HIGH-TECH MEETS HIGH-TOUCH: DIE DIENSTLEISTUNGSWENDE ALS CHANCE FÜR DIE WERTSCHÖPFUNG UND BESCHÄFTIGUNG DER ZUKUNFT - FIR an der RWTH Aachen
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HIGH-TECH MEETS HIGH-TOUCH: DIE DIENSTLEISTUNGSWENDE ALS CHANCE FÜR DIE WERTSCHÖPFUNG UND BESCHÄFTIGUNG DER ZUKUNFT ENTWICKLUNGSLINIEN, FORSCHUNGSFELDER UND EMPFEHLUNGEN FÜR DIE DIENSTLEISTUNGSFORSCHUNG Tilo Böhmann | Universität Hamburg Angela Roth | Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Gerhard Satzger | Karlsruher Institut für Technologie Christian Grotherr | Universität Hamburg Martin Schymanietz | Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Clemens Wolff | Karlsruher Institut für Technologie Carina Benz | Karlsruher Institut für Technologie Svenja Falk | Universität Giessen / Accenture Jana Frank | FIR e. V. an der RWTH Aachen Walter Ganz | Fraunhofer IAO Christiane Hipp | Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg Jan Marco Leimeister | Universität Kassel Volker Stich | FIR e. V. an der RWTH Aachen 2020
Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung....................................................................................................................................................................... 3 2. Dienstleistungsforschung und Dienstleistungswirtschaft.................................................................................................... 5 » Internationaler Status quo der Dienstleistungsforschung.............................................................................................................................. 5 » Akademische Kompetenzen am Standort Deutschland............................................................................................................................................. 6 » Dienstleistungswirtschaft international und national........................................................................................................................................ 7 3. Vision Dienstleistungswende...................................................................................................................................................... 8 » I. Die Logik von Dienstleistungen fordert eine konsequente Orientierung am Nutzen für Kund*innen und Bürger*innen, die durch Digitalisierung neu umsetzbar wird......................................................................................................................... 8 » II. Dienstleistungen zeichnen sich durch interaktive Wertschöpfung aus, die erst durch Digitalisierung ermöglicht und skalierbar wird....................................................................................................................................................................................... 8 » III. „Everything-as-a-Service“ ist der Kern diskontinuierlicher digitaler Wertschöpfungsmodelle............................................ 8 » IV. Dienstleistungsforschung fördert die digitale Innovation und Transformation in bürgernahen, beschäftigungs- starken und systemrelevanten Dienstleistungsbranchen.............................................................................................................................. 10 4. Chancen & Forschungsfelder......................................................................................................................................................11 » Forschungsfeld 1: Wertschöpfungsinnovation braucht ein neues Verständnis von Qualität....................................................... 13 » Forschungsfeld 2: Dienstleistungssinnovation und -wertschöpfung erfordern ein besseres Verständnis von Mechanismen in Ökosystemen..................................................................................................................... 15 » Forschungsfeld 3: Wettbewerbsfähige Dienstleistungen mit Wirkung benötigen eine konsequente Nutzerorientierung................................................................................................................................................17 » Forschungsfeld 4: Interaktive Wertschöpfung muss als Gestaltung der Triade Dienstleistung, Arbeit und Künstlicher Intelligenz verstanden werden....................................................................................................................................22 » Forschungsfeld 5: Innovation und Resilienz in beschäftigungsstarken und systemrelevanten Branchen muss gestärkt werden....................................................................................................................................... 25 » Forschungsfeld 6: Dienstleistungsinnovation benötigt kontinuierliche, experimentelle und partizipative Entwicklungsmethoden............................................................................................................................................ 28 5. Strukturelle Handlungsempfehlungen................................................................................................................................... 30 » Forschung & Förderung im Kleinen – Experimente und Pilotierungen erfordern flexible Förderformate und den Abbau von Eintrittsbarrieren.................................................................................................................... 30 » Forschung & Förderung im Großen – Forschungscluster sind für den Aufbau und Verstetigung von Wertschöpfungsinnovationen notwendig..................................................................................... 31 6. Hintergrund Projekt DL2030.................................................................................................................................................... 33 » Problemlage.......................................................................................................................................................................................................................... 33 » Projektziel............................................................................................................................................................................................................................... 33 » Vorgehensweise.................................................................................................................................................................................................................. 33 » Projektkonsortium und Kontakt��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 34 7. Literatur........................................................................................................................................................................................ 36 High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 2
1. Zusammenfassung Zukunft der Wertschöpfung VID-19-Pandemie die nationale Leistungsfähigkeit auf: Ei- nerseits werden die Grenzen der Resilienz systemrelevanter Die Weltwirtschaft steht vor einschneidenden Verände- Branchen wie Gesundheit, Handel und Bildung deutlich, an- rungen: Künstliche Intelligenz gestaltet Prozesse neu, die dererseits aber auch die Chancen der Konvergenz der digi- Datenökonomie bringt neue Geschäftsmodelle hervor, Ver- talen und physischen Welt. In der Realisierung genau dieser netzung schafft Möglichkeiten zur Globalisierung und die Chancen liegt die Hauptherausforderung für den Standort Notwendigkeit für Nachhaltigkeitsbestrebungen führt zu Deutschland. neuen Werten in der Gesellschaft. Gleichzeitig offenbaren der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie die Die vorliegende Studie greift eine zentrale Debatte über die COVID-19-Pandemie schonungslos die Schwächen des glo- Kompetenzen der Dienstleistungsforschung zur Gestaltung balen sowie nationalen Wertschöpfungssystems und zeigen der „Wertschöpfung von morgen“ auf. Das prognostizierte das Szenario einer globalen „Bifurkation“ auf (Rapp 2020). Wachstum gehandelter Dienstleistungen um 31 % zwischen Diese Fragmentierungen belasten die deutsche Wirtschaft 2019 und 2025 (von 6,1 auf 8,0 Billionen US-Dollar) lässt den und stellen die vorherrschende Wertschöpfung in Frage. Sie beschäftigungsintensiven Dienstleistungsmarkt weiter an bietet zugleich aber auch die Chance für eine Neuausrich- Bedeutung gewinnen (Western Union Company 2020). Ins- tung der bisherigen Sicht auf Produktion, Dienstleistung besondere digitale Dienstleistungen werden – nicht zuletzt und Arbeit, die die „Zukunft der Wertschöpfung“ maßgeb- verstärkt durch die COVID-19-Pandemie – einen enormen lich prägen wird. Aufschwung erfahren. Das Ziel der Untersuchung ist es da- her, Forschungsfelder aufzuzeigen, die die deutsche Wirt- schaft, die künftige Arbeitswelt und das Miteinander der „Digitale Dienstleistungen als Erfolgsfaktor für die Wert- Bürgerinnen und Bürger maßgeblich beeinflussen werden. schöpfung der Zukunft“ – Das Projekt DL2030 Die Untersuchungsergebnisse zeigen auf, wie künftige For- schungsaktivitäten nicht nur die Dienstleistungswirtschaft, Das Wettrennen um die Technologieführerschaft und die sondern in allen Branchen einen Beitrag leisten können. Da- Digitalisierung entfalten ihre Wirkung in allen Branchen für hat das Projektkonsortium gemeinsam mit dem Projekt- – angefangen von der Automobilindustrie am Beispiel von träger Karlsruhe zahlreiche nationale und internationale Ex- Tesla über die Monopolisierung von Handelsplattformen pertinnen und Experten aus Forschung und Praxis befragt, wie Amazon bis hin zu neuen Medienimperien, die durch existierende Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Lite- Beispiele wie Facebook, TikTok oder Netflix den privaten ratur analysiert und die resultierenden Ergebnisse wissen- Alltag der Bürger*innen prägen. Gleichzeitig zeigt die CO- schaftlich aufgearbeitet und konsolidiert. Das Ergebnis der High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 3
Studie sind die in Abbildung 1 beschriebenen Entwicklungs- den Risiken zu beherrschen: Konkret kommen neue linien, Forschungsfelder und Handlungsempfehlungen. Dienstleistungskompetenz und Digitalisierung in sechs Forschungsfeldern zusammen, in denen gezielte For- » 4 Entwicklungslinien (I – IV), entlang derer neue Wert- schung ebenso wie beherztes Handeln von Forschung, schöpfungsmodelle entstehen und die maßgeblich durch Wirtschaft und Politik im Verbund erst „moderne“ Wert- Dienstleistungskompetenz getrieben werden – plakativ: schöpfung ermöglicht und deutsche Dienstleistungen „High Tech meets High Touch“. Dienstleistungen reprä- wettbewerbsfähig macht – nicht nur im traditionellen sentieren heute den bedeutendsten Wirtschaftssektor in Dienstleistungssektor, sondern zunehmend auch in pro- Deutschland. Die Digitalisierung verändert die Sektoren duktorientierten Branchen („Servitization“). in rasantem Tempo und Dienstleistungskompetenz wirkt zunehmend in allen Branchen. Wenn Deutschland die Zu- » 4 Empfehlungen (A – D) für die Forschungsförderung kunft aktiv gestalten will, müssen Politik, Wissenschaft wurden entwickelt, die die inhaltlichen Ausprägungen der und Wirtschaft jetzt tätig werden. Der Schlüssel für die Forschungsfelder ( „Was?“) um zukunftsfähige Formate wettbewerbsfähige „Wertschöpfung von morgen“ ist der Förderung („Wie?“) ergänzen: Soll öffentliche Förde- entschlossenes und gemeinsames Handeln in Forschung rung die entsprechende Neuausrichtung der Dienstleis- und Umsetzung, um vier prioritären Entwicklungslinien tungsforschung beschleunigen und verstärken, müssen gerecht zu werden. sich Forschungsformate zusammen mit den Inhalten wandeln. Forschungspolitisch sind wichtige Weichen » 6 Forschungsfelder (1 – 6) verdeutlichen, wie eine zu- zu stellen, um der Innovationsgeschwindigkeit gerecht kunftsorientierte Dienstleistungsforschung beitragen zu werden und Unternehmen als Träger der Wertschöp- kann, die Chancen für Gesellschaft und Wirtschaft fungsinnovation von morgen zu fördern. zu realisieren und gleichzeitig die damit einhergehen- Digitale Innovation & Transformation - IV Bürgernaher & systemrelevanter Dienstleistungsbranchen I Forschungsfelder: Werte- Dienstleistungskompetenz orientiert Nutzung und Wirkung Innovations- motor Ökosysteme & Innovations-& Interaktion & Wertschöpfung- Entwicklungs- Hybridisierung II modelle methoden Interaktive Humanzentriert Wertschöpfung Diskontinuierliche - III Wertschöpfung Digitale Innovation & Transformation Abbildung 1: Zusammenfassung der Entwicklungslinien (I – IV) und Forschungsfelder (1 – 6) für die künftige Dienstleistungsforschung High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 4
2. Dienstleistungsforschung und Dienstleistungswirtschaft Internationaler Status quo der Dienstleistungsforschung 2010 rückläufig. Auch thematisch sind unterschiedliche na- Kurzzusammenfassung tionale Schwerpunkte erkennbar: Während die Forschung Die Kernkompetenz der deutschen Dienstleistungsfor- in Asien v.a. technologische Themen, Effizienzsteigerung schung liegt im Bereich der Dienstleistungsgestaltung und den Einsatz von Algorithmen in den Blick nimmt, liegt („Service Design“) und -innovation. In den letzten Jahren die Kernkompetenz deutscher Forschender im Bereich des lässt sich jedoch beobachten, dass der internationale Service Designs und der Dienstleistungsinnovation. Die- Wettbewerb in diesen Themen härter wird und, gemes- se Kompetenz kann auch in Zukunft maßgeblich dazu bei- sen an den Publikationszahlen, der deutsche Vorsprung tragen, dass technologische Fortschritte konsequent und schwindet – insbesondere mit Blick auf zunehmende nachhaltig in neue Dienstleistungsangebote und -systeme Anstrengungen im asiatischen Raum. Verstärkt zu beob- übertragen werden. Einerseits bietet dieser Fokus Potenzial achten ist das Konzept der interaktiven Wertschöpfung zur internationalen Positionierung deutscher Forschungs- („Value Co-Creation“), die auf „smarte“ und vernetzte aktivitäten, andererseits besteht auch das Risiko, in ande- Dienstleistungen abzielt. Durch neue Technologien än- ren Gebieten, vor allem in technologischen Themen, den dert sich unsere Art der Kommunikation, der Interakti- internationalen Anschluss zu verlieren. on und der Wertschöpfung grundlegend. Gleichzeitig erlangen Dienstleistungs-Ökosysteme durch neuartige und disruptive Wertschöpfungsmodelle eine immer grö- Den Kern der Dienstleistungsforschung ßere Relevanz. Basierend auf diesen Beobachtungen bilden Modelle zur interaktiven Wertschöpfung und Erkenntnissen wird es für die nationale Dienstleis- tungsforschung elementar, die Kernkompetenz der Ge- Die Idee, dass Wertschöpfung immer durch die Zusammen- staltung von Dienstleistungen mit dem immer wichtiger arbeit und im Austausch zwischen zwei oder mehreren Par- werdenden Konzept der interaktiven Wertschöpfung zu teien stattfindet, die ihre Ressourcen (z. B. Kompetenzen, vereinen. Wissen, etc.) zu beiderseitigem Vorteil einsetzen, verbin- det die Dienstleistungsforschungsgemeinschaft (Satzger et al. 2010). Dies bedeutet, dass Wertschöpfung als eine Interaktion verschiedener Parteien und nicht als Transak- tion zwischen diesen verstanden wird. Dementsprechend Zur Erfassung des Status quo werden wissenschaftliche prominent präsentieren sich Schlagwörter in den zentralen Informationsquellen im Projekt DL2030 systematisch aus- Publikationsoutlets, die den Gedanken der Co-Kreation und gewertet. Dabei wurden erstmals über 500.000 wissen- Kollaboration widerspiegeln. Gleichzeitig fordern intelligen- schaftliche Publikationen erfasst, kategorisiert und entlang te und vernetzte Dienstleistungen Neuerungen in der Wert- einer zeitlichen sowie inhaltlichen Dimension aufgearbeitet. schöpfungslogik erkennbar z. B. an den hohen Wachstums- Um eine ganzheitliche Abbildung des Forschungsfeldes in raten in den Themengebieten „Internet of Things“, „Smart dieser Größenordnung zu gewährleisten, wurde im Projekt Services“, „Machine Learning“ und „Artificial Intelligence“. auf innovative Methoden des maschinellen Lernens zurück- Dienstleistungs-Ökosysteme stellen konsequenterweise gegriffen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich das, gemessen an der Zahl an Publikationen, in den letz- in folgenden drei Kernaussagen zusammenfassen: ten drei Jahren mit am stärksten wachsende Thema in der Dienstleistungsforschung dar. Damit gewinnt aktuell eines der Kernthemen der Dienstleistungsforschung, die inter- Deutschland weist eine hohe Kompetenz im Bereich aktive Wertschöpfung, zunehmend an Bedeutung. Deren der Dienstleistungsgestaltung und -innovation auf Im internationalen und zeitlichen Vergleich werden welt- weite Unterschiede in den Forschungsaktivitäten am Bei- Was ist … spiel der Publikationszahlen deutlich: Während bis 2004 Interaktive Wertschöpfung? vornehmlich US-amerikanische Forschungsinstitute die Interaktive Wertschöpfung („Value Co-Creation“) ist Dienstleistungsforschung prägten, verzeichnen wir seit charakterisiert durch den Austausch von Ressourcen 2014 einen Aufwärtstrend der Forschungsaktivitäten so- (z. B. Wissen, Kompetenzen, Fähigkeiten, etc.) zwischen wie entsprechender Publikationen im asiatischen Raum; in mehreren Akteuren zu beiderseitigem Vorteil im Rahmen Deutschland und den USA hingegen sind die Aktivitäten, von Wertschöpfungsaktivitäten. gemessen an Publikationen im Dienstleistungsbereich, seit High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 5
munizieren, zu interagieren und Wert zu schaffen. Damit Was sind … werden sie die Art und Weise der Wertschöpfung radikal Ökosysteme? verändern. Unter Ökosystemen verstehen wir sich selbst anpassende Systeme von Akteuren, in denen – geleitet durch gemeinsame Logiken und gegenseitigen Ressourcenaustausch – Wertschöpfung stattfindet. Akademische Kompetenzen am Standort Deutschland Übertragung auf das Design von Dienstleistungs-Ökosys- temen in der Praxis wird eine der zentralen Herausforde- Der Standort Deutschland zeichnet sich durch ein breites rungen für zukünftige Forschung sein. akademisches Kompetenznetzwerk von Forschungsin- stituten, Universitäten und Hochschulen aus. Hierbei be- schränkt sich dieses Kompetenznetzwerk nicht nur auf Technologien für verteilte Zusammenarbeit wenige „Spitzenuniversitäten“, sondern wird durch die For- bieten Potenzial für Dienstleistungssysteme schungsförderung diverser Ministerien auch in der Breite gefördert. Dies bedeutet, dass durch die Förderprogram- Wertschöpfung findet nicht nur zunehmend in Dienstleis- me des Bundes auch kleinere Institutionen ihren Teil zur tungs-Ökosystemen generell, sondern vor allem in digita- Dienstleistungsforschung beitragen können. Insgesamt len Dienstleistungs-Ökosystemen statt. Die strukturierte bietet diese breite Basis im Themenfeld der Dienstleis- und automatisierte Literaturrecherche zeigt deutlich, dass tungsforschung großes Potenzial für zukünftige Aktivitä- aktuelle Publikationen einen klaren Bezug zu technologi- ten, die auch dazu dienen sollen, die international sehr gute schem Fortschritt haben. Vor allem Themen rund um das Ausgangsposition nicht zu verlieren und in diesem elemen- Internet of Things, die Distributed Ledger Technology, das taren Bereich der Wertschöpfung nicht ins Hintertreffen Fog und Edge Computing sowie das 5G-Mobilnetz sind pro- zu geraten. Einen wichtigen Beitrag zur Positionierung der minent vertreten. Genau diese Technologien sind Treiber für Dienstleistungsforschung können hierbei eine zielführen- dezentrale und vernetzte Systeme, so wie sie die Dienst- de Vernetzung der Akteure, beispielsweise in Form eines leistungsforschung unter dem Begriff der Dienstleistungs- Forums für die deutsche Dienstleistungsforschung oder Ökosysteme subsumiert. Daher werden die technologischen durch die Herbeiführung eines Dialogs zwischen Öffent- Fortschritte bisher nie dagewesene Möglichkeiten bieten, lichkeit und Wissenschaft mit entsprechenden Formaten innerhalb digitaler Dienstleistungs-Ökosysteme zu kom- bieten. Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren - in % aller Erwerbstätigen 80 Primärer Sektor 60 Sekundärer Sektor 40 20 Tertiärer Sektor 0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Abbildung 2: Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 6
Dienstleistungswirtschaft „Viel zu lange wurde die weltweite Dienstleistungsbran- international und national che unterbewertet und ihre Bedeutung unterschätzt. […] Die ökonomischen Auswirkungen von COVID-19 werden noch über Jahre zu spüren sein. Wir können jedoch deut- Mit einem Anteil von über 69 % der Wertschöpfung und lich erkennen, dass diejenigen Regionen und Branchen, über 74 % der Beschäftigen stellt der Dienstleistungs- die den Wert internationaler Dienstleistungen erkennen sektor das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands dar und zu schätzen wissen, sich in einer besseren Position (Statistisches Bundesamt 2020a). Diese wirtschaftliche für die Realisierung zukünftiger Erfolge und schließlich Bedeutung ist das Resultat eines jahrelangen Trends, der einer Erholung befinden werden.“ (Western Union Com- noch immer anhält. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der pany 2020, p. 46)“ Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren. – Andrew Summerill, Während der primäre und sekundäre Sektor in den letzten President Payments bei Western Union. 50 Jahren an wirtschaftlicher Bedeutung verloren hat, stieg die Zahl an Erwerbstätigen im tertiären Bereich stetig an – und ein Ende des Anstiegs ist noch nicht in Sicht. Laut einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag von einem Prozent, während Chinas Dienstleistungswirt- gegebenen Studie wird deutlich, dass die Anzahl an Er- schaft im gleichen Zeitraum um 10 % wuchs. Laut einer werbstätigen im Dienstleistungsbereich in Zukunft weiter Studie der Weltbank machen „Value added Services“ in zunehmen wird (Vogler-Ludwig et al. 2016). Deutschland einen prozentualen Anteil von 62 % des BIPs aus. Damit liegt Deutschland nur im hinteren Mittelfeld Trotz des hohen Beschäftigungsanteils liegt die wirt- führender Nationen wie beispielsweise China (54 %), Japan schaftliche Leistung Deutschlands im tertiären Sektor im (69 %), Frankreich (70 %), Großbritannien (71 %) oder den Durchschnitt Europas. Länder wie Großbritannien (83 %), USA (77 %) (The World Bank 2019). Frankreich (80 %) und Schweden (78 %) weisen einen deutlich höheren Anteil an Erwerbstätigen im tertiären Aufgrund dieser Entwicklungen lässt sich davon ausge- Sektor als Deutschland (74 %) auf. Im Gegensatz dazu hen, dass der deutsche Dienstleistungssektor im Moment weisen vor allem osteuropäische Länder wie Polen (59 %), im internationalen Vergleich gut positioniert ist. Aufgrund Bulgarien (57 %) und Rumänien (46 %) ein deutlich gerin- der deutlich höheren Wachstumsraten anderer Staaten geres Ausmaß an Tertiarisierung auf (Schwahn et al. 2018). läuft der deutsche Dienstleistungssektor jedoch Gefahr, im internationalen Vergleich an Bedeutung zu verlieren. Während in den meisten europäischen Ländern seit vielen Am Aufkommen und der erfolgreichen Entwicklung aus- Jahren das Wertschöpfungsvolumen im Dienstleistungs- ländischer Dienstleister wie Amazon und Alibaba wird die sektor nur im geringen Maße zunimmt, erfahren viele Staa- Gefahr dieser Entwicklung deutlich. Um in anderen Bran- ten weltweit ein deutlich größeres Wachstum. Innerhalb chen nicht auch an Bedeutung zu verlieren, sind weitere der vergangenen Dekade verzeichnete die Wertschöpfung Anstrengungen insbesondere im Bezug zur Digitalisierung der deutschen Dienstleistungswirtschaft einen Anstieg notwendig. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 7
3. Vision Dienstleistungswende gen an. Nur was ihnen hilft, was sie voranbringt, ist wirklich Die Vision in einem Absatz: Wertschöpfung. Was bisher manchmal Lippenbekenntnis Im Jahr 2030 verfügen Unternehmen und öffentliche blieb, lässt sich durch die Chancen der Digitalisierung viel Körperschaften über das Wissen, wie digitale Wert- weitreichender umsetzen: Jede*r Nutzer*in bekommt eine schöpfung international wettbewerbsfähig gestaltet individuelle Lösung – wann, wie und wozu er/sie will und wird. Sie können Leistungen für Kunden in Echtzeit in- zu einem individuellen Preis. Alles wird perspektivisch dividuell zuschneiden und im Verbund mit Partnern neu- zur individualisierten, kontextualisierten Dienstleistung, artige Problemlösungen umsetzen, die gleichzeitig zur die nutzungsbasiert abrechenbar und skalierbar ist. Die Erreichung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ziele Dienstleistungsforschung analysiert, wie Wertschöpfung beitragen. Unternehmen nutzen die Chancen der digi- konsequent auf Nutzung und Wirkung ausgerichtet wird talen Welt, um Wertschöpfung um einen hoch flexiblen – nicht nur in Bezug auf einzelne Nutzer*innen, sondern Kern von Software und Daten herum zu konstruieren. auch im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Ziele. So verschmilzt Innovation mit dem laufenden Betrieb zu Dienstleistungsforschung will verstehen, wie Wertschöp- einem Weg kurzzyklischer Erneuerung im realen Markt fungsmodelle gleichzeitig an gesellschaftlichen Zielen wie und ermöglicht den digitalen Betrieb einer physischen nachhaltiger Ressourcenverwendung, Dekarbonisierung Welt. Unternehmen befähigen ihre Mitarbeiter*innen und sozialen Standards orientiert und wirtschaftlich er- durch digitale Assistenten, mit Kunden gemeinsam folgreich werden können. Nutzen stiftende Ergebnisse und emotional wertvolle Erfahrungen zu schaffen. Und Unternehmen verstehen, Wie müssen wir dafür neu definieren und messen, was wir in digitalen Ökosystemen Kompetenzen aufzubauen, unter Qualität von Wertschöpfung verstehen? Welche Ak- durch die Wertschöpfung international skaliert und wirt- teure müssen für neue Lösungen zusammenwirken? Wel- schaftlich hoch erfolgreich werden kann. Unternehmen chen Beitrag können Kund*innen und Nutzer*innen selbst aller Branchen können für Wertschöpfungsinnovation leisten? auf verlässliche und integrierbare digitale Dienste zu- rückgreifen. Dieses Gestaltungswissen ermöglicht die Dienstleistungswende: Unternehmen und Institutionen aus Deutschland erobern internationale Spitzenpositio- II. Dienstleistungen zeichnen sich durch interaktive nen mit digitalen Dienstleistungssystemen. Und in tra- Wertschöpfung aus, die erst durch Digitalisierung ditionellen Dienstleistungsbranchen mit hoher Relevanz ermöglicht und skalierbar wird. für Bürger*innen gelingt der Neustart für international erfolgreiche Innovation „Created in Germany“. Nur durch Interaktion gelingen individuelle Leistungen. So können Werteversprechen eingelöst und ein positives Kun- denerlebnis geschaffen werden. Dabei geht es nicht nur um Funktion, sondern auch um Emotion. Dienstleistungsfor- schung erarbeitet Gestaltungswissen, wie durch die Mög- Wir nennen diese Vision die Dienstleistungswende. Da- lichkeiten der Digitalisierung völlig neuartige interaktive für sprechen vier Entwicklungslinien der Dienstleistungs Wertschöpfungsprozesse gestaltet werden können. forschung, die diese Vision Wirklichkeit werden lassen können (siehe Abbildung 3, I – IV). Während die ersten drei Wie können solche Prozesse und die Arbeit darin durch Assis- Entwicklungslinien (I – III) sich der fundamental ändernden tenzsysteme und hybride Intelligenz aufgewertet werden? Wie Wertschöpfungslogiken über alle Branchen hinweg anneh- können sie transparent und nachvollziehbar gestaltet werden? men, konzentriert sich die vierte Entwicklungslinie (IV) auf Wie gelingt das Zusammenspiel qualifizierter Mitarbeitender, digitale Innovation und digitale Transformation insbeson- Kund*innen und digitaler Systeme bestmöglich? dere in bürgernahen und systemrelevanten Dienstleis- tungsbranchen. III.. „Everything-as-a-Service“ ist der Kern diskontinuierlicher digitaler Wertschöpfungsmodelle. I. Die Logik von Dienstleistungen fordert eine konsequente Orientierung am Nutzen für Kund*innen und Bürger*innen, Digitale Wertschöpfungsmodelle werden als diskontinu- die durch Digitalisierung neu umsetzbar wird. ierlich erlebt, weil sie mit Ansichten des Wettbewerbs über traditionelle Produkte und Dienstleistungen brechen. Neben Wertschöpfung aus Sicht von Dienstleistungen setzt kon- der konsequenten Wirkungs- und Nutzerzentrierung erlaubt sequent bei den Kund*innen und Nutzer*innen der Leistun- es die Digitalisierung, Wertschöpfung um einen hoch flexi- High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 8
Digitale Innovation & Transformation - IV Bürgernaher & systemrelevanter Dienstleistungsbranchen I Forschungsfelder: Werte- Dienstleistungskompetenz orientiert Nutzung und Wirkung Innovations- motor Ökosysteme & Innovations-& Interaktion & Wertschöpfung- Entwicklungs- Hybridisierung II modelle methoden Interaktive Humanzentriert Wertschöpfung Diskontinuierliche - III Wertschöpfung Digitale Innovation & Transformation Abbildung 3: Entwicklungslinien und Forschungsfelder für die künftige Dienstleistungsforschung blen Kern von Software und Daten herum zu konstruieren. Plattformen oder wiederverwendbare Cloud-Dienste sein. Dadurch verschmilzt Innovation mit dem laufenden Betrieb Solche Komponenten sind im Unterschied zu traditioneller zu einem Weg kurzzyklischer Erneuerung im realen Markt Wertschöpfung hoch skalierbar und oft auch internatio- und ermöglicht den digitalen Betrieb einer physischen Welt. nalisierter. Und sie sind entscheidend für die Gestaltung Digitalunternehmen erneuern digitale Dienstleistungen teil- großer Wertschöpfungsnetzwerke. Wer diese Komponen- weise im Minutentakt und immer mehr Unternehmen aus ten kontrolliert, weiß zudem, welche Anteile traditioneller traditionellen Branchen adaptieren diese Vorgehensweise. Wertschöpfung hoch profitabel sind und kann die digitale Sie loten gelingende Leistungsangebote experimentell im Wertschöpfung selektiv in solche ausgewählten Anteile direkten Kontakt mit Kunden aus. Dies führt zu einer ganz nicht-digitaler Wertschöpfung verlängern. Der Startpunkt neuen Geschwindigkeit der Veränderung und der Erprobung dafür liegt aber immer im Digitalen und darin liegt die He- von Innovationen. Gleichzeitig können über solche hoch dy- rausforderungen für die Unternehmen, die mit traditionel- namischen Innovationsprozesse auf Grundlage modularer len Wertschöpfungsmustern erfolgreich geworden sind. Architekturen Schlüsselkomponenten digitaler Wertschöp- Dieser „Wettbewerb im Informationsraum“ (Boes et al. fungsnetzwerke erkannt, gestaltet und kontrolliert werden. 2018) kommt einem Paradigmenwechsel für Wertschöp- Dies können beispielsweise Vermittlungsfunktionen auf fung der Unternehmen gleich. Wie wir solche Wertschöp- fungsarchitekturen und -formen konsequent vom Digitalen her gestalten, ist eine Schlüsselfrage der Dienstleistungs- forschung. Dazu reicht eine einfache digitale Erweiterung Was ist … klassischen Engineerings nicht aus – sei es für Maschinen, Diskontinuierliche Wertschöpfung? Software oder Dienstleistungen. Im Gegensatz zur klassischen Wertschöpfung mit rela- tiv starren Produkt- und Dienstleistungslebenszyklen, Welche Mechanik bestimmt diskontinuierliche digitale sorgt Diskontinuität für fortlaufende Innovationsaktivi- Wertschöpfung? Wie wird diese neue Form der Wertschöp- täten im konkreten Marktumfeld. fung erkennbar und greifbar? Welche Mechanismen unter- stützen die Gestaltung dieser Modelle? Wie werden diese High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 9
Wertschöpfungsmodelle in der Nutzung betrieben und wei- terentwickelt? Wie können Wertschöpfungssysteme model- Die Dienstleistungswende muss gelingen, damit liert und simuliert werden, um potenzielle Auswirkungen und Deutschland und Europa in einem neuen digitalen Wert- Maßnahmen frühzeitig zu evaluieren und auszuwählen? schöpfungswettbewerb erfolgreich agieren kann. Die Dienstleistungsforschung ist der Motor für diese Wen- Neben diesen drei Entwicklungslinien, die in allen Berei- de. Sie trägt dazu bei, wenn sie hilft, dass die Chancen chen von Wirtschaft und öffentlichen Leistungen greifen, dieser Entwicklungen nachhaltig genutzt werden. nimmt eine vierte Entwicklungslinie in den Blick, vor wel- chen Herausforderungen gerade die traditionellen Dienst- leistungsbranchen stehen, die ca. 70 % der Beschäftigung in Deutschland ausmachen. hängt der wirtschaftliche Erfolg beschäftigungsstarker Branchen genauso ab wie eine nationale oder europäische Dienstleistungssouveränität. Dabei reicht technologische Souveränität heute nicht mehr aus, weil sich die Markt- IV. Dienstleistungsforschung fördert die macht internationaler Akteure wie Plattformbetreiber digitale Innovation und Transformation in bürgernahen, nicht aus der Technologie allein, sondern auch aus den beschäftigungsstarken und systemrelevanten Netzwerk- und Verbundeffekten der daraus entstehenden Dienstleistungsbranchen. Dienste und ihrer breiten Nutzerbasis speist. Gesellschaftlicher Wandel und Digitalisierung erfassen Wie können digitale Wertschöpfungsmodelle und -prozes- viele Dienstleistungsmärkte besonders stark. Viele die- se in diesen Märkten nach europäischen Werten gestaltet ser privaten und öffentlichen Dienstleistungen sind ge- werden? Wie können Transformationsstrategien für solche sellschaftlich notwendig und besonders im Alltag der Dienstleistungen gelingen? Wie kann Beschäftigung in die- Bürger*innen verankert und systemrelevant für unsere sen Branchen gesichert und weiterentwickelt werden? Gesellschaft, z. B . im Bereich Mobilität, Gesundheit oder Medien. Digitalisierung forciert eine grundlegende Trans- Aus den dargelegten vier Entwicklungslinien, der durch formation dieser Dienstleistungen. Der Erfolg globaler maschinellem Lernen gestützten Literaturstudie von über Plattformen wie Amazon, Uber oder Netflix fordert die 500.000 wissenschaftlichen Artikeln und den 24 Exper- Suche nach Alternativen mit einer wettbewerbsfähigen teninterviews mit führenden Persönlickeiten aus Wissen- Offenheit für Skalierung und einer gesellschaftlichen Ver- schaft (12) und Wirtschaft (12) ergeben sich aus unserer antwortung wie Fairness und der Orientierung an Stan- Sicht sechs Forschungsfelder, auf die im folgenden Kapi- dards. Von Forschung und Innovation in diesem Bereich tel eingegangen wird. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 10
4. Chancen & Forschungsfelder Die vier Entwicklungslinien der Dienstleistungsforschung schung der Zukunft und beschreiben notwendige Ansätze stellen den Startpunkt für weitere, tiefergehende For- für eine konkrete Umsetzung der Dienstleistungswende. schungsaktivitäten dar. Basierend auf den Entwicklungs- Insgesamt lassen sich somit die folgenden sechs For- linien lassen sich drei Forschungsblöcke identifizieren. schungsfelder beschreiben: Hierbei repräsentieren die Forschungsblöcke die konkreten Auswirkungen der sich fundamental ändernden Logik der Die sechs Forschungsfelder werden im Verlauf dieses Kapi- Wertschöpfung auf die von der Dienstleistungswende be- tels detaillierter erläutert. Hierbei werden den Forschungs- troffenen beschäftigungsstarken Dienstleistungssektoren: feldern Entwicklungstrends und eine zentrale Leitfrage zu- (1) Ökosysteme und Wertschöpfungsmodelle, (2) In- geordnet. Veranschaulicht werden die Forschungsbedarfe teraktion und Hybridisierung, und (3) Innovations- und anhand von Beispielen, die durch Aussagen von internati- Entwicklungsmethoden. Jeweils zwei Forschungsfelder onal renommierten Wissenschaftler*innen untermauert versprechen weitreichende Potenziale zukünftiger For- werden. Abschließend werden Handlungsimplikationen schungsaktivitäten. Die sechs Forschungsfelder bilden und Forschungsfragen definiert, die zur Untersuchung der somit einen wichtigen Baustein für die Dienstleistungsfor- Dienstleistungswende einen elementaren Beitrag leisten. 1 Wertschöpfungsinnovation braucht ein neues Verständnis von Qualität (1) Ökosysteme und Wertschöpfungs- 2 Dienstleistungsinnovation und Wertschöpfung braucht ein besseres Verständnis von Mechanismen in modelle Ökosystemen 3 Wettbewerbsfähige Dienstleistungen mit Wirkung benötigen eine konsequente (2) Interaktion und Hybridisierung 4 Interaktive Wertschöpfung muss als Gestaltung der Triade Dienstleistung- Arbeit-Künstlicher Intelligenz Nutzerorientierung verstanden werden 5 Innovation und Resilienz in beschäftigungsstarken und systemrelevanten Branchen muss gestärkt werden (3) Innovations- und Entwicklungs- 6 Dienstleistungsinnovation braucht kontinuierliche, experimentelle und partizipative methoden Entwicklungsmethoden High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 11
ertschöpfungsinnovation W braucht ein neues Verständnis von Qualität Nicht nur Deutschland, sondern die gesamte Welt steht vor großen gesellschaftlichen und ökologischen Her- ausforderungen: demografischer Wandel und zunehmende Automatisierung, Klimawandel und Bestrebungen Entwicklungs- zur Dekarbonisierung, sowie nachhaltiger Ressourcenverwendung erfordern ein Umdenken in den Grundlagen wirtschaftlichen Handels. Ökonomische Ziele dürfen nicht mehr die alleinige Zielgröße für qualitative Wert- trends schöpfung sein. Sie müssen konsequent um Werte ergänzt werden, die von Zielen der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung geprägt werden. Dienstleistungsqualität „Made in Germany“ Dienstleistungsqualität muss neu definiert werden muss neu definiert, Handlungsimplikationen Digitale Geschäftsmodelle müssen wettbewerbsfähig gestaltet gestaltet und aus Forschungsfeld werden etabliert werden. Ein Forschungs- und Innovationsprogramm zur Zukunft der Wertschöpfung sollte den Fokus auf die Weiter- entwicklung des traditionellen Qualitätsbegriffes, Verfahren einer qualitätsorientierten Gestaltung und ei- nes Austarierens von Wertschöpfungsökosystemen legen – gemäß des Leitbildes: Dienstleistungen „Made in Germany“ – Wettbewerbsfähig. Werteorientiert. Wertstiftend. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 12
Qualität muss aus der Wirkungsperspektive weisen Datenanalyse und künstliche Intelligenz große Po- verstanden werden tenziale in vielen Anwendungsbereichen auf, können aber auch zu weitreichenden Eingriffen in Bürgerrechte führen. Im Unterschied zu traditioneller Qualität im Produktions- So bewertete Amnesty International 2016 die international prozess fordert die Dienstleistungslogik den Fokus auf die viel genutzte WeChat-App in Bezug zum Datenschutz mit 0 Verwendungsphase und damit auf die Wirkungen („Out- von 100 Punkten, da Datenschutzbestimmungen die direk- come“) der Wertschöpfung. Diese Perspektive ist eine te Weitergabe an Regierungsbehörden zulässt und somit Chance, neuen gesellschaftlichen Erwartungen an Wert- die massenhafte Speicherung und Weitergabe personen- schöpfung gerecht zu werden, z. B. hinsichtlich nachweis- bezogener Daten und des Nutzungsverhaltens erlaubt. barer Beiträge zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele. Insofern muss unter dem Leitthema eines steigenden Gleichermaßen wächst mit dem Vordringen lernender bzw. Qualitätsbewusstseins für Dienstleistungen und digitaler algorithmischer Systeme die Forderung nach Transparenz Souveränität künftig im Kontext neuer Wertschöpfungsin- und Fairness der damit ermöglichten Wertschöpfung. Auch novationen und digitaler Dienstleistungen eine Wertekul- dies wird zunehmend regulativ oder legislativ eingefor- tur angestrebt und nach außen vertreten werden. dert (Die Bundesregierung 2018). All dies zeigt auf, dass im Kontext des gesellschaftlichen und ökologischen Wandels und digitaler Transformation ein erweitertes Verständnis von Qualität der Wertschöpfung entwickelt werden kann und muss. Dieser neue Blick auf Qualität über traditio- Zentrale Leitfrage nelle Sichtweisen wie Effizienz und Effektivität hinaus ist Wie kann Dienstleistungsqualität neu aber nicht nur eine gesellschaftliche Forderung, sondern definiert, gestaltet und etabliert werden? zugleich eine Chance für Differenzierung durch Qualität – wichtig gerade für ein Hochlohnland wie Deutschland. Zudem ermöglichen gerade digitale Technologien, das Er- reichen von Qualitätszielen zu messen und transparent zu machen. Dienstleistungsqualität „Made in Germany“ muss neu definiert werden Zukünftige Dienstleistungsforschung muss Qualität von Insbesondere digitale Dienstleistungen Wertschöpfung und Dienstleistungen ganzheitlicher ver- erfordern neue Wertediskussionen stehen. Dafür müssen neue Werte als Zielgrößen für Qua- lität verstanden und definiert werden. Diese lassen sich Die Forderung nach nachhaltiger Wertschöpfung und die unter anderem aus übergeordneten gesellschaftlichen zunehmend kritische Debatte über digitale Wertschöp- Zielen und der Nachhaltigkeitsstrategie ableiten (z. B . Kli- fungsformen betont die Notwendigkeit einer werteori- maschutz, soziale Gerechtigkeit, Partizipation und digita- entierten Gestaltung von Innovationen mit erklärbaren le Souveränität, Datenschutz) (United Nations 2015). Ihre Beiträgen zu einem breiteren Gesellschaftssystem. Das Attraktivität und Wirkung auf alle Akteure im Wertschöp- bedeutet, dass Innovationen zu Nachhaltigkeit, Alltag und fungsökosystem (Unternehmen und Mitarbeiter*innen, Lebensstil für eine Stabilität im gesellschaftlichen und po- Kund*innen und Nutzer*innen, Gesellschaft und Umwelt) litischen Umfeld immer wichtiger werden (Falk und Mathew muss erfasst und verstanden werden. In Deutschland ge- 2017). Neben aktuellen Diskussionen über Nachhaltigkeit winnen beispielsweise insbesondere die Themen Nachhal- und Klimaschutz spielt auch zunehmend die Selbstbestim- tigkeit, Transparenz und auch Datenschutz immer mehr an mung in der digitalen Welt eine Rolle, die sich u.a. in Fra- Bedeutung. Hierfür bedarf es neuer Messinstrumente und gestellungen der digitalen Souveränität wie der Datenho- einer Neuausrichtung vorhandener Methoden der Dienst- heit und in Regelungen zum Datenschutz manifestieren. So leistungsforschung (vgl. Neuhüttler et al. 2019). „Dienstleistungen sind keine Erweiterung von Produkten; vielmehr sind sie der Kern dessen, worum es in der Gesell- schaft, Technologie und in der Wirtschaft geht. Es geht also in erster Linie darum, traditionelle Fragen wie die der Produktivität neu zu überdenken. Und heute geht es nicht mehr um die Ausgabeeinheiten (Output). Es geht um den Wert, der geschaffen wird. Wir wollen immer mehr Lebensqualität. Es geht also um das Ergebnis (Outcome). Es ist ein Wandel, den wir überdenken müssen, und wir müssen diese Bewegung verstehen.“ High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 13
Es müssen Ansätze gestaltet werden, um gerade in Unter- fähige Plattformen als Alternative zu internationalen nehmen ein Bewusstsein für qualitativ hochwertige Wert- Plattform-Monopolisten aufzustellen. Die identifizierten schöpfung in Ergänzung zu ökonomischen Zielgrößen zu Wettbewerbsvorteile nach dem Qualitäts-Leitbild „Made schaffen, die für den Einzelnen und die Gesellschaft rele- in Germany“ sind weiter auszubauen. Hieraus ergibt die vant sind. Hiermit werden die Ziele und Bestrebungen in sich Fragestellung, wie vernetzte Dienstleistungen und die konkrete und erlebbare Umsetzungen überführt. Zusätz- notwendigen Modelle auszugestalten sind, um Monopole lich werden Gestaltungswissen und Entwicklungsansätze zu verhindern. benötigt, die es ermöglichen, diese neuen Qualitätsaspek- te in die Entwicklung und die Erbringung von Dienstleistun- Konkret ist zu untersuchen, welche Mechanismen zur gen miteinzubeziehen. Wahrung der festgelegten Werte- und Qualitätsziele not- wendig sind. Das Ziel ist es, eine Vertrauensplattform zu schaffen, die eine Leistungsfähigkeit nach dem Leit- bild „Qualität sicherstellen. Standards setzen. Vertrauen Mögliche Forschungsfragen schaffen.“ verspricht. Diese Vorgaben sollen analog zu den » Wie verändert sich das Verständnis von Qualität mit Blick EU-Richtlinien für einen ethisch korrekten Einsatz von KI auf den gesellschaftlichen Wandel? Welche Werte und (High Level Expert Group on AI 2018) gestaltet werden, die Qualitätskriterien sind in Zukunft erstrebenswert und wie von den teilnehmenden Akteuren erfüllt und transparent gestalten sich Wechselwirkungen unter ihnen? nachvollzogen werden können. Zur Einhaltung definierter » Wie müssen Wertschöpfungssysteme und Dienstleistun- Werte müssen auf offenen Plattformen Qualitätsmerkma- gen gestaltet und betrieben werden, um die festgelegten le sichergestellt werden, denn im Vergleich zur Produkti- Werte- und Qualitätsziele zu erreichen? on besteht bei der Dienstleistung die Besonderheit, dass » Wie setzen sich gängige Kundensegmente mit Blick auf diese nicht reklamiert werden kann und bei einem Ausfall neue Qualitätsmerkmale zusammen und wie können die- der gesamte Prozess, schlimmstenfalls sogar das Erschei- se systematisch angesprochen werden? nungsbild bzw. das Ansehen eines Anbieters nach außen » Welche Auswirkungen hat eine werteorientierte Ge- zerstört wird. Das erfordert zum einen Transparenz über staltung und Erbringung von Dienstleistungen auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Akteure, zum ande- Kund*innen, Mitarbeiter*innen und Gesellschaft? ren Gütesiegel und Standards, die Werteversprechen zusi- » Wie lassen sich systematisch qualitativ hochwertige da- chert. Nur so kann langfristig Vertrauen in offene Plattfor- tenbasierte Dienstleistungen entwickeln und wie kann men geschaffen werden, die durch Ein- und Austritte von diese Qualität gegenüber Wettbewerbern verdeutlicht Akteuren einer fortlaufenden Dynamik unterliegt. und sichtbar gemacht werden? Mögliche Forschungsfragen » Welche Qualitätsmerkmale existieren für Plattformen und wie können diese gemessen werden? Digitale Plattformen müssen » Wie kann das langfristige Überleben einer Plattform wettbewerbsfähig gestaltet werden unter dynamisch wechselnden Akteuren gewährleistet werden? Um auf die Veränderung in der Wertschöpfungslogik zu » Wie kann Datenschutz und -sicherheit in reagieren und Wertschöpfungsnetzwerke zu befördern, internationalen Plattformen sichergestellt werden? sind Plattformen wesentliche Treiber für diese Entwick- lung. Ein gesetztes Ziel ist es, gute und wettbewerbs- Beispiel: Die Otto GmbH & Co KG ist ein traditionelles Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in Hamburg. 1949 gegründet, war Otto ein Pionier des Versandhandels, bei dem bis 2018 noch ein Katalog gedruckt wurde. Um sich vom internationalen Wettbewerb zu differenzieren, bemüht sich Otto bewusst, verantwortungsvoll, nachhaltig und inspirierend zu agieren. Diese Art des Handelns spiegelt sich im Alltag wider, nicht nur im Kontakt mit Kunden, sondern auch im Umgang mit den eigenen Wettbewerbern. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 14
Dienstleistungsinnovation und -wertschöpfung erfordern ein besseres Verständnis von Mechanismen in Ökosystemen Die Digitalisierung ermöglicht in bisher ungekanntem Ausmaß die Vernetzung von Akteuren zur Wertschöpfung. Die Grenzen zwischen dem Digitalen und Physischen verschwimmen. Aus Dienstleistungssicht schafft diese Vernetzung die Voraussetzungen für das Erreichen anspruchsvoller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wirkungen durch das Zusammenspiel vieler Akteure, z. B. in Bezug auf Skalierung, Resilienz oder Dekarboni- Entwicklungstrends sierung. Gleichzeitig verändern sich die Wertschöpfungsmechanismen durch diese Hypervernetzung fundamen- tal. Wir verwenden den Begriff des Ökosystems, um dieses hochgradig vernetzte und sich ständig verändernde Zusammenspiel von Akteuren zu beschreiben. Durch die breite Digitalisierung wird jeder Bereich von diesen Möglichkeiten intelligenter Verknüpfung verschiedener Akteure erfasst. Trotz dieser Bedeutung steht unser Verständnis der Mechanismen zur Formung solcher Ökosysteme erst am Anfang – ein verlässliches Gestal- tungswissen fehlt. Wertschöpfung in Ökosystemen besser verstehen Datengetriebene Geschäftsmodelle in Ökosystemen fördern Mechanismen Gestaltungsrichtlinien für eine nutzerorientierte Gestaltung von Ökosystemen von Ökosystemen und Dienstleistungen erarbeiten müssen besser verstanden und systematisch nutzbar Handlungsimplikationen Verständnis von Rollen und Governance in Ökosystemen aufbauen und verbreiten gemacht werden. aus Forschungsfeld Unternehmen Entscheidungshilfen bereitstellen, welche Rolle sie in Ökosystemen einnehmen sollen Um langfristig im Dienstleistungsmarkt bestehen zu können, müssen wir besser verstehen, wie Innovation und Wertschöpfung in Ökosystemen stattfindet sowie wie Ökosysteme nachhaltig betrieben und gesteuert werden können. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 15
Ökosysteme sind Treiber der zukünftigen Wertschöpfung „Das Management von Ökosystemen wird immer Die Untersuchung von Ökosystemen hat sich zunächst auf wichtiger. Was ist die Rolle in der Wertschöpfung? Plattform-Ökosysteme fokussiert, in denen ein zentraler Wie werden diese Ökosysteme aufgebaut? Akteur interaktive Wertschöpfung koordiniert. Diese Form Wie werden sie proaktiv verwaltet? Wie werden Anreize von Ökosystemen hat besonderere Aufmerksamkeit auf geschaffen Ressourcen tatsächlich zu teilen? sich gezogen, weil dies dem zentralen Akteur eine bislang Und wir haben in das Thema Vertrauen aufzubauen.“ ungekannte Skalierung von Wertschöpfung und damit eine Monopolbildung ermöglicht hat. Dominiert wird diese Form derzeit von großen Digitalunternehmen. Die Big Five Tech- nologieunternehmen (Alphabet, Amazon, Apple, Facebook, Rollen verschwimmen in Ökosystemen, weil Akteure oft als Microsoft) erreichen einen Anteil von 40 Prozent der Markt- Prosumenten auftreten, also gleichzeitig sowohl als Produ- kapitalisierung an der US-Technologiebörse Nasdaq. Obwohl zent wie auch als Konsument. Zudem ist auffallend, dass die meisten Ökosysteme von US-amerikanischen Firmen ge- Ökosysteme und Plattformen gerne eigenes Wissen teilen formt wurden, gibt es auch in Europa immer mehr Unterneh- (z. B. im Rahmen von Open-Source Software), wenn es dem men, die auf eine solche zentrale Rolle in einem Ökosystem Wachstum des Ökosystems dient – und dies, obwohl sie mit zielen und diese erfolgreich einnehmen. Als Beispiele lassen anderen Ökosystemteilnehmern sogar im direkten Wett- sich Spotify, Delivery Hero, FlixMobility oder auch traditi- bewerb stehen („coopetition“). Damit steht das Handeln in onelle Unternehmen wie Otto nennen. Allerdings wird auch Ökosystemen häufig im direkten Widerspruch zum traditi- die Forderung lauter, die teilweise sehr dominanten Platt- onellen Verständnis, dass jegliches geistiges Eigentum ge- formen wegen ihrer starken globalen Marktstellung stärker schützt und direkt monetarisiert werden muss. Somit steht zu regulieren und Mechanismen für faireren Wettbewerb das Ziel von strategischen und langfristigen Partnerschaf- zu verankern. Die Ausgestaltung solcher Mechanismen und ten im Vordergrund des Handelns. deren Umsetzung entwickelt sich dabei zu einer wichtigen Forschungsfrage, gleichermaßen wie die Möglichkeit, für Alternativen über bessere Qualitätszusicherungen in die- sen Dimensionen zu werben (siehe Forschungsfeld 1). Diese Zentrale Leitfrage Entwicklungen für Konsumenten spiegeln sich zunehmend im Markt für Unternehmen wider. Insbesondere in der deut- Nach welchen Mechanismen funktionieren schen Industrie gibt es vielseitige Bestrebungen, eigene Ökosysteme und wie können diese Plattformen und Ökosysteme zu bilden, um das Potenzial von systematisch angewandt werden? Industrie 4.0 bestmöglich zu nutzen (Kagermann 2017). Je- doch disruptieren Plattformen derzeit sehr stark vor allem klassische Dienstleistungsbranchen mit hoher Systemrele- vanz und Sichtbarkeit im Alltag für Bürger*innen (z. B. Han- del, Mobilität, Tourismus, Information und Medien). Hier sind Kollaborative Geschäftsmodelle in Ökosystemen gestalten dringend neue Forschungs- und Innovationsanstrengungen geboten. Ökosysteme schaffen Wert, indem sie verschiedene Akteure miteinander verbinden – derzeit zumeist durch eine Plattform. Obwohl erste Erkenntnisse über diese Art der Wertschöpfung Architekturen und Rollen der Wertschöpfung vorliegen, besteht nach wie vor Forschungsbedarf zum Aus- in Ökosystemen verstehen bau dieses Verständnisses, da diese Art der Wertschöpfung ohne eigenes „Produkt“ heutiger Wertschöpfungslogik wi- Allerdings sind plattformzentrierte Ökosysteme nur eine derspricht. Zudem bleibt nach wie vor unklar, wie sich das Ge- der vielen Erscheinungsformen hochvernetzter und dynami- schäftsmodell eines Ökosystems genau beschreiben lässt, scher Wertschöpfung. Gerade für die Zukunft kann eine der insbesondere mit Blick auf die Kollaboration verschiedener entscheidenden Fragen sein, wie sich stärker dezentrale Akteure (Bullinger et al. 2017). Zwar können das Wertangebot, Formen der dynamischen Vernetzung von Wertschöpfung die Werterfassung sowie Wertschöpfung für einzelne Diens- entwickeln lassen. Welche Architekturen sind denkbar, um te innerhalb eines Ökosystems beschrieben werden, eine das digital ermöglichte und oft datengetriebene Zusam- gesamtheitliche Beschreibung stellt uns zum aktuellen Zeit- menwirken verschiedener Akteure zu gestalten? Wie kön- punkt jedoch noch vor Herausforderungen (Beirão et al. 2017; nen solche dynamischen Ökosysteme geformt werden? Meynhardt et al. 2016). Genauso müssen einzelne Akteure Welche Kompetenzen brauchen die Akteure zur erfolgrei- befähigt werden, ihren Wertbeitrag zur Wertschöpfung eines chen Mitwirkung an solchen Ökosystemen? Traditionelle Ökosystems zu erfassen, zu gestalten und zu kommunizieren. High-Tech meets High-Touch: Die Dienstleistungswende als Chance für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Zukunft 16
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