"Ich kann was! Kinder im Revier" - Wie die Weitergabe und Vermittlung der Bergbaukultur in offenen Ganztagsschulen gelingen kann und was Kinder ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
„Ich kann was! Kinder im Revier“ Wie die Weitergabe und Vermittlung der Bergbaukultur in offenen Ganztagsschulen gelingen kann und was Kinder daraus lernen. Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.
INHALTSVERZEICHNIS Grußwort 4 Vorwort 5 Zusammenfassung und Übersicht 6 1 Einleitung 7 2 Projektmethode und -aufbau 9 3 Die Leuchtturmprojekte und ihre Erfahrungen 21 3.1 OGS Martinschule Gelsenkirchen – Vielfältige Verankerungen des Themas im Nachmittagsbereich 22 3.2 OGS Ludgerusschule Bottrop – Persönliche Verbindungen durch Zeitzeugen schaffen 23 3.3 OGS Oberwinzerfeld Oberwinzfeld – Kulturhistorische Perspektiven schulen 26 3.4 OGS Elisabethschule Lünen – Bergbau mit allen Sinnen erfahren 28 3.5 OGS Waldschule Bochum – Bergbau-AG fördert Zusammenhalt heterogener Schülerschaft 30 3.6 OGS Focus-Schule Gelsenkirchen – Bergbau auch für Kinder mit Sehbeeinträchtigung erlebbar machen 32 4 Zielerreichung und Erfolgsfaktoren 34 4.1 Bezug zur Lebenswelt der Kinder herstellen 34 4.2 Neugier wecken: Keine Frage zu viel 37 4.3 Sozialräume erkunden und Netzwerke etablieren 40 4.4 Kreativität und Wertschätzung sichtbar machen 43 4.5 Sinnes- und Rollenerfahrungen ermöglichen 46 4.6 Partizipation und Selbstwirksamkeit der Kinder fördern 48 4.7 Zusammenhalt stärken – Kumpel helfen sich gegenseitig 52 4.8 Werte der Bergbaukultur definieren: Was ist Solidarität? 55 5 Stolpersteine und Herausforderungen 59 6 Nachhaltigkeit und Fazit 61 7 Literatur 63 8 Stichwortverzeichnis 65 3
GRUSSWORT Vor diesem Hintergrund haben wir das Pro- jekt „Ich kann was! Kinder im Revier“ des AWO- Bezirksverbands Westliches Westfalen gerne unterstützt. Das Projekt richtet sich an chancen- benachteiligte Kinder im Grundschulalter und wurde über drei Jahre an dreißig Grundschulen in herausfordernder Lage im Ruhrgebiet um- gesetzt. Die teilnehmenden Kinder lernten im Nachmittagsbereich die Welt des Bergbaus ken- nen und konnten erfahren, wie sich die Werte der Bergleute auf ihren Alltag übertragen lassen. Es freut mich besonders, dass in dem Projekt nicht nur die sozialen Kompetenzen, sondern auch die Lernfreude der Kinder gestärkt werden konnte. Ich bin überzeugt, dass die Kinder da- durch ihren Bildungsweg noch selbstbewusster und erfolgreicher fortsetzen werden. Besonders herausstellen möchte ich das große Engagement aller beteiligten Akteure. Sie haben mit viel Kreativität Ideen entwickelt, die Kinder im Projekt zu begeistern und Konzepte zu finden, die für ihre jeweilige Schule am pas- © Foto: Lina Nikelowski sendsten waren. Ich bin überzeugt, dass die vorliegende Publikation Ihnen, liebe Leserinnen Liebe Leserinnen und Leser, und Leser, einen guten Einblick in die Vielfalt der entwickelten Angebote bietet und hoffe sehr, Solidarität, Verlässlichkeit und Zusammen- dass sie zur Nachahmung anregen. Ich wür- halt – dies sind die Werte der Bergleute, die de mich freuen, wenn sich noch viele weitere unter Tage zählten und auch heute noch zen- Bildungseinrichtungen von den präsentierten trale Tugenden in den ehemaligen Bergbaure- Praxisbeispielen inspirieren lassen. gionen sind. Gerade in Zeiten von zunehmender Unsicherheit bieten sie wichtige Orientierungs- Ein herzliches Glückauf hilfen. Daher ist es uns ein großes Anliegen, diese Werte der Bergleute auch an die nächste Bärbel Bergerhoff-Wodopia Generation weiterzugeben. Mitglied des Vorstands der RAG-Stiftung 4
VORWORT Die Unterstützung von Kindern und Jugend- lichen, die in benachteiligten Lebensumständen aufwachsen, liegt uns besonders am Herzen. Wir engagieren uns dafür, die Teilhabechancen von Kindern zu verbessern, die aus sozial be- nachteiligten Familien stammen. Wir sind vom sozialräumlichen, also wohnortnahen Vorgehen überzeugt. Projekte und Maßnahmen, die dort ansetzen, wo die Kinder und Jugendlichen le- ben, sind besonders effektiv. Wir konnten das direkte Umfeld positiv beeinflussen und haben nachhaltige Beziehungen ermöglicht. In den drei Projektjahren ist es uns mit lebensnahen Ansätzen gelungen, die Chancengerechtigkeit stärker in den Blickpunkt zu rücken. Unser herzlicher Dank gilt der RAG-Stiftung, welche die Realisierung des Projekts ermög- licht hat. Wir danken ebenso allen beteiligten Kooperationspartner*innen, die mit hohem En- Die Zukunft unserer Kinder – was hat das mit gagement zum Erfolg des Projekts beigetragen dem Bergbau zu tun? In dem dreijährigen Pro- haben. Die wissenschaftliche Evaluation des In- jekt „Ich kann was! Kinder im Revier“ konnten stituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. wir diese Frage schlüssig beantworten. V. (ISS-Frankfurt a. M.) trug prozessbegleitend Die AWO versteht sich mit ihrem Leitbild von dazu bei, den hohen WMehrwert für die Kinder Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und und ihre Familien sichtbar zu machen – auch ih- Gerechtigkeit als ein zukunftsorientierter Mit- nen gilt unser Dank. gliederverband mit langer Tradition, der sich mit Mit diesem Abschlussbericht möchten wir seinen Werten für die Rechte aller Menschen Ihnen konkrete Einblicke in die Praxis und An- einsetzt. Der Erhalt der Bergbaukultur mit ihren regungen für eigene Angebote und Projekte an- Werten des Zusammenhalts, des Vertrauens, bieten. Wir wünschen uns natürlich, dass die der Verlässlichkeit und der Solidarität ist uns ein Projektidee weiterhin lebendig bleibt und wei- großes Anliegen. terentwickelt wird. Mit dem Projekt „Ich kann was! Kinder im Re- Denn die Zukunft gehört unseren Kindern – vier“ hat der AWO Bezirksverband Westliches ihnen die Werte einer sozialen Gesellschaft zu Westfalen die aktuelle Bedeutung dieser Kul- vermitteln und das dauerhaft, also über Pro- tur für Kinder und ihre Familien aus der Region jektlaufzeiten hinaus, ist die beste Investition in erlebbar gemacht. Wir haben einen wichtigen unseren Nachwuchs. Beitrag dazu geleistet, die Werte des Bergbaus in den Alltag der Kinder und ihrer Familien zu Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre. übertragen. Im Mittelpunkt des Projekts stan- Glück auf! den nicht nur die Stärkung von Partizipation und Selbstwirksamkeit der Kinder, sondern auch die Uwe Hildebrandt Erkundung der eigenen Sozialräume und die Er- Geschäftsführer des AWO-Bezirksverbandes fahrung, als Kumpel zusammenzuhalten. Westliches Westfalen 5
„ICH KANN WAS! – KINDER IM REVIER“ ZUSAMMENFASSUNG UND ÜBERSICHT Hintergrund Zentrales Projektziel Mit der Stilllegung des letzten aktiven Vermittlung der Werte der Bergbaukultur Bergwerks Prosper-Haniel im Jahr 2018 wie Mut, Solidarität und Verlässlichkeit um wurde die Ära des Steinkohlenbergbaus in Deutschland beendet. Für das Ruhrgebiet, a. die Kultur und den Wertekanon zu dessen Identität stark durch den Bergbau erhalten und lebendig zu vermitteln. geprägt ist, entstehen dadurch neue b. die Potenziale von Kindern zu Herausforderungen (gestiegene fördern und ihre Teilhabechancen zu Arbeitslosenzahlen, Kinderarmut etc.) und verbessern. Aufgaben (Weitergabe der bergbautypischen Werte). 8 Erfolgsfaktoren Nachhaltigkeit 1. Bezug zur Lebenswelt der Kinder 97 % der Befragten stimmen der herstellen Aussage zu, dass sich durch das Projekt 2. Neugier wecken und Fragen zulassen positive Effekte beobachten lassen. 3. Sozialräume erkunden und Netzwerke etablieren 93 % der Befragten geben an, dass 4. Kreativität und Wertschätzung sichtbar durch das Projekt verbindliche machen Kooperationen entstanden sind. 5. Sinnes- und Rollenerfahrungen Außerdem: ermöglichen - Entstehung vielfältiger Projektprodukte, 6. Partizipation und Selbstwirksamkeit Kunstwerke und Bauten fördern - Geschenke, Leihgaben und Anschaffung 7. Zusammenhalt stärken von (Bergbau-)Materialien 8. Werte der Bergbaukultur definieren - Erweiterung des Erfahrungsschatzes durch Ausflüge und Angebote - Vermittlung der Werte der Bergbaukultur Reichweite des Projekts 30 Methodenkoffer entwickelt teilnehmende Schulen Gemeinsam mit den Praktiker*in- nen entstand ein Methodenkoffer, 790 141 der konkrete Praxisangebote zur erreichte Übertragung des Projekts beinhaltet. Schüler*innen Mitarbeitende Die vielfältigen Angebote sind den Erfolgsfaktoren zugeordnet und sind 6 in Kapitel 4 – mit dem Koffersymbol – beschrieben. Leuchtturmprojekte 6
1. EINLEITUNG Ganztagsschulen (weiterhin OGS) ihrer Unter- Darum geht’s: Erfahren Sie hier mehr über die bezirke durch vielfältige erlebnispädagogische Hintergründe und die Motivation zum Projekt. Aktivitäten und außerschulische Angebote nä- herzubringen. Der Steinkohlenbergbau hat das Ruhrgebiet Die Umsetzung des Projekts wurde zwischen in seiner jahrhunderterlangen Geschichte mit Dezember 2017 und November 2020 durch die vielen Tiefen und Höhen nachhaltig geprägt. Mit RAG-Stiftung finanziert und durch das Institut der Stilllegung des letzten noch aktiven Berg- für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. wis- werks Prosper-Haniel im Dezember 2018 wurde senschaftlich begleitet und evaluiert. Aufgrund diese Ära endgültig beendet. Vielen Bergleuten der großen Heterogenität der beteiligten OGS ist es nicht leichtgefallen, Abschied vom Berg- sowie unterschiedlicher Strategien bei der Pro- bau zu nehmen. Unter Tage waren Menschen jektumsetzung bestand von Beginn an nicht der unterschiedlicher Generationen, Herkunft, Reli- Anspruch, eine Evaluation des Modellvorha- gion und Kultur alle gleich: Sie waren Kumpel; bens im Sinne einer bilanzierenden Bewertung sie konnten sich aufeinander verlassen, zusam- der Erfolge und Misserfolge auf der Ebene der men arbeiten, feiern und ihre Lebenswege ge- beteiligten Kinder durchzuführen. Stattdessen meinschaftlich bestreiten. Das Zusammenleben wurde im Sinne einer begleitenden Forschung und die Identität des Ruhrgebiets wurden stark angestrebt, förderliche und hinderliche Faktoren durch den Bergbau und somit die Werte der für eine gelingende Projektumsetzung an vielen Bergbaukultur wie Zusammenhalt, Vertrauen, unterschiedlichen Grundschulen zu identifizie- Verlässlichkeit, Mut und Solidarität geprägt. Mit ren und zu reflektieren. Um dieses Ziel zu er- der Schließung des letzten Bergwerks dürfen reichen, wurden jährlich an jeweils zwei Schulen diese Werte nicht verloren gehen. Vor dem Hin- Gruppeninterviews mit Fachkräften und Kindern tergrund aktueller gesellschaftlichen Herausfor- vor Ort sowie jeweils ein standortübergreifender derungen der Region, wie hohen Arbeitslosen- Workshop mit bis zu zwölf Vertreter*innen der quoten und damit auch hohen Armutsquoten beteiligten Schulen umgesetzt. Um die struktu- (Knüttel et al. 2018, Der Paritätische Armuts- rellen Rahmenbedingungen der beteiligten OGS bericht 2020), sollen diese Werte insbesondere mit deren Zielerreichung, Erfolgsfaktoren und den jüngeren Generationen weitervermittelt und Stolpersteinen in Verbindung zu setzen, wurden erlebbar gemacht werden. Die Werte und Kul- verschiedene Indikatoren in Form von standar- tur des Bergbaus können dabei als kulturelles, disierten Online-Monitorings dokumentiert. Die soziales und symbolisches Kapital (Bourdieu wichtigsten Indikatoren waren dabei die Größe 2015; 1987) verstanden werden, welche die ne- der Schule, die Zielgruppen des Modellprojekts, gativen Auswirkungen von Armut (Butterwege die Anzahl der beteiligten Kinder, der Umgang et al. 2003, Laubstein et al. 2012; 2016, Volf et mit Personalressourcen, die Ziele, die Aktivitä- al. 2019) abfedern und den Erfahrungsraum und ten und die Kooperationspartnerschaften. Die die Teilhabechancen der Kinder erweitern. Dokumentation erfolgte jährlich jeweils im Früh- jahr 2018, 2019 und 2020. Mit dem Projekt „Ich kann was! Kinder im Revier“ hat sich der Bezirksverband der AWO Zentrale Erkenntnisse dieses Forschungs- Westliches Westfalen e. V. auf den Weg ge- vorhabens sowie konkrete Anregungen und macht, um die Werte der Bergbaukultur den Tipps für die Praxis werden im vorliegenden Grundschulkindern in ausgewählten offenen Abschlussbericht gebündelt dargestellt. Somit 7
werden das gesammelte Wissen und die vielfäl- che Wirkungen der Projektaktivitäten konnten tigen Erfahrungen der beteiligten OGS der brei- sie bei den Kindern feststellen? Zentral waren ten Öffentlichkeit vorgestellt und können von außerdem die Fragen an die Kinder. So soll- pädagogischen Fachkräften und Mitarbeiter*in- ten diese beschreiben, was sie im Projekt ge- nen im OGS-Bereich in ihren eigenen Grund- macht haben, was ihnen gut und weniger gut schulen genutzt und weiterentwickelt werden. gefiel oder was die Bergleute besonders aus- gemacht hat. Daran anschließend werden im Der Abschlussbericht ist in sechs Abschnitte vierten Abschnitt acht Faktoren dargestellt, die unterteilt. An die Einleitung anschließend wird standortübergreifend entscheidend zum Erfolg das Modellprojekt (Kapitel 2) dargestellt. Wir der Projektumsetzung beigetragen haben. Da- umreißen zunächst die Ziele, Zielgruppen, Ak- bei möchten wir konkrete Ansätze, Methoden tivitäten und entstandenen Kooperationen der und Aktivitäten exemplarisch vorstellen und die beteiligten OGS und verdeutlichen die Hetero- Erfolgsfaktoren näher beleuchten. In diesem genität der strukturellen Rahmenbedingungen, Abschnitt werden auch die Angebote aus dem die das Projekt geprägt hat. Das dritte Kapitel Methodenkoffer dargestellt, die von Leonie Frei- bietet Einblick in die Umsetzung des Modell- sewinkel, der Projektkoordinatorin bei der AWO projekts an sechs Grundschulen. Diese wur- Westliches Westfalen e. V., in Kooperation mit den anhand ausgewählter Qualitätskriterien als den Mitarbeiter*innen der beteiligten OGS er- Leuchtturmprojekte identifiziert und vom Evalu- stellt wurden. Die Stolpersteine und Herausfor- ationsteam besucht, um sowohl die Fachkräfte derungen, die im Laufe der Projektumsetzung als auch die Kinder zu Wort kommen zu lassen. identifiziert wurden, werden im fünften Ab- Dabei standen folgende Fragen im Mittelpunkt: schnitt gesondert in den Blick genommen und Wie haben die OGS-Mitarbeitenden das Projekt reflektiert. In einem weiteren Schritt gehen wir ausgestaltet, um ihre Ziele zu erreichen? Wel- auf den Aspekt der Projektnachhaltigkeit ein, che Erfahrungen haben sie bei der Vermittlung um abschließend ein Fazit zum Thema der Ver- der Werte der Bergbaukultur gemacht? Wel- mittlung der Bergbauwerte zu ziehen. 8
2. PROJEKTMETHODE UND -AUFBAU Arbeit mit den Grundschulkindern möglichst Darum geht’s: In diesem Kapitel erfahren kontinuierlich zu gestalten. Sie, wie das Projekt aufgebaut und struktu- riert wurde und erhalten einen Einblick in die Über drei Jahre hinweg waren insgesamt 30 Auswertung der Monitorings. OGS am Modellprojekt beteiligt. In acht Schu- len wurde das Projekt über die gesamte Projekt- laufzeit von drei Jahren umgesetzt, eine Schule Am Modellprojekt nahmen 30 OGS der sechs war zwei Jahre daran beteiligt, 21 weitere Schu- Unterbezirke der AWO Westliches Westfalen len nahmen jeweils bis zu ein Jahr daran teil. e. V. aus elf Kommunen im Ruhrgebiet teil. Wird die Beteiligung der OGS differenziert nach Dabei wurden unterschiedliche Strategien Jahren betrachtet, so nahmen im Jahr 2018 14 bei der Projektumsetzung verfolgt. OGS, im Jahr 2019 17 OGS und im Jahr 2020 16 OGS am Modellprojekt teil. Die Teilnahme am Modellprojekt „Ich kann was! Kinder im Revier“ war für die OGS der Werden die Grundschulen standortüber- Unterbezirke der AWO Westliches Westfalen greifend untersucht, so lassen sich mehrere e. V. freiwillig und konnte je nach Vereinbarung strukturelle Muster in den OGS identifizieren. zwischen dem Bezirksverband und seinen Un- Merkmale der Schulen in Dortmund, Bochum terbezirken mit einem der zwei Laufzeitmodelle und Gelsenkirchen sind, dass sich die Schu- umgesetzt werden. In den AWO-Unterbezirken len jeweils in den Stadtteilen mit den höchsten Ruhr-Mitte, Unna und Gelsenkirchen-Bott- Kinderarmutsquoten befinden (über 45% in Bo- rop wurde das Projekt nach einem Rotations- chum-Querenburg und Wattenscheid-Mitte und prinzip realisiert, d. h., jedes Jahr nahmen über 60% in Dortmund-Nordmarkt-Südost und unterschiedliche OGS dieser Unterbezirke am Gelsenkirchen-Bulmke Hüllen)1). Daher war es Modellprojekt teil. Dabei wurde das Ziel ver- in diesen Schulen besonders wichtig, Grund- folgt, die Projektidee breit bekannt zu machen schulkinder aus mehrfach belasteten Familien und möglichst vielen OGS die Möglichkeit zu mit niedrigem sozioökonomischen Status zu geben, das Modellprojekt unter ihren unter- erreichen und ihnen neben der Vermittlung der schiedlichen Rahmenbedingungen zu erpro- Werte der Bergbaukultur auch Unterstützung ben. Wie bei einer Staffelübergabe konnten die bei der Stärkung der sprachlichen, feinmotori- im Jahr 2019 beteiligten Grundschulen auf zu- schen und sozialen Kompetenzen anzubieten. sammengetragenen Erkenntnissen der im Jahr Kinder aus benachteiligten Verhältnissen kön- 2018 beteiligten Grundschulen aufbauen, ihre nen nicht in dem Maße an außerunterrichtlichen eigenen Erfahrungen sammeln und wiederum Bildungs- und Freizeitaktivitäten wie andere an die nachfolgenden Grundschulen weiter- Kinder profitieren (Züchner und Fischer 2014) geben. Hingegen waren die Schulen in den und haben ein erhöhtes Risiko für Bildungs- AWO-Unterbezirken Ennepe-Ruhr, Dortmund misserfolg (Autorengruppe Bildungsbericht sowie Münsterland-Recklinghausen in der Re- 2020). Aufgrund der materiellen Einschränkun- gel über die gesamte Projektlaufzeit von drei gen in den sozialen und kulturellen Bereichen Jahren in das Projekt eingebunden, wobei ein- sind kompensatorische Wirkungen der anre- zelne Schulen erst später in das Projekt ein- genden außerschulischen Aktivitäten im nahen gestiegen sind. Bei diesem Modell wurde das sozialen Umfeld für die altersgemäße Entwick- Ziel verfolgt, das Projekt tiefergehend in den lung dieser Kinder zentral. schulischen Strukturen zu verankern und die 1) Vgl. Meisner, Marita/Bader, Silvia (2018: 36), Stadt Dortmund (2019: 121), Stadt Bochum (2018: 269). 9
In der Stadt Herten im Landkreis Reckling- boten zum Thema „Bergbau“. Eine unter vielen hausen wurde das Projekt in allen neun Grund- Fragen war es beispielsweise, wie man Kindern schulen umgesetzt, in denen der OGS-Bereich mit einer Sehbehinderung die Teilnahme an in AWO-Trägerschaft liegt. In fünf Grundschu- Projektaktivitäten, etwa ein gemeinsamer Bau len wurde das Projekt über drei Jahre, in einer eines Förderturms, ermöglichen kann. Dies er- Schule über zwei Jahre und in drei Schulen über forderte viel Kreativität seitens der pädagogi- jeweils ein Jahr realisiert. Der Schwerpunkt lag schen Fachkräfte und war für sie eine lehrreiche hier nicht auf einer gezielten Förderung der Kin- Erfahrung. der in benachteiligten Quartieren, sondern auf der Vernetzung im Sozialraum und der schul- Schließlich lassen sich unter den beteiligten übergreifenden Zusammenarbeit. Diese Vorge- OGS Grundschulen identifizieren, an denen auf- hensweise hat sich im Sinne einer vielfältigen grund ausgeprägter konflikthafter Lagen dees- und kooperativen Projektumsetzung mit vielen kalationsorientierte Projekte umgesetzt werden. Synergieeffekten als auch mit Blick auf die Si- Es handelt sich häufig um Klassengemeinschaf- cherung der Nachhaltigkeit als gewinnbringend ten, die zu fast hundert Prozent aus Kindern un- erwiesen. Insofern wurden nicht nur viele Kin- terschiedlicher Kulturen und häufig nur mit rudi- der – unabhängig von der sozioökonomischen mentären Kenntnissen der deutschen Sprache Situation der Familien – , erreicht, an der Um- bestehen. Um diese Kinder an diesen Grund- setzung der standortübergreifenden Aktivitäten schulen zusätzlich zu unterstützen, zielten die waren auch viele Fachkräfte beteiligt. Weitere OGS-Träger darauf ab, den Zusammenhalt der Vorteile dieser Ausgestaltung der Projektumset- Kinder durch das Erleben der Werte der Berg- zung zeigen sich darin, dass außerunterricht- baukultur zu stärken. Hier erfolgte die Projekt- liche, schulübergreifende Bildungsaktivitäten umsetzung unter dem Motto „Unter Tage sind in den Bereichen Kultur und Sport gerade für wir gleich“. Kinder aus ressourcenärmeren Familien neue Möglichkeiten bieten (Züchner und Arnoldt 2011). Zusätzlich erhöhen schulübergreifende Aktivitäten die Chancen, dass Kinder aus unter- schiedlichen sozioökonomischen Verhältnissen miteinander in Kontakt kommen und voneinan- der lernen können. Auch Grundschulen mit besonderen Schwer- punkten, wie die Focus-Schule Gelsenkirchen nahmen am Modellprojekt teil. Diese Schule wird von Kindern mit unterschiedlichen Seh- beeinträchtigung besucht. Die Bandbreite der Beeinträchtigungen ist groß: Neben vollblinden Kindern werden hier Kinder unterrichtet, die die Welt zum Beispiel nur in schwarzen und weißen Schattierungen oder nur in einem bestimmten Ausschnitt sehen. Der Nutzen des Projekts für die Kinder dieser Schule bestand in der gleich- berechtigten Teilhabe an ganzheitlichen Ange- 10
Tabelle 1: Am Projekt teilnehmende Schulen (sortiert nach Beginn des Projekts) 2018 2019 2020 KinGs Hellwegschule Witten Barbaraschule Herten Comeniusschule Herten Kleine Kielstraße Dortmund Oberwinzerfeld Hattingen Ludgerusschule Herten Süderschule Augustastraße Herten Süderschule in der Feige Herten Ludgerusschule Bottrop Goetheschule Herten Martinschule Gelsenkirchen Fichteschule Bottrop Preinschule Bergkamen Gertrudisschule Bochum Mährfeld Gelsenkirchen Konradschule Bottrop Hellwegschule Bönen Elisabethschule Lünen Waldschule Bochum Michaelschule Herne Martinischule Herten Claudiusschule Herne Natorpschule Bochum Waldschule Herten Focus-Schule Gelsenkirchen Am Volkspark Bochum Grundschule Herten Mitte Grundschule Hordel Bochum In der Vöde Bochum Horstschule Herne Quelle: Befragung der Fachkräfte der OGS 2018 (n=14), 2019 (n=17) und 2020 (n=16). 11
Standortübergreifend wurden über die drei an Arbeitsgruppen über die gesamte Projekt- Jahre hinweg bis zu 141 Personen (OGS-Mit- laufzeit von drei Jahren. Die Projektumsetzung arbeitende, Lehrkräfte, Praktikant*innen, Eh- fand in der Regel in altersgemischten Gruppen renamtliche etc.) an der Projektumsetzung mit Schüler*innen von der ersten bis zur vier- beteiligt und bis zu 790 Grundschulkinder er- ten Klasse statt. Nur in einzelnen OGS richte- reicht. Damit wurde rund jedes fünfte Kind im ten sich die Angebote gezielt an die Kinder der OGS-Bereich der 30 Grundschulen erreicht. ersten und zweiten oder der dritten und vierten Klassen. An zwei OGS wurden darüber hinaus Das Monitoring zeigt, dass die teilnehmen- Vorschulkinder in die Projektaktivitäten einbe- den OGS eine große Heterogenität sowohl in zogen. Über alle Standorte hinweg wurden Jun- Bezug auf die Größe der Grundschulen, die gen (54%) etwas häufiger erreicht als Mädchen Größe der OGS-Bereiche, aber auch in Bezug (46%) und Kinder ohne Migrationshintergrund auf die Anteile ihrer Schüler*innen mit und ohne (53%) etwas häufiger als Kinder mit Migrations- Migrationshintergrund aufweisen. An der kleins- hintergrund (47%). Gemäß der Einschätzung ten Grundschule wurden 72 Kinder unterrichtet, der befragten Fachkräfte sind über alle Projekt- an der größten waren es 420 Kinder. Die Größe standorte hinweg rund 70% der Projektkinder der OGS-Bereiche reichte von 24 bis 334 Kin- im Ruhrgebiet aufgewachsen, aber nur 24% der der. Im Durchschnitt wurde jede Schule von 237 Kinder hatten aufgrund ihres familiären Hinter- und jedem OGS-Bereich von 126 Schüler*innen grunds einen Bezug zur Bergbaukultur. besucht. Gemäß den Einschätzungen der be- fragten Fachkräfte variierte der Anteil an Kin- Aufgrund der unterschiedlichen strukturellen dern mit Migrationshintergrund zwischen 10% Merkmale der Grundschulen war eine ebenfalls und 96% pro Grundschule und lag im Durch- heterogene Planung und bedarfsgerechte Aus- schnitt bei 51%. gestaltung der Projekte mit Personal notwendig. So variierte die Anzahl der am Modellprojekt Über den Projektverlauf wurden an den 30 beteiligten OGS-Mitarbeitenden zwischen einer beteiligten OGS 790 Kinder erreicht. Die In- und 15 Personen und lag im Durchschnitt bei tensität reichte von der punktuellen Teilnahme fünf Personen. In der Summe waren über die an Ausflügen bis zur regelmäßigen Beteiligung Projektlaufzeit an 30 OGS bis zu 1412) Personen Tabelle 2: Anzahl der Schüler*innen in Schule und Offenem Ganztag und ihr Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund Durchschnitt Mindestens Maximal Summe Anzahl der Schüler*innen an der Schule 237 72 420 7.106 davon Kinder mit Mgrationshintergrund 51% 10% 95% 3.901 Anzahl der Schüler*innen im OGS-Bereich 126 24 334 3.768 davon Kinder mit Mgrationshintergrund 49% 10% 96% 1.751 Anzahl der erreichten Schüler*innen 28 6 135 790 davon Kinder mit Mgrationshintergrund 12 0 53 369 Quelle: Ergebnisse aus jeweils der letzten Befragung der OGS (n=30). 2) Bei mehrjähriger Projektbeteiligung wurde die jeweils letzte Befragung berücksichtigt. D.h. bei Schulen, die 12 über den gesamten Projektverlauf (bzw. über zwei Jahre) beteiligt waren, sind die Angaben aus dem Jahr 2020 enthalten. Bei Schulen, die nur ein Jahr beteiligt waren, stammen die Angaben jeweils aus dem Jahr der Betei-
Tabelle 3: Personelle Ressourcen zur Umsetzung des Modellprojekts Juni/Juli März/April Februar/ 2018 2019 März2020 Ausschließlich Aufstockung des Stellenanteils des 5 8 10 vorhandenen Personals Ausschließlich Neueinstellung zusätzlicher 0 3 4 Fachkräfte Sowohl Aufstockung als auch Neueinstellung 3 2 1 Ausschließlich mit vorhandenen Personalressour- 6 4 1 cen des OGS-Bereichs und mit Unterstützung durch (externe) Honorarkräfte (z.B. Künstler.innen) Gesamt 14 17 16 Quelle: Befragung der Fachkräfte der OGS 2018 (n=14), 2019 (n=17) und 2020 (n=16). Bei den Grundschulen 2020 erfolgte bei neun Schulen eine kontinuierliche Projektumsetzung seit 2018 bzw. 2019; an den restlichen sieben Schulen begann das Projekt im Schul- jahr 2019/20. an der Umsetzung des Modellprojekts in unter- destens einmal wöchentlich stattfand und eine schiedlichen Rollen, als OGS-Mitarbeiter*innen, große Bandbreite an Aktivitäten und Angeboten Lehrkräfte, Praktikant*innen, FSJ-Dienstleisten- beinhaltete. Die Vermittlung der Werte der Berg- den, Ehrenamtliche, Honorarkräfte (z. B. Künst- baukultur stand als Zielsetzung im Mittelpunkt. ler*innen) etc., beteiligt. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Frauen ohne Migrationshinter- Während das zentrale Ziel des Projekts – Ver- grund. mittlung der Werte der Bergbaukultur wie Mut, Solidarität und Verlässlichkeit – für alle teilneh- Entsprechend der Größe des OGS-Bereichs mende OGS verbindlich war, konnten die OGS und der Anzahl am Projekt teilnehmenden Kin- weitere zu erreichende Ziele sowie die Wege zur der wurde das Projekt entweder durch das vor- Erreichung dieser Ziele ausgehend von ihren handene Personal (mit oder ohne Aufstockung spezifischen schulischen Rahmenbedingungen der zeitlichen Kapazitäten der Fachkräfte) und/ und Zielgruppen selbst bestimmen und gestal- oder durch zusätzlich eingestelltes Personal ten. Im Lauf des Modellprojekts ging die Mehr- umgesetzt. Bei der Mehrheit der OGS erfolgte heit der OGS dazu über, nicht nur die Werte der die Projektumsetzung ausschließlich durch die Bergbaukultur und das Wissen zum Bergbau Aufstockung vorhandener OGS-Fachkräfte. In oder zum Ruhrgebiet zu vermitteln, sondern sechs Schulen im Jahr 2018, in vier Schulen auch die sozialen, sprachlichen und/oder mo- im Jahr 2019 und in einer Schule im Jahr 2020 torischen Kompetenzen der Kinder mithilfe von wurden keine zusätzlichen Fachkräfte für die unterschiedlichen Aktivitäten und Angeboten Projektumsetzung eingestellt. Stattdessen wur- informeller und non-formaler Bildung zu för- den (externe) Honorarkräfte (z. B. Künstler*in- dern. Somit konnte das Thema des Bergbaus nen, Musiker*innen, Theaterpädagog*innen) für den Grundschulkindern über verschiedene Er- Angebote herangezogen. fahrungs- und Erlebnismöglichkeiten näherge- bracht werden. In den folgenden Zitaten äußern Das Modellprojekt wurde in der Regel in sich OGS-Mitarbeiter*innen zu den Zielsetzun- Form einer Arbeitsgruppe umgesetzt, die min- gen des Projekts: ligung. Diese Zahl soll daher mit Vorsicht interpretiert werden, da es bei einer mehrjährigen Projektumsetzung ggf. möglich ist, dass in den Vorjahren (also 2018 und/oder 2019) mehr Mitarbeitende beschäftigt waren als im 13 letzten Projektjahr. Selbiges gilt für die Anzahl der Schüler*innen.
„Im Projekt (…) soll den Kindern der Stein- mehrheitlich von Kindern aus benachteiligten kohlenbergbau wieder erleb- und erfahrbar ge- Verhältnissen besucht werden. Um Schulunlust macht werden. Mit allen Sinnen und auf vielfäl- vorzubeugen oder dieser entgegenzuwirken, tige und ganzheitliche Art setzen sich die Kinder wurde in diesen OGS ressourcenorientiert ge- mit den verschiedenen Aspekten wie „Entste- arbeitet. Das heißt, die Auswahl der Projekt- hung der Kohle“, „Sprache“, „Alltagsleben ei- aktivitäten basierte vor allem auf Interessen ner Bergmannsfamilie“ und dem „Arbeitsleben und Neigungen der Kinder. Durch die Erzielung eines Bergmanns“ auseinander. Dabei stehen schneller Erfolgserlebnisse beabsichtigten die insbesondere die zeitlosen Werte eines Berg- pädagogischen Fachkräfte, einerseits die Mo- manns und die Frage, was einen guten „Kum- tivation der Kinder zu steigern und anderseits pel“ wirklich ausmacht, im Vordergrund. Des den Kindern zu helfen, eine neue Sicht auf das Weiteren widmen wir uns den Veränderungen, Lernen durch Angebote der informellen Bildung die das Zechensterben mit sich bringt. Während zu erlangen. des ganzen Projekts geben jedoch die Kinder das Tempo, wie auch die Inhalte und Wünsche In der Regel wurde das Modellprojekt an vor“. (Befragung Juni/Juli 2018) den OGS in Form einer Arbeitsgruppe (26 OGS) und/oder mittels Exkursionen (21 OGS) gestal- „Das Projekt „Ich kann was! Kinder im Revier“ tet, die in 19 OGS einmal pro Woche und in findet in Form von einer AG, Exkursionen und neun OGS mehrmals pro Woche stattgefunden Ferienaktionen statt. Hierbei sollen persönliche haben. Nur in zwei der 30 OGS fanden Aktivi- sowie soziale Kompetenzen gestärkt und Werte täten unregelmäßig in Form von Aktionstagen der Bergarbeiterkultur wie Zusammenhalt, Soli- statt. Dabei wurden beispielsweise Ausflüge zu darität, Mut, Vertrauen, Verlässlichkeit vermittelt einem Bergbaummuseum oder einem ehema- werden.“ (Befragung Februar/März 2020) ligen Bergwerk unternommen. Ferienangebote fanden darüber hinaus in zwei Dritteln der be- „Ziel des Projekts ist es, Kindern Werte nahe- teiligten OGS statt. zubringen, die im Bergbau unerlässlich waren: z. B. Solidarität, Toleranz, Verlässlichkeit und Vertrauen. Durch selbstständiges, neugieriges Lernen wollen wir den Kindern die Kultur des Bergbaus erlebbar machen. Wir gehen auf Er- kundungstour zum Thema Bergbau, lernen die früheren Werte kennen und übertragen diese auf unsere heutige Lebensgemeinschaft.“ (Be- fragung März/April 2019) In etwas mehr als jeder zweiten Schule stan- den darüber hinaus das Ziel Förderung der Lernmotivation und in knapp jeder vierten OGS (im Jahr 2018 knapp jeder zweiten OGS) der Abbau der Schulunlust bei den Grundschulkin- dern im Vordergrund. Diese Ziele wurden insbe- sondere von den OGS verfolgt, die in strukturell schwachen Wohngegenden liegen und daher 14
Abbildung Abbildung1:1:Ziele der Ziele Teilprojekte der derder Teilprojekte teilnehmenden OGSOGS teilnehmenden 100% Vermittlung der Werte der Bergbaukultur 94% 93% 88% Förderung sozialer Kompetenzen 100% 93% 81% Erleb- und Erfahrbarmachung des Bergbaus 88% 57% 81% Neue Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten eröffnen 76% 64% Transfer der Werte der Bergbaukultur in das soziale 81% 53% Umfeld 79% 75% Förderung motorischer Kompetenzen 65% 29% 69% Wissensvermittlung (zum Bergbau, Ruhrgebiet etc.) 88% 64% 63% Förderung sprachlicher Kompetenzen 71% 43% Förderung von Lernmotivation, -erfahrung, - 63% 47% kompetenz 57% 63% Vermittlung kultureller Vielfalt 76% 64% 56% Förderung von Selbstwirksamkeit 24% 36% 25% Prävention und Abbau von Schulunlust, -müdigkeit 24% 43% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 2020 2019 2018 Quelle: Quelle:Befragung BefragungderderFachkräfte derder Fachkräfte OGSOGS2018 (n=14), 2018 20192019 (n=14), (n=17)(n=17) und 2020 und(n=16). Mehrfachnennungen 2020 (n=16). sind möglich. Mehrfachnennungen sind Bei den Grund- möglich. Bei schulen 2020 erfolgte den Grundschulen bei erfolgte 2020 neun Schulen eineSchulen bei neun kontinuierliche Projektumsetzung eine kontinuierliche seit 2018 bzw. seit Projektumsetzung 2019; an den 2018 bzw.restlichen 2019; ansieben den Schulen begann das Projekt im Schuljahr 2019/20. Daher waren viele Aktivitäten noch vor dem ersten pandemiebedingten Lockdown im März restlichen sieben Schulen begann das Projekt im Schuljahr 2019/20. Daher waren viele Aktivitäten noch vor dem ersten 2020 möglich. pandemiebedingten Lockdown im März 2020 möglich. In der Regel wurde das Modellprojekt an den OGS in Form einer Arbeitsgruppe (26 OGS) und/oder mittels Exkursionen (21 OGS) gestaltet, die in 19 OGS einmal pro Woche und in neun OGS mehrmals pro Woche stattgefunden haben. Nur in zwei der 30 OGS fanden Aktivitäten unregelmäßig in Form von Aktionstagen statt. Dabei wurden beispielsweise 15 Ausflüge zu einem Bergbaummuseum oder einem ehemaligen Bergwerk unternommen. Ferienangebote fanden darüber hinaus in zwei Dritteln der beteiligten OGS statt.
Abbildung 2: Abbildung 2: Art Artder derumgesetzten umgesetztenAngebote/Aktivitäten Angebote/Aktivitäten 81% Erlebnispädagogische Angebote 59% 79% 75% Museumpädagogische Angebote 71% 71% 69% Sportangebote 65% 50% 69% Künstlerische, musische Angebote 76% 79% 56% Theaterpädagogische Angebote 47% 50% 44% Naturwissenschaftliche Angebote 47% 43% 2020 2019 2018 Quelle: Befragung Quelle: BefragungderderFachkräfte der Fachkräfte OGS der OGS2018 (n=14), 2018 20192019 (n=14), (n=17) und 2020 (n=17) (n=16). und 2020 Mehrfachnennungen (n=16). sind möglich. Mehrfachnennungen Angebote, die sind möglich. von den befragten Angebote, die vonFachkräften als „Sonstige den befragten Angebote“ Fachkräften angegeben als „Sonstige wurden, Angebote“ wurden vom angegeben ISS-Frankfurt wurden, wurdena.vom M. in die übergeordneten ISS-Frankfurt a. M. inKa- tegorien umcodiert. Bei den Grundschulen 2020 erfolgte bei neun Schulen eine kontinuierliche Projektumsetzung seit 2018 bzw. 2019; an die übergeordneten Kategorien umcodiert. Bei den Grundschulen 2020 erfolgte bei neun Schulen eine kontinuierliche den restlichen sieben Schulen begann das Projekt im Schuljahr 2019/20. Daher waren viele Aktivitäten noch vor dem ersten Lockdown Projektumsetzung seit 2018 bzw. 2019; an den restlichen sieben Schulen begann das Projekt im Schuljahr 2019/20. Daher im März 2020 möglich. waren viele Aktivitäten noch vor dem ersten Lockdown im März 2020 möglich. Die durchgeführten Aktivitäten und Angebo- beziehen sich vor allem auf das Erlernen und te an den Schulen waren sehr vielfältig. Zusam- Singen von Bergmannsliedern (z. B. Steiger- menfassend lassen sich diese in unterschied- lied), das Zeichnen mit Kohle und Bastelakti- lichen Bildungsbereichen verorten und bieten vitäten (z. B. das Basteln und Malen von För- damit gute Voraussetzungen für ganzheitliches dertürmen). Sportangebote, die in knapp zwei Lernen. Am häufigsten lassen sich die umge- Drittel der OGS durchgeführt wurden, beinhal-19 setzten Aktivitäten dem Bereich der Erlebnis- teten Fußballangebote, Bewegungsbaustellen pädagogik, wie Kooperationsspiele, Spuren- bzw. Parcours und Wandern. In rund jeder zwei- suche im Sozialraum, Gärtnern im Schulgarten, ten OGS wurden darüber hinaus Aktivitäten aus Fotografieren der Zechenlandschaft, Drehen dem naturwissenschaftlichen Bereich durchge- eines Films oder das Kochen auf Bergmanns- führt. Dabei setzten sich die Schüler*innen bei- art, zuordnen. Drei Viertel der teilnehmenden spielsweise mit Kohle und Erdschichten ausei- OGS führten museumspädagogische Angebote nander, oder stellten in Experimenten Holzkohle durch. Dabei wurden Zechen, Bergbaumuseen her. Hinzu kamen Aktivitäten in Kooperation mit und Trainingsbergwerke besucht. Künstlerische dem IUZ Sternwarte Bochum und theaterpäd- und musische Angebote wurden ebenfalls in agogische Angebote (etwa Besuche des Hallo- rund drei Viertel der OGS durchgeführt. Diese Du Theaters in Bochum). Auch studierten die 16
OGS-Kinder eigene Musicals zum Thema Berg- cherung, einem Bauernhof, einem Figurenthea- bau ein und führten diese auf. ter, einer Bibliothek, einer Werkstatt sowie einer Musikschule. 24 OGS gaben an, bei Aktivitäten Aufgrund von vielfältigen Aktivitäten für mit externen Projektpartner*innen durchgehend und mit den Kindern sind an fast allen OGS- positive Erfahrungen gemacht zu haben; die Standorten neue Kooperationen mit exter- restlichen sechs OGS erlebten die die Koope- nen Partner*innen entstanden. Eine projekt- rationen zusammenfassend als eher unverbind- bezogene Zusammenarbeit zwischen den lich und weniger gewinnbringend. OGS-Kräften und den Lehrkräften der Schu- len fand demgegenüber eher selten statt. Kooperationen zwischen den OGS-Berei- chen und den Lehrkräften sowie Schulleitungen Die Anzahl der Kooperationspartner*innen wurden insgesamt als loser und unregelmäßiger pro OGS varriierte zwischen null (eine OGS aus beschrieben als mit externen Kooperationspart- dem Jahr 2020) und neun (eine Schule mit ei- ner*innen. Nur in jeder dritten Grundschule fand ner dreijährigen Projektlaufzeit). Am häufigsten ein regelmäßiger projektbezogener Austausch arbeiteten die OGS im Rahmen des Modell- zwischen den Mitarbeiter*innen der OGS und projekts mit anderen Schulen sowie Museen den Lehrkräften statt. In den restlichen Grund- und Zeitzeug*innen zusammen und führten schulen fand diese Kooperation nicht statt bzw. schulübergreifende Aktivitäten in ihrem Sozial- wurde für die Projektumsetzung gar nicht be- raum durch. Insbesondere im Jahr 2019 fanden nötigt. Die Intensität der Zusammenarbeit war an vielen Schulen Aktivitäten in Kooperation dabei nicht abhängig von der Projektlaufzeit. mit Zechen statt. Darüber hinaus organisier- Vertrauensvolle Kooperationen zwischen den ten mehrere OGS Aktivitäten in Kooperation Lehrkräften und den Fachkräften der OGS lie- mit externen Partnern. Dazu zählten Stadtteil-, ßen sich sowohl an den OGS mit einer Projekt- Geschichts- und Sportvereine, Kindertagesein- laufzeit bis zu einem Jahr als auch bei den OGS richtungen und Altenheime. Einzelne Aktivitäten mit einer Projektlaufzeit bis zu drei Jahren fest- gab es mit jeweils einem Kindertreff, einer Versi- stellen. 17
Abbildung 3: Kooperationspartner*innen der OGS bei der Umsetzung des Abbildung 3: Kooperationspartner*innen Modellprojekts der OGS bei der Umsetzung des Modellprojekts 69% Andere Schulen 76% 50% 56% Museen 58% 50% 56% Zeitzeug*innen 82% 57% 44% Zechen 71% 43% Andere Bildungseinrichtungen 25% 24% (Musikschule, Schülerlabor, etc.) 36% 25% Geschichtsvereine 18% 21% 19% Kindertageseinrichtung 18% 14% 13% Stadtteilvereine 18% 36% 6% Förderverein der Schule 12% 7% 6% Senior*innenvereine 12% 14% 6% Sportvereine 12% 14% 2020 2019 2018 Quelle: Quelle:Ergebnisse Ergebnisseaus der aus Erhebung der Erhebungvonvon 2018, 2019 2018, und und 2019 2020. Mehrfachnennungen 2020. Mehrfachnennungensind möglich. Bei denBei sind möglich. Grundschulen 2020 erfolgte den Grundschulen bei 2020neun Schulen erfolgte bei eine neunkontinuierliche Schulen eineProjektumsetzung seit 2018 bzw. 2019; kontinuierliche Projektumsetzung seit an denbzw. 2018 restlichen 2019;sieben an denSchulen begann restlichen dasSchulen sieben Projekt im Schuljahr begann das2019/20. ProjektDaher waren viele im Schuljahr Aktivitäten 2019/20. noch Daher vor dem waren vieleersten pandemiebedingten Aktivitäten noch vor demLockdown im März 2020 möglich. ersten pandemiebedingten Lockdown im März 2020 möglich. Mehrheitlich waren die Fachkräfte mit der Zu Beginn der Projektumsetzung haben die Projektumsetzung zufrieden und konnten OGS ihre eigenen Konzepte zur pädagogischen positive Wirkungen bei den Kindern beob- Ausgestaltung und Planung der Aktivitäten achten. Gleichwohl gab es punktuell Schwie- entwickelt und im Hinblick auf die Ziele, Ziel- rigkeiten bei der Organisation und bei der gruppen und benötigten Personalressourcen Umsetzung der Angebote. konkretisiert. Durch eine standortübergreifende 18
Tabelle 4: Konzeptionelle Umsetzung des Projekts 2018 – 2020 Juni/Juli März/April Februar/März 2018 2019 2020 Das Projekt wird so umgesetzt, wie es 7 12 13 ursprünglich geplant war. Es haben sich unvorhergesehene 7 5 5 Projektentwicklungen ergeben. Gesamt 14 17 16 Quelle: Befragung der Fachkräfte der OGS 2018 (n=14), 2019 (n=17) und 2020 (n=16) Mehrfachnennungen sind möglich. Dokumentenanalyse der Umsetzungsmodelle nehmender Kinder oder den unterschiedlichen konnte rückblickend festgestellt werden, dass Ausgestaltungen an den teilnehmenden Schu- die Projektumsetzung nicht an allen Grund- len auf gute Resonanz der Kinder gestoßen ist. schulen reibungslos verlaufen ist. Im Jahr 2018 Bei der Bewertung der organisatorischen Rah- musste eine Hälfte der 14 Schulen und in den menbedingungen und dem Stand der Projekt- Jahren 2019 und 2020 jeweils ein Drittel der be- umsetzung lassen sich im Durchschnitt eben- teiligten OGS ihre ursprünglichen Konzepte im falls hohe Zufriedenheitswerte der befragten Laufe der Projektumsetzung anpassen. Um zum Fachkräfte feststellen. In den nachfolgenden Beispiel möglichst viele Kinder an außerschuli- Zitaten werden Argumente der befragten Fach- schen und klassenübergreifenden Aktivitäten zu kräfte exemplarisch dargestellt: beteiligen, war es an manchen Grundschulen erforderlich, externe Aktivitäten in Abstimmung „Das Projekt ist ein Selbstläufer - keiner der mit den Lehrkräften am Vormittag während der Teilnehmer möchte die AG verlassen. Eine Neu- Unterrichtszeit zu planen, da die Organisation zusammensetzung wäre erst nach den Sommer- externer Aktivitäten innerhalb der AG-Zeit von ferien möglich. Über eine zweite Gruppe wird wöchentlich anderthalb Stunden aufgrund der nachgedacht.“ (Befragung Februar/März 2020) langen Anfahrtswege praktisch unmöglich war. An anderen Grundschulen fanden Ausflüge nur „Schön ist zu beobachten, dass die Kinder während der Ferienzeiten statt. Anpassungen sich auch außerhalb der Angebote mit dem fanden auch hinsichtlich der Anzahl der betei- Thema auseinandersetzen, z. B. im Freispiel, zu ligten Kinder statt. Bei manchen Aktivitäten wie Hause oder im Freundeskreis. Kinder bringen beim Besuch von Museen durften nur bis zu 15 eigene Ideen und Vorschläge mit ein.“ (Befra- Kinder teilnehmen; bei Schulfesten hingegen gung März/April 2019) wurde versucht, möglichst viele Kinder zu be- teiligen. Im Rückblick stellen die befragten Fachkräf- te zusammenfassend fest, dass die Projektakti- vitäten und -angebote von den Kindern sehr gut (24 OGS) oder gut (6 OGS) angenommen wur- den. Damit wird deutlich, dass das Projekt un- abhängig von Projektzeitraum, der Anzahl teil- 19
Tabelle 5: Bewertung des Projekts durch die OGS-Fachkräfte Juni/Juli März/April Februar/März Gesamt 2018 2019 2020 Zufriedenheit mit den organisatorischen 6,9 6,7 7,3 7,0 Rahmenbedingungen Zufriedenheit mit dem Stand der 7,4 6,6 7,1 7,0 Projektumsetzung Quelle: Befragung der Fachkräfte der OGS 2018 (n=14), 2019 (n=17) und 2020 (n=16). Skala: 1=Sehr unzufrieden bis 10 = Sehr zufrieden. Die Erfahrungen der Fachkräfte im Hinblick teiligten OGS unter sehr unterschiedlichen Rah- auf die Erfolge und Herausforderungen wurden menbedingungen erfolgreich umgesetzt wurde. tiefergehend und standortübergreifend ana- Dadurch konnten einerseits eine Vielzahl an dif- lysiert. Die Erkenntnisse dieser Untersuchung ferenzierten Erfahrungswerten im Hinblick auf werden in den Kapiteln 4 und 5 detailliert be- die Vermittlung der Werte der Bergbaukultur schrieben und mit praktischen Beispielen be- gesammelt und andererseits diese Werte auf leuchtet. Zusammenfassend kann festgehalten unterschiedliche Weise an die Kinder im Grund- werden, dass das Modellprojekt an den 30 be- schulalter vermittelt werden. 20
3. DIE LEUCHTTURMPROJEKTE UND IHRE ERFAHRUNGEN ● wie die Fachkräfte das Projekt bewerten und Darum geht’s: Dieses Kapitel enthält sechs Fall- welche Indikatoren zur Bewertung des Pro- beispiele von teilnehmenden Schulen, die das jekts und zum Erreichen der Projektziele sich Projekt mit unterschiedlichen Ansätzen erfolg- (z. B. aus dem Verhalten der Kinder und de- ren Situation) aus Sicht der Fachkräfte ablei- reich bearbeitet und umgesetzt haben. ten lassen, oder Die Leuchtturmprojekte haben das Projekt ● welche Gelingensfaktoren/Hemmnisse sich „Ich kann was! – Kinder im Revier“ unterschied- für die Projektumsetzung identifizieren las- lich ausgestaltet, hatten unterschiedliche Zu- sen. gänge zum Thema sowie unterschiedliche Rah- menbedingungen und Schwerpunkte. Trotzdem Bei den Gesprächen mit den Grundschulkin- haben sie einiges gemeinsam: Sie können an- dern standen ihre Erfahrungen mit den Projek- deren OGS einen möglichen Weg aufzeigen, wie ten, ihr Interesse daran und ihre Bewertung des die gesetzten Ziele erreicht werden können. Auf Projekts im Vordergrund. Insgesamt wurden Basis der Monitoringdaten und in Abstimmung sechs Interviews mit jeweils bis zu zwölf Grund- mit den Fachkräften während der Workshops schulkindern im Projektzeitraum durchgeführt. wurden jeweils zwei Schulen pro Jahr identi- fiziert, die durch eine hohe Qualität ihrer Um- Die nun folgende Vorstellung der Leucht- setzung und Angebote überzeugen konnten. An turmprojekte beleuchtet einige Aspekte aus den diesen Schulen wurden durch das Evaluations- Interviews. Insbesondere die Motivation der team (Gruppen-)Interviews mit Fachkräften und Fachkräfte, die Umsetzung des Projekts, seine Kindern geführt. Ziele und Wirkung und die Erfahrung der Kinder stehen hierbei im Vordergrund und sollen einen Die Perspektive der pädagogischen Fach- Einblick in die jeweilige Umsetzung des Modell- kräfte wurde im Rahmen von insgesamt sechs projekts ermöglichen. Gruppen- und Einzelinterviews erfasst: Im Fo- kus standen ihre Erfahrungen mit der Projekt- umsetzung, insbesondere im Hinblick darauf, ● welche Angebote und Maßnahmen aus ihrer Sicht besonders geeignet sind, den Grund- schulkindern die Werte der Bergbaukultur zu vermitteln, 3) Ausnahme bilden die Interviews im Jahr 2020: Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden Einzelinterviews via Zoom durchgeführt. 4) Um den Kindern eine möglichst vertraute Situation und Atmosphäre zu schaffen, fanden die Gespräche mit den Kindern in den be- teiligten Schulen statt. Im Jahr 2020 gab es auch hier eine Besonderheit: In einer OGS fanden die Interviews über Zoom statt und in einer anderen wurden die Kinder selbst zu sogenannten „Kinderreportern“ und stellten sich gegenseitig die Fragen des ISS-Eva- luationsteams. Die Fragen und Antworten wurden von der pädagogischen Fachkraft aufgenommen und dem ISS-Frankfurt a. M. zur Verfügung gestellt. 21
3.1 OGS MARTINSCHULE Projektarbeit gelingt besonders gut, wenn GELSENKIRCHEN – Angebote nicht als einzelne Aktivitäten aus- Vielfältige Verankerungen des Themas geführt werden, sondern wenn das Projekt im Nachmittagsbereich ganzheitlich gedacht wird und die Projektak- tivitäten aufeinander abgestimmt sind. Kurzporträt Die Ausführung des Projekts erfolgte mehr- Schule: städtische Gemeinschaftsgrund- mals wöchentlich sowohl im Rahmen einer neu schule Martinschule, Gelsenkirchen etablierten Bergbau-AG als auch unter Berück- sichtigung des Themas „Bergbau“ in den bereits Projektzeitraum: Januar 2018–März 2019 bestehenden AGs. Somit fand die Projektum- Anzahl der am Projekt teilnehmenden setzung in unterschiedlichen Bildungsbereichen Schüler*innen: 56 Kinder aus den Klassen 1 statt. So bot die Lese-AG Bergbau-Geschichten bis 4. an, in der Kunst-AG entstanden Kohlezeichnun- Beschreibung: Die Martinschule befindet gen, im Hochbeet wurde auf Bergarbeiterweise sich in Bulmke-Hüllen, einem Stadtteil Gel- gegärtnert, in der Küche wurde bergmanns- senkirchens, der durch ein hohes Maß an kul- typische Kost angerichtet und in den Pausen tureller Heterogenität und einem hohen Anteil verzehrten die Kinder gemeinsam Glückauf- an von Armut betroffenen Kindern gekenn- Schmalzstullen. Auf diese Weise fand das Pro- zeichnet ist. Der inhaltliche Schwerpunkt des jekt „in allen Ecken“ statt und verließ auch die Ganztagbereichs liegt im Bildungsbereich für Projekte typischen Begrenzungen. Durch „Sprache“. Ziel ist die spezifische Unterstüt- dieses Vorgehen wurde ein ganzheitliches, dem zung der vielen Kinder mit Migrationshinter- Entwicklungsstand der Kinder entsprechendes grund. und alltagsintegriertes Lernen ermöglicht, das sich an den konkreten, lebensweltbezogenen Interessen der Kinder orientiert. Ein Bezug zum Thema Bergbau konnte durch das Team der OGS schnell hergestellt werden. Die Kinder selbst berichteten von Gesprä- Dabei wurde die Verbindung zwischen den Be- chen mit Zeitzeugen, Ausflügen in Zechen und sonderheiten des offenen Ganztags an der Museen, Schichtmarken, Mut, der Bedeut- Schule und denen des Bergbaus vor allem in ei- samkeit des Kohlebergbaus für die Familien, ner gemeinsamen Wertebasis gesehen, die sich dem Bau eines Förderturmes, Respekt unter- im Leitbild der Schule widerspiegelt. Der Funke einander, Fossilien, einem Besuch im Stadtar- sprang jedoch durch die persönlichen Bezüge chiv, Gesprächen mit bergbauerfahrenen Fa- zum Bergbau über. So beschrieb eine Fach- milienangehörigen, gemeinsamem Singen des kraft: „Es kam alles von früher hoch. Geschich- Steigerliedes und davon, wie es ist, ein echter ten, die eigenen Geschichten kamen hoch. Tolle Kumpel zu sein. Ihre Ausführungen verdeutli- Geschichten.“ Der thematische Bezug zur eige- chen, dass Bildung ein sozialer Prozess ist, der nen Biografie entfaltete sowohl bei den Kindern neben Wissensvermittlung auf persönliche Wei- als auch bei den Fachkräften während der ge- terentwicklung, Partizipation, Interaktion und samten Projektlaufzeit eine besondere Wirkung, Kulturvermittlung abzielt. Zusätzlich konnte im die sich in einer starken Identifizierung mit dem Rahmen des Projekts ein soziales Kompetenz- Projekt äußerte. training integriert werden, das zu einem kons- truktiven Umgang mit dem Erleben von Diffe- 22
renz und dem Abbau von Vorurteilen beitragen war, dann mussten die anderen Bergleute wie- sollte. Das Einnehmen der Perspektive der*des der runtergehen und ihn suchen.“ Die pädago- anderen wurde mit den Kindern in Rollenspielen gischen Fachkräfte bestätigten, im Verlauf des eingeübt und beabsichtigte ebenfalls die Stär- Projekts eine Veränderung im sozialen Mitein- kung eines wohltuenden Miteinanders. ander wahrgenommen zu haben. So erinnern sich die Kinder in Konfliktsituationen gegensei- Die Werte der Bergbaukultur entfalten sich tig daran, dass sie Kumpel seien. Das gemein- neben ihrer expliziten Vermittlung auch same Erleben nahm darüber hinaus Einfluss durch gemeinsame Erfahrungen und indivi- auf Werte, die nicht unmittelbar an Werte des duelles Erleben im Projekt. Bergbaus anknüpfen. So wurde von den Fach- kräften beschrieben, wie die Erfahrungen von Die Wertevermittlung als ein zentrales Ziel Selbstwirksamkeit, der eigenen Kraft und des des Projekts fiel bei den Kindern auf fruchtba- Durchhaltevermögens auch zur Überwindung ren Boden. So wiesen die Kinder unter anderem von weiblichen Geschlechterrollenstereotypen auf die Bedeutsamkeit gegenseitigen Respek- bei Kindern und Erwachsenen beitrug. tes und freundlichem Verhalten hin. Besonders beeindruckt waren die Kinder vom Schichtmar- ken-System der Bergleute, weil auf diese Wei- se sichergestellt werden konnte, dass keiner verloren geht: „Und wenn die Marke nicht da © AWO Bezirksverband Westliches Westfalen e. V. 23
3.2 OGS LUDGERUSSCHULE BOTTROP – Einholen von Information: „Da haben wir uns Persönliche Verbindungen durch erstmal aufklären lassen“, erklärte eine Mit- Zeitzeugen schaffen arbeiterin. Mit einer zunächst kleinen Gruppe von Kindern wurden erste Zugänge zum Thema Kurzporträt Bergbau geschaffen und Ideen für den weite- ren Verlauf des Projekts entwickelt. Was dann Schule: Ludgerusschule Bottrop folgte, waren zwölf intensive Monate, in denen „ein Projekt für alle“ entstanden und gewach- Projektzeitraum: Januar 2018–Dezember sen ist, das weit über die Tore der Schule hinaus 2018 gewirkt hat. „Es ist eine richtige Freundschaft Anzahl der am Projekt teilnehmenden entstanden“. So beschrieb eine pädagogische Schüler*innen: 25 Kinder aus den Klassen 1 Fachkraft die Beziehung zwischen den an dem bis 4. Projekt teilnehmenden Schüler*innen und ei- Beschreibung: Die Ludgerusschule Bottrop nem ehemaligen Bergmann, der in der direkten ist eine städtische Gemeinschaftsgrundschu- Nachbarschaft der OGS wohnt. Eine pädago- le im Bottroper Stadtteil Fuhlenbrock. Das gische Mitarbeiterin hatte eine Lore vor seiner Verbundbergwerk Prosper-Haniel gehörte Tür gesehen und bei ihm geklingelt. Aus diesem zu den größten Arbeitgebern des Stadtteils, spontanen ersten Gespräch entstanden regel- sodass das Thema Bergbau eine besondere mäßige Begegnungen zwischen ihm und den Rolle einnimmt. Die Schule versteht sich als Kindern. Jeden Dienstag kam er in die Schule inklusive Schule und wird von 180 Schüler*in- und begleitete die schulische Ruhrkohle-AG. nen besucht, von denen 146 Schüler*innen und damit 81% aller Schüler*innen das offe- Auch über den Kontakt mit ehemaligen Berg- ne Ganztagsangebot nutzen. leuten hinaus war das Projekt durch umfäng- liche sozialräumliche Vernetzungen gekenn- zeichnet. So wurde Kontakt zur Ortsgruppe Bereits bei einer ersten Vorstellung des Mo- RAG geknüpft, gemeinsam die Zeche Zollver- dellprojekts konnten sich die pädagogischen ein besucht, der Malakow-Turm besichtigt, eine Fachkräfte der OGS Ludgerusschule in Bottrop Stadtrallye zum Thema Bergbau durchgeführt, mit den Inhalten des Projekts identifizieren und ein Schrebergarten mit Insektenhotel angelegt schätzten den Beitrag, den das Projekt für die sowie ein eigener Radiobeitrag mit den Kin- Kinder leisten kann, positiv ein. Diese Einschät- dern entwickelt und anschließend im Radio zung beruhte sowohl auf gemeinsamen (biogra- Emscher-Lippe gesendet. Das Aufsuchen au- fischen und persönlichen) Wurzeln im Bergbau ßerschulischer Bildungsorte war für die OGS als auch auf dem Wissen um die bevorstehende Ludgerusschule damit fester Bestandteil einer Schließung der letzten Zeche als einem für die erfolgreichen Umsetzung des Projekts. Mit die- Region bedeutsames Ereignis. sem Vorgehen wird Bildung als sozialräumliche Aneignung verstanden und klassische Gren- Die Begegnung zwischen Kindern und Zeit- zen zwischen Schule und Freizeit werden auf- zeug*innen überführt theoretische Vergan- geweicht. So erzählten die Fachkräfte über die genheit in gelebte Gegenwart Schüler*innen: „Also die haben quasi weiter ge- arbeitet nach der OGS-Zeit und haben sich In- Das Projekt begann mit dem Einbezug ehe- formationen eingeholt und haben die dann am maliger Bergmänner. Dabei ging es um das nächsten Tag mitgebracht (...) Also die haben 24
Sie können auch lesen