Hirnregeneration durch Auricular Brain Stimu lation am Beispiel des Morbus Parkinson Teil 2 - Biometrische Resultate einer prospektiven Pilotstudie

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Hirnregeneration durch Auricular Brain Stimu lation am Beispiel des Morbus Parkinson Teil 2 - Biometrische Resultate einer prospektiven Pilotstudie
www.praxismagazin-online.de • ISSN 1612-7307 • 30. Jahrgang • Sonderdruck der Ausgabe
                                                                                                                         4 / 2013

Die medizinische Fachzeitschrift für Naturheilkunde

Hirnregeneration durch Auricular Brain
Stimu­lation am Beispiel des Morbus Parkinson
Teil 2 – Biometrische Resultate einer
prospektiven Pilotstudie
Morbus Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative
Erkrankung. Eine Erhebung von Ray Dorsey et al. (1) ergab für
das Jahr 2005 4,1 Mio. Parkinson-Patienten auf der Welt. Durch
Extrapolation, unter Berücksichtigung der Prävalenz und ande-
rer Parameter, errechnen die Autoren für das Jahr 2030 8,7 Mio.
zu erwartende Parkinson-Erkrankte weltweit. In Deutschland
beträgt die Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr 16.000, da
die Inzidenzrate 20/100.000 ist (2). Rigor, Brady- und Akinese,
Bradyphrenie sowie Tremor und vegetativen Beschwerden
lassen die Erkrankten trotz üblicher Behandlungsmethoden
nur sehr begrenzt am Leben teilnehmen. Dazu lassen das Fort-
schreiten des MP und die Nebenwirkungen der ständig notge-
drungen zu steigernden Dosis der Dopaminergika das Leben
nahezu unerträglich erscheinen.
  Keine der bisherigen Behandlungen        darf nichts unversucht bleiben, diesem      des Gehirns beeinflussbar ist und − weil
ermöglicht erfahrungsgemäß eine gleich     Teil der Menschheit zu helfen.              weniger invasiv − zukunftsträchtiger er-
bleibende Lebensqualität im Durch-                                                     scheint. Ein weiteres Beispiel extrazereb-
schnitt für mehr als fünf Jahre nach der      Die Therapieansätze gehen allgemein      raler Einwirkung ist die „Auricular Brain
Diagnosestellung. Der Leidensdruck         von der Tatsache aus, dass im Falle von     Stimulation“ (ABS). So wurden im ersten
dieser Patienten, die sich meist über      Parkinson die Degeneration der Sub-         Teil dieser Arbeit (4) die Ergebnisse der
ihre Lage voll bewusst sind, ist mitun-    stantia nigra mit den daraus ableitba-      bisherigen Studien über ABS referiert
ter so extrem hoch, dass sie eine Reise    ren Symptomen das Auffälligste ist und      (5,6,7,8,13), die Methode beschrieben und

von Neuseeland nach Europa und zu-         schlussfolgern daraus, dass dort auch der   Fallbeispiele und Erfahrungen mitgeteilt.
rück nicht scheuen, wenn sie nur die       Angriffspunkt der Therapie sein muss.       Die bisherigen Ergebnisse weisen auf eine
Hoffnung auf langzeitige Erleichterung     Im Tiermodell unterdrückte eine extra-      Möglichkeit hin, gegen die Steigerung
haben. Hochentwickelte moderne Me-         zerebral einwirkende Rückenmarkstimu-       der Dosis sowie Menge der eingesetzten
dizin steht im krassen Gegensatz zu dem    lierung (3) die Parkinson-Symptome. Das     Dopaminergika und damit auf die Er-
schweren Schicksal dieser Patienten. Es    bedeutet, dass MP auch von außerhalb        krankung einzuwirken. Sie sprechen alle

                                                                                                              Praxis  Magazin 4 / 2013
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Wissen

         dafür, dass der Verlauf der Krankheit        gangen: Von den Klinik-Ärzten wurden              Hilfe der t-Tests als auch mit den Wilco-
         positiv beeinflusst werden kann. Des-        die Patienten vor der Behandlung, eine            xon-Tests wurde untersucht, ob sich die
         halb soll auf Grund der großen Relevanz      Stunde nach der Behandlung und dann               Mittelwerte des UPDRS zum Zeitpunkt
         des Themas jetzt eine weitere Studie mit     alle 14 Tage über einen Zeitraum von              vor der Behandlung und zu einem Zeit-
         biometrischen Verfahren die bisheri-         knapp drei Monaten mit dem UPDRS                  punkt nach der Behandlung unterschei-
         gen positiven Behandlungsergebnisse          getestet. Den Patienten wurde aufgetra-           den. Der t-Test verlangt jedoch bei klei-
         der ABS bei MP untermauern. In der           gen, die Medikation im Beobachtungs-              nen Stichprobenumfängen, dass diese aus
         Diskussion geht es um die Deutung der        zeitraum konstant zu halten.                      einer normalverteilten Grundgesamt-
         Ergebnisse und weiterer Aspekte der zu                                                         heit stammen. Wir haben jedoch keinen
         Grunde liegenden Mechanismen.                   Das untersuchte und behandelte Pa-             Beleg für diese Annahme gefunden, so
                                                      tientenkollektiv wies vor der Behand-             dass wir die Ergebnisse des t-Tests eher
            Die Studie lief vom vierten Quar-         lung die in Abb. 1 dargestellten UPDRS-           nur als Unterstützung für unsere Ergeb-
         tal 2001 bis in das erste Quartal 2002.      Werte auf. Im Mittel waren die Patienten          nisse ansehen. Der t-Test reagiert auf die
         Die Primärdaten wurden erst nach             knapp 65 Jahre alt. Die kleinste Punkt-           Verletzung der Annahme der Normal-
         Auflösung der Parkinson-Klinik Bad           zahl und damit die schwächste Ausprä-             verteilung jedoch sehr robust. Dies zeigt
         Nauheim verfügbar. Das war einer-            gung der Symptome, wies ein Patient               sich auch im Vergleich mit den Tester-
         seits nachteilig, hat aber jetzt den Vor-    mit 20 Punkten auf, der knapp 63 Jahre            gebnissen mit den Wilcoxon-Tests. Die-
         teil, dass die Frage beantwortet werden      alt war, die größte ein 50 Jahre alter Pati-      ser Test verlangt keine normalverteilte
         kann: „Gibt es eine Ultra-Langzeit-Wir-      ent mit 80 Punkten. Die Abbildung zeigt           Grundgesamtheit und zudem eignet er
         kung und wirkt dies sich sowohl in der       die Verteilung auf Zehnerklassen des              sich gut für kleine Stichprobenumfänge,
         Symptomatik als auch in der Parkin-          UPDRS. Diese lässt erkennen, dass es              wie den hier vorliegenden. Bei beiden
         son-Medikamenten-Dosis aus?“ Durch           zwischen der Punktzahl und dem Alter              Testverfahren besagt die Nullhypothese,
         weitere Nachforschungen soll dies ge-        einen mittleren positiven Zusammen-               dass die Mittelwerte gleich sind und sich
         prüft werden. Da es den Rahmen die-          hang gibt. Die Korrelation in den Ein-            die Verteilungen nicht unterscheiden.
         ser Arbeit sprengen würde, wird es Ge-       zeldaten zeigt einen Wert von knapp 55            Der p-Wert, den wir in den Tabellen im
         genstand der in Kürze erscheinenden          Prozent. Knapp drei Viertel der Patien-           Ergebnisteil darstellen, drückt die Wahr-
         Publikation: „Hirnregeneration durch         ten weist eine Punktzahl zwischen 20              scheinlichkeit aus, dass die Nullhypo-
         Auricular Brain Stimulation (ABS) am         und 60 Punkten auf.                               these wahr ist und im Umkehrschluss
         Beispiel des Morbus Parkinson (MP)                                                             die Irrtumswahrscheinlichkeit der Ab-
         − Teil 3 − erste Ergebnisse einer Ultra-       Nicht zu allen Zeitpunkten konnten              lehnung der Nullhypothese.
         Langzeit-Wirkung“, sein.                     die Daten aller Patienten ermittelt wer-
                                                      den. Bei den Berechnungen wurde die-                Sämtliche Teststatistiken wurden mit
                           Methodik                   ser Umstand berücksichtigt und die                dem Statistikprogrammpaket R durch-
           Nach der erfolgreichen Behandlung          vergleichenden Testverfahren nur auf              geführt, die Grafiken und Tabellen mit
         des ersten Parkinson-Patienten mit           gepaarte Kohorten – also gleiche Pati-            MS Excel.
         ABS (5), beauftragte A. Henneberg U.         entenzusammensetzungen zu zwei Zeit-
         Werth, fünf von ihr ausgewählte Par-         punkten – angewendet.                               Wie Abbildung 1 zeigte, weisen die
         kinson-Patienten in der damals von ihr                                                         Stichproben Ausreißer nach oben und
         geleiteten Parkinson-Klinik Bad Nau-           Bei den Testverfahren handelt es sich           unten auf. Daher haben wir zusätzlich
         heim zu behandeln. Ärztliche Mitarbei-       einerseits um Zweistichproben-t-Tests             zu den Mittelwerten auch den Median
         ter der Klinik stellten bei vier der Pati-   für abhängige Stichproben und den para-           – das zweite Quartil – der Verteilung
         enten eine signifikante Verbesserung         meterfreien Wilcoxon-Test. Sowohl mit             mit angegeben.
         des UPDRS und bei einer der vier Pati-
         enten nach sechs Wochen eine extreme
         Dosis-Reduktion mit gleichzeitig redu-
         zierten Symptomen fest.

           Danach wurden von A. Henneberg
         20 Parkinson-Patienten ausgewählt,
         um dabei den Einfluss des Therapeuten
         dies bezüglich auszuschließen. Ebenso
         wurde bei den Untersuchungen vorge-          Abbildung 1: Verteilung der Ausgangswerte desUPDRS in Prozen

Praxis  Magazin 4 / 2013
Hirnregeneration durch Auricular Brain Stimu lation am Beispiel des Morbus Parkinson Teil 2 - Biometrische Resultate einer prospektiven Pilotstudie
Ergebnisse
    Fallbeispiele während der
        Beobachtungszeit

  Die Abbildung 2 zeigt zunächst fünf
Patienten-Beispiele zur Veranschauli-
chung der Entwicklung des UPDRS-
Wertes. Dabei stellt t=0 den UPDRS-
Wert vor der ABS, t=1 den UPDRS-
Wert eine Stunde nach Behandlung und
t=2…t=n jeweils 14 Tage später dar. Es
kann eine Tendenz zum Rückgang der
UPDRS-Werte und damit der Symp-
tome beobachtet werden.

    Statistische Auswertungen
        und Darstellungen
  Die Abbildung 2 zeigt die Entwick-                                                                Abbildung 2: UPDRS-Entwicklung von 5 Patienten.
                                                                                                    Der allmähliche Rückgang der UPDRS-Werte
lung der UPDRS-Werte (insgesamt)                                                                    entspricht dem allmählichen Rückgang der
                                                                                                    Symptome. Die Schwankungen mit Tendenz
zu den verschiedenen Zeitpunkten, die                                                               zur Rückbildung entsprechen auch den üb-
Anzahl der verfügbaren Patientenda-                                                                 lichen klinischen Erfahrungen, bei denen die
                                                                                                    Rückläufigkeit mit unterschiedlichen überlagerten
tensätze und die t-Statistik.                                                                       Schwankungen einhergeht.

  Zu sämtlichen Zeitpunkten nach der
Behandlung liegt der Mittelwert des
UPDRS signifikant unterhalb des Aus-
gangsniveaus. Die Mittelwerte sind je-
weils durch Extremwerte sowohl nach
unten (Minimum sechs Punkte) als
auch nach oben (Maximum 77 Punkte)
bestimmt. Um dieser Problematik zu
begegnen, zeigt Tabelle 2 die Entwick-
lung des Median und die Wilcoxon-
Teststatistik.

   Der Median des UPDRS liegt eben-
falls zu jedem Zeitpunkt nach der Be-    Tabelle 1: Entwicklung der UPDRS-Mittelwerte (insgesamt)
handlung deutlich unterhalb des Aus-
gangswertes (Tabelle 2). Die nicht
gepaarte Differenz zum letzten Mess-
zeitpunkt beträgt über 23 Punkte und
entspricht damit einem Rückgang von
knapp 46 Prozent. Die Ergebnisse des
Wilcoxon-Tests zeigen zu jedem Zeit-
punkt einen signifikanten Unterschied.
Auch wenn der p-Wert zu den beiden
letzten Zeitpunkten „nur“ noch unter-
halb des Ein-Prozentniveaus liegt, so
kann die Nullhypothese „keine Ver-
änderung“ mit einer äußerst geringen
Irrtumswahrscheinlichkeit abgelehnt
werden.                                  Tabelle 2: Entwicklung der UPDRS-Mediane (insgesamt)
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Wissen

   In der Abbildung 3 ist die Entwick-
lung der beiden „Verteilungsrepräsen-
tanten“ noch einmal grafisch darge-
stellt, um den Sachverhalt zu verdeut-
lichen. Die Abbildungen zeigen, dass
sich der Rückgang nicht gleichmäßig
vollzieht und der größte Sprung direkt
nach der Behandlung zu beobachten ist,
der UPDRS jedoch in beiden Fällen un-
                                             Abbildung 3: Entwicklung von Mittelwert und Median des UPDRS
terhalb des Ausgangsniveaus verharrt.
Betrachtung der Einzelkategorien

   Der UPDRS ist in drei Kategorien
unterteilt. Die Summe der Punkte setzt
sich zusammen aus den motorischen,
den mentalen Fähigkeiten (inkl. der ko-
gnitiven Fähigkeiten) sowie den Kör-
perfunktionen und täglichen Aufgaben.
Die Veränderungen der unterschiedli-
chen Kategorien wurden in dieser Ana-
lyse ebenfalls untersucht. Allerdings
beschränkten wir uns in dieser Detail-
analyse aufgrund des kleinen Stichpro-
benumfangs und der Ausreißer-Proble-         Tabelle 3: Entwicklung der UPDRS-Werte der Kategorie „mentale Fähigkeiten“
matik auf den Median des UPDRS und
den Wilcoxon-Test.

   Tabelle 3 zeigt für die erste Katego-
rie wieder für die verschiedenen Zeit-
punkte die Punktwerte. Wie die Spalte
2 zeigt, ist der Beitrag dieser Kategorie
zum Gesamtwert eher gering. Dennoch
weisen die Werte zu vier Messzeitpunk-
ten nach der Behandlung ein geringeres
Niveau als noch vor der Behandlung auf.
Anders als noch in den vorgehenden Ta-
bellen, weist der Wilcoxon-Test nicht zu
allen Zeitpunkten eine signifikante Ver-
                                             Tabelle 4: Entwicklung der UPDRS-Werte in der Kategorie „Körperfunktionen und tägliche Aufgaben“
änderung auf. In Woche 8 nach der Be-
handlung liegt die gepaarte Differenz        zu allen Zeitpunkten mindestens unter-                    Weiterführende Analyse
der Mediane bei einem Punkt unter-           halb von fünf Prozent signifikant.
halb des Ausgangsniveaus, was einem                                                                Im folgenden soll untersucht werden,
Rückgang von zwei Dritteln entspricht.         Die letzte Kategorie des UPDRS ist               ob es einerseits zwischen dem Ausgangs-
                                             in Tabelle 5 dargestellt. Mit einem Aus-           wert des UPDRS und der relativen Ver-
   Kategorie zwei der UPDRS-Skala ist in     gangswert von 36 Punkten beträgt der               änderung des UPDRS und zwischen den
Tabelle 4 dargestellt. Mit einem Endwert     Beitrag dieser Kategorie 70 Prozent                einzelnen Kategorien Zusammenhänge
von sieben Punkten ergibt sich ein Un-       zum Gesamtwert. Wie die Tabelle zeigt,             gibt. Dazu sind in Abbildung 4 für die 17
terschied von 50 Prozent zum Ausgangs-       sind sämtliche Differenzen mindes-                 Patienten, deren Daten sowohl zum ers-
wert. Allerdings sinkt diese Differenz bei   tens unterhalb von einem Prozent sig­              ten Messzeitpunkt t=0 als auch zum letz-
Betrachtung der gepaarten Kohorten auf       nifikant. Die gepaarte Differenz zum               ten vorlagen, vier Punktewolken darge-
ein Minus von vier Punkten oder knapp        Ausgangswert beträgt -15 Punkte oder               stellt. Die obere linke Grafik zeigt, dass
-37 Prozent. Die Differenzen sind jedoch     knapp -42 Prozent.                                 es einen schwachen positiven Zusam-

                                                                                                                                Praxis  Magazin 4 / 2013
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menhang (Korrelation von 40 Prozent)                serung. Den stärksten Zusammenhang             Zusammenfassung der Ergebnisse
zwischen Ausgangswert und relativer                 weisen die Veränderungen von „Moto-
Veränderung des UPDRS insgesamt gibt.               rik“ und „tägliche Aufgaben“ auf. Beide           Wie die vorherigen Kapitel gezeigt
Damit sprechen Patienten mit geringerem             Veränderungen korrelieren zu 60 Pro-           haben, wiesen die behandelten Patien-
Schweregrad im Durchschnitt etwas bes-              zent. Dagegen stehen diese Kategorien in       ten in erster Linie hohe UPDRS-Werte
ser auf die Therapie an. Die Grafik zeigt           keinem nennenswerten Zusammenhang              in den Kategorien „Motorik“ und „täg-
aber auch, dass gerade 2 von 17 Patien-             mit der Kategorie „mentale Fähigkeiten“,       liche Aufgaben“ auf. Sie waren weniger
ten oder gut 11 Prozent eine Verschlech-            deren Werte zwar auch Reduktionen auf-         von mentalen oder kognitiven Defiziten
terung im Zeitablauf aufweisen und der              weisen, sich aber in über 50 Prozent der       betroffen. Nach der ABS-Therapie hatten
Rest, nämlich gut 88 Prozent, eine Verbes-          Fälle gar nicht verändert haben.               sich in erster Linie die Kategorien „Mo-
                                                                                                   torik“ (-42 Prozent) und „tägliche Aufga-
                                                                                                   ben“ (-37 Prozent) signifikant reduziert.
                                                                                                   Beide Veränderungen weisen zudem
                                                                                                   einen starken positiven Zusammenhang
                                                                                                   auf. Bei insgesamt zwei Patienten kam es
                                                                                                   zu Verschlechterungen in dem Beobach-
                                                                                                   tungszeitraum. Bei allen anderen Patien-
                                                                                                   ten war der UPDRS-Wert nach der The-
                                                                                                   rapie geringer als noch zuvor.

                                                                                                                Diskussion
                                                                                                      Die biometrischen Ergebnisse der Stu-
                                                                                                   die zeigen eine deutliche Tendenz der
                                                                                                   Rückläufigkeit der Parkinson-Symptome
Tabelle 5: Entwicklung der UPDRS-Werte in der Kategorie „Motorik“
                                                                                                   und eine Verbesserung der Lebensqua-
                                                                                                   lität, bei 80 Prozent der Parkinson-Pa-
                                                                                                   tienten bereits in der Beobachtungszeit
                                                                                                   von knapp drei Monaten, was dem nor-
                                                                                                   malen Verlauf von MP widerspricht (14).
                                                                                                   Während damals in Bezug auf die eine
                                                                                                   erfolgte Sitzung der Implantation schon
                                                                                                   von einer „Langzeitwirkung“ gesprochen
                                                                                                   wurde, soll die über fünf Jahre anhaltende
                                                                                                   Wirkung in Zukunft mit „Ultra-Langzeit-
                                                                                                   Wirkung“ bezeichnet werden. Sie sollte
                                                                                                   Gegenstand der nächsten Publikation
                                                                                                   und weiterer Forschung sein. Zum einen
                                                                                                   sollten so viele Informationen wie mög-
                                                                                                   lich über die damals behandelten Patien-
                                                                                                   ten unter so weit wie möglich standardi-
Abbildung 4: Zusammenhänge zwischen den Veränderungen der UPDRS-Werten                             sierten Bedingungen gewonnen werden.
                                                                                                   Insbesondere soll wieder der PDQ 39 und
                                                                                                   die Parkinson-Medikamenten-Dosis im
                                                                                                   Vergleich zu damals festgestellt werden.

                                                                                                     Die so gewonnenen Resultate können
                                                                                                   dann als Indikation zur weiteren For-
                                                                                                   schung im Rahmen einer umfangreiche-
                                                                                                   ren „retrospektiven Ultra-Langzeit-Stu-
                                                                                                   die“ angesehen werden. Es sollen dazu so
                                                                                                   viele wie möglich der vor mehr als fünf
Abbildung 5: Neue Verteilung der UPDRS-Werte nach der Behandlung mit der ABS-Therapie in Prozent
(Vergleiche mit den Ausgangswerten in Abb. 1)                                                      Jahren behandelten Parkinson-Patien-

                                                                                                                              Praxis  Magazin 4 / 2013
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        ten ermittelt und sämtliche bezüglich         men. Die plötzlich wieder einsetzende        Quellen
        der beiden relevanten Parameter Sym-          Ausschüttung des Dopamins führt in­          (1) Dorsey ER, Constantinescu R, Thompson JP,
                                                                                                       Biglan KM, Holloway RG, Kieburtz K, Marshall FJ,
        ptom-Ausprägung und Parkinson-Me-             trazellulär als „Reiz des Mangels“ erst zu       Ravina BM, Schifitto G, Siderowf A, Tanner CM.
        dikamenten-Dosis vor der ABS und im           einer langsamen Wiederankurbelung der            Projected number of people with Parkinson disease
                                                                                                       in the most populous nations, 2005 through 2030.
        Jahr 2013 geprüft werden.                     Dopamin-Synthese. Die zeitliche Ver-             Neurology. 2007 Jan 30;68(5):384-6.
                                                      schiebung beider Vorgänge erklärt die        (2) Masuhr KF, Neumann M. Neurologie Duale Reihe,
           Für die Erklärung der zu Grunde lie-       scheinbar asymptotische mit gedämpften           Hippokrates-Verlag, 1998.
        genden Mechanismen kommen zunächst            Schwingungen überlagerte Rückbildung         (3) Fuentes R, Petersson P, Siesser WB, Caron MG,
                                                                                                       Nicolelis MA. Spinal cord stimulation restores loco-
        die Überlegungen in der Diskussion von        des Parkinson-Syndroms. Es entspricht            motion in animal models of Parkinson‘s disease.
        Teil 1 (4) in Betracht. Für die Veränderun-   der allgemein anerkannten biokyberne-            Science. 2009 Mar 20;323(5921):1578-82.
        gen der mentalen Leistungen müssten           tischen Erkenntnis, dass biologische Vor-    (4) Werth U. Hirnregeneration durch Auricular
                                                                                                       brain stimulation (ABS) am Beispiel des Morbus
        die hypothetischen Überlegungen von           gänge, d. h. deren Regelkreise, Schwin-          Parkinson (MP). Praxis Mag, 2013 Mar;3:26-30.
        den Vorgängen und Veränderungen des           gungen unterworfen sind (16).                (5a) Werth U. Die Entdeckung der Implantat-
        Extrapyramidalen Systems (EPS) auf das                                                         Akupunktur. Vortrag, 17. Juni 2001 in Berlin,
                                                                                                       ICMART.
        Gehirn als Ganzes erweitert werden (17).        Die Rückbildung der Parkinsonsym-          (5b) Werth U. „Möglichkeiten und Grenzen der
        Grundsätzlich muss aber in zwei Dimen-        ptome in einem Zeitraum von knapp                Akupunktur mit implantierten Dauernadeln”,
        sionen, der Verschaltung der Teilsysteme      einem Vierteljahr entspricht von den             Vortrag, 17.10.2001, Garmisch-Partenkirchen,
                                                                                                       Kongress der Europäische Akademie für
        (Kerne und Rinde) und in der Dimension        zeitlichen Parametern der Bildung neuer          Aurikulomedizin.
        der plastischen Veränderungen auf zellu-      synaptischer Verknüpfungen (15). Die         (6) Teshmar E. „Bericht über die Parkinson-Studie:
        lärer Ebene, gedacht werden.                  dadurch über andere Wege geleiteten              Implantat-Akupunktur”, dPV-Nachrichten, Nr.
                                                                                                       88;12-14.
                                                      räumlich-zeitlichen Erregungsmuster          (7) Aune I. „Persönliche Mitteilung” (einschließlich
           Interneuronale und intraneuronale          hinterlassen wiederum Spuren im neu-             Dokumentation)
        Vorgänge bzw. Regelvorgänge sind die          ronalen Netz, die schließlich die Bildung    (8) Schmidt K, Rychlik R, Köberlein J, Kiencke P.
                                                                                                       Frühzeitige gesundheitsökonomische Evaluation
        Grundlage der Hirnregeneration nach           von Signalproteinen (12) und dadurch die         von Innovationen am Beispiel der peripheren
        ABS. Bei MP liegt auf zellulärer Ebene        Bildung endogener Stammzellen sowie              Hirnstimulation bei der Behandlung des Morbus
                                                                                                       Parkinson. Gesundh. ökon. Qual. Manag., 2009,
        eine Blockierung der präsynaptischen          deren Einbau ins neuronale Netz als Neu-         14:204-212.
        Dopamin-Ausschüttung der schwarzen            ronen bewirken. Die tierexperimentellen      (9) Werth U. Die Beeinflussung konditionierungsbe-
        Zellen vor (10). Das so genannte „Sekun-      Nachweise und Untersuchungen dieser              dingter Veränderungen von Reizantworten kor-
                                                                                                       tikaler Neuronen. Dissertation, Med. Akademie
        denphänomen“, die unmittelbar nach der        Prozesse sind vorgesehen (12).                   Magdeburg 1975
        ABS auftretende Lockerung (Verminde-                                                       (10) Kish SJ, Shannak K, Hornykiewicz O. Uneven
        rung des Rigor) und Aufhebung der Be-            Wenn in dieser biometrischen Un-              pattern of dopamine loss in the striatum of
                                                                                                       patients with idiopathic Parkinson‘s disease.
        wegungsblockaden, ist Resultat der Auf-       tersuchung die Verbesserung mentaler             Pathophysiologic and clinical implications. N Engl J
        hebung der Unfähigkeit der präsynapti-        Leistungen den motorischen „hinterher-           Med. 1988 Apr 7;318(14):876-80.
        schen Freisetzung von Dopamin (4, 10).        hinkt“, war dies zu erwarten. Die höhe-      (11) Schmidt K. Persönliche Mitteilung.
        Dabei kann es sich hier nur um das noch       ren wie mentalen, kognitiven Leistungen      (12) Bader A. Persönliche Mitteilung.
                                                                                                   (13) Henneberg A. Persönliche Mitteilung über

                                                                                                                                                              Titelbilder: © Yuri Arcurs – 123RF • Gestaltung: © PACs Verlag Gmbh – www.pacs-online.com
        vorhandene Dopamin in den noch vor-           kommen phylogenetisch und ontogene-              Ergebnisse mit Hilfe des Laimer-Tests.
        handenen Neuronen der Substantia nigra        tisch, ob funktionell oder morphologisch,    (14) Pirker W, Holler I, Gerschlager W, Asenbaum S,
        handeln. Die plötzliche Wiederausschüt-       immer zuletzt. Daran maßgeblich betei-           Zettinig G, Brücke T. Measuring the rate of pro-
                                                                                                       gression of Parkinson`s disease over a 5-year
        tung des Dopamins hat Auswirkung auf          ligte kortikale Neuronen sind wesentlich         period with beta-CIT SPECT. MovDisord, 2003
        die Schaltkreise des EPS. Dies führt,         differenzierter. Der Frage der Verbesse-         Nov;18(11):1266-72.
        „schaltungstechnisch“ gedacht, zur Re-        rung kognitiver Leistungen werden wir        (15) Scheich H. Persönliche Mitteilung.
                                                                                                   (16) Drischel H. Bemerkungen zur Bedeutung der
        duzierung der inhibitorischen Einflüsse       in Zukunft besondere Aufmerksamkeit              Kybernetik für Medizin und Biologie. Wiss. Zuschr.
        des Hypothalamus auf die unwillkürli-         schenken. Dazu werden wir auch den Teil          der KMU Leipzig. 1963;3:549 ff
        che motorische Großhirnrinde (11) und         der behandelten Patienten der laufenden
        damit zu dem, was wir in den fünf Gra-        Doppel-Blind-Studie für weitere 10 Jahre     Danksagung
        fiken der Abb. 2 als sofortige Reduktion      beobachten und dieses Mal auch mit           Frau Prof. Dr. Alexandra Henneberg danke ich
                                                                                                   für die Unterstützung bei der Durchführung der
        des UPDRS-Wertes beobachten.                  Hirnleistungsdiagnostik testen. D. h. die    Studie. Herrn Prof. Dr. Dr. Karlheinz Schmidt
                                                      Studie wird zur prospektiven Langzeit-       danke ich für die intensive Förderung meines wis-
                                                                                                   senschaftlichen Denkens.
           Betrachten wir die individuellen Kur-      studie erweitert. Auch bei der laufenden
        ven weiter (Abb. 2), sehen wir Schwan-        retrospektiven Langzeitstudie werden wir
                                                                                                   Dr. med. Ulrich Werth, CMN
        kungen der UPDRS-Werte, die mit den           möglichst viele Daten zur Beurteilung der    C. Isabel la Catolica 8, p.34 / Valencia, Spanien
        klinischen Beobachtungen übereinstim-         mentalen Leistungen ermitteln.               Dr.werth@weracu.org • www.weracu.org

Praxis  Magazin 4 / 2013
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