Dokumentation zum Jubiläumsanlass
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20 Jahre Kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen 1990 – 2010 Dokumentation zum Jubiläumsanlass Freitag, 5. November 2010 Rathaus Bern, Rathausplatz 2 Vendredi 5 novembre 2010 Hôtel du gouvernement de Berne, Rathausplatz 2 20e anniversaire de la Commission cantonale de l’égalité 1990 – 2010 Documentation de la manifestation
Programm Programme 11.00 – 11.15............................................................................ 11h00 – 11h15......................................................................... Begrüssung und kurzer Rückblick durch Ouverture et brève rétrospective par Dori Schaer-Born, Präsidentin der Fach- Dori Schaer-Born, présidente de la kommission Commission 11.15 – 12.15............................................................................. 11h15 – 12h15......................................................................... Zeitzeuginnen blicken zurück Témoignages du passé Joy Matter forderte als Grossrätin mit ei- Joy Matter demanda par une motion dé- ner Motion die Gleichstellungskommission posée au Grand Conseil la création d’une und war ihre erste Präsidentin commission de l’égalité et elle en fut la Marie-Louise Barben begleitete als erste première présidente Leiterin der Fachstelle für die Gleichstel- Marie-Louise Barben fut la première lung die Arbeiten der Kommission responsable du Bureau de l’égalité et à ce Marie-Thérèse Sautebin war das erste titre accompagna les travaux de la com- Kommissionsmitglied aus dem fran- mission zösischsprachigen Teil des Kantons Bern Marie-Thérèse Sautebin fut la première Nicolas Broccard war einer der ersten membre francophone de la commission Männer in der Kommission Nicolas Broccard fut le premier homme à Leni Robert war die erste Regierungs- siéger dans la commission rätin des Kantons Bern Leni Robert fut la première femme à sié- ger au Conseil-exécutif 12.15 – 13.45............................................................................ 12h15 – 13h45........................................................................ Frauen des Verbands der Bernischen Les femmes de l’Union bernoise Landfrauenvereine servieren den Steh- des paysannes et des femmes rurales ont lunch in der Rathaushalle. Er ist vom préparé le buffet qui sera offert Kanton Bern offeriert. par le canton de Berne dans le Grand hall de l’Hôtel du gouvernement. 13.45 – 14.00........................................................................... 13h45 – 14h00......................................................................... Grussbotschaft von Regierungsrätin Message de bienvenue de la conseillère Beatrice Simon-Jungi d’Etat Beatrice Simon-Jungi 14.00 – 15.30........................................................................... 14h00 – 15h30......................................................................... Podiumsgespräche Tables rondes 15.30 – 16.00........................................................................... 15h30 – 16h00......................................................................... Verabschiedung Clôture Eine Betreuung für Kinder wird von Une garderie est proposée de 11.00 – 12.15 und von 13.45 –16.00 Uhr 11 heures à 12 heures 15 et de angeboten. 13 heures 45 à 16 heures.
Begrüssung und kurzer Rückblick von Dori Schaer-Born, Präsidentin der Fachkommission für Gleichstellungsfragen 3 Frau Regierungsrätin, liebe aktive und ehemalige Kommissions- und Behördenmitglieder, liebe Gäste, Madame la conseillère d‘Etat, chères et chers membres, honoraires et actifs, de la Commission de l’égalité, Mesdames et Messieurs les membres d’autorité, Mes- dames, Messieurs, ich freue mich sehr, Sie hier so zahlreich begrüssen zu dürfen. Quatre conseillères fédérales, et à nouveaux, deux conseillères d’Etat bernoises! On serait tenté de dire que l’égalité est réalisée. Quelques bémols toutefois: depuis les dernières élections les femmes occupent seulement un quart des sièges au Grand Conseil bernois, elles gagnent toujours moins que les hommes, elles continuent de se heurter à des obsta- cles manifestes et, plus souvent encore, insidieux, elles n’occupent que 10 à 15 pour cent des chaires universitaires, elles sont quasiment seules à travailler à temps partiel pour pou- voir assumer les tâches familiales, et elles sont encore très rares à diriger des entreprises. Dabei hat eine vor rund zwei Jahren von Mc Kinsey (einem unverdächtigen Unternehmen) verfasste Studie zum Ergebnis geführt, dass weibliche Manager ein Erfolgsgarant sind. Unternehmen mit mindestens drei Frauen in der Geschäftsleitung sind eindeutig und mar- kant profitabler. Aber diejenigen Frauen, die es in einem Unternehmen bis an die Spitze geschafft haben, sind mehrheitlich Singles und vor allem kinderlos. Wollen und können wir uns das weiterhin leisten? Ich meine, nein! Unter anderem deshalb braucht es Fachstellen für die Gleichstellung und Kommissionen wie die unsrige weiterhin. Vor 20 Jahren wurde die Fachkommission für Gleichstellungsfragen vom Regierungsrat als ständige aussenparlamentarische Kommission eingesetzt. Dies mit dem Auftrag, die Regierung in Gleichstellungsfragen zu beraten, die verwaltungsinterne Fachstelle für die Gleichstellung zu unterstützen und weitere Organisationen aus dem Gleichstellungsbe- reich zu vernetzen. Vertreten in der Kommission sind Organisationen, die sich mit Gleich- stellungsfragen befassen, dann die Sozialpartner, Expertinnen und Experten sowie die Leiterin der kantonalen Fachstelle für Gleichstelle, heute Barbara Ruf. Ihr und den Mitarbei- terinnen der Fachstelle sind wir umgekehrt für ihre stete Unterstützung und ihr Fachwissen sehr dankbar. Mit Ihnen zusammen wollen wir zuerst auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicken. Anschliessend werden wir uns an Podiumsgesprächen mit der Situation von Frauen und Männern heute und mit gleichstellungspolitischen Bedürfnissen und Notwendigkeiten der kommenden Jahre auseinandersetzen. Der Schauspieler und Clown Gerhard Tschan wird uns dabei mit witzigen Intermezzi begleiten.
La Commission de l’égalité a été instituée il y a 20 ans par le Conseil-exécutif. Organe extraparlementaire, elle a pour mission de conseiller le gouvernement en matière d’égalité, de soutenir le Bureau de l’égalité et d’assurer la mise en réseau des organisations actives dans le domaine. Nous aimerions évoquer avec vous ces 20 années d’activité. Des tables rondes nous permettront ensuite d’analyser la situation des femmes et des hommes telle qu’elle se présente aujourd’hui et d’ouvrir des pistes pour l’avenir. L’humoriste Gerhard Tschan nous accompagnera tout au long de la manifestation avec des sketches. 4 Nachdem durch Volksabstimmung im Juni 1981 die Gleichstellung von Mann und Frau in der Bundesverfassung verankert worden war, setzte der Regierungsrat auf Forderung der inzwischen verstorbenen Grossrätin Marie Boehlen eine Kommission ein, welche die kan- tonale Gesetzgebung auf rechtliche Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern durch- forsten sollte. Ein 130-seitiger Bericht entstand und der Regierungsrat beauftragte die Di- rektionen in ihren Bereichen die rechtlichen Anpassungen vorzunehmen. Mehr wäre wohl nicht passiert, wenn nicht die Grossrätinnen Joy Matter und Sylviane Zulauf mit Motionen eine Stabsstelle für die Gleichberechtigung von Frau und Mann gefordert hätten. Im Feb- ruar 1987 überwies das Parlament die beiden Vorstösse als Postulate. Nachdem eine Expertinnenkommission fast zwei Jahre gearbeitet hatte, war 1990 die Zeit sowohl für die Fachstelle wie für unsere Kommission endlich reif, wobei beide in der Verordnung zur Staatskanzlei erst provisorisch verankert wurden. Es brauchte eine weitere Legislatur, viel politische und sachliche Überzeugungsarbeit, viel Schlucken von unqualifi- zierten Sprüchen, bis dann 1996 Fachstelle und Kommission definitiv gesetzlich verankert werden konnten. Die Gleichstellungskommission hat in den vergangenen 20 Jahren viel gearbeitet. ��� Sie hat Berichte veröffentlich, die Anstösse für staatliches Handeln gaben: vier zur Gewalt zwischen Frauen und Männern, einen zur politischen Förderung der Frauen, einen zum besseren Schutz von Migrantinnen usw. ����Sie hat Empfehlungen und Informationen zuhanden von Regierungsrat, Parlament und Öffentlichkeit verfasst, unter anderem zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Familienfreundlichkeit von Unternehmen, zu den Wirkungen von Steuerrecht und Sozialversicherungssystem auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur familien ergänzenden Kinderbetreuung, zu Gleichstellungsfragen in der LehrerInnenbildung. ����Durchgeführt wurden jährliche Weiterbildungsveranstaltungen für die Mitglieder der Kommission und Informationsveranstaltungen für Grossratsmitgleider. ����Zusammen mit «Frau und Politik» und der Fachstelle wurde das Programm «Fit fürs Rathaus» angeboten, das Frauen auf ihrem Weg in die Politik Hilfe leistet. ����Sie hat zu vielen für Gleichstellungsanliegen relevanten Gesetzen Stellung genom- men und ��� sie setzt sich für die Verankerung der Gleichstellungsperspektive in der gesamten Verwaltung ein. Gegenwärtig sind wir dran, ausgewählte Strategien und Projekte des Regierungsrates auf ihre Gendergerechtigkeit zu überprüfen.
Die Kommission hat in ihrem Selbstverständnis einen gewissen Wandel durchgemacht, der sich in ihrem Namen niederschlägt. War es zuerst eine «Frauenkommission», ist es jetzt eine «Gleichstellungskommission». So arbeiten in der Kommission seit längerer Zeit auch Männer mit. Zudem geht es heute nicht mehr um die Gleichberechtigung, denn rechtlich ist die Arbeit auch auf kantonaler Ebene getan. Heute geht’s um die Gleichstellung im Alltag, darum, ob sich Frauen und Männer jenseits von Stereotypen als Menschen in Beruf und Familie frei entfalten können. 5 Dazu braucht unsere Gesellschaft auch die Männer. Ob sich Frauen und Männer gemäss ihren Fähigkeiten frei entwickeln können, ob Kinder auch präsente und spürbare Väter ha- ben, hängt von einem Umdenken von uns allen, vor allem aber von veränderten Rahmen- bedingungen in der Wirtschaft ab. Männer müssen bereit sein, sich mehr um ihre Familien zu kümmern, und es muss ihnen ermöglicht werden, ohne Karriereeinbussen weniger zu arbeiten. Dafür muss die heutige Normarbeitszeit auch auf Kaderstufe veränderbar wer- den. C’est une véritable révolution sociétale que nous avons accomplie au cours du siècle pas- sé. Cette révolution était pacifique, elle s’est imposée très lentement, notre patience a été mise à rude épreuve. Mais si je songe au sort de ma mère et de ma grand-mère, je suis quand même contente du travail accompli: nous avons beaucoup progressé. Je remercie toutes celles et tous ceux qui, au fil des années, ont contribué à cette révolu- tion et qui continuent de le faire.
Zeitzeuginnen blicken zurück «An der Medienkonferenz bezeichnete ich die Schaffung der Kantonalen Frauenstelle und 6 die Einsetzung der Kantonalen Frauenkommission als Wunder: so rasch waren die Postu- late, die Sylviane Zulauf und ich als Motionen eingereicht hatten, umgesetzt worden. Dies war nur möglich, weil wir uns alle an einen Tisch gesetzt hatten: engagierte Expertinnen, die konzeptionell vordachten, Politikerinnen aus fast allen Parteien und Vertreterinnen von traditionellen und neuen Frauenorganisationen. Dank unserem Einsatz konnte 1990 auf kantonaler Ebene die Arbeit für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen ihren Anfang nehmen.» Joy Matter forderte als Grossrätin mit einer Motion die Gleichstellungskommission und war ihre erste Präsidentin «Meine prägendste Erinnerung in Bezug auf das Verhältnis von Fachstelle und Fachkom- mission heisst: gute Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung. In den ersten zehn Jahren haben Fachstelle und Fachkommission eine ganze Reihe ge- meinsamer Veranstaltungen und Projekte durchgeführt und Publikationen herausgegeben. Das war, gerade in der Anfangsphase, eine gute Möglichkeit nach aussen zu treten und sich zu zeigen. Beispiele sind die Tagungen «Gleichberechtigt zwischen Tür und Angel» oder «Frauen in der Öffentlichkeit», das Projekt «PARTE – Arbeit (ver)teilen und gewinnen» oder die Publikationen «Auf die Plätze – Frauen – los!» oder «Das Ziel ist halbe-halbe». Letzteres bezieht sich auf die Vertretung der Frauen im Grossen Rat und ist – wie auch die anderen Themen – immer noch aktuell. Ich wünsche der Kommission für die nächsten 20 Jahre: dass sie dran bleibt, dass sie weiterhin ein Gespür hat für die relevanten Gleichstellungsthemen, dass sie sich nicht blenden lässt von kurzfristigen Trends, dass sie auf dem Boden bleibt, die Fakten genau benennt und daraus ihre Schlüsse zieht. Und natürlich dass sie gehört wird und ihre Arbeit Wirkung zeigt.» Marie-Louise Barben begleitete als erste Leiterin der Fachstelle für die Gleichstellung die Arbeiten der Kommission 1990 – 2001 «Mit dem Verfassungsartikel zur Gleichberechtigung kam 1971 auch die Schweiz in der demokratischen Neuzeit an. Den langen Kampf für die tatsächliche Gleichstellung habe ich als Berner Stadt-, Gross-, National- und Regierungsrätin ab 1971 hautnah miterlebt. Ein spannendes, oft bühnenreifes Stück Bernischer Zeitgeschichte!» Leni Robert war die erste Regierungsrätin des Kantons Bern
«La Commission de l‘égalité est l‘héritière du mouvement de libération des femmes des années 70 et 80, lui-même puisant ses espoirs dans une société ouverte, dynamique, rendue possible par une réelle avancée sociale et économique. Ce mouvement social profond a généré des lois et fait émerger des instances de contrôle, commissions et Bu- reaux de l‘égalité entre femmes et hommes. Dès les premiers activités dans les années 90s, la dynamique était freinée par la crise économique, par le racisme croissant. La fin de siècle a donné un grand coup de balai à la plupart des idéaux féministes. Tout est devenu monnayable, objet de consommation. Notre force et nos compétences ... au travail et à la maison, notre éducation, notre formation, notre santé, l‘enfance et la veillesse, sont objets de marchandage, sans autre règle que le profit. Le libéralisme économique ne tolère aucun 7 cadeau ... surtout pas aux femmes! Nous avons besoin d‘une Commission, d‘abord pour ne pas oublier les acquis, mais sur- tout pour avancer, pour poursuivre la recherche d‘un monde plus égalitaire et plus solidaire entre femmes et hommes. Le mainstream ... n‘est malheureusement pas le «gender main- stream» que nous avons voulu, mais le mainstream des lois du marché. Ne baissons pas les bras, même si nous y sommes tous aspirés. L‘urgence est de garantir l‘autonomie économique des femmes: plus large que l‘autonomie financière, elle inclut les assurances sociales, les services publics (soins, éducation, for- mation). L‘urgence est de garantir la reconnaissance de notre contribution aux richesses non-monétaires de la société, par le temps que nous offrons pour satisfaire les besoins quotidiens de nos proches et de la communauté. L‘autonomie économique globale protège femmes et hommes des abus et des violences. Nous ne mendions pas un droit, nous voulons une société où le travail – sous toutes ses formes, salarié et gratuit – soit reconnu, valorisé, source de dignité et de fierté.» Marie-ThéreseSautebin war das erste Kommissionsmitglied aus dem französischsprachigen Teil des Kantons Bern «Männer sind Täter, Frauen sind Opfer: Haben sich diese Rollenbilder in den letzten zwan- zig Jahren verändert? Provokativ gefragt: Stimmen Frauen als «Täterinnen» überein mit einem aktuellen Verständnis von Weiblichkeit? Passen Männer als «Opfer» zu einem neuen Bild von Männlichkeit?» Nicolas Broccard war einer der ersten Männer in der Kommission
Inputreferat und Podiumsdiskussion Faule Jungen und strebsame Mädchen? Zusammenhänge zwischen Geschlechterbildern und Leistungsunterschieden Moderation Brigitte Gsteiger ������������������� Geschäftsführerin LEBE, Mitglied Fachkommission 8 Inputreferat Elisabeth Grünewald ������������ Prof. Dr. phil., Dozentin IVP PHBern Teilnehmende Beda Furrer ��������������������������� Dr. phil., Leiter Abteilung für Bildungsplanung und Evaluation ERZ Renato Galasso �������������������� Berufs-, Studien- und Laufbahnberater, Mitglied Fachkommission Elisabeth Grünewald ������������ Prof. Dr. phil., Dozentin IVP PHBern Monique Lüthi ����������������������� Berufsschullehrerin In ihrem Inputreferat stellte Elisabeth Grünewald-Huber die Ergebnisse ihrer gemeinsam mit Andreas Hadjar (Uni Bern, ab September 2010 Uni Luxemburg) durchgeführten empi- rischen Studie vor. Der Schlussbericht wird im Frühjahr 2011 veröffentlicht. In Common Sense und Öffentlichkeit ist der geringere Schulerfolg von Jungen zum viel beachteten Thema geworden. Eine Reihe bisher empirisch kaum überprüfter Hypothesen über die Ursachen der Geschlechterunterschiede lösen bildungspolitische Kontroversen aus. Das Projekt suchte fundierte Antworten in dieser Thematik, wobei es sie auch im Zusammenhang mit impliziten Geschlechtervorstellungen im Sinne subjektiver Theorien und doing-gender-Praxen im Schulkontext analysierte. Die Daten wurden in 30 sozial möglichst unterschiedlichen 8. Klassen der Real-, Sekundar- und Gymnasialstufe erhoben. Erstens wurden in einer schriftlichen Befragung bei 600 – 800 SchülerInnen neben Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern die Sozialisationsumwelten schulisches Umfeld (MitschülerInnen, Lehrpersonen), Peers und Familie sowie die schul erfolgsbezogenen Entwicklungsmerkmale Motivation/Volition, Attribution, Sozialkom petenz und schulische Integration thematisiert. Anhand der standardisierten Daten wurden anschliessend komplexe Analysen verschiedener Wirkungszusammenhänge und Mecha- nismen zum Thema geschlechterdifferenter Schulerfolg durchgeführt. Dieser quantitative Untersuchungsschritt diente auch dem theoretischen Sampling der folgenden qualitativen Erhebungen – maximale Variation oder extreme bzw. typische Fälle. Zweitens wurden im Rahmen einer videogestützten Unterrichtsbeobachtung in sechs Klassen die gesampelten Schüler und Schülerinnen hinsichtlich schulerfolgsrelevantem verbalem und non-verbalem Verhalten untersucht. Ergänzend fanden Gespräche mit den Lehrpersonen zur «Typikalität» der Lektionen statt. Drittens konnten die Schüler und Schülerinnen in Gruppendiskussionen
mit ihren gleichgeschlechtlichen Klassenkameraden bzw. -kameradinnen ihre geäusserten Geschlechterkonzepte und Genderpraxen auf der Handlungsebene betrachten. Verschiedene triangulierende Analysen zeigen mögliche Zusammenhänge zwischen Doing Gender auf mentaler und Verhaltensebene und den weiteren schulerfolgsrelevanten Variablen auf. Schulerfolg als abhängige Variable wird durch Schulnoten erfasst. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden abschliessend Unterrichtsempfehlungen zur Verringerung geschlechtsspezifischer Leistungsunterschiede und zur Förderung schwacher Schülerinnen und Schüler formuliert. 9 Faktoren für geringeren Schulerfolg sind gemäss der Studie: ����bildungsferne Milieus ����traditionelle Geschlechterrollenvorstellungen ����negative Schuleinstellung der Peergruppe ����schwache Schulintegration bzw. Schulentfremdung ����unangepasstes Verhalten, Devianz ����Geschlechterkonnotation von Unterrichtsfächern ����geschlechtsspezifische Fachinteressen ����Anstrengungsvermeidung (bei extrinsischer Motivation) ����einseitige Freizeitgestaltung (Computer-Spiele) Vergleich der Ergebnisse mit den allgemeinen Erklärungsansätzen: ����keine Diskriminierung durch Lehrpersonen bei Notengebung oder im Unterricht ����Schule ist weiblich und männlich ge-gendert (vgl. Fächer) ����angebliche einseitige Mädchenförderung: Mädchen hatten grossen Nachholbedarf und haben gegenüber früher aufgeholt (= historische Übergangsphase) ����geringer Lerneinsatz: beide Geschlechter betroffen, wenn schulentfremdet (Milieu, Peergruppe), Jungen aber häufiger betroffen (coolness-Diktat, Streberangst) ����Schule ist «uncool»: bei Jungen öfter ����Medienkonsum: bei den Jungen höher (gamen am PC!) Interventionsmöglichkeiten aus Sicht der Studie: ����autoritative Unterstützung durch die Lehrpersonen ����autoritative Unterstützung durch Eltern und Grosseltern ����Unterrichtsfächer «ent-gendern» ����Jungen: Motivation und Einsatz betonen! Mädchen: Begabung betonen ����traditionelle Geschlechterstereotype abbauen Die Folien zum Referat können unter www.sta.be.ch/site/gleichstellung_fk__5.11.2010_e._gruenewald.pdf heruntergeladen werden. An der anschliessende Podiumsdiskussion diskutierten die Podiumsteilnehmenden ange- regt zu Geschlechterbildern der eigenen Schulzeit, in der eigenen beruflichen Tätigkeit und bezüglich Handlungsbedarf und Lösungsansätzen aus eigener Sicht.
Die Rollenbilder der Podiumsteilnehmenden waren in der eigenen Schulzeit meist tradi- tionell geprägt, wie Werken für Jungs und Stricken für Mädchen. Frauen mussten sich in dieser Zeit oft gegen den Willen der Eltern durchsetzen, wollten sie keinen typischen Frauenberuf ergreifen. Die Erfahrungen der Podiumsteilnehmenden deckten sich mit den in der Folge erwähnten Ergebnissen der vorgestellten Studie: ����Die Geschlechter waren noch nie so gleichgestellt wie heute! ����Die Geschlechter unterscheiden sich bezüglich Ausbildungswegen und Berufsfeldern. ����Realklassen: 10 Schüler > Familienernährer und Rund-um-die-Uhr-Mutter Schülerinnen > unterschiedliche, mehrheitlich traditionelle Lebensentwürfe (Toleranz für Unterschiede) ����Gymnasium (Spez.sek-Klassen): Schüler > geben sich gleichgestellt/politisch korrekt, pragmatisch, Kinderhüten > uneinig Schülerinnen > berufsorientiert oder Doppelorientierung (mit Partner oder Familie) Zum Schluss der Diskussion kristallisierten sich folgende Lösungsansätze heraus: ����vermehrte Auseinandersetzung der Ergebnisse in der Gesellschaft, besonders bezüglich Rollenbildern ����konkrete Genderziele zu Förderungsmassnahmen im Bildungsbereich von Mädchen und Jungs in den Strategien festlegen ����Rahmenbedingungen optimieren, z. B. durch geschlechtergerechte Sprache ����Projekte/Projektarbeiten zur Thematik in der LehrerInnenaus- und Weiterbildung ebenso wie im Schulunterricht ����Gender-Instrumente erarbeiten Weiterführende Links und Literatur: > «Faule Jungs und strebsame Mädchen?» unter www.faulejungs.ch > «Gender Differences in Educational Outcomes» unter http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/120EN.pdf > Kellerhals, Katharina «Der gute Schüler war auch früher ein Mädchen. Schulgesetzgebung, Fächerkanon und Geschlecht in der Volksschule des Kantons Bern 1835 – 1897». Haupt Verlag Bern, 2010
Podiumsdiskussion Scheidung: Neues Recht – neue Sorgen? Perspektiven mit dem neuen Sorgerecht für Kinder, Mütter und Väter für ein Familienleben nach der Scheidung Moderation 11 Ivo Knill ���������������������������������� Redaktionsleiter der Männerzeitung, Mitglied männer.ch, Mitglied Fachkommission Teilnehmende Daniel Bähler ������������������������� Oberrichter, Obergericht Kanton Bern Andreas Berger ��������������������� dipl. Sozialarbeiter FK, Jugendamt Stadt Bern, ambulante Jugendhilfe Oliver Hunziker ��������������������� Präsident Verantwortungsvoll erziehende Väter VeV, Präsident GeCoBi Peter Kunz ����������������������������� Leiter Erziehungsberatung Biel-Seeland, Kinder- und Jugendpsychologe, Mediator Liselotte Staub ���������������������� Dr. phil., Psychologin und Psychotherapeutin FSP
Table ronde Formation, conciliation, réinsertion: y a-t-il une spécificité francophone? Animation Angela Fleury ������������������������ Responsable de l’Antenne interjurassienne de l’égalité et du Bureau de l’égalité de la République et Canton du Jura Intervenant-e-s 12 Elisabeth Baume-Schneider Ministre de la Formation, de la Culture et des Sports de la République et Canton du Jura Florent Cosandey ����������������� Office de l’enseignement secondaire du 2e degré et de la formation professionnelle, Section francophone, INS Fabienne Hostettler �������������� Conseillère et formatrice d’adultes frac, Centre d’information et de consultation femme et travail Bienne et région Sophie Ménard ���������������������� Secrétaire générale de la Chambre économique Bienne-Seeland Béatrice Sermet �������������������� Présidente du Conseil des affaires francophones du district bilingue de Bienne et membre du Conseil de ville de Bienne Sur la base des chiffres du recensement de la population de 2000, l’Office fédéral de la statistique a dressé un atlas de l’égalité qui fait les constats suivants: La part des femmes sans enfant a nettement progressé, mais le phénomène est moins marqué en Suisse romande: Jura . ....................... 14,7 % Bienne.................... 24,0 % Jura bernois............. 15,0 % Berne..................... 31,5 % La représentation féminine dans les positions dirigeantes varie fortement selon les bran- ches économiques et les régions. Jura . ....................... 11,2 % Bienne.................... 15,0 % Jura bernois............. 15,6 % Berne..................... 12,2 % La discrimination salariale des femmes est la plus faible dans la Région lémanique et la plus marquée en Suisse orientale. Les femmes sont proportionnellement plus touchées que les hommes par le chômage. Elles sont nettement plus défavorisées en Suisse romande qu’en Suisse alémanique.
Le modèle familial dit «égalitaire centré sur l’emploi» (le père et la mère travaillent à 100 %) est surtout répandu dans les régions rurales orientées vers l’industrie horlogère, textile ou touristique. Jura.......................... 13,5 % Bienne.................... 11,4 % Jura bernois............. 12 % Berne..................... 9,1 % Le modèle familial dit «égalitaire centré sur la famille» (le père et la mère travaillent à temps partiel et se partagent les tâches familiales et domestiques) est le plus répandu dans les villes de Suisse alémanique. Jura.......................... 2,8 % Bienne.................... 4,5 % 13 Jura bernois............. 2,4 % Berne..................... 8,4 % Des progrès importants ont été réalisés dans l’égalité des sexes en matière de formation au cours des dernières décennies. C’est en Suisse romande que l’avancée a été la plus prononcée. Hormis ces quelques chiffres, déjà anciens, les statistiques manquent pour juger si réelle- ment l’égalité a une composante linguistique. Il semble plutôt que le clivage se fasse entre milieu rural et milieu urbain. Une différence semble toutefois émerger entre Francophones et Alémaniques: la percep- tion de la maternité. Si les mères francophones n’ont aucun complexe à placer leur enfant à la crèche pour exercer une activité professionnelle, les Alémaniques semblent éprouver plus de culpabilité. Ce qui expliquerait l’importance du temps partiel en Suisse alémanique. Les échanges de la table ronde montrent bien que les préoccupations sont les mêmes des deux côtés de la frontière linguistique: conciliation entre vie privée et vie professionnelle, plafond de verre (malgré la forte proportion de femmes à l’Université, elles sont encore rares à accéder aux leviers de commande de l’économie), inégalité salariale, choix profes- sionnel des jeunes, etc.
Inputreferat und Podiumsdiskussion Erhöhung Frauenanteil in der Politik – Wie weiter? Moderation Barbara Widmer �������������������� Wirtschaftsredaktorin Schweizer Radio DRS Inputreferat Miriam Ganzfried ������������������ lic. rer. pol., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung 14 Teilnehmende der Univeristät Bern Melanie Beutler- Hohenberger ������������������������� Gemeinderätin Mühlethurnen und Grossrätin, EVP Eva Krattiger ������������������������� Gymnasiastin, Co-Präsidentin der Bernischen Schülerinnen- und Schülerorganisation (BSO) Johanna M. Schlegel ������������ Revisorin, dipl. Sozialversicherungsexpertin, 10 Jahre Grossrätin Grüne Kanton Bern Elisabeth Schmid-Frey ��������� Stadträtin Bern 1972–1980 Beatrice Simon-Jungi ���������� Regierungsrätin Finanzdirektion Kanton Bern «Fit fürs Rathaus» war nicht nur der Titel des Weiterbildungsangebotes, das von der kant. Fachkommission, der Fachstelle für die Gleichstellung und vom Verein Frau und Politik durchgeführt wurde, sondern auch das 30-köpfige Publikum, das sich innert weniger Minuten von der Rathaushalle ins Dachgeschoss der Staatskanzlei bewegte, um am Podium «Erhöhung Frauenanteil in der Politik – Wie weiter?» teilzunehmen. Miriam Ganzfried führte mit einem Kurzreferat ins Thema ein. Sie analysierte die bernischen Grossratswahlen 2010 und hielt insbesondere fest, dass der Frauenanteil erstmals seit 1974 gesunken ist und der Kanton im interkantonalen Vergleich vom 4. auf den 11. Platz abrutschte. Während die Anzahl Kandidatinnen von 2006 – 2010 nicht wesentlich kleiner wurde (33,6 auf 32 %), sank der Anteil an gewählten Frauen von fast 32 auf 26,2 %. Die Referentin präsentierte im weiteren die parteipolitischen Verteilungsmuster sowie Unterschiede nach Wahlkreisen. Auffallend ist, dass neu kandidierende Frauen wesentlich geringere Wahlchancen als neu kandidierende Männer hatten. Das Geschlecht als offensichtliches Merkmal spielte bei der Beurteilung durch die Wäh- lerschaft eine zentrale Rolle. Das Bild der idealen politisch tätigen Person ist in unserer Gesellschaft nach wie vor männlich geprägt. Auch der traditionell maskuline Charakter der Politikkultur (Regeln, Sprache usw.) sowie die Rollenverteilung der Geschlechter sind Erklärungen, die zu diesen Wahlergebnissen führten. Als Faktoren für die Unterrepräsenta- tion der Frauen nennt die Politikwissenschafterin noch zwei andere Ebenen: diejenige der persönlichen Entscheidung zu kandidieren und der Nominierung durch die Partei. Bei der ersteren sind die persönliche Ambition sowie die Einschätzung gewählt zu werden aus- schlaggebend. Auf Parteiebene steht der Aspekt des Stimmengewinns im Vordergrund, wobei der Bekanntheitsgrad der Person bedeutsam ist. Dies trifft die Frauen ganz beson- ders, da die Machtpositionen in den meisten Parteien in Männerhand liegen.
Das Referat abschliessend erläutert Miriam Ganzfried Massnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils: Organisationen, die Frauen auf dem Weg in die Politik unterstützen (unter anderem rechtzeitige Wahltrainings); verbindliche formelle Regeln innerhalb der Parteien zur Erhöhung des Frauenanteils (z.B. bei der Listengestaltung); Informationskampagnen und konkrete Aktionen vor den Wahlen, die unter anderem auch die Vorstellung der Geschlechterrollen in der Gesellschaft thematisieren. Das Referat kann auf der homepage der Fachkommission für Gleichstellungsfragen voll- ständig gelesen werden: www.sta.be.ch/site/gleichstellung_fk_5.11.2010_m._ganzfried.pdf 15 In der anschliessenden Diskussion möchte Barbara Widmer als Moderatorin von den fünf Podiumsteilnehmerinnen mit unterschiedlichstem Erfahrungshintergrund wissen, wie es sich als Politikerin lebt, ob sich die Situation im Laufe der Jahre verändert hat und was getan werden kann, um das Ziel der ausgeglichenen Beteiligung der Geschlechter in der Politik zu erreichen. Elisabeth Schmid-Frey – Juristin und eine der ersten Stadträtinnen – engagierte sich jahre lang für das Frauenstimmrecht. Sie schildert wie sie von konkreten Themen ausgehend auf Gemeindeebene Männer überzeugt hatte, sich bei andern Männern für das Frauen- stimmrecht einzusetzen. Dabei diente die von ihr erzählten Anekdote der Entstehung des Ermächtigungsgesetzes als Beispiel dafür, wie sie den oft erstaunten Männern zeigen konnte, dass Frauen durchaus etwas von Politik verstehen und sich auch in diesem Bereich durchzusetzen vermögen. Eva Krattiger, die um 77 Jahre jüngere Gymnasiastin und Co-Präsidentin der Bernischen Schülerinnenorganisation, setzt sich für das Stimmrechtalter 16 ein. Sie machte darauf aufmerksam, dass sich Jugendliche durchaus für aktuelle politische Themen interessieren, ihre aktive Partizipation jedoch wegen des mangelnden Stimm- und Wahlrechts gedämpft werde. Regierungsrätin Beatrice Simon zeigte anhand ihrer eigenen politischen Karriere Unter- schiede zwischen Stadt und Land sowie teilweise notwendig gewordene neue Rollen- verteilungen in der Familie auf. Die erste bernische Finanzdirektorin lebt vor, dass Frauen nicht nur zuhause den Finanzhaushalt managen, sondern auch in der Gesellschaft dafür Verantwortung übernehmen. Eine der Herausforderungen von Frauen in der Politik sei deren Wille, es besonders gut machen zu wollen. Melanie Beutler-Hohenbergers Interesse an der Politik wurde bereits früh von ihren Eltern geweckt. Das Wahltraining «Fit fürs Rathaus» hatte ihr nicht nur Mut gemacht, sondern neben politischem Rüstzeug auch wichtige Themen wie Zeitmanagement aufgegriffen. Als ehemalige Gemeinderätin von Mühlethurnen und Grossratsmitglied bringt sie sich trotz Mutterpflichten in die Politik ein, da sie dabei etwas bewegen kann. Johanna M. Schlegel, Sozialversicherungsexpertin und Revisorin, war 10 Jahre Gross- ratsmitglied, bevor sie 2010 als eine von mehreren Frauen nicht wiedergewählt wurde. Sie
zeigte auf, wie das Zusammenspiel von bewusst eingegangenen persönlichen Risiken und äusseren Rahmenbedingungen – Burgdorf gehörte in den 10 letzten Jahren 3 x zu einem andern Wahlkreis – Einfluss auf das Ergebnis hatte. Ihr politisches Wissen und ihre Erfah- rung setzte sie in dieser Zeit auch zugunsten des Wahlkampfs der Jungen ein und gibt es nun in Verbandsarbeit weiter. Die Frage, ob Quoten eine taugliche Massnahme wären, den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen, wurde kontrovers beantwortet: Niemand möchte gerne eine Quotenfrau sein, meinten die einen und argumentierten unter anderem damit, dass ein rechtzeitiger Aufbau von Frauen innerhalb der Partei ebenso erfolgversprechend sei. Die andern sprachen sich 16 teilweise dezidiert für eine (bloss vorübergehende) Quote, insbesondere bei den Wahllisten aus. Die Referentin wies daraufhin, dass beispielsweise in Frankreich oder in Dschibuti Quoten eingeführt wurden und so erfolgreich unbekannte Talente entdeckt und gefördert wurden. Abschliessend formulierten die Podiumsteilnehmerinnen ihre Wünsche und Forderungen an die Fachkommission: frühes politisches Interesse wecken, fördern und somit Nach folgerinnen hervorbringen; Vernetzungsarbeit leisten und Austauschgefässe anbieten; Präsenz in der Öffentlichkeit zeigen sowie die Kraft und Freude behalten, den gemeinsamen Weg weiterzugehen. Die Fachkomission nimmt diese Anliegen gerne auf und setzt sie beispielsweise mit der erneuten Planung und Durchführung des Wahltrainings «Fit fürs Rathaus» um. Zum Weiterlesen > Liselotte Lüscher, «Eine Frau macht Politik – Marie Boehlen 1911 – 1999», Limmat Verlag Zürich, 2010 In der Biografie von Marie Boehlen zeichnet Liselotte Lüscher ein vielschichtiges Bild der unermüdlichen Frauenrechtlerin, die sich ganz einfach weigerte, an unveränderbare Realitäten zu glauben. Grossrätin Marie Boehlen verlangte bereits 1981 für den Kanton Bern eine Stabsstelle für Frauenfragen – damals noch ohne Erfolg. > Die kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern gab eine statistische Analyse der Grossratswahlen 2010 in Auftrag. Sie zeigt, wie sich die Wahlchancen von Frauen und Männern seit 1974 ent- wickelt haben, wie Frauen und wie Männer in den einzelnen Wahlkreisen und Parteien abgeschnitten haben und wo der Frauenanteil im Berner Parlament im interkantonalen Vergleich steht. Nur auf Deutsch erhältlich. www.sta.be.ch/site/analyse_grossratswahlen_2010_claudia_schuwey.pdf
Podiumsdiskussion Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ein Erfolgsfaktor für Unternehmen Moderation Franziska Hügli ��������������������� Die Post, Swiss Post Solutions, Leiterin Personal und Kommunikation Teilnehmende 17 Matthias Berger �������������������� Vater und Arzt in der Gemeinschaftspraxis Bubenberg in Bern Kerstin Büchel ���������������������� Lic. rer. pol., Die Post, Generalsekretärin des Verwaltungsrats André R. Eltschinger ������������ CEO, SSE Engineering AG Daniel Huber ������������������������� Geschäftsführer Fachstelle UND – Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen Yvonne Seitz-Strittmatter ���� Head Diversity&Family Care, AXA Winterthur Irene Wuillemin-Nusselt ������� Lic. nat. oec., beco Berner Wirtschaft, Projektleiterin WPG «Ging beim Titel dieses Workshops das Fragezeichen vergessen? Oder steckt da mehr dahinter?», so oder ähnlich stellte sich Regierungsrätin Beatrice Simon-Jungi bei der Begrüssungsrede die Frage. Wer dem Podium beiwohnte, erhielt schnell eine Antwort: Sowohl Erfahrungsberichte der Podiumteilnehmenden als auch Forschungsergebnisse belegen, dass Unternehmen etliche Vorteile geniessen, wenn sie ihren angestellten Frauen und Männern, Fach-, Hilfs- und Kaderangestellten Raum und Unterstützung zu berufli- chem und familiärem Engagement bieten. Um nur einige der erwähnten Erfolgsfaktoren zu nennen: die Motivation der Mitarbeitenden steigt; dank Teilzeitmodellen werden inner- halb des Betriebes der Austausch, die geteilte Verantwortung sowie die Kooperation unter den Mitarbeitenden gefördert; das Unternehmen gewinnt an Attraktivität bei der Personal rekrutierung und kann gut ausgebildete Mitarbeitende, in die sie investiert hat, längerfristig halten. Die Podiumsteilnehmenden, als Privat- oder/und Berufspersonen ExpertInnen im Gebiet, erörterten in der Folge weniger weitere Erfolgsfaktoren, sondern legten den Fokus vielmehr auf die Frage, wie die Familienfreundlichkeit in den Unternehmen ausgestaltet werden muss, damit sie tatsächlich zum Erfolgsfaktor für Betrieb und Angestellte werden kann. Teilzeitarbeit stellt einen wichtigen Schlüssel zur Vereinbarkeit dar, ist aber bei weitem nicht der einzige und sollte nicht die einzige Massnahme bleiben. Familienfreundlichkeit, so plädierte das Podium, muss vielmehr als durchdringendes Anliegen verstanden werden und verschiedene Felder der Personalpolitik einbeziehen. Dazu können gehören: Mass- nahmen zur Förderung der Lohngleichheit durch Arbeitsplatzbewertungsverfahren, interne oder – von Unternehmen mitfinanzierte – externe Kinderbetreuungsangebote, Anstellungs bedingungen, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen wie ein mehrtägiger bezahlter Vaterschaftsurlaub und Sensibilisierungs- und Schulungsangebote sowie
fachliche Begleitung der Führungsverantwortlichen. Herausforderungen oder Knackpunkte bei der Umsetzung in den Betrieben wurden schliesslich aus dem Podium benannt. Die These, dass Vereinbarkeitspolitiken sich in erster Linie an Kaderangestellte oder gebildete- re Schichten richten, wurde von den Podiumsteilnehmenden nicht bestritten. Tatsächlich erreichen die Unternehmen mit ihren Strategien wie Mentoringprojekte für Kaderfrauen oder Massnahmen zur Förderung von Teilzeitstellen die einkommensschwächere Schicht nicht und bei Männern beziehungsweise Vätern vor allem diejenigen, die bereits für das Thema sensibilisiert sind. Gleichzeitig zeigten sich die Fachleute überzeugt, dass Unter- nehmen erweiterte Aktionsradien haben und diese durchaus auch noch vermehrt nutzen könnten. So profitieren von angemessenen Mindestlöhnen, einer generellen Flexibilisierung 18 der Arbeitszeit (z. B. 100 % auf 4,5 Tage verteilt) oder von flexiblen Anfangs- und Endzeiten auch Mitarbeitende mit tieferen Löhnen. Ebenso gibt es Betriebe, die Kinderbetreuungs- plätze für einkommensschwächere Mitarbeitende zu vergünstigten Konditionen anbieten. Zunehmend positive Erfahrungen machen Unternehmen, die ihre familienfreundliche Per- sonalpolitik bewusst nach aussen kommunizieren. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass das Unverständnis der Kundschaft häufig schwindet und gar Achtung und Respekt Platz macht, wenn sie hört, dass der Betrieb eine familienfreundliche Personalpolitik verfolgt und der gesuchte Mitarbeiter seinen Familientag hat. Können sich grosse wie kleine Unternehmen eine familienfreundliche Politik überhaupt leisten? Die Frage wurde so nicht gestellt, aber implizit beantwortet. Unternehmen unter- schiedlicher Grösse und aus den verschiedenen Wirtschaftszweigen haben Möglichkeiten. So hat sich die SSE Engineering AG als technischer Betrieb vor allem zum Ziel gesetzt, mit Angeboten von Teilzeitstellen und Massnahmen zur Erhöhung der Lohngleichheit Frauen zu gewinnen und zu halten. Die grosse und international tätige AXA-Winterthur hat gute Erfahrungen damit gemacht, dass sie den Fokus mehr auf Stolpersteine, statt auf spezi- fische Gruppen (Frauen, Mütter, Väter) legt. Die Motivation, Hindernisse gemeinsam weg- zuräumen und damit für alle Arbeitnehmenden mehr Freiräume zu schaffen, hat zu einem Umdenken und zu mehr gemeinsam getragenen Werten geführt. Und die kleineren und mittleren Unternehmungen, die KMU, im Kanton Bern? Wo ste- hen sie in Sachen Familienfreundlichkeit? Was können sie anbieten? Über diese Frage, so die Vertreterin des beco, soll unter anderem ein neu angelaufenes Aktionsprogramm Aufschluss geben: 20 Berner KMU-Betriebe erhalten einen Check-up der Fachstelle UND zum Stand ihrer Familienfreundlichkeit. Gleichzeitig bietet ihnen der Kanton eine Plattform, wo sie sich im Rahmen von Roundtables über Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolgsrezepte austauschen können. Im Podium war viel Einigkeit; das Fragezeichen am Schluss des Titels hat niemand ver- misst. Gegenstimmen oder -argumente haben daher weitgehend gefehlt, was aber nicht bedeutet, dass es diese in der Realität nicht gibt. Als Fazit kann festgehalten werden: Der Weg zum Erfolg führt nicht über einfache Patentrezepte, sondern Massnahmen und Strategien müssen so entwickelt werden, dass sie auf die Unternehmen, die Organisa tionsstruktur und die Bedürfnisse der Angestellten zugeschnitten werden. Für den Erfolg und weitere Fortschritte in der Wirtschaft zeichnen aber, und das ist erfreulich, inzwischen immer mehr kleine, mittlere und grosse Unternehmen verantwortlich. Sie sind es, die
Vorbildwirkung haben und mit ihrem Engagement nicht nur nach innen, sondern auch nach aussen einiges bewegen können. Ebenso wichtig: Es gibt immer mehr Expertinnen und Experten, die sie beraten und in diesen Prozessen professionell begleiten können. Und sie dürfen des weitern mit Unterstützung des Kantons rechnen. Dieser hat in seiner Wachstumsstrategie auch der Familienförderung gedacht und will nun mit Projekten wie dem «Aktionsprogramm zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Berner Unternehmun- gen» in der KMU-Landschaft familienpolitische Akzente setzen und dem Wort Taten folgen lassen. Weiterführende Links und Literatur: 19 > SECO KMU-Handbuch: Beruf und Familie. Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in kleinen und mittleren Betrieben, 2007. www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/6871.pdf > Prognos, Betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse familienfreundlicher Unternehmenspolitik, Oktober 2005. www.prognos.com/fileadmin/pdf/aktuelles/Studie_Kosten-Nutzen-Analyse_familienfreundlicher_ Unternehmenspolitik.pdf > www.be.ch/familie-und-beruf – Das Portal zur Vereinbarkeit Familie und Beruf des Kantons Bern > www.und-online.ch – Fachstelle UND Familienarbeit und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen
Podiumsdiskussion Gemeinsam gegen Gewalt – Was geht? Häusliche Gewalt: Trends in der Arbeit mit Opfern, mit Tätern und Täterinnen und in der Politik Moderation 20 Anton Gurtner ����������������������� Präsident STOPPMännerGewalt Teilnehmende Leena Hässig Ramming ������� Psychotherapeutin FSP Andreas Jost ������������������������� Psychotherapeut FSP, Gewaltberater Susanne Nielen Gangwisch �� Sozialarbeiterin FH, stellvertretende Stellenleiterin Beratungsstelle Opferhilfe Matthias Wiedmer ���������������� Untersuchungsrichter, Stadtrat Thun, SVP Zum Weiterlesen > Berner Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. «Gemeinsam gegen Gewalt – Was geht bei der Inter- ventionsstelle gegen häusliche Gewalt des Kantons Bern? Trends in der Arbeit mit Opfern, mit Tätern und Täterinnen und in der Politik.» www.sta.be.ch/site/handlungsfelder_big__2010_.pdf
Tätigkeiten Die kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen ����ist eine ständige, ausserparlamentarische Kommission, die vom Regierungsrat eingesetzt wird ����berät den Regierungsrat in Gleichstellungsfragen ����unterhält Kontakte zu den Mitgliedern des Grossen Rats und des Regierungsrates ����unterstützt die Fachstelle für die Gleichstellung ����setzt sich aus 15 bis 21 Mitglieder zusammen, die ein möglichst breites politisches und soziales Spektrum abdecken 21 ����vernetzt die vertretenen Organisationen, die Fachstelle für die Gleichstellung und weitere Gruppierungen und Institutionen ����verfasst Stellungnahmen zu gleichstellungspolitischen Themen ����organisiert Veranstaltungen und publiziert Berichte und Studien Mitglieder der Fachkommission (Stand 5.11.2010) ����Désirée Aebersold, Bern, Fachstelle UND – Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen ����Elisabeth Bosshart, Bern, Business & Professional Women BPW, Club Bern, Vizepräsidentin ����Annie Bouix, Bern, Genderkonferenz des Kantons Bern ����Regula Buri, Bolligen, Frauenzentrale des Kantons Bern ����Andrea de Meuron, Thun, Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern ����Daisy Dellenbach, Evilard, effe – espace de formations – formation d’espaces ����Alexandra Dengg, Bern, infra Bern, Frauenberatungsstelle ����Renato Galasso, Rüegsauschachen, Vereinigung Fachpersonen der Berner Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung ����Alicia Gamboa, Überstorf, Einzelmitglied ����Rita Gfeller-Pfister, Herbligen, Verband Bernischer Landfrauenvereine ����Jonathan Gimmel, Worb, Trägerverein vernetzte offene Jugendarbeit Kanton Bern voja ����Brigitte Gsteiger, Bern, LEBE Lehrerinnen und Lehrer Bern ����Franziska Hügli Kästli, Muri, Kantonalverband Bernischer Arbeitgeber-Organisationen ����Ivo Knill, Burgdorf, Einzelmitglied ����Liselotte Lüscher, Bern, vpod Bern Kanton ����Barbara Ruf, Bern, Leiterin Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern ����Dori Schaer-Born, Bern, Einzelmitglied, Präsidentin ����Pia Monika Schneider, Bern, fraw – frau arbeit weiterbildung ����Edith Wampfler, Wimmis, Frauenverband Berner Oberland ����Anna Zumbrunn, Bern, Verein Frau & Politik
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