Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cixous' - OpenEdition Journals
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Trajectoires Travaux des jeunes chercheurs du CIERA 13 | 2020 Intrus Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cixous’ Melanie Koch-Fröhlich Édition électronique URL : http://journals.openedition.org/trajectoires/4611 ISSN : 1961-9057 Éditeur CIERA - Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne Référence électronique Melanie Koch-Fröhlich, « Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cixous’ », Trajectoires [Online], 13 | 2020, Online erschienen am: 30 März 2020, besucht am 01 April 2020. URL : http://journals.openedition.org/trajectoires/4611 Ce document a été généré automatiquement le 1 avril 2020. Trajectoires est mis à disposition selon les termes de la licence Creative Commons Attribution - Pas d’Utilisation Commerciale - Partage dans les Mêmes Conditions 4.0 International
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 1 Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cixous’ Melanie Koch-Fröhlich Doppelte Erbschaft 1 Als die französische Intellektuelle und Schriftstellerin Hélène Cixous im April 2015 erstmalig Osnabrück – die Geburtsstadt der Mutter und Großeltern – bereist, beansprucht sie entschieden eine jener „Erbschaften ohne Testament“ (Wicky-Vogt, 2014) für sich, die vor ihr bereits andere jüdische Denkerinnen und Denker wie Hannah Arendt, Simone Weil und Walter Benjamin angetreten hatten. Für Arendt, so heißt es bei der Schweizer Philosophin und Psychoanalytikerin Maja Wicki-Vogt, bedeutete die Erinnerung „den benennbaren und begründbaren Rückhalt in Hinblick auf das noch offene Werden“ (Wicky-Vogt, 2014: 10) – eine Erinnerung also, die stets im Pendeln zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem begriffen und aus dieser kontinuierlichen Bewegung heraus als prinzipiell unabgeschlossen zu werten sei. „Je suis allée derrière le rideau, réclamer mon héritage de tragédies au secret“ (Cixous, 2016b: 22), so umschreibt Cixous ihre selbstbestimmte Teilhabe an jener tragisch endenden Geschichte der Osnabrücker Juden, die in den (groß-)mütterlichen Erzählungen zwar zeitlebens präsent, der geteilten Erinnerung zum Trotz aber stets von gespenstischen Leerstellen des Schweigens durchlöchert war. Mit der im vorliegenden Themenheft im Mittelpunkt stehenden Figur des Eindringlings lässt sich Cixous daher schon insofern assoziieren, als sie mit ihrem Besuch im nunmehr nahezu judenleeren Osnabrück – „Zérosnabrück“ (Cixous, 2016b: 26) – in ein familiäres Erbe vordringt, das ihr, so muss sich die Erzählerin unwillkürlich eingestehen, ein überdurchschnittlich hohes Maß an Empathie, ja an Identifikationsvermögen abverlangt: „[…] je n’ai jamais eu l’intention d’héberger tant de gens dans mon espace mental, je ne suis pas un hôtel, je crains de ne pouvoir refuser l’hospitalité, et de là la politesse et de là la sympathie et, insidieuse, la confusion avec autrui“ (Cixous, 2016b: Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 2 148). Ganz offensichtlich entfacht Cixous’ postmemoriale Einverleibung der Vergangenheit einen psychischen Konflikt zwischen dem Wunsch nach Mitgefühl einerseits und dem Bedürfnis nach Distanz andererseits. Ungeachtet aller hier anklingenden Selbstzweifel aber stellt sich Cixous der Auseinandersetzung mit jener deutschen Herkunftsgeschichte, in die sie mütterlicherseits hineingeboren wurde und deren Erbe sie in ihren beiden Deutschlandtexten Gare d’Osnabrück à Jérusalem und Autobiographie allemande entschlossen antritt: ein Schritt, der zeigt, inwieweit es paradoxerweise Cixous selbst ist, die mit diesem Vorstoß in die vom Holocaust verdunkelte Familiengeschichte die Grenzen ihrer Gastfreundschaft neu auszuloten hat. Allerdings lässt sich diese Form der Intrusion nicht nur vom emotionalen Aspekt der Erinnerungsarbeit her beleuchten, denn auch in kommunikativer Hinsicht hat sich diese als schwierig erwiesen. Schon als Kind war die 1937 im damals französisch beherrschten Algerien geborene Autorin ebenso beherzt in die ideologisch vorbelastete deutsche Sprache eingedrungen – ein Zutritt, der für Mutter und Großmutter durchaus mit ambivalenten Gefühlen besetzt war: „Quand je lui [à ma mère] demandai pourquoi elles [ma mère et ma grand-mère] ne m’avaient pas donné l’allemand entièrement, quand j’étais enfant, il fallait que je le leur prenne, elle m’a dit […] que c’était la langue ennemie, dangereuse, il ne fallait pas la montrer, elles avaient un rapport divisé à cette langue, à laquelle elles ne pouvaient échapper, et que moi j’aimais et je désirais“ (Cixous, 2016a: 66). 2 Doch lässt sich das Motiv des Eindringlings nicht nur auf Cixous’ deutsch-jüdisches Erbe beziehen. Seine vollumfängliche Bedeutung entfaltet es erst in der Gesamtschau auf jene aus zweierlei Erzählungen der Diaspora geflochtene Biografie, die den Ursprung der Mutter mit den sephardischen Wurzeln des Vaters verschmelzen lässt: „Je suis peut-être la seule survivante de cette halte africaine dans l’odyssée judéo- allemande“ (Cixous, 2016a: 17). Auffällig ist dieser Passage zweifellos der Hinweis auf ein kulturübergreifendes, an Migration und Exil gekoppeltes Diaspora-Schicksal, das im heterogenen Bevölkerungsgemenge des kolonisierten Algeriens1 nur vorübergehend Beheimatung findet und eine doppelte Fremdheit signalisiert – ein Gefühl der Nicht- Zugehörigkeit, das von zweierlei Seiten mit dem Stigma einer illegitimen Präsenz behaftet und damit dem Vorwurf der Intrusion gleich doppelt exponiert ist: In den Augen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung sind die Cixous jener Siedlergruppe europäischer Abstammung zugehörig, die in den 1930er Jahren nur etwa 6% der Gesamtbevölkerung stellt (Ageron, 19909: 41). Von dieser wiederum wird die Familie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nicht als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft anerkannt2. Für die in Cixous’ Texten – zunächst auf Grundlage einer neu hervorzubringenden ‚écriture féminine3‘– verhandelten Fragen zu Differenz und pluraler Identität ist diese prekäre biografische Ausgangslage, wie die Autorin nicht müde wurde zu betonen, konstitutiv. Dass die den rapide wechselnden Machtverhältnissen frontal ausgesetzten algerischen Juden die ihnen aufoktroyierte Rolle des Eindringlings auf besondere Art und Weise verkörperten, hat der in Constantine geborene Historiker Benjamin Stora wiederholt ins Gedächtnis gerufen. Dies geschah zuletzt im Rahmen einer das kollektive Trauma vom individuell Durchlebten her explizierenden Autobiografie, die das konfliktträchtige Nebeneinander dreier Religionsgemeinschaften in einem von kolonialer Fremdherrschaft regierten Land zum Thema hat (Stora, 2015). Mit dem von der Vichy- Regierung im Oktober 1940 erlassenen Dekret, das den algerischen Juden ihre erst 1870 zuerkannte französische Staatsbürgerschaft entzieht und weitere Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 3 Diskriminierungsmaßnahmen mit sich bringt (darunter das von Cixous und Derrida gleichermaßen schmerzhaft erinnerte Verbot des Schulbesuchs), erfährt diese doppelte Fremdheitserfahrung, so werden wir sehen, einen dramatischen Höhepunkt. 3 Vor dem Hintergrund des einleitend skizzierten Erbschaftskonzepts, das die hier zu behandelnde Rahmenfigur des Eindringlings in einen sowohl individuell-biografischen als auch kollektiv-historischen Bedeutungshorizont einspannt, ist es Ziel des Beitrags aufzuzeigen, wie es Cixous gelingt, die in ihrer Kindheit und Jugend mannigfach erfahrenen Formen der Intrusion und Exklusion trotz oder aufgrund ihrer komplexen Herkunftsgeschichte für eine konstruktive Aufarbeitung der Vergangenheit fruchtbar zu machen und unter dem Impuls ihrer außergewöhnlichen sprachlichen Biografie universell zu denken. Um die Singularität des von ihr beschrittenen Wegs besser zu verstehen, sind den Sprachreflexionen der Autorin jene ihres langjährigen intellektuellen Weggefährten Jacques Derrida4 kontrastiv gegenüberzustellen. Anders als Derrida, der sein Verhältnis zur französischen Muttersprache als ein per se gespaltenes erlebt, begreift Cixous ihren deutsch-französischen Bilinguismus als wichtige Ressource der Vergangenheitsbewältigung und kathartisches Ventil im Umgang mit sozialen Missständen. Im Rekurs auf den Historiker Benjamin Stora gilt es die in beiden jüdisch-algerischen Kindheitsgeschichten eine prominente Rolle spielende Figur des Eindringlings auf ihre Eigenheiten hin zu untersuchen. Wurden Cixous und dem nur unwesentlich älteren Derrida auch dasselbe Schultrauma zuteil, so ergeben sich doch wesentliche Unterschiede im Hinblick auf die Frage nach der Art der Transposition dieser Denkfigur in deren jeweiligen sprachphilosophischen Theorien. Von Crémieux zu Pétain: Ansehen und Ächtung binnen nur siebzig Jahren 4 In seiner Autobiografie Les clés retrouvées beschäftigt sich der 1950 geborene Stora ausführlich mit den in sozialer, politischer und auch psychischer Hinsicht fatalen Folgeerscheinungen jener historischen Rückwärtsentwicklung, im Zuge derer den algerischen Juden im Oktober 1940 ihre französische Staatsbürgerschaft abrupt entzogen wird. Ohne jeden Zweifel markiert dieser von Derrida als Präzedenzfall der Geschichte ausgewiesene Vichy-Erlass (Derrida, 1996: 36) eine regelrechte Zäsur im Leben all jener, die sich mit dem 1870 erlassenen Crémieux-Dekret der französischen Kolonialkultur Stück für Stück und zu Lasten der Beziehungen zu ihrem muslimischen Umfeld angenähert hatten (Stora, 2015: 67). Der Schock über die jäh widerfahrene Demütigung wurzelt in der jüdischen Bevölkerung umso tiefer, als die kurze Zeitspanne von 1870 bis 1940, innerhalb derer sie Achtung und Entwürdigung zugleich erfuhr, jene Form einer mündlich tradierten Familienerinnerung transportiert, die wir mit Jan Assmann als kommunikatives Gedächtnis bezeichnen dürfen5. Als Trauma der besonderen Art begreift Stora den Verweis von der Schule – eine Strafmaßnahme, die zu jener Zeit zahlreichen Juden die soziale Integration verweigerte (Stora, 2015: 67). Ebendieser Urszene der Erniedrigung6 misst auch Derridas bezeichnend betitelter Essay Le monolinguisme de l’autre ou la prothèse d’origine allergrößte Bedeutung bei, bildet sie doch den brüchigen Ausgangspunkt einer permanenten Selbstbefragung, die unter dem Vorzeichen des Zweifels steht und darüber hinaus das individuelle Sprachempfinden auf ebenso entscheidende wie irreparable Weise zu beeinträchtigen droht: Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 4 „Mais je ne doute pas que l’exclusion – par exemple hors de l’école assurée aux jeunes Français – puisse avoir un rapport à ce trouble de l’identité dont je te parlais il y a un instant. Je ne doute pas non plus que de telles ‚exclusions‘ viennent laisser leur marque sur cette appartenance ou non-appartenance de la langue, sur cette affiliation à la langue, sur cette assignation à ce qu’on appelle tranquillement une langue“ (Derrida, 1996: 35). 5 Nicht nur aus sprachlicher Perspektive, so berichtet Derrida an anderer Stelle, habe der einer unergründlichen Naturkatastrophe gleichkommende Schulverweis sein Leben jäh verändert: „Pour cette communité juive, les choses restaient énigmatiques, peut-être pas acceptées mais subies comme une catastrophe naturelle pour laquelle il n’y a pas d’explication“ (Derrida, 1999: 13). Zwar seinen schon in der Grundschule antisemitische Anfeindungen an der Tagesordnung gewesen (Derrida, 2003: 19). Mit dem ihn unversehens ereilenden Verbot aber habe sich die erlebte Schmach in eine niemals vernarbende Wunde verwandelt: „J’ai été chassé du lycée Ben Aknoun en 1942, et au-delà d’une mesure ‚administrative‘ anonyme à laquelle je ne comprenais rien et que personne ne m’a expliquée, la blessure fut autre, elle ne cicatrisa jamais: l’insulte quotidienne des enfants, mes camarades de classe, les gamins dans la rue, et parfois les menaces ou les coups de poing contre le sale Juif que, dirais-je, je me trouvais être…“ (Derrida, 2001: 179). 6 Fehlendes ethnisches und sprachliches Identifikationsvermögen bilden in Derridas schizolinguistischem Theorieentwurf einen unmittelbaren Zusammenhang. Für den in Algerien lebenden Juden ergebe sich die psychisch zermürbende Situation eines zum Scheitern verurteilten Identitätsfindungsprozesses, der sowohl in sprachlicher, als auch in kultureller und memorialer Hinsicht eine dreifache Spaltung durchlebt habe: „1. Elle [la communauté juive] fut coupée, d’abord, et de la langue et de la culture arabe ou berbère (plus proprement maghrébine). 2. Elle fut coupée, aussi, et de la langue et de la culture française, voire européenne qui n’est pour elle qu’un pôle ou une métropole éloignée, hétérogène à son histoire. 3. Elle fut coupée enfin, ou pour commencer, de la mémoire juive, et de cette histoire et de cette langue qu’on doit supposer être les siennes, mais qui à un moment donné ne le furent plus“ (Derrida, 2001: 93–94). 7 In einem Land wie Algerien, dessen dialektale Vielfalt sich allenfalls noch in jene „cartographie des salles de classe de l’école primaire“ einschrieb, „où il y avait encore, avant de disparaître au seuil du lycée, beaucoup de petits Algériens, Arabes et Kabyles“ (Derrida, 2001: 66), fiel auch das Jüdische der übermächtigen Kolonialkultur zusehends zum Opfer7. Diese den Identitätskonflikt des Juden noch verhärtende „francisation“ (Derrida, 2001: 88), die Stora als generationsübergreifenden Lernprozess begreift (Stora, 2015: 68), nimmt bei Derrida die Gestalt eines hyperbolischen Perfektionsdrangs an, der sich im übertriebenen Lerneifer des um uneingeschränkte Teilhabe an der französischen Dominanzkultur wetteifernden Schülers Ausdruck verschaffe (Derrida, 1996: 81–82). Allerdings, und dies ist die Quintessenz des bei Derrida refrainartig wiederkehrenden Aphorismus „Je n’ai qu’une langue, ce n’est pas la mienne“ (Derrida, 1996: 1), kann dieser hehre Vorsatz nur ins Leere laufen, bleibt ihm doch die – unter günstigsten Voraussetzungen bis zur äußersten Perfektion – anzueignende Sprache immer fremd: „Le monolingue dont je parle, il parle une langue dont il est privé“ (Derrida, 1996: 117). Mit diesen Worten resümiert Derrida das paradoxale Bemühen um Appropriation einer Sprache, die dem sich selbst zum Eindringling stilisierenden Sprecher immer nur entgleiten und ihm damit nur als minderwertiges „substitut de langue maternelle“ (Derrida, 1996: 74) dienen kann. Im folgenden Kapitel wird zu Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 5 erörtern sein, welche Gestaltungs- und Möglichkeitsräume in Cixous’ autobiografischem Schreiben jene „généalogie judéo-franco-maghrébine“ (Derrida, 1996: 133) eröffnen kann, die von Derrida als per se unlebbar und – wie es die Trennstriche schon dem Schriftbild nach suggerieren – als nicht fusionsfähig erfahren wird. Das Paradox der Alterität 8 Im Zwiegespräch mit Cécile Wajsbrot äußert sich Cixous explizit zu dem Derrida widerfahrenen Exklusionserlebnis, nicht aber ohne dabei die Eigenart der selbsterlebten Diskriminierung von dessen Schicksal abzugrenzen: „Nos deux expériences valaient par différence“ (Cixous, 2016a: 71). Denn wo Derrida aus einer bereits bestehenden (Klassen-)Gemeinschaft exkludiert wird, macht die um nur drei Jahre jüngere Cixous die als Gegenbewegung einzustufende Erfahrung eines ihr verwehrten (Schul-)Eintritts. Ihre ‚Einschulung‘ erlebt sie folglich als Teil einer aus zahlreichen jüdischen Kindern formierten, altersheterogenen Zwangsgemeinschaft, deren privater Rückzugsort – „où s’entassaient par rangs d’âge – un peuple de petits juifs interdits“ (ibid.) – als Klassenzimmer zweckentfremdet wird. Erst mit der Revision der Vichy-Verordnung und der Wiederherstellung des Crémieux-Dekrets wird sich Cixous ihrer vorbestimmten Rolle der intruse innerhalb einer Gesellschaft bewusst, die nach wie vor von antisemitischen Verhaltenskodizes durchsetzt ist: „J’ai souffert brusquement de l’antisémitisme actif dès que nous avons été autorisés à être scolarisés. J’avais sept ans et j’ai senti que nous n’étions pas de cette communauté de ‚Français‘ qui étaient seulement obligés, par les Américains et de Gaulle, de nous laisser ‚passer‘“ (Cixous, 2016a: 73). 9 Betrachtet man wie Cixous es tut diese Erscheinungsform von Antisemitismus in der vergleichenden Zusammenschau mit jenem Rassenwahn, der in weiten Teilen Frankreichs das jüdische Leben zum Erlöschen brachte, so erfährt das im obigen Zitat anklingende Motiv des nolens volens geduldeten Fremdlings einen zusätzlichen Sinngehalt: „Expulsion-bannissement ordonnée par le statut des Juifs qui, si nous avions été en ‚métropole‘, eût été suivie de déportation, mais qui, faute de moyens de transport, s’opérait sur place, si bien que du jour au lendemain nous fûmes foutus à la porte, mais il n’y avait pas de porte, il fallait donc devenir pestiférés sur place“ (Cixous, 2016a: 77). 10 Ausgegrenzt werden könne ja nur, so ließe sich aus dieser an Zynismus grenzenden Aussage abstrahieren, wer des nationalen Territoriums verwiesen werde. In Algerien aber sei dieser Exklusionsprozess sozusagen implodiert, weshalb die für Cixous’ Werk- und Lebensgeschichte gleichermaßen prägend werdende Verbannung innerhalb der Landesgrenzen zu geschehen hatte: „Même l’exclusion n’est pas une exclusion. L’Algérie n’était pas la France, mais elle était ‚française‘“ (Cixous, 2010: 87). Innerhalb der französisch-algerischen Kolonialgeschichte erweist sich diese spezifische Art der Ächtung als umso grausamer, als sich die jüdische Minderheit seit 1870 in rechtlicher Sicherheit gewogen hatte – ein Privileg, von dem der zahlenmäßig weit überlegene muslimische Bevölkerungsteil hingegen ausgeschlossen war. Während also die Juden vorrangig unter dem in den 1940er Jahren rasant zunehmenden europäischen Antisemitismus litten (Ageron, 19909: 77), empfanden die muslimischen Bewohner ihre rechtliche und soziale Ungleichstellung als überaus bedrohlich: „Ainsi, se mettent en Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 6 place des territoires de peur qui recoupent les appartenances communautaires“ (Stora, 2006: 76). Das mit der Aufhebung des Crémieux-Dekrets entstandene Paradox einer „égalité dans la discrimination“ (id.: 105) habe, so sieht es Stora, die jüdische Bevölkerung in ein zweites inneres Exil getrieben8. Nur vor diesem historischen Hintergrund wird verstehbar, weshalb Taïeb Berrada den „Juif d’Algérie“ als paradigmatische Personifikation des als Fremdkörper wahrgenommenen Eindringlings charakterisiert (Berrada, 2016: 11): als ungebetenen Fremden nämlich, der seines rechtmäßigen Status des „déjà-là“ zum Trotz aus der Gemeinschaft exkludiert wird: „[…] celui qui était déjà là de plein droit, mais qui devient à un moment dissocié des autres“ (Berrada, 2016: 18). Mit der Außerkraftsetzung des Crémieux-Dekrets werden die um das Kollektiv gezogenen Grenzlinien neu trassiert: „Il n’existe pas d’intrus sans ensemble défini […]. De ce fait, la figure de l’intrus est indissociable de l’idée de seuil, de frontière ou de limite…“ (Berrada, 2016: 9). Textuell realisiert wird dieses Profil des Eindringlings bei Cixous in all jenen teufelskreisartig angelegten Bewegungsmodellen, die den leidvollen Prozess einer gescheiterten Ankunft in der Heimat symbolisieren: „Tout le temps où je vivais en Algérie je rêvais d’arriver un jour en Algérie, j’aurais fait n’importe quoi pour y arriver […], je ne me suis jamais trouvée en Algérie […]“ (Cixous, 2000a: 9)9. 11 Für die noch ausstehende Analyse von Cixous’ in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichem Sprachverständnis ist diese im Schreiben der Autorin zyklisch aufflackernde Ursprungsszene einer „entrée manquée“ in die Gesellschaft (id.: 95) jedenfalls von zentralem Interesse. Denn schon in Le rire de la Méduse bildet sie den Ausgangspunkt einer breiten gesamtgesellschaftlichen Reflexion über jenes Beziehungsgefälle zwischen Unterdrückenden und Unterdrückten, das auch vor dem Mann-Frau- Verhältnis nicht Halt macht (Cixous, 2010: 84). 12 Wie Frédéric Regard in seinem dem Essay vorangestellten Vorwort treffend formuliert, vollziehe die Autorin bereits in diesem frühen Text die Verknüpfung zweier von Beginn an konsequent zusammengedachter Theoreme: die Interdependenz von Gender- Forschung und Postkolonialismus (Regard, 2010: 13). Und in der Tat bereiten Cixous’ in Le rire de la Méduse integrierte Analysen der in Algerien vorherrschenden Kolonialpolitik eine gedankliche Kontinuität mit all jenen später zu beobachtenden Diskriminierungsformen vor, mit denen die Autorin in Frankreich erstmals konfrontiert wird: „En France, ce qui est tombé de moi d’abord, c’est l’obligation de l’identité juive. D’une part, l’antisémitisme était incomparablement plus faible à Paris qu’à Alger. D’autre part, j’ai brusquement appris que ma vérité inacceptable dans ce monde était mon être femme. Tout de suite, ce fut la guerre. J’ai senti l’explosion, l’odeur, de la misogynie. Jusqu’ici, vivant dans un monde de femmes, je ne l’avais pas sentie, j’étais juive, j’étais juif“ (Cixous, 1994: 207). 13 Doch bedarf es für ein solches Zeitempfinden ebenjenes einleitend im Rekurs auf Arendt zitierten Erinnerungsvermögens, das „außerhalb eines vor-errichteten Bezugsrahmens“, um erneut mit der Philosophin zu sprechen, ganz und gar „hilflos ist“ (Arendt, 1994: 9). Gerade in Cixous’ jüngstem Text Gare d’Osnabrück à Jérusalem zeigt sich, welch hoher epistemologischer Stellenwert einer Erinnerung zukommt, die wieder und wieder die Vergangenheit befragt und aus dieser steten gedanklichen Verhandlung heraus das Gewesene im Licht der Gegenwart aktualisiert und neu interpretiert, bietet doch gerade die geschichtsträchtige Friedensstadt Osnabrück – Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 7 „championne des initiatives solidaires et de l’Erinnerungskultur“ (Cixous, 2016a: 18) – für eine solche „Verwertung“10 der Vergangenheit den idealen urbanen Rahmen. Une enfance à doublelangue 14 Derlei Überblendungsmuster sind in den Kindheits- und Jugenderinnerungen der Autorin keine Seltenheit. „Si, l‘Algérie, j’y suis née, l’Allemagne j’en suis née“ (Cixous, 2016a: 19) – so beteuert Cixous in ihrer Korrespondenz an Wajsbrot, und dieses geografische Umgrenzungen porös werden lassende Ursprungsbekenntnis kommt umso bemerkenswerter daher, als ein Großteil der in Deutschland lebenden Familienangehörigen dem Holocaust zum Opfer fiel. Ungeachtet dieser Geschichtslast aber empfand Cixous das Ein- und Vordringen in die deutsche Sprache nie als einen von Beklemmnis, Fremdheits- oder gar Schuldgefühlen kontaminierten Akt des Spracherwerbs; vielmehr ist das Gegenteil der Fall, gelang ihr doch die Abkehr von der Frage nach der partiellen Seinsstruktur des Deutschen – der Sprache des judenfeindlichen Nazideutschlands – hin zu jener nach deren schier unendlichem Kreationspotenzial: „Ce qu’on peut faire avec la langue c’est... l’infini. [...] La langue est toute-puissante. On peut tout dire, tout faire, de ce qui n’a pas encore été dit, pas encore été fait. Et ce qui est beau c’est que c’est si économique. Il suffit de déplacer une lettre, un point, une virgule, et tout change. A l’infini“ (Cixous, 1994: 31). 15 So entwickelte sie in ihrer „enfance à doublelangue“ ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu zwei miteinander verwobenen Ursprungsländern, die in ihrer Summe eine individuelle, transkulturelle Lebensform ermöglichen: „Dès que je dis ‚Allemagne‘, Algérie se lève et la suit comme son ombre“ (Cixous, 1994: 21-22). 16 Eine sowohl in psychischer als auch sprachlicher Hinsicht einschneidende Zäsur markiert das Jahr 1938: Die Vorboten der in Osnabrück drohenden Judenvernichtung erahnend, flüchtet die Großmutter frühzeitig ins Oraner Exil. Zur französischen Muttersprache des Vaters, die auch Hélènes Mutter seit ihrer Heirat fließend beherrscht, gesellt sich fortan das mit jiddischen Wörtern gespickte Deutsch von „Omi“, wie Cixous diese stets zärtlich in ihren Büchern nennt. In ihrer Adoleszenz entdeckt die geradezu lesebesessene Schriftstellerin ihre Leidenschaft für das Englische und tritt damit in die anglophilen Fußstapfen der Mutter. Dieser eine plurale Weltanschauung favorisierende und von der Familie genussvoll kultivierte „plurilinguisme joyeux“ ist seiner kosmopolitischen Erscheinung nach weitaus mehr als ein unreflektiert praktiziertes Sprachgemenge (Cixous, 1994: 74). Vielmehr handelt es sich dabei um die Übertragung auf die Ebene der Sprache jener ein multiples Geschlechterverständnis propagierenden Philosophie, die zunächst in Le rire de la Méduse Entfaltung und alsbald auf andere Denkbereiche Projizierung fand: „La logique générale de la différence ne serait plus agencée dans l’opposition encore dominante maintenant. La différence serait un bouquet de différences nouvelles“ (Cixous, 2010: 110). Immerzu verbleibt die zu keinerlei Antwort führende Frage des Geschlechts im Status prinzipieller Offenheit und Variabilität: „un entredeux où sans cesse l’enjeu est de toucher aux limites, jouer avec, y disposer des passes“ (Calle-Gruber, 1994: 151-152). Ausgehend von der Annahme eines kontinuierlich neue Kreuzungskonstellationen generierenden Schwellenzustands operiert Cixous mit einer Logik des Sowohl-als-auch, die Entweder-oder-Alternativen nicht nur hinterfragt, sondern gänzlich revidiert: Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 8 „Cixous plaide non pour l’un ou l’une réconcilié(e) avec l’autre au nom de quelque grand principe, mais pour l’éclatement pur et simple de ce système duel“ (Reid, 2015: 17). Dieses hochgradig dynamisierte Geschlechterbild bildet eine wichtige Verstehensgrundlage für Cixous’ Konzeptualisierungen von Sprache, die selbst wiederum hohe Relevanz für die von der Autorin ausgehandelten Identitäts- und Kulturvorstellungen besitzen. Denn jene semantische Elastizität, die traditionelle Geschlechterkonturen untergräbt, verteidigt Cixous auch überall dort, wo differenzorientierte Grenzmarkierungen jedweder Art diese kulturelle Fluidität behindern. Allein schon die etymologisch komplexe Tiefenstruktur des von vielerlei Spracheinflüssen durchwanderten Französischen sei zureichender Beweis für die Hinfälligkeit derlei monokultureller Denkansätze: „La langue a toujours signifié : liberté. Saute-frontière. Hors-la-loi : ce qui ne peut avoir lieu qu’à condition qu’il y ait de la loi depuis la stabilité de laquelle s’élancer pour faire des sauts périlleux. Et puis quel moyen de transport vers les profondeurs, que d’échelles souterraines et aériennes : les mots, je les remonte jusqu’à la racine. Ils sont tout jeunes et millénaires“ (Cixous, 2016a: 68). 17 Es entsteht der Eindruck, als eröffne sich Cixous mit einer solch buchstäblich grenzenlosen Sprachauffassung, die nach dem Fremden im Eigenen sucht, ja giert, einen mentalen Freiraum, der das im kolonisierten Algerien tagtäglich erlebte „Paradox der Alterität“ konterkariert: „Le paradoxe de l’altérité, c’est bien sûr qu’à aucun moment dans l’Histoire elle n’est tolérée, possible, comme telle. L’autre n’est là que pour être réapproprié, repris, détruit en tant qu’autre“ (Cixous, 2010: 86-87). Rückblickend wird so die erfahrene Stigmatisierung als Fremde im eigenen Land umgemünzt in ein Spracherleben, das als Strategie des Über-Grenzen-Springens diese dem Juden auferlegte Rolle in ihren Grundfesten erschüttert. Die als Kontrast zur kolonialen Machtasymmetrie im polyglotten Familienalltag experimentierten Modelle der Verflechtung scheinen somit Teil einer weit gefassten Ästhetik der Diversität zu sein, welche die Existenz einer feindlichen Außenwelt im sicher geglaubten Innern durchbricht. 18 „Ce qui constitue le sol originaire, le pays natal de mon écriture est une vaste étendue de temps et terres où se déroule ma longue, ma double enfance. J’ai une enfance à deux mémoires“ (Cixous, 1994: 183). Die in diesem Zitat hergestellte Genealogisierung soll abschließend nochmals jene kulturelle Mehrfachverortung vor Augen führen, die den von Cixous entwickelten Denk- und Schreibstrategien ihren besonderen Stempel aufdrückt. Denn anders als Derrida, der die für sein Denken und Schreiben grundlegend werdende Distanz zum Französischen als besonders radikal und verletzend erfährt, überführt Cixous, so war zu zeigen, die traumatisierende Kindheitserinnerung einer in gleich zwei Kulturkreisen als Fremde wahrgenommenen Jüdin in ein autonomes Spracherleben, das jenseits von Nationalismen und Homogenisierungsansprüchen freie Entfaltung finden kann. Als in hohem Maße förderlich bei der Entwicklung eines solchen Sprachempfindens haben sich der prägende Einfluss des sprachbewanderten Elternhauses sowie die affektive Bindung an die aus Deutschland nach Algerien geflüchtete Großmutter herausgestellt. 19 Mit der Aufhebung des Crémieux-Dekrets werden Cixous und Derrida dem Paradox einer Intrusion unterworfen, der keinerlei räumliche Grenzüberschreitung voranging. Diese Situation einer qua Gesetz stipulierten innergesellschaftlichen Verbannung umschrieb Stora mit dem Oxymoron des inneren Exils. Bei beiden Intellektuellen bildet der ihnen zur Last gelegte Verstoß gegen die von Vichy neu definierte normative Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 9 Ordnung den Grundstein ihres Denkens. Indem sie das sprachliche und soziale Beziehungsgefüge des Individuums zur Gruppe kritisch hinterfragen, werden Cixous und Derrida – ganz im Sinne Reich-Ranickis – in gewisser Weise selbst zu „Ruhestörern“ (Reich-Ranicki, 1973: 16). Für beide lässt sich folglich ein produktives Folgemoment der Intrusion diagnostizieren. Unterschiedlich aber verhält es sich mit der Frage nach der sprachphilosophischen Rekonstruktion beziehungsweise Aufarbeitung der erlebten Stigmatisierung: Wo Derridas im Spannungsfeld unterschiedlicher kultureller Referenzsysteme situierte Selbstentwurf jedweder Einverleibung des Französischen, der Sprache der Kolonialmacht, widerstrebt, plädiert Cixous für einen Monolinguismus, der die ihr vermachten Sprachen als ein supranationales Sprachkonglomerat imaginiert und der Zerrissenheit ihrer als unheilbar krank diagnostizierten Heimat (Cixous, 2000a: 41) ein Humanitätsideal entgegensetzt: „Du polylinguisme je dirais qu’il serait le premier degré d’une langue libre. […] Ensuite il faut atteindre la région où une langue parle d’une langue à l’autre, refait une langue multicolore multilingue“ (Cixous, 2016a: 95-96). Zwar konnte der Figur des Eindringlings bei Cixous und Derrida ein gemeinsamer Sitz im Leben zugewiesen werden, der von der spezifischen Exilsituation des im kolonisierten Algerien beheimateten Juden her zu deuten war. Jenseits dieses sozio-biografischen Berührungspunkts aber trennen sich ihre sprachphilosophischen Betrachtungen an jenem Scheideweg, wo Derrida die dem Französischen intrinsisch eingeschriebene Alterität nicht zu bezwingen vermag und die im eigenen Land erlebte Exilerfahrung auf die Beziehung zu seiner Muttersprache projiziert. Im Gegensatz zu Derrida lässt sich bei Cixous kein derartiges Verschiebungsphänomen vernehmen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, kontrastiert sie doch die sozial erlebte Andersartigkeit mit einem auf die Ebene der Sprache verlagerten identitären Gegenentwurf, der sie als vollgültiges Mitglied einer (Sprach– )Gemeinschaft ausweist und sie im Brustton der Überzeugung sagen lässt: „Je suis en français“ (Cixous, 2016a: 83). Was ehemals dem Eindringling verwehrt blieb – die Zugehörigkeit zu einem geschlossenen nationalen Ganzen – erlangt nunmehr Gültigkeit durch die semantische Neubesetzung des Kollektivs. BIBLIOGRAPHIE Ageron, Charles-Robert (19909): Histoire de l’Algérie contemporaine (1830-1988), Paris. Arendt, Hannah (1994): Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken, München. Assmann, Jan (1988): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt/Main. Berrada, Taïeb (2016): La figure de l’intrus. Représentations postcoloniales maghrébines, Paris. Calle-Gruber, Mireille (1994): Portrait de l’écriture, in: Hélène Cixous, Mireille Calle-Gruber: photos de racines, Paris, S. 135–176. Cixous, Hélène, Cécile Wajsbrot (2016a): Une autobiographie allemande, Paris. Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 10 Cixous, Hélène (2016b): Gare d’Osnabrück à Jérusalem, Paris. Cixous, Hélène (2010): Le rire de la Méduse et autres ironies, Paris. Cixous, Hélène (2000a): Les rêveries de la femme sauvage: scènes primitives, Paris. Cixous, Hélène (2000b): Le jour où je n’étais pas là, Paris. Cixous, Hélène (1994): Albums et légendes, in: Hélène Cixous, Mireille Calle-Gruber, photos de racines, Paris, S. 177–207. Derrida, Jacques (2003): Abraham, l’autre, in: Joseph Cohen, Raphael Zagury-Orly: Judéités. Questions pour Jacques Derrida, Paris, S. 11–42. Derrida, Jacques, Elisabeth Roudinesco (2001): De quoi demain… Dialogue, Paris. Derrida, Jacques (1999): Sur parole. Instantanés philosophiques, La Tour d’Aigues. Derrida, Jacques (1996): Le monolinguisme de l’autre ou la prothèse d’origine, Paris. Favrod, Charles-Henri (1959): La révolution algérienne, Paris. Huyssen, Andreas (2009): Transnationale Verwertungen von Holocaust und Kolonialismus, in: Elisabeth Wagner, Burkhardt Wolf (Hg.), VerWertungen von Vergangenheit, Berlin, S. 30–50. Regard, Frédéric (2010): Préface. AA!, in: Hélène Cixous, Le rire le la méduse et autres ironies, Paris, S. 9–22. Reich-Ranicki, Marcel (1973): Über Ruhestörer: Juden in der deutschen Literatur, München. Reid, Martine (2015): Le Temps du ‚Rire de la Méduse‘, in: Frédéric Regard, Martine Reid (Hg.), Le rire le la méduse: regards critiques, Paris, S. 11–22. Stora, Benjamin (2015): Les clés retrouvées: une enfance juive à Constantine, Paris. Stora, Benjamin (2006): Les trois exils, juifs d’Algérie, Paris. Trabant, Jürgen (2008): Was ist Sprache?, München. Tillion, Germaine (2005): Les ennemis complémentaires, Paris. von Treskow, Isabella (2016): Fremdheitserfahrung und Fremdheitseffekte bei Natascha Wodin und Hélène Cixous, in: Heribert Tommek, Christian Steltz (Hg.), Vom Ich erzählen. Identitätsnarrative in der Literatur des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/Main. Wicky-Vogt, Maja (2014): Erbschaften ohne Testament. Über Freiheit und Unfreiheit im persönlichen Werden. Essays zu einer dialogischen Kultur, Zürich. NOTES 1. Die französische Ethnologin Germaine Tillion etwa sprach von einem „immense conglomérat d’identités culturelles étiré entre les frontières du Maroc et de la Tunisie et appelé Algérie sur les cartes“ (Tillion, 2005: 163). 2. „Es geht in der politisch-sozialen Situation vor der Unabhängigkeit 1962 um das paradoxe Recht auf Anerkennung als jemand, der qua Nationalität zu den Repressoren gehört, ohne von der nationalfranzösischen Mehrheit akzeptiert zu werden“ (von Treskow, 2016: 221). 3. Der Begriff verweist auf den im Zuge der französischen Frauenbewegung der 1970er Jahre von Autorinnen wie Luce Irigaray, Julia Kristeva, Monique Wittig und Catherine Clément mit entwickelten Modus des Schreibens, der sich als Träger eines neuen weiblichen Selbst- und Weltbilds verstand. Innerhalb des 1974 von Cixous gegründeten doctorat en Études Féminines wird Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 11 diese spezifisch weibliche Schreibpraxis auch eine universitäre Verankerung finden: „Écrire? – Oui. C’est le moyen d’investigation le plus intime, le plus puissant, le plus économique, le supplément le plus magique, le plus démocratique“ (Cixous, 2010: 25). 4. Der Philosoph Jacques Derrida wird 1930 als Sohn jüdischer Eltern und französischer Staatsbürger in einem Vorort von Algier geboren. 5. Als „Alltagsform des kollektiven Gedächtnisses“ bezeichnet das kommunikative Gedächtnis die auf drei bis vier Generationen beschränkte Weitergabe individueller Lebenserfahrungen (Assmann, 1988: 11). 6. Trabant bezeichnet sie als „Grundereignis seiner [Derridas] sprachlichen Biographie“ (Trabant, 2008: 235). 7. Die sprachpolitischen Ziele der französischen Kolonialpolitik äußern sich nachdrücklich in der Tatsache, dass 1938 per ministeriellem Dekret dem Arabischen der Status einer Fremdsprache zugewiesen wurde (Favrod, 1959: 55). 8. Den Beginn des ersten inneren Exils datiert Stora auf das Jahr 1870, als sich die Juden aufgrund der ihnen ermöglichten juristischen Besserstellung von der muslimischen Bevölkerung samt deren Lebensstil mehr und mehr entfremdeten (Stora, 2006: 13). 9. Eine vergleichbare Nicht-Ankunft beschreibt Cixous an anderer Stelle mit folgenden Worten: „Tout le temps où je vivais en Algérie mon pays natal en ne cessant pas d’aller à l’école puis au lycée comme en exil, je rêvais d’arriver un jour en Algérie pourtant mon propre pays natal […]“ (Cixous, 2000b: 26). 10. Mit dieser Begrifflichkeit orientiere ich mich an Huyssen, 2009. RÉSUMÉS Obschon Cixous’ umfangreiches Œuvre hierzulande bislang kaum Beachtung fand, wurden jüngst zwei ihrer autobiografischen Texte – Gare d’Osnabrück à Jérusalem und Autobiographie allemande (beide 2016) – ins Deutsche übersetzt. Dieses neu geweckte Rezeptionsinteresse zeugt von der ungebrochenen Aktualität einer écriture féminine, die sich entlang der eigenen Biografie mit vielerlei Formen von Diskriminierung auseinandersetzt. Im vergleichenden Blick auf Jacques Derrida, der die Zugehörigkeit zur französischen Sprache unter das Stigma der Enteignung stellt, soll das transkulturelle Sprachen- und Identitätsverständnis der Autorin als wichtige Ressource im Umgang mit unterschiedlichen Exklusionsphänomenen reflektiert werden. Malgré le faible écho que suscite outre-Rhin l’œuvre cixousienne, deux textes autobiographiques récents de l’auteure – Gare d’Osnabrück à Jérusalem et Autobiographie allemande (parus tous deux en 2016) – sont depuis peu disponibles en traduction allemande. Cet intérêt nouveau témoigne de l’actualité persistante d’une ‘écriture féminine’ qui, dans un souci autobiographique, explore les multiples manifestations de la discrimination. En confrontant l’œuvre d’Hélène Cixous à celle de Jacques Derrida, qui plaça son appartenance à la langue française sous le stigmate de l’expropriation, l’article cherche à montrer dans quelle mesure la conception transculturelle des langues et de l’identité développée par l’auteure peut constituer un recours fécond à différents phénomènes d’exclusion. Trajectoires, 13 | 2020
Une Allemagne en Algérie: Sprache(n) und Erinnerungskultur im Werk Hélène Cix... 12 INDEX Mots-clés : études postcoloniales, études féminines, identité juive, culture mémorielle Index géographique : Algérie, Allemagne, France Index chronologique : entre-deux-guerres, Seconde Guerre mondiale, après-guerre Schlüsselwörter : Postkolonialismus, Gender Studies, jüdische Identität, Erinnerungskultur AUTEUR MELANIE KOCH-FRÖHLICH Dr. phil., Romanistik, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, melanie.froehlich@romanistik.uni- freiburg.de Trajectoires, 13 | 2020
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