Hogan Lovells Kartellrechts-Radar - Frühling 2022 - Was Sie auf dem Schirm haben sollten - JD Supra

 
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Hogan Lovells
Kartellrechts-Radar
Frühling 2022
– Was Sie auf dem Schirm haben sollten

Fokus Enforcement                                    Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnisse wurde
                                                     in der Folge die Markttransparenzstelle für Kraft-
Das Bundeskartellamt nimmt derzeit verstärkt zu      stoffe eingerichtet, die es den Verbrauchern er-
den kartellrechtlichen Grenzen bei Preissteigerun-   möglicht, sich über die aktuellen Kraftstoffpreise
gen Stellung.                                        in Deutschland zu informieren.

                                                     Den aktuellen Fall nutzt das BKartA nun, um für
Bundeskartellamt zu der aktuellen Ent-               eine Stärkung der Markttransparenzstelle zu wer-
wicklung der Kraftstoffpreise                        ben: Würden dieser nicht nur die Preisdaten der
Auf Veranlassung von Wirtschaftsminister Ha-         Mineralölgesellschaften weitergegeben, sondern
beck nimmt das Bundeskartellamt („BKartA“) den       auch Daten zu den abgegebenen Mengen, würde
deutschen Kartellrechtsklassiker „Gibt es eigent-    dies die Beobachtung durch das BKartA deutlich
lich ein Tankstellenkartell?“ wieder auf (Presse-    verbessern. Ein entsprechender Entwurf wurde,
mitteilung v. 16. März 2022, abrufbar hier).         wie der Presse zu entnehmen ist, anscheinend be-
                                                     reits von Wirtschaftsminister Habeck erarbeitet.
Konkret geht es um die im Zuge des Kriegs in der     Der Entwurf sieht neben schärferen Eingriffsbe-
Ukraine explosionsartig gestiegenen Kraftstoff-      fugnissen für das BKartA auch die Ausweitung der
preise an den Tankstellen. Das BKartA stellt klar,   Monitoring-Tätigkeiten der Markttransparenzstel-
dass es diese Entwicklungen kritisch verfolgt:       le auf die Kraftstoffherstellung und den -großhan-
„Wir beobachten die Preisentwicklung an den          del vor. Ein entsprechender Regierungsentwurf
Tankstellen fortlaufend und sehr aufmerksam.         könnte bereits Ende April vorliegen.
Aufgrund der geopolitischen Lage sind die Preise
flächendeckend schockartig gestiegen. Wenn die       Gemeinsame einheitliche Preisaufschläge
Rohölpreise jetzt wieder sinken und die Tankstel-    im Segment Reha und Pflege
lenpreise dem nicht folgen oder sogar weiter stei-
gen sollten, muss man sich das genau ansehen.“       Das BKartA hat ein Kartellverwaltungsverfahren
                                                     gegen Hilfsmittel-Verbände wegen gemeinsamer
Allerdings ergänzt das BKartA, dass dazu mehre-      Preisaufschläge zu Lasten der Krankenkassen ein-
re Marktstufen gehören, vom Rohölmarkt über          geleitet (Pressemittelung v. 23. März 2022,
die Raffinerien und den Großhandel bis zu den        abrufbar hier).
Tankstellenbetreibern. Für eine Beurteilung der
Situation sei eine alle Wertschöpfungsstufen um-     Im deutschen Gesundheitswesen ist es durchaus
fassende Betrachtung „unerlässlich“.                 üblich, dass die sog. Leistungserbringer (also
                                                     diejenigen Unternehmen, die die eigentlichen
Das BKartA hat diese Märkte bereits in der           Gesundheitsleistungen und -behandlungen durch-
Vergangenheit im Rahmen von Sektoruntersu-           führen) Kollektiv-Verhandlungen mit den gesetz-
chungen vertieft betrachtet (Abschlussbericht        lichen Krankenkassen führen um eine flächen-
Sektoruntersuchung Kraftstoffe, abrufbar hier).      deckende Versorgung zu homogenen Konditionen
Seinerzeit führte das BKartA hierzu aus: „Die        sicherzustellen (wovon auch die Versicherten
fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland      profitieren können). Das BKartA prüft nun aber,
machen sich gegenseitig keinen wesentlichen          ob die Leistungserbringer in den Segmenten Reha
Wettbewerb, sie bilden ein marktbeherrschendes       und Pflege die kartellrechtlichen Grenzen einge-
Oligopol. Unsere Studie weist im Einzelnen nach,     halten haben.
wie die Mechanismen der Preissetzung funktio-
nieren. Es bedarf bei solchen Marktstrukturen        Konkret geht es darum, dass sich die Verbände
nicht zwingend einer Absprache. Die Unterneh-        von Sanitätshäusern und anderen Hilfsmittelan-
men verstehen sich ohne Worte. Das führt zu          bietern in diesen Segmenten nicht nur mit ihren
überhöhten Preisen.“                                 einzelnen Verbänden gegenüber den Kassen posi-
                                                     tioniert haben, sondern sich auch diese Verbände
                                                     untereinander wiederum gleichgeschaltet haben –
                                                                                                          1
Hogan Lovells Kartellrechts-Radar - Frühling 2022 - Was Sie auf dem Schirm haben sollten - JD Supra
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    durch Bildung einer sog. ARGE. Ob dies eine (zu-      Doppeltes Urteil zur Doppelbestrafung:
    lässige) Arbeitsgemeinschaft im kartellrechtlichen    EuGH konkretisiert „double jeopardy“
    Sinne oder nicht vielmehr ein Kartell oder gar ein
                                                          Der EuGH hat lang erwartete Urteile gefällt und
    (seine Marktmacht missbrauchendes) Monopol
                                                          in den Angelegenheiten „bpost“ bzw. „Nordzuc-
    ist, will das BKartA nun genauer prüfen.
                                                          ker“ wichtige Fragen zum Verbot der doppelten
    Hierbei geht es um die Forderung einheitlicher        Strafverfolgung im Kartellrecht geklärt.
    Preisaufschläge durch die ARGE, die insbesonde-
                                                          In der Sache „bpost“ (C-117/20, abrufbar hier)
    re Sanitätshäuser und orthopädische Werkstätten
                                                          wurden besagtem Unternehmen nacheinander
    repräsentiert. Die in der ARGE zusammenge-
                                                          von zwei belgischen Behörden Geldbußen auf-
    schlossenen Verbände von Leistungserbringern
                                                          erlegt. Nach einer ersten – später rechtskräftig
    haben mit Rundschreiben vom 7. September 2021
                                                          aufgehobenen – Geldbuße (EUR 2,3 Mio.) von der
    gegenüber mehreren Krankenkassen auf gestiege-
                                                          Regulierungsbehörde aufgrund einer vermeintlich
    ne Fracht-, Liefer- und Rohstoffkosten infolge der
                                                          diskriminierenden Rabattregelung verhängte die
    Corona-Pandemie hingewiesen. Zum Ausgleich
                                                          Wettbewerbsbehörde eine Geldbuße in Höhe von
    forderten sie für die bestehenden Hilfsmittelver-
                                                          etwa EUR 37,4 Mio. wegen Missbrauchs einer
    träge in den Bereichen Reha und Pflege genau
                                                          marktbeherrschenden Stellung – eben aufgrund
    fixierte Preisaufschläge und stellten gleichzeitig
                                                          der Anwendung exakt derselben Rabattregelung.
    gegenüber den Krankenkassen Vertragskündigun-
                                                          bpost griff auch die Geldbuße der Wettbewerbs-
    gen in Aussicht bzw. sprachen diese teilweise so-
                                                          behörde gerichtlich an (Grund: Verstoß gegen
    gar aus. Mehrere Krankenkassen haben daraufhin
                                                          den Grundsatz ne bis in idem), woraufhin das bel-
    Preiserhöhungen zugestimmt, um die Versorgung
                                                          gische Gericht die Frage dem EuGH vorlegte.
    ihrer Versicherten wie bisher gewährleisten zu
    können; die Forderungen der ARGE wurden mit           Im Fall Nordzucker (C-151/20, abrufbar hier)
    anderen Worten teilweise sogar schon durchge-         stellte das BKartA fest, dass die beteiligten Un-
    setzt.                                                ternehmen gegen deutsches und europäisches
                                                          Kartellrecht verstoßen hatten und war in seiner
    Nach ersten Vorermittlungen geht das BKartA
                                                          Entscheidung dabei auch auf ein Telefonat ein-
    wohl davon aus, dass die sozialrechtliche Ausnah-
                                                          gegangen, bei dem Vertreter von Nord- und Süd-
    me vom Kartellverbot aus § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB
                                                          zucker über den österreichischen Zuckermarkt ge-
    V hier nicht greift. Bisher hat die Behörde bereits
                                                          sprochen haben. Auf dieses Telefonat beruft sich
    die ARGE-Mitglieder und rund 30 der größten ge-
                                                          nun auch die österreichische BWB, die beim Ober-
    setzlichen Krankenversicherungen in Deutschland
                                                          sten Gerichtshof in Österreich festgestellt wissen
    zu den Preisforderungen befragt. Im nächsten
                                                          wollte, dass Nordzucker gegen europäisches und
    Schritt wird es nun von den ARGE-Mitgliedern
                                                          österreichisches Kartellrecht verstoßen hat.
    weitere Auskünfte anfordern.
                                                          In seinen Urteilen stellte der EuGH klar, dass die
    Das BKartA weist ergänzend darauf hin, dass ihm
                                                          Anwendung des ne bis in idem Grundsatzes zwei-
    Hinweise vorliegen, wonach auch in Bezug auf
                                                          erlei voraussetzt: Zum einen, dass eine frühere
    weitere Hilfsmittelgruppen eine vergleichbare
                                                          Entscheidung „endgültig geworden“ ist und zum
    Konzentration auf Seiten der Leistungserbringer
                                                          anderen, dass bei der früheren Entscheidung und
    angestrebt werde. Das BKartA werde „diese Be-
                                                          bei den späteren Verfolgungsmaßnahmen oder
    strebungen ebenfalls genau im Blick behalten“.
                                                          Entscheidungen auf denselben Sachverhalt abge-
                                                          stellt wird, wobei die „Identität der materiellen
                                                          Tat“ maßgebend sei. Gesetze könnten den ne bis
             Take away                                    in idem Grundsatz zwar einschränken, müssten
                                                          jedoch den Wesensgehalt des Grundsatzes achten
       Ausgelöst durch öffentliche Berichterstat-
                                                          und dem Gemeinwohl dienen.
       tung oder Beschwerden aus dem Markt hat
       das BKartA bereits in der Vergangenheit            In Anwendung dessen hat der EuGH in beiden
       Ermittlungen wegen (starker) Preis-                Fällen keine Bedenken wegen doppelter Strafver-
       steigerungen oder Kürzungen von verein-            folgung:
       barten Mengen aufgenommen (vgl. etwa
       wegen starker Preissteigerungen bei                Die zweifache (sektorspezifische und kartellrecht-
       Spanplatten, Fallbericht v. 23. März 2021).        liche) Verfolgung in „bpost“ sei zulässig, wenn-
       Kartellrechtliche Grenzen für Preis-               gleich es sich um denselben Sachverhalt handele.
       steigerungen können sich sowohl aus dem            Hierfür stellte der EuGH folgende – im Fall bpost
       Verbot wettbewerbsbeschränkender                   vorliegende – Voraussetzungen auf: (1) es müssen
       Absprachen als auch dem Verbot der                 klare und präzise Regeln bestehen, anhand deren
       missbräuchlichen Ausnutzung einer                  sich vorhersehen lässt, bei welchem Verhalten
       markbeherrschenden Stellung ergeben.               eine Kumulierung der Strafverfolgung in Frage
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    kommt, und die die Koordinierung zwischen den        Insurance Ireland ist eine Vereinigung irischer
    beiden zuständigen Behörden ermöglichen, (2)         Versicherungsunternehmen, deren Mitglieder
    es müsse gewährleistet sein, dass die beiden Ver-    etwa 90% des irischen Versicherungsmarktes
    fahren in hinreichend koordinierter Weise und in     ausmachen. Gegenstand des Verfahrens der Kom-
    engem zeitlichen Zusammenhang geführt worden         mission ist der von Insurance Ireland aufgesetzte
    sind und (3) die Gesamtheit der verhängten Sank-     Datenpool Insurance Link, in den die Nutzer
    tionen müsse der Schwere der begangenen Straf-       (Versicherer und Makler) Daten über Sachver-
    taten entsprechen.                                   sicherungsfälle einpflegen und abrufen können.
                                                         Nach vorläufiger Auffassung der Kommission hat
    Der EuGH stellt zudem klar: Weder die rechtliche     Insurance Ireland gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV ver-
    Einordnung der Tat nach nationalem Recht noch        stoßen, indem die Vereinigung den Zugang zu In-
    die Identität des geschützten Rechtsguts sei für     surance Link für einige Unternehmen willkürlich
    einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestra-     verweigerte oder verzögerte, was für diese Unter-
    fung maßgeblich.                                     nehmen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil
                                                         bedeutet habe.
    In „Nordzucker“ verneinte der EuGH einen Ver-
    stoß gegen ne bis in idem nicht etwa aufgrund        In ihrer Pressemitteilung v. 14. Mai 2019 weist
    des formalistischen Arguments unterschiedlicher      die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass
    Rechtsordnungen, sondern mit der Tatsache, dass      Datenpool-Vereinbarungen nicht in jedem Fall
    das Telefonat zum österreichischen Zuckermarkt       den Wettbewerb beschränken, sondern im Ge-
    für das BKartA nicht entscheidend war, das Buß-      genteil wettbewerbsfördernd sein können. Die
    geld also nicht auf diesem Sachverhaltsteil „be-     Beteiligung von Diensteanbietern an einem Da-
    ruhte“.                                              tenpool könne Verbrauchern direkt zugutekom-
                                                         men, z.B. in Form verbesserter Produkte und
    In diesem Zusammenhang stellte der EuGH zu-
                                                         wettbewerbsfähiger Preise. In bestimmten Fälle
    dem klar, dass der Grundsatz ne bis in idem auch
                                                         könne eine Datenpool-Vereinbarungen jedoch
    Kronzeugen schützt.
                                                         auch zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen,
                                                         und zwar beispielsweise dann, wenn aufgrund der
                                                         Zugangs- und Teilnahmebedingungen bestimmte
             Take away                                   Marktteilnehmer benachteiligt werden oder wenn
                                                         der Datenpool den Nutzern Einblick in die Markt-
        Der EuGH sorgt für mehr Rechtssicherheit
                                                         strategien von Wettbewerbern gibt.
        im Umgang mit dem Verbot der doppelten
        Strafverfolgung im Kartellrecht. Bei Paral-      Die nun angebotenen Verpflichtungszusagen zie-
        lelität kartellbehördlicher Verfolgung oder      len im Wesentlichen darauf ab, fortan einheitliche
        von sektorspezifischer Regulierung und           Kriterien anzuwenden, die einen fairen, objekti-
        Kartellrecht ist eine Doppelbestraffung nur      ven, transparenten und diskriminierungsfreien
        in engen Grenzen möglich. Letzteres wird         Zugang zu Insurance Link für alle Antragsteller
        künftig auch bei der (parallelen) Durchset-      aus Irland und anderen EU-Mitgliedstaaten er-
        zung vom Digital Markets Act und vom na-         möglichen. Insbesondere soll die Nutzung des
        tionalem (Digital-)Kartellrecht von Bedeu-       Datenpools nicht mehr von der Mitgliedschaft in
        tung sein.                                       Insurance Ireland abhängig sein (wobei die Mit-
                                                         gliedschaft in der Vereinigung künftig ebenfalls
                                                         durch faire, objektive, transparente und diskri-
                                                         minierungsfreie Kriterien geregelt sein soll). Die
                                                         angebotenen Verpflichtungszusagen zeigen somit
    Zugang zu Datenpools – Insurance Ireland             Parallelen zu den sogenannten FRAND-Kriterien
    bietet der Kommission Verpflichtungszu-              im Zusammenhang mit der Nutzung standardes-
    sagen an                                             senzieller Patente. Die Verpflichtungen würden
                                                         zehn Jahre lang in Kraft bleiben und – entspre-
    In dem im Mai 2019 von der Kommission einge-         chend dem üblichen Verfahren bei dieser Art
    leiteten Verfahren gegen Insurance Ireland hat In-   von Zusagen – von einem Treuhänder überwacht
    surance Ireland nunmehr Verpflichtungszusagen        werden.
    nach Art. 9 VO 1/2003 angeboten, wie die Kom-
    mission in ihrer Pressemitteilung v. 25. Februar     Die Kommission unterzieht die Verpflichtungszu-
    2022 bekannt gab. Der Fall betrifft im Kern mög-     sagen derzeit einem Markttest. Hierbei regen sich
    licherweise diskriminierende Zugangskriterien zu     bereits Stimmen, die die Zusagen als nicht weit-
    einem Datenpool von Sachversicherungsinforma-        reichend genug ansehen und sich dafür ausspre-
    tionen.                                              chen, dass der Datenpool vollständig unabhängig
                                                         – idealerweise von staatlicher Hand – verwaltet
                                                         werden müsse.
Hogan Lovells Kartellrechts-Radar - Frühling 2022 - Was Sie auf dem Schirm haben sollten - JD Supra
4                                                                                                             Hogan Lovells

    Datenpooling und die gemeinsame Nutzung von           Interoperabilität für Social-Media-Dienste hat es
    Daten werden von der Kommission als eines der         dagegen nicht geschafft.
    wesentlichen Themen für die derzeit laufende
    Überarbeitung der Horizontalleitlinien angesehen      Für B2B-Kunden gibt es eine Verpflichtung der
    (siehe z.B. den Fahrplan zur Folgenabschätzung,       Gatekeeper, ihnen FRAND-Zugang (d.h. fair,
    abrufbar hier). Es scheint daher möglich, dass das    zumutbar und diskriminierungsfrei) zu Social
    Ergebnis dieses Falles bei der finalen Fassung der    Media- und Suchmaschinendiensten sowie zu App
    neuen Horizontalleitlinien eine Rolle spielen wird.   Stores zu gewähren. Eine Pflicht zur fairen Vergü-
                                                          tung von geschäftlichen Nutzern gibt es dagegen
                                                          nicht. Ebenso hat es – wie im Vorfeld erwartet
                                                          wurde – das vom Parlament gewünschte Verbot,
            Take away                                     gezielte Werbung an Minderjährige zu richten,
       Datenpools können – je nach Ausgestal-             nicht ins Gesetz geschafft.
       tung – sowohl wettbewerbsfördernd als              Durchsetzen konnten sich die Parlamentarier
       auch wettbewerbsbeschränkend sein. Um              dagegen mit dem Wunsch, dass Gatekeeper ver-
       Unternehmen die kartellrechtliche Selbst-          pflichtet werden, für Browser, Voice Assistants
       einschätzung zu erleichtern, sollen die neu-       und Suchmaschinen den Nutzern zunächst einen
       en Horizontalleitlinien künftig konkrete           Auswahlbildschirm mit alternativen Diensten
       Hilfestellung zu diesem Thema geben. Es            vorzulegen und diese nicht einfach auf die eigenen
       ist möglich, dass der Falls Insurance Ire-         vorinstallierten Dienste zu verweisen.
       land noch Niederschlag in den neuen Leit-
       linien finden wird.                                Durchsetzung des DMA durch die
                                                          Europäische Kommission
                                                          Bei der Rechtsdurchsetzung bleibt es dabei, dass
                                                          die Europäische Kommission („Kommission“) „in

    Fokus Digitalwirtschaft                               enger Zusammenarbeit mit den Behörden der
                                                          EU-Mitgliedstaaten die alleinige Durchsetzung
                                                          der Vorschriften übernimmt“. Die Kommission
    Digital Markets Act: Europäisches Parla-              wird Geldbußen in Höhe von bis zu 10% des welt-
    ment und Rat einigen sich auf finalen Text            weiten Umsatzes verhängen können, die im Falle
    Ende März, in der vierten Gesprächsrunde und          wiederholter Verstöße auf bis zu 20% hinauf-
    15 Monate nach der Vorstellung des ersten Ent-        schnellen können. Bei systematischen Verstößen
    wurfs, ist es passiert: die politische Einigung auf   kann die Behörde zudem verhaltensbezogene und
    den finalen Text des Digital Markets Act („DMA“)      strukturelle Abhilfemaßnahmen auferlegen, die
    ist da (Pressemitteilung v. 24. März 2022, abruf-     zur Gewährleistung der Wirksamkeit der DMA-
    bar hier). Die Einigung basierte auf umfassenden      Verpflichtungen erforderlich sind. Dies beinhaltet
    Kompromissvorschlägen, die Frankreich vorgelegt       ein Verbots von M&A-Aktivitäten im Zusammen-
    hatte.                                                hang mit dem Verstoß (hierzu noch sogleich am
                                                          Ende). Weiterhin bleibt es der Kommission zudem
    Folgen des DMA für Gatekeeper                         möglich, Marktuntersuchungen durchzuführen,
    Einer der Hauptknackpunkte bis zum Schluss            um sicherzustellen, dass die im DMA festgelegten
    war die Frage: Wer sind die Adressaten (sog.          Verpflichtungen „angesichts der sich ständig wei-
    „Gatekeeper“)? Quantitativ gelten hier nun fol-       terentwickelnden Realität der digitalen Märkte
    gende Kompromiss-Schwellenwerte: EUR 7,5              auf dem neuesten Stand sind“.
    Mrd. Umsatz in Europa in den letzten drei Jahren      Die Kommission hat die „rasche politische Ei-
    oder eine Marktkapitalisierung von EUR 75 Mrd.,       nigung“ bereits begrüßt. „Zusammen mit einer
    jeweils ergänzt durch mindestens EUR 45 Mio.          strengen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts“
    europäische Endnutzer pro Monat und 10.000            werde die Verordnung den Unionsbürgern „bei
    Geschäftskunden pro Jahr für die jeweiligen „Core     vielen digitalen Diensten in der gesamten EU
    Platform Services“ (zentrale Plattformdienste, zu     gerechtere Bedingungen bieten“. Kein Unterneh-
    denen etwa Soziale Netzwerke und Online-Such-         men der Welt könne die Aussicht auf eine Geld-
    maschinen zählen).                                    buße von bis zu 20% des weltweiten Umsatzes
    Auf der Verhaltensseite ist die vom Europäischen      ignorieren (was wie gesagt droht, wenn wiederholt
    Parlament hart eingeforderte Interoperabilitäts-      gegen die DMA-Regeln verstoßen wird).
    pflicht für Messenger-Dienste tatsächlich Teil
    der Verordnung geworden. WhatsApp, Facebook
    Messenger und iMessage müssen sich also künftig
    grundsätzlich öffnen. Die ebenfalls gewünschte
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5                                                                                                         Hogan Lovells

    Zeitplan für die Umsetzung des DMA                   wir berichteten in unserer letzten Winter-Ausgabe
    Die politische Einigung, die das Parlament und       des Kartellrechts-Radars), scheint mittlerweile
    der Rat erzielt haben, muss nun von den beiden       vom Tisch. Dies legt jedenfalls eine Meldung des
    Co-Gesetzgebern förmlich genehmigt werden.           BKartA nahe, der zufolge Andreas Mundt sich und
    Nach Finalisierung der juristisch-technischen        seine Behörde entsprechend gestärkt sieht: „Wir
    Details auf Arbeitsebene könnte der finale Text      haben uns sehr entschieden dafür eingesetzt, dass
    des DMA Ende April stehen. Das wiederum würde        nationalen Wettbewerbsbehörden auch künftig
    förmliche Abstimmungen in Parlament und Rat          eine zentrale Rolle bei der Aufsicht über die gro-
    schon für Mai (Rat), Juni (IMCO-Ausschuss des        ßen digitalen Plattformen zukommen wird. Und
    Parlaments) und Juli (Plenarsitzung des Parla-       wir freuen uns, dass wir damit letztlich Gehör
    ments) möglich machen, sodass der Prozess vor        gefunden haben und in Deutschland die neuen
    der Sommerpause abgeschlossen sein könnte –          Regeln im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän-
    eine Zeitvorstellung, die durchaus ambitioniert      kungen zu großen Digitalkonzernen weiter ein-
    aber machbar erscheint.                              setzen können.“

    Wenn alles glatt läuft, könnten die ersten Auswir-   DMA und Auswirkungen auf die Fusions-
    kungen des DMA – nach entsprechender Prüfung         kontrolle
    und Bestimmung des Gatekeeper-Status durch           Zudem kommt es zu einer für die Praxis höchst re-
    die Kommission – dann bereits im Frühjahr oder       levanten Verbindung von DMA-Durchsetzung und
    Sommer 2023 sichtbar werden. Der Zeitpunkt,          Fusionskontrolle nach der FKVO. Nicht nur müs-
    dass Gatekeeper tatsächlich ihre Compliance mit      sen Gatekeeper die Kommission zukünftig über
    dem DMA umgesetzt haben müssen, käme dann            alle ihre Fusionsvorhaben mit Bezug zu Daten
    in Q1 oder Q2 2024, was laut Kommissarin Vesta-      oder zur Digitalwirtschaft informieren – was dann
    ger bereits als Erfolg zu werten wäre.               eine Informationsgrundlage für Anmeldungen auf
                                                         Basis der geänderten Art. 22-Praxis schaffen kann
    Verhältnis des DMA zu europäischen und               (wir berichteten zu dieser Verweisungspraxis in
    nationalen Regeln                                    unserer letzten Herbst-Ausgabe des Kartellrechts-
    Kommissarin Vestager war es wichtig zu betonen,      Radars). Darüber hinaus ist nun auch vorgesehen,
    dass der DMA die Regelungen in Art. 101 und          dass Gatekeeper im Falle systematischer Nichtbe-
    102 AEUV lediglich ergänzen, nicht aber erset-       folgung von DMA-Pflichten die M&A-Aktivitäten
    zen wird; die beiden Regelwerke seien „komple-       insgesamt (wenn auch nur zeitlich begrenzt)
    mentär“. In dem Zusammenhang wies sie auch           untersagt werden können. „Systematisch“ ist die
    auf das EuGH-Urteil in Sachen bpost hin (siehe       Nichtbefolgung ab drei Verstößen binnen acht
    Beitrag „Doppeltes Urteil zur Doppelbestra-          Jahren möglich – was als Schwelle nicht sonder-
    fung“ in diesem Kartellrechts-Radar). Es sei zu      lich hoch erscheint. Dieser „Fusionsbann“ ergänzt
    begrüßen, dass das Gericht den Grundsatz, dass       die Möglichkeit zur Verhängung von Bußgeldern
    sektorspezifische Regulierung und Kartellrecht       und kann womöglich sogar deutlich größere
    nebeneinander bestehen und durchgesetzt wer-         Schmerzen verursachen als rein monetäre Sank-
    den können, unangetastet gelassen habe (wobei        tionen. Die Fusionskontrolle wird hierdurch letzt-
    dies nicht berücksichtigt, dass es künftig nicht     lich zu einer Art Waffe.
    mehr ausreichen wird, allein auf die vorgebliche
    Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter zu
    verweisen, um einem Verstoß gegen den ne bis in
    idem Grundsatz zu entgehen). Kommissarin Ves-                Take away
    tager erhofft sich vom DMA jedenfalls auch eine
    Signalwirkung an andere Gesetzgeber und Behör-          Das Europäische Parlament und der Rat
    den. Es sei zu hoffen, dass der Ansatz der EU als       haben sich auf den finalen Text des Digital
    „weltweite Inspiration“ dienen werde.                   Markets Act geeinigt. Gatekeeper, die
                                                            zentrale Plattformdienste erbringen und
    Das u.a. von Deutschland und insbesondere Kar-          zudem gewisse Schwellenwerte erreichen
    tellamtspräsident Andreas Mundt zuletzt so stark        (EUR 7,5 Mrd. Umsatz in Europa in den
    kritisierte Veto-Recht der Kommission gegenüber         letzten drei Jahren oder eine Marktkapital-
    Entscheidungen nach Rechtsvorschriften, die             isierung von EUR 75 Mrd., jeweils ergänzt
    zwar nicht den DMA selbst durchsetzen (das darf         durch mindestens EUR 45 Mio. europäis-
    wie gesagt nur die Kommission), wohl aber dessen        che Endnutzer pro Monat und 10.000
    Regelungskreis berühren (so etwa die erst Anfang        Geschäftskunden pro Jahr), unterliegen
    2021 in Deutschland eingeführte erweiterte Miss-        damit erhöhten Pflichten und müssen etwa
    brauchsaufsicht für große Digitalkonzerne bei           Interoperabilität für Messenger-Dienste
    überragender marktübergreifender Bedeutung;
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                                                            die Freistellungsdauer auch in zeitlicher Hinsicht
        und FRAND-Zugang zu Social Media- und               nicht überschritten wird. Bestimmten schwarzen
        Suchmaschinendiensten sowie zu App                  und grauen Klauseln bleibt auch in Zukunft die
        Stores gewähren. Andernfalls drohen hohe            Freistellung verwehrt.
        Bußgelder und Einschränkungen bei                   Der Entwurf der F&E-GVO enthält vor allem Ver-
        Fusionsvorhaben, bis hin zu einem                   einfachungen und Klarstellungen, insbesondere in
        vorübergehenden Verbot von M&A Aktivi-              Kombination mit den Erläuterungen der überar-
        täten. Der DMA muss nun noch den                    beiteten Horizontal-Leitlinien. So sind neue Defi-
        weiteren legislativen Prozess durchlaufen           nitionen eingefügt worden (z.B. die Definitionen
        und könnte bereits im Frühjahr oder                 der aktiven und passiven Verkäufe) und bereits
        Sommer 2023 erste Wirkungen zeigen.                 bestehende Definitionen vereinfacht worden (so
        Digitalunternehmen sollten sich daher               etwa die des potentiellen Wettbewerbers). Weiter
        bereits jetzt intensiv damit auseinanderset-        dürfen die Marktanteile nunmehr anhand eines
        zen und entsprechend vorbereitet sein.              Drei-Jahres-Durchschnitts berechnet werden, an-
                                                            statt dass wie bisher allein das letzte Geschäftsjahr
                                                            maßgeblich ist. Hierdurch soll dem Rechnung ge-

    Fokus
                                                            tragen werden, dass das letzte Geschäftsjahr allein
                                                            nicht notwendigerweise die Position der Parteien
                                                            auf dem Markt widerspiegelt.
    Wettbewerbspolitik                                      Eine entscheidende neue Lockerung ist die Ein-
    Reform der F&E-GVO – Kommission legt                    führung einer Karenzzeit bei Überschreiten der
                                                            Marktanteilsschwellen. Diese greift, wenn die
    Entwurf vor
                                                            gemeinsamen Marktanteile den „Safe-Harbour“-
    Am 1. März 2022 hat die Kommission ihren                Schwellenwert von 25% überschreiten, nachdem
    Entwurf für eine überarbeitete Gruppenfreistel-         der initiale Freistellungszeitraum von sieben
    lungsverordnung für Forschungs- und Entwick-            Jahren ab Markteintritt der Produkte abgelaufen
    lungsvereinbarungen („F&E-GVO“, abrufbar                ist. Nach der aktuellen F&E-GVO entfällt die Frei-
    hier) vorgelegt. Zugleich hat sie den Entwurf der       stellung dann sofort. Nunmehr soll die Freistel-
    überarbeiteten Leitlinien für Vereinbarungen über       lung noch zwei Jahre länger gelten, nachdem der
    horizontale Zusammenarbeit („Horizontal-Leitli-         Schwellenwert erreicht ist.
    nien“, abrufbar hier) veröffentlicht. Hintergrund
                                                            Eine relevante Verschärfung ergibt sich hinge-
    ist der seit 2019 laufende Reformprozess der Ende
                                                            gen im Bereich des Innovationswettbewerbs, der
    des Jahres 2022 auslaufenden Horizontal-Grup-
                                                            nunmehr erstmals als eine eigene Kategorie in der
    penfreistellungsverordnungen. Bis zum 26. April
                                                            F&E-GVO erfasst wird. Forschung und Entwick-
    2022 können Stakeholder im Rahmen der laufen-
                                                            lung im Bereich neuer Produkte, Technologien
    den Konsultation noch Stellungnahmen zum neu-
                                                            und Verfahren, welche es zum Zeitpunkt des Ab-
    en Entwurf abgeben, der dann in seiner finalen
                                                            schlusses einer F&E-Vereinbarung noch nicht gibt
    Version zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll.
                                                            und die einen eigenen, neuen Markt bilden wür-
    Ziel der Überarbeitung soll es sein, die bestehen-      den sind nunmehr nur noch dann vom Kartellver-
    den Regeln der wirtschaftlichen und gesellschaft-       bot ausgenommen, wenn neben dem Forschungs-
    lichen Entwicklung der letzten zehn Jahre anzu-         vorhaben der Parteien noch mindestens drei ver-
    passen. Außerdem sollen die bestehenden Regeln          gleichbare konkurrierende Forschungsvorhaben
    vereinfacht und Unternehmen mehr Rechtssicher-          verbleiben. Dieselbe Einschränkung ergibt sich
    heit verschafft werden.                                 auch für sog. F&E Pole. Hierunter versteht man
                                                            Forschungsvorhaben, die auf ein bestimmtes Ziel
    In ihrem neuen Entwurf für die F&E-GVO hält die         ausgerichtet sind, welches aber noch nicht als
    Kommission an der bewährten Grundsystematik             Produkt oder Technologie definiert werden kann.
    fest und passt diese nur an wenigen Stellen signi-      Auch diese sind nur dann freigestellt, sofern da-
    fikant an. Wie bisher sind F&E-Vereinbarungen           neben noch mindestens drei weitere vergleichbare
    zwischen Unternehmen vom Kartellverbot des              Forschungsvorhaben vorhanden sind.
    Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen, sofern sie die
    Voraussetzungen der F&E-GVO erfüllen. Weiter-           Zuletzt ist nunmehr explizit vorgesehen, dass die
    hin ist für die Freistellung erforderlich, dass beide   Kommission bzw. nationale Wettbewerbsbehör-
    Parteien vollen Zugang zu den Ergebnissen erhal-        den die Freistellung entziehen können, sofern
    ten, im Falle einer Wettbewerbsbeziehung die er-        diese feststellen, dass eine F&E-Vereinbarung
    forderlichen Marktanteilsschwellen beachtet und         den Zielen des Art. 101 Abs. 3 AEUV zuwiderläuft,
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    auch wenn sie die Voraussetzungen der F&E-GVO       fung vorgelegt werden. Dabei prüft die Kommissi-
    erfüllt. Hierdurch ergibt sich jedoch keine Än-     on nicht nur die Angemessenheit der Maßnahme,
    derung der Rechtslage, da auf diese Möglichkeit     sondern stellt auch sicher, dass sie tatsächlich
    auch schon in den Erwägungsgründen der bishe-       dem Schutz eines berechtigten Interesses dient.
    rigen F&E-GVO hingewiesen wird. Die Einfügung
    in den Primärtext trägt insofern nur zur Rechts-    Die ungarische Regierung hatte argumentiert,
    klarheit bei.                                       dass die AEGON-Übernahme grundlegende In-
                                                        teressen der ungarischen Gesellschaft gefährden
                                                        würde. Die Kommission äußerte daran begrün-
                                                        dete Zweifel, da VIG und AEGON in der EU fest
            Take away                                   etablierte Versicherungsgesellschaften seien, die
                                                        bereits in Ungarn präsent sind. Sie kam zu dem
       Die Kommission beabsichtigt, weitgehend
                                                        Schluss, dass Ungarn sie im Voraus über seine
       an der bewährten F&E-GVO festzuhalten.
                                                        Vetoabsicht hätte informieren müssen und dass
       Bedeutende Änderungen sollen sich v.a. im
                                                        es dadurch gegen EU-Recht verstoßen hat. Um ein
       Bereich der Entwicklung neuer Produkte,
                                                        Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden, hat
       Technologien und Verfahren sowie bei For-
                                                        Ungarn sein Veto inzwischen zurückgezogen. Die
       schungsanstrengungen, die sich noch nicht
                                                        Übernahme, die von der Kommission bereits im
       auf ein bestimmtes Produkt oder eine be-
                                                        August 2021 fusionskontrollrechtlich freigegeben
       stimmte Technologie beziehen, ergeben.
                                                        worden war, wurde daraufhin sofort vollzogen.

    Fokus                                                        Take away
    Investitionskontrolle                                   Während das Prinzip von Art. 21
                                                            Abs. 4 FKVO klar ist – ein Mitgliedstaat
                                                            muss der Kommission jede Maßnahme
    FDI-Veto nach Kommissionsdruck                          melden (und eine vorherige Genehmi-
    aufgehoben                                              gung einholen), die nicht dem Schutz ei-
    Die Kommission hat ihre erste Entscheidung über         nes anerkannten öffentlichen Interesses
    das Verhältnis zwischen der europäischen Fusi-          dient – ist seine Anwendung in der Pra-
    onskontrolle und den nationalen Vorschriften zur        xis weniger einfach. Die EU und die natio-
    Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen (fo-        nalen Regulierungsbehörden (aktuell ha-
    reign direct investment, „FDI“) erlassen (Presse-       ben 18 Mitgliedstaaten FDI-Vorschriften
    mitteilung v. 21. Februar 2022, abrufbar hier).         erlassen) können unterschiedliche Ansich-
                                                            ten darüber haben, was ein berechtigtes In-
    Die Kommission stellte fest, dass das Veto der          teresse ist. Selbst die EU legt den Begriff
    ungarischen Regierung gegen die Übernahme               unterschiedlich weit aus: Gründe der öf-
    der ungarischen Tochtergesellschaften der AE-           fentlichen Ordnung, wie die Sicherstel-
    GON-Gruppe durch die Vienna Insurance Group             lung der Versorgung mit Energie, Rohstof-
    („VIG“) auf der Grundlage nationaler FDI-Vor-           fen und Nahrungsmitteln sind nach der
    schriften gegen die ausschließliche Zuständigkeit       EU-Screening-Verordnung zulässig, nicht
    der Kommission für die Prüfung von Zusammen-            aber nach der FKVO. Das kann zu Unsi-
    schlüssen mit unionsweiter Bedeutung verstößt.          cherheiten und Verzögerungen bei Trans-
    Die Zuständigkeit Letzterer wird anhand der Um-         aktionen führen.
    satzzahlen der beteiligten Unternehmen bestimmt
    (vgl. Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO).

    Art. 21 Abs. 4 FKVO sieht vor, dass die Mitglied-
    staaten Maßnahmen zum Schutz berechtigter In-
    teressen der öffentlichen Sicherheit, Medienviel-
    falt und Aufsichtsregeln treffen können. Darunter
    fallen grundsätzlich auch FDI-Vorschriften, die
    es Regulierungsbehörden erlauben, Zusammen-
    schlüsse, die nationale Interessen bedrohen, zu
    prüfen, mit Auflagen zu versehen oder schlimm-
    stenfalls zu untersagen. Maßnahmen, die einem
    darüber hinausgehenden öffentlichen Interesse
    dienen, müssen der Kommission vorab zur Prü-
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    marc.schweda@​hoganlovells.com
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    Partner, München
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                                                         www.hoganlovells.com
Shanghai FTZ*
Silicon Valley
Singapore
Sydney                                                   “Hogan Lovells” or the “firm” is an international legal practice that includes
                                                         Hogan Lovells International LLP, Hogan Lovells US LLP and their affiliated businesses.
Tokyo
                                                         The word “partner” is used to describe a partner or member of Hogan Lovells
Ulaanbaatar*                                             International LLP, Hogan Lovells US LLP or any of their affiliated entities or any employee
                                                         or consultant with equivalent standing. Certain individuals, who are designated as
Warsaw                                                   partners, but who are not members of Hogan Lovells International LLP, do not hold
                                                         qualifications equivalent to members.
Washington, D.C.
                                                         For more information about Hogan Lovells, the partners and their qualifications,
                                                         see www. hoganlovells.com.
*Our associated offices                                  Where case studies are included, results achieved do not guarantee similar outcomes
                                                         for other clients. Attorney advertising. Images of people may feature current or former
**Progressing with a wind down of operations in Moscow   lawyers and employees at Hogan Lovells or models not connected with the firm.
Legal Services Centre: Berlin                            © Hogan Lovells 2022. All rights reserved. BT-REQ-350
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