Titel „Jeronimo und Josephe“, wurde sie im
September 1807 von einer Tübinger Zeitung abgedruckt. Die Novelle bezieht
sich historisch auf das Erdbeben von Santiago de Chile im Jahr 1647; aller-
dings sind im Vergleich zum historischen Ereignis zahlreiche Details im
Kleistschen Werk verändert.1

        Aus philosophischer bzw. theologischer Sicht liegt dem „Erdbeben in
Chili“ die Diskussion um das Problem der Theodizee zugrunde. Das erste Mal
stellte sich Gottfried Wilhelm Leibniz die Frage, wie ein guter und zugleich
allmächtiger Gott vereinbar sei mit der Existenz des Bösen in der Welt.
Während Leibniz selbst schließlich argumentierte, die vorhandene Welt sei die
beste aller möglichen Welten, waren seine Nachfahren in diesem Punkt weni-
ger optimistisch. Besonders das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755 löste in
Europa eine Debatte um die Theodizee aus. Es kam die Frage auf, ob solche
Katastrophen tatsächlich dem Willen Gottes entsprechen könnten, ob Gott
möglicherweise doch böse sei oder sich zumindest nicht um das Ergehen der
Welt kümmere. 2 Die Diskussion wurde hitzig geführt, u.a. waren Rousseau,
Voltaire und auch Immanuel Kant daran beteiligt. Letzterer sollte für Heinrich
von Kleist noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen: So beunruhigte den
Schriftsteller über die Theodizee-Problematik hinaus zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts die Frage, wie weit menschliche Erkenntnis überhaupt möglich sei.
Ursache dafür war die Lektüre der Philosophie Kants, die den jungen Autor
wohl in eine existentielle Krise stürzte. So schreibt Kleist in einem Brief vom
22. März 1801 an seine Braut Wilhelmine von Zenge:
        Vor Kurzem ward ich mit der neueren sogenannten Kantischen Philosophie bekannt –
        u. Dir muß ich jetzt daraus einen Gedanken mittheilen, indem ich nicht fürchten darf,
        daß er Dich so tief, so schmerzhaft erschüttern wird, als mich.3

Insofern erscheint es kaum verwunderlich, dass Kleist die Thematik des Erd-
bebens für seine erste veröffentlichte Erzählung wählt. Im „Erdbeben von

1
  Vgl.: Liebrand, C: Das Erdbeben in Chili. In: Breuer, I. (Hrsg.): Kleist-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung.
Stuttgart, Weimar 2008, S. 114.
2
  Vgl.: Fricke, E.: Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung. Poetologische Strategien im
erzählerischen Werk. Marburg 2010, S. 61f.
3
  Kleist, Heinrich von: Briefe. März 1793 – April 1801. In: Reuß, R./Staengle, P. (Hrsg.): Heinrich von Kleist.
Sämtliche Werke. Brandenburger Ausgabe, Bd. IV/I. Basel 1996, S. 505.
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Chili“ kommt die Erschütterung, von der er schreibt, ebenfalls zum Ausdruck.
Hier werden existentielle Fragen aufgeworfen, die mitunter in ebenso auf-
rüttelnder Weise offen gelassen werden. Jenen Erschütterungen, literarischer
und philosophischer Art, soll diese Arbeit nachspüren, es soll herausgearbeitet
werden, welche Fragen Kleist aufwirft und auf welche Art und Weise er dies
tut. Zentral dabei ist die Betrachtung des Werkes im Kontext der Gattung
Novelle; schließlich entsprechen maßgebliche Motive des „Erdbeben in Chili“
den Charakteristika der Novelle, so etwa die Thematisierung von Moral und
Unmoral.

           Aufgrund dessen soll das Werk, nach kurzer Hinführung, zunächst im
Hinblick auf zwei ausgewählte Merkmale novellistischer Literatur untersucht
werden, bevor schließlich die Thematik der Moral in Bezug auf den Terminus
der narrativen Ethik genauer betrachtet wird.

1. „Das Erdbeben in Chili“ als Novelle

1.1 Hinführung

Anders als bei den Literaturgattungen der Antike handelt es sich bei der
Novelle nicht um eine kanonische Gattung – somit können keine streng norma-
tiven Vorgaben und Bedingungen geltend gemacht werden, um Texte als No-
velle zu klassifizieren. Dennoch, vielleicht sogar gerade deshalb, findet bis
heute eine rege Diskussion um die Charakteristika der Novelle statt. Seit
Boccaccios „Decamerone“ (um 1350), das als Urheber der Gattung Novelle
gilt, sind die Merkmale der Novelle viel besprochen und oft beschrieben. 4 Der
Versuch, eine umfassende Theorie der Novelle zu formulieren, erscheint
jedoch bis heute vornehmlich aufgrund der mangelnden Einheitlichkeit der
existierenden novellistischen Formen durchaus fragwürdig – und würde wohl
auch dem Wesen der Novelle widersprechen.

           Heinrich von Kleist hat hinsichtlich der Gattung Novelle wohl ein
zumindest distanziertes Verhältnis gepflegt. Galt er seiner Nachwelt auch als
herausragender Vertreter einer neuen Form der Novellistik, hat er selbst doch

4
    Einen Überblick hierzu liefert etwa: Aust, H.: Novelle. 4. Aufl. Stuttgart, Weimar 2006.
                                                                                               4
diesen Begriff nie verwendet. Stattdessen sprach Kleist von der „moralischen
Erzählung“5, wobei schon ein Spezifikum der Novelle genannt ist – die Moral.
Wird dieser Punkt im hinteren Teil der Arbeit noch zu besprechen sein, bleibt
hier die Frage, wo „Das Erdbeben in Chili“ als Novelle greifbar wird, an
welchen Punkten sich also Charakteristika zeigen, anhand derer das Werk als
Novelle zu klassifizieren ist. Dabei soll zunächst die Umsetzung zweier
„klassischer“ Merkmale der Gattung im Werk betrachtet werden. Diese sind
aber, die erwähnte Gattungsspezifität der Novelle beachtend, lediglich als
„Symptome“ des Novellistischen zu sehen. Aufgrund dessen wird auch im
Folgenden keine „Positivliste“ erstellt, die Auskunft darüber gibt, wie sehr
„Das Erdbeben in Chili“ einer (sowieso nicht existenten) idealtypischen No-
velle entspricht, sondern lediglich auf zutreffende, über Jahrhunderte ent-
wickelte und kontinuierlich verwendete Schlüsselbegriffe in der Novellen-
interpretation eingegangen. Sie dienen dabei der Beschreibung von no-
vellistischen Merkmalen im Werk, nicht der Definition dieser literarischen
Gattung. Schließlich wird sich zeigen, dass erst über die Betrachtung des
Kleistschen Werkes als Novelle ein elementarer Zugang zum Verständnis
desselben möglich wird.

1.2 „klassische“ Merkmale der Novelle in „Das Erdbeben in Chili“

1.2.1 Begebenheit

Die berühmte, von Goethe beschriebene „Begebenheit“ wird oftmals als ent-
scheidendes Kriterium einer Novelle angegeben. Damit wird ausgedrückt, was
die Novelle bestimmt: Ihr „Anspruch auf Tatsächlichkeit“, ein „implizierter
Realismus“, in dem „Geschehnisse […] nicht selbstverantwortet erscheinen,
sondern ´begegnen`“6.

           Diese Begebenheit wird ferner qualifiziert: Goethe selbst sprach von
der „unerhörten Begebenheit“; auch die Vokabel „neu“ fällt in der Beschrei-
bung dieses Kriteriums. Damit wird vor allem ausgedrückt, dass in der Novelle

5
    Vgl.: Aust, Novelle, S. 80.
6
    Ebd., S. 9.
                                                                                  5
eben etwas noch nicht Dagewesenes erzählt wird. Dies kann eine plötzliche
Wendung sein, auch der Bruch von Normen ist damit gemeint. 7

        Als außerordentliche Begebenheit in „Das Erdbeben in Chili“ erscheint
die Verschränkung von großer und kleiner Katastrophe8. Gleich der erste Satz
berichtet von Jeronimo, der sich im Gefängnis erhängen will, und zwar „gerade
in dem Augenblicke“9, als die Stadt St. Jago ein schweres Erdbeben erschüttert,
welches ihn unverhofft aus seinem Gefängnis befreit. Auch Josephe, die sich
gerade auf dem Weg zum Galgen befindet, wird durch das Erdbeben befreit.
Und die Verschränkung wird fortgeführt: Während das Erdbeben für die beiden
genannten Figuren also die Lebensrettung bedeutet, werden alle Personen und
die sie repräsentierenden Gebäude, die zur Verurteilung geführt haben, Opfer
des Bebens. Die Äbtissin wird vor den Augen der Josephe erschlagen, der Erz-
bischof kommt ebenso um, der Gerichtshof, der Palast des Vizekönigs und
schließlich auch das elterliche Haus der Josephe existieren nicht mehr.10 Die
Erzählung nimmt dabei beinahe apokalyptische Züge an. Als sich schließlich
beide gefunden haben, erkennen sie die paradoxe Situation und „waren sehr
gerührt, wenn sie dachten, wie viel Elend über die Welt kommen musste, damit
sie glücklich würden!“11

        Mit der Wendung von Einzel- und Kollektivschicksal einher geht
schließlich auch die Aufhebung der moralischen Normen, die ja zur Verur-
teilung der beiden Hauptfiguren geführt hatten. War vor dem Beben noch die
„Milderung“ der Strafe vom Feuertod zur Enthauptung in bestimmten Kreisen
„entrüstet“ vernommen worden12, gibt es in dem Tal, in dem sich Jeronimo und
Josephe niederlassen, plötzlich keine Unterschiede mehr zwischen den Stän-
den, alle helfen und bemitleiden einander, es „schien (…) mitten in diesen
grässlichen Augenblicken (…) der menschliche Geist selbst, wie eine schöne
Blume aufzugehn“13. Dabei sind durchaus Bezüge zur Gegenwart des Autors
festzustellen:

7
  Vgl.: Aust, Novelle, S. 10.
8
  Vgl.: Liebrand, Das Erdbeben in Chili, S. 116 f.
9
  Kleist, Heinrich von: Das Erdbeben in Chili. In: Ders.: Die Marquise von O… . Das Erdbeben in Chili.
Erzählungen. Stuttgart 2004, S. 49.
10
   Vgl.: Ebd., S. 54.
11
   Ebd., S. 55.
12
   Ebd., S. 50.
13
   Ebd., S. 58.
                                                                                                         6
Die die Idylle betreffenden Passagen muten wie die Verwirklichung des Pro-
        gramms der Französischen Revolution an […], die allerdings zur Zeit der
        Abfassung der Erzählung bereits gescheitert ist.14

So wie die Durchsetzung der Idee von égalite, liberté und fraternité nicht
dauerhaft gelang, genauso sind denn auch die paradiesisch anmutenden Szenen
aus dem „Tal von Eden“15 nur Schein. Der Ausgang der Novelle macht diesen
Schein auf durchaus brutale Art und Weise deutlich.

Auch hier zeigt sich schließlich wieder die Verflechtung von Einzel- und
Kollektivschicksal. So ist doch das Ergehen Jeronimos und Josephes auch
zentral abhängig vom Verhalten des Volkes; die moralischen Ordnungen des
Volkes haben die beiden erst in ihre verzweifelte Lage gebracht, und dann ist
es der trügerische Schein, das Volk sei „zu einer Familie“16 geworden, der die
beiden mit in die Kirche gehen lässt. Immer wieder taucht zwar ein gewisses
Unbehagen auf (etwa: „so wussten sie nicht, was sie von der Vergangenheit
denken sollten“17), aber dennoch geben sie sich der Hoffnung hin, dass die sie
umgebende Wärme unter den Menschen dauerhaft bleiben wird und sie so
wieder unter den Ihren leben können. Jeronimo gibt seine Pläne, nach Europa
auszureisen, auf, Josephe zweifelt nicht mehr an der Versöhnung mit ihrem
Vater.18

1.2.2 Konzentration

Charakteristisch für die Novelle ist weiterhin die Konzentration auf ein
Ereignis, eine Geschichte. Die damit bewirkte geschlossene Form des Er-
zählens ist auch im „Erdbeben in Chili“ festzustellen. Unmittelbar einsetzend
mit der Befreiung Jeronimos, endet die Novelle beinahe genauso abrupt mit
dessen Tod. So bilden Glück und Unglück der Hauptperson einen Rahmen;
erzählt wird ausschließlich das Ergehen von Jeronimo und Josephe. Hier zeigt
sich darüber hinaus die erzählerische Eigenart des Schriftstellers Heinrich von
Kleist.19 Der Autor verzichtet weitgehend auf erzählerische Details; das drama-
tische Geschehen wird beinahe unzumutbar sachlich beschrieben, der Autor

14
   Liebrand, Das Erdbeben in Chili, S. 117.
15
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 55.
16
   Ebd., S. 58.
17
   Ebd., S. 57.
18
   Vgl.: Kunz, J: Die deutsche Novelle zwischen Klassik und Romantik. 3. Aufl., Berlin 1992, S. 168 – 171.
19
   Vgl.: Ebd., S. 172 f.
                                                                                                             7
gibt in berichtender Distanz Informationen ab: „Eben stand er, wie schon
gesagt, an einem Pfeiler“20. Lediglich die Szenerie des Mittelteils wird in dann
aber geradezu ekstatischer Weise dargestellt; so etwa die Zweisamkeit von
Josephe und Jeronimo, nachdem sie einander gefunden haben:
        Sie fanden einen prachtvollen Granatapfelbaum, der seine Zweige, voll duftender
        Früchte, weit ausbreitete; und die Nachtigall flötete im Wipfel ihr wollüstiges Lied.21

        Auch im Detail drückt sich die Konzentration des Textes, die Dichte
des Kleistschen Erzählens aus. So kennzeichnet die bereits erwähnte Thematik
von Glück und Unglück nicht nur das „Programm“ der Novelle, sondern in der
konkreten Formulierung zeigt sich auch die Unmittelbarkeit, mit welcher der
Text Wendungen vom Glück zum Unglück und umgekehrt beschreibt: Eben
noch dankt Jeronimo Gott für seine Errettung, als ihn sein Gebet mit dem
Gedanken an Josephe schon wieder reut und Gott ihm als fürchterlich
erscheint22; unter dem Eindruck, die Versöhnung würde sich in der Kirche
vollenden, gehen beide dorthin, doch mit der Predigt schlägt wiederum völlig
unvermittelt das Glück ins Unglück um – und am Ende reicht ein Satz aus, um
eine nochmalige Wendung ins Glück zumindest anzudeuten: „und wenn Don
Fernando Philippen mit Juan verglich, und wie er beide erworben hatte, so war
es ihm fast, als müsst er sich freuen.“23

        Als Konsequenz der geschilderten Geschlossenheit, Einsträngigkeit und
der konzentrierten Erzählweise ist schließlich die Länge der Novelle zu sehen.
So ergibt sich die mittlere Länge des „Erdbebens in Chili“ (im Vergleich etwa
zu Kurzgeschichte und Roman) aus den eben genannten Qualitäten, nicht
umgekehrt.

2. Die Novelle und die Moral – Narrative Ethik

Indem die Novelle moralische Normen reflektiert, auf einer höheren Ebene
betrachtet und überprüft, wird sie ethisch relevant – sie gerät zu narrativer

20
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 50.
21
   Ebd., S. 55.
22
   Vgl.: Ebd., S. 52.
23
   Ebd., S. 66; vgl. hierzu: Stierle, K.: Das Beben des Bewußtseins. Die narrative Struktur von Kleists „Das
Erdbeben in Chili“. In: Wellbery, D.E. (Hrsg.): Positionen der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am
Beispiel von Kleists „Das Erdbeben in Chili“. München 1985, S. 54 – 68.
                                                                                                               8
Ethik. 24 Damit einher geht eine „Provokation des Systems“ – nur, indem
moralische Strukturen aufgebrochen und damit auf ihre Sinnhaftigkeit hin
befragt werden, scheint es möglich, dass der Leser Erfahrungen macht, die tat-
sächlich von ethischer Relevanz sind. Diese Provokation des Systems findet im
„Erdbeben in Chili“ in mehrfacher Hinsicht statt – sei es in Bezug zu den
Normen der Gesellschaft oder auch in der Frage nach einer „Moral Gottes“, die
implizit gestellt wird. Im Folgenden soll nun also analysiert werden, inwiefern
der Leser im „Erdbeben in Chili“ tatsächlich ethisch relevante Erfahrungen
machen kann. Dem möchte ich aber noch eine „Warnung“ Walter Haugs
voranstellen: „Die ethische Erfahrung muß sich jenseits des Textes im Re-
zipienten vollziehen. Narrative Ethik ist Rezeptionsethik.“ 25 Es gilt also, An-
satzpunkte zu finden, in denen Erfahrungen gemacht werden können. Ob diese
tatsächlich in der vorgestellten Art und Weise gemacht werden, hängt am Ende
vom Rezipienten selbst ab.

        Der folgende Abschnitt soll klären, wie Heinrich von Kleist seinem
Leser solche Erfahrungen ermöglicht, welcher Strategien er sich bedient, die
moralischen Strukturen aufzubrechen, ohne dabei, gleich etwa einem Exempel,
unverbindlich zu bleiben, und dabei doch eine Prägnanz an den Tag zu legen,
die den Leser „unmittelbar berührt“26.

2.1 Schaffung und Zerstörung von Sinn

„Das Erdbeben in Chili“ evoziert bereits mit der Thematik des Erdbebens die
Frage nach dem Sinn. 27 Die Erfahrungen Jeronimos und Josephes vermitteln
jedoch zunächst den Eindruck, das Erdbeben habe tatsächlich einen tieferen
Sinn28; Jeronimo betet im Gefängnis inbrünstig zum Himmel – und wird tat-
sächlich wie durch ein Wunder befreit. Die paradiesischen Zustände im Tal
scheinen diesen Eindruck zu komplettieren: „Es war, als ob die Gemüter, seit

24
   Vgl.: Haug, W: Die Wahrheit der Fiktion. Tübingen 2003, S. 370 – 393.
25
   Ebd., S. 392.
26
   Vgl.: Ebd., S. 375.
27
   Vgl. die Darstellungen zum historischen Hintergrund in der Einleitung.
28
   Vgl.: Fricke, E.: Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung. Poetologische Strategien im
erzählerischen Werk. Marburg 2010, S. 69.
                                                                                                      9
dem fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt waren.“29
Es scheint ein Neuanfang möglich, der Leser ist geneigt, mitsamt den Figuren
das an sich schwer als sinnvoll zu erachtende Erdbeben tatsächlich als große
Wendung zum Positiven zu sehen. Josephe ist der Überzeugung, dass sich
        gar nicht angeben ließ, ob die Summe des allgemeinen Wohlseins nicht von der
        einen Seite um ebenso viel gewachsen war, als sie von der anderen abgenommen
        hatte.30

Sie umgibt das Gefühl, der Tag des Bebens sei, „so viel Elend er auch über die
Welt gebracht habe, eine Wohltat.“31

        Der Ausgang der Novelle wiederum zerstört jäh den erst hergestellten
Sinn völlig. Der Leser, zunächst in die Hoffnung des Liebespaares hinein
genommen, erlebt diese Zerstörung umso härter mit, er wird regelrecht vor den
Kopf gestoßen; der Autor reißt ihn förmlich aus seiner angenehm „heilen
Welt“, die er selbst produziert hatte und führt ihm damit die eigene Naivität vor
Augen. So zerstört er liebgewonnene Ordnungen und lässt den Leser verstört
zurück.

Diese These soll im Folgenden anhand verschiedener Erzähltechniken bestätigt
werden, derer sich Heinrich von Kleist bedient.

2.1.1 Struktureller Aufbau

Grundsätzlich lässt sich die Novelle in drei Teile gliedern, die sich bereits
zeitlich voneinander abgrenzen. Teil A beschreibt in erster Linie das Erdbeben;
Teil B beginnt mit dem neuen Tag („Als sie erwachten, stand die Sonne schon
hoch am Himmel“32) und Teil C wiederum mit dem angebrochenen
Nachmittag („Inzwischen war der Nachmittag herangekommen“33).34 Neben
der zeitlichen Unterscheidung kommen einige weitere Unterschiede zum
Tragen: Teil A und C werden im Vergleich zu Teil B in rasantem Tempo

29
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 57.
30
   Ebd., S. 58.
31
   Ebd.
32
   Ebd., S. 56.
33
   Ebd., S. 59.
34
   Vgl.: Wellbery, D.E.: Semiotische Anmerkungen zu Kleists „Das Erdbeben in Chili“. In: Ders. (Hrsg.):
Positionen der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von Kleists „Erdbeben in Chili“.
München 1985, S. 71f.

                                                                                                          10
erzählt. In Teil A flüchtet Jeronimo, er wird getrieben, die Ereignisse
überschlagen sich und sein Gemüt schlägt vom einen Extrem ins andere. Mit
der Ankunft auf dem Land vollzieht sich in Abschnitt B eine paradiesische
Ruhe – mit dem Hochgefühl kehrt Langsamkeit ein; Jeronimo und Josephe
sinnen über das Geschehene nach, spazieren im Granatwald umher und
erfreuen sich des, wie sich bald herausstellen wird, trügerischen Friedens. Teil
C beendet diese Ruhe abrupt: Mit der Rückkehr in die Stadt nimmt die
Erzählung wieder „Fahrt“ auf, es kommt zur zweiten Katastrophe, dem Mord
an Jeronimo, Josephe und Juan.

Damit ist der Frieden, den der Leser in Teil B so gönnerhaft miterlebt hat, als
bloßer Schein entlarvt. Bei genauerer Betrachtung fällt dies auch sprachlich
bereits auf, wie der folgende Abschnitt verdeutlichen soll.

2.1.2 Irritation und Zweideutigkeit

Sorgt bereits der erschreckende, aufwühlende Ausgang der Novelle für starke
Irritation beim Leser, so ist diese doch schon im Werk selbst grundgelegt.
Dabei sind insbesondere die Ambivalenz von Thema, Sprache und Symbolik
sowie die Irritation hinsichtlich der Position des Erzählers näher zu betrachten.

Das Erdbeben selbst wird zunächst unterschiedlich erlebt. Während sich für
Josephe und Jeronimo die Wendung zum Glück zu ergeben scheint, so stellt es
für andere die Wendung zum Unglück ein. Die Diskrepanz könnte kaum größer
sein – und wird auch noch herausgehoben:
           Und weil die Armen immer noch jammerten; dieser, dass er alles verloren habe: so
           schlichen Jeronimo und Josephe in ein dichteres Gebüsch, um durch das heimliche
           Gejauchz ihrer Seelen niemand zu betrüben.35

Die Entgegensetzung von Glück und Unglück wird noch gesteigert durch die
häufigen Wendungen, mit denen die Figuren beides erfahren. So findet sich
zum einen (auf der Ebene der Gleichzeitigkeit) eine konzeptuelle Ambivalenz,
indem das Erdbeben sowohl Glück als auch Unglück bedeutet, zum anderen
(auf der Ebene der Nachzeitigkeit) aber auch die spannungsreiche Entgegen-

35
     Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 55.
                                                                                              11
setzung von Glück und Unglück in der Erfahrung innerhalb einer Figur, indem
etwa Jeronimo und Josephe beides in extremer Form erleben. 36

        Weiterhin ist die Ambivalenz im „Erdbeben in Chili“ auch sprachlich
markant.37 Formulierungen sind paradox, etwa wenn von „heiliger Ruchlosig-
keit“38 oder dem „wollüstigen Lied“ 39 der Nachtigall die Rede ist. Des
Weiteren werden entgegengesetzte Termini zusammengebracht. Josephe
empfindet Wollust, als sie Tränen bei Donna Elvire sieht 40 und noch zuvor
schreibt der Erzähler von „den Unglücklichen, die ein Wunder des Himmels
gerettet hatte“41.

        Auch die Symbolik unterstützt die ambivalente Wirkung der Novelle.
So erscheint der Pfeiler zunächst als Todesort Jeronimos, dann als dessen
Stütze und später wiederum kommt Juan an dem Kirchenpfeiler zu Tode. 42
Eine gewichtige Rolle spielt des Weiteren die biblische Symbolik. So „wird die
Bibel auf den Kopf gestellt“43: Wenn die Schlange im Paradies zur Sünde ver-
führt, so „zischel[t]“ Donna Elvire dem Don Fernando die durchaus richtige
Warnung ins Ohr; wenn sich laut Markus-Evangelium der Himmel öffnet und
Gottes Stimme ertönt: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen
gefunden habe“, und damit Jesus als Sohn Gottes bestätigt, ja auszeichnet, so
bestätigt die „Stimme aus dem rasenden Haufen“ 44 zwar die Vaterschaft, aber
nur, um Jeronimo daraufhin „mit einem ungeheuren Keulenschlage zu
Boden“45 zu strecken.

Schließlich ist die Position des Erzählers zu betrachten. 46 Was dieser genau
denkt, wie er zum Erzählten selbst steht, bleibt ungewiss. Es scheint, als nehme
auch er die Position der Figuren an, das Unbegreifliche mit dem Rückgriff auf
etwas Metaphysisches zu erklären. Die oben beschriebene Verwendung relati-
vierender Formeln lassen hier jedoch erste Zweifel aufkommen. Außerdem

36
   Vgl. Stierle, Das Beben des Bewußtseins, S. 55.
37
   Vgl.: Fricke, Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung, S. 73ff.
38
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 62.
39
   Ebd., S. 55.
40
   Vgl.: Ebd.
41
   Ebd., S. 53.
42
   Vgl.: Fricke, Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung, S. 77f.
43
   Fischer, B: Ironische Metaphysik. Die Erzählungen Heinrich von Kleists. München 1988, S. 27.
44
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 64.
45
   Ebd.
46
   Vgl.: Fricke, Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung, S. 67.
                                                                                                  12
durchzieht eine subtile Ironie das Werk, sodass der Eindruck entsteht, der Er-
zähler distanziere sich von den Denkweisen der Figuren. 47 Dieses erreicht er
schließlich auch durch die Verwendung der Motive selbst, die sich, etwa durch
ihre „Beheimatung im Trivialen“48 selbst in Frage stellen. Das zerschmetterte
Kind am Kirchenpfeiler oder die vor den Augen der Männer niederkommenden
Weiber sind dabei nur einige Beispiele. 49

Schließlich bleibt an dieser Stelle festzuhalten: Der Erzähler ergreift Partei für
die Figuren der Josephe und des Jeronimo – schreibt er doch u.a. von „unseren
beiden Unglücklichen“50. Dennoch scheint er deren Weltbild distanziert zu be-
trachten, ihre kausalen Attributionen bezüglich der Ereignisse sind ihm sus-
pekt, er scheint die Figuren für ihre naive Sichtweise zu belächeln. Und doch
scheint durch, dass ihn angesichts des Erzählten möglicherweise dieselbe Irrita-
tion, dieselbe Sprachlosigkeit ergreift, mit der er den Rezipienten schließlich
zurück lässt. „[H]ier stand ein anderer, bleich wie der Tod, und streckte
sprachlos zitternde Hände zum Himmel.“51

2.2 Verlust der Ordnung

2.2.1 Zum Zusammenhang von Theodizee-Frage und Moral

Geht man von der Moral als konventioneller Setzung von Werten und
Handlungsmustern aus, wirft die Theodizee-Debatte ganz zentral die Frage auf,
ob auch Gott eine Moral kennt. Handelt Gott, auch vor dem Hintergrund solch
schrecklicher Ereignisse wie einem Erdbeben, nach bestimmten Maßstäben?
Im zeitgenössischen Kontext Kleists hängt von der Antwort auf diese Frage
nicht weniger als das gesellschaftliche Zusammenleben ab – gründen doch die
moralischen Werte der Gesellschaft auf einem vorausgesetzten göttlichen
Willen. Diese Thematik greift nun „Das Erdbeben in Chili“ auf – und damit
sind wir auch wieder bei der Infragestellung moralischer Grundsätze als Kenn-
zeichen der Novelle angekommen. Im Folgenden sollen nun grundsätzliche

47
   Die Rolle der Ironie wird in Bezug auf die Theodizee-Frage noch näher betrachtet.
48
   Fischer, Ironische Metaphysik, S. 25.
49
   Ebd.
50
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 62.
51
   Ebd., S. 51.
                                                                                       13
Merkmale herausgestellt werden, die den Text kennzeichnen und, direkt oder
indirekt, die Frage der Theodizee aufwerfen.

2.2.2 Bedeutung des Zufalls

Der Zufall ist zweifelsohne ein das Werk durchziehendes, zentrales Moment.
Zufällig geschieht das Erdbeben genau zu dem Zeitpunkt, als sich Jeronimo
erhängen möchte, zufällig hatten sich Jeronimo und Josephe überhaupt erst
wieder im Kloster zusammengefunden, durch „eine zufällige Wölbung“52 erst
kann Jeronimo aus dem Gefängnis entkommen, zufällig begegnen sie sich
einander wieder im Tal und so weiter. Dabei steht aber der erzählte Zufall in
krassem Gegensatz zu den Empfindungen der Personen. Diese machen für jede
Wendung Gott selbst verantwortlich: Jeronimo dankt Gott für seine Rettung,
dann wieder scheint ihm „das Wesen, das über den Wolken waltet“, „fürchter-
lich“53, und schließlich umarmen sich „die Unglücklichen, die ein Wunder des
Himmels gerettet hatte“54.

        Gerade die Häufigkeit der Wendungen aber lässt das Verhalten der
Personen und damit die Überzeugung, die direkte Verantwortung für das Ge-
schehene dem gewollten Handeln Gottes zuzuschreiben, geradezu absurd er-
scheinen: „Als ob alle Engel des Himmels sie umschirmten“, tritt Josephe aus
dem Portal hervor, um gleich darauf mit anzusehen, wie die Äbtissin „auf eine
schmähliche Art erschlagen ward“55. Mag man, zumindest im zeitgenössischen
Kontext, an dieser Stelle noch an den alles wieder ins Recht setzenden Willen
Gottes glauben, so zeigt doch der Ausgang der Erzählung in brutaler Weise die
tatsächliche Willkür auf, mit dem ein vorausgesetzter Wille Gottes agiert.
        Mit dem Zufall aber liefert der Autor keinen hinreichenden Ersatz als
Begründung für die Ereignisse. Dadurch wird das Dilemma der Personen
deutlich:
        Die Sicherheit kausaler Zusammenhänge wird durch das Prinzip der Zufälligkeit in
        Frage gestellt, wenn nicht sogar zunichte gemacht. (…) Mithilfe einer teleologischen
        Auslegung der Ereignisse erreichen die Figuren (…) eine scheinbare Sicherheit in
        der aufgelösten Ordnung.56

52
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 51.
53
   Ebd., S. 52.
54
   Ebd., S. 53.
55
   Ebd., S. 54.
56
   Fricke, E.: Heinrich von Kleist und die Auflösung der Ordnung. Poetologische Strategien im erzählerischen
Werk. Marburg 2010, S. 67.
                                                                                                               14
Die hier erfolgte Erklärung des Verhaltens der Figuren ist psychologischer Art:
Gott ist lediglich „Lückenbüßer“ für offene Sinnfragen. Die vom Menschen so
herbeigesehnte Kausalität und damit eine Orientierung gebende Ordnung kann
scheinbar nur in einer metaphysischen Kraft liegen, deren Erkenntnis sich dem
Menschen entzieht. Und gleich darauf zeigt wiederum die Absurdität dieses
aus der Not geborenen Verweises auf Gott, dass derselbe eben auch nur
scheinbar wieder eine Ordnung herstellt. So bleibt die Erkenntnis, dass nichts
mehr ist, wie es einmal war:
        Das Erdbeben hat, über den Charakter der Naturkatastrophe hinaus, die Qualität
        eines unausdenkbaren Ereignisses, das die natürliche, gesellschaftliche und meta-
        physische Ordnung (…) radikal in Frage stellt57

Der Zufall deckt also auf: Der kausale Verweis auf einen göttlichen Willen ist
eine fadenscheinige Erklärung und hält einer Überprüfung nicht stand. Vor
diesem Hintergrund kann es durchaus als Hohn empfunden werden, wenn es
heißt, dass die Mönche „mit dem Kruzifix in der Hand, umhergelaufen wären,
und geschrieen hätten: das Ende der Welt sei da!“58 Es bleibt dabei: Die
Personen der Novelle „haben sich dem Zufall zu stellen, müssen für sich die
Einheit ihrer Welt gegen ihn verteidigen oder schaffen.“ 59 Das Problem dabei
zeigt folgendes Zitat auf:
        Wo der Zufall herrscht, ist kein zweckmäßiges, zielgerichtetes Handeln möglich.
        Grundsätzlich unvoraussehbar, stellen Zufälle den Einbruch einer Macht in die
        Geschichte dar, der seinerseits keine Geschichte hat. Ihr Kennzeichen ist die
        Diskontinuität60

Der Zufall hebt Gesetze auf, erlaubt keine Kontinuität. Der Mensch kann
keinen Zusammenhang mehr erkennen. Auf dieser Basis schließlich muss die
gesamte Ordnung zerbrechen, und mit ihr alle moralischen Normen.

57
   Altenhofer, N: Der erschütterte Sinn. Zu Kleists „Erdbeben in Chili“. In: Wellbery, D.E. (Hrsg.): Positionen
der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von Kleists „Erdbeben in Chili“. München 1985, S.
46.
58
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 57.
59
   Herrmann, H.P.: Zufall und Ich. In: Müller-Seidel, W. (Hrsg.): Heinrich von Kleist. Aufsätze und Essays.
Darmstadt 1973, S. 378.
60
   Wellbery, D.E.: Semiotische Anmerkungen zu Kleists „Das Erdbeben in Chili“. In: Ders. (Hrsg.): Positionen
der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von Kleists „Erdbeben in Chili“. München 1985, S.
75.
                                                                                                            15
2.2.3 Der Mensch als Marionette

„[H]ier stand ein anderer, bleich wie der Tod, und streckte sprachlos zitternde
Hände zum Himmel“61. Wurde soeben herausgearbeitet, dass der Zufall einer
Kausalität der Ereignisse widerspricht, so scheint der Mensch letzten Endes
doch nichts weiter als ein Spielball der Mächte zu sein. Folglich sind auch
Jeronimo und Josephe, wie Marionetten aufgezogen, Objekte dessen, was auf
sie einwirkt. Sinnbildlich dafür wirkt Jeronimos Besinnungslosigkeit, mit der
er sich aus der untergehenden Stadt rettet. Wie an einem Faden geführt wird er
gejagt, getrieben, gerissen, und ist dabei doch wie ein stiller Beobachter seiner
Umgebung. 62 Zu keinem Zeitpunkt hat der Leser den Eindruck, Jeronimo ent-
scheide selbst die Richtung, in die er flieht. Analog wird auch die Flucht der
Josephe dargestellt.

        Charakteristisch für die Marionette ist schließlich auch das Unverständ-
nis ihres eigenen Schicksals. Dabei gehen Zufall und Marionettenspiel Hand in
Hand:
        Ein (…) Fadenzug kann (…) in jedem Augenblick und in jeder denkbaren
        Richtung erfolgen; aus der Perspektive der Figur betrachtet erscheint er als
        „Zufall“ 63.

2.2.4 Metaphysische Ironie

Josephe beschreibt angesichts der großen Katastrophe des Erdbebens, dass sie
        den Drang, ihr Antlitz vor dem Schöpfer in den Staub zu legen, niemals lebhafter
        empfunden habe, als eben jetzt, wo er seine unbegreifliche und erhabene Macht so
        entwickle.64

Donna Elvire pflichtet ihr sogar bei. Auch der Priester beginnt die Predigt mit
„Lob, Preis und Dank“65, was vor dem Hintergrund des Elends, das auf das
Volk herab gekommen ist, geradezu paradox erscheint, und höhnt weiter, ein
noch größeres Unglück sei nur dem „unendlichen Langmut“66 Gottes zu
verdanken.

61
   Ebd., S. 51.
62
   Vgl. Krieger, K.: Das Prinzip der Marionette im Erzählwerk Heinrich von Kleists. Aachen 2007, S. 80f.
63
   Ebd., S. 82.
64
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 60.
65
   Ebd., S. 61.
66
   Ebd., S. 62.
                                                                                                           16
Möglicherweise kann diese die gesamte Novelle durchziehende Ironie
als (verzweifelte) Reaktion des Erzählers (und schließlich des Autors) auf die
oben angeführte metaphysische Erkenntnisproblematik gelten. Jedenfalls
scheint sich der Erzähler, um nicht in die bereits beschriebene Sprachlosigkeit
zu verfallen, durchaus in die Ironie zu flüchten, anerkennend, dass er keine
Alternative gegenüber dem kausal handelnden Gott der Figuren hat. Auch er
sehnt sich nach der Ordnung, an die sich die Personen klammern und weiß
doch, dass es sie nicht gibt. Dadurch wird er ironisch, polemisch, ja, makaber
und brutal. Der Ausgang der Novelle beweist diese Entwicklung.

2.3 Gesellschaftliche Hintergründe und Motive

Nachdem nun die metaphysischen Fragestellungen, die das „Erdbeben in Chili“
aufwirft, ausreichend diskutiert wurden, soll noch versucht werden, immanente
Aussagen der Novelle aufzudecken. Zweifelsohne lassen sich hier einige An-
satzpunkte finden. Zentral steht dabei die Frage im Raum, welche ethische
Relevanz das Werk hinsichtlich des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf-
weist.

2.3.1 Der Himmel und die Menschen

Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, dass der Erzähler die die Figuren
bestimmende Hinwendung zu Gott, zum Metaphysischen, in der Sehnsucht
nach Ordnung, nach Kausalität des Weltgeschehens begründet sieht. Auch
zeigt er durchaus Verständnis dafür, scheint diese Sehnsucht sogar zu teilen.
Und doch wendet er sich entschieden gegen einen Verweis auf einen teleo-
logischen Zusammenhang – nicht nur, weil ihm dieser Gedanke schlicht absurd
erscheint (er kann keinen Sinn in dem Leid erkennen) 67, sondern auch, weil er
die daraus entwickelten Konsequenzen für das gesellschaftliche Zusammen-
leben, mit einem Wort die Moralvorstellungen, für gefährlich, falsch und den
guten Geist des Menschen verdeckend sieht.

           Explizit ist an dieser Stelle die Kritik an der Institution Kirche sowie
der mit ihr verbündeten Staatsgewalt zu nennen. So ist es wohl weniger der

67
     Vgl. die Ausführungen zum Zufall (2.2.1).
                                                                                      17
Glaube an das Eingreifen Gottes an sich, der Jeronimo und Josephe ins
Verderben führt,68 sondern vielmehr die daran angeknüpften moralischen
Normen der Kirche: Auf Befehl des Erzbischofs wird Josephe der „geschärf-
teste Prozess“69 gemacht, und schließlich ist es die Auslegung des Priesters,
welche die Menge erst gegen die beiden „Sünder“ aufbringt. Die vermeintliche,
durch den Geistlichen verkörperte Deutungshoheit der Kirche bezüglich des
Erdbebens wird sowohl von der konkurrierenden Kategorie des Zufalls an sich
als auch durch die verwendete Ironie radikal in Frage gestellt und angesichts
der Wirkung problematisiert. Zudem wird diese Passage eindeutig wertend
erzählt: Don Fernando erscheint als „göttlicher Held“70, der sich gegen die
„blutdürstenden Tiger“ und die „satanische Rotte“71 zur Wehr setzt. Die Szene
vermittelt den Eindruck eines Kampfes zwischen Gut und Böse, Gott und
Teufel. Die Forschung interpretierte die Szene zuweilen tatsächlich als fak-
tisches Handeln der „höllischen Mächte der Finsternis“, die „in die Seelen der
Menschen“72 eingedrungen seien. Dieses Verständnis scheint mir wenig plau-
sibel, weil im vorangegangenen Teil bereits eine Sprachlosigkeit von Erzähler
und Autor angesichts des Metaphysischen herausgearbeitet wurde, die mit
dieser Argumentation negiert würde.73 Wenn also angesichts der Erkenntnis
göttlichen (und damit auch teuflischen) Handelns Sprachlosigkeit herrscht, so
findet sich in der Kirchenszene vielmehr eine fundamentale Kritik an der zeit-
genössischen Christenheit. Es handelt sich nicht um das personifizierte Böse,
welches Jeronimo, Juan und Josephe den Tod bringt, sondern um Menschen,
        Menschen (…), die das Gute wie das Böse in sich selber haben, die es von den
        anderen in sich wecken lassen, die dazu weder auf Gott noch auf die Hölle
        angewiesen sind und deren moralische Verantwortlichkeit nicht darauf
        abgeschoben werden kann.74

Hier steckt die wohl radikalste Kritik Kleists: Die Predigt des Priesters,
Inbegriff der starren Moral, wiegelt die Menschen auf, lässt das Böse in ihnen

68
   So legt es etwa Wolfgang Wittkowski dar: Wittkowski, W.: Skepsis, Noblesse, Ironie. Formen des Als-ob in
Kleists Erdbeben. In: Euphorion 63 (1969). Heidelberg, S. 247.
69
   Kleist, Erdbeben in Chili, S. 49.
70
   Ebd., S. 65.
71
   Ebd.
72
   Wiese, B. von: Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka. Interpretationen. Band 2. Düsseldorf 1962, S. 67.
73
   Weitere Argumente gegen dieses Verständnis führt Wittkowski an: Wittkowski, W.: Skepsis, Noblesse, Ironie.
Formen des Als-ob in Kleists Erdbeben. In: Euphorion 63 (1969). Heidelberg, S. 255.
74
   Wittkowski, W.: Skepsis, Noblesse, Ironie. Formen des Als-ob in Kleists Erdbeben. In: Euphorion. Zeitschrift
für Literaturgeschichte 63 (1969). Heidelberg, S. 255.

                                                                                                            18
zu Tage treten und wird so zur Ursache der fanatischen Morde. Der zuvor er-
stellte Entwurf einer „besseren“, ja, idealen Welt ist damit gescheitert.

2.3.2 Das scheinbare Paradies auf Erden

Als nach dem Erdbeben die Ständegesellschaft aufgehoben scheint, alle
Menschen einander helfen und die eigentlich geächteten Jeronimo und Josephe
wie selbstverständlich in die Gemeinschaft des Don Fernando integriert
werden, scheint „der menschliche Geist selbst, wie eine schöne Blume, aufzu-
gehn.“75 Neben der bereits erwähnten Opposition der Schauplätze (Stadt –
Land) entwirft Kleist im Mittelteil eine Gesellschaft, die in krassem Gegensatz
zur Gesellschaft zu Beginn und am Ende der Novelle ohne moralische Normen,
ohne Recht und Gesetz auszukommen scheint. Alle Menschen bemitleiden und
helfen einander, ohne dass sie dazu genötigt wären; insbesondere die vielen
Bibelanalogien (Jeronimo und Josephe unter dem Granatapfelbaum, „Tal von
Eden“76) verstärken den Eindruck, das Zusammenleben sei von paradiesischer
Qualität.

        Indes steht die gesamte Szenerie des Mittelteils unter dem Schleier des
Scheins: Josephe dünkte sich unter Seligen, es schien der menschliche Geist
aufzugehen, als ob das Erdbeben alles zu einer Familie gemacht hätte.77 Der
Schein relativiert das Dargestellte, indem er es perspektivisch und damit nicht
mehr objektiv zeigt.78 Und noch darüber hinaus: Das baldige, katastrophale
Scheitern dieses Entwurfes bestätigt schließlich diesen Schein, entlarvt ihn als
Utopie, fernab jeder Realität.

        Doch was bedeutet diese Utopie? Ist sie nicht Ursache des schlimmen
Ausganges, verführt sie nicht die Figuren zu ihrem leichtfertigen Gang in die
Kirche? Führt Kleist hier also dem Leser eine negative Weltsicht vor Augen,
eine Welt, die Naivität und das Vertrauen auf das Gute im Menschen tödlich
bestraft?

75
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 58.
76
   Ebd., S. 55.
77
   Ebd., S. 58.
78
   Vgl.: Wittkowski, Skepsis, Noblesse, Ironie, S. 262.
                                                                                   19
Auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag – es gibt durchaus
Hinweise, dass der Autor hier ein „höheres“ Ziel verfolgt hat. So erscheinen
Jeronimo und Josephe, und vor allem Fernando, bei näherem Hinsehen nicht
als dumm, sondern lediglich einem höheren Ethos anhängig, einem Ethos, das
jenseits von Recht und Gesetz das eigene Leben kompromisslos hintan stellt –
die Voraussetzung dafür, dass die geschilderte Utopie tatsächlich real werden
kann:
        Fernando und das Paar machen also sicher einen Erkenntnisfehler. Und sicher ist
        das tragische Blindheit. Aber es ist das Gegenteil von tragischer Schuld. Es ist
        vielmehr der Preis des Edlen, das sich gerade darin konstituiert, daß die Sicherheit
        des eigenen Lebens erachtet wird, als ob es, dem nichtswürdigen Gute gleich, auf
        dem nächsten Schritte schon wiedergefunden würde. 79

Eine solche Sichtweise verändert weiterhin auch den Blick auf das Geschehen
im Tal. Es zeigt sich, dass die Szene eben keine bloße Illusion ist, ein Trugbild,
welches die Figuren täuscht, um sie daraufhin in ihr Verderben zu entlassen.
Zunächst einmal wird hier, wohl in Anlehnung an Rousseau, jenseits von Ge-
rechtigkeit und Gesetz ein Modell vorgestellt, dass auf „freier Soziabilität“80
beruht. Als einziges Gesetz wird die Abwesenheit von Gesetzmäßigkeit vor-
gestellt81; an die Stelle von geregelter Gerechtigkeit tritt die „natürliche
Güte“82.

        Wenn die Beschreibung eines solchen Zustandes auch unrealistisch, ja
utopisch klingen mag und dies scheinbar auch ist, wie der Ausgang der Novelle
zeigt, so bleibt doch die Hoffnung auf etwas Zukünftiges. So erscheint es auch
sinnvoll, wenn Fernando angesichts Philippens im vieldiskutierten Schlusssatz
fast so ist, „als müsst er sich freuen.“83
        Don Fernandos Freude, die angesichts des Mordes an seinem Sohn nur gedämpfte
        Freude sein kann, nährt sich von dem Glück der zwanglosen Vereinigung der
        Familien. Es drückt sich hier am Ende etwas Heilsames und Zukünftiges aus: eine
        Möglichkeit zu leben, jenseits der Alternativen Justizpalast und Kathedrale.84

Auch die Bergpredigt ist eine Utopie. Und dennoch hat sie im Leben von
Millionen Christen eine Wirkung entfaltet, die Ihresgleichen sucht.

79
   Wittkowski, Skepsis, Noblesse, Ironie, S. 264.
80
   Kaul, S.: Poetik der Gerechtigkeit. München 2008, S. 104 – 117.
81
   Vgl.: Marx, S.: Beispiele des Beispiellosen. Heinrich von Kleists Erzählungen ohne Moral. Würzburg 1994,
S. 163.
82
   Kaul, Poetik der Gerechtigkeit, S. 108f.
83
   Kleist, Das Erdbeben in Chili, S. 66.
84
   Kaul, Poetik der Gerechtigkeit, S. 116.
                                                                                                              20
Schluss

„Das Erdbeben in Chili“ ist ein durchaus „würdiger“ Vertreter seiner Gattung.
Nicht, dass es die Merkmale der Novelle in irgendeiner vorbildlichen Weise
erkennen ließe – vielmehr gelingt es dem Schriftsteller, durch die Ver-
schränkung von großer und kleiner Katastrophe eine wahrhaft unerhörte, neue
Begebenheit zu installieren. Darüber hinaus wirft der Autor Fragen auf, die er
selbst nicht zu beantworten imstande ist, gesteht dies auch ein und zeigt sich
sprachlos angesichts des Ergebnisses.

       Dabei lässt er den Leser nicht außen vor. Indem er zunächst Sinn
evoziert, nur um ihn danach radikal wieder zu zerstören, berührt er den Re-
zipienten. Dieser merkt auf, ja erschrickt angesichts der Brutalität, mit welcher
sich der paradiesische Mittelteil als Utopie entlarvt. Gleichzeitig aber
schmettert er damit allen, die vorgeben, klare Antworten auf seine Fragen zu
kennen, den Vorwurf entgegen, sich diese Antworten selbst zu konstruieren, in
Kauf nehmend, dass die ehrliche Wahrheitssuche dabei auf der Strecke bleibt.
Hier kommt schließlich die Moral ins Spiel: Die Konstruktion von Wahrheiten,
im Werk abgebildet von den Institutionen Kirche und Staat, geht einher mit
strengen moralischen Prinzipien, welche nicht nur die Freiheit des Menschen
einschränken, sondern darüber hinaus auch seine natürliche Güte verschleiern.

       Hier trifft also das Problem des Erkennens, welches bereits in der Ein-
leitung erwähnt wurde, auf die radikale Kritik an den herrschenden Moral-
vorstellungen, die damit nicht nur auf ironische Weise als hohl entlarvt werden,
sondern denen vielmehr die Legitimation entzogen wird. Wo keine Ordnung
ist, kann auch keine Moral von einer Ordnung begründet werden.

       Dennoch: Möglicherweise, so wurde im letzten Teil aufgezeigt, möchte
Kleist den Leser doch nicht so hilflos zurücklassen. Verwendet man statt des
Begriffs „Utopie“ den weit positiv besetzteren Terminus der „Vision“, so mag
man wieder ein wenig an die paradiesischen Zustände des Mittelteils zu glau-
ben. Don Fernando bestätigt diese zaghafte Hoffnung, und vielleicht hatte sie
auch Heinrich von Kleist. Kant stürzte ihn in eine Krise, davon ist das „Erd-
beben in Chili“ gezeichnet. Und doch zeigt er in dieser Novelle auf, dass
abseits der Krise, abseits der unbeantworteten Fragen Erstrebenswertes liegt.

                                                                                    21
Um dieses zu erreichen, müssen die unbeantwortbaren Fragen aber gestellt
werden, muss der Mensch erkennen, wie wenig er zu erkennen vermag. Erst
dann ist es möglich, dass der menschliche Geist selbst aufgeht wie eine schöne
Blume. Vielleicht liegt darin dann doch wieder ein Stück Moral in einer
ansonsten die Moral ablehnenden Erzählung.

                                                                                 22
Literaturverzeichnis

Primärliteratur:

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Sekundärliteratur:

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Haug, W.: Die Wahrheit der Fiktion. Tübingen 2003, S. 370 – 393.

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Kaul, S.: Poetik der Gerechtigkeit. München 2008, S. 104 – 117.

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Wellbery, D.E.: Semiotische Anmerkungen zu Kleists „Das Erdbeben in Chili“. In: Ders.
      (Hrsg.): Positionen der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von
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Wiese, B. von: Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka. Interpretationen, Bd. 2.
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Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Seminararbeit ohne fremde Hilfe und ohne
Benutzung anderer als der im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen und Hilfsmittel
angefertigt habe und dass diese in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen
Prüfungsbehörde vorgelegen hat. Alle Ausführungen der Arbeit, die wörtlich oder sinngemäß
übernommen wurden, sind als solche gekennzeichnet.

Augsburg, den 28.02.2011

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