Das Burn-out-Syndrom verstehen lernen - der erste Schritt zur Prävention Bruno Müller-Oerlinghausen Charité - Universitätsmedizin Berlin
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Das Burn-out-Syndrom verstehen lernen – der erste Schritt zur Prävention Bruno Müller-Oerlinghausen Charité - Universitätsmedizin Berlin „Leben im Ungleichgewicht“ 10 Jahre Netzwerk gegen Depression Gifhorn 17.11.2012
Erschöpft – verbittert – ausgebrannt…. „Burnout ist in aller Munde, aber deshalb noch lange keine Diagnose – noch nicht. Es ist aber sehr wohl ein beklagenswerter Zustand, der immer häufiger wird. Und der verhängnisvolle Konsequenzen für den Betroffenen und sein Umfeld hat: Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, nicht zuletzt für die Gesundheit.“ V. Faust, Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Gesundheit
Was heißt „burn-out“? • Technisch: Ausfall eines Flugzeugtriebwerks wegen Treibstoffmangel Durchbrennen von Brennstoffelementen (Überhitzung!) im Reaktor • Psycho-poetisch: Inneres Feuer erloschen mangels Brennstoffzufuhr • Psychotechnisch : Nicht „Arbeitsmüdigkeit“, sondern: Negative Folge beruflicher Überbeanspruchung mit progressiver körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung, innerer Distanzierung, schließlich Leistungsabfall Merke Ausgebrannt sein kann nur einer, der zuvor „entflammt“ war.
Vorkommen I Ursprünglich das „Stress-Syndrom der helfenden Berufe“ Oder: „Die Folgen von schlechten Bedingungen, unter denen viele gute Leute tätig sind.“ (V.Faust) Heutzutage ein komplexes Beschwerdebild und Leiden, das zwar immer häufiger beobachtet und von den Medien begierig aufgegriffen wird, das aber in der (psychiatrischen, internistischen) Wissenschaft und Lehre noch keinen etablierten Platz hat, deshalb auch noch offenes Feld bez. adäquater Beratung, Therapie und Prävention (keine ärztlichen Leitlinien)
Vorkommen II Burn-out – Statistik An Burn-out leiden angeblich 30-35 % der deutschen Lehrerinnen/Lehrer 40-60 % der deutschen Pflegekräfte 15-30 % deutscher Ärztinnen/Ärzte Rösing, 2003 Unter Schweizer Ärztinnen/Ärzten werden bei 31 % erhöhte emotionale Erschöpfung bzw. Depersonalisation bei 5 % hochgradiges burn-out beobachtet. Goehring et. al. 2005
Sozialmedizinische Dimension : Geschätzte Kosten von Burn-out (Vgl. Jaggi 2008) Durch Stressfolgen gehen jährlich in England 40 Millionen Arbeitstage verloren. Bödecker et.al. 2002 In der Schweiz gingen 2002 4,1 Milliarden CHF (entspr. 1,2 % des Bruttosozialprodukts!) wegen Arbeitsausfällen aufgrund von Stresserkrankungen verloren. v. Däniken, 2005 TKK : 10 Mio AU-Tage
Ist Burn-out (Zustand der totalen Erschöpfung; engl. vital exhaustion; H.Freudenberg 1974 ) eine Krankheit ? International Classification of Diseases ICD-10 Abteilung Z (Sonstige) : Z 73.0: „Faktoren,die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. F 48.0 Neurasthenie (Diff. Angst/Depression); Keine berufl.Überlastung. Frühere Trend-Diagnose! Depression F 32/F 33 : Depression Keine volle Symptomübereinstimmung! Burn-out G 93.3 Chronic Fatigue Syndrome M 79.9 Fibromyalgie (v.a. Schmerzen, verbunden mit Angst/Depression
Diagnose einer depressiven Episode 1. Ausgeprägte depressive Verstimmung 2. Verlust von Freude und Interessen 3. Antriebsminderung und Müdigkeit 4. Einbruch von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl 5. Übertriebene Selbstvorwürfe und Schuldgefühle 6. Körperliche Symptome (z.B. Störung des Essverhaltens mit Gewichtsveränderungen) 1-3 typisch für Burn-out, 4-6 nicht unbedingt identisch mit Burn-out- Symptomatologie In neuester europäischer Studie zur Häufigkeit von bzw. Belastung durch neuro-psychiatrische Erkrankungen steht unipolare Depression an dritter bzw. erster Stelle. Burn-out kommt nicht vor. (Wittchen et.al.2011)
Burn-out :Epidemie oder Hysterie ? Positionspapier der DGPPN 2012 • Warnung vor • Burn-out Symptome können durch unwissenschaftlichem und ein breites Spektrum von unkritischen Gebrauch des Begriffs Erkrankungen hervorgerufen burn-out für sämtliche Störungen werden. im Zusammenhang mit einer • Burn-out-Prävention ist nicht Arbeitsbelastung Aufgabe des medizinischen • Kein Ausscheren aus Versorgungssystems, sondern der internationaler Sozialpartner, Krankheitsklassifikation ICD-10. Arbeitgeber,Krankenkassen, Kein deutscher Sonderweg. Politiker. • Ohne Bezug zu ICD-10 Gefahr, • Mehr Forschung ist für fundierte dass bestbelegte Therapien zum Entscheidungen bez. präventiver Schaden der Patienten nicht und therapeutischer Möglichkeiten angewandt werden notwenig. • Burn-out ist keine Krankheit sondern eine Risikokonstellation
Entstehung und Verlauf (Vgl. Jaggi 2008) • Burn-out wird ausgelöst durch nicht-bewältigten Stress. (Stressoren unspezifisch) Der innere Stress ist gefährlicher als der äußere ! • Erfolgreiches Stressmanagement wird reduziert durch Persönlichkeitsmerkmale: • - Dysthymie, mangelndes Selbstvertrauen, erhöhte Verletzlichkeit bei Enttäuschungen/Verlusterfahrungen • In der Folge: sinkende Arbeitszufriedenheit, psychische Erschöpfungszeichen (plus Überengagement) • Im Weiteren: Arbeitslust nimmt ab, man distanziert sich („innere Kündigung“), regressive Stimmung des Versagens und (destruktiv- aggressiver) Schuldzuweisung an andere. (Rundum-Schlag…) • Progressive Verflachung im gesamten emotionalen, sozialen, geistigen Leben. Rückzugstendenzen. • Psychosomatische Beschwerden, erhöhte Infektanfälligkeit etc. • Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Suizidalität….
Symptome des Burn-out • Emotionale Symptome: z.B. verringerte emotionale Belastbarkeit, Gefühl der inneren Leere; Hang zu Nörgelei, Intoleranz; Rückzug; • Soziale Symptome: Unfähigkeit anderen zuzuhören, verschieben von Kundenkontakten; Ehe-und Familienprobleme; häufige Krankschreibung am Arbeitsplatz usw. • Intellektuelle Symptome: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisausfälle; Weigerung sich auf Neues einzulassen • Körperliche Symptome: Schlafstörungen; Muskelverspannungen; Magen-Darm-Beschwerden; Immunschwäche usw.
Die 3 Phasen der Stressreaktion Unterscheide äußere/innere Stressoren und Stressreaktion! 1. Phase der Aktivierung: Sympathisches Nervensystem, Adrenalin- und Kortisol-Ausschüttung: Schwitzen, Zittern, Herzklopfen, Harndrang, Juckreiz etc. Aber auch überschnelles Sprechen… Überangepasstes Verhalten… 2. Widerstandsphase: gestörte Schilddrüsen- und Sexualfunktion, Schlafstörungen, Atembeschwerden, Kälteintoleranz,… Obstruktives Arbeitsverhalten, undifferenzierte Aggression… 3. Erschöpfungsphase (Regression): Funktionelle kardiale und gastrointestinale Symptomatik, aber auch Herzinfarkt, Magenulcus,etc. Bedrohliche psychische Symptome
3 Formen der Stressbewältigung (Coping) Lazarus 1999 1. Emotionszentriertes Coping : z.B. Tagebuch, Mediatation, geführte Entspannung… 2. Problemzentriertes Coping: Änderung des Arbeitsstils, der Arbeitsbedingungen, Ruhezeiten einführen, kompetente Supervision etc. 3. Soziale Unterstützung in Anspruch nehmen. Geglücktes Stress-Coping wird erschwert durch folgende Persönlichkeitsmerkmale : • Perfektionismus • Selbstwertdefizit • Übermäßige Leistungsorientierung und Überanspruch an sich selbst • Idealismus….
Die 4 „E“ der Burn-out-Behandlung –und Prävention Jaggi 2008 1. Erkennen (des Risikos bzw. der eingetretenen Störung) 2. Entlastung (Reduktion der Stressoren) 3. Erholung (Antagonisierung bzw. Prävention der Stressreaktion, Entspannung ohne neuen Stress… ) 4. Ernüchterung/Besonnenheit (Perfektionismus und Idealismus begrenzen, Eigenbedürfnisse situationsgerecht durchsetzen, neue Prioritäten setzen)
Burn-Out-Prophylaxe V.Faust, Arbeitskreis Psychosoziale Medizin, 2011 • Freizeit bleibt freie Zeit • Riskante Betriebsamkeit • Genügend Schlaf • Nickerchen, Power-Nap • Ausreichend körperliche Aktivität • Gesunde Nahrung, Alkohol und Kaffee in Maßen • Entspannungstechniken lernen • Pflege von Kontakten • Pflege von Hobbies • „Geben ist seliger denn Nehmen“ • Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.(Schopenhauer)
„Why are some people healthy and some not“ ? Evans et al. 1974 Salutogenese anstatt Pathogenese „Zugehörigkeit oder Kohärenz und Selbstvertrauen als Bedingungen der Gesundheit“ (Meyer-Abich 2010) Kohärenzgefühl (Antonovsky, 1979) : • Verständlichkeit des Geschehens • Bedeutung des Geschehens • Möglichkeit, damit umzugehen. In anderen Worten: Aufeinanderbezogensein von Innen und Außen. Teilhaftigkeit am Ganzen – Gefühl der Zugehörigkeit (← Selbstvertrauen, Grundvertrauen), damit Möglichkeit, sich der Welt im Ganzen aussetzen zu können
Burn-out-Prävention ist mehr als „Entspannung“ Harmonisierung von Innen und Außen Loslassen und in der Entspannung Sinnen-Belebung Achtsamkeits-/Aufmerksamkeits-Training Puzzleteile des Lebens neu ordnen – …und das Gefühl mit hinein nehmen (Feste Zeiten auch und gerade für das Privatleben, erfüllte Pausen einbauen, - aber dies darf nicht wieder zum Stress werden!)
Unsere Sinne sind ein direkter Weg zu unseren Gefühlen Das Organ, mit welchem der Mensch spürt (seine Umwelt, seinen Partner, sich selbst…) und welches in direkter Wechselwirkung zu unseren Gefühlen steht, ist die HAUT. Über dieses größte Sinnesorgan kann schnell und direkt Kontakt mit dem limbischen System aufgenommen werden: dem Ort der Emotionen und Ort der krankmachenden Emotionsstaus - die wiederum oft am begleitenden Symptom der Berührungs-Armut/- Furcht erkennbar sind.
Antidepressive und anxiolytische Wirksamkeit von psychoaktiven Massagen • B. Müller-Oerlinghausen, C. Berg, P. Scherer et.al. (2004): Wirkungen einer „Slow Stroke“-Massage als komplementäre Therapie bei stationären depressiven Patienten. Ergebnisse einer kontrollierten Studie (SeSeTra) Dtsch med Wochenschr 129:1363 -1368 www.slowstrokemassage.de S. Baumgart, B. Müller-Oerlinghausen, C.F.G. Schendera (2011 ): Wirksamkeit der Massagetherapie bei Depression und Angsterkrankungen sowie bei Depressivität und Angst als Komorbidität – Eine systematische Übersicht kontrollierter Studien. Phys Med Rehab Kuror 21:167 - 182
Schmecken Genießen Aus Gästebroschüre von „Zur Bleiche“,Spreewald
Innen und Außen harmonisieren, Kohärenzgefühl stärken Aus Gästebroschüre von „Zur Bleiche“,Spreewald
Bedeutung des Tastsinns Meyer-Abich, 20010 „Wir erkennen die natürliche Mitwelt nicht in der distanzierten, sondern in der teilnehmenden Beobachtung“ „Auf die fünf Sinne bezogen ist es vor allem der Tastsinn, der nicht entfremdende Erfahrung ... bietet, denn hier empfindet man mit dem Gegenstand immer auch zugleich und ungeschützt sich selbst.“ „Wie ich berühre, so bin ich berührt.“
Wasser, Kühle, Frische Erwachen der Sinne Aus Gästebroschüre“Zur Bleiche, Spreewald
Wieder neugierig werden Aus Gästebroschüre „Zur Bleiche“ Spreewald
Ruhe, zu sich kommen, Atem bewusst machen, Innenschau Gästebroschüre „Zur Bleiche“ Burg/Spreewald
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