Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg

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Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
Hinterm

                                                                                                     Zeichnung: Lennart Peters – www.pingpong-workshops.de
Reißverschluss
geht’s weiter –
Visionen für Bamberg
Die Welt dreht sich schneller, sie wird unübersichtlicher,
und die politischen Handlungsfelder scheinen immer kom-
plexer zu werden. Als Folge neigen wir oft dazu, mit aller
Macht unseren gesellschaftlichen und individuellen ökono-
mischen Ist-Zustand erhalten zu wollen. Visionen und Utopi-
en gelten in einer sowieso schon turbulenten Welt als Risiko-
faktoren oder werden in der aufgeheizten gesellschaftlichen
Debatte mit Ideologien gleichgesetzt.
Um Menschen Orientierung zu geben, braucht es aber gera-
de in Politik und Gesellschaft klare Zielvorstellungen und Zu-
kunftsvisionen, wie wir in Zukunft zusammenleben können
und wollen. Ein gesunder Pragmatismus und der Wille zum
Interessensausgleich sind in der täglichen Arbeit hilfreich, sie
können aber nicht den fehlenden Mut ersetzen, Zukunftsthe-
men offensiv und gestaltend zu begegnen.
Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Oder zur GAL.
In den vergangenen 35 Jahren hat die GAL mal verrückte, mal
falsche, aber immer wieder visionäre Ideen zur Entwicklung
Bambergs eingebracht. Einige davon wurden erst nach vie-
len Jahren umgesetzt, andere bleiben auch heute noch Uto-
pie oder scheitern am Widerstand der Mehrheit.
Wir laden Sie mit dieser † ein, hinter den Reißverschluss zu
blicken und mit uns über die Zukunft unserer Stadt nachzu-
denken. Ohne Denkverbote und in dem Wissen, dass sich Din-
                                                                                nat i ve
ge ändern müssen, um Bamberg so zu erhalten, wie wir es lie-               er
ben.
                                                                   ün - Al t

                                                                                           Ze

Für Veränderungen braucht es Mut, auch gegen Widerstände                       März
                                                                                           i t ung

anzukämpfen. Das wollen wir weiterhin tun. Denn oft war es                     2018
so, dass alle sagten „das geht überhaupt nicht“. Dann kam ei-
                                                                    Gr

ner, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht. Und im
Nachhinein wollte niemand das Rad zurückdrehen.
                   Jonas Glüsenkamp, Vorstand GAL Bamberg
                                                                          N r. 8 6
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
2                                                                                                                                                                                       Nr. 86 • März/April 2018

Degrowth – Aufbruch aus der Alternativlosigkeit
Die Suche nach dem Guten Leben: Warum wir träumen müssen um fündig zu werden
                                                                                                                                               Tipps zum lesen und aktiv werden:
                                                                                                                                               ÄÄ www.degrowth.info
                                                                                                                                               ÄÄ Praxisbeispiele:
                                                                                                                                                  http://www.goethe.de/ins/cz/prj/fup/deindex.htm
                                                                                                                                               ÄÄ Erik Olin Wright (2017): Reale Utopien: Wege aus dem
                                                                                                                                                  Kapitalismus, Suhrkamp Verlag
                                                                                                                                               ÄÄ Projekte in Bamberg:
                                                                                                                                                  www.transition-bamberg.de
                                                                                                                                                  www.chancengestalten.de

                                                                                                                                               die das Wohlergehen aller zum       genwärtigen Gesellschaft um­
                                                                                                                                               Ziel hat und die ökologischen       gesetzt werden, jedoch über sie
                                                                                                                                               Lebensgrundlagen erhält. Da­        hinausweisen und ihre Trans­
                                                                                                                       Foto: pixapay.com       für ist eine grundlegende Ver­      formation vorbereiten. Vor­
                                                                                                                                               änderung unserer Lebenswelt         stellungskraft und die Erfah­
Was verbindet Margaret That­          Der Politikstil der britischen   von dem Ziel, eine alternative,    mend auch außerhalb medialer         und ein umfassender kulturel­       rung von Selbstwirksamkeit
cher und Thomas Morus au­          Premierministerin, Margaret         potenziell gerechtere Gesell­      Berichterstattung. Trotz dieser      ler Wandel notwendig.“ (www.        vermögen die Dämme von Un­
ßer den Anfangsbuchstaben ih­      Thatcher, war von einem völ­        schaftsordnung zu entwerfen,       realen Erfahrungen und dem           degrowth.info).                     sicherheit und Apathie zu bre­
rer Namen und ihrer britischen     lig gegenläufigen, dem soge­        fordert die andere absolute Ak­    Wissen um deren Verschär­                                                chen. Wir brauchen also einen
Nationalität? Auf den ersten       nannten TINA-Prinzip geleitet:      zeptanz für den Status Quo.        fung, ändert sich wenig. Zwar        Projekte leben Utopie               Sinn für das Utopische, um re­
Blick relativ wenig!               There Is No Alternative! Die                                           nimmt das Umweltbewusst­                                                 ale Veränderungen zu schaffen
  Erst bei genauerem Hinse­        Rede von der Alternativlosig­       Es gibt Alternativen               sein laut Studien des Bundes­        Zu den Grundpfeilern einer          und uns über vorgebliche Sach­
hen ergibt sich eine interessan­   keit prägt bis heute politische     zum Wachstum                       umweltamtes zu, die Forderun­        Postwachstumsökonomie zäh­          zwänge hinwegzusetzen.
te Verbindungslinie: Thomas        Debatten, vor allem aber wirt­                                         gen nach Transformation wer­         len Regionalität, Entschleuni­         Reale Utopien entstehen ge­
Morus, englischer Staatsmann       schaftspolitische Entscheidun­      Spannend ist dieser Gegensatz      den lauter, aber die Litanei um      gung, Ökologie, Demokratie in       nau dann, wenn wir aus That­
und Ritter, verfasste 1516 ein     gen. Die Gesellschaft für deut­     aufgrund seiner Relevanz und       den „Standortfaktor Deutsch­         allen Bereichen sowie Suffizi­      chers Alternativlosigkeit auf­
Buch mit dem Titel „Vom bes­       sche Sprache wählte das Wort        Aktualität in der heutigen sozi­   land“, die Rede vom Wettbe­          enz, d. h. auch ein Verzicht auf    brechen, Morus’ utopischen
ten Zustand des Staates und        „alternativlos“ angesichts sei­     al-ökologischen Krise. Seit nun­   werb, die Notwendigkeit wei­         Konsum. Es besteht Konsens          Nicht-Ort zum Denken und
der neuen Insel Utopia“, wel­      ner inflationären Verwendung        mehr Jahrzehnten (!) warnt die     teren Wachstums gelten als           in der Bewegung darüber, dass       Träumen nutzen, aber nicht
ches das Genre der Sozial­         durch die Bundesregierung so­       Wissenschaft vor den klima­        selbstverständlich und alterna­      Wirtschaftswachstum und Res­        verweilen, sondern die Welt
utopie begründete. Das Wort        gar zum Unwort des Jahres           tischen, sozialen und ökologi­     tivlos. Dann muss der Kapita­        sourcenverbrauch nicht ent­         bauen, die wir uns wünschen
„Utopie“ stammt aus dem Grie­      2010.                               schen Folgen unseres CO2-ba­       lismus eben grün werden.             koppelbar sind und es deshalb       und dafür zu kämpfen bereit
chischen und bedeutet so viel         In den Ideen von Thomas          sierten, wachstumsgetriebenen         Warum aber halten wir an          einer demokratischen gesell­        sind.
wie „Nicht-Ort“ – ein Ort also,    Morus und Margaret Thatcher         Wirtschaftssystems: steigende      einem System fest, mit dem wir       schaftlichen Transformation                       Dorothea Schoppek
an dem sich gesellschaftliche      begegnen sich also zwei völlig      globale Ungleichheit, Biodiver­    unsere eigene Lebensgrundla­         durch solidarische Findungs­
Visionen in unserer Phantasie      diametrale Weltanschauungen.        sitätsverlust, Klimawandel be­     ge zerstören? Warum sind wir         prozesse bedarf. In unzähli­
materialisieren können.            Während die eine getrieben ist      gegnen den Menschen zuneh­         fest davon überzeugt, dass es        gen Projekten und Experimen­
                                                                                                          neue Technologien schon rich­        ten beginnen Aktivist*innen
                                                                                                          ten werden? Warum haben wir          der Bewegung, das zu leben,
                                                                                                          solche Angst vor Verzicht und        was sie sich für die gesamte Ge­
                                                                                                          Verlust?                             sellschaft wünschen. Präfigu­
                                                                                                             Die Sozialwissenschaften ge­      rative Politik nennt man der­
                                                                                                          ben viele verschiedene, teilwei­     artige Praxen, die Tatsachen
                                                                                                          se konträre Antworten auf die­       schaffen, statt diese nur einzu­
                                                                                                          se komplexen Fragen. Eine da­        fordern. Umsonstläden, solida­
                                                                        Stadtratsfraktion                 von ist, dass es uns an Visio­       rische Landwirtschaft, nicht-
                                                                                                          nen, an Utopien fehlt. Es be­        kommerzielle Kleiderbörsen,
                                                                                                          darf des Mutes und der Phan­         Repair-Cafés sind nur eini­         Dorothea Schoppek
                                                                         Bamberg, im März 2018            tasie, gegenwärtige Verhältnis­      ge Beispiele dafür. Reale Uto­      arbeitet als wissenschaftli-
                                                                                                          se zu kritisieren und über die­      pien nennt der Soziologe Erik       che Mitarbeiterin an der TU
                                                                                                          se hinaus zu denken. Der Glau­       Wright           solche Projekte,   Darmstadt. Dort promoviert
     Betrifft: Visionen für Bamberg – Ruf doch mal an!                                                                                                                             sie zu Fragen gesellschaftlicher
                                                                                                          be an Alternativlosigkeit ist läh­   die im            Schoße der ge­
                                                                                                          mend und lässt vergessen,                                                Transformation.
     Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,                                                                dass (mindestens) eine
     hey, Andy, du Flüsterfloh!                                                                           andere Welt möglich ist.
                                                                                                          Dieses Motto des Weltsozialfo­
     Wir wollten dir da gerne mal was erklären. Es geht um Visionen. Nein, keine Sorge, hat
                                                                                                          rums, welches sich als kritische
     nix mit Bazillen oder Krankheitserregern zu tun. Der Spruch, dass wer Visionen hat,                  Gegeninstitution zum Welt­
     zum Arzt gehen soll, ist uralt und total falsch, Andy, Ehrenwort!                                    wirtschaftsforum etabliert hat,
                                                                                                          versteht sich als Aufruf zur Su­
     Visionen sind was echt Tolles und Wichtiges: Man denkt in die Zukunft, mit Zuversicht,
                                                                                                          che nach Alternativen des Gu­
     mit kreativen Ideen, mit Gestaltungswillen … ja gell, jetzt klingelt was bei dir. Richtig:           ten Lebens.
     „Gestalten statt verwalten“, das war mal dein Wahlslogan bei deiner ersten erfolg-                      Mit einer davon beschäf­
                                                                                                          tigt sich die europäische De­
     reichen OB-Wahl. Total vergessen hast du das, nicht wahr, tja, haben wir auch schon
                                                                                                          growth-Bewegung: „Unter De­
     bemerkt.                                                                                             growth oder Postwachstum
     Was hingegen gar nichts mit Visionen oder Gestalten zu tun hat, ist das Politik-Dauer-               verstehen wir eine Wirtschafts­
                                                                                                                                               Die Schnecke ist das Symbol der Degrowth-Bewegung.
                                                                                                          weise und Gesellschaftsform,
     Einflüstern von Brose-Chef Stoschek, dem du dich offensichtlich so gar nicht entziehen                                                                                            Zeichnung: Pia Dotter
     kannst. Lass dir sagen: Das bekommt dir nicht und schon gar nicht der Stadt Bam-
     berg. Politische Visionen sind weder Schnapsideen wie Amphibienfahrzeuge auf der
     Regnitz, noch Größenwahnwitze wie eine 10.000-Personen-Halle in Bamberg, und
     schon gar keine privatvergnüglichen Egotrips wie Hubschrauber-Fliegen bei Nebel an
     der Breitenau. Bitte versuch das künftig endlich mal auseinander zu halten. Du bist
     hier der Oberbürgermeister und kein Liftboy für profilneurotisch aufwärtsstrebende
     Industriemagnaten.
     Fang lieber wieder selbst an kreativ zu denken und zu überlegen, wie du die
     Bamberger*innen (und eben nicht nur einen) glücklich machen kannst. Geh einfach
     nicht mehr ans Telefon, wenn der anruft. Lass lieber uns mal telefonieren – wir hätten
     da eine ganze Kiste voll Visionen, also echte Visionen, versprochen, wir könnten dir
     was abgeben. Hast du Interesse? Na dann: Ruf doch mal an!

     Mit visionären Grüßen
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
Nr. 86 • März/April 2018                                                                                                                                                                                          3

Ein Leben als Familie ohne Auto –
in Bamberg gut möglich!
†-Mitarbeiterin Charlotte Flügel wohnt mit                            burg, das Umsteigen am ZOB           Strandurlaub genießen. Diese
ihrer Familie oben am Kaulberg – ohne Auto. Ein                       war kein Problem für sie.            Art von Urlaub haben wir nun
Erfahrungsbericht über alle Lebenslagen.                                                                   schon fast zehnmal gemacht
                                                                      Einkaufen                            und alle Kinder fahren immer
Als ich 35 Jahre alt war und       Auto – das ist in Bamberg mög­                                          wieder sehr gerne mit.
schon seit einigen Jahren          lich!                              Die Essensversorgung für so
Grundschullehrerin,      fragte                                       viele Menschen wäre schwie­          Bus, Taxi und
mich ein Schüler im Unterricht:    Wege der Kinder                    rig gewesen ohne den Lieferser­
                                                                                                           Carsharing
„Warum kommst du eigentlich                                           vice des Naturkostladens Pami­
immer mit dem Bus zur Schu­        Etwas Zeit brauchte der Weg        na. Über Jahre bekamen wir           Nachdem wir alle viel mit dem
le?“ Ich antwortete: „… weil       von unserem Zuhause in der         am Freitag zwei bis drei gro­        Bus fahren, ist die Familienkar­
ich kein Auto habe!“ Der Junge     Laurenzistraße zum Kinder­         ße Kisten mit Lebensmitteln          te, die es in Bamberg gibt, für
schaute mich an, überlegte und     garten am Kunigundendamm,          in die Küche gebracht. Nach­         uns sehr attraktiv und die Bus­
meinte: „Jetzt hab ich gedacht,    bei gutem Wetter mit dem           dem unsere älteren Kinder in­        kosten bleiben so überschau­
du bist schon 18!“                 Fahrrad, bei schlechtem Wetter     zwischen in anderen Städten          bar.
  Für den Schüler war es an­       mit dem Bus. Natürlich waren       studieren und wir so im Alltag          Mit zwei fieberkranken Kin­
scheinend unvorstellbar, dass      die Wege auch manchmal ner­        nicht mehr so viele Lebensmit­       dern zum Arzt? Das ist eine der
eine erwachsene Frau ohne Au­      vig. Ein Sohn von uns wollte       tel benötigen, lässt sich der Ein­   Situationen, für die es gut ist,
to lebt. Meine Begründung, we­     im Kindergartenalter öfter ei­     kauf mit Fahrradtaschen be­          dass man in Bamberg jederzeit
                                                                                                                                              Charlotte Flügel auf dem Kaulberg
nig Auto zu fahren sei besser      ne Freundin in der Gartenstadt     wältigen. Getränke lassen sich       rasch ein Taxi rufen kann. Die
für die Umwelt, erstaunte ihn.     besuchen. Der Weg von unse­        problemlos bestellen und wer­        Kosten, die im ersten Moment
  Mein Mann und ich zogen          rem Zuhause am Kaulberg bis        den geliefert.                       hoch erscheinen, relativieren      kann man beim Car-Sharing            wenn einiges Gepäck auf dem
vor 25 Jahren zusammen, als        dorthin mit dem Bus dauerte                                             sich, wenn man überlegt, was       das passende Auto wählen und         Fahrrad transportiert wird.
unser erstes Kind unterwegs        schon eine Weile. Ich versuch­     Reisen                               ein Auto an Anschaffungskos­       schon mal Teilmannschafts­           Aber auch dafür habe ich nun
                                   te mir dann selbst zu sagen:                                            ten, Versicherung und Repara­      stärke einladen.                     eine Lösung entdeckt: Ich stei­
         Immer aktuell             „Der Weg ist das Ziel!“ und die    Unser Urlaubsziel suchten            turen kosten würde.                                                     ge mit meinem Fahrrad unten
         www.gaznet.de             Busfahrt als Chance zu sehen,      wir nach der Erreichbarkeit             Seit einigen Jahren sind wir    … dieser Berg!                       an der Schranne in die Linie
                                   Zeit für Gespräche mit meinem      aus: Wir entdeckten, dass ein        auch Mitglieder beim Carsha­                                            901 und kann mit dem Stadt­
war. Als Studierende waren         Kind zu haben.                     Nachtzug von München nach            ring-Verein, früher „Ökobil“,      Schon seit 25 Jahren leben wir       bus fast bis vor die Haustür
wir gewohnt, ohne Auto in der        Für die Wege zu Freizeitakti­    Venedig fährt und erlebten, wie      jetzt „meiaudo“. Für Transpor­     nun am Kaulberg und finden           fahren!
Stadt zu leben. Erst einmal sa­    vitäten im Grundschulalter er­     wunderschön es ist, am Mor­          te, beispielsweise zum Wert­       die Lage zwischen Stephans­             Aber auch ein E-Bike oder
hen wir keinen konkreten An­       mutigte mich eine Bekannte:        gen dort anzukommen. Nach            stoffhof, ist die Buchung so ei­   kirche und Dom, zwischen Hä­         ein Lasten-E-Bike wären viel­
lass, uns ein Auto anzuschaf­      „Wer Zahlen sicher lesen kann,     der Nacht im Liegewagen ver­         nes Autos praktisch, weil man      ckerhäusern und Sauersberg           leicht mal eine gute Antwort
fen. Später, mit zwei, dann drei   kann auch alleine Bus fahren.“     bringen wir dort einen halben        auch große und geräumige           immer wieder aufs Neue sehr,         auf diese Herausforderung.
Kindern entwickelten wir ei­       So fuhr unsere Tochter ab der      Tag und fahren dann mit dem          Fahrzeuge zur Verfügung hat.       sehr schön. Nur beim Hochfah­        Das behalten wir mal als Visi­
nen gewissen Spaß daran: Le­       zweiten Klasse alleine zum         Schiff weiter bis zum Lido de        Auch für Chauffeur-Fahrten         ren mit dem Fahrrad schimp­          on im Hinterkopf.
ben als Familie ohne eigenes       Tanzunterricht in die Wunder­      Jesolo, wo wir zwei Wochen           zu Fußballspielen der Kinder       fen wir auf den Berg, vor allem,                     Charlotte Flügel

Von der grauen Betonmauer zum bunten Kreativwurm
Das Atrium in Bamberg: Seit Jahren Leerstand auf 12.000 Quadratmetern in bester Bahnhofslage. Und keinen juckt’s … ?
                                                                                                                                              che die Menschen gerne anneh­        guest-house“ in bequemer Bahn­
                                                                                                                                              men. Die GAL fordert seit Jah­       hofsnähe für Reisende. Dazu
                                                                                                                                              ren eine „Mobilitätsdrehschei­       Angebote für einfaches Kurz-
                                                                                                                                              be“ am Bahnhof, die Bahn,            zeit-Wohnen, etwa Auszubilden­
                                                                                                                                              Bus, Fahrrad, Taxis und Fuß­         de, Studierende, Montage-Ar­
                                                                                                                                              verkehr vernetzt.                    beiter usw.
                                                                                                                                                Das Atrium wird ganz neu              In den Etagen in der Mitte
                                                                                                                                              aufgeteilt und von dem jetzigen      des Gebäudebauches entstehen
                                                                                                                                              schwerfälligen und jeglichen         Zukunftslabore für Forschung
                                                                                                                                              Maßstab sprengenden Mons­            und Entwicklung, Co-Spaces
                                                                                                                                              terbau in ein kleinteilig gestal­    für Jungunternehmer*innen,
                                                                                                                                              tetes Gebäude umgewandelt.           die Start-up-Unternehmen und
                                                                                                                                              Horizontale und vertikale Un­        Selbständigen flexible und geteilte
                                                                                                                                              tergliederungen können Ge-           Arbeitsräume gemeinschaftlicher
                                                                                                                                              bäudeteile schaffen und bringen      Nutzung bieten, und jede Men­
                                                                                                                                              damit einen städtebaulichen          ge Raumangebote in verschie­
                                                                                                                                              Rhythmus in die Ludwigstra­          denen Größen für die Kultur­
                                                                                                                                              ße, der sich an der traditionel­     wirtschaft.
                                                                                                                                              len Bamberger Stadtstruktur          So könnte das hässliche Atri­
                                                                                                                                              orientiert und nicht eine End­       um von der grauen Betonmau­
                                                                                                                                              los-Beton-Mauer darstellt.           er zum bunten Kreativwurm
                                                                                                                                                In den unterschiedlichen Ge­       werden. Die Untätigkeit von
                                                                                                                                              bäudeteilen siedeln sich genau­      Investoren darf die Stadt auf
                                                                                                                                              so unterschiedliche Nutzungsformen   Dauer nicht dulden. Für Leer­
                                                                                                                                              an, die in Bahnhofsnähe Sinn         stand und Grundstücksspe­
Das Atrium zwischen Bahngleisen und Ludwigstraße/Schwarzenbergstraße, Luftaufnahme von 2013.                         Foto: Ronald Rinklef    machen. Da bietet sich an: Ein       kulation sind das Atrium und
                                                                                                                                              Weltcafé in der obersten Eta­        der bahnhofsnahe Ort zu scha­
Das waren noch Zeiten, als         einer Geisterkulisse und steht     Hauch der Perspektivlosigkeit        sind im neuen Jahrtausend          ge neben dem Kino (das wei­          de. Im Zweifel sollte die Stadt
das Atrium als heiß umstritte­     vergessen und nutzlos in Bahn­     rund ums Atrium.                     „out“!                             ter besteht) mit Blick auf die       Bamberg so selbstbewusst und
nes Bauprojekt für Schlagzei­      hofsnähe herum – an einem             Leerstand ist in unserem                                             Bergstadt und Erklärungsfern­        mutig sein, das Objekt selber zu
len sorgte: Die GAL-Zeitung        der zentralsten und lebendigs­     Lande nicht strafbar, hinneh­        Visionen fürs Atrium               rohren zum Welterbe. Dane­           entwickeln.
von 1989 titelte zukunftsah­       ten Orte der Stadt.                men sollte ihn die Politik den­                                         ben ein internationales „youth-                          Ursula Sowa
nend „Betonköpfe geben den           Das Atrium gehört heute ei­      noch nicht. Warum? Die Pla­          Der ROB (Regionaler Omnibus-
Ton an“ und stellte die eindeu­    ner europäischen Investment­       nungshoheit liegt bei der Kom­       Bahnhof) kann da entstehen, wo
tige Diagnose: „städtebaulich      gesellschaft, die das Gebäu­       mune. Sie kann bestimmen,            jetzt der Kopfbau des Atriums
misslungen, verkehrspolitisch      de seit fünf Jahren bis auf Ki­    welche Nutzungen künftig an          gleich neben dem Bahnhofs­
fatal und strukturpolitisch ge­    no und Parkpalette leer stehen     dieser Stelle zugelassen werden      gebäude platziert ist, entweder
fährlich“.                         lässt. Im Jahr 2014 erteilte der   und welche nicht. Der Eigen­         anstelle des Kopfbaus oder so­
   1990 gingen 12.000 Quadrat­     Stadtrat dem Vorstoß, die Ein­     tümer hat lediglich Bestands­        gar integriert im Erdgeschoß in
meter Verkaufsfläche und 919       kaufsfläche auf 24.000 Quad­       schutz, das heißt, er kann die       die bestehende Baumasse. Ein
Kfz-Stellplätze in Betrieb. Aber   ratmeter zu verdoppeln und so­     bisher zugestandenen Nutzun­         Architektur-Wettbewerb könn­
schon 2013 wurde allen dort        mit wieder zu beleben eine kla­    gen weiterhin anstreben. Aber        te hierfür Ideen liefern. Ziel
eingemieteten Geschäften end­      re, einstimmige Absage. Seit­      da hat ja die Praxis gezeigt, wie    muss sein, eine bequeme War­
gültig gekündigt. Die ehemali­     her wehen der eisige Wind des      kurzlebig die 90er-Jahre-Menta­      te- und Umsteigezone zwischen
ge Einkaufs-Mall gleicht heute     Schweigens und der frostige        lität war: Malls in dieser Form      Bahn und Bus zu schaffen, wel­
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
4                                                                                                                                                                                   Nr. 86 • März/April 2018

# Müll
Die Kartoffelschalen in die Biotonne, den Plas­       ren „Das bessere Müllkonzept“, das zwar einem       „Bambecher“ installiert derzeit ein Mehrweg­         Bäckereien „Coffee to go“ im umweltfreundli­
tikbecher in den Gelben Sack, die alte † in           Gegenentwurf des Bayerischen Landtags unter­        system mit Pfandmarke, das Andreas Eichen­           chen Pfandbecher verkaufen, der überall dort
die Papiertonne und das leere Gurkenglas in           lag, aber dennoch viel ins Rollen brachte. Kurz     seher federführend mit aufgebaut hat. Es sollen      auch wieder zurückgegeben werden kann.
den Altglascontainer. Klar, wie denn sonst?           darauf gab sich die Stadt Bamberg eine Ab­          künftig möglichst viele Cafés, Kaffeeläden und       Mehr Infos: www.bambecher.de
   Es gab andere Zeiten: Da landete einfach al­       fallwirtschaftssatzung, die viele der GAL-For­
les im Restmüll. In den 80er Jahren stellte die       derungen aufgriff. „Auch eine Sanierung der
GAL unzählige Anträge, die dafür plädierten,          Mülldeponien konnten wir durchsetzen“, so Pe­
kompostierbaren Abfall gesondert zu sammeln,          ter Enzenberger, „und dass belastete Filterstäu­
Plastikerzeugnisse, Metalle oder Altpapier aus­       be fortan als Sondermüll behandelt wurden.“
zusortieren und wieder zu verwerten, Müllver­         Sogar eine Biotonne für jedes Haus wurde ein­
brennung abzuschaffen. Ein immer wieder keh­          geführt, eine Idee, mit der die GAL Anfang der
rendes Dauerthema waren damals, so erinnert           80er Jahre im Stadtrat noch für verächtlichen
sich Peter Enzenberger, giftige Dioxin-Rück­          Unmut gesorgt hatte, die im Jahr 2016 hingegen
stände, die bei der Müllverbrennung entstan­          von der Stadt zum 25-jährigen Jubiläum gebüh­
den und einfach in die Luft geblasen wurden.          rend gefeiert wurde.                                Peter Enzenberger mit einem Foto aus den 90er        Andreas Eichenseher kam über das Mentoring-
Auch in Bamberg bohrte die GAL seit 1984                 „Coffee to go“ war in den Anfangszeiten der      Jahren: im Bamberger Hafen zwischengelager-          Programm der GAL-Stadtratsfraktion 2016
mit kritischen Fragen immer wieder nach und           GAL noch nicht einmal ein Begriff. Heute ge­        te Müllschlacke samt haufenweise illegal mit-        zu den Bamberger Grünen, für die er heute
forderte Untersuchungen im Bamberger Müll­            langen unter diesem Stichwort in Deutschland        verbrannter Ölfilter. Er war von 1993 bis 1996       als Kreisgeschäftsführer arbeitet. Neben dem
heizkraftwerk MHKW. „Filterstäube aus dem             stündlich 320.000 Wegwerfbecher in den Müll.        für die GAL im Bamberger Stadtrat. Heute ist er      Bambecher, den er hier in der Hand hält, will
MHKW kippte man damals einfach auf un­                Andreas Eichenseher hat zusammen mit GAL-           Basis-Mitglied der GAL und geschätzte helfen-        er sich im Rahmen einer geplanten GAL-Kam-
gesicherte Deponien, z.B. im hiesigen US-Ar­          Kolleg*innen, CHANGE-Chancen.Nachhal­               de Hand im IT-Bereich.                               pagne auch für die Aufstellung von Containern
mee-Gelände. Die stinkende Müllschlacke wur­          tig.Gestalten e.V. und weiteren ehrenamtlichen                                                           für Elektrokleinschrott einsetzen.
de teilweise im Landkreis bei Baumaßnahmen            Mitstreiter*innen das Projekt „Bambecher“ ge­

                                                                                                                                                     Grüne V
verbaut oder in andere Gegenden verschifft.“          gründet. Es wirbt für einen bewussten Umgang
   Die große Wende brachte 1991 das von den           mit dem Genussmittel Kaffee und für das Nut­
bayerischen Grünen mitinitiierte Volksbegeh­          zen von selbst mitgebrachten Bechern. Und

# Verkehrsberuhigung
                                                                                                                                                    früher un
Kann sich heute noch jemand vorstellen, dass            Ein weiteres Herz der Bamberger Innenstadt,
in der Sandstraße zu Hauptverkehrszeiten die          die Lange Straße zwischen Schönleinsplatz und
Autos im Stau standen? Oder dass in der Au­           Heumarkt, pulsiert nach wie vor schadstoff­
straße kein einziger Café-Tisch mit Stühlen           reich. In toller Einkaufs- und Begegnungsla­
draußen stand, weil auch dort Autos unterwegs         ge bahnen sich Fußgänger*innen zwischen ru­
waren und die Fußgänger nur Platz auf schma­          hendem, fahrendem und vor allem stehendem
len Gehwegen hatten?                                  Autoverkehr den Weg. „Wenn ich mit meinem                                              1981 wurde die Grün-Alternative Liste GAL gegründet, seit 19
   Verkehrsberuhigung ist ein Thema, das die          Sohn Noah im Kinderwagen hier an der Fuß­                                              drei, heute acht). Getragen wurde und wird grüne Kommuna
GAL seit ihren Anfängen begleitet. Gerd Rudel         gängerampel stehe, ist er es, der die Luft direkt                                      von den Menschen, die dafür kämpfen. Wie haben sich dies
wohnte mehrere Jahre direkt in der Sandstraße         auf Auspuffhöhe einatmet“, sagt Jonas Glüsen-                                          welche Menschen standen früher und stehen heute dahinte
und hat die Situation noch lebhaft vor Augen:         kamp, heute für die GAL (nicht nur) verkehrs­                                          tik und Politiker*innen – ohne den Anspruch, das grüne Bam
„Oftmals lange Autoschlangen im stop-and-go,          politisch aktiv. „Mir ist klar, dass diese Straße
Lärm, verpestete Luft – es war nicht sonderlich       vorerst eine Durchfahrtsstraße bleiben wird.
gemütlich.“ Rudel war einer von vielen aktiven        Aber ich denke, dass man sie für Füße und
Verkehrspolitiker*innen der GAL, der sich lei­        Fahrräder attraktiver machen und dadurch den
denschaftlich für Verkehrsberuhigung, Tempo-          Kfz-Verkehr reduzieren kann.“
Limits und Reduzierung von öffentlichen Park­           Auch zum Wie hat Glüsenkamp klare Vor­
plätzen an vielen Stellen in Bamberg einsetz­         stellungen. Ginge es nach ihm, würden die
te. Besonders engagiert argumentierte er gegen        Gehsteige wegfallen und alle Verkehrsarten auf
das Lamentieren anliegender Geschäftsleute,           einer Ebene geführt, so wie seit einigen Jahren
sie hätten ohne Parkplatz direkt vor der Haus­        auf der Kettenbrücke. Abgesehen vom Ausla­
tür enorme Umsatzeinbußen. „Dass die Sand­            debereich für Lieferfahrzeuge und der Ausstei­
straße heute ein Vorzeigeprojekt ist, ist nicht zu­   gemöglichkeit für Gehbehinderte würden die          Dr. Gerd Rudel in der heute verkehrsberuhig-         Jonas Glüsenkamp mit Sohn Noah im Kinder-
letzt der breiten Bürgerbeteiligung zu verdan­        Kurzzeitparkplätze ganz wegfallen, um mehr          ten Sandstraße. Er vertrat von 1990 bis 1998         wagen in der Langen Straße. Er ist Vorstands-
ken, die im Rahmen der städtebaulichen Sa­            Raum für Begegnung, Aufenthalt und ein biss­        die GAL im Bamberger Stadtrat. Er arbeitete          mitglied der GAL, Mitinitiator des Radent-
nierungsmaßnahme 'Leben findet innen Stadt'           chen Grün zu schaffen. „Ob meine Enkel mal          als Referent bei der Petra-Kelly-Stiftung in der     scheids Bamberg, Ideengeber beim Projekt
durchgeführt wurde“, meint er anerkennend,            auf der Langen Straße mit Straßenkreide malen       politischen Bildung, seit Januar 2018 ist er im      Bambecher und hat im vergangenen Jahr die
„dafür war sicher auch die hartnäckige GAL-           können, weiß ich nicht, aber die Vision ist doch    (Un-)Ruhestand. Bei der GAL ist er diskussions-      Bamberger „pulse of Europe“-Veranstaltungen
Politik wegbereitend.“                                eigentlich ganz schön.“                             freudiges Basis-Mitglied mit wertvollem Hin-         initiiert.
                                                                                                          tergrundwissen.

# Frauenpower
Dass heute der Oberbürgermeister in offiziel­         ernteten abfällige bis beleidigende Bemerkun­
len Reden selbstverständlich von „Bürgerin­           gen“, erinnert sich Piontek. „Als Fraktionsvor­
nen und Bürgern“ spricht, dass eine Gleich­           sitzende war ich Mitglied des Ältestenrats. So­
stellungsbeauftragte bei Personaleinstellun­          viel Anstrengung um ernst genommen, gehört,
gen im Rathaus beteiligt ist, dass es ein Frau­       überhaupt beachtet zu werden, hat mich in mei­
enhaus gibt, in das sich Frauen als Opfer von         ner beruflichen Karriere keine Mitarbeit in ei­
häuslicher Gewalt in Sicherheit bringen können        nem Gremium gekostet.“ Doch es gab auch So­
– all das war noch nicht so, als Rosemarie Pi-        lidarität unter den Frauen, über Fraktionsgren­
ontek grüne Politik in Bamberg machte. Und            zen hinweg, betont sie. Anders wäre etwa die
diese grüne Frauen-Politik brachte viel Unge­         von GAL-Seite lange geforderte, 1998 einge­
wohntes auf die Tagesordnung des Bamberger            richtete Frauenkommission, die den Stadtrat
Stadtrats: Sicherheit für Frauen im öffentlichen      frauenpolitisch unterstützen soll, nicht zustan­                                                         Tamara Pruchnow studiert in Bamberg und
Raum durch verbesserte Beleuchtung, Frauen­           de gekommen.                                                                                             hat die neue „Bamberger Grün-Linke Studie-
parkplätze und sichere Gestaltung von neu zu             Frauen sind in Führungspositionen auch heu­                                                           rendeninitiative“ BAGLS 2017 mitgegründet.
planenden Plätzen. Frauen sichtbar machen,            te noch unterrepräsentiert, nicht nur im Bam­                                                            Zusammen mit anderen grünen Frauen aus
war das Motto, sowohl durch geschlechtsneut­          berger Rathaus. Das ist ein Thema, das Tamara                                                            Bamberg organisierte sie die GAL-Mitmach-
                                                                                                          Rosemarie Piontek war von 1990 bis 1993 für          Aktion „Wählt eure Frau des Jahrhunderts“ am
rale Ausschreibungen und Sprachgebrauch, als          Pruchnow heute als junge, politisch engagierte
                                                                                                          die GAL im Stadtrat und setzte sich u. a. für eine   Maxplatz zum Jubiliäum des Frauenwahlrechts
auch durch die Benennung von neuen Straßen            Frau beschäftigt: Frauen sollen im Berufsleben
                                                                                                          bessere Beleuchtung öffentlicher Angsträume          in Deutschland. Sie ist seit März die Bezirksge-
nach bedeutenden Frauen. Die GAL forderte ei­         gleiche Aufstiegschancen haben, gleiche Bezah­      ein, wie hier an der Unterführung zwischen           schäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen
nen Notruf für misshandelte und vergewaltigte         lung erhalten und bei der Einstellung gleich be­    Heinrichsdamm und Hainpark. Sie ist heute            Oberfranken.
Mädchen und einen offiziellen Beschwerdeweg           handelt werden. Dafür ist die Vereinbarkeit von     nicht mehr in der Partei aktiv, engagiert sich
bei sexuellen Übergriffen für städtische Mitar­       Familie und Beruf nötig, für Mütter und Väter:      aber in der „Gesundheitsregion plus“ und in
beiterInnen. Und natürlich: Die Teilhabe von          „Es geht nicht um Mütterpolitik, sondern um         der „Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft“ auf
Frauen an politischer Macht!                          Elternpolitik!“ Frauenpolitik hat sich mit der      kommunaler Ebene. Sie   ist Autorin von Bü-
  „Wir wurden vom männlich dominierten                Zeit emanzipiert – zur Genderpolitik.               chern zu Geschlechterrollen in der psychothe-
Stadtrat oft mit Häme bedacht, belächelt oder                                                             rapeutischen Praxis.
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
Nr. 86 • März/April 2018                                                                                                                                                                                 5

                                                                                                                   # Biogärtnerei
                                                                                                                   Schon auf dem ersten Wahlplakat der GAL an­         galt dem Erhalt der Gärtnerflächen, und war
                                                                                                                   lässlich der OB-Wahl 1982 ist Gertrud Leumer        – mit einigen Abstrichen – von Erfolg gekrönt,
                                                                                                                   zu sehen, damals noch als Schülerin. Für sie        auch deshalb, weil die Stadtverwaltung nach
                                                                                                                   waren die Herkunft aus einer alten Bamberger        jahrzehntelanger Gleichgültigkeit zuletzt den
                                                                                                                   Gärtnerei-Familie und die grüne Umweltpolitik       Denkmalwert erkannt hatte: Der 2017 verab­
                                                                                                                   die prägende Kombination für ihr Leben. Po­         schiedete Bebauungsplan für die Obere Gärtne­
            Gertrud Leumer, hier mitten in den Flächen                                                             litisch setzte sie sich für den urbanen Garten­     rei sichert den Bestand und erlaubt Bauen nur
            der historischen „Oberen Gärtnerei“, ist derzeit                                                       bau im Weltkulturerbe ein, beantragte, dass in      in einigen Randbereichen.
            Mitglied im Bamberger Stadtrat und war dies                                                            städtischen Einrichtungen bevorzugt regionale          Eine der modernen und zeitgemäßen Gärtne­
            bereits von 1996 bis 1999. Sie war treibende                                                           und Bio-Lebensmittel verwendet werden, un­          reiformen, die Gertrud Leumer seit Jahrzehn­
            Kraft beim langjährigen Modellprojekt „Urba-                                                           terstützte Initiativen für einen interkulturellen   ten unterstützt, setzt Anna-Sophie Braun der­
            ner Gartenbau in Bamberg“ unter Federfüh-                                                              Garten und für Gemeinschaftsgärten und rief         zeit in die Tat um: Solawi (Solidarische Land­
            rung des Zentrums Welterbe, das den Anstoß                                                             den wöchentlichen Bauernmarkt an der Prome­         wirtschaft). Und was ist das? „Wir sind eine
            für mehrere Initiativen gab. So ist sie Mitbe-     Anna-Sophie Braun fand über das Mentoring-          nade mit ins Leben.                                 Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen, die
            gründerin des Bamberger Sortengartens e.V.,        Programm der GAL-Stadtratsfraktion zu den              Persönlich verwirklichte sie ihr Ideal, indem    für den Eigenverbrauch Gemüse produzieren
            der Bamberger Süßholzgesellschaft und der IG       Bamberger Grünen, wo sie heute Mitglied im          sie vor 24 Jahren den brach liegenden Betrieb       wollen – lokal, als Gemeinschaft, bio und nach­
            Bamberger Gärtner, außerdem schon vorher           Vorstand ist. Gemeinsam mit ihrem Lebens-           ihrer Eltern in der Nürnberger Straße wieder        haltig.“ Die Gruppe beschäftigt einen professio­
            des Fördervereins Bamberger Hörnla. Mit ihrer      partner ist sie eine ebenso tragende Säule wie      belebte und die bio-zertifizierte „Bamberger        nellen Gärtner, alle Arbeiten werden auf mög­
            Kräutergärtnerei war sie die Pionierin des Bio-    zupackende Kraft der Solawi Bamberg – hier          Kräutergärtnerei Mussärol“ gründete. Diese          lichst viele Schultern verteilt, und jede/r Betei­
            Anbaus in Bamberg schlechthin.                     steht sie auf dem Solawi-Feld in der Südflur.       liegt als eine der letzten inmitten der Oberen      ligte bekommt seinen/ihren Ernteanteil. Bewirt­
                                                                                                                   Gärtnerei, einer historischen Gärtnerfläche mit     schaftet wird ein Feld in der Südflur – 2018 ist
                                                                                                                   über 500-jähriger Tradition, die ein dennoch        das erste Erntejahr. Angebunden ist die Gruppe
                                                                                                                   wenig beachteter Teil des Weltkulturerbes ist.      an die Bamberger Transition-Town-Bewegung.

Visionen
                                                                                                                   Über Jahre war diese wertvolle Fläche Zank­         Und nicht nur Anna-Sophie Braun sieht in So­
                                                                                                                   apfel: Ein lukratives Baugebiet wollten die ei­     lawi eine Zukunftsperspektive für die alte histo­
                                                                                                                   nen (vor allem viele Anlieger und Grundstücks­      rische Gärtnertradition Bambergs.
                                                                                                                   eigentümer) – grün- bzw. gärtnerisch genutzte       www.transition-bamberg.de/solawi
                                                                                                                   Fläche die anderen. Gertrud Leumers Einsatz

nd heute
  984 gibt es grüne Mitlieder im Bamberger Stadtrat (damals
                                                                                                                   # Denkmalschutz
                                                                                                                   Im Jahr 1981 geschah etwas Unerhörtes im
                                                                                                                   konservativen braven Bamberg: eine Haus­
                                                                                                                   besetzung. Ca. 40 Personen besetzten das leer
                                                                                                                   stehende alte E-Werk am Regnitzufer (heutige
                                                                                                                   VHS), forderten den Erhalt und ein selbst ver­
                                                                                                                                                                       gressräume neben der Konzerthalle) kämpf­
                                                                                                                                                                       te. Gespür für Denkmäler stand lange nicht
                                                                                                                                                                       auf der Agenda der Bamberger Kommunalpo­
                                                                                                                                                                       litik, was sich seit dem Weltkulturerbestatus
                                                                                                                                                                       zum Glück deutlich geändert hat. Die Hände
 alpolitik von Visionen für eine bessere Zukunft Bambergs und                                                      waltetes Kulturzentrum. Die E-Werk-Besetzung        in den Schoß darf man aber auch heute nicht le­
 se Visionen verändert oder entwickelt oder gar erfüllt? Und                                                       ist der Gründungsmythos der GAL. An der             gen, alte Bausubstanz ist nach wie vor gefähr­
er? Die † wirft einige Schlaglichter auf grün-visionäre Poli-                                                      Spitze der Hausbesetzer*innen stand Rudi Sop-       det. Das zeigt das jahrelange Ringen um das
mberg damit vollständig auszuleuchten.              sys / glüsi                                                   per, der ein Jahr später für die neu gegründete     jetzt im Bau befindliche Quartier an der Stadt­
                                                                                                                   BA („Bamberger Alternative“) zur Oberbürger­        mauer, dessen frühere Pläne auf historische Ge­
                                                                                                                   meisterwahl antrat. Damit setzte er die Erfolgs­    bäudeteile, die Reste der alten Stadtmauer und
                                                                                                                   geschichte der Grün-Alternativen Liste GAL in       das dort befindliche jüdische Ritualbad (Mik­
                                                                                                                   Gang, wie man sich bald darauf nach dem Zu­         we) keine Rücksicht nehmen wollten. Oder das
                                                                                                                   sammenschluss mit der Partei „Die Grünen“           ehemalige Schleusenwärterhäuschen im ERBA-
                                                                                                                   nannte. Auch die Rettung der ehemaligen Chi­        Park, das vor ein paar Jahren nur aufgrund ei­
                                                                                                                   rurgie des alten Krankenhauses in der Sand­         ner Aufsehen erregenden Aktion von GAL und
                                                                                                                   straße (heute Stadtarchiv) war Ziel einer Bür­      Denkmalschützer*innen nicht der Abrissbirne
                                                                                                                   gerinitiative, bei der die BA federführend agier­   zum Opfer fiel und heute das beliebte „Café Zu­
                                                                                                                   te.                                                 ckerl“ beherbergt. Ursula Sowa will als nächs­
                                                                                                                      In diese Fußstapfen trat auch Ursula Sowa als    tes die leer stehende säkularisierte Marienkir­
                                                                                                                   Stadträtin, als sie für den Erhalt des Deutschen    che am Pfahlplätzchen in ihren Fokus nehmen,
            Rudi Sopper (Mitte) bei der Besetzung des E-                                                           Hauses an der Königstraße (heute Stadtbüche­        an deren Stelle die erste Bamberger Synagoge
            Werks (Archivfoto). Schon 1978 hatte er den                                                            rei) oder des Kaliko-Ziegelbaus (heute Kon­         bis zum 14. Jahrhundert bestand.
            „Goblmoo“ als Vorläuferzeitung der heutigen
            † gegründet. Er war Teil der ersten dreiköp-                                                           Ursula Sowa am Pfahlplätzchen vor dem derzeit ungenutzten Denkmal einer ehemaligen Mari-
            figen GAL-Stadtratsfraktion. Ohne seine Visio-                                                         enkirche, das auf ihrer „Denkmalrettungsliste“ ganz oben steht. Sie vertritt die GAL seit 1990 im
            nen hätte es die GAL nie gegeben. Er starb 2015                                                        Bamberger Stadtrat, mit einer Unterbrechung während ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete. Im
            im Alter von 62 Jahren.                                                                                Herbst kandidiert sie für den Bayerischen Landtag.

            # Radverkehr
            Der Schuss ging irgendwie nach hinten los, und     und Vernetzungen. Und nicht zuletzt durch Po­       wächst, Mobilität nimmt zu – aber der öffentli­     Platz sparend, aber dennoch individuell nutz­
            Peter Gack schwankt noch heute zwischen Ent­       litiker wie Peter Gack, der seine Familie mit       che Raum ist begrenzt. Wer zukunftsorientiert       bar ist.“
            setzen und schallendem Lachen. Als einer der       fünf Kindern, Fahrradanhänger und Tandem            denkt, muss den Radverkehr als die Verkehrs­
            ersten drei GAL-Vertreter zog er 1984 in den       immer und überallhin zweirädrig und autolos         art fördern, die sowohl umweltfreundlich und
            Stadtrat ein und sah im Radverkehr von An­         ans Ziel brachte – und damit seine Politik auch
            fang an ein wichtiges Politikfeld. Eine frühe      glaubhaft lebte.
            GAL-Forderung war, in der viel befahrenen             Den Radweg an der Friedrichstraße hat
            und gefährlichen Friedrichstraße Radwege ein­      Christian Hader auch heute noch auf dem
            zurichten. „Die Stadtverwaltung hat das dann       Schirm. Eines unter vielen Zielen der Initiative
            tatsächlich auch gemacht“, berichtet er, „aber     „Radentscheid Bamberg“, die von ihm 2016 ge­
            nicht auf der Straße oder anstelle von Parkplät­   gründet wurde. Es ist ihm gelungen, ein aktives
            zen, sondern man hat einfach den Gehweg hal­       und effektives Team um sich zu scharen, das
            biert und Radfahrende und Zufußgehende ne­         mit beachtlichem Engagement und beharrli­
            beneinander gequetscht.“ Als Peter Gack dann       cher Energie an die 9000 Unterschriften für ei­
            im Stadtrat gegen den Bau dieses Radwegs           nen Bürgerentscheid sammelte. Hader war der
                                                                                                                   Peter Gack am Radweg Friedrichstraße. Er
            stimmte, erntete er bei den anderen Fraktio­       führende Kopf bei den Verhandlungen mit der
                                                                                                                   verfocht insgesamt 27 Jahre grüne Ideen im
            nen nur unverständiges Kopfschütteln. Heute        Stadtverwaltung, die am Ende dazu führten,
                                                                                                                   Bamberger Stadtrat und war Pionier der ersten
            ist der Radweg zwischen Schönleins- und Wil­       dass der Stadtrat dem Radentscheid zustimm­         dreiköpfigen GAL-Fraktion. Als Geschäftsfüh-
            helmsplatz längst nicht mehr benutzungspflich­     te. Die Initiative sorgte mit ihrem professionel­   rer der kommunalpolitischen Vereinigung der
            tig, da er die Anforderungen der Straßenver­       len Auftreten und einer durchdachten Kampa­         bayerischen Grünen „GRIBS“ gilt er als Experte      Christian Hader nahm 2015 am Mentoring-
            kehrsordnung nicht einmal annähernd erfüllt –      gne überregional für Aufmerksamkeit und gilt        in allen Fragen rund um Kommunalpolitik und         Programm der GAL-Stadtratsfraktion teil
            er ist, so könnte man fast sagen, illegal.         mittlerweile als Vorbild für Gruppierungen in       Kommunalrecht. Nach seinem Ausscheiden aus          und ist heute Vorstandsmitglied. Mit seinem
               Trotz dieser Schlappe: Dem Radverkehr den       ganz Deutschland.                                   dem Stadtrat im April 2017 überwacht er heu-        schwarzen Lasten-E-Bike (häufig mit Sohn Leo
            Weg bereitet hat die GAL aber doch, durch             Dass im Radverkehr die Zukunft liegt, davon      te als Vorstandsmitglied und Schatzmeister die      als Fahrgast) gehört der Berg-Bewohner inzwi-
            zahlreiche Initiativen und Anträge, Aktionen       ist Christian Hader überzeugt: „Unsere Stadt        Finanzen der GAL.                                   schen zum Bamberger Straßenbild.
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
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Unsoziale Schwarmstadt?
Über Jahre wollte die Politik nicht hinsehen und blieb untätig, jetzt hat sie es                             weiter. Möllers Nachforschun­        solche, die von Menschen be­         che, räumliche und finanzielle
schwarz auf weiß bekommen: Bamberg muss rund 400 Sozialwohnungen bauen,                                      gen haben auch ergeben, dass         zogen werden können, die z.B.        Schutzzonen und fachliche Un­
will die Stadt ihre einkommensschwachen Bürger*innen ordentlich unterbringen.                                Wohnungen im unteren Preis­          von Hartz IV leben. Die von          terstützung durch die Stadt. Ei­
                                                                                                             segment auf dem freien Markt         der Sozialquote gesetzte Miet­       ne Wohnungstauschbörse z.B.
                                                                                                             überhaupt nicht zu haben sind,       obergrenze liegt darüber. Und        innerhalb der Stadtbau GmbH
                                                                                                             sondern Mieterwechsel nur            unwilligen Investoren werden         kann dafür sorgen, dass Woh­
                                                                                                             „im Verborgenen stattfinden“.        ohnehin zu viele Schlupflöcher       nungen bedarfsgerechter ver­
                                                                                                             Per Internet oder Zeitung fin­       gelassen, wie sie sich vor der       teilt werden. Und auch den
                                                                                                             det man Mietwohnungen erst           Sozialquote drücken können.          ländlichen Raum muss eine
                                                                                                             ab 7, eher 8 Euro pro Quadrat­         Die Stadt muss generell ihre       Schwarmstadt wie Bamberg
                                                                                                             meter.                               Planungshoheit stärker für den       mitdenken: Ein gut vernetzter
                                                                                                                                                  Sozialwohnungsbau einsetzen:         regionaler ÖPNV entschärft
                                                                                                             Sozialwohnungen                      Werden keine Sozialwohnun­           den hohen Mietdruck im Stadt­
                                                                                                             bauleitplanerisch                    gen mit geplant, gibt es kein        gebiet und schafft Entlastung.
                                                                                                             sichern                              Baurecht, basta! Über städte­                                  usa/sys
                                                                                                                                                  bauliche Verträge lässt sich das
                                                                                                             Die Politik muss eingreifen –        absichern.
                                                                                                             Wohnen ist ein Grundbedürf­
                                                                                                             nis, das nicht allein dem frei­      412 Baulücken im                      Entwicklung der
                                                                                                             en Markt überlassen werden           Stadtgebiet                           Wohnungen mit
                                                                                              Foto: aei     darf. Dazu hat die GAL in den
                                                                                                             vergangenen Jahren zahlreiche        Fünf große Gelände bieten sich        Sozialbindung
Seit Jahren lässt sich beobach­      den dürfen, sondern überhaupt     der Stadt einen akuten Mangel         Vorschläge gemacht.                  für sozialen Wohnungsbau an:
ten, was die Politik erst so lang­   an günstigem Wohnraum. Und        von 422 Wohnungen im Be­                 Die Stadt Bamberg muss den        Ulanenpark, Eberth-Gelände                Jahr      Wohnungen
sam in den Blick fasst: Der Be­      das, während Bamberg auch         reich von unter 6 Euro Miete          Anteil an Sozialwohnungen            und ehemaliges Maisel-Gelän­             2006         2748
stand an Sozialwohnungen             noch rasant wächst und im Ru­     pro Quadratmeter. Und Möl­            bauleitplanerisch sichern. Die       de in der Wunderburg, Lagar­             2016         2029
schmilzt wie ein Eisberg in          fe einer „Schwarmstadt“ steht,    ler sieht die Stadt in der Pflicht,   vom Stadtrat beschlossene So­        de-Kaserne und Warner Bar­               2024         1600
der Sonne. Gegenmaßnahmen            also einer Stadt, die besonders   in den nächsten Jahren 350 bis        zialquote ist zwar ein Schritt       racks als Konversionsflächen.
wurden bislang von der Politik       junge Leute im Alter von 25 bis   450 Sozialwohnungen neu zu            in die richtige Richtung, greift     Aber auch die 412 im Stadtge­         Sozialwohnungen sind auf-
nicht getroffen, der Bau an neu­     35 anzieht.                       bauen.                                aber viel zu kurz: Sie sichert le­   biet verstreuten Baulücken soll­      grund der staatlichen Zu-
en Wohnungen mit Sozialbin­                                               80% der Wohnungen in               diglich bei Neubauprojekten          ten unter die Lupe genommen           schüsse beim Bau für eine
dung geht gegen Null. Gebaut         Schatten-                         diesem Preissegment gehö­             von über 1000 Quadratmetern          werden.                               gewisse Zeit (in der Regel 20
                                                                                                                                                                                        Jahre) an eine Miethöchst-
wurden – gegen das Votum der         Wohnungsmarkt                     ren Wohnungsunternehmen               einen 20%igen Anteil an Woh­           Die Politik muss gezielt Ei­
                                                                                                                                                                                        grenze gebunden. Nach
GAL – vor allem neue Woh­                                              wie der städtischen Stadtbau          nungen mit einer Mietober­           geninitiative aus den Reihen
                                                                                                                                                                                        Ablauf dieser Zeit fallen sie
nungen im Hochpreissegment.          Ein von der Stadt in Auftrag      GmbH oder der Joseph-Stif­            grenze. Wer also zwei mehr­          der Bürgerschaft fördern: Ge­
                                                                                                                                                                                        aus der Sozialbindung, es
   Doch es fehlt nicht nur an So­    gegebenes Gutachten zu Bedarf     tung. Private Investoren ha­          geschossige Häuser mit je acht       meinschaftliche     solidarische      kann eine höhere Miete ver-
zialwohnungen, die ausschließ­       und Verfügbarkeit von Sozial­     ben sich aus diesem Mietmarkt         60-qm-Wohnungen baut, fällt          Wohnformen, Genossenschaf­            langt werden. Die Prognose
lich von Mieter*innen mit            wohnungen in Bamberg, ver­        schon massiv zurückgezogen            schon einmal nicht unter diese       ten, Baugruppen – sie brauchen        für 2024 beruht auf diesem
Wohnberechtigungsschein (al­         fasst von Dr. Klaus-Peter Möl­    und tun dies durch Modernisie­        Vorgabe. Doch die Sozialquote        für ihren im Vergleich zu Im­         planmäßigen Wegfall der
so vom Amt bestätigtem gerin­        ler (Büro für Systemanalysen)     rungen und die damit verbun­          schreibt noch nicht einmal rich­     mobilienfirmen höheren Selbst­        Sozialbindung.
gem Einkommen) bezogen wer­          im November 2017, bescheinigt     denen Mieterhöhungen noch             tige Sozialwohnungen vor, also       organisationsaufwand       zeitli­

    Gastkommentar

  Dr. Michael Fiedeldey                                                                                      # Klimaretterin
  Ein nachhaltiges Energie-                                                                                  Lisa Badum kümmert
  und Verkehrskonzept                                                                                        sich um Zukunftsthema
  für das Lagarde-Gelände                                                                                    Wir Grüne wollen ökologische, linksliberale Po­
                                                                                                             litik machen. Der Kampf gegen die Klimakri­
  Auf dem Gelände der Lagarde-Kaserne im             ge Möglichkeit, innovative und effiziente Mo­           se ist dabei das große Zukunftsthema. Ich freue
  Bamberger Osten besteht für die Stadt die his­     bilitätsangebote zu entwickeln und umzuset­             mich riesig, mich hier zu engagieren, denn es ist
  torische Chance, in einem städtebaulich weg­       zen. Die Einbindung der Lagarde in die Li­              fünf vor zwölf.
  weisenden Quartier mit hohen ökonomischen          nienführung und den Takt der Bamberger                     Die große Koalition hat sich aber auf ein Lip­
  wie ökologischen Ansprüchen zu wachsen.            Stadtbusse ist nur ein kleiner Baustein da­             penbekenntnis zu den Klimaschutzzielen 2020
  Wesentliche Voraussetzung für die erfolg­          von. Der Aufbau eines zentralen Carsharing-             und 2030 geeinigt, statt konkrete Maßnahmen             Lisa Badum ist seit Herbst 2017 Abgeordnete
  reiche Realisierung des Lagarde-Campus ist         Pools, der den Nutzern für jede Gelegenheit             aufzuschreiben, um diese Ziele zu erreichen.            des Deutschen Bundestags aus dem Wahlkreis
  auch dessen infrastrukturelle Erschließung.        das passende Fahrzeug bietet, gehört eben­                 Dabei könnte die Klimakrise unter anderem            Bamberg-Forchheim. Die 34-jährige Ober-
  Ein nachhaltiges, spartenübergreifendes Ener­      so dazu, wie der Aufbau der Elektromobili­              mit einer intelligenten CO2-Bepreisung bekämpft         fränkin ist Sprecherin für Klimapolitik in der
  gieversorgungskonzept, zukunftssichere digi­       tät. Ladesäule, Mietfahrzeug, Stadtbus – alle           werden. Zeit, dass Deutschland endlich aus dem          grünen Bundestagsfraktion. Die Politikwis-
  tale Infrastrukturen und die Realisierung von      Mobilitätsangebote werden über eine Mobili­             Winterschlaf aufwacht und die Zukunftsaufgabe           senschaftlerin aus Forchheim studierte an der
  innovativen Mobilitätslösungen sind maßgeb­        tätskarte abgerechnet. Dabei wollen wir auch            Klimaschutz angeht.                                     Universität Bamberg und war von 2012 bis
  liche Treiber für den Erfolg des neuen Cam­        einen verantwortungsvollen Beitrag zur Sen­                                                   Lisa Badum        2017 in der Abteilung Bürgerenergie bei einem
  pus im Bamberger Osten.                            kung der Baukosten für den Wohnungsbau                                             www.lisa-badum.de            grünen Energieversorger tätig.
  Das beinhaltet, dass der „grüne Campus“ mit        leisten. Der Verzicht auf relativ teure Tiefga­
  erneuerbaren Energien versorgt wird. Bei­          ragenstellplätze zugunsten eines intelligenten
  spielsweise mit Ökostrom aus Photovoltaik­         Park-Konzeptes mit dezentralen, städtebaulich
  anlagen, die sich in die Baukultur integrieren.    integrierten Parkpaletten stellt einen wertvol­
  Der Strom kann auch für die Elektrofahrzeu­        len Beitrag zur Ressourcenschonung dar. Der
  ge der Carsharing-Flotte auf der Lagarde ge­       Platz dafür kann sinnvoller genutzt werden.
  nutzt werden, überschüssige Energie wird ge­       Wenn der Parkraum intelligent bewirtschaf­
  speichert oder in das vorgelagerte Netz einge­     tet wird, wird Parksuch­verkehr vermieden
  speist. Meine Vorstellung ist, dass die Gewin­     und zugleich Lärm- und Abgasbelastungen re­
  nung und der Verbrauch der Energie automa­         duziert.
  tisiert und intelligent gemanagt werden. Über
  Glasfasern sind Gebäudetechnik, Energiespei­
  cher, dezentrale Erzeuger und Verbraucher
  miteinander verbunden. Wärme und Kälte
  werden über ein gekoppeltes Netz besonders
  effizient gespeichert, verteilt und genutzt. Der
  Anschluss sämtlicher Gebäude an die Netze
  senkt den Primärenergiebedarf – und damit
  die Nebenkosten bei der Bewirtschaftung des
  Objekts.
  Auch bei der Entwicklung von Mobilität auf                 Dr. Michael Fiedeldey ist seit 1.7.2016 als
                                                             Geschäftsführer der STWB Stadtwerke
  dem Lagarde-Campus haben wir die einmali­                  Bamberg GmbH tätig.
Hinterm Reißverschluss geht's weiter - Visionen für Bamberg
Nr. 86 • März/April 2018                                                                                                                                                                                         7

Bambuszahnbürsten und Nudeln ohne Plastik drumrum
Der neue Unverpackt-Laden in Bamberg verwirklicht                      Theres und Alina alles alleine.       Beruhigt starte ich meinen
eine Vision: Verpackungs- und müllfreies Einkaufen.                    „An das Arbeiten musste ich        Einkauf. Schritt für Schritt ist
†-Mitarbeiterin Pia Dotter war beim Testeinkauf.                       mich erstmal gewöhnen, das ist     alles im Laden erklärt und al­
                                                                       ja im Grunde meine erste richti­   le Produktpreise sind klar nach
                                                                       ge Arbeit!“ lacht Theres.          Gewicht ausgeschrieben. Ei­
                                                                                                          gentlich ganz einfach, oder!?
                                                                       Projekt mit Herzblut                  Aber tatsächlich ist anfangs
                                                                                                          doch alles ganz schön unge­
                                                                       Das Unverpackt-Angebot wer­        wohnt … Das Hantieren mit
                                                                       de von Kund*innen jeden Al­        den Behältern, das Wiegen
                                                                       ters gut angenommen, freuen        und Abfüllen ist doch eine ge­
                                                                       sich die beiden. Überall im La­    wisse Herausforderung. Zuerst
                                                                       den finden sich liebevolle De­     die Frage: In welchen Behälter
                                                                       tails und man kann sehen, wie      fülle ich was? Wie viel brauche
                                                                       viel Herzblut in diesem Projekt    ich überhaupt? Und wie viel
                                                                       steckt.                            Gramm passen eigentlich in
                                                                          Ich trinke erstmal einen Cap­   meine Gläser? Ich merke, dass
                                                                       puccino und lasse die entspann­    ich vom Gewicht vieler Pro­
                                                                       te Atmosphäre des Ladens auf       dukte keinen blassen Schim­
                                                                       mich wirken. Theres und Ali­       mer habe, da ich so sehr an fer­
                                                                       na beantworten mit einem Lä­       tig abgepackte Lebensmittel ge­
                                                                       cheln und sehr geduldig al­        wöhnt bin.
                                                                       le Kundenfragen und berich­
                                                                       ten, dass ich nicht die Einzige    Putzmittel in
                                                                       sei, die beim ersten Einkauf un­   Sirupform
                                                                       sicher wäre. Viele kämen zu­
                                                                       nächst mal mit der Waage nicht     Theres und Alina haben neben
                                                                       zurecht, hätten keine Gläser da­   Nudeln, Gewürzen, Tee, Nüs­
                                                                       bei oder würden vergessen, ih­     sen, Käse, Milch, etc. auch fri­
Von links: Theres und Alina Gerischer an ihrer Ladentheke im Un-
                                                                       re Behälter zu wiegen. Aber mit    sches Obst und Gemüse im An­        †-Mitarbeiterin Pia Dotter beim Abfüllen von Müsli.
verpackt-Laden.                                 Fotos: Pia Dotter
                                                                       ein bisschen Übung sei das al­     gebot – alles biologisch ange­
Heute ist es soweit, ab in den      Flechtwerkgestalterinnen. Als      les kein Problem.                  baut. Ganz wichtig ist den bei­     den, regionale Händler*innen         Müll reduzieren und die Men­
neuen Unverpackt-Laden!             Theres vor zwei Jahren mal                                                                                zu unterstützen. Auch viele          schen dafür sensibilisieren, wie
  Unsicher bin ich schon. Wie       wieder über zu viel Plastik­                                                                              Fairtrade-Produkte wie zum           viel Müll wir täglich produzie­
funktioniert das eigentlich: Un­    müll schimpfte, entgegnete Ali­                                                                           Beispiel Cashews finden sich         ren. Unsere Vision ist auf jeden
verpackt? Was heißt das über­       na genervt: „Mach doch einen                                                                              im Laden. Neben Lebensmit­           Fall verpackungs- und müllfrei­
haupt? Ich bin neugierig und        Unverpackt-Laden auf!“ Aus                                                                                teln gibt es aber auch viele plas­   es Einkaufen.“
gespannt, was mich erwartet.        dieser Diskussion wurde bald                                                                              tikfreie Hygiene- und Haus­            Glücklich und ein bisschen
Hochmotiviert sammle ich ei­        Ernst und nach einigen büro­                                                                              haltsartikel im Sortiment. So        stolz gehe ich mit meiner Aus­
nige Behälter zusammen, in          kratischen Hürden, einer er­                                                                              zum Beispiel Alinas erklärtes        wahl an leckeren frischen Bio­
denen man meiner Meinung            folgreichen Crowdfunding-Ak­                                                                              Lieblingsprodukt: die mit Liebe      lebensmitteln nach Hause. Und
nach Lebensmittel transportie­      tion, vielen glücklichen Zu­                                                                              gestalteten Bambuszahnbürs­          das Beste: Ich habe dabei nicht
ren kann, und mache mich auf        fällen und einer großen Porti­                                                                            ten. Ab Frühling wird es auch        ein Gramm Müll produziert!
den Weg.                            on Mut öffneten sie Ende 2017                                                                             eine Hygiene- und Putzmittel­                               Pia Dotter
  Im Laden angekommen wer­          in der Luitpoldstraße 36 ih­                                                                              station geben. Dann kann man
de ich herzlich empfangen und       re Pforten. Seitdem haben die                                                                             Flüssigseife und Co in Sirup­
fühle ich mich sofort wohl. Die     beiden Schwestern viel zu tun:                                                                            form kaufen und daheim selbst
beiden 19 und 23 Jahre jungen       Der Arbeitstag startet oft schon                                                                          mit Wasser verdünnen.
Ladenbesitzerinnen Alina und        um 6 Uhr. Vom Kuchen ba­                                                                                     Hinter Alinas und Theres’
Theres Gerischer sind Schwes­       cken über Spender befüllen bis                                                                            Laden steckt eine klare Visi­
tern und eigentlich gelernte        hin zum Suppe kochen machen        Warenangebot im Unverpackt-Laden.                                      on: „Wir wollen in erster Linie

Gastbeitrag von BAGLS

Studi-Visionen für ein wachsendes Bamberg
                                                                       keine Chance lassen. Natürlich     in Bamberg ist ein zusammen­        Nachtleben den nötigen Platz          Nordkorea – eine Utopie?
                                                                       ist ein ganzheitliches Verkehrs­   hängendes Radwegenetz wün­          geben. Nichtsdestotrotz muss
                                                                                                                                                                                    Fotos von Werner Kohn
                                                                       konzept nötig.                     schenswert, das wichtige Hot­       in Bamberg unbedingt auch             mit einem Text von Rüdiger Frank
                                                                          „Rad-Sharing“ ist an die­       spots miteinander verbin­           günstiger Wohnraum geschaf­           224 S., 220 Abb., 24 x 22,5 cm
                                                                       ser Stelle ein gutes Stichwort,    det. Die Verbindung der bei­        fen werden. Bauaufträge nicht         ISBN: 978-3-940821-59-1
                                                                       wie es sich in größeren Städten    den Uni-Standorte ERBA und          in private Hand zu geben, so­         Preis: 48,- EUR
                                                                       Europas bereits etabliert hat.     Feldkirchenstraße ist ein erster    dass man als Student*in unan­         Erich Weiß Verlag
                                                                                                                                                                                    www.erich-weiss-verlag.de
                                                                       Nicht nur werden so Stellplatz­    Schritt in diese Richtung, dem      gemessene Mietpreise bezahlen
                                                                       flächen effizienter genutzt, es    mit der Annahme der Ziele des       muss, das wünschen wir uns
                                                                       ist gesünder, billiger und nicht   Radentscheids durch den Stadt­      zukünftig.     Annika Jaensch
                                                                       selten schneller als das Au­       rat hoffentlich bald weitere fol­
                                                                       to. Der ÖPNV ist die umwelt­       gen.
                                                                       freundliche Alternative für grö­      Was Bamberg als Weltkul­
                                                                       ßere Distanzen und könnte ei­      turerbe außerdem mitbringt,
                                                                       ne tragende Rolle dabei spie­      ist ein kultureller Wert. Die­
                                                                       len, die Park+Ride-Plätze noch     sen jedoch auf die vielen Se­
                                                                       schneller mit der Innenstadt zu    henswürdigkeiten zu begren­
Die BAGLS-Mitglieder bei einer ihrer visionären Sitzungen.             verbinden, so dass man das Au­     zen, wäre ein großer Fehler. In
                                                                       to als Nicht-Einwohner*in viel­    Bamberg blüht die Kleinkunst­
Über ein Jahr lebe ich nun hier     nicht ausgesetzt sein. Und doch    leicht auch mal stehen lässt.      szene. Wie erfolgreich die Um­
und spreche von Bamberg als         begegnet man als Radfahrer*in      Der ÖPNV muss außerdem             gestaltung von stillgelegter Flä­
meinem Zuhause. Und so wie          in Bamberg immer wieder di­        weiterhin Personen Mobilität       che sein kann, zeigt die Alte
ich mich damals in Bamberg          cken SUVs, die das Zusammen­       bieten, für die das Radfahren      Seilerei. Doch Bambergs krea­
verliebt habe, geht es vielen an­   spiel der verschiedenen Ver­       keine Option darstellt.            tives Potential ruft nach mehr:
deren Menschen meiner Gene­         kehrsteilnehmenden auch da­           In Sachen autofreier Innen­     Wir wünschen uns einen Ort
ration. Bamberg wächst – aber       durch gefährden, dass sie Park­    stadt geht Oslo mit gutem Bei­     für kulturelles Ausprobieren,
was muss die Zukunft bereit­        flächen in Anspruch nehmen,        spiel voran – ab 2019 sollen in    der für jeden zugänglich ist und
halten, damit Bamberg auch          wo keine sind – im schlimms­       der Innenstadt keine privaten      nicht durch die Sperrstunde in
gedeiht?                            ten Fall auf dem Radweg selbst.    Pkws mehr erlaubt sein, da­        der Innenstadt in seinen Mög­       Annika Jaensch
   Ein unübersehbarer Punkt         Dabei hat Bamberg beste Vor­       für werden 60 km zusätzliche       lichkeiten eingeschränkt wird.      ist 20 Jahre alt und studiert
ist hier der Verkehr: Die histo­    aussetzungen zur Radstadt zu       Radwege eingerichtet. Auch         Die Lagarde-Kaserne als neu­        Psychologie in Bamberg. Sie
rische Innenstadt ist nicht aus­    werden: Die kurzen Distanzen,                                         er Wirtschaftsstandort ist hier­    hat BAGLS, die neue „Bamber-
                                                                       kontakt@bagls.de
gelegt für viel Verkehr und soll­   die topographische Lage, enge                                         für ideal. Dieses Areal könnte      ger Grün-Linke Studierenden-
te dem als Weltkulturerbe auch      Gassen, die dem Auto ohnehin       facebook: bagls                    auch einem reichen und langen       initiative“, 2017 mitgegründet.
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