Zwischen Science und Fiction

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Zwischen Science und Fiction
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                                                                                                  Inhalt

                                                                                       S.    4    Die Vision von Atlantropa
                                                                                       S.     7   Zeitreisen
                                                                                       S.    11   „Beamen“ in der Quantenphysik?
                                                                                       S.   14    Die Zukunft vor Augen: Science-Fiction im Kino
                                                                                       S.   17    Auf zum Mars!
                                                                                       S.   21    Das Morgen von Gestern: eine Zeitreise zurück
                                                                                                  in die Zukunft
                                                                                       S. 24      Der Blick in die Zukunft

Stellen Sie sich einen Flohmarkt in 50 Jahren vor: Beim Stöbern finden Sie                        Impressum
dieses Quarks & Co-Script mit seinen Vorhersagen über die Zukunft. Welche
davon werden Wirklichkeit sein und welche sind Utopie geblieben?                        Text:     Jakob Kneser, Thomas Kresser, Christoph Marty, Anke Rau,
                                                                                                  Martin Rosenberg, Christoph Schmidt
Auch Quarks & Co hat sich zwischen Vergangenheit und Zukunft umgesehen.            Redaktion
Auf einem Flohmarkt haben wir ein Magazin aus dem Jahr 1955 entdeckt, in                 und
dem Ingenieure ihre Visionen beschreiben. Einige davon sind längst Alltag       Koordination:     Monika Grebe
geworden, andere kommen uns heute naiv vor.                                        Copyright:     WDR, April 2006
                                                                                  Gestaltung:     Designbureau Kremer & Mahler, Köln
Der Wunsch in die Zukunft zu schauen, hat Schriftsteller und Forscher schon
immer inspiriert. Ein Beispiel dafür ist das Buch „Die Zeitmaschine“ von H.G.                     Einleitungstext und „Das Morgen von Gestern: eine Zeit-
Wells aus dem Jahr 1895. Wie weit Wissenschaftler heute mit ihren                                 reise zurück in die Zukunft“ entstanden in Kooperation mit
Versuchen sind, die Zeit zu besiegen, erfahren Sie in diesem Script. Auch dem                     dem Lehrstuhl für Wissenschaftsjournalismus Dortmund
Beamen, bekannt aus Star Trek, sind Forscher ein Stück näher gekommen –
wenngleich sie statt Menschen nur einzelne Photonen teleportieren können.

Die ersten Weltraumtouristen von heute müssen sich allerdings noch mit
konventionellen Raketen und der Enge von Raumstationen begnügen. Denn
Luxushotels auf fremden Planeten sind immer noch ein Traum der Zukunft.
                                                                                                  Bildnachweise
Schon jetzt ein Gruß aus der Gegenwart – auch an jene, denen dieses Script                        alle Abbildungen WDR außer:
in 50 Jahren in die Hände fällt. Vielleicht sogar auf einem Flohmarkt auf dem
Mars. Viel Spaß beim Stöbern wünscht Ihnen Ihr Quarks-Team!                            S.   17    Mondlandung; Rechte: dpa
                                                                                       S.   18    Mars; Rechte: dpa
                     Weitergehende Informationen zu diesem Thema,                      S.   24    Delphi; Rechte: dpa
                     sowie Link- und Lesetipps, finden Sie auf unserer                 S.   25    Computer; Rechte: dpa
                     Homepage unter: www.quarks.de                                     S.   27    Die Grenzen des Wachstums; Rechte: dpa

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Zwischen Science und Fiction
Die Vision von Atlantropa

                                  Neues Land aus dem Mittelmeer                              Auch die Energieprobleme wären gelöst

                                  Es war eine Vision des Friedens in einer unruhigen Zeit:   Gemeinsam mit dem Schweizer Ingenieur Bruno
                                  neuer Lebensraum, futuristische Städte, Energie im Über-   Siegwart beginnt Sörgel Ende der 20er Jahre die kon-
                                  fluss und dauerhafter Frieden für einen ganzen             krete Planung des Staudamms in der Meerenge von
                                  Kontinent. Die Utopie von „Atlantropa“ entstand in den     Gibraltar: Er soll nicht an der schmalsten Stelle entste-
                                  1920er Jahren und sah vor, dass das Mittelmeer teilweise   hen, sondern etwa 30 Kilometer westlich, wo das Meer
                                  trocken gelegt werden sollte. Ein gigantischer Stau-       weniger tief ist. Rund 2,5 Kilometer breit soll das
                                  damm sollte die Meerenge von Gibraltar verschließen        Fundament sein, der Wall von dort aus etwa 300 Meter
                                  und so den Wasserzufluss aus dem Atlantik regulieren.      in die Höhe ragen. Die beiden Techniker veranschlagen
      Um 200 Meter sollte das     Alle anderen Mittelmeerzuflüsse sollten ebenfalls abge-    eine Zeit von etwa 10 Jahren für ihren Riesenbau, etwa       Ein Staudamm sollte aus Wasser-
 Mittelmeer abgesenkt werden      riegelt werden. Ohne den Wasserzufluss würde das           eine Million Arbeiter planen sie ein. Energieprobleme        kraft 50.000 Megawatt Strom pro-
                                  Mittelmeer durch Verdunstung langsam austrocknen. Am       würde der Damm gleich mit lösen: riesige Wasser-             duzieren
                                  Ende wäre es um rund 200 Meter abgesenkt. Insgesamt        kraftwerke sollten die angrenzenden Länder mit Strom
                                  entstünden rund 500.000 Quadratkilometer Neuland,          versorgen.
                                  eine Fläche, die so groß ist wie Frankreich und Belgien
                                  zusammen.
                                                                                             Keine Chance bei den Nazis

                                  Europa und Afrika sollten verschmelzen                     Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im
                                                                                             Jahr 1933 erfährt das Atlantropa-Projekt einen ersten
                                  Was fantastisch klingt, war der ernsthafte Plan des        Dämpfer. Denn die Nazis sind von Sörgels international
                                  Münchner Architekten Herman Sörgel, der sich               angelegtem Friedensprojekt wenig begeistert. Sörgel
                                  „Atlantropa“ Mitte der 1920er Jahre ausdachte. Als Sohn    passt seine Pläne daraufhin den neuen politischen
                                  eines Wasserbaubeamten war er schon als Jugendlicher       Gegebenheiten an: Er rückt die Achse Berlin-Rom ins
                                  von Staudämmen fasziniert. So entsteht sein Plan, das      Zentrum und versucht so, sein Atlantropa zu einem
                                  Mittelmeer teilweise trockenzulegen, um neuen Lebens-      faschistischen Friedensprojekt umzuwandeln. Aber die
                                  raum und damit Wohlstand zu schaffen – ein gigan-          Nazis stehen seinem Vorhaben weiterhin ablehnend             Die Machtergreifung der National-
                                  tisches, technokratisches Friedensprojekt, denn die        gegenüber. Als Sörgel schließlich öffentlich die Rüs-        sozialisten ist ein Rückschlag für
Der Münchner Architekt Herman     gemeinsame Arbeit an den gewaltigen Staudämmen soll        tungsanstrengungen kritisiert und vor der Kriegsgefahr       „Atlantropa“
   Sörgel hat sich „Atlantropa“   die Anrainerstaaten des Mittelmeers zusammenschwei-        warnt, durchsucht die Gestapo seine Wohnung. Aus
                   ausgedacht     ßen und so für Frieden sorgen. Das ausgetrocknete Meer     Rücksicht auf seine Frau Irene, eine Halbjüdin, zieht sich
                                  würde Europa und Afrika zum neuen Kontinent                der Architekt weitgehend aus dem öffentlichen Leben
                                  „Atlantropa“ vereinen. Nur dieser könnte auf Dauer         zurück. Doch insgeheim arbeitet er auch noch während
                                  gegen Amerika und Asien bestehen, davon ist Sörgel         des Krieges weiter an seinem Lebenstraum.
                                  überzeugt. Seine Idee fällt in Deutschland nach dem
                                  Ende des ersten Weltkriegs auf fruchtbaren Boden, denn
                                  Armut und Arbeitslosigkeit machen die Menschen emp-
                                  fänglich für hoffnungsvolle Zukunftsvisionen.

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Zwischen Science und Fiction
Zeitreisen

                                   Wasser für Afrika                                          Ein uralter Menschheitstraum

                                   Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs sieht Sörgel           Könnten wir uns in der Zeit genauso frei bewegen wie
                                   eine neue Chance und bietet den Alliierten das Pro-        im Raum, dann bräuchten wir weder Zukunftsforschung
                                   jekt in erweiterter Form an: Zusätzlich zur Trocken-       noch Geschichtsbücher. Kein Wunder, dass der Traum
                                   legung des Mittelmeers will er in Afrika künstliche        von Reisen durch die Zeit zu den Lieblingsträumen der
                                   Stauseen schaffen. Sie sollen die Besiedelung Afri-        Science-Fiction-Literatur zählt. Unter Wissenschaftlern
                                   kas durch die Alliierten erleichtern und ihnen so          dagegen galt es lange als unseriös, sich überhaupt mit
                                   neue Rohstoffquellen erschließen. Die Alliierten sind      dem Thema zu befassen. Doch das hat sich in den letz-
                                   anfangs interessiert, lehnen Atlantropa schließlich        ten zwanzig Jahren geändert: Auch unter anerkannten
     Mit dem Ende des zweiten      aber doch ab.                                              Physikern ist es nicht mehr verpönt, über Zeitreisen          Die Zeitmaschine auf Ronald
Weltkriegs bietet sich eine neue                                                              nachzudenken. Meist bleibt es bei theoretischer Gedan-        Malletts Schreibtisch ist ein nur
                         Chance                                                               kenspielerei – aber nicht immer: Der amerikanische            ein Spielzeug....
                                   Atomenergie schlägt Atlantropa                             Physiker Ronald Mallett will den Schlüssel zu einer
                                                                                              Zeitmaschine gefunden haben, die Reisen in die Ver-
                                   Im Schweizer Schriftsteller John Knittel findet Sörgel     gangenheit ermöglicht – basierend auf der Allgemeinen
                                   schließlich einen begeisterten Befürworter seines          Relativitätstheorie Albert Einsteins.
                                   Projekts. Knittel unterstützt den Münchner Archi-
                                   tekten auch finanziell: Mit seiner Hilfe wird ein Werbe-
                                   film finanziert. Atlantropa hält sich so zwar in den       Einsteins Universum macht es möglich
                                   Schlagzeilen, aber Erfolge bleiben auch dieses Mal
                                   aus. Die Entdeckung der Atomkraft für friedliche           In Einsteins Relativitätstheorie gibt es nicht mehr die
                                   Zwecke Anfang der 1950er Jahre ist das endgültige          eine Zeit, die für alle gleichermaßen gilt. Zeit kann viel-
                                   Aus für Atlantropa – es erscheint im Vergleich dazu        mehr für unterschiedliche Beobachter unterschiedlich
                                   weder wirtschaftlich noch zeitgemäß. Bis ans Ende          schnell vergehen – abhängig davon, wie sie sich
                                   seines Lebens kämpft Sörgel für seine Vision, doch         bewegen und wo sie sich aufhalten. Wer mit sehr
                                   er ist ein Einzelgänger, der keinen Nachfolger findet.     hoher Geschwindigkeit eine Rundreise durch die Tiefen
                                   Am 25. Dezember 1952 stirbt er an den Folgen eines         des Alls unternimmt oder seinen Urlaub in der Nähe
                                   bis heute ungeklärten Autounfalls.                         eines Schwarzen Loches verbringt, für den vergeht die
                                                                                              Zeit langsamer als für die Daheimgebliebenen. Er reist        ...doch der Physik Professor arbeitet
                                                                                              damit relativ zu uns in die Zukunft. Die Effekte dieser       ernsthaft daran, Zeitreisen möglich
                                                                                              so genannten Zeitdilatation sind längst experimentell         zu machen
                                                                                              nachgewiesen. Reisen in die Zukunft sind damit also
                                                                                              bereits Realität - wenn es auch bei weitem jenseits der
                                                                                              technischen Möglichkeiten liegt, auf diese Weise einen
                                                                                              Menschen auch nur einige Minuten in die Zukunft zu
                                                                                              schicken.

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Zwischen Science und Fiction
Per Laser in die Vergangenheit                               Theorie und Praxis: Lichtjahre voneinander entfernt?

                              Ob es diese extremen Raum-Zeit-Verwerfungen über-            Bislang besteht Malletts Zeitmaschine nur auf dem
                              haupt gibt, weiß man nicht, ausschließen lässt es sich       Papier. Denn auch wenn nach der Allgemeinen Rela-
                              beim gegenwärtigen Wissensstand jedoch nicht. Und es         tivitätstheorie jegliche Energie zwangsläufig eine
                              gibt Physiker, die darüber nachdenken, ob und wie sie        Quelle von Gravitation sein muss: Experimentell nach-
                              sich künstlich erzeugen lassen. Zum Beispiel in Form von     gewiesen ist ein Gravitationsfeld von Licht noch nicht;
                              so genannten Wurmlöchern, Science-Fiction-Fans kennen        ganz zu schweigen von einem Feld, das stark genug
                              diese tunnelförmigen „Abkürzungen durch die Raumzeit“        wäre, die Raumzeit so zu krümmen, dass damit Zeit-
                              aus Filmen und Romanen. In Wirklichkeit könnten solche       reisen möglich werden. Um seine Theorie zu erhärten
Ronald Malletts Theorie der   Schleichwege durch die Zeit nur durch Materie mit nega-      experimentiert Mallett zurzeit mit dem schwachen          Wenn man Kaffee mit dem Löffel
 Zeitkrümmung durch Licht     tiver Energie existieren. Das ist Materie, die ein umge-     Gravitationsfeld eines Ring-Lasers: Nach seinen           umrührt, entstehen Kreisel – an die-
                              kehrtes Gravitationsfeld erzeugt: Statt Gegenstände          Berechnungen soll die durch den zirkulierenden Laser      sem Beispiel erklärt Ronald Mallett
                              durch Schwerkraft anzuziehen, stößt diese so genannte        produzierte Schwerkraft ein Teilchen in der Mitte des     seine Zeitreisen-Versuche
                              exotische Materie Masse ab. Ob es solche exotische           Ring-Lasers so beeinflussen, dass es in seiner Drehung
                              Materie wirklich geben kann – etwa, wenn man die             verändert wird. Man hätte damit gleichsam den Raum,
                              Gesetze der Quantenwelt zu Hilfe nimmt – ist beim            in dem sich das Teilchen befindet, verzerrt. Gelänge
                              jetzigen Wissensstand allerdings noch eher zweifelhaft.      dies, wäre es der erste experimentelle Beleg, dass zir-
                                                                                           kulierendes Licht tatsächlich ein nachweisbares
                              Möglicherweise gibt es aber einen anderen Weg in die         Gravitationsfeld hervorbringen kann – und es wäre
                              Zeitschleifen - Ronald Mallett, Professor für theoretische   der erste Hinweis darauf, dass auch an der weiterfüh-
                              Physik an der Universität von Connecticut (USA) will ihn     renden Zeitreisen-Theorie etwas dran sein könnte.
                              gehen. Sein Ansatz beruht ebenfalls auf der Allgemeinen      Noch hat Ronald Mallett diesen Beleg aber nicht er-
                              Relativitätstheorie: Danach können sowohl Materie als        bracht.
                              auch Energie ein Gravitationsfeld hervorbringen. Also
                              muss auch elektromagnetische Strahlung Schwerkraft
                              erzeugen können. Und das bedeutet, dass auch die Ener-       Kritik von Kollegen
                              gie eines Lichtstrahls die Raumzeit beeinflussen kann.
                              Doch Mallett geht noch einen Schritt weiter: Nach seinen     Trotzdem hat die „Zeitmaschine“ des Professors schon
                              Berechnungen soll Licht dazu in der Lage sein, die Raum-     viel Aufmerksamkeit erregt, sowohl in den Medien als
                              zeit so stark zu verzerren, dass dabei Zeitschleifen ent-    auch bei seinen Fachkollegen. Dass es so einfach
                              stehen. Nach seiner Theorie soll ein Zylinder aus kreisen-   nicht sein wird mit der Zeitreise, haben Physiker der
                              dem Licht die Raumzeit extrem stark krümmen. Folgt ihr       Tufts-University in den USA nachgewiesen. Ihren Berech-
                              ein Zeitreisender in Umlaufrichtung, bewegt er sich in       nungen zufolge bräuchte man ungeheure Energiemen-
                              Richtung Vergangenheit.                                      gen, um eine Zeitmaschine von auch nur halbwegs
                                                                                           realistischen Dimensionen zu bauen.

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„Beamen“ in der Quantenphysik?

                                                        „Ja, wir können beamen!“

Angesichts heute verfügbarer Licht-Energie wäre die     So stand es im Jahr 2004 in einer großen deutschen
Flugbahn einer Raumzeitreise mit Malletts Zeit-         Zeitung. Ein Team um den Quantenphysiker Anton
maschine nämlich unendlich viel größer als die Aus-     Zeilinger aus Wien sollte es geschafft haben, zu bea-
maße des sichtbaren Universums! Und das selbst          men – also Gegenstände von einem Ort wegzube-
dann, wenn man auch nur ein winziges Stück in die       wegen und gleichzeitig wie durch Zauberhand an
Vergangenheit reisen wollte. Technische Probleme,       einem anderen entstehen zu lassen. Ganz so, wie in
die sich irgendwann lösen lassen, wendet Ronald         der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ Menschen aus
Mallett ein.                                            dem Raumschiff auf fremde Planeten transportiert wer-
                                                        den. Doch dass das so nicht wirklich stimmen konnte,     Ein paar Laser, Spiegel und
Doch nach Berechnungen der Kritiker hat seine           wussten Fachleute und interessierte Laien sofort.        Kristalle – ist das die sagenhafte
Theorie einen anderen, viel entscheidenderen            Schon den Schöpfern der Weltraumserie „Raumschiff        Maschine, mit der man beamen
Haken: Sie geht von einer Raumzeit aus, die nicht       Enterprise“ war klar, dass das Beamen, so wie sie es     kann?
der irdischen Raumzeit entspricht. Nach diesen          sich vorstellten, an den Naturgesetzen scheitern würde
Berechnungen kann Ronald Malletts Maschine rein         – allein schon an Heisenbergs Unschärferelation. Die
physikalisch nicht funktionieren, denn danach sind      besagt nämlich, dass man Impuls unten und Ort eines        Der Impuls ist eine physikalische
es gar nicht die Lichtstrahlen, die zu Zeitschleifen    Teilchens nicht gleichzeitig bestimmen kann. Das           Größe, die sich aus dem Produkt
führen. Stattdessen handelt es sich um eine andere      müsste man aber, wenn man beamen wollte: Von               von Masse und Geschwindigkeit
Gravitationsquelle, die Mallett irrtümlich in seine     jedem Elektron, jedem Proton und jedem Neutron in          eines Teilchens oder Gegenstan-
Gleichung eingebaut hat. Ob man mit kreiselndem         einem Körper müssten die Informationen über den            des ergibt. Eine solche Größe zu
Licht tatsächlich die Zeit besiegen kann oder nicht –   genauen Zustand ausgelesen werden, damit man am            bilden ist sinnvoll, wenn man zum
das muss die Zukunft entscheiden.                       Zielort aus diesen Informationen den Körper wieder         Beispiel Stoßprozesse berechnen
                                                        zusammenbauen kann.                                        möchte.

                                                        Die Drehbuchautoren lösten das Problem in ihrer Fern-
                                                        sehserie dadurch, dass ein mysteriöser „Heisenberg-
                                                        Kompensator“ eingeführt wurde, dessen Funktions-
                                                        weise ja nie genauer erläutert werden musste. Wie
                                                        auch immer – ein echter Physikprofessor kann eine sol-
                                                        che Maschine nicht besitzen. Ein Ding der Un-
                                                        möglichkeit also, dass Zeilinger und seine Kollegen
                                                        gebeamt haben sollen, auch, wenn es nur um einzelne
                                                        Teilchen ging, die von der einen Donauseite auf die
                                                        andere gelangt sein sollten. Tatsächlich haben die
                                                        Journalisten das Beamen nur als Bild benutzt, um zu
                                                        erklären, worum es bei Zeilingers Experimenten geht.
                                                        Seine Quantenversuche haben nämlich nicht das Ziel,
                                                        Menschen irgendwohin zu beamen, denn eigentlich hat
                                                        der nobelpreisverdächtige Physiker eher die Infor-
                                                        mationstechnik im Visier. Aber theoretisch sind seine
                                                        Versuche tatsächlich eine Grundlage für das Beamen
                                                        à la Enterprise.

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Verrückt: verschränkte Teilchen                               Teleportieren statt Beamen

                          Bei Zeilingers Experimenten geht es um ein Phänomen,          Wenn man sich mit dieser Vorstellung angefreundet hat,
                          mit dem selbst Einstein seine Schwierigkeiten hatte. Er       wundert es kaum noch, dass die Physiker das Spielchen
                          konnte das seltsame Verhalten der Teilchen, das sich aus      noch weiter treiben. Sie bringen ein zusätzliches Teil-
                          den Gesetzen der Quantenmechanik ergibt, nie wirklich         chen ins Spiel, das seinerseits mit einem der beiden
                          akzeptieren und nannte es „spukhafte Fernwirkung“.            Zwillingspartner verbandelt wird. Dieses neue Teilchen
                          Selbst Physiker empfehlen, gar nicht den Versuch zu           überträgt seine Eigenschaften auf das Partnerpaar – und
                          machen, die Quantenmechanik verstehen zu wollen – die         der Expartner nimmt die Eigenschaften des neuen, drit-
                          Spuk-Phänomene sind Folge mathematischer Berech-              ten Teilchens an. Sogar, wenn es weit von den beiden
Beamen am Beispiel von    nungen, und die sollte man einfach hinnehmen. Eines           anderen Teilchen entfernt war, sozusagen auf der ande-
   Würfeln demonstriert   davon ist die so genannte Verschränkung von Teilchen:         ren Donauseite.
                          Zwei Gegenstände in der Quantenwelt koppeln sich so
                          aneinander, dass beide eine bestimmte Eigenschaft             Wegen des neuen, dritten Teilchens verlieren also die
                          immer übereinstimmend aufweisen – selbst wenn sie             beiden älteren ihre Eigenschaften – und das ist der
                          Lichtjahre voneinander entfernt sind. Man könnte sich         Punkt, warum in Bezug auf Zeilinger die Rede vom
                          das in einem Bild so vorstellen: Wenn man annimmt,            Beamen war: Das neue, dritte Teilchen hat vorher nur auf
                          dass zwei Würfel verschränkte Quantenzustände darstel-        der einen Donauseite existiert, und nachher existiert ein
                          len und man mit zwei Bechern würfelt, dann würden             identisches Teilchen auf der anderen Donauseite, und
                          beide Würfel immer dieselbe Augenzahl aufweisen,              zwar nur dort. Also könnte man sagen, dass das
                          wenn man sie aufdeckt. Welche Augenzahl das ist, ist          ursprüngliche Teilchen körperlos auf die andere Seite
                          jedes Mal zufällig – trotzdem weiß man beim Anblick des       des Flusses transportiert wurde: „gebeamt“ würde
                          einen Würfels sofort, welche Zahl der andere zeigt.           Captain Kirk sagen, „teleportiert“ sagt Anton Zeilinger.

                          Spontane Lageveränderung                                      Einmal über die Donau – in Milliarden von Jahren

                          Natürlich fallen Würfel niemals auf diese Weise, das wäre     Würde man versuchen, mit dieser Methode einen
                          wirklich verrückt. Aber Lichtteilchen – Photonen – ver-       ganzen Menschen auf die andere Seite des Flusses zu
                          halten sich tatsächlich so: Man schickt einen Lichtstrahl     beamen, wäre aber noch etwas nötig – nämlich eine
                          durch einen speziellen Kristall, der ihn in zwei Teilstrah-   Menge von Teilchen, die schon dort sind. Und denen
                          len aufteilt. Bestimmte Photonenpaare in diesen Teil-         dann mitgeteilt wird, wie sie sich anordnen müssen,
                          strahlen können jetzt die seltsame Verschränkung auf-         außerdem noch eine gewaltige Menge von weiteren
                          weisen – egal, wo die beiden sich jeweils befinden.           Informationen über jedes einzelne Atom. Das wirft ein
                          Besonders erstaunlich erscheint dieses Verhalten, wenn        zusätzliches Problem auf: Nach den Berechnungen
                          Quantenphysiker erklären, dass die Photonen sich erst in      von Professor Zeilinger würde dieser Prozess selbst         Anton Zeilinger und seine
                          dem Moment, in dem sie gemessen werden, für eine              mit den größtmöglichen Übertragungsgeschwindigkei-          Mitarbeiter
                          völlig zufällige Lage entscheiden. Und nimmt das eine         ten mehrere Milliarden Jahre dauern.
                          sie dann spontan ein, wird sich das zweite Teilchen ganz
                          entsprechend verhalten.

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Die Zukunft vor Augen:
                                     Science-Fiction im Kino

                                     Im Rausch der Technik                                     Paranoia im Atomzeitalter

                                     Gleich mit dem Beginn der Filmgeschichte trat schon       Der Zweite Weltkrieg macht die Gefahren der unkon-
                                     der Science-Fiction-Film auf – das neue Medium selbst     trollierten Technologie für alle sichtbar – in den Jahren
                                     war so ungewöhnlich, dass sich das Thema Zukunft          danach führt der Kalte Krieg mit seiner Rüstungsspirale,
                                     geradezu aufdrängte. Überhaupt stand die Zeit um 1900     aufgeheizt von Propaganda, zu einem Klima der
                                     im Zeichen des rasanten technischen Aufbruchs, dem        Bedrohung. Die Furcht vor der atomaren Katastrophe
                                     Fortschritt schienen keine Grenzen gesetzt. Die ersten    und vor den Kommunisten schlägt sich im amerikani-
                                     kurzen Science-Fiction-Filme spiegeln den optimisti-      schen Science-Fiction-Film der 50er Jahre nieder: die
                                     schen Glauben an eine strahlende Zukunft mit unge-        missbrauchte Erde rächt sich mit Monstern
                                     ahnten technischen Möglichkeiten wider: die Faszi-        („Formicula“, 1954); Leitthema wird die Invasion von        Die Natur schlägt zurück: durch
                                     nation der Geschwindigkeit („The Motorist“, 1905), den    Außerirdischen („Kampf der Welten“, 1953) oder die          Atomversuche mutierte Insekten
Die Faszination für neue Verkehrs-   Zauber neuer Fortbewegungsmittel, die Überwindung         schleichende Unterwanderung from outer space („Die          bevölkern den amerikanischen
   mittel wie Motorflugzeuge und     riesiger Entfernungen („Die Reise zum Mond“, 1902).       Dämonischen“, 1956). Den Zerstörungs-Fantasien wird         Science-Fiction-Film der 50er Jahre
Automobile spiegeln auch die frü-    Dabei ist das frühe Science-Fiction-Kino noch eher ver-   die Hoffnung gegenüber gestellt, dass Militär und           („Formicula“, USA 1954)
   hen Science-Fiction-Filmen des    spielt und malt die Zukunft überwiegend heiter aus.       Wissenschaft die Gefahr besiegen („Tarantula“, 1955).
   frühen 20. Jahrhunderts dieser    Kritische oder unheimliche Töne sind selten.              Unverhohlene anti-russische Propaganda ist in den
                        Zeit wider                                                             populären Weltraum-Abenteuern aus Hollywood am
                                                                                               Werk, in denen andere Planeten zum Schutz der
                                     Visionen vom Leben in der Stadt                           Menschheit vor außerirdischen Aggressoren okkupiert
                                                                                               werden (“Endstation Mond“, 1949/50).
                                     Dann kam der erste Weltkrieg – er erschütterte das
                                     Vertrauen in die soziale Ordnung und die positive Kraft
                                     der Technik. Überall in Europa vertieften sich die
                                     Gräben innerhalb der Gesellschaft. Auch im Film weicht    Aufbruch in innere Welten
                                     der Optimismus der Vorkriegsära einem düsteren
                                     Grundton: In den Science-Fiction-Filmen spitzen sich      Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre ist ein
                                     die gesellschaftlichen Konflikte zu und Lösungsmodelle    Teil der Visionen Wirklichkeit geworden: der Weltraum
                                     tauchen auf, die teilweise schon Grundzüge des            wird erobert, schon kreist der erste Satellit, der russi-
                                     Faschismus vorwegnehmen („Metropolis“, 1927). Die         sche Sputnik, im Orbit. Die Filmproduktions-Gesell-
                                     Großstadt ist Brutstätte und Austragungsort der sozi-     schaften legen neue Science-Fiction-Projekte auf Eis,
  Die Natur schlägt zurück: Durch    alen Kämpfe, aber auch Ort der Erneuerung; so im          weil sie von der Entwicklung der Realität überholt wer-
          Atomversuche mutierte      englischen Film „Was kommen wird“ (1936), nach            den. Als der erste Mensch auf dem Mond landet, ver-
   Monster bevölkern den ameri-      einem Roman H.G. Wells: Hier werden die katastropha-      lieren aufwändige Weltraum-Abenteuer an Reiz. Statt-
   kanischen Science-Fiction-Film    len Folgen eines bereits drohenden neuen Krieges vor      dessen inszeniert man das Vordringen in innere              Als Weltraum-Abenteuer zur
                 der 1950er Jahre    Augen geführt. Zugleich taucht aber auch die              Welten, in bislang unerforschte Bereiche des Körpers        Routine werden, sucht sich der
                                     Möglichkeit auf, gesellschaftliche Probleme durch         („Fantastische Reise“, 1966) oder der Psyche („Solaris“,    Science-Fiction-Film neue Sujets,
                                     Technik und Wissenschaft zu überwinden.                   1972). In den 1970er Jahren tritt der Raubbau an der        etwa Reisen ins Innere des
                                                                                               Umwelt stärker ins Bewusstsein: Science-Fiction-Filme       Körpers

                                     16                                                                                                              17
Auf zum Mars!

                                                                                                   Als der Mond noch fern war

                                        nehmen mögliche Folgen der Zerstörung vorweg               1961 steckte Präsident John F. Kennedy seiner Nation
                                        („Lautlos im Weltall“, 1971 „Soylent Green“, 1973).        ein ehrgeiziges Ziel: Innerhalb eines Jahrzehnts sollten
                                        Außerirdische Wesen treten nun als Retter der              Amerikaner als erste auf dem Mond landen. Die NASA
                                        Menschheit auf („Unheimliche Begegnung der dritten         musste sich gewaltig anstrengen, um diese Vorgabe zu
                                        Art“. 1977).                                               erfüllen. Denn zunächst saß man ohne großes techni-
                                                                                                   sches Know-How da. „Wir hatten kein Erbe, nur einen
                                                                                                   Blankoscheck und das leere Reißbrett“, erinnert sich
                                        Nach dem Menschen kommt die Maschine                       Jesco von Puttkamer, Raumfahrtexperte der ersten
                                                                                                   Stunde und noch heute im Planungskonsortium der            Nach dem Mond sollte der Mars
                                        Der Siegeszug des Computers seit den 1980er Jahren         NASA in Washington tätig. Immerhin – das Ziel wurde        drankommen – 1969 glaubten die
                                        bringt das alte Mensch-Maschine-Problem, ein               erreicht, Neil Armstrong stand am 20. Juli 1969 als        Amerikaner, dass sie das schon in
                                        Grundmotiv des Science-Fiction-Films, wieder neu auf       erster Mensch auf dem Mond – und Eugene A. Cernan          20 Jahren schaffen würden
                                        die Tagesordnung. Immer komplexere Technologien            war nach sechs Apollomissionen am 14.12.1972 der letz-
                                        entlasten den Menschen, wecken aber auch neue Äng-         te Astronaut, der den Mond betrat. Dann wurde das
                                        ste vor der Übermacht der Maschinen („Terminator“,         Programm eingestellt. Doch die Ideen, zurückzukehren
                                        1984). Die Grenzen zwischen dem Mensch und seinen          oder Astronauten sogar in entfernte Winkel unseres
                                        Schöpfungen scheinen zu verschwimmen („Der                 Sonnensystems zu bringen, verschwanden unter den
 Die Computer-Technik scheint der       Bladerunner“, 1982), virtuelle Welten ersetzen die         Raumfahrtwissenschaftlern nie.
Manipulation des Bewusstseins Tür       Wirklichkeit („The Matrix“, 1999). Aber nicht nur das
      und Tor zu öffnen. Filme wie      Bewusstsein lässt sich möglicherweise unbegrenzt
„Matrix“ entwerfen die Vision einer     manipulieren, sondern auch der menschliche Körper:         Eine Vision wird aufgefrischt
Welt, in der virtuelle Realitäten die   Der Aufstieg der Biotechnologie führt in den 90er
         Wirklichkeit ersetzt haben     Jahren zu Horror-Visionen einer genetisch optimierten      Schon in den 1950er Jahren gab es die ersten Überle-
                                        Menschheit („Gattaca“, 1997).                              gungen zu einer bemannten Raumfahrtmission zum
                                                                                                   Mars. Beflügelt von den Erfolgen der Mondlandung,
                                                                                                   war sich die Planungscrew der NASA sicher, dass man
                                        Science-Fiction als Abbild der Zeit                        schon bald den ersten Schritt auf den roten Planeten
                                                                                                   wagen würde – und vergriff sich tüchtig im Zeitplan:
                                        Auch wenn er gelegentlich visionäre Kraft zu haben         wenn es nach den damaligen Plänen der amerikani-
                                        scheint – rückblickend betrachtet sagt der Science-        schen Raumfahrtexperten gegangen wäre, hätten
                                        Fiction-Film weniger etwas über die Zukunft aus als        Astronauten schon Anfang der 80er Jahren auf dem           Menschen auf dem Mars sind jetzt
                                        vielmehr über die Zeit, in der er entstanden ist. Mehr     Mars landen sollen. „Wir waren damals relativ naiv         bei der ESA für das Jahr 2030 vor-
                                        als andere Genres ist der Science-Fiction-Film             und glaubten, dass alles in einem einzigen integrier-      gesehen
                                        Projektionsfläche für Ängste, Wünsche und Hoffnungen       ten Programm – Raumstation, Mond und Mars-
                                        der Gesellschaft. Allerdings sollte man Science-Fiction-   programm möglich und machbar ist. Wir mussten
                                        Filme auch nicht mit Bedeutung überfrachten: Sie sind      dann aber einsehen, dass – auch was die Finanz-
                                        auch einfach fantasievolle Unterhaltung – und nebenbei     politik betraf – alles auf einmal nicht möglich war“,
                                        auch immer schon Spielwiese für das technisch              so Jesco von Puttkamer.
                                        Machbare und Mögliche.

                                        18                                                                                                              19
Doch seit Anbruch des neuen Jahrtausends sind die            Folgen solcher Strapazen für die Astronauten abzumil-
                                       Pläne, Astronauten zum Mars zu schicken, in greifbare        dern wären. Dafür lagen Freiwillige 60 Tage lang im Bett:
                                       Nähe gerückt. Georg W. Bush hat im Jahr 2004 die NASA        Sie simulierten Astronauten in der Schwerelosigkeit.
                                       damit beauftragt, die Vision von der Eroberung des           Denn im All werden Muskeln, Knochen und Kreislauf
                                       Weltalls weiter zu verfolgen. Die Amerikaner wollen          weniger beansprucht und bilden sich zurück. Ähnliches
                                       zunächst wieder auf dem Mond landen, das Jahr 2014 ist       passiert auch bei längerer Bettlägerigkeit: Muskeln und
                                       dafür angepeilt. Diese Erfahrungen sollen helfen, dann       Knochen bauen sich ab. In den Studien vermessen die
                                       eine bemannte NASA-Marsmission für die Zeit zwischen         Forscher, wie schnell der Abbau vorangeht und wie dem
Eine bemannte NASA-Marsmission ist     2015 und 2020 auf die Beine zu stellen. Auch die             entgegenzusteuern wäre, zum Beispiel durch Fitness-
zwischen 2015 und 2020 vorgesehen.     Europäische Raumfahrtagentur ESA hat ihre Forschungen        und Muskelübungen an speziellen Trainingsgeräten.
      Die ESA peilt das Jahr 2030 an   bereits in Richtung Mars ausgedehnt. Sie will sich aller-
                                       dings etwas mehr Zeit lassen, ein Aufsetzen eines
                                       bemannten ESA-Mars-Landers ist für die Zeit nach 2030        Ein unwirtlicher Planet
                                       vorgesehen.
                                                                                                    Die Reise ist riskant. Beim Eintritt in die Marsatmosphäre
                                                                                                    ist das Raumschiff etwa 12.000 Kilometer pro Stunde
                                       Strapazen einer Reise                                        schnell und muss bis zur Ankunft auf der Marsoberfläche
                                                                                                    auf etwa 50 km/h abgebremst werden – das erzeugt
                                       Doch ein Spaziergang wird eine solche Reise, so viel ist     starke Reibung und große Hitze, was sehr gefährlich sein
                                       abzusehen, nicht: Allein zum Mond sind Astronauten           kann. Auch die eigentliche Landung auf dem schroffen,
                                       etwa drei Tage unterwegs. Bei einer Marsmission              zeitweise von schweren Sandstürmen heimgesuchten
                                       müsste die Crew mit einer einfachen Reisezeit von sechs      Planeten wird nicht einfach. Nochmals muss das
                                       bis neun Monaten rechnen. Dazu käme die Zeit, die sie        Raumschiff abgestoppt werden – wegen der dünnen              Der Mars ist ein kalter, trockener
                                       auf dem Mars in Druckanzügen mit Atemgerät und in            Atmosphäre reicht es aber nicht aus, das Raumschiff nur      und staubiger Planet
                                       Wohnmodulen verbringen würden. Mars und Erde sind            mit Fallschirmen zu bremsen. Für eine weiche Landung
                                       sich nur etwa alle zwei Jahre so nah, dass dies günstig      müsste es zusätzlich mit Raketen gestoppt werden.
    NASA-Wohnmodule für die erste      für eine Reise wäre. Und nah ist durchaus relativ: 55        Schaden am Raumschiff darf bei der Landung auf keinen
                       Mars-Mission    Millionen Kilometer im günstigsten Fall gegenüber 400        Fall entstehen, denn nur ein funktionstüchtiger Lander ist
                                       Millionen Kilometer im ungünstigsten Fall! Selbst die kür-   der Garant dafür, wieder vom Mars wegzukommen.
                                       zeste Mission mit einem Aufenthalt von etwa zwei
                                       Wochen auf dem Mars würde für die Astronauten daher          Sollten der Eintritt in die Atmosphäre und die Landung
                                       insgesamt etwa 500 Tage bedeuten. Das ist eine lange         problemlos gelingen, finden sich die Astronauten in
                                       Zeit, deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper         einer lebensfeindlichen Welt wieder: schwankende
                                       bisher noch kaum abzuschätzen ist. In Studien versuchen      Temperaturen von minus 100 bis plus 20 Grad, kein
                                       Raumfahrtmediziner jetzt schon herauszufinden, wie die       Sauerstoff, Bergketten von 4000 Kilometern Länge und
                                                                                                    mächtige Vulkane – der höchste, Olympus Mons, ist laut
                                                                                                    ESA 22 Kilometer hoch und damit etwa dreimal so hoch
                                                                                                    wie der Mount Everest!

                                       20                                                                                                                  21
Das Morgen von Gestern:
                                                                                        eine Zeitreise zurück in die Zukunft

  Zweite Bleibe im All – wird der Mars besiedelt?

                               Was wollen Menschen auf dem Mars? Nach Spuren von        Vor rund 50 Jahren schien die Menschheit wie beflü-
                               Leben suchen. Und das können, der Meinung sind viele     gelt: Die Russen schossen den ersten Satelliten ins
                               Wissenschaftler, nur Menschen und keine Roboter. Für     All, die Amerikaner ließen das erste Atom-U-Boot zu
                               Raumfahrtvisionäre wie Jesco von Puttkamer gibt es       Wasser und in den Geschäften gab es die ersten
                               noch eine weitere Antwort darauf: „Menschen lassen       Videorecorder zu kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg
                               sich auf Dauer nicht das Dabeisein bei Forschungs-       blickte man offensichtlich vor allem in eine Richtung:
                               entwicklungen nehmen, sie wollen zum Mars fliegen.       in die Zukunft.
                               Nicht, weil sie besser sein wollen als Maschinen, son-
  Ob der Mars jemals zu einer dern weil das ein menschlicher Trieb ist: Bewusst-        Große Konzerne präsentierten im Jahr 1955 auf einer
zweiten Erde wird, steht heute seinserweiterung durch Grenzüberschreitung. Und es       Tagung der amerikanischen Handelskammer ihre
          noch in den Sternen werden andere Menschen sein, die zum Mars fliegen         technologischen Visionen für die kommenden 20
                               werden, die Menschen der Zukunft, die nicht mehr nach    Jahre – festgehalten in der Zeitschrift „Hobby – das
                               Finanzierbarkeit und Gefahr fragen, weil sie unsere      Magazin der Technik“. Quarks & Co hat eines dieser
  Vorbereitungen ja alle mitbekommen haben.“ Und er geht noch einen Schritt             alten Magazine aufgestöbert und die Visionen von vor
  weiter: „Wenn es kein Leben auf dem Mars gibt, das wir zerstören würden,              50 Jahren mit der Realität von heute verglichen.
  können wir über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg vermutlich aus               Einige Vorhersagen hat die Wirklichkeit sogar bereits
  dem roten Planeten einen grünen machen. Dadurch hätte der Mensch eine                 überholt, andere sind noch immer Träume. Schnallen
  zweite Bleibe im All und könnte praktisch unsterblich werden.“                        Sie sich also an und werfen Sie mit uns heute einen
                                                                                        Blick auf das Morgen von gestern.

  Es steht in den Sternen…
                                                                                        Straßenverkehr
  Über die Umformung des Mars zu einer zweiten Erde wird derzeit unter
  Marsbegeisterten, aber auch unter Wissenschaftlern heftig spekuliert. Doch            Die Prognose: Das Auto wird sich zum Massen-
  selbst wenn sich eine NASA-Forschungsgruppe zurzeit zum Beispiel damit                verkehrsmittel entwickeln. Stimmt! Während 1955 nur
  beschäftigt, welche künstlichen Gase einen Treibhauseffekt auf dem Mars her-          1,75 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen unter-
  vorrufen könnten, um ihn langfristig auf lebensfreundlichere Temperaturen zu          wegs waren, sind es heute 46 Millionen. Doch die
  erwärmen, so scheinen die Visionen aus heutiger Sicht unrealistisch. Denn             Vision ging noch weiter: Charakteristisch für die
  selbst wenn man den Mars erwärmen könnte, müssten Menschen immer noch                 Straßenränder der Zukunft sollten graue Sendeanlagen
  mit Druckanzügen und Atemgerät herumlaufen: Die Luft auf dem Mars besteht             sein, die die Autos durch Signale auf der Ideallinie
  zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Außerdem ist die UV-Strahlung dort sehr hoch,         halten und für richtigen Abstand und Geschwindigkeit
  da die Mars-Atmosphäre sehr dünn ist und kaum Schutz gegen die Strahlung              sorgen. Eine Plexiglas-Kuppel bietet dem Fahrer freie    1955 ist das Auto der Zukunft
  aus dem Weltraum bietet, anders als die schützende Gashülle der Erde. Und             Sicht nach allen Seiten, das Lenkrad ist nur für den     vollautomatisch und absolut
  schon die Tatsache, dass der Mars kein globales Magnetfeld mehr hat, würde            Notfall da. 1955 ist das Auto der Zukunft voll automa-   sicher
  bedeuten, dass eine mühsam aufgebaute Atmosphäre von den Sonnenwinden                 tisch und absolut sicher!
  wieder hinweggefegt werden könnte. Ob daher der Mensch den roten
  Planeten jemals dauerhaft besiedeln wird, das wird nur die ferne Zukunft zei-         Auch träumte man schon von der persönlichen Wohl-
  gen. Heute steht es jedenfalls noch in den Sternen.                                   fühltemperatur im Auto. Damit lagen die Visionäre gar
                                                                                        nicht schlecht: Während es Klimaanlagen Ende der

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Luftfahrt

50er Jahre nur als große Kästen an Häusern gab, bot   Die Flugzeuge der Zukunft werden von einem Atom-
sie Mercedes Benz 1971 als erster europäischer Her-   reaktor angetrieben und fliegen mit 1.000 Kilometern
steller im Auto an.                                   pro Stunde – so der Traum vor 50 Jahren. Das war
                                                      fast zu bescheiden: Schon am 2. März 1969 startete
Statt mit Otto- und Dieselmotoren sollten die Autos   die Concorde zu ihrem Jungfernflug. Sie war mit 2180
der Zukunft von Turbinen- oder Atomantrieben auf      Kilometern pro Stunde schneller als der Schall. Doch
Touren gebracht werden. Tatsächlich experimentierte   die Euphorie über das schnellste Passagierflugzeug
die Firma Chrysler schon 1954 mit Turbinen-Proto-     war rasch verflogen: Die Concorde machte einen
typen, durchgesetzt haben sie sich aber nicht. Der    Höllenlärm und schluckte gewaltige Mengen Treib-
Grund: Zu hohe Herstellungskosten, zu großer Kraft-   stoff. Nach einem Unfall im Jahr 2000 wurde der
stoffverbrauch.                                       unrentable Flieger zwei Jahre später aus dem Verkehr
                                                      gezogen.
Bleibt das Parkplatzproblem. Die revolutionäre Idee
von 1955: unterirdische Garagen. Richtig lagen die
Visionäre – dass auch die Tiefgaragen heute so oft    Schienenverkehr
überfüllt sind, hat jedoch keiner vorhergesagt.
                                                      Eisenbahnromantik der Visionäre: Ferngesteuerte
                                                      Züge bringen die Passagiere der Zukunft automatisch
Raumfahrt                                             an ihr Ziel. Und in der Tat hat der Lokführer heute
                                                      zumindest auf manchen Linien des Nahverkehrs aus-
14 Jahre vor der Mondlandung setzte man große         gedient: 1998 nahm die fahrerlose, vollautomatische
Hoffnungen in die Raumfahrt. Die Utopie: Auf festen   Pariser Metro Linie 14 „Meteor“ ihren Dienst auf. Die
Raumstationen jenseits der Stratosphäre leben Men-    Steuerung übernimmt ein Zentralcomputer und bringt
schen in ringförmigen Stahlröhren. Von dort könnten   mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde täglich tausen-
sie zu Reisen in das Sonnensystem starten.            de Fahrgäste an ihr Ziel. Auch die Münchener U-Bahn
                                                      wird mittlerweile von einem zentralen Leitcompu-
Als Sprungbrett für Raumschiffe haben Stationen in    ter gelenkt; der Fahrer gibt nur noch das Signal zur
der Erdumlaufbahn zwar bislang noch nicht fungiert,   Abfahrt.
dennoch kommen die künstlichen Trabanten „Mir“ und
„ISS“ den Vorstellungen von 1955 schon recht nahe.
Und die ersten Weltraumtouristen sind tatsächlich
bereits im All gewesen – zum günstigen Reisepreis
von rund 20 Millionen Dollar.

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Der Blick in die Zukunft

                              Eine uralte Frage

                                    Menschen wollten schon immer wissen, was die              weit über 100 Jahre verlängern. Vieles in diesen Visionen blieb mehr Fiction
                                    Zukunft bringt – unzählige Überlieferungen berichten      als Science, doch die Beschäftigung mit der Zukunft wurde mit dem Aufstieg
                                    von Orakeln, Propheten, Wahrsagern und Stern-             der modernen Wissenschaft zu einem viel beachteten Forschungsgebiet.
                                    deuterei. Eine der bekanntesten ist die vom griechi-
                                    schen Orakel in Delphi. Diese wohl berühmteste
                                    Kultstätte der Antike war ein Heiligtum des Gottes        Kalter Krieg und Technik-Euphorie
                                    Apollon, in dem eine Priesterin, genannt Pythia, in die
                                    Zukunft blickte. In den griechischen Sagen bezogen        In den 1960er Jahren verstärkte sich der Trend zur
     Das Orakel von Delphi war die sich die delphischen Orakel hauptsächlich auf die          Wissenschaft von der Zukunft. Es waren die Jahre des
berühmteste Kultstätte der Antike. Schicksale großer Herrscher. Dem sagenhaft reichen         Wettrennens um die Landung auf dem Mond, um die
Hier konnte sich, wer wollte, seine Lydierkönig Krösus prophezeite das Orakel zum             Nutzung der Atomkraft und die militärische Macht auf
             Zukunft deuten lassen Beispiel, er werde ein großes Reich zerstören, wenn er     der Welt; zahlreiche Institute zur Erforschung der tech-
                                    den Grenzfluss Halys überschreite und in die Schlacht     nischen Möglichkeiten wurden gegründet. Eines davon,
         ziehe. Prompt griff Krösus die Perser an. Doch zerstörte er nicht deren              das Hudson Institute in New York, veröffentlichte noch
         Imperium, sondern sein eigenes, denn er wurde vernichtend geschlagen –               in den 1960er Jahren eine Zusammenfassung seiner
         die Pythia hatte Recht behalten. Ihre Trefferquote konnte seitdem nie wie-           Prognosen. Der kalte Krieg und die Technikeuphorie der Schon vor 40 Jahren sah man im
         der ein Zukunftsforscher erreichen – obwohl seit über 100 Jahren seriöse             60er Jahre haben diese Voraussagen offensichtlich be- Computer die Zukunft
         Wissenschaftler versuchen, Vorhersagen über das Kommende zu treffen.                 einflusst: Die Autoren gingen von einer „überraschungs-
                                                                                              freien“ Entwicklung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus, indem sie
                                                                                              von den gegebenen Zuständen ausgingen und sie weiterdachten. So befürch-
       Die Wissenschaft von der Zukunft beginnt                                               teten sie, dass sich im Jahre 2000 die beiden großen Machtblöcke NATO und
                                                                                              Warschauer Pakt immer noch feindselig gegenüberstehen. Man berechnete,
       Anfang des 20. Jahrhunderts gab es die ersten Versuche, auf der Basis wis-             wie stark das Zerstörungspotenzial und die Zahl der Waffen in den jeweiligen
       senschaftlicher Erkenntnisse in die Zukunft zu blicken. Ein Beispiel dafür ist         Blöcken zunehmen würden und kam auf ein erschütterndes Szenario – zum
       das Buch des Ingenieurs Anton Lübke von 1926, „Technik und Mensch im                   Glück ist die Geschichte anders verlaufen. In einfacheren Dingen trafen die
       Jahre 2000“. Lübke hatte Prognosen von Fachleuten gesammelt, die sich                  Hudson-Forscher eher den Punkt. Unter anderem sagten sie den durchtechni-
       mit neuen technischen Möglichkeiten auseinander setzten. Anders als bei                sierten Haushalt und das Informationszeitalter voraus: Eines Tages würde in
       den delphischen Orakeln oder den fantastischen Spekulationen aus                       jedem Haushalt ein Computer stehen, und einen Computer zu bedienen sei
       Romanen hatten diese Visionen eine realistische Basis – die Ingenieure                 genauso selbstverständlich, wie ein Auto zu fahren.
       machten sich konkrete Gedanken darum, wie zum Beispiel ein Kraftwerk
       aussehen müsste, das Elektrizität aus der Luft ableiten könnte. Auch die
       gerade erst entdeckte Atomkraft wird als Energiequelle eingeplant, denn                Gesammeltes Wissen der Gegenwart
       schon damals machte man sich Sorgen um die Energievorräte. Und man
       ahnte die Entwicklung voraus, die das ganz junge Medium Film nehmen                    Einen etwas anderen Weg gingen die Wissenschaftler des RAND-Instituts.
       würde: Auf riesigen Leinwänden könnten eines Tages Dinge zu sehen sein,                1963 erschien dort die erste Studie nach dem so genannten „Delphi“-
       die zeitgleich an völlig anderer Stelle in der Welt gerade stattfinden – ein           Verfahren, selbstironisch benannt nach dem antiken Orakel. Danach wurden
       Ausblick auf moderne Live-Übertragungen. Der Mensch der Zukunft, so                    in regelmäßigen Abständen Experten aus allen möglichen Wissensgebieten
       glauben die Wissenschaftler Anfang des 20. Jahrhunderts, verändert sich                über den Stand und die mögliche Entwicklung ihres Fachgebietes gefragt.
       radikal: Implantierte Affendrüsen könnten die Lebenszeit der Menschen auf              Das war in den 1960er Jahren bereits nötig, weil längst niemand mehr auch

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nur einen annähernden Überblick über die einzelnen Wissensgebiete der                   freundlichem Antrieb. Statt auswechselbarer Körperteile und Manipula-
      Menschheit hatte. Die Methode wurde später auch in anderen Ländern, vor                 tionen an menschlichen Gehirn heißt es: „Ein Leben lang gesund und vital
      allem in Japan, angewendet und kam 1993 auch nach Deutschland.                          durch Prävention“: Umfassende Gesundheitsvorsorge soll die Lebens-
                                                                                              qualität für alle sozialen Gruppen bis ins hohe Alter sichern. Andere drin-
                                                                                              gende Aufgaben sehen die Beteiligten weniger in der Entwicklung des
      Die Grenzen des Wachstums: Der Club of Rome                                             Haushaltsroboters, sondern in der Wasserversorgung für alle und dem
                                                                                              Kampf gegen Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, AIDS oder anderen
                              Anfang der 1970er Jahre hatte der Boom der großen               neuen Viren.
                              Utopien ein Ende. Die Mondlandung war im Sande ver-
                              laufen und die ersten Ölkrisen erschütterten die Welt.
                              Die Grenzen des Wachstums machten sich bemerkbar.                Das Hudson Institute
                              In Italien versammelte sich ein Kreis von besorgten              Das Hudson Institute wurde 1961 in New York als Organisation für Politikforschung von dem
                              Intellektuellen und Wissenschaftlern: der Club of Rome.          Kybernetiker Herman Kahn gegründet. Heute nennt es als seine Aufgaben „innovative
                                                                                               Forschung und Analyse von Themen wie globaler Sicherheit, Wohlstand und Freiheit“. Mit
                                     Diese illustre Runde beauftragte weitere Wissenschaft-    interdisziplinären Strategien wollen die Wissenschaftler Strategien für die Zukunft entwerfen.
Die Grenzen des Wachstums müss- ler damit, das Wachstum der Zivilisation zu berechnen.
  ten eigentlich schon erreicht sein Die simulierten das System Erde mit einem Computer-       RAND-Institut
                                     programm, und das Ergebnis war erschreckend. „Die         Die RAND („Research and Development“) Corporation wurde nach dem Ende des Zweiten
        Grenzen des Wachstums“ hieß die Studie, die plötzlich allen klar machte: In            Weltkrieges in den USA gegründet, um zunächst militär-strategische Fragen zu analysieren.
        kurzer Zeit sind die Vorräte erschöpft, ein weiteres unkontrolliertes Anwachsen        Später wandelte es sich zu einer Non-Profit-Organisation, für die weltweit rund 1.600 Mitarbeiter
        von Industrieproduktion und Weltbevölkerung führt direkt in die Katastrophe.           Lösungsvorschläge zu Sicherheitsfragen, aber auch zu anderen gesellschaftlichen und wirt-
        Die Euphorie war vorbei, die Zukunft schwarz. Energiekrise und Waldsterben             schaftlichen Themen erstellen. Seinen Sitz hat das Institut in Santa Monica (Kalifornien).
        erschienen nur als Vorboten noch größerer Katastrophen.
                                                                                               Club of Rome
                                                                                               1968 gründete sich in Rom ein Verein, der einen Querschnitt der Eliten aller Kulturkreise dar-
      Die neue Bescheidenheit: das Projekt „Futur“                                             stellen sollte. Er bestand aus rund 100 Wissenschaftlern, Industriellen und bedeutenden
                                                                                               Vertretern des öffentlichen Lebens. 1972 veröffentlichte er die Studie „Die Grenzen des
      Wieder kam es nicht ganz so schlimm – noch nicht jedenfalls. Im Jahr 2006                Wachtums“, die eine düstere Zukunft prognostizierte: Da die Rohstoffe zur Neige gehen, wird die
      sind die Vorhersagen bescheidener geworden. „Futur“ heißt ein aktuelles                  industrielle Produktion schrumpfen und knappes Wasser und Land in weniger als 100 Jahren
      Projekt des Bundesforschungsministeriums. Bis zu zweitausend Experten                    unweigerlich zu Hungersnöten führen. Heute versteht sich der Club of Rome als globaler „Think
      und Laien treffen sich in kleinen Zirkeln und diskutieren ihre eigenen                   Tank“, der als Non-Profit Organisation Wissenschaftler, Wirtschaftsführer, Geschäftsleute, aktuel-
      Visionen und immer wieder die ihrer Kollegen. So entsteht aus der gegen-                 le und frühere Staatsoberhäupter aus aller Welt zusammenbringt, um Zukunftsfragen zu disku-
      seitigen Abstimmung ein Bild davon, wie die Zukunft sein könnte und wie                  tieren.
      man sie sich wünscht. Aus diesen „Leitvisionen“ sollen am Ende konkrete
      Forschungsprojekte werden, die das Ministerium fördert. Dabei geht der
      Trend eindeutig weg von gigantischen Großprojekten. Vielmehr will man
      „Schäden verhindern, und Belastungen vermeiden.“ Statt Überschallge-
      schwindigkeit und phantastischer Reisemöglichkeiten soll es die „Ener-
      giewende im Verkehr“ geben: Ähnliche Autos wie bisher, aber mit umwelt-

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