WIRTSCHAFT HAT CORONA - AG Globale Verantwortung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
WIRTSCHAFT MIT WEITBLICK 03 2020 BUSINESSART 3/2020, Österr. Post AG. MZ 13Z039642M, Lebensart Verlags GmbH, Wiener Str. 35, 3100 St. Pölten, Ö: € 5,90 WIRTSCHAFT HAT CORONA Ist Nachhaltigkeit der richtige Impfstoff? Friedrich Riess, Riess-Kelomat 17 ZIELE FÜR EINE BESSERE WELT: Wie ein achtsamer Umgang mit Lebensgrundlagen Unternehmen zukunftsfit macht. MESSAGE OUT OF CONTROL: Gilt die Nachhaltigkeit auch für die Marketingabteilung? NACHHALTIGKEITSBERICHTE: Warum die meisten Reports dem NaDiVeG nicht gerecht werden. CORONA ALS PSYCHISCHE BELASTUNG AM ARBEITSPLATZ: Wie Krisen gut gemeistert werden können.
ROHSTOFFE AUS ÖSTERREICH FÜR DEN ROHSTOFFEINSATZ AUS ÖSTERREICH SETZT DIE BRAU UNION ÖSTERREICH FÜR IHRE QUALITÄTSBIERE AUF LANGJÄHRIGE ZUSAMMEN- ARBEIT MIT DER HEIMISCHEN LANDWIRTSCHAFT. Bier ist ein natürliches Getränk und kann nur so gut sein wie die Rohstoffe, aus denen es besteht. Klares Wasser von bester Qualität, feinster Hopfen und beste Braugerste. Grundsätzlich wird in Österreich zu wenig Braugerste angebaut, um den gesamten Biermarkt des Landes zu versorgen. Dabei ist die Rede von der so genannten Sommerbraugerste. Klimatisch bedingt wird es in Österreich immer schwieriger, Sommergerste als Brau- gerste zu erhalten. Daher hat sich die Brau Union Öster- Die Brau Union Österreich setzt auf beste Rohstoffe, höchste Qualität und nachhaltige Produktion. reich schon in verstärktem Maße auf die Verwendung von Wintergerste aus Österreich geeinigt, um die Herkunft Fotorechte: © Brau Union Österreich; Cityfoto und Deckung des Bedarfs aus Österreich weitgehend zu HOPFEN – DIE SEELE DES BIERES sichern. Laut der AMA-Flächenauswertung hat die An- Beim Hopfen werden 85 bis 90 Prozent aus heimischem baufläche für Wintergerste in Österreich 2019 erstmals Anbau abgedeckt. Für diesen Rohstoff werden langfristige 100.000 ha überschritten. In ihr ruht die Hoffnung, trotz Verträge mit österreichischen Bauern abgeschlossen, Klimawandels auch in Zukunft österreichisches Bier aus deren Preise deutlich über dem europäischen Schnitt heimischen Rohstoffen herstellen zu können. liegen. Die Hauptanbaugebiete von Hopfen in Österreich sind im Mühlviertel, in Leutschach in der Südsteiermark Für die österreichische Bevölkerung steht die Verwendung sowie im Waldviertel in Niederösterreich. Der Gesamt- von Rohstoffen aus der Region für eine verantwortungsvol- bedarf an Hopfen der Brau Union Österreich kann mit le Bierherstellung an oberster Stelle. Dies zeigten in den heimischen Sorten nicht gedeckt werden, da es Sorten letzten Jahren die market-Studien für die Bierkulturbe- gibt, die in Österreich aufgrund des Klimas nicht wachsen, richte der Brau Union Österreich. Diese Einschätzung hat aber für die Herstellung spezieller Biersorten wie etwa Entgeltliche Einschaltung natürlich mit Erwägungen zu kurzen Transportwegen zu des Pale Ale nötig sind. tun und mit einem Grundvertrauen der Österreicher in die verantwortungsvolle und ökologisch nachhaltige, regiona- Als 100 Prozent österreichisch werden nur jene Biersorten le Landwirtschaft selbst (mehr unter www.brauunion.at/ von Marken der Brau Union Österreich deklariert, bei bierkultur). Doch auch der Beitrag zum geschmacklichen denen dies auch der Fall ist, und die AMA-zertifiziert Charakter österreichischen Biers spielt hier hinein. sind – wie etwa das Gösser NaturWeizen.
FIT FÜR DIESEN MARATHON? Liebe Leserin, lieber Leser! Bei immer mehr Menschen liegen die Nerven blank. noch ein bisschen Sand gestreut. Trotzdem sind die Die einen sorgen sich um ihre Gesundheit, die befragten Politiker*innen, NGOs und Unternehmen anderen finden die Schutzmaßnahmen völlig über- davon überzeugt, am richtigen Weg zu sein. „Let´s trieben. Die Situation der Unternehmen könnte fight for it – to leave no one behind“, sagt zum Beispiel unterschiedlicher nicht sein. Wo die einen seit Ban-Ki-Moon. Dem kann ich mich nur vollinhaltlich Monaten ohne Einnahmen da stehen, wissen die an- anschließen. deren nicht, wie sie die Nachfrage decken sollen. Aus dem erhofften Kurzstreckenlauf – ein kurzer Break und dann ist alles wieder normal – ist ein Herzliche Grüße Marathon geworden. Durchhaltevermögen ist ange- Roswitha M. Reisinger sagt – psychisch wie wirtschaftlich. Diese Ausgabe der BUSINESSART wirft einen Blick auf die ökonomische Säule der Nachhaltigkeit. Bislang galt wirtschaftlicher Erfolg als selbstver- ständliche Basis nachhaltiger Unternehmen und wurde bloß thematisiert, wenn nachhaltige Maßnah- men mehr Geld kosteten, als sie kurzfristig zurück- spielten. Wir haben nachgefragt ob Unternehmen einen Vorteil oder gar einen Nachteil durch ihre nachhaltige Positionierung haben. Auch die psychische Belastung vieler Mit- arbeiter*innen ist hoch: Angst um den Arbeitsplatz, aggressive Kund*innen, deprimierte Kolleg*innen, Home-Office, Home-Schooling - all das drückt die Stim- mung. Wir zeigen, was Führungskräfte tun können. Entscheidend für die Stimmung im Unternehmen ist auch, was man über das eigene Unternehmen liest, und ob es mit dem Erlebten tatsächlich überein- stimmt. Da besteht durchaus noch Handlungsbedarf. Wir werfen einen kritischen Blick auf Marketing- strategien und Nachhaltigkeitsberichte. Das Fazit Fotos: Herfert-Landhaus; kiwihug kann gerne auch in der Politik angewendet werden. Eine andere, durchaus motivierende Art von Marathon stellen die 17 Sustainable Development Goals dar. Sie sind vor fünf Jahren beschlossen worden. Ein guter PS: Unterstützen Sie die Information Grund für einen Zwischencheck, schließlich sollen über nachhaltige Entwicklung mit einem die Ziele 2030 erreicht sein. Corona hat dabei in das BUSINESSART-Abo (24 Euro pro Jahr) bereits bisher nicht gerade gut geschmierte Getriebe abo@businessart.at BUSINESSART 03/20 | 3
ANTRIEB, DESIGN, FAHRASSISTENZ, DIGITALISIERUNG – BMW BIETET DEN KUND*INNEN DIE MÖGLICHKEIT, SICH AB SOFORT IHR GANZ PERSÖNLICHES MODELL SELBST ZUSAMMENZUSTELLEN. Benzin, Diesel, Plug-In und Elektro stehen als Antrieb zur BMW-Kund*innen können weiters wählen, wie sehr das Auswahl. Nachhaltige Unternehmen können ihre Flotten Fahrzeug unterstützend eingreifen soll. So hält etwa die anhand von Effizienz und CO 2-Verbrauch besonders aktive Geschwindigkeitsregelung den sicheren Abstand umweltschonend zusammenstellen. Um für jeden Ein- zu vorausfahrenden Fahrzeugen, die Frontkollisions- satzbereich die richtige Antwort zu geben, bringt BMW warnung greift wenn nötig ein und bremst den Wagen verschiedene Konzepte elektrifizierter und nachhaltiger selbstständig ab. Der Parkassistent übernimmt Lenkung, Mobilität auf die Straße. Neben den vollelektrischen Mo- Bremsen und Gangwahl und parkt selbstständig ein. dellen, wie dem neuen BMW iX3 oder dem BMW i3 und BMW i3s, garantiert die Plug-In Hybride-Fahrzeugflotte Kameras vorne, hinten und in den Außenspiegeln ermög- für jedes Bedürfnis das Beste aus beiden Welten. Über- lichen einen 360°-Rundumblick inklusive dreidimensiona- zeugende Reichweiten und das Rundum-sorglos-Angebot ler Visualisierung. Das macht vor allem das Herantasten von BMW Charging machen elektrifiziertes Fahren und an Kreuzungen und Ausfahrten sicherer. Zuletzt können Fotorechte: © BMW Austria Laden so flexibel, komfortabel, einfach und umwelt- die Kund*innen auch noch den Grad der Digitalisierung freundlich wie noch nie. selbst bestimmen, etwa dann, wenn sie die persönlichen Smartphone-Inhalte auf den Control Display übertragen Auch die neueste Generation der BMW Benzin- und Diesel- möchten oder das Auto mit einem digitalen Schlüssel motoren präsentiert sich sparsamer, schadstoffärmer komfortabel entriegeln, starten und abschließen wollen. und leistungsstärker als ihre Vorgänger. So senkt etwa die BMW BluePerformance Technologie die im Diesel- motor entstehenden Stickoxide (NOx) auf ein Minimum. Sie haben die Wahl! Gestalten Sie Ihren BMW Entgeltliche Einschaltung nach Ihren Vorstellungen: nachhaltig, formschön, Für die unterschiedlichen Antriebssysteme bietet BMW sicher und connected. eine breite Palette an Modellen. Ob sportlicher 3er, ele- gante 5er Business-Limousine, kraftvolle xLine oder das neue 4er Coupé – für jeden Fahrzeugtyp das passende Modell im Weitere Infos erhalten Sie unter bmw.at/MeineAuswahl oder passenden Design. bei einem der zahlreichen BMW Partner in ganz Österreich.
Inhalt 06 17 ZIELE FÜR EINE BESSERE WELT Wie ein achtsamer Umgang mit Lebensgrundlagen Unternehmen zukunftsfit macht. 11 FÜNF JAHRE SUSTAINABLE DEVELOPMENT GOALS (SDGs) Vertreter*innen von Politik, Forschung und NGOs ziehen Bilanz. 14 EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN Was bringt das Österreichische Umweltzeichen Unternehmen und Umwelt? 16 DIE WIRTSCHAFT HAT CORONA Ist Nachhaltigkeit der richtige Impfstoff? 22 MESSAGE OUT OF CONTROL Gilt die Nachhaltigkeit auch für die Marketingabteilung? 26 DAS PROBLEM MIT DEN NACHHALTIGKEITSBERICHTEN Warum die meisten Reports heimischer Unternehmen dem NaDiVeG nicht gerecht werden. 28 CORONA SCHUBST DIE DIGITALISIERUNG AN Wie Unternehmen ihr Geschäft trotz Lockdown & Co weiterführen konnten. 32 CORONA ALS PSYCHISCHE BELASTUNG AM ARBEITSPLATZ Wie Krisen im Unternehmen gut gemeistert werden können. IMPRESSUM Herausgeberin und Chefredakteurin BUSINESSART: Roswitha M. Reisinger, redaktion@businessart.at, Mitarbeit an dieser Ausgabe: Karin Haas, Markus Mittermüller, Michaela R. Reisinger, Beate Steiner, Michaela Stockinger; Anzeigen: Christian Brandstätter; Gestaltung/Produktion: LIGA: graphic design; Lektorat: Cornelia Kühhas; Geschäftsführung: Christian Brandstätter; Abo-service: Asya Khalef; Druck: NÖ Pressehaus, NP-Druck, Gutenbergstr. 12, 3100 St. Pölten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Das BUSINESSART-Redaktions- büro bezieht seine Energie aus Ökostrom. BUSINESSART ist nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens ge- druckt. ISSN 2307-4744 Cover: Illustration: Tom Mackinger; Foto: Vöslauer Mineralwasser BUSINESSART 03/20 | 5
17 ZIELE FÜR EINE BESSERE WELT WIE EIN ACHTSAMER UMGANG MIT LEBENSGRUNDLAGEN UNTERNEHMEN ZUKUNFTSFIT MACHT KARIN HAAS Manche tun es seit langem. Andere haben begonnen. Es geht um die SDGs, die 2015 beschlossenen, nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO. Sie versöhnen Wirtschafts- wachstum und Wohlstand mit Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit. Diese schlau in wirtschaftliches Handeln einzubauen, lautet die Devise. Wie weit ist Österreich? Hinter dem Wortungetüm Sustainable Development 2030 – in 15 Jahren Laufzeit – möglichst viel davon Goals (SDGs = nachhaltige Entwicklungsziele) umzusetzen. Nach nun fünf Jahren SDGs ist es Zeit, steckt die UNO. Nicht nur für Gründenker*innen eine erste Bilanz zu ziehen, zumal Österreich heuer könnten sie die Rettung der Welt sein. Denn wenn im Juli einen ersten „freiwilligen nationalen Be- alle weitermachen wie bisher, wird es nicht nur richt“ an die UNO geschickt hat. wegen des Klimawandels und der Erderwärmung ungemütlich. Dass dabei auch die Wirtschaft auf der Gewinnerseite ist, wenn sie nachhaltig und zu- kunftsfit handelt, statt allein den Profit zu maxi- VON UNTEN NACH OBEN mieren, liegt für immer mehr Unternehmer*innen auf der Hand. Doch der Reihe nach und von unten nach oben. Um vom SDG-Wollen ins Tun zu kommen, sind Foto: istockphoto.com/carloscastilla Dabei geht es etwa um umweltkompatible Digitali- die „Stakeholder“ aufgerufen. Das sind all jene sierung, schlau genützte urbane Räume, grüne Unternehmer*innen, Bürgermeister*innen, Funk- Energie, effizienten Umgang mit Ressourcen wie tionsträger*innen, Vereinsmitglieder, Initiativen- Wasser, aber auch um Bildung für alle und die Be- träger*innen, Leiter*innen von Bildungsinstitutio- kämpfung von Armut. 17 hehre Ziele hat die UNO nen wie Kindergärten, Schulen und Unis, aber auch 2015 mit ihren SDGs definiert und in 169 Unterziele Regierungen, Non-Profit-Organisationen und alle, heruntergebrochen. Die 193 Mitgliedstaaten sind die mitmachen und nach den SDGs ausgerichtet aufgerufen, diese auszurollen und bis zum Jahre evaluierbare Maßnahmen setzen. BUSINESSART 03/20 | 7
Die SDGs sind eine Zukunftsbrille. SABINE WURZENBERGER SPES ZUKUNFTSAKADEMIE „Ideen hat jeder. Aber mit den 17 Zielen der SDGs kommen andere als man bisher hatte“, sagt Günther Humer von der Oberösterreichischen Zukunftsaka- demie. Der „Weiterdenker“ ist zugleich der Nachhal- tigkeits-Koordinator des Landes. Er hält die Fäden der „Agenda 2030“ in der Hand, in der erste Erfolge der ersten fünf Jahre der SDGs versammelt sind. Bei Humer und seinen Mitarbeiter*innen geht es um die Gemeinden und ihre strategische Ausrich- tung. „Einfach Dahinverwalten geht längst nicht mehr“, sagt Humer. Darin verwoben sind auch viele Unternehmen. Denn ohne regionale Wertschöpfung hat die Nachhaltigkeit das Nachsehen. 150 Gemeinden – und damit mehr als ein beachtli- ches Drittel der 438 Kommunen in Oberösterreich – machen bei etwa 200 Zukunftsprojekten mit. Die Gemeinden erstellten Leitbilder, in die die SDGs ein- geflochten sind. Dazu schickt das Land Projektleiter*innen und Moderator*innen aus, die Ideen professionell sammeln und deren Umsetzung begleiten. DAS SDG-GEMEINDE-NAVI Eine solche Gemeinde ist Kremsmünster im Bezirk Kirchdorf mit rund 6.500 Einwohner*innen. Dort wurde das erste „SDG-Gemeinde-Navi“ Oberöster- reichs implementiert, das nun bereits einen zwei- ten Durchgang absolviert. Früher hieß es einfach „Leitbild“. Nun, da die SDGs integriert sind, ist es zum Zukunftsprofil geworden. „Für uns hat die Beschäftigung mit den SDGs eine massive Horizonterweiterung gebracht“, bestätigt der Kremsmünster Bürgermeister Gerhard Obern- berger. Die SDGs fordern zu neuen Projekten heraus, die über fehlende Nahversorgung und zugesperrte Wirtshäuser hinausgehen. Da geht es dann plötz- lich um Regenwassernutzung, Mikrohäuser zur Siedlungsentwicklung und einen Generationen- vertrag, den Bürger*innen unterschreiben, die Maß- nahmen bis hinein in den Privatbereich setzen, damit Gemeinden wieder attraktiv für junge Leute werden und lebenswert für Ältere bleiben. Das kann so weit gehen, dass Jungärzt*innen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren und dort eine Praxis aufmachen. 8 | BUSINESSART 03/20
Schwerpunkt: SDGs Eine nachhaltige Wirtschaftsweise ist nicht nur eine Investition in das eigene Unternehmen, sondern in eine bessere Zukunft. „Die SDGs helfen, dass Menschen durch eine andere „Den Nachholbedarf hat es 2018 gegeben. Es hat Brille auf ihr Umfeld schauen“, sagt Sabine Wurzen- sich vieles zum Besseren gewendet und das SDG- berger von der Spes Zukunftsakademie im oberös- Bewusstsein ist auch beim Regierungspartner terreichischen Schlierbach. Sie hat bereits etliche angekommen“, sagt die Nationalratsabgeordnete SDG-Projekte auf den Weg gebracht. Es sei bereits Astrid Rössler von den Grünen. Die Politikerin, zu- viel geschehen und es wurde viel erreicht, sagt gleich Umweltsprecherin ihrer Partei, ist mit den Wurzenberger. Mehr Anstrengungen braucht es Fortschritten zufrieden. „Die SDGs helfen uns, über noch, um weitere Gemeinden und Unternehmen den Tellerrand zu schauen und sich als Teil der zum Mitmachen zu motivieren. „Doch man muss Weltgemeinschaft zu fühlen“, so Rössler. Es gebe in mit denen anfangen, die wollen“, zieht Wurzenber- Österreich einen sehr engagierten Kreis, der sich ger im fünften Jahr der SDGs in Österreich Bilanz. sehr bemühe, die SDGs weiter zu verankern und nachhaltiges Handeln bekannt zu machen. WO STEHT ÖSTERREICH? TREIBENDE KRAFT IN UNTERNEHMEN Dass die Alpenrepublik in puncto Nachhaltigkeit bereits vor den SDGs viel gemacht hat, dies weiter Etliche Unternehmen sind mit ihren nachhaltigen macht und ganz gut dasteht, beweisen auch diverse Strategien, in die die SDGs eingebaut wurden, längst Studien. So sieht etwa die Bertelsmann Stiftung weiter. So hat etwa Raiffeisenbank Gunskirchen mit dem von ihr entwickelten SDG-Index Österreich bereits 2012 ein Umweltcenter gegründet und den mit einem Wert von 79,1 auf Rang 7 von 193. Der Fokus auf soziale, ökologische und nachhaltige Abstand zu Deutschland als Nummer 6 mit einem Finanzierungen und Veranlagungen gelegt. Die Index von 80,5 scheint verschwindend klein und vom Umweltcenter finanzierten Projekte reichen auch der Indexsieger Schweden ist mit 84,5 nicht un- vom ökosozialen Wohnbau über Biomasse-, Recyc- erreichbar. ling- und Windkraft-Projekte sowie die Errichtung von Photovoltaikanlagen bis hin zur Null-Prozent- Doch andere sehen Österreich auf einem weniger Finanzierung für E-Autos oder ökologischem Bauen guten Weg. So platzierte das EU-Parlament Öster- mit einer Investitionssumme von mehr als 40 Milli- reich abgeschlagen auf Rang 24 und monierte das onen Euro. „Eine nachhaltige Wirtschaftsweise ist Fehlen einer durchgängigen nationalen Strategie. nicht nur eine Investition in das eigene Unter- Hervorragend vorbereitet zeigt sich hingegen Finn- nehmen, sondern in eine bessere Zukunft. Wir land knapp gefolgt von Deutschland, Lettland und treiben mit ethisch orientiertem Bankgeschäft die Dänemark. Transformation in nachhaltiges Wirtschaften an“, sagt Hubert Pupeter, der Leiter der Raiffeisenbank Auch der österreichische Rechnungshof stellte be- Gunskirchen, die als eigenständige Genossenschaft reits im Juli 2018 gewohnt sachlich und faktenba- organisiert ist. siert fest, dass die SDG-Ziele mit zu wenig System, zu wenig Strategie und zu geringer Einbindung Ernst Gugler wiederum, der Gründer und geschäfts- der relevanten Stellen verfolgt würden. So würden führende Gesellschafter des nachhaltig, ökologisch die SDGs nicht einmal auf den Internetseiten aller und ganzheitlich wirtschaftenden Medienhauses Foto: istockphoto.com/carloscastilla Ministerien Erwähnung finden. gugler* im niederösterreichischen Melk, sagt: „Wir haben schon lange vorher gemacht, was man nun SDG Watch Austria, eine der Nachhaltigkeit und den SDGs gut zuordnen kann“. Dies würde nicht Zukunftsfähigkeit verschriebene Plattform von mehr nur auf die Gemeinwohlbilanz zutreffen, sondern als 200 zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen auch auf recycelbare Druckzutaten in einer Bran- Organisationen, kritisiert den Mangel an Umset- che, in der dies wahrlich nicht selbstverständlich zungsstruktur. Ebenso stehe es im Parlament mit der ist, auf den Umgang mit Mitarbeiter*innen und diesbezüglichen Zusammenarbeit nicht zum Besten. die wertschätzende Arbeitsatmosphäre. „Die SDGs BUSINESSART 03/20 | 9
Schwerpunkt: SDGs kommen nicht zu spät, sondern genau zum richti- Fördermilliarden zugunsten der Corona-Hilfen gen Zeitpunkt“, sagt Gugler. Wer noch nicht auf verzichtet. Der „Green Fonds“ wurde regelrecht dem Weg sei, bekäme Inspiration und Handlungs- geplündert und von 40 auf zehn Milliarden Euro re- anleitung, um sein unternehmerisches Wirtschaf- duziert. Positiv sieht es Vizekanzler Werner Kogler ten nachhaltiger und zukunftsfitter zu machen, be- trotzdem: 30 Prozent aller EU-Ausgaben sind an tont der Druck- und Kommunikationsunternehmer, Klima- und Umwelttechnologien gebunden. Dies sei der auch Yogalehrer ist und sich in Kooperation mit „bahnbrechend“, sagt Kogler. Man wird wohl noch einem Gärtner der „Arche Noah“ auf den nächsten hoffen dürfen und auch Chancen für Unternehmen Wachstumsschub seines Permakulturgartens freut. sehen. Auch in Vorarlberg tut sich einiges. Dort zeichnet Nicole Kantner von der Caritas, zugleich UN-Ju- gendbotschafterin, für ein ganz besonderes, preisge- kröntes SDG-Projekt verantwortlich. Sie hat das SDG-Musical „Solve it – die Zeit läuft“ auf den Weg gebracht. Im Musical werden die 17 Nachhaltig- SDG-TOOLS FÜR UNTERNEHMEN keitsziele jungen Leuten ab zwölf Jahren nicht nur vorgestellt, sondern mit konkreten Lösungs- und • SDG-Compass Handlungsansätzen versehen. „Es geht darum, dass Um SDGs leichter für Unternehmensent- gerade junge Leute erreicht werden und ins Tun scheidungen nutzen zu können, hat respACT kommen“, so Kantner. Ab Februar 2021 ist das SDG- (austrian business council for sustainable Musical in einem zweiten Durchgang „auf Tournee“. development) den „SDG Compass“ als Tool Dies in großen Sälen mit viel Corona-Abstand zum entwickelt. Er zeigt, wie sich die Integration und im Publikum. von SDGs in einem Unternehmen auswirkt. Der Kompass bietet Werkzeuge und Informati- onen, um Nachhaltigkeit in Geschäftsstrategi- CORONA ALS BREMSE? en zu verankern – von der Zieldefinition, über die Einbettung in Prozesse bis hin zu einer Doch das Corona-Virus könnte auch eine gewaltige Indikatoren-Landkarte. Die Basis für den Bremse für die SDGs werden. Denn Umweltthemen Kompass legte das WBSCD (World Business rutschen in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und Council for Sustainable Development) in akuter, auch unternehmerischer Existenzfragen in Kooperation mit der GRI (Global Reporting Umfragen ab. Zum anderen hat die EU in ihrem Initiative). jüngst ausverhandelten Budget auf Klimaschutz- Vertiefende Tools zu jedem einzelnen Ziel finden sich auf www.sdgcompass.org, www.respact.at. • SGD-Award Der „Senat der Wirtschaft Österreich“ – eine überparteiliche Organisation, die sich der Förderung der nachhaltigen und ökosozialen Fotos: BKA/Andreas Wenzel; Alexander Müller ting Wirtschaft und Gesellschaft verschrieben hat Green Mee www.congressalpbach.com – schreibt seit 2017 den Austrian SDG-Award Nachhaltig tagen im Bergdorf aus. Unternehmen werden ausgezeichnet, wenn sie die relevanten SDGs in ihren Prozessen und Produkten maßgeblich Entgeltliche Einschaltung integrieren und so in ihren Branchen zu Vorreiter*innen werden. Bewerbungen sind online bis 16. Oktober 2020 möglich. www.austrian-sdg-award.at 10 | BUSINESSART 03/20
Kommentare: SDGs FÜNF JAHRE SUSTAINABLE DEVELOPMENT GOALS (SDGs) VERTRETER*INNEN VON POLITIK, FORSCHUNG UND NGOS ZIEHEN BILANZ. KAROLINE EDTSTADLER / Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Wir erleben in der durch die COVID-19-Krise geprägten Zeit zahlreiche Veränderungen. Trotz der vielen Herausforderungen, denen wir begegnen, dürfen wir unser Ziel einer nachhaltigen Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Die Österreichische Bundesregierung bekennt sich klar zur Umset- zung der Agenda 2030 mit der Implementierung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs). Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Themen Digitalisierung, Frauen, Jugend und „leaving no one behind“ sowie Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Insbesondere diese Bereiche werden in Österreichs erstem Freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht dargestellt. Der Bericht wurde unter Einbindung der Bundesministerien, der Bundesländer, des Städte- und Gemeindebunds, der Sozialpartner, der Zivilgesellschaft, von Wirtschaft und Wissenschaft erstellt. Dieser ganzheitliche Ansatz hat gezeigt, dass wir gemeinsam eine nachhaltige Zukunft gestalten können. Dafür wird sich die Österreichische Bundesregierung weiterhin mit aller Kraft und Anstren- gung einsetzen. ANGELA KÖPPL / Umweltökonomin am Wirtschafts- forschungsinstitut WIFO Die COVID-19-Pandemie stellt eine beträchtliche Erschütte- rung der gewohnten gesellschaftlichen und wirtschaftli- Fünf Jahre nach Verabschiedung der SDGs haben sie noch chen Abläufe dar. Die daraus gewonnenen Erfahrungen nicht den Stellenwert erlangt, der für eine Transformation und die staatlichen Unterstützungen zum Wiederaufbau in Richtung Nachhaltigkeit erforderlich wäre. Nach wie vor sollen dafür genutzt werden, um weniger verletzliche und herrschen national und global nicht-nachhaltige Struktu- nachhaltigere Strukturen voranzutreiben. Dafür braucht es ren vor und die Fortschritte, die gemacht werden, reichen im Sinne der Nachhaltigkeit eine Ausrichtung an Resili- nicht aus, um die notwendigen strukturellen Veränderun- enz, die Umsetzung innovativer Systeme und ein Überden- gen zu bewältigen. Gleichzeitig sind das Wissen und die ken unseres Wohlstandsverständnisses, das sich noch im- Möglichkeiten für alternative Entwicklungspfade gegeben, mer vorwiegend am BIP-Wachstum ausrichtet. Hingegen setzen aber entsprechende politische Rahmenbedingungen sollten die SDGs, das Pariser Klimaabkommen und der auf nationaler, EU- und globaler Ebene voraus. „Green Deal“ die Leitlinien unseres Handelns sein. BUSINESSART 03/20 | 11
Let´s fight for it – to leave no one behind! MONIKA FROEHLER / CEO Ban Ki-moon Centre Wien Die SDGs kann man als „Weltregierungsprogramm“ Zugangs zu Elektrizität und bei der Repräsentanz von verstehen. Sie sind derzeit der einzige Plan, den die Frauen in Regierungen sehen. Allerdings erfüllte schon internationale Staatengemeinschaft hat, um die Welt in vor COVID-19 kein Land weltweit die Ziele zum Klima- die Richtung einer nachhaltigeren Zukunft zu führen. schutz. Viele Staaten haben sich außerdem vom Multi- Wo stehen wir im Jahr 2020? Die Bilanz ist gemischt. lateralismus abgewandt. Während wir in einigen Bereichen Fortschritte gemacht haben, attestiert der UNO Sustainable Development Ban Ki-moon ist berühmt dafür gesagt zu haben: „Es gibt Goals Report 2020 allgemein ungleichmäßigen und un- einen Planeten A, es gibt keinen Planeten B. Wir haben zureichenden Fortschritt. De facto fehlt uns Geld, politi- tatsächlich auch nur einen globalen Plan – die SDGs – scher Wille und Priorisierung, breitenwirksames Wis- und wir haben keinen Plan B. Let´s fight for it – to leave sen um die SDGs sowie Langfristigkeit im wirtschaftli- no one behind!“ chen wie politischen Denken und Handeln. Kleine Das Ban Ki-moon Centre in Wien ist eine Quasi-Internationale Organisation, Verbesserungen konnten wir bis zur COVID-19-Krise die für die SDGs und besonders für Jugend und Frauen arbeitet. etwa bei der Mutter-Kind-Gesundheit, beim Ausbau des www.bankimooncentre.org FRANZ MICHAEL FEHR / Fotos: Laurent Ziegler; Franz Michael Fehr; Martin Lahousse; Globale Verantwortung; Joseph Bramer Vorsitzender des UniNEtZ-Rates Österreich hat vor allem aufgrund seiner geographi- schen Lage und jüngeren Geschichte eine grundsätz- lich gute Ausgangsposition. Ob Versorgung mit Lebensmitteln, Medizin und Energie, Ausbau der Infrastruktur, Bildungschancen und Arbeits- welten oder Umweltschutz und Naturlandschaften – im globalen, aber auch europäischen Vergleich stehen wir ganz gut da. Spannender wird es allerdings, wenn wir uns die Ent- offizielle Entwicklungshilfe (SDG 17) wurde im selben wicklung der letzten Jahre genau ansehen. Da zeigen Zeitraum von 0,32 Prozent des Bruttonationalein- sich vielfältige SDG-Targets, die wir dringend besser kommens auf 0,26 Prozent reduziert und liegt deutlich managen müssen. Ob Gender Pay Gap (SDG 5), Bodenver- unter dem Durchschnitt der EU28 von 0,48 Prozent. lust und Versiegelung (SDG 2, 11 und 15), Biodiversitäts- Aus Sicht der Wissenschaft braucht es dringend verlust (SDG 15) oder Energieeffizienz (SDG 7) – wir konkrete nationale Zielformulierungen, um treffsichere rutschen im europäischen Vergleich teilweise stark ab. Maßnahmen zu setzen. Besonders prekär sind auch international bedeutende UniNEtZ – Universitäten und Nachhaltige EntwicklungsZiele – ist ein Themen. So sind zum Beispiel unsere Treibhausgas- Zusammenschluss von rund 250 Wissenschafter*innen aus 16 Universi- emissionen (SDG 13) aus dem Sektor Verkehr von 2010 täten in Österreich. Neben der Implementierung der SDGs in Verwaltung, Lehre und Forschung an den Universitäten ist das Hauptziel die Erstellung bis 2018 um fast acht Prozent gestiegen, während eines gemeinsamen Optionenbericht für die österreichische Bundes- andere Staaten stark reduzieren konnten. Auch die regierung. 12 | BUSINESSART 03/20
Kommentare: SDGs DR. OTHMAR KARAS / Vizepräsident des Europäischen Parlaments „Beitrag für die Generation nach uns“ Die Corona-Pandemie hält uns den Spiegel vor. Sie zeigt, wie verwundbar wir sind und wie sehr man- che Entscheidungsträger*innen sich immer noch darauf verlassen, dass wir – sobald das Ärgste überstanden ist – einfach weiterwursteln können. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin daher froh, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN zum Schwerpunkt ihrer Politik gemacht hat und deren Umsetzung jährlich überprüfen wird. In manchen Bereichen haben wir schon Fortschritte gemacht, just beim Klimaschutz hapert es noch. Wir müssen daher konsequent unserem politischen Kompass folgen: Er weist in Richtung eines „Green Deal“, ei- nes „White Deal“ für den Gesundheits- und Sozialbereich, der Digitalisierungs- und Standortstrategie, eines Binnenmarkts der sozialen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sowie der vier Freiheiten und Grundrechte der EU. Die Arbeit an der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele ist unser Beitrag für eine bessere Welt – für uns und die Generationen nach uns. ANNELIES VILIM / Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung Die Agenda 2030 ist ein globaler Aktionsplan für ein gutes Leben für alle Menschen. Sie ist auch eine Handlungsanleitung aus der COVID-19-Krise. Die Krise hat uns gezeigt, wie vernetzt unsere Welt ist und wie wichtig eine ganzheitliche Politik wäre, die auf globale Herausforderungen reagiert. Eine nachhaltige Politik ist heute dringender denn je. Denn COVID-19 und seine Folgen werden zu Rückschritten bei der Erreichung vieler der in der Agenda 2030 enthaltenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung führen. So sollten beispielsweise Armut und Hunger im Jahr 2030 der Vergangen- heit angehören. Durch die Pandemie könnte die Zahl extrem armer Menschen auf über eine Milliarde steigen. Daher gilt jetzt mehr denn je, die Anstrengungen zur Umsetzung der Agenda 2030 zu intensivieren. Wenn Österreich und andere Länder die zugesagten 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung an Entwick- lungsgeldern zur Verfügung stellen, können wir Hunger sowie Armut besiegen und die Agenda 2030 erreichen. Denn das Ziel ist es wert: ein gutes Leben für alle. Die AG Globale Verantwortung ist der Dachverband von 35 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe. Ziel ist, ein gutes Leben für alle Menschen auf einem gesunden Planeten zu ermöglichen. BERNHARD ZLANABITNIG / Gründungsmitglied SDG Watch Austria Mit dem Aktionsplan der Agenda 2030 können wir Herausforderungen überall und gleichzeitig an- gehen und sind nicht regional oder thematisch beschränkt. Österreich hat seit der Verabschiedung der UNO-Nachhaltigkeitsziele vor fünf Jahren wertvolle Zeit für eine erfolgreiche Umsetzung verlo- ren. Der partizipative Prozess zur Erstellung des ersten Umsetzungsberichts Österreichs im Rahmen des jährlichen UN-Nachhaltigkeitsgipfels lässt aber hoffen, dass Österreich seine Anstrengungen zur Erreichung der Ziele in den verbleibenden zehn Jahren intensiviert. Damit die Bemühungen aber nicht im Sande verlaufen, braucht es ein starkes politisches Bekenntnis und Engagement! Die Agenda 2030 sollte daher politisch zur Chefsache erklärt werden und eine mit Kompetenzen und Ressourcen ausgestattete zentrale Steuerung des Umsetzungsprozesses eingerichtet werden. Auch ein entsprechendes SDG Budget, ein wissenschaftlicher Beirat und ein „SDG-Check“ aller Gesetze in Österreich wären gute Schritte. SDG Watch Austria ist ein Zusammenschluss von mehr als 200 zivilgesellschaftlichen und gemeinnützigen Organisationen. Sie setzen sich für eine ambitionierte Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Österreich ein. BUSINESSART 03/20 | 13
ein Blick hinter die Kulissen 30 JAHRE ÖSTERREICHISCHES UMWELTZEICHEN: WAS BRINGT DAS GÜTESIEGEL UNTERNEHMEN UND UMWELT? Sie waren irgendwie typisch für die 1980er-Jahre: die giftigen Holzschutzmittel, die jedem Insekt den Garaus machten, oder die aggressiven Putzmittel, die Glanz in Küche und WC ohne Mühe versprachen. Leider wirkten die Mittel nicht nur auf unerwünschte Insekten und Bakterien, sondern auch auf Menschen. Immer häufiger wurde über Hauterkrankungen, Leberschäden bis hin zu Krebs berichtet. Die Unsicherheit war groß und der Informationsbedarf hoch. Anlass für die Politik, 1990 ein Gütesiegel für umweltfreund- liche Produkte – das Österreichische Umweltzeichen – ins Leben zu rufen. Wo stehen wir heute? BUSINESSART: Wie bekannt ist Vergleich überdurchschnittlich breit Vorrecherchen, die die Umwelteigen- Interview mit das Umweltzeichen? aufgestellt. schaften der Produkte am Markt und DI Andreas Tschulik Andreas Tschulik: Derzeit hat das Zusätzlich stellen wir uns die Frage, vorhandene Ansatzpunkte für Kriteri- vom Bundes- ministerium für Umweltzeichen einen gestützten Be- welche Produktgruppen relevant sind en zeigen. Anschließend startet das Klimaschutz von kanntheitsgrad von etwa 60 Prozent – im Hinblick auf Umweltauswirkun- formale Prozedere. Im ersten Schritt Roswitha M. Reisinger und Michaela R. österreichweit. Das ist ein sehr guter gen, Größe des Marktes, Differenzie- entscheidet der Umweltzeichenbeirat Reisinger. Wert für ein freiwilliges Gütesiegel, rungsmöglichkeiten am Markt und ob die Arbeit an einer Richtlinie be- auch in Anbetracht limitierter Marke- Anbieterstruktur. Und: In welchen Be- gonnen wird oder nicht. Von der Idee tingmittel. reichen gibt es auch österreichische bis zur fertigen Richtlinie dauert es Produzenten? Wie ist die wirtschaft- grob zwei Jahre, die konkrete Richt- Wie entsteht eine neue Richtlinie? liche Struktur und wie hoch ist der linienarbeit findet dabei in ca. einem Am Anfang steht die Frage, wofür Aufwand, um eine Richtlinie zu er- Jahr statt. Fotos: BMK Paul Gruber; Umweltzeichen man noch ein Umweltzeichen braucht. arbeiten und die Produktprüfung Für Produktgruppen, die bereits ein durchzuführen – denn letztendlich Was sind die größten Barrieren etabliertes, verpflichtendes System muss eine Richtlinie auch mit ver- und wie überwinden Sie sie? der Kennzeichnung verwenden, wird tretbarem Aufwand umsetzbar sein. Kurze Produktzyklen machen Proble- man nicht noch eine Richtlinie ma- me im Prüfaufwand. Das kann man in chen. Ansonsten ist unser Ziel, mög- Das sind die Schritte bis zur Entschei- den Griff bekommen – wie etwa bei lichst viele Produkte und Dienstleis- dung, welche Produkte in Frage den Druckereien –, indem die Ferti- tungen, die für die Lebensbereiche der kommen. Danach beginnen wir – in gungslinie zertifiziert wird, mit allen Menschen wichtig sind, abzudecken. Zusammenarbeit mit dem Verein für Inhalts- und Hilfsstoffen, die ver- Daher sind wir im internationalen Konsumenteninformation (VKI) – mit wendet werden dürfen. 14 | BUSINESSART 03/20
Interview Die größte Freude ist, wenn ich sehe, dass wir wirklich etwas im Bereich des Umweltschutzes bewirken können. ANDREAS TSCHULIK, ÖSTERREICHISCHES UMWELTZEICHEN Ein wichtiger Aspekt ist, ob die gewerblichen Reinigung eingesetzt Branche und die Hersteller das Um- werden und diese durch die Zertifizie- weltzeichen nutzen wollen. Wir konn- rung Vorteile bei der öffentlichen Be- FAKTEN ten zum Beispiel mit dem Fachver- schaffung haben. Der zweite Aspekt band der chemischen Industrie, der ist, dass viele Produkte Eigenmarken die Farbenhersteller mitrepräsentiert, des Handels sind, die sich durch die • Staatlich geprüftes Umweltsiegel, das eine Übereinkunft erzielen. Dies er- Auszeichnung von den klassischen für jeweils vier Jahre verliehen wird möglichte es, die Produktprüfung zu multinationalen Markenartikelher- vereinfachen, ohne die Qualität zu stellern unterscheiden. Denn diese • Gestaltet von Friedensreich Hundertwasser, vermindern. Ein wesentlicher Aspekt nutzen das Umweltzeichen nach wie einem großen Unterstützer des Projekts war, ein österreichisches Prüfinstitut vor nicht – und das ist nicht nur einzusetzen, das von allen Herstellern bei uns so, sondern ist die Unter- • Zertifizierungen: 4.100 Produkte, die notwendigen Daten bekommt. nehmensstrategie der multinationa- 400 Tourismusbetriebe, 160 Bildungs- Die Rezepturen und der Umgang mit len Konzerne. einrichtungen, 80 Veranstalter von den Geschäftsgeheimnissen sind ein Green Meetings & Events sehr kritischer und heikler Punkt. Warum entscheiden sich Unter- Die Branche konnte an Bord geholt nehmen für das Umweltzeichen? • Enge Kooperation mit dem Blauen Engel (D) und dem Europäischen Umweltzeichen werden, weil wir einen Konsens da- Wegen der Positionierung im Marke- (European Ecolabel). Unternehmen können rüber geschaffen haben, dass die In- ting. Eine aktuelle Masterarbeit zeigt mit einem Prüfgutachten mehrere Umwelt- formationen bei einem österreichi- unterschiedliche Motivationen, das zeichen erhalten. Mit EMAS gibt es eine schen Institut gebündelt werden, das Umweltzeichen zu nutzen, allen vor- Schnittstelle – die beiden Instrumente streng auf die Geheimhaltung achtet, an der Marktdruck, der es notwendig bestärken sich gegenseitig. in einem klaren Rahmen agiert und macht, Umweltprodukte im Portfolio das Vertrauen beider Seiten genießt. zu haben. Wesentlich für eine Wieder- auszeichnung mit dem Umweltzei- • Geplante Richtlinien: Wärmedämm- verbundsysteme, erneuerbares Gas, In der Produktgruppe der Reinigungs- chen sind die Unternehmensphiloso- IT-Hardware und -Software. mittel wurde die Harmonisierung mit phie sowie die Werte, die dahinter dem Europäischen Umweltzeichen stehen. Unternehmen, die offen sind umgesetzt. Dabei war ganz zentral, für Umweltschutz, nutzen Instru- dass es viele Produkte gibt, die in der mente wie ein Umweltsiegel eher. BUSINESSART 03/20 | 15
DIE WIRTSCHAFT HAT CORONA € IST NACHHALTIGKEIT DER RICHTIGE IMPFSTOFF? 423.000 Arbeitslose, 453.000 Menschen in Kurzarbeit: So sieht die wirtschaftliche Lage Österreichs Anfang September 2020 in Österreich aus. Ein Zusammenbruch der Wirtschaft konnte durch Kurzarbeit abgewendet werden, gigantische Konjunkturpakete der Länder und der EU sollen eine rasche Erholung möglich machen. Wie geht es nachhaltigen VON 100 AUF NULL Unternehmen in Zeiten wie diesen? Wie gehen sie mit dieser Krise um? Durch den Covid-19-Lockdown wurden die Branchen Sind sie im Vorteil oder gar im Nachteil? Tourismus, Verkehr, Handel, persönliche Dienstleis- tungen sowie Kunst, Unterhaltung, Erholung, Indus- Und welche Konsequenzen ziehen sie? trie und Export besonders hart getroffen. Von einem ROSWITHA M. REISINGER HAT NACHGEFRAGT Tag auf den anderen standen sie ohne Einnahmen da. Der Wirtschaftseinbruch im zweiten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr war gewaltig: 12,8 Pro- zent sagt das WIFO. Zum Vergleich: 2009 waren es minus 3,9 Prozent. Dramatisch auch die Lage der Liquidität: 23 Prozent der vom KSV1870 befragten Unternehmen hatten ihre liquiden Mittel bereits Anfang Mai aufgebraucht oder standen kurz davor. „Manche Branchen sind extrem betroffen, weil sie auf schwachen finanziellen Standbeinen stehen“, 16 | BUSINESSART 03/20
€ VERTRAUEN UND LOYALITÄT DER KUND*INNEN „Extrem und existenzbedrohlich war unsere Lage in den ersten Monaten der Krise“, sagt Christian Hlade, Gründer und CEO von Weltweitwandern. Knapp 2.000 Reisen mussten storniert werden, viele Rei- sende außertourlich zurückgeholt und geleistete Anzahlungen rückerstattet werden. Bei gleichzeitig null Einnahmen über Monate. „Wir stehen derzeit bei einer Million Euro Schulden“, sagt Hlade. Trotzdem sagt die Beraterin und Wirtschaftsprüferin Brigitte werde es das Unternehmen schaffen – durch die Frey: „Die Gastronomie hat sich beispielsweise durch hohe Solidarität von Gästen, Mitarbeiter*innen und das riesige Angebot und die Preiskonkurrenz in eine Partner*innen. Anfang Juli konnte der Spezialist für Ecke manövriert, dass es extrem schwierig ist, gut Wander-Erlebnisreisen zum ersten Mal durchatmen. zu verdienen. Da muss ich mich ganz bewusst ent- Mehr als die Hälfte der Reisegäste vertrauen dem scheiden, ob ich in dieser Branche kämpfen will, Unternehmen. Sie entschieden sich für Wertgut- Illustration: istockphoto.com/AlexeyBlogoodf oder ob ich mich vielleicht mit einem zweitem scheine statt Rückzahlung. Und nicht nur das. „Wir Standbein absichere.“ haben hunderte Spenden erhalten, damit unsere Guides und Teams in Nepal, Marokko, Ladakh, Süd- Auch die von uns befragen Unternehmen konnten afrika u.a. überleben können“, ist Hlade begeistert. sich den allgemeinen Trends nicht entziehen: Gast- Das motiviere ihn, weitere Schulungen und Reisen häuser, Hotels, Tourismus, Berater*innen, aber auch anzubieten und die lokale Wertschöpfung zu erhö- Gewerbe und Industrie sind stark betroffen; kaum hen. Hlade ist zudem überzeugt: „Die nachhaltigen bzw. mäßig betroffen waren Bau- und Energiewirt- und verantwortungsbewussten Reisen von Welt- schaft, Lebensmittelproduktion, Verpackung und weitwandern werden nach der Krise noch stärker Banken. gefragt sein, als davor!“ BUSINESSART 03/20 | 17
1 Christian Hlade, Gründer und CEO von Weltweitwandern 2 Friedrich Riess, Riess-Kelomat REGIONALITÄT UND LIEFERFÄHIGKEIT „Uns haben die Regionalität, die Nachhaltigkeit und das Lager gerettet“, sagt Friedrich Riess von Riess- TROTZDEM WERDE ES Kelomat. Seit Jahren liege ihm die Bank in den DAS UNTERNEHMEN SCHAFFEN – Ohren, das „unproduktive“ Lager zu verkleinern und DURCH DIE HOHE SOLIDARITÄT stieß bei ihm – aus heutiger Sicht zum Glück – auf taube Ohren. „Aufgrund des Lagers konnten wir kon- VON GÄSTEN, MITARBEITER*INNEN tinuierlich liefern. Während des Shutdowns an die UND PARTNER*INNEN. vielen kleinen Online-Händler, danach sofort wieder CHRISTIAN HLADE zu 100 Prozent.“ Das wäre bei vielen anderen Unter- nehmen auch möglich gewesen, meint Riess. „Ich habe selbst erlebt, dass mir ein Unternehmen mit Besonders schwer betroffen ist die Gruppe der EPUs dem Argument ‚geht nicht – wir sind in Kurzarbeit’ (Einzel-Personen-Unternehmen). Sie stehen ohne nicht einmal ein Angebot legte“, ärgert er sich. „Un- Einnahmen und vielfach auch ohne Rücklagen da. ternehmen kommt doch von etwas unternehmen. Frey: „Viele Menschen haben sich in den letzten Ich kann nicht einfach sitzen bleiben und die Hände Jahren selbstständig gemacht, dabei aber oft nicht in den Schoß legen!“ das Verständnis eines Unternehmers, einer Unter- nehmerin entwickelt. Der unternehmerische Lohn muss so hoch sein, dass ich Krisen überstehen kann. FLEXIBEL & INNOVATIV Ich muss für den Fall, dass ich krank werde, dass eine neue Verordnung kommt oder etwas anderes Unternehmer*in durch und durch sind Josef und Unvorhergesehenes passiert, finanziell vorsorgen, Doris Farthofer von der Destillerie Farthofer. Zu um so eine Situation durchtauchen zu können.“ Ob Beginn der Krise war den Österreicher*innen die nachhaltig oder nicht – unternehmerisches Denken Lust an guten Destillaten vergangen und zudem und Handeln bleibe immer die Basis für den Erfolg die Hauptabnehmerin Gastronomie geschlossen. Die eines Unternehmens. Farthofers reagierten schnell: „Für Apotheken und Pflegeheime war kurzfristig kein Desinfektions- Auch bei plenum – Spezialist für Nachhaltigkeits- mittel verfügbar. Daher haben wir statt Biobränden beratung und Ausbildung – wurden alle Seminare Bioalkohol für Desinfektionszwecke hergestellt“, abgesagt. „Es geht uns den Umständen entsprechend sagt Doris Farthofer. „Dies war nur möglich, weil wir gut“, sagt Geschäftsführerin Sylvia Brenzel. „Wir den gesamten Produktionszyklus abbilden können haben unsere Fixkosten im letzten Jahr stark redu- und nicht abhängig von anderen Zulieferern sind.“ ziert, das hilft uns jetzt.“ Darüber hinaus hätten in- Das werde zukünftig noch wichtiger werden. Ähn- novative Auftraggeber*innen die Chance genützt, lich lief es beim Systemhygieneunternehmen hollu. voranzugehen und mit Unterstützung von plenum Geschäftsführer Simon Meinschad: „Als inhaber- fundierte Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Die geführtes Familienunternehmen können wir rasch langjährige gute Arbeit und das damit verbundene Entscheidungen treffen und schnell handeln. Daher Image haben sich nun bezahlt gemacht. Was soll in konnten wir auf Rohstoffmängel flexibel reagieren Zukunft anders werden? Brenzel: „Im Bildungsbe- und haben kurzfristig individuell abgestimmte reich werden wir verstärkt auf online bzw. Blended Hygiene- und Desinfektionspakete aus einer Hand Learning umsteigen.“ für unsere Kund*innen entwickelt.“ 18 | BUSINESSART 03/20
3 Brigitte Frey, Beraterin und Wirtschaftsprüferin 4 Stefan Doboczky, Vorstandsvorsitzender der Lenzing Gruppe 5 Josef und Doris Farthofer, Destillerie Farthofer Fotos: Weltweitwandern; Friedrich Riess; Draper; Lenzing AG; Schmücking; Illustration: istockphoto.com/AlexeyBlogoodf Bereits vor COVID-19 war der Preis- und Mengen- druck auf dem Weltfasermarkt hoch; die Krise ver- stärkte den Druck auf die Bekleidungsindustrie noch weiter. Um den hohen Bedarf an hygienischen Schutzartikeln für Bevölkerung und medizinisches Personal zu decken, gründete der Faserhersteller Lenzing – mitten in der Krise – gemeinsam mit Palmers Textil die Hygiene Austria LP GmbH, die Schutzmasken für den heimischen und europäi- schen Markt produziert. Stefan Doboczky, Vorstandsvorsitzender der Lenzing Gruppe: „Natürlich sind wir aufgrund des Markt- einbruchs zunächst von der Krise ebenso betroffen. Allerdings sehen wir klare Tendenzen einer Trans- formation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft, unterstützt durch die Industrie selbst sowie von der EU. Zu erwartende Richtlinien der EU bezüglich einer Forcierung der Kreislaufwirtschaft und der Finanzierung nachhaltiger Investitionen sowie zukünftige Beschaffungspraktiken unserer Kund*innen für nachhaltige Rohstoffe beweisen, UMFRAGE ZU ÖKONOMISCHER STABILITÄT dass unsere nachhaltige Positionierung unsere Posi- Wir haben 20 führende Unternehmen nach der Betroffenheit ihrer Branche, tion stärkt. Es bedeutet aber auch, dass wir diesen ihres Unternehmens und den Umgang damit befragt sowie zu ihren Vorstellungen, was sich zukünftig verändern soll, um derartige Krisen gut Weg weitergehen werden, um in Zukunft wettbe- überstehen zu können. Einen Großteil der Interviews können Sie auf werbsfähig zu bleiben.“ www.businessart.at nachlesen. BUSINESSART 03/20 | 19
DAS HAT IN DER KRISE GEHOLFEN • Gelebte Nachhaltigkeit: gute Beziehungen zu allen Stakeholdern – und die damit verbundene hohe Solidarität • Flexibilität & Innovation, um neu entstandene Marktchancen kurzfristig nutzen zu können • Ausreichende Digitalisierung, um zumindest teilweise weiterarbeiten zu können • Ausreichende finanzielle Reserven und gute Zusammenarbeit mit Banken, AMS oder AWS SO VERWUNDBAR IST EUROPA Der Pandemic Vulnerability Index (PVI) zeigt die Verwundbarkeit von Ländern gegenüber Pandemien. Quelle: Creditreform Rating 2020 niedriges Risiko hohes Risiko 20 | BUSINESSART 03/20
KONSEQUENZEN AUS DER KRISE FÜR UNTERNEHMEN • Finanzierung: Aufbau weiterer finanzieller Reserven, um zwei bis drei Monate überstehen zu können; Absicherungsstrategien entwickeln; Investitionen klug planen; Konzepte, wie man auch mit geringerem Wachstum erfolgreich ist NACHHALTIGES HANDELN STÄRKT DIE • Prozesse & Strukturen: flexibler, agiler, ÖKONOMISCHE SÄULE innovativer werden Gelebte Nachhaltigkeit von Unternehmen spiegelt • Wertschöpfungskette: höhere Transparenz sich vor allem in gut gepflegten Beziehungen zu entlang der gesamten Wertschöpfungskette allen Stakeholdern wider. Dieses Investment wurde in Bezug auf den Materialfluss sowie den nun in der Krise belohnt: Viele der befragten ökologischen und sozialen Fußabdruck der Unternehmen erlebten eine hohe Loyalität und Produkte, mehr Regionalität, Glokalisierung Solidarität von Kund*innen, Lieferant*innen und (also die optimale Verbindung von globaler Mitarbeiter*innen; auch die Kooperation mit der und lokaler Beschaffung) und gute Zusammen- Hausbank oder dem AWS wurden als problemlos arbeit beschrieben. Rein die Kurzarbeit entpuppte sich für einige KMU als „Bürokratiemonster“. Praktisch alle Befragten sehen Nachhaltigkeit als KONSEQUENZEN FÜR POLITIK noch stärkeren Vorteil in der Zukunft: „Durch die UND GESELLSCHAFT Fridays-for-Future-Bewegung ist der Klimawandel in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Corona- • Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) um Lebens- Krise hat den Trend zu nachhaltigen und regionalen grundlagen und Humankapital ergänzen Produkten noch verstärkt – unsere Pelletskessel • Wachstum hinterfragen: Was soll wachsen? werden in Österreich hergestellt und der Brennstoff Pellets ebenfalls“, sagt beispielsweise Stefan Ortner • Steuer/Beschaffung: Kostenwahrheit von ÖkoFEN. Und Johann Zimmermann, NaKu, er- erreichen, öko-soziale Steuerreform/CO2-Steuer, gänzt: „Nachhaltige Produkte haben derzeit ein nicht entnommene Gewinne im Unternehmen höheres Wachstum als herkömmliche. Dadurch ist nicht besteuern, um mehr Eigenkapital man schneller aus dem Stillstand heraußen.“ aufbauen zu können, Bestbieterprinzip • Transformation zu einer nachhaltigeren WIE WIRD ES WEITERGEHEN? Wirtschaft, die zentrale Themen wie Klimawandel, Biodiversität und die Kreislauf- Ausgestanden ist das Ganze vermutlich noch lange wirtschaft in die globalen Geschäftsaktivitäten nicht. Viele notwendige Investitionen wurden integriert. Definition von Kriterien, die aufgeschoben. Die Banken erwarten zunehmende beschreiben, wann eine Wirtschaftstätigkeit Zahlungsausfälle durch Insolvenzen. Laut KSV1870- nachhaltig ist und wann diese wesentlich Umfrage gehen 54 Prozent der Unternehmen von ei- zur Verwirklichung der drängendsten nem stark bereinigten Markt aus, der dann nur noch Umweltziele beiträgt aus den finanzstärksten Unternehmen bestehen soll. Die Arbeitslosigkeit wird hoch bleiben. Denn nach • Umsetzung des EU Action Plan on der Kurzarbeit werde Personal reduziert: „Die Unter- Financing Sustainable Growth: Umwelt, nehmensgröße hat dabei einen Einfluss auf den Per- Soziales und Unternehmensführung/ sonalabbau“, stellt Alfred Berger, Leiter des Bereichs Governance in den Mittelpunkt des Finanz- Compensation und Performance Management bei systems stellen Kienbaum Wien, fest. Ein Viertel der Unternehmen • Der Green Deal als Basis. Konjunktur- mit mehr als 500 Mitarbeitenden werde künftig programme sollen sich auf die Themen Personal abbauen. In kleineren Unternehmen (bis zu Grafik: LIGA: graphic design Klimawandel, Kreislaufwirtschaft und 50 Mitarbeiter*innen) liege der Wert bei 12 Prozent. Biodiversität konzentrieren „Die Verbundenheit mit den Mitarbeitenden ist also in kleinen Unternehmen deutlich enger als in • Mehr Wertschätzung für KMU und für das großen Einheiten“, so Berger. Vielleicht wieder so Handwerk ein Faktor, der sich dann in Krisenzeiten als Vorteil entpuppt. BUSINESSART 03/20 | 21
CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY MESSAGE OUT OF CONTROL GILT DIE NACHHALTIGKEIT AUCH FÜR DIE MARKETINGABTEILUNG? MARKUS MITTERMÜLLER „Muss das sein?“, ist dort zu lesen. Und auch: „sowas KRITIK ZU LÖSCHEN, IST KEINE OPTION von krank“ oder „ekelig“. Mit einem Posting haben Die Antwort des Verkehrsunternehmens ist eindeutig. die Wiener Linien auf Facebook am Valentinstag „Wir wussten schon vorher, dass es ein Aufreger des Vorjahres für eine Menge Aufregung gesorgt. wird und auch negative Bemerkungen kommen Und auch für Kommentare, die sich das Unter- werden. Diese zu löschen, ist für uns aber keine nehmen wohl gerne erspart hätte. Was war der Aus- Option. Wir gehen lieber offensiv auf diese User zu löser? Das Bild mit der Aufschrift „Habt euch lieb!“ und nehmen ihre negativen Äußerungen im Kom- zeigt zwei in der U-Bahn fahrende Fußball-Fans in mentar auch auf die Schippe“, sagt Lisa Schmid, den Dressen ihres Vereins, Rapid und Inter Mailand. Social-Media-Expertin bei den Wiener Linien. Hintergrund ist, dass am gleichen Tag in Hütteldorf das Europa-League-Match der beiden Mannschaften Immer wieder greift das Unternehmen in seiner stattgefunden hat. Ein Detail auf dem Foto scheint Kommunikation gesellschaftsrelevante Themen jedoch viele zu stören: Die zwei jungen Männer auf – von Rassismus über Gleichberechtigung bis küssen sich nämlich. Mehr als 6.500 User haben hin zum Aufreger „Manspreading“. „Es lohnt sich, auf das Posting reagiert, knapp 2.200 Kommentare wenn man den Mut hat, für gewisse Themen aufzu- finden sich darunter – viele davon negativ. War es stehen. Unsere Community in den Social-Media-Ka- ein Fehler, dieses offensichtlich sehr provozierende nälen steht hinter uns und verteidigt sogar unsere Bild zu veröffentlichen? Postings“, erklärt Schmid. 22 | BUSINESSART 03/20
Sie können auch lesen