Medizinpsychologische Aspekte des Diabetes mellitus - Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie

 
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Medizinpsychologische Aspekte des Diabetes mellitus - Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie
Zentrum für Psychosoziale Medizin
      Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie

Medizinpsychologische Aspekte des
        Diabetes mellitus
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Glukose
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Quelle: http://wehrmann-broadcasting.com/aktuelle_Demos/diabetes_ani_deutsch.mpg
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Differentialdiagnostische Kriterien für
              Typ 1 und Typ 2 Diabetes mellitus
Merkmal                      Typ 1                                Typ 2
Manifestationsalter meist Kinder,                  meist mittleres und
                    Jugendliche und junge          höheres
                    Erwachsene                     Erwachsenenalter
Auftreten/Beginn    akut bis subakut               meist schleichend
Symptome            häufig Polyurie, Poly-         häufig keine
                    dipsie, Gewichtsverlust,       Beschwerden
                    Müdigkeit
Körpergewicht       meist normalgewichtig          meist übergewichtig

Familiäre Häufung   gering                         typisch

Prävalenz           etwa 550.000                   etwa 5 Mio bekannt, hohe
                                                   Dunkelziffer

                                       Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (2002)
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Prävalenz des Diabetes nach
Alter, Geschlecht und Regionen

       Quelle: RKI (2005). Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 24
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Prävalenz des Diabetes in Deutschland in Abhängigkeit
              von der sozialen Lage (%)
       10,0
                                                           Unterschicht
                                     8,5
                                                           Mittelschicht
        8,0
                                                           Oberschicht
                 5,6
        6,0

        4,0            3,5                 3,4
                          2,5
        2,0                                      1,6

        0,0
                   Mäner              Frauen
       Nach: RKI (2005). Gesundheitsberichterstattung des Bundes (www.rki.de)
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Relatives Risiko für ausgewählte Spätschäden und
  Begleiterkrankungen bei Diabetesbetroffenen

              Quelle: RKI (2005). Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 24
Diabetes mellitus: Krankheitsfolgen (RKI, 2005)
•   Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Erhöhtes Risiko und
    beschleunigter und schwererer Verlauf.
    Betroffen sind vor allem Blutgefäße im Bereich von Herz, Gehirn
    und Beinen (periphere arterielle Verschlusskrankheit).
    Erhöhte Sterblichkeit innerhalb von 28 Tagen nach Herzinfarkt
    bei Frauen 50% und bei Männern 70 %.

•   Die Schäden an den Blutgefäßen betreffen auch die kleinen
    Blutgefäße der Netzhaut (Retina), was mit der Zeit zu
    erheblichen Sehbeeinträchtigungen bis hin zur Erblindung
    führen kann (ca. 3000 – 4000 Neuerblindungen pro Jahr).
Diabetes mellitus: Krankheitsfolgen (RKI, 2005)
•   Diabetische Fußkomplikationen: 44.000 Fußamputationen in
    Deutschland. Knapp 70 % der Fälle, also etwa 30.000
    Amputationen, standen mit einer Diabetes-Vorerkrankung in
    Zusammenhang

•   Diabetische Nierenschäden: 20% aller Patienten mit
    gravierenden Schäden, 36% aller Patienten mit terminaler
    Insuffizienz

•   Neuropathie: 13–17% der Typ-I- bzw. 35% der Typ-II-
    diabetischen Personen hatten eine klinisch nachweisbare
    periphere Neuropathie
Primärprävention Typ 1 Diabetes mellitus?

Bisher existieren keine gesicherten Maßnahmen zur
      Prävention des Typ 1 Diabetes mellitus!

                          Quellen: RKI (2005). Gesundheitsberichterstattung des Bundes
                                    Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (2004)
Sekundärprävention des Typ 2 Diabetes mellitus:
    Studie der Diabetes Prevention Program Research Group*

Fragestellung:
    Kann man durch die Einnahme von Metformin (=Antidiabetikum) oder eine
    Lebensstiländerung die Ausbildung Diabetes mellitus Typ 2 verzögern oder gar
    verhindern?

Vorgehensweise:
    3.234 Nichtdiabetiker mit erhöhter Glucoseplasmakonzentration, also mit erhöhtem
    Risiko zur Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2, wurden randomisiert in drei
    Gruppen aufgeteilt:

    1. Metformingabe: 850 mg zweimal täglich und Empfehlung sowie Informationen
    zur Änderung des Lebensstils
    2. Intensivierte Änderung des Lebensstils mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion
    um mindestens 7% und einer körperlichen Betätigung mindestens 150 Minuten pro
    Woche durch individuellen Case-Manager und Gruppenangebote
    3. Placebogabe

                                                                      * N Engl Med (2002)
Sekundärprävention des Typ 2 Diabetes mellitus:
Studie der Diabetes Prevention Program Research Group*

                                 Fazit:
                                 Sowohl die Änderung des
                                 Lebensstils als auch die
                                 Behandlung mit Metformin
                                 reduzierten die Inzidenz
                                 von Diabetes bei Personen
                                 mit erhöhtem
                                 Erkrankungsrisiko.

                                 Die Änderung des
                                 Lebensstils war effektiver
                                 als die Gabe von
                                 Metformin.

                                                * N Engl Med (2002)
Prävention der Spätschäden?

         Es kann heute als gesichert gelten, dass eine gute
         Blutzuckereinstellung das Risiko des Auftretens
      diabetesbezogener mikroangiopathischer Spätschäden
(Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie) bzw. deren Progression
      erheblich reduziert, insbesondere beim Typ 1 Diabetes
              (30–50% Reduktion von Spätschäden).

                                Quellen: RKI (2005). Gesundheitsberichterstattung des Bundes
                                          Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (2004)
Therapie

• Diabetes mellitus Typ 1:
   Insulinsubstitution = Ersetzen des fehlenden Insulins

• Diabetes mellitus Typ 2:
   Änderung des Lebensstils, Medikamenteneinnahme,
   Insulingabe

⇒ Selbstmanagement!
Diabetes mellitus: Blutzuckermessung
Diabetes mellitus: Injektionshilfen

                                 Quelle: www.novonordisk.de
Diabetes mellitus: Injektionshilfen

Quelle: www.novonordisk.de
Verteilung der HbA1c-Werte bei Patienten mit
     diagnostiziertem Diabetes mellitus

         (Steinbrook, 2006, N Engl J Med)
Bedeutung Psychosoziale Faktoren?

•   Für die Therapie und langfristige Prognose des Diabetes mellitus
    sind somatische und psychosoziale Faktoren gleichermaßen von
    großer Wichtigkeit.
•   Bei der Diabetestherapie kommt dem Patienten die
    entscheidende Rolle zu, da dieser die wesentlichen
    Therapiemaßnahmen des Diabetes in seinem persönlichen Alltag
    dauerhaft und eigenverantwortlich umsetzen muss.
•   Die Prognose des Diabetes hängt daher zu einem großen Teil
    davon ab, inwieweit dies dem Betroffenen auf dem Hintergrund
    seines sozialen, kulturellen, familiären und beruflichen Umfeldes
    gelingt.
    Quelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und Deutsches Kollegium Psychosomatische Medizin (DKPM)
                                       (2003). Evidenzbasierte Leitlinie - Psychosoziales und Diabetes mellitus.
                                                Online verfügbar: www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/057-015.pdf
Psychosoziale Faktoren: Ziele

•   Erwerb von Wissen und Fertigkeiten zur Selbstbehandlung
    und deren Umsetzung im Alltag;

•   emotionale und kognitive Akzeptanz des Diabetes;

•   Bewältigung des Diabetes und seiner möglichen
    Konsequenzen in allen betroffenen Lebensbereichen und
    verschiedenen Krankheitsstadien (z.B. diabetesspezifische
    Belastungen, Akut- und Folgekomplikationen);
„Psychological Insulin Resistance“ bei Typ 2 Diabetes

Attitudes                                         Unwilling            Willing

Expected harm: Insulin therapy can cause            17%                   8%
problems, such as blindness
Lack of fairness: I’ve done everything I was        41%                  21%
supposed to; if I had to do insulin therapy, it
just wouldn’t be fair
Anticipated pain: I couldn’t take the needle        51%                  30%
every day; it would be just too painful
Personal failure: Insulin therapy would             55%                  34%
mean I had failed, that I hadn’t done a good
enough job taking care of my diabetes

                                                          Quelle: Polonsky et al. (2005)
Diabetesschulung

•   Die Patientenschulung stellt einen integralen Bestandteil der
    Therapie von Patienten mit Diabetes dar.

•   Die grundsätzliche Effektivität (Wirksamkeit) und Effizienz
    (Kosten-Nutzen-Analyse) von Schulungs- und Behandlungs-
    maßnahmen kann als gesichert angesehen werden.

•   Trotzdem entspricht die Praxis der Schulung nicht den
    vorliegenden Erkenntnissen. Besonders bei Patienten mit Typ 2
    Diabetes gibt es in Deutschland ein Schulungsdefizit.
Diabetesschulung

•   Die Hospitalisationsrate wird durch Schulungen verringert.1
•   Die Gesamtkosten im Gesundheitswesen werden reduziert.1

• Kontrollierte Studien konnten zeigen, dass die Schulung
  von Diabetikern
⇒ “zu einer Verbesserung des Wissens über … Diabetes, …
  Compliance, Stoffwechseleinstellung,
⇒ zu einer Reduktion diabetischer Folgen wie auch lebensbedrohlicher
  Ketoazidosen,
⇒ einer verbesserten Krankheitsakzeptanz, Lebensqualität … führen
  kann”. 2

                                                                 Der Internist Suppl 1•2001, M.Frank 1
           Kulzer B (1992) Psychologische Interventionskonzepte in der Therapie des Diabetes mellitus 2
Diabetesschulung: Wissensvermittlung
•   Schulungsformen, die primär auf die Wissensvermittlung über die
    Ursachen des Diabetes und dessen Behandlung abzielen, haben
    nachgewiesenermaßen einen Einfluss auf das Wissen der
    Patienten.

•   Dieser Wissenszuwachs steht aber zumeist in keinem
    Zusammenhang mit behandlungsrelevanten Verhaltensweisen
    oder Merkmalen der glykämischen Kontrolle bzw. einer Reduktion
    von Risikofaktoren für diabetesassoziierte Folgekomplikationen

•   Diabetesspezifisches Wissen ist eine zwar notwendige, aber nicht
    hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche Selbstbehandlung.
Diabetesschulung für Diabetiker ohne Insulinbehandlung

Das strukturierte Behandlungs- und Schulungsprogramm (DBSP) für
Typ-2- Diabetiker ohne Insulinbehandlung:

⇒ In der Regel leiten ausgebildete Arzthelferinnen die Gruppen von bis
  zu vier Patienten
⇒ Schulung = 4x wöchentlich, 90 bis 120 Minuten
⇒ Schulungsthemen:
9 Ziele der Diabetestherapie
9 Beschwerden und Langzeitfolgen der Hyperglykämie
9 Harnzuckerselbstmessung
9 bei adipösen Patienten Durchführung kalorienreduzierter Mischkost
9 Auslassversuch oraler Antidiabetika
9 Prävention von Fußkomplikationen
9 Kontrolluntersuchungen
 H. Buhk · W. Lotz-Rambaldi Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,Hamburg; Compliance und Patientenschulung bei
 Diabetes mellitus Typ 2
Diabetesschulung für Diabetiker ohne Insulinbehandlung
                                                                                                    Orales Antidiabetikum,
     Ergebnisse:                                                                                    das Insulinfreisetzung
     1                                                                                              stimuliert
      Programmteilnehmer
     - konnten in der 1-Jahreskatamnese ihr Körpergewicht reduzieren,
     - mussten weniger Sulfonylharnstoff einnehmen,
     - erreichten einen geringeren Serumtriglyzeridspiegel.           Natürliche Fette
                                                                                                                                  bestehen zum größten
     In einer Kontrollgruppe traten keine dieser Veränderungen auf.                                                               Teil aus Triglyzeriden

     Während aus der Interventionsgruppe niemand auf Insulin umgestellt werden musste,
     wurde in der Kontrollgruppe bei 10% der Patienten mit einer Insulintherapie begonnen.
     Der HbA1c- Wert (spiegelt Blutzuckerwerte der letzten 3 Monate wider) blieb in beiden
     Gruppen unverändert.

     2Bei einer anderen Untersuchung konnte nach Teilnahme an der Schulung neben einer
     Reduktion des Körpergewichts und einer Abnahme der Einnahme von Antidiabetika eine
     Senkung des HbA1c-Wertes beobachtet werden.

1 Kronsbein P, Jörgens V, Mühlhauser I, Scholz V, Venhaus A,Berger M (1988) Evaluation of a structured treatment and teaching programme on non-insulin-
dependent diabetes. Lancet 17 2 (8625):1407–1411 1

2 Grüßer M,Bott U, Ellermann P, Kronsbein P, Jörgens V (1993) Evaluation of a structured treatment and teaching program for non-insulintreated type II
Diabetic outpatients in Germany after the nationwide introduction policy for physicians.Diabetes Care 16:1268–1275 2
Diabetesschulung für Diabetiker mit Insulinbehandlung

=> etwas längere Schulungsdauer (fünf Unterrichtseinheiten)

=> zusätzliche Themen wie
9Ziele der Insulintherapie
9Erkennung, Therapie und Prävention von Hypoglykämien
9korrekter Umgang mit Insulin
9Stoffwechselselbstmessungen von Blut- bzw.Urinzucker
9Adaptation der Insulindosis durch den Patienten
9Abstimmung von Kost und Insulintherapie
9Berücksichtigung außergewöhnlicher körperlicher Belastungen
Typ 2 Diabetes bei älteren Patienten:
        Ein vernachlässigtes Gesundheitsproblem!

•   Compliance und Behandlungsprobleme älterer Typ 2 Diabetiker
    stellen angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft eine
    wachsende Herausforderung dar

•   Ältere Typ 2 Diabetiker sind eine von Ärzten, Forschern und dem
    Versorgungssystem vernachlässigte Patientengruppe

               Quelle: Lotz-Rambaldi & Koch (1998). Typ-II-Diabetes im Alter: Ein Compliance-Problem?
                       In F. Petermann (Hrsg), Compliance und Selbstmanagement. Göttingen: Hogrefe.
„Gründe“ für mangelndes Interesse:

•   „typische Alterserkrankung“
•   Vom Alter normiertes Lebensereignis
•   Kein „unverdientes Schicksal“
•   Keine klassische medizinische Herausforderung
•   Behandlung des Typ 2 Diabetikers „ewige Wiederkehr des Gleichen“
•   Behandlungsverfahren bei Typ 2 oft frustrierend („Quasselmedizin“)
•   Nur geringe medikamentöse Möglichkeiten
•   Keine wesentlichen Neuerungen in der Therapie zu erwarten

                 Quelle: Lotz-Rambaldi & Koch (1998). Typ-II-Diabetes im Alter: Ein Compliance-Problem?
                         In F. Petermann (Hrsg), Compliance und Selbstmanagement. Göttingen: Hogrefe.
Hintergrund

Depression und Diabetes
Prävalenz
¾ Metaanalysen zeigen, dass die Punktprävalenz komorbider depressiver
   Erkrankungen bei Typ 1 und Typ 2 Diabetikern zwischen 15% und 30% liegt
  (Anderson et al., 2001; Piette et al., 2004)

Auswirkungen
¾ erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken (Kumari et al., 2004)
¾ bei bestehendem Diabetes:
    • schlechtere Blutzuckerwerte (je depressiver, umso schlechter die
       Blutglukoseeinstellung) (Lustman et al., 2000)
    • insgesamt mehr Komplikationen (je depressiver, umso höher die Zahl und
       Schwere der Komplikationen) (Bruce et al., 2005)
    • höhere Behandlungskosten (direkt durch höhere Inanspruchnahme,
       indirekt über verringerte Arbeitsproduktivität) (Simon et al., 2002)
Einfluss von Depression auf Medikamenten-Compliance

Tab. 1
                   Problems with medication adherence, N=5312                        Problems with health behavior, N=5091
                                                   *                                                             *
                                                                                                R2=.07               R2=.17

* Adjustiert nach Alter, Geschlecht, Berufsstatus, Anzahl Schuljahre, Familienstand, binäre logistische und lineare Regressionsmodelle
Einfluss von Depression auf HbA1c

                       Glycemic control at baseline, N=910                        Glycemic control at follow-up, N=749
Tab. 2
                                                       *                                                          *

* Adjustiert nach Alter, Geschlecht, Berufsstatus, Anzahl Schuljahre, Familienstand, ordinale logistische Regressionsmodelle
Behandlungsziele: St. Vincent Deklaration der WHO

  Ohne evidenzbasierte medizinpsychologische
           Kompetenz zu erreichen?
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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