Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr
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Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr (gemäß Verordnung (EG) Nr. 561/2006, Verordnung (EU) Nr. 165/2014, Fahrpersonalgesetz (FPersG) und Fahrpersonalverordnung (FPersV)) abgestimmt zwischen den obersten für die Umsetzung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr zuständigen Behörden des Bundes und der Länder
Diese Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr wurden von einer Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder erarbeitet und zwischen den für die Umsetzung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr zuständigen obersten Behörden des Bundes und der Länder abgestimmt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Der Nachdruck zu kommerziellen Zwecken, auch auszugsweise, ist nur nach Genehmigung des Bundesministeriums für Verkehr und digi- tale Infrastruktur gestattet. Sofern dieser Leitfaden auf die Leitlinien der Europäischen Kommission verweist, finden Sie die entsprechenden Texte über die nachste- henden Verlinkung auf der Internetseite der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/transport/modes/road/social_provisions/driving_time/guidance_notes_en Das Dokument unterliegt der regelmäßigen Überarbeitung und Aktualisierung. Die jeweils aktuelle Fassung finden Sie auf der Internetseite des Bundesamtes für Güterverkehr unter dem Link: Hinweise zu den Sozialvorschriften - Hinweise zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr - Rechtsvorschriften - Bundesamt für Güterverkehr Stand: November 2021 2
Inhaltsverzeichnis 1 Anwendungsbereich Lenk- und Ruhezeiten................................................................................................................ ..8 1.1 Güterbeförderungen/ Personenbeförderungen ................................................................................................................ ..8 1.2 Geltungsbereich ............................................................................................................................................................... 10 1.3 Anhänger zur Güter-beförderung/Anhängerkupplung ...................................................................................................... 10 1.4 Werkstattwagen ............................................................................................................................................................... 11 1.5 Selbstfahrende Arbeitsmaschinen ................................................................................................................................... 11 1.6 Wohnmobile ..................................................................................................................................................................... 12 1.7 Mindestalter für Schaffner und Beifahrer ......................................................................................................................... 13 2 Ausnahmen vom Geltungsbereich der Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014 ........................... 14 2.1 Ausnahmebestimmungen ................................................................................................................................................ 14 2.1.1 Personenbeförderung im Linienverkehr bis 50 km ........................................................................................................... 14 2.1.2 Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen („Handwerkerregelung“) ....................................................... 14 2.1.3 Höchstgeschwindigkeit 40 km/h ....................................................................................................................................... 16 2.1.4 Behördenfahrzeuge ......................................................................................................................................................... 16 2.1.5 Notfallfahrzeuge ............................................................................................................................................................... 16 2.1.6 Spezialfahrzeuge für medizinische Zwecke ..................................................................................................................... 16 2.1.7 Pannenhilfefahrzeuge ...................................................................................................................................................... 17 2.1.8 Probefahrten, Neufahrzeuge, umgebaute Fahrzeuge ...................................................................................................... 18 2.1.9 Nichtgewerbliche Fahrten/Güterbeförderungen (Fahrten für private Zwecke) ................................................................. 19 2.1.10 Historische Nutzfahrzeuge ............................................................................................................................................... 20 2.1.11 Interne Servicefahrten von Autovermietern (Tankstelle, Waschstraße) ........................................................................... 20 2.1.12 Hol- und Bringdienste ...................................................................................................................................................... 21 3 Regelung der Lenk- und Ruhezeiten ............................................................................................................................ 22 3.1 Lenkzeiten/andere Arbeiten ............................................................................................................................................. 22 3
3.2 Tägliche Lenkzeit ............................................................................................................................................................. 22 3.3 Wöchentliche Lenkzeit ..................................................................................................................................................... 24 3.4 Lenkzeit in der Doppelwoche ........................................................................................................................................... 24 3.5 Fahrtunterbrechung ......................................................................................................................................................... 24 3.6 Ruhezeiten ....................................................................................................................................................................... 25 3.7 Fähre / Zugfahrt ............................................................................................................................................................... 30 3.8 Mehrfahrerbetrieb ............................................................................................................................................................ 31 3.9 Unterbrechung der Ruhezeit/Fahrtunterbrechung auf Anordnung einer Behörde oder eines Bediensteten eines Terminals 31 3.10 An- oder Abreise zum Fahrzeug ...................................................................................................................................... 32 3.11 Pflichten nach Art. 10 VO (EG) Nr. 561/2006, § 20a FPersV; .......................................................................................... 32 3.12 Lenkzeitüberschreitung unter außergewöhnlichen Umständen zur Erreichung eines geeigneten Halteplatzes .............. 34 (Art. 12 Absatz 1 VO (EG) Nr. 561/2006) ......................................................................................................................... 34 4 Pflichten nach Verordnung (EU) Nr. 165/2014 ............................................................................................................. 36 4.1 Einbaupflicht für den (digitalen) Fahrtenschreiber............................................................................................................ 36 4.2 M1- / N1-Fahrzeuge (Adapterlösung) .............................................................................................................................. 36 4.3 Aushändigung der Schaublätter und sonstiger Aufzeichnungen ...................................................................................... 37 4.4 Herunterladen der Daten von der Fahrerkarte ................................................................................................................. 37 4.5 Herunterladen der Daten aus dem Massenspeicher des Fahrtenschreibers ................................................................... 37 4.6 Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten für Aufzeichnungen des analogen Fahrtenschreibers und sonstiger Unterlagen 38 4.7 Speicherungs- und Aufbewahrungspflichten von Daten des digitalen Fahrtenschreibers ................................................ 38 4.8 Anspruch des Fahrers auf eine Kopie seiner Fahrtätigkeiten .......................................................................................... 39 4.9 Vernichtungspflichten ....................................................................................................................................................... 39 4.10 Mitführpflichten für Fahrzeuge über 3,5 t zHM ................................................................................................................. 39 4.11 Mitführpflichten für Fahrzeuge über 2,8 t und nicht mehr als 3,5 t zHM ........................................................................... 40 4.12 Verlust, Diebstahl, Beschädigung oder Fehlfunktion der Fahrerkarte .............................................................................. 40 4
4.13 Fahrten vor Erhalt der Fahrerkarte................................................................................................................................... 41 4.14 Mietfahrzeuge .................................................................................................................................................................. 42 4.15 Manuelle Nachträge ......................................................................................................................................................... 43 4.16 Schulungs- und Unterweisungspflicht .............................................................................................................................. 44 4.17 Eingabe Landessymbol bei Grenzübertritt ....................................................................................................................... 44 (Art. 34 Abs. 6 Buchstabe f) VO (EU) 165/2014) ............................................................................................................. 44 5 Fahrpersonalverordnung (FPersV) ............................................................................................................................... 45 5.1 Geltungsbereich und Nachweispflicht .............................................................................................................................. 45 5.2 Fahrzeuge bis 2,8 t zHM .................................................................................................................................................. 45 5.3 Ausnahmen vom Geltungsbereich der FPersV ................................................................................................................ 46 5.3.1 Fahrzeuge, die in § 18 FPersV genannt sind ................................................................................................................... 46 5.3.2 Fahrzeuge, die in Art. 3 Buchstabe b bis i der VO (EG) Nr. 561/2006 genannt sind ........................................................ 46 5.3.3 Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen mit Fahrzeugen mit nicht mehr als 3,5 t zHM („Handwerkerregelung“) ................................................................................................................................................... 46 5.3.4 Auslieferungsfahrten mit Fahrzeugen bis einschließlich 3,5 t zHM ................................................................................. 47 5.3.5 Verkaufswagen bis einschließlich 3,5 t zHM .................................................................................................................... 47 5.3.6 Selbstfahrende Arbeitsmaschinen ................................................................................................................................... 49 6 Ausnahmen von den Lenk- und Ruhezeiten (§ 18 FPersV, Art. 13 VO (EG) Nr. 561/2006) ...................................... 50 6.1 Anwendungsbereich ........................................................................................................................................................ 50 6.2 Allgemeine Begriffsbestimmungen ................................................................................................................................... 50 6.2.1 Standort des Unternehmens ............................................................................................................................................ 50 6.2.2 Umkreis/Überschreiten des Umkreises ............................................................................................................................ 51 6.2.3 Haupttätigkeit des Fahrers ............................................................................................................................................... 52 6.3 Behördenfahrzeuge ......................................................................................................................................................... 52 6.4 Land- und Forstwirtschaftsfahrzeuge, Gartenbau, Fischerei ........................................................................................... 54 5
6.5 Land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen .................................................................................................................. 56 6.6 Universaldienstleistungen ................................................................................................................................................ 56 6.7 Inselbetrieb ...................................................................................................................................................................... 57 6.8 Fahrzeuge mit Druckerdgas-, Flüssiggas- oder Elektroantrieb ........................................................................................ 57 6.9 Fahrschulfahrten .............................................................................................................................................................. 57 6.10 Kanalisation, Hochwasserschutz, Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung, Telegramm- und Telefonanbieter .......... 59 6.11 Straßenunterhaltung und -kontrolle.................................................................................................................................. 59 6.12 Hausmüllabfuhr ................................................................................................................................................................ 60 6.13 Rundfunk- und Fernsehen (inkl. der Erfassung von Radio- bzw. Fernsehsendern und -geräten) ................................... 61 6.14 Private Personentransporte ............................................................................................................................................. 62 6.15 Schausteller ..................................................................................................................................................................... 62 6.16 Projektfahrzeuge zu Lehrzwecken ................................................................................................................................... 63 6.17 Milchtransporte ................................................................................................................................................................ 63 6.18 Spezialfahrzeuge für Geld- und/oder Werttransporte....................................................................................................... 64 6.19 Transport tierischer Nebenprodukte ................................................................................................................................. 64 6.20 Güterverteilzentren/Umschlaganlagen ............................................................................................................................. 64 6.21 Transport von lebenden Tieren ........................................................................................................................................ 65 7 Besonderheiten für den Personen-Linienverkehr bis 50 km (ÖPNV) ........................................................................ 66 7.1 Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten, Grundsatz ...................................................................................... 66 7.2 Fahrtunterbrechungen im Linienverkehr .......................................................................................................................... 66 7.2.1 Fahrtunterbrechungen bei durchschnittlichem Haltestellenabstand von mehr als 3 km ................................................... 67 7.2.2 Fahrtunterbrechungen bei durchschnittlichem Haltestellenabstand von nicht mehr als 3 km .......................................... 67 7.3 Wöchentliche Ruhezeit .................................................................................................................................................... 67 8 Nachweis über berücksichtigungsfreie Tage (§ 20 FPersV) ...................................................................................... 69 8.1 Allgemeine Hinweise ........................................................................................................................................................ 69 6
8.1.1 Tageskontrollblätter ......................................................................................................................................................... 69 8.1.2 Analoger Fahrtenschreiber............................................................................................................................................... 69 8.1.3 Digitaler Fahrtenschreiber ................................................................................................................................................ 70 8.2 Gesetzliche Anforderungen.............................................................................................................................................. 71 8.3 Bescheinigung des Unternehmers ................................................................................................................................... 71 8.4 EU-einheitliches Muster ................................................................................................................................................... 72 8.5 Nachträgliches Ausstellen des Nachweises ..................................................................................................................... 73 8.6 Vorausgegangene Arbeitslosigkeit ................................................................................................................................... 73 8.7 Steckenlassen der Fahrerkarte ........................................................................................................................................ 73 8.8 Abgabe der Nachweise und Aufbewahrungspflicht des Unternehmers ........................................................................... 73 (§ 20 Absatz 5 FPersV, § 4 FPersG) .............................................................................................................................. 73 9 Andere Rechtsvorschriften ........................................................................................................................................... 74 9.1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bzw. Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbstständigen Kraftfahrern ......................... 74 9.2 Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG)/Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung (BKrFQV) ................... 75 Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................................................................... 76 7
Thema Allgemeine Informationen Ergänzende Informationen 1 Anwendungsbereich Lenk- und Ruhezeiten 1.1 Güterbeförderungen/ Lenk- und Ruhezeiten sind durch Unionsrecht in der VO Personenbeförderungen (EG) Nr. 561/2006 und darüber hinaus national in der FPersV geregelt. Die VO (EG) Nr. 561/2006 gilt in allen Mitgliedstaaten un- mittelbar. Sie betrifft Kraftfahrer im Straßengüter- und Straßenpersonenverkehr, die Kraftfahrzeuge lenken, die Güterbeförderung zur Güterbeförderung geeignet sind und deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhä- nger 3,5 t übersteigt oder Personenbeförderung der Personenbeförderung dienen und die für die Beför- derung von mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers konstruiert oder dauerhaft angepasst und zu diesem Zweck bestimmt sind. Die FPersV regelt außerdem Lenk- und Ruhezeiten für Fahrten mit Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung geeig- net sind und deren zulässige Höchstmasse 2,8 t über- steigt. Über die oben genannten Bestimmungen zu den Lenk- und Ruhezeiten hinaus sind die Vorschriften des ArbZG, erforderlichenfalls auch des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbstständigen Kraftfahrern, zu beachten (siehe Abschnitt 9.1). Ausnahmen Ausnahmeregelungen sind in Art. 3 VO (EG) Nr. 561/2006 Art. 13 VO (EG) Nr. 561/2006 ist die Ermächti- (siehe Abschnitt 2) sowie § 1 Abs. 2 FPersV (siehe Ab- gungsgrundlage für die Ausnahmen nach § 18 schnitt 5.3) und § 18 FPersV (siehe Abschnitt 6) beschrie- FPersV. ben. Berechnung der zulässi- Die Berechnung der zulässigen Höchstmasse von Fahr- gen Höchstmasse zeugen und Fahrzeugkombinationen richtet sich zunächst (§ 34 Absatz 6 StVZO) ausschließlich nach dem in der Zulassungsbescheinigung unter F.2 eingetragenen Wert. Der Begriff der zulässigen Höchstmasse deckt sich mit dem im Zulassungsverfahren 8
festgestellten Gesamtgewicht, wie es in der Zulassungs- bescheinigung eingetragen ist. Dieser eingetragene Höchstwert muss dabei nicht mit den in § 34 StVZO fest- Auf- und Ablastungen gelegten Höchstwerten übereinstimmen. Nachträgliche Auf- oder Ablastungen sind ebenfalls in der Zulassungs- bescheinigung vermerkt. Wurde eine Auf- oder Ablastung vorgenommen, ist allein dieser Eintrag in der Zulassungsbescheinigung maßgeb- lich. Ist dies nicht der Fall, erfolgt die Berechnung der zulässi- gen Höchstmasse nach den Vorgaben des § 34 Abs. 7 StVZO. Die zulässigen Höchstwerte nach § 34 Absatz 6 StVZO dürfen nicht überschritten werden. Danach errech- net sich die zulässige Höchstmasse folgendermaßen: 1. bei Zügen aus der Summe der zulässigen Gesamtge- wichte des ziehenden Fahrzeugs und des Anhängers, 2. bei Zügen mit Starrdeichselanhängern (einschließlich Zentralachsanhängern) aus der Summe der zulässigen Gesamtgewichte des ziehenden Fahrzeugs und des Starrdeichselanhängers, vermindert um den jeweils hö- heren Wert a. der zulässigen Stützlast des ziehenden Fahrzeugs oder b. der zulässigen Stützlast des Starrdeichselanhä- ngers, bei gleichen Werten um diesen Wert 3. bei Sattelkraftfahrzeugen aus der Summe der zulässi- gen Gesamtgewichte der Sattelzugmaschine und des Sattelanhängers, vermindert um den jeweils höheren Wert a. der zulässigen Sattellast der Sattelzugmaschine o- der 9
b. der zulässigen Aufliegelast des Sattelanhängers, bei gleichen Werten um diesen Wert. 1.2 Geltungsbereich Die Sozialvorschriften im Straßenverkehr gelten bei jeder ganz oder teilweise auf einer öffentlichen Straße durchge- führten Fahrt (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Buchst. a VO (EG) Nr. 561/2006) eines zur Personen- oder Güterbeförderung verwendeten leeren oder beladenen Fahrzeugs. Das gilt für die Dauer der gesamtem Arbeitsschicht. Um eine öffentliche Straße handelt es sich nach deut- BGH, Beschluss vom 30.01.2013 schem Straßenverkehrsrecht (§ 1 StVG, § 1 StVO) immer – 4 StR 527/12 – dann, wenn die jeweilige Fläche entweder ausdrücklich o- (Begriff öffentlicher Straßenverkehr) der mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberech- tigten für jedermann zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Für Verkehrsflächen auf Werkge- lände gilt, dass nur ein nach außen hin gesichertes Werk- gelände, dessen Zufahrt ständig kontrolliert wird, so dass betriebsfremden Personen kein freier Zugang ermöglicht wird, als nichtöffentliche Verkehrsfläche anzusehen ist. 1.3 Anhänger zur Güterbe- Fahrzeuge, die über eine zulässige Höchstmasse bis ein- Fahrer dieser Fahrzeuge unterliegen jedoch auch förderung/Anhänger- schließlich 2,8 t verfügen, unterliegen nicht den Sozialvor- dem Verbot von Akkordlöhnen gem. § 3 FPersG. kupplung schriften im Straßenverkehr. Fahrzeuge, die mit einem An- hänger über mehr als 2,8 t und nicht mehr als 3,5 t Höchst- masse verfügen, müssen Lenk- und Ruhezeiten nach Maßgabe der FPersV einhalten und aufzeichnen. Ein Fahrtenschreiber muss nicht eingebaut sein, ein vorhan- dener Fahrtenschreiber muss jedoch bei einer aufzeich- nungspflichtigen Fahrt betrieben werden. Fahrzeuge, die mit Anhänger über eine zulässige Höchst- masse von mehr als 3,5 t verfügen, müssen Lenk- und Ru- hezeiten nach Maßgabe der VO (EG) Nr. 561/2006 einhal- ten und einen Fahrtenschreiber verwenden, soweit nicht eine Ausnahme greift (vgl. Abschnitt 2). Arbeitsmaschine als An- Bei einem Fahrzeuggespann aus Zugfahrzeug und Ar- Dazu gehören alle anhängbaren Arbeitsmaschi- hänger beitsmaschine (z. B. Kompressor, landwirtschaftliches Ar- nen wie Messanhänger, auch Stützbaken ge- beitsgerät) ist die Arbeitsmaschine bei der Berechnung der nannt. 10
zulässigen Höchstmasse mit einzubeziehen. Anhänger und ausge- Bei einem Fahrzeuggespann aus einem von den Sozial- nommenes Zugfahrzeug vorschriften im Straßenverkehr ausgenommen Zugfahr- zeug und einem Anhänger zur Güterbeförderung finden die Sozialvorschriften im Straßenverkehr – vorbehaltlich weiterer Ausnahmetatbestände – grundsätzlich Anwen- dung. Zugmaschinen, die Arbeitsgeräte oder -maschinen ziehen oder an denen solche Geräte angekoppelt sind, unterfallen unabhängig vom Gewicht der Zugmaschine den Sozialvor- schriften im Straßenverkehr (FPersV bzw. VO (EG) Nr. 561/2006), sofern die zulässige Höchstmasse des Ge- spanns mehr als 2,8 t beträgt. Anhängerkupplung Das bloße Vorhandensein einer Anhängerkupplung löst keine Verpflichtung zur Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr aus. Maßgeblich hierfür ist die zuläs- sige Höchstmasse des Fahrzeuges oder der Fahrzeug- kombination. 1.4 Werkstattwagen s. Punkt 2.1.2 Kundendienst- und Montagefahrzeuge, die Werk- zeug und Reparaturmaterialien als Ausrüstung ständig mit sich führen, dienen der Güterbeförde- rung. Hier ist die Ausnahme für den Transport von Material, Ausrüstung und Maschinen zu beachten. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2004 – 10 S 1116/04 – 1.5 Selbstfahrende Arbeits- Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 5 FPersV erfasst nur maschinen selbstfahrende Arbeitsmaschinen, deren zulässige Höchstmasse 3,5 t nicht übersteigt. Selbstfahrende Ar- beitsmaschinen unterliegen jedoch generell nicht den So- zialvorschriften im Straßenverkehr, weil sie nicht zur Per- sonen- oder Güterbeförderung bestimmt sind (vgl. Le- galdefinition in § 2 Nr. 17 FZV). 11
Soweit eine selbstfahrende Arbeitsmaschine jedoch mit ei- Das gilt nicht, wenn Güter transportiert werden, ner Ladefläche ausgestattet ist, unterliegt sie – vorbehalt- die für den technischen Einsatz der selbstfahren- lich des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes – den den Arbeitsmaschine zwingend erforderlich sind Sozialvorschriften im Straßenverkehr. (z. B. Kontergewichte bei einem Autokran). Hinter selbstfahrenden Arbeitsmaschinen dürfen keine Anhänger zum Zwecke der Güter- oder Personenbeförderung mitgeführt werden, mit Ausnahme von Beförderungen, die ausschließlich der Zweckbestimmung der selbstfahrenden Ar- beitsmaschine dienen. (§ 32a Satz 4 StVZO) 1.6 Wohnmobile Wohnmobile dienen grundsätzlich nicht dem Gütertrans- vgl. VG München, Urteil vom 04.08.2015 – M 16 port und haben in der Regel weniger als 8 Fahrgastplätze. K 14.4886 – Sie unterliegen in diesen Fällen nicht den Sozialvorschrif- ten im Straßenverkehr. Fahrer von Wohnmobilen, die zur gewerblichen Güterbe- förderung eingesetzt werden, unterliegen den Sozialvor- schriften im Straßenverkehr nach denselben Kriterien wie Fahrer aller anderen Fahrzeuge. Keine Anwendung finden die Sozialvorschriften, wenn ein Wohnmobil zur nichtge- werblichen Güterbeförderung eingesetzt wird, soweit die zulässige Höchstmasse des Wohnmobils 7,5 t nicht über- schreitet (Art. 3 Buchst. h VO (EG) Nr. 561/2006). Für das Vorliegen eines Gütertransports ist es unschäd- lich, dass ein Fahrzeug auch mit einem Wohnwagenteil mit Übernachtungsmöglichkeiten versehen ist. Dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 165/2014 ist nicht zu entnehmen, dass das Fahrzeug ausschließlich der Güterbeförderung dienen muss. 12
1.7 Mindestalter für Schaff- Art. 5 VO (EG) Nr. 561/2006 regelt das Mindestalter der ner und Beifahrer Schaffner und Beifahrer. Abweichend von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 561/2006 beträgt bei Beförderungen in einem Umkreis von 50 km vom Standort des Fahrzeugs das Mindestalter der Beifah- rer zum Zwecke der Berufsausbildung 16 Jahre (§ 18 Abs. 2 FPersV). (Siehe auch Abschnitt 6.2.1 und 6.2.2) Das Mindestalter für Berufskraftfahrer ist im BKrFQG ge- regelt (vgl. Abschnitt 9.2). 13
2 Ausnahmen vom Geltungsbereich der Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014 2.1 Ausnahmebestimmun- Die unter Art. 3 VO (EG) Nr. 561/2006 aufgeführten Aus- gen nahmebestimmungen gelten unmittelbar in jedem Mitglied- (Art. 3 VO (EG) Nr. 561/2006) staat der EU und bedürfen keiner Umsetzung in nationales Recht. Diese Ausnahmebestimmungen gelten sowohl für beladene als auch für unbeladene Fahrzeuge (Leerfahrten in Zusammenhang mit einer Ausnahme). Zu den Ausnahmen zählen: 2.1.1 Personenbeförderung im Fahrzeuge, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr Linienverkehr bis 50 km verwendet werden, wenn die Linienstrecke nicht mehr als (Art. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 50 km beträgt. Fahrer dieser Fahrzeuge müssen Lenk- und 561/2006) Ruhezeiten nach § 1 Abs. 3 ff FPersV einhalten (vgl. Ab- schnitt 7). 2.1.2 Beförderung von Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässi- Vgl. Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil Material, Ausrüstungen gen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur Beför- vom 17.03.2005 oder Maschinen derung von Material, Ausrüstung oder Maschinen, die der – Rechtssache C-128/04 –) und des OLG Olden- („Handwerkerregelung“) Fahrer zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt, burg (OLG Oldenburg, Beschluss vom (Art. 3 Buchst. aa Unter- sofern die Beförderung nicht gewerblich und ausschließ- 04.07.2005 – Ss 102/05 (II 87) –).EuGH, Urteil buchst. i VO (EG) Nr. lich in einem Umkreis von 100 km vom Standort des Un- vom 28.07.2011 561/2006) ternehmens erfolgt, und das Lenken für den Fahrer nicht – Rechtssache C-554/09 – die Haupttätigkeit darstellt. Nach Auffassung des EuGH (EuGH, Urteil vom Die Begriffe Material und Ausrüstung sind weit auszule- 28.Juli 2011 – Rechtssache C-554/09 –; Rn. 25 Material, Ausrüstungen gen. Es muss sich dabei nicht um Werkzeuge und Arbeits- ff.) ist der Begriff des Materials in einem weiteren oder Maschinen mittel handeln, sondern auch die für die durchzuführenden Sinne als der Begriff der Ausrüstungen zu verste- Arbeiten notwendigen Gegenstände, wie beispielsweise hen. Der Begriff umfasse auch Gegenstände, die Baustoffe oder Kabel, gehören dazu. der Fahrer des betreffenden Fahrzeugs zur Aus- In Betracht kommt also eine zur Erbringung von Dienst- übung seines Berufs benötigt oder verwendet und und Werkleistungen notwendige Beförderung von Werk- zu denen somit auch Bestandteile des von ihm zeugen, Ersatzteilen, Bau- und Einkaufsmaterialien, Werk- herzustellenden Endprodukts oder der von ihm stoffen, Geräten, sonstigem Zubehör. Ebenfalls erfasst durchzuführenden Arbeiten gehören können. Dar- sind der An- und Abtransport sowie Transporte im Rahmen aus folge, dass das Material zur Schaffung, Än- des Fertigungsprozesses von Waren und Geräten, die im derung oder Verarbeitung einer anderen Sa- Handwerksbetrieb hergestellt oder repariert werden. Glei- che verwendet werden solle oder dafür erforder- ches gilt für den Abtransport von Abfallprodukten wie Bau- lich sei und nicht nur einfach befördert werden schutt und Aushub. solle, um selbst geliefert, verkauft oder beseitigt 14
Bei der Auslegung des Begriffs „Material“ ist darauf abzu- zu werden. Da das Material also einem Verarbei- stellen, ob die Güter be- oder verarbeitet oder zur Aus- tungsprozess unterliege, sei es keine Ware, die übung einer Tätigkeit des Fahrers verwendet werden. So von ihrem Verwender zum Verkauf bestimmt ist. fällt z. B. der Transport von Leergut, das von einem Wein- händler befördert wird, der die leeren Flaschen bei seinen Kunden einsammelt, um sie zu seinem Großhändler zu bringen, nicht unter die Ausnahmeregelung. Ebenfalls nicht erfasst von der Ausnahme ist die Tätigkeit eines Vertreters, der ein fertiggestelltes Produkt beim Ver- kaufsgespräch nur präsentiert bzw. eines Händlers, der die Ware ausliefert. Die handwerkliche Tätigkeit muss über- wiegen. (Standort des Unternehmens, Umkreis sowie Haupttätig- keit des Fahrers siehe Abschnitte 6.2.1, 6.2.2 und 6.2.3) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässi- gen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur Auslie- ferung von handwerklich hergestellten Gütern benutzt wer- den, sofern die Beförderung nicht gewerblich und aus- schließlich in einem Umkreis von 100 km vom Standort des Unternehmens erfolgt, und das Lenken für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt. Der Begriff der handwerklich hergestellten Güter wird im Handwerklich hergestellt Bereich der Sozialvorschriften im Straßenverkehr gesetz- (Art. 3 Buchst. aa Unter- lich nicht definiert. Im Sinne einer Negativabgrenzung fällt buchst. ii VO (EG) Nr. 561/2006) jegliche Herstellung nicht unter diesen eng zu fassenden Ausnahmetatbestand, die durch einen hohen Einsatz von Maschinen und/oder durch standardisierte Produktionsab- läufe gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zur serienmäßigen Massenfertigung zeichnet sich die handwerkliche Herstel- lung zudem allgemein durch begrenzte Stückzahlen und - gegenüber einer industriellen Fertigung - häufigeren Pro- duktabweichungen aus. Nicht gewerblich Daneben darf es sich bei der Beförderung nicht um einen Hinweis: Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 ent- gewerbsmäßigen Transport durch ein Verkehrsunterneh- hält in Artikel 4 lit r) eine Definition für „nicht ge- men handeln. Für die Anwendbarkeit der Ausnahmerege- werbliche Beförderung“, welche jedoch aufgrund lung kommt es entscheidend darauf an, dass der Transport 15
nicht für Dritte gegen Entgelt erfolgt und die handwerkliche einer Übersetzungsungenauigkeit in der deut- Tätigkeit überwiegt. Die Beförderung darf deshalb nur eine schen Sprachfassung in dieser Form und im Zu- Hilfstätigkeit zum Transport eigener Güter von und zum sammenhang mit Artikel 3 der VO nur einge- Unternehmen im Rahmen der gesamten Tätigkeit des Un- schränkt angewendet werden kann. In Artikel 4 lit. ternehmens darstellen. r) war die Abgrenzung zu Beförderungen des ge- werblichen Güterkraftverkehrs beabsichtigt. 2.1.3 Höchstgeschwindigkeit Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit 40 km/h von nicht mehr als 40 km/h. Eine Zugmaschine ist auch in (Art. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. Kombination mit Anhänger(n) nach Art. 3 Buchstabe b der 561/2006) VO (EG) Nr. 561/2006 von der Anwendung der Sozialvor- schriften nur dann ausgenommen, wenn die Höchstge- schwindigkeit laut Zulassungsbescheinigung Teil I (Feld „T“) nicht mehr als 40 km/h beträgt. 2.1.4 Behördenfahrzeuge Fahrzeuge, die Eigentum der Streitkräfte, des Katastro- (Art. 3 Buchst. c VO (EG) Nr. phenschutzes, der Feuerwehr oder der für die Aufrechter- 561/2006) haltung der öffentlichen Ordnung zuständigen Kräfte sind oder von ihnen ohne Fahrer angemietet werden, sofern die Beförderung aufgrund der diesen Diensten zugewiesenen Aufgaben stattfindet und ihrer Aufsicht unterliegt. 2.1.5 Notfallfahrzeuge Fahrzeuge – einschließlich Fahrzeuge, die für nichtge- Die Ausnahmeregelung ist auch auf Werkfeuer- (Art. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. werbliche Transporte für humanitäre Hilfe verwendet wer- wehren anwendbar. 561/2006) den –, die in Notfällen oder bei Rettungsmaßnahmen ver- wendet werden. Humanitäre Hilfstransporte in Zielgebiete, in denen keine akute Notsituation vorliegt (kein Ausnahmezustand oder Katastrophenfall), sind aufzeichnungspflichtig und unterlie- gen den Sozialvorschriften im Straßenverkehr. 2.1.6 Spezialfahrzeuge für me- Hierzu zählen auch Fahrzeuge von Blutspendediensten, dizinische Zwecke die eine spezielle Sonderausstattung als mobile Blutent- (Art. 3 Buchst. e VO (EG) Nr. nahmestation haben. 561/2006) Die Ausnahmeregelung gilt auch für Spezialfahrzeuge von Tierärzten (mobile Tierarztpraxen). 16
Spezialfahrzeuge als Fahrzeugkombinationen, bestehend aus Zugmaschine und Sattelanhänger mit dauerhaft instal- lierten Systemen, erfüllen den Ausnahmetatbestand. Wird der Sattelanhänger abgekoppelt und die Zugmaschine im Solobetrieb verwendet, kann die Ausnahme nicht mehr in Anspruch genommen werden. 2.1.7 Pannenhilfefahrzeuge Spezielle Pannenhilfefahrzeuge, die innerhalb eines Um- (Art. 3 Buchst. f VO (EG) Nr. kreises von 100 km um ihren Standort eingesetzt werden. 561/2006) EuGH, Urteil vom 21.05.1987 Für die Bestimmung des Umkreises wird der tatsächliche – Rechtssache C-79/86 – Betriebssitz (genaue Adresse) zugrunde gelegt, an dem das Pannenhilfefahrzeug seinen Standort hat. (Standort Es kommt ausschließlich auf die Bauart des Fahr- des Unternehmens und Umkreis siehe Abschnitte 6.2.1 zeuges an, unabhängig davon, wozu es eigentlich und 6.2.2) verwendet wird. Pannenhilfefahrzeuge sind solche Fahrzeuge, bei denen Der reine „Abschleppwagen“, der regelmäßig sich aus der Zulassungsbescheinigung (Teil 1) Ziffer 22 mit einer hydraulischen „Brille“ arbeitet, fällt als ergibt, dass sie als „Pannenhilfefahrzeuge nach § 52 Abs. „selbstfahrende Arbeitsmaschine“ nicht in den An- 4 Nr. 2 StVZO“ anerkannt sind. wendungsbereich der Vorschriften. Als Pannenhilfefahrzeug können u. a. anerkannt sein: Sonstige Pannenhilfefahrzeuge Hierbei handelt es sich um Pannenhilfefahrzeuge, die mit den vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenständen (siehe Verkehrsblatt1997, S. 472) ausgestattet sind und vorwie- gend für die Behebung technischer Störungen vor Ort im Pkw-Bereich eingesetzt werden. Sonstige Kfz Werkstattwagen Werkstattwagen (in der Regel Lkw mit Koffer- oder Kas- tenaufbau), die mit den vorgeschriebenen Ausrüstungs- gegenständen (siehe Verkehrsblatt 1997, S. 472) und noch zusätzlich z. B. mit einer Werkbank, Kompressor, 17
Schweißgerät, Stromerzeuger, Spezialwerkzeug usw. ausgerüstet sind und vornehmlich für die Behebung tech- nischer Störungen oder Bergungen vor Ort im Schwerver- kehrsbereich eingesetzt werden. Lkw zur Fahrzeugbeförderung (Bergungsfahrzeuge) Hierbei handelt es sich um Einsatzfahrzeuge, die auf Grund ihrer Bauart und mittels technischer Einrichtungen (z. B. hydr. Verschiebeplateau, Kran, Winde) in der Lage sind, betriebsunfähige, beschädigte oder sichergestellte Fahrzeuge aufzuladen und abzutransportieren. 2.1.8 Probefahrten, Neufahr- Fahrzeuge, mit denen zum Zweck der technischen Ent- zeuge, umgebaute Fahr- wicklung oder im Rahmen von Reparatur- oder Wartungs- zeuge arbeiten Probefahrten auf der Straße durchgeführt werden, BFH, Urteil vom 23.5.2006 – VII R 27/05 – (Art. 3 Buchst. g VO (EG) Nr. sowie neue oder umgebaute Fahrzeuge, die noch nicht in 561/2006) Betrieb genommen worden sind. Probefahrten Von einer Probefahrt zum Zweck der technischen Entwick- lung ist auszugehen, wenn • das Fahrzeug mit Einrichtungen zur Messung und Er fassung von Daten ausgestattet ist und • die Bestätigung der Zulassungsbehörde nach § 19 Ab- satz 6 StVZO im Fahrzeugschein (Zulassungsbe- scheinigung Teil I) eingetragen ist und • nachgewiesen wird, dass die konkret durchgeführte Fahrt nicht der Personen- oder Güterbeförderung dient. Das Mitführen von Ballast oder Fahrzeugteilen, die der Er- probung zugeführt werden sollen, ist unschädlich. Als Neufahrzeuge gelten nur Fahrzeuge, die noch zu kei- Neufahrzeuge nem Zeitpunkt zur Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen wurden. Bei Fahrzeugkombinationen ist hinsichtlich des Tatbe- standsmerkmals „neu“ die Zugmaschine maßgeblich. Eine 18
Freistellung besteht jedoch nur, soweit mit der Fahrzeug- kombination keine Güter befördert werden. Überführungsfahrten von nicht neuen Fahrzeugen z. B. zur Verschiffung ins Ausland unterliegen grundsätzlich den Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Umgebaute Fahrzeuge Von einem umgebauten Fahrzeug ist auszugehen, wenn technisch wesentliche Änderungen vorgenommen worden sind, die im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 (i. V. m. Abs. 7) StVZO zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis bzw. der Typgenehmigung führen (z. B. Umbau eines Pkw in einen Lkw, Ausbau der gesamten Wohnausstattung eines Wohn- mobils und die Verwendung des Fahrzeugs als Transpor- ter). Der Ein-, An- oder Ausbau von Fahrzeugteilen stellt nur dann einen Umbau i. S. der Ausnahme dar, wenn hier- durch die Fahrzeugart geändert wird. Die Ausnahme greift nur dann, wenn das Fahrzeug weder Ist die Betriebserlaubnis oder die Typgenehmi- rechtlich noch tatsächlich in Betrieb genommen worden ist, gung bislang nicht vorhanden bzw. erloschen, d. h. wenn dem Fahrzeug die Betriebserlaubnis bzw. die dürfen nur solche Fahrten durchgeführt werden, Typgenehmigung noch nicht erteilt wurde und mit dem die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Er- Fahrzeug noch keine Güter oder Personen (je nach langung einer neuen Betriebserlaubnis bzw. Typ- Zweckbestimmung des Fahrzeugs) befördert worden sind. genehmigung stehen (§ 19 Abs. 5 StVZO). Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften bleiben unbe- rührt. 2.1.9 Nichtgewerbliche Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse (zHM) von Fahrten zu Trucker-Treffen: Fahrten/Güterbeförde- nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeför- Freigestellt ist die Privatfahrt mit Fahrzeugen bis rungen derung verwendet werden. einschließlich 7,5 t (beachte: In der Regel liegt die (Fahrten für private Fahrten, die im zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang zulässige Höchstmasse der Zugmaschine über Zwecke) mit gewerblichen Güterbeförderungen durchgeführt wer- dieser Gewichtsgrenze, so dass die Ausnahme (Art. 3 Buchst. h VO (EG) Nr. den, erfüllen in der Regel die Voraussetzungen nicht. Nut- nicht einschlägig ist). 561/2006) zen Fahrer ihr dienstliches Fahrzeug (nicht mehr als 7,5 t zHM), um damit nach Hause zu fahren, findet die Ausnah- EuGH, Urteil vom 03. Oktober 2013 – Rechtssa- meregelung Anwendung, soweit es sich um eine Fahrt in- che C-317/12 – nerhalb des Wohnortes des Fahrers oder zwischen dem 19
Wohnort des Fahrers und der Betriebsstätte des Arbeitge- bers handelt, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist. Beispiele, in denen die Ausnahme greift: Der private Umzug, der häusliche Wocheneinkauf, private Anschaffungen von großen Haushaltsgegenständen (Mö- bel, Waschmaschine o.ä.). Transporte von gemeinnützigen Vereinen oder Organisa- tionen, die im Rahmen des gemeinnützigen Zwecks ohne Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt werden. Eine „nichtgewerbliche Güterbeförderung“ liegt insbeson- dere dann vor, wenn eine Privatperson eine Güterbeför- derung auf eigene Rechnung und ausschließlich im Rah- men einer Freizeitbeschäftigung durchführt, diese teil- weise durch finanzielle Beiträge Dritter finanziert und für die Beförderung keine Vergütung gezahlt wird. 2.1.10 Historische Nutzfahrzeuge, die nach den Rechtsvorschriften des Mit- Nutzfahrzeuge gliedstaats, in dem sie verwendet werden, als historisch (Art. 3 Buchst. i VO (EG) Nr. eingestuft werden und die zur nichtgewerblichen Güter- o- 561/2006) der Personenbeförderung verwendet werden. 2.1.11 Interne Servicefahrten Fahrten, die Beschäftigte von Autovermietern von Autovermietern ohne Benutzung des Fahrtenschreibers (Modus (Tankstelle, Wasch- „OUT“) durchführen, werden unter folgenden Vo- straße) raussetzungen nicht beanstandet: Das Lenken ist nicht die Haupttätigkeit Es handelt sich um Fahrzeuge bzw. Fahrzeug- kombinationen bis zu einer zulässigen Höchst- masse von 7,5 t. Der Fahrer führt eine Bestätigung der Gewerbe- anmeldung oder einen sonstigen glaubhaften Nachweis mit, aus der oder dem sich die Zuge- hörigkeit zum Vermietergewerbe ergibt. Die Regelung gilt maximal in einem Umkreis von 50 km vom Standort des Unternehmens. 20
Das Fahrzeug muss leer sein. Fahrten zwischen zwei Vermietstationen sind keine internen Servicefahrten. 2.1.12 Hol- und Bringdienste Fahrten im Rahmen von Hol- und Bringdiens- ten von Werkstätten sind dann vom Anwen- dungsbereich der Sozialvorschriften ausge- nommen, wenn solche Fahrten bis maximal 100 km auf direktem Wege vom Kunden zur Werkstatt oder umgekehrt und als sogenannte Leerfahrt (unbeladen; ohne Transportgut) von einem Werkstattmitarbeiter durchgeführt wer- den, dessen Hauptaufgabe nicht die Fahrtätig- keit ist. Das Fahrzeug muss dabei von einem Werkstattangehörigen im Auftrag der Werkstatt geführt werden. Der Fahrtenschreiber kann auf OUT gestellt werden. Überführungsfahrten von Altfahrzeugen z. B. zur Verschiffung ins Ausland unterliegen grundsätzlich den Sozialvorschriften im Straßenverkehr. 21
3 Regelung der Lenk- und Ruhezeiten 3.1 Lenkzeiten/andere Arbei- Als Lenkzeit gelten alle Zeiten, die mit der Fahrtätigkeit ten im Zusammenhang stehen und dementsprechend vom (Art. 4 VO (EG) Nr. 561/2006) Fahrtenschreiber als Lenkzeit registriert werden. Dazu zählen auch Aufenthalte vor Ampeln, Bahnübergängen oder bei Staus. Dagegen gelten reine Wartezeiten (z. B. bei der Grenz- abfertigung oder beim Be- und Entladen) nicht als Lenk- zeit sondern als andere Arbeiten, sofern die Dauer der Wartezeit nicht von vornherein bekannt ist. Diese Warte- zeiten gelten nicht als Fahrtunterbrechung oder Ruhezei- ten, da dem Fahrer die Zeit nicht zur freien Verfügung steht. Be- und Entladetätigkeiten des Fahrers gelten als andere Arbeiten. Der Zeitraum während der Durchführung einer Straßen- kontrolle ist vom Fahrer als „andere Arbeiten“ nachzutra- gen. Darüber hinaus sind die Vorschriften des Arbeitszeitge- setzes, erforderlichenfalls auch des Gesetzes zur Rege- lung der Arbeitszeit selbstständiger Kraftfahrer zu beach- ten (siehe Abschnitt 9.1). 3.2 Tägliche Lenkzeit Die tägliche Lenkzeit ist die summierte Gesamtlenkzeit (Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen 561/2006) und einer wöchentlichen Ruhezeit. Bei Aufteilung der täg- lichen Ruhezeiten gehören zur täglichen Lenkzeit auch die Lenkzeiten, die zwischen den einzelnen Ruhezeitab- schnitten liegen. Die höchstzulässige tägliche Lenkzeit beträgt: 9 Stunden; zweimal pro Woche kann sie auf 10 Stunden verlän- gert werden. Arbeitgeber müssen bei der Gestaltung der Arbeitszeit ih- 22
res Fahrpersonals das Ergebnis der Gefährdungsbeurtei- lung gemäß §§ 5, 6 Arbeitsschutzgesetz und die in § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgeschriebene Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden be- rücksichtigen. Für Fälle, in denen die im Zusammenhang mit den Transportaufgaben stehenden Arbeitstätigkeiten, Vgl. LAG Thüringen Sa 527/99; VG Hamburg 17 K die nicht in dem Lenken des Fahrzeugs bestehen (z. B. 3507/14 Be- und Entladen, Wartungs- und Kontrolltätigkeiten, so- wie sonstige mit dem jeweiligen Transport verbundene Nebentätigkeiten) vom Fahrpersonal selbst erbracht wer- den müssen, darf die Summe aus Lenkzeit und sonstigen Arbeitstätigkeiten höchstens zehn Stunden betragen. In- soweit wird die durch das europäische Recht vorgese- hene Möglichkeit, zweimal wöchentlich die tägliche Lenk- zeit auf zehn Stunden zu erhöhen, in Deutschland durch die Vorgabe des § 3 ArbZG nur sehr eingeschränkt an- wendbar sein. Wer als Arbeitgeber im Geltungsbereich des ArbZG vorsätzlich oder fahrlässig einen Arbeitneh- mer über zehn Stunden hinaus beschäftigt, handelt ord- nungswidrig. Das gilt für inländische und ausländische Arbeitgeber gleichermaßen. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit des Fahrpersonals und der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gemäß §§ 5, 6 ArbSchG muss aus Gründen des Arbeits- und Ge- sundheitsschutzes sowie zur Verbesserung der allgemei- nen Verkehrssicherheit auch eine Arbeitsbelastung be- rücksichtigt werden, die durch selbstständige Tätigkeiten oder abhängige Beschäftigungen des Fahpersonals au- ßerhalb des konkreten Beschäftigungsverhältnisses ent- steht. Lenkzeiten werden nur dann unterbrochen, wenn eine ausreichend lange Fahrtunterbrechung (siehe Abschnitt 3.5) oder Ruhezeit (siehe Abschnitt 3.6) eingelegt wird. 23
3.3 Wöchentliche Lenkzeit Die wöchentliche Lenkzeit beträgt max. 56 Stunden. (Art. 6 Abs. 2 VO (EG) Nr. Darüber hinaus ist die wöchentliche Höchstarbeitszeit 561/2006) zu beachten (vgl. § 21a Abs. 4 ArbZG, § 3 Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfah- rern). Als Woche gilt die Kalenderwoche, d. h. der Zeitraum von Montag 0:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr. 3.4 Lenkzeit in der Doppelwo- Die Lenkzeit in zwei aufeinanderfolgenden Wochen darf Zu beachten ist jedoch OLG Frankfurt, Beschluss che 90 Stunden nicht überschreiten. vom 13.07.2010 – 2 Ss-OWi 17/10 – Rn. 28 ff.. (Art. 6 Abs. 3 VO (EG) Nr. Zur Berechnung der zulässigen Gesamtlenkzeit sind je- Demnach sind innerhalb eines 28-Tage-Zeitraums 561/2006) weils zwei aufeinanderfolgende Kalenderwochen zu be- höchstens zwei Doppelwochenverstöße denkbar, trachten (z. B. erste und zweite Woche, zweite und dritte die zueinander in Tatmehrheit stehen. Woche). Als Woche gilt die Kalenderwoche, d. h. der Zeitraum von Montag 0:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr. 3.5 Fahrtunterbrechung Zeitraum, in dem keine Fahrtätigkeiten und keine ande- Berechnung Lenkzeit: (Art. 4 Buchst. d, Art. 7 VO (EG) ren Arbeiten ausgeübt werden und der vom Fahrer aus- EuGH, Urteil vom 15.12.1993 Nr. 561/2006) schließlich zur Erholung genutzt wird. – Rechtssache C-116/92 – Durchgehende Fahrtunterbrechung von mindestens Leitsatz: 45 Minuten nach einer Lenkzeit von 4 ½ Stunden. Art. 7 Abs. 1 und 2 VO (EWG) Nr. 3820/85 (Anmer- Aufteilung in zwei Abschnitte von erst mindestens 15 kung: Heute Art. 7 der VO (EG) Nr. 561/2006) ist so Minuten, gefolgt von weiteren mindestens 30 Minuten auszulegen, dass den Fahrern, die in den Anwen- innerhalb bzw. im unmittelbaren Anschluss der 4 ½ dungsbereich der VO fallen, untersagt ist, mehr als Stunden möglich. 4 ½ Stunden ohne Unterbrechung zu lenken. Hat Für die Fahrtunterbrechung kann auch die Zeit auf dem jedoch ein Fahrer eine einmalige Unterbrechung Beifahrersitz genutzt werden. von 45 Minuten oder eine Unterbrechung von min- Nach jeder Unterbrechung von insgesamt mindestens 45 destens 15 Minuten, gefolgt von einer Unterbre- Minuten (zusammenhängend oder in zwei Teilen) be- chung von mindestens 30 Minuten innerhalb oder ginnt ein neuer, für die Unterbrechung relevanter Lenk- am Schluss eines Zeitabschnitts von 4 ½ Stunden zeitabschnitt von 4 ½ Stunden. Dies bedeutet, dass auch eingelegt, so muss die Berechnung i. S. von Art. 7 nach einer nur 2-stündigen Lenkzeit mit anschließender Abs. 1 VO (EG) Nr. 561/2006 erneut beginnen, 45-minütiger Unterbrechung ein neuer Lenkzeitabschnitt ohne dass zuvor vom Fahrer zurückgelegte Lenk- von 4 ½ Stunden beginnt. zeiten und eingelegte Unterbrechungen berück- sichtigt werden. 24
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