Digitale WELTen Digital - ganz normal - kja Diözese Würzburg
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# 44. 1/2020 INFORMATIONEN VON BDKJ & KJA WÜRZBURG Digitale WELTen Digital – Lebenswelt Tools für die ganz normal Internet Praxis
Inhalt Impressum Editorial .............................................3 Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Expertenrunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Herausgeber: Aufwachsen mit Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bund der Deutschen Katholischen Blickwinkel verändern Sichtweisen - Jugend (BDKJ) Diözesanverband Digitales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Würzburg Digitale Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Mitherausgeber: Wie wollen wir in Zukunft leben und arbeiten? . . . . . 20 Kirchliche Jugendarbeit Diözese Homeoffice-Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Würzburg (kja) Gott ist da-zwischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Verantwortlich: Internetseelsorge – pastorales Angebot im Netz . . . . 25 Christina Lömmer Youtubestudio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Daniela Hälker Digitale Gruppenstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Redaktion: Maker Dates - Fortnite, Mergecube, MaKey MaKeys 28 Eva-Maria Buchwald, Verena Medientools für (digitale) Konferenzen . . . . . . . . . . . . . 29 Fiedler, Dominik Großmann, Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Daniela Hälker, Christina Lömmer, Pinnwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Matthias Muckelbauer, Klaus Schätzlein, Anna Siemer BDKJ und kja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kontaktadresse: Redaktion - Meteorit Verbände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Kilianeum – Haus der Jugend Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Ottostraße 1, 97070 Würzburg fon: 0931 386-63141 Leute und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 E-Mail: bdkj@bistum-wuerzburg.de www.bdkj-wuerzburg.de Layout: Selina Seubert Lektorat: Anmeldung Redaktionsteam Druck: Hier kannst du den Meteorit Druckerei Lokay e. K., Reinheim kostenfrei bestellen: Auflage: www.bdkj-wuerzburg.de 1.500 Stück Bezugshinweis: Kostenloser Bezug über die Rückmeldung BDKJ-Diözesanstelle Gefördert von: Du möchtest was zum Heft sagen? Lob? Kritik? Dann schreib uns gerne eine E-Mail. Nächste Ausgabe Wir sind klima.aktiv! Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: Deshalb wird unser 15. Oktober 2020 Meteorit auf Thema: Globale Gerechtigkeit Umweltpapier gedruckt. 1/2020 2 Titelbild: www.pixabay.de
Editorial Liebe Leser*innen! Situation einzugehen als auch dar- über hinaus langlebige Inhalte und Wie kann ein gedrucktes Medium Entwicklungen der digitalen Welt die vielen Facetten der digitalen aufzugreifen. Der Thementeil die- Welt einfangen? Diese Frage war ses Heftes enthält so viele Fach- für uns zu Beginn der Recherchen artikel wie noch nie, ergänzt mit die größte Herausforderung. Mit interessanten und mitunter kurio- den Einschränkungen durch die sen Kurzinfos aus der Medienwelt. Covid-19 Pandemie und deren In unserem Leitartikel gewähren Auswirkungen auf unseren digitalen uns fünf Fachpersonen spannen- Alltag mussten wir viele Vorüber- de Einblicke in Erfahrungen und legungen und Artikelanfragen auf Grundlagen ihrer alltäglichen digi- die geänderte Situation anpassen. talen Arbeit. Im Anschluss geht es Digitales ist stark expandiert und um die Aufgabe der Jugendarbeit, für viele ermöglichten alleine die Reflexionsräume auch für digitale digitalen Medien sozialen Kontakt, Erfahrungen von Jugendlichen zu Unterhaltung und Beschäftigung. ermöglichen. Studierende und eine Wir alle wurden vor große Her- Dozentin teilen ihre Erkenntnisse ausforderungen gestellt und nicht mit dem Online-Studium und ein wenige mussten sich gerade für weiterer Artikel beleuchtet die Unterricht oder Beruf mit den Auswirkungen der letzten Mona- zahlreichen digitalen Möglichkeiten te auf die digitale Arbeitswelt. beschäftigen und sich einarbeiten. Der Alltag im Homeoffice kommt Im Privaten genutzte Funktionen im Anschluss ebenso zur Sprache wie Videotelefonate und Chats mit wie Best Practice Beispiele. Mit Familie und Freunden, Online- praktischen Informationen zu Me- Stammtische, gemeinsames Zocken dientools für Konferenzen und dem am Rechner oder Smartphone Youtubestudio der kja runden wir haben zwar ihre Grenzen und unseren Thementeil ab. können physische Nähe nicht erset- zen, ermöglichen aber immerhin Besonders möchte ich auf „Und du den gemeinsamen Austausch und so?“ hinweisen, ein neues Projekt, das Gefühl von Verbundenheit. welches im Mittelteil und auf den Mittlerweile wurden die Beschrän- letzten beiden Seiten vorgestellt kungen wieder etwas gelockert. wird. Junge Menschen werden Die Erfahrungen und kreativen gehört - bei uns, in der kja, in der Entwicklungen im digitalen Bereich Kirche, Gemeinden und Städten, gehen jedoch weiter und viele Er- in der Politik und vor allem auch rungenschaften werden weiterhin untereinander. bleiben. Ich wünsche Ihnen und Euch im Na- Wir haben versucht, in dieser men des ganzen Redaktionsteams Ausgabe sowohl auf die aktuelle viel Spaß und vor allem viele Anregungen und Erkenntnisse beim Lesen des meteorit! Matthias Muckelbauer 3 EDITORIAL Bild: www.pixabay.de
THEMA Expertenrunde Das Thema Digitalisierung wirkt schnell wie ein Fass ohne Boden, wenn es in all seinen Facetten, Erschei- nungsformen, Entwicklungen und Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft erfasst werden soll. Einige der für Jugendseelsorge und Jugend(bildungs)arbeit relevanten Fragestellungen werden nachfolgend in einer ersten Expertenrunde behandelt. Mit ihren Antworten geben die Autor*innen einen kurzen Einblick in ihre Betrachtung des Themas, zu konkreten Impulsen und aus ihrem jeweiligen Fachbereich. Die Redaktion fragt, Expert*innen antworten - und laden ein, sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln dem Thema Digitalisierung anzunähern. Christian Schnaubelt ist Dipl. Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt „Politik & Medien“ sowie Kommunikationswirt. Er arbeitet als Journalist, Online-Redakteur und Lehrbeauftragter der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. Ehrenamtlich ist er im Bereich Web und Medien bei BDKJ und DPSG auf Bundesebene engagiert. Der Wissenschaftler/Dozent Kerstin Heinemann ist Dipl. Religionspädagogin und Medienpädagogin. Sie arbeitet als medienpädagogische Referentin am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Sie ist Mitglied der Expertengruppe Social Media und digitale Transformati- on der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), sowie des Beirats der Clearingstelle Medienkompetenz der DBK. Die Medienpädagogin/Netzwerkerin Christoph Schlämmer ist Dipl. Sozialpädagoge und Medienpädagoge. Er leitete bis Juni 2020 die Katakombe - Offene Jugendbildung im Martinushaus Aschaffenburg. Der Sozialarbeiter Amelie Nickel ist Soziologin (M.A.) und aktuell als akademische Tutorin am Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen mit dem Schwerpunkt Digitalisierung und Bildung tätig. Die Soziologin Anna Schärmann ist 18 Jahre alt und macht derzeit ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Wien, welches aufgrund von Corona momentan warten muss. Außerdem teilt sie auf ihrer Instagramseite anna.mirror ihre Gedanken, ihre Faszination von der Natur und die kleinen Momente im Leben. Die Instagramerin 1/2020 4
Der Wissenschaftler/ wird. Sei es in der Gesellschaft, Wirtschaft und der Kirche. Und müssen Politik und Wirtschaft zukünftig agieren, um Digitalisie- Dozent das weltweit. Dies bedeutet auch, dass wir das nationalstaatliche rung zu fördern? „Kirchturmdenken“ ablegen und Die Corona-Pandemie hat es aus Wo steht Deutschland gerade im stattdessen das europäische bzw. meiner Sicht einerseits deutlich Bereich Digitalisierung im Ver- das globale Denken im Stil „think gemacht: Die Verlierer*innen gleich zu anderen europäischen global – act local“ forcieren der Digitalisierung sind aktuell Ländern? sollten. die Schulen und damit auch die Schüler*innen. Kaum eine Schu- Aus meiner Sicht ergeht es Die skandinavischen Länder le war technisch (Stichwort: Deutschland im Bereich der Digi- können Deutschland im Bereich Breitbandanschlüsse, Endgeräte) talisierung ähnlich wie im Bereich Bildungs- und Digital-Politik ein aber auch pädagogisch (Stich- Klimaschutz. Zunächst waren wir Vorbild sein. Aber wir sollten auch wort: E-Learning), in der Lage, einer der Vorreiter in der EU, doch den Blick auf den afrikanischen das „Homeschooling“ gut um- jetzt drohen wir den Anschluss Kontinent werfen, zum Beispiel in zusetzen. Die Infrastruktur der zu verlieren. Oder anders ausge- die DR Kongo. Denn dieses Land Schulen war aber auch schon vor drückt, das Glas ist halbvoll und leidet unter unserem digitalen Covid-19 problematisch. So hat halbleer zugleich. Ausbau, für den immer mehr Gold der BDKJ-Bundesverband bereits und Coltan benötigt werden. Der 2018 in seinen digitalpolitischen Das Glas ist halbvoll, da das digi- Bürgerkrieg um die „Konfliktmine- Grundlagen gefordert, mit zeit- tale Knowhow und die technischen ralien“ betrifft vor allem Frauen, gemäßen Methoden und Technik Voraussetzungen in Deutschland wie der Nobelpreisträger Dr. den Schüler*innen eine „digitale vorliegen. Aber ebenso wie der Denis Mukwege letztes Jahr bei Mündigkeit“ und dadurch eine Ausbau der Erneuerbaren Energien einer Kongo-Konferenz von missio „gesellschaftliche Teilhabe“ zu lange verschlafen oder ausge- in Berlin berichtete, an der ich ermöglichen. Geschehen ist seit- bremst wurde, ergeht es jetzt teilgenommen habe. Neben dem dem wenig, außer Handyverbote dem Breitbandausbau. Daher „ökologischen Fußabdruck“ sollten an Schulen. Diese sind aus meiner ist das Glas auch halbleer. Das wir auch auf unseren „digitalen Sicht pädagogisch keine Lösung Vorhandensein von schnellem Fußabdruck“ achten. Deutsch- – im Gegensatz zu freiwilligem und sicherem Internet ist kein land könnte ein Vorreiter in der Verzicht im Sinne einer digitalen Wunsch von ein paar „Nerds“, EU werden, wenn die Digitalpo- Achtsamkeit. Schule gerät damit sondern Grundvoraussetzung für litik einen höheren Stellenwert in Gefahr, den wichtigen Le- die digitale Teilhabe, gerade auch bekommt. bensweltbezug für Schüler*innen junger Menschen. Aber auch in der (weiter) zu verlieren. Wirtschaft ist eine Breitbandver- In den letzten Jahren hat sich sorgung auch im ländlichen Raum viel gewandelt, die Welt ist Andererseits wird das Thema eine Grundvoraussetzung für die digitaler geworden. An etlichen „Teilhabegerechtigkeit“ immer Ansiedlung von IT-Firmen. Dabei Stellen hängt die Infrastruktur wichtiger. Die (Armuts-) Kluft drif- ist ausreichend „sauberer“ Strom jedoch hinterher. Sicherlich gibt tet in Schulen und in der Jugend- eine wichtige Voraussetzung für es gerade auch aus der Zeit der arbeit weiter auseinander. Neue die digitale Infrastruktur (Stich- Corona-Krise Erfahrungswerte: technische Möglichkeiten dürfen wort: Serverfarmen). So schließt Wo haben sich Schwachstellen nicht zu neuen technischen Aus- sich der Kreis zum Thema Klima- herauskristallisiert? Wer sind die schlüssen führen. Dabei greift eine schutz. Verlierer*innen? Welche Baustel- Debatte um die technischen Zu- len müssen seitens Politik JETZT gangsmöglichkeiten zu kurz. Auch Die Digitalisierung ist ein Prozess, angegangen werden? Und wie die Themen finanzielle Teilhabe der unsere Lebensweise verändern 5 THEMA
THEMA (Stichwort: Verschuldung) und schen benötigt. Wenn der Staat zu liken haben. Das im Mai 2020 demokratische Teilhabe (Stich- schon der Lufthansa für neun eingerichtete „Oversight Board“ – wort: Mitbestimmung) gehören Milliarden Euro durch die Krise Kontrollgremium bei Facebook ist beispielsweise dazu. Hier muss der hilft, wäre es doch ein Klacks den ein erster Schritt in die richtige Staat die Rahmenbedingungen für (Jugend-) Verbänden Geld für ein Richtung, ersetzt aber keine ge- eine umfassende Teilhabe junger „Förderprogramm Digitalisierung“ wählte oder staatliche Kontrollin- Menschen schaffen. Dazu gehören zur Verfügung zu stellen, oder? stanz. Hier sind vor allem die EU, neben einem flächendeckenden aber auch der deutsche Gesetzge- Breitbandausbau beispielsweise Viele Gesetze für den digitalen ber gefragt, regulierend einzugrei- auch barrierefreie Websites in Raum sind antiquiert. Es gibt fen ohne digitalen Fortschritt zu leichter Sprache sowie digitale Nachholbedarf bei den Themen verhindern. Bildungsangebote für alle Alters- Urheberrecht und Hate Speech. gruppen, wie es der BDKJ-Bundes- Braucht es ganz konkret eine Leider wurden bei der Überarbei- verband fordert. Ethik im digitalen Raum? Und tung des Staatlichen Datenschut- wenn ja, wie sollte diese ausse- zes (DSGVO) und des Kirchlichen Und zu guter Letzt sollte gerade hen? Datenschutzes (KDG) einige auch die Jugendverbandsarbeit Punkte überreguliert und andere die Chancen der Digitalisierung Aus meiner Sicht sollten uns die Punkte nicht ausreichend bedacht noch stärker nutzen. Die Corona- ethischen Maßstäbe aus der ana- (z.B. Update des Urheberrechtes pandemie hat dabei neue Projekte logen Welt auch in der digitalen und konsequentes Vorgehen gegen (z.B. digitale Gruppenstunden Welt eine „Richtschnur“ sein. Die „Hate Speech“). Jugendverbände / Lagerfeuer / Gottesdienste / Basis demokratischen Handelns – und Vereine benötigen eine Anpas- Versammlungen) hervorgebracht. Transparenz, Kontrolle und freier sung der Datenschutz-Richtlinien, Dafür werden zuallererst ausrei- Zugang zu Wissen – sind für mich so dass diese wieder „alltags- chend Beteiligungsmöglichkeiten zeitlos und daher auch im Web tauglich“ werden. Auch das und Ressourcen für junge Men- unabdingbar. Thema „Cybermobbing“ benötigt einen größeren Stellenwert. Die Wir User*innen benötigen Infor- Pfadfinder*innen können mit ihren mationen über die Fragen: Woher „safe from harm“ – Ausbildungen kommen die Daten? Wer hat von WOSM da ein gutes Vorbild sie erstellt? In welchem sein. Auftrag? Und wer hat dafür bezahlt? Und wir Der BDKJ-Bundesverband setzt benötigen unab- sich gemeinsam mit der Gesell- hängige Kontroll- schaft Katholischer Publizisten gremien, die Deutschland (GKP) gegenüber den gewährleisten, Diözesandatenschutzbeauftrag- dass nicht nur ten und den Bischöfen für einen Tech-Giganten „pragmatischen Datenschutz“ wie Face- ein, der auch für ehrenamtlich book, Google geführte Vereine umsetzbar ist. und Amazon Der BDKJ hat dabei die Probleme Cloud-Diens- bei der Umsetzung der KDG-Vor- te festlegen, schriften im Bereich Social Media was wir zu und Messenger-Plattformen (Stich- lesen, zu worte: Facebook- und WhatsApp- kaufen und Verbote) eingebracht. Daher ist es 1/2020 6 Bild: www.pixabay.de
wichtig, die (Jugend-) Verbände in möglich. Das Netz ermöglicht z.B. gung gestellt wird. Doch Wissen eine Weiterentwicklung des KDG Online-Petitionen, Diskursräume allein ist noch keine Bildung. Das von Anfang an einzubeziehen. in sozialen Netzwerken, digitalen Internet bietet vielfältige Mög- Plattformen und vielfältige Mög- lichkeiten des Lernens. Ich kann Christian Schnaubelt lichkeiten von strukturierter e- mittlerweile virtuelle Besuche in Participation. Beteiligung sichert großen Museen machen, mich mit Die Medienpädagogin/ Menschen ihren Status als Subjek- te mit eigener Entscheidungsge- Webinaren, MOOCs (Massive Open Online Courses) und gestreamten Netzwerkerin walt und ist somit ein fundamen- tales Recht aller Mitglieder einer Vorträgen fortbilden und der Ein- satz von VR-Brillen und KI bietet Gesellschaft in allen sie betreffen- spannende Experimentierfelder. Frühjahr 2020, Corona fegt über den gesellschaftlichen Bereichen. So bereichernd all diese Möglich- das Land. Die Welt bleibt zuhause, Mit Hilfe der Digitalisierung sind keiten sind, sie ersetzen nicht aber sie steht nicht still. Ganz im wir zum Prosumer geworden - wir den komplexen Lehr-Lern-Prozess Gegenteil. Datenpakete werden produzieren und konsumieren und die differenzierte Begleitung eifrig durch das World Wide Web gleichermaßen. Das ermöglicht desselben. Gerade in Zeiten von gejagt, Videokonferenzsysteme uns eine vielfältige Klaviatur an Corona und ersten Erfahrungen und E-Learning Tools haben Hoch- Ausdrucksmöglichkeiten und zahl- mit Homeschooling ist deutlich konjunktur und kaum ein Satz wird reiche Resonanzräume. Allerdings geworden, wie wichtig eine Lern- häufiger ausgesprochen als „Wir haben nicht nur die Ereignisse der begleitung ist. Lernprozesse sind machen das jetzt halt digital!“. Demokratiebewegungen 2011 im auch reflektorische Prozesse. Und arabischen Raum gezeigt, dass gerade hierbei ist der Austausch Welche positiven Auswirkungen eine große digitale Resonanz nicht untereinander und das personale hat Digitalisierung auf politische zwingend einen gelungenen Be- Gegenüber wichtig. Wir Menschen Teilhabe und gesellschaftliche teiligungsprozess nach sich zieht. sind von Grund auf soziale Wesen Beteiligung? Dieser braucht oft eine Entspre- und so sind Bildungsprozesse auch chung in einem realphysischen soziale Prozesse. All dies lässt sich Zunächst einmal ist die Welt quasi Raum. On- und offline dürfen also digital simulieren, aber nie voll- kleiner geworden. Die Proteste nicht gegeneinander ausgespielt ständig ersetzen. In der Ergänzung in Hongkong und Chile oder die werden, sondern ergänzen sich bei bietet die Digitalität allerdings weltweiten Demonstrationen der kluger Konzeption sehr gut. Mehr spannende Möglichkeiten. Wichtig Fridays for Future-Bewegung sind zu Gelingensbedingungen von pä- ist dabei, dass Lerninhalte nicht über das Internet genauso in un- dagogischen Partizipationsprojek- lediglich digitalisiert, sondern sere Wohnzimmer gerückt wie die ten unter https://bit.ly/305sJub tatsächlich digital transformiert endlose Kette an unglaublichen werden. Es müssen neue didak- Aussagen, die der amerikanische Das Internet bietet eine große tische Ansätze und Konzepte Präsident gerne über den Micro- Sammlung an Wissen verschie- entwickelt werden, um digitale bloggingdienst Twitter in die Welt denster Art. Welche Bildungschan- Möglichkeiten gewinnbringend ein- pustet. Das schafft eine emotiona- cen gerade auch im kulturellen zusetzen. Oder anders formuliert: le Verbindung - selbst, wenn tau- und politischen Bereich hält eine Wenn ich die Kreidetafel durch ein sende an Kilometern dazwischen steigende Digitalisierung bereit? interaktives Whiteboard ersetze, liegen. Und wer für etwas Emoti- die konzeptionellen Grundlagen onen hat, der ist viel eher bereit Die Wikipedia ist ein großartiges aber nicht ändere, dann habe ich sich dafür einzusetzen. Zudem ist digitales Projekt, bei dem kollabo- nichts gewonnen außer einer sehr das Partizipationsinstrumentarium rativ auf sehr hohem Niveau Wis- wartungsintensiven, digitalen vielfältiger geworden durch die sen zusammengetragen, überprüft Kreidetafel. Digitalisierung. Beteiligung ist und der Allgemeinheit zur Verfü- heute unabhängig von Zeit und Ort 7 THEMA
THEMA Eine große Chance bietet die schen und Freundschaften, sozial- und jugendpolitische Be- Digitalisierung im Bereich des Bekanntschaften und Austausch mühungen müssen sich demnach lebenslange Lernens. Durch die auch digital zu gestalten. Gera- noch mehr als bisher anfragen netzwerkartigen, dezentralen und de derzeit, wo es aufgrund der lassen, inwiefern die Frage nach selbst zu gestaltenden Strukturen Ausgangsbeschränkungen schwerer Zugangsgerechtigkeit im Zentrum lassen sich viele Möglichkeiten in möglich ist, Großeltern, Freun- ihrer Agenda steht. Dabei geht es unterschiedlichen Bildungssettings de und Kolleg:innen zu treffen, nicht nur um Ausstattung, sondern und Altersclustern kreieren. Die wird nochmal mehr bewusst, vielmehr um ein komplexes und ganze Bandbreite des formellen, wie hilfreich digital gestützte feingliedriges Zusammenspiel von informellen und non-formalen Kommunikation ist und welches technischen und kompetenzför- Lernens kann somit abgedeckt Potenzial in ihr ruht. Gleichzei- dernden Konzepten, das on- und werden. tig wird schmerzlich deutlich, offline als wechselseitig aufeinan- welch hohes Gut die realphysische der bezogene Räume anerkennt Die Welt wird digitaler und rückt Präsenz ist. Den anderen mit allen und mit seinen jeweiligen Potenzi- dadurch immer näher zusammen. Sinnen wahrzunehmen, ihn ohne alen ernstnimmt. Eine weltweite Vernetzung pas- Medium zu erleben, berühren zu Kerstin Heinemann siert mit wenigen Klicks. Welches können, ist durch nichts wirklich Potenzial bietet die Digitalisie- zu ersetzen. Wichtig in diesem rung aber auch für die sozial- Diskurs ist die Wahrnehmung des raumnahe Inklusion? digitalen Gaps. Er verläuft nicht Der Sozialarbeiter zwingend an Alterslinien, sehr In der Welt zuhause könnte das wohl aber an Zugangsvorausset- Stichwort Jugendsozialarbeit: Motto der Digitalisierung lauten. zungen und Kompetenzen. Wer inwieweit machst du generell und Was für die Makroebene gilt, über die entsprechende techni- auch besonders in Zeiten der Krise lässt sich ebenfalls gut auf Meso- sche Infrastruktur verfügt und die Erfahrung, dass Kinder und und Mikroebene übertragen. medienkompetent ist, dem stehen Jugendliche aus prekären Verhält- Nachbarschaftsportale, soziale die vielfältigen Möglichkeiten nissen durch die digitale Ent- Netzwerkdienste und Messenger von digitaler sozialer Interaktion, wicklung noch weiter abgehängt bieten gute Möglichkeiten kreativ Kollaboration, Kreativität und Par- werden? Sind z.B. Forderungen zu sein, sich schnell auszutau- tizipation offen. Netz-, aber auch nach Verteilung von Tablets sinn- voll oder ist die Umsetzung ohne Begleitung zu unterschiedlich? Wo unterstützt ihr hier vielleicht konkret? Ich bin mir sicher, dass Kinder aus prekären und schwierigeren Ver- hältnissen auch aus digitaler Sicht noch weiter abgehängt werden. Chancengleichheit oder zumin- dest eine Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem ist nach wie vor eine große Baustelle und Bildungserfolg hängt nach wie vor stark von der sozialen ch zur Lage der Kinder, dem familiä- s Internet hauptsächli Jugendliche nutzen da he. ren Hintergrund und der Unter- tion, zur Unterh altung und Informationssuc stützung durch Eltern ab. Viele Kommunika 1/2020 8 Bild: www.pixabay.de
weitere Faktoren kommen hinzu: tertes Display) kaum denkbar. zu Neuigkeiten aus der Region die Wohnsituation (haben Kinder Auch fehlt es in den Haushalten an Aschaffenburg. Und wir haben überhaupt einen ruhigen „Arbeits- Hilfsmitteln wie einem Drucker. uns das Konzept der „Tageschal- platz“ für Schulaufgaben?), die Hier haben wir ganz praktisch lenges“ überlegt (https://www. Medienkompetenz der Kinder und einen „Druckservice“ ins Leben katakombe-ab.de/aktuelles/ Jugendlichen (und auch der El- gerufen, dass Besucher uns per westayathome/). Über unsere tern!) und natürlich die technische Mail ihre Dokumente schicken, Social-Media-Kanäle verbreiten Ausstattung der Haushalte. Eine wir es ihnen ausdrucken und sie wir diese Ideen. Die meisten bloße Verteilung von Tablets oder es dann abholen können. Derzeit Follower sind jedoch eher die Notebooks halte ich jedoch nicht wird für den Offenen Treff von uns Eltern unserer Besucher*innen und für sinnvoll. Am Beispiel Kursteilnehmer*innen, der Digitalisierung an ehrenamtliche 67% der 18- bis 19-jährigen nutzen mindestens Schulen hat sich bereits Mitarbeiter*innen der gezeigt, dass es mit einmal pro Woche eine Navigationsapp. Katakombe und Koopera- der Ausstattung alleine tions-partner*innen. Likes nicht getan ist. Neben sind hier sicher ein Faktor technischem Support braucht es ein Hygiene- und Schutzkonzept für den Erfolg und die Reichweite, Lehrer*innen, Pädagog*innen und entwickelt, sodass es – wenn von aber nicht alleine ausschlagge- Multiplikator*innen, die es A) staatlicher Seite erlaubt - langsam bend. Wir wollten mehr auf eine selbst verstehen mit der Technik wieder mit reduzierter Besucher- wechselseitige Kommunikation umzugehen und die es B) ver- zahl starten könnte. Unser WLAN, hinaus oder dass Familien ihre stehen, diesen bewussten und unser Computerraum und wir als Ergebnisse als Kommentar unter verantwortungsvollen Umgang Personal und Unterstützer werden unsere Beiträge posten. Mit dem Kindern und Jugendlichen zu dann sicherlich gefragt sein. Fortlauf der Pandemie haben wir „lehren“ und die C) auch Eltern festgestellt, dass es immer weni- ins Boot holen und in die Pflicht Welche Erfahrungen macht ihr ger Beteiligung und Rückmeldung nehmen, ihre Kinder hierbei zu generell und auch besonders in gibt. Ich erkläre mir das durchaus unterstützen. Medienpädagogische Zeiten der Krise in der Katakom- mit dem wachsenden Onlinean- Netzwerke wie z.B. der AK Medien be mit rein digitalen Angeboten? gebot, einer Reizüberflutung und Aschaffenburg mit angegliederten Können digitale Formate die somit auch Überforderung vieler Akteuren der aktiven medienpäda- Begegnung und den persönlichen Menschen in unserer digitalisier- gogischen Jugendarbeit oder auch Kontakt gut ersetzen? Wie werden ten Welt. Berater*innen für digitale Bildung die Angebote nachgefragt und an den staatlichen Schulämtern angenommen? Braucht es hier an- Versuche, ganz gezielt mit unse- können hier unterstützen. dere "Partner" bei der Umsetzung? ren Besuchern des Offenen Treffs Braucht es z.B. mehr den Kontakt in Kontakt zu bleiben, bewerten Wir haben bei uns in der Offe- mit den Eltern, als wenn Kinder wir hingegen als schwierig. Wenn nen Jugendarbeit die Erfahrung einfach selbstbestimmt in den Jugendliche unsere Einrichtung gemacht, dass jeder Besucher offenen Treff kommen? aufsuchen, geht es ihnen um den zwar anstelle eines Tablets Austausch untereinander, den oder Notebooks ein Smartphone Wir haben relativ schnell gemerkt, zwanglosen Plausch bei einer Run- besitzt, genutzt wurde dieses vor dass wir für unsere Zielgruppe de Playstation, um Unterstützung Corona jedoch kaum bis gar nicht weiterhin da sein müssen. Da dies beim Verfassen von Bewerbungs- zu schulischen Zwecken. Und in Person nicht möglich ist, haben unterlagen oder auch um Dinge jetzt: Homeschooling ist mit so wir u.A. auf unserer Website wie einen trockenen Raum wenn einem kleinen Gerät alleine – im den Bereich „WeStayAtHome“ es regnet, freies WLAN, einen Ort Optimalfall noch mit der bekann- eingerichtet. Hier finden sich ohne Erziehungsberechtigte und ten „Spiderman-App“ (= gesplit- hilfreiche Links für Familien und Lehrer*innen oder kostenfreies 9 THEMA
THEMA Wasser und Obst an der Theke. getätigt: „Immer mehr Menschen vielfältige Anknüpfungspunkte, Versuche wie ein digitaler Jugend- merken, dass die Digitalisierung läuft aber gleichzeitig Gefahr, zu treff per Videochat oder Livevi- nicht allein eine technisch-öko- einem „gehypten“ wie inhaltsar- deos auf Instagram sind sicher nomische Revolution ist, sondern men (politischen) Schlagwort zu eine sinnvolle Ergänzung und auch dass sie ihre Lebensverhältnisse verkommen oder sehr emotional Konzepte, die nach Corona immer umwälzt.“ Worin äußert sich im Sinne von gut und böse bewer- mal wieder einen Platz haben kön- diese Umwälzung und welche tet zu werden. nen, sie ersetzen aber nicht das, Lebensbereiche sind davon be- was live/vor Ort/in einer Gruppe/ sonders betroffen? Mein Eindruck ist, dass der Lock- in einem Jugendtreff passiert. down im Zuge der COVID-19-Pan- Ich würde sagen, dass Digitalisie- demie nochmal neue Aspekte in Worauf es aber natürlich an- rung sämtliche Lebensbereiche der Debatte um Digitalisierung of- kommt: nach der Krise muss und Alltagswelten erfasst: die Art, fengelegt bzw. mit neuer Brisanz es weitergehen, hoffentlich wie wir kommunizieren, konsu- versehen hat. Ich denke da bspw. kommen auch viele unserer mieren, uns organisieren, aber an Bildungsgerechtigkeit im Zuge Stammbesucher*innen zurück und zum Beispiel auch die Suche nach von Homeschooling oder Daten- einige neue Besucher*innen dazu, Partnerschaften, Stichwort Online- schutz im Homeoffice oder auch in die über die digitalen Angebote Dating. Es wird hier häufig von der Bezug auf die Corona-Tracing-App. auf uns aufmerksam wurden. digitalen Revolution gesprochen, Ob und inwieweit diese Erfahrun- Man muss also zumindest digital was sehr gut deutlich macht, mit gen nachhaltig und längerfristig Gesicht zeigen und im Gespräch welcher Wucht diese Umwälzung etwas verändern, bleibt abzuwar- bleiben. stattfindet. ten. Christoph Schlämmer In der Soziologie spielt die Digita- Gerade die sozialen Medien sind lisierung als Forschungsthema in dafür prädestiniert zu zeigen, Die Soziologin viele Bereiche mit hinein und es haben sich eigene Fachrichtungen wer ich bin, wo ich bin und was ich habe. Mittlerweile hat sich Der Philosoph Richard David wie z. B. die Internetsoziologie sogar ein feststehender Begriff Precht hat vor einiger Zeit in ei- etabliert. Das Thema Digitalisie- für Social Media taugliche Bilder nem Interview folgende Aussage rung bietet in seiner Bandbreite entwickelt – die instagramability. 1/2020 10
41 % der 16- bis 29-jährigen sind bei Es geht um mehr, besser, schö- lemen und Unzufriedenheit mit Online-Dating-Diensten aktiv. ner, teurer. Wie viel hat eine dem eigenen Körper führen. Vor solche digitale Inszenierung noch allem junge Frauen sind hiervon das immer der Fall sein muss und mit der Realität zu tun? Wie betroffen: 9 von 10 Frauen sagen, auch nicht, dass alles schlecht ist. groß ist der soziale Druck einer dass sie mit ihrem Körper unzu- Es gibt auch bei Instagram positive solchen Entwicklung? Wie ver- frieden sind (by the way laut der Effekte, wie die Möglichkeit sich ändert er unsere Gesellschaft? Statistik der Deutschen Gesell- selbst auszudrücken und Personen Und wie kann ich damit kritisch schaft für Ästhetisch-Plastische zu „followen“, die Input liefern umgehen? Chirurgie steigt die Zahl der für die eigene Identitätsbildung Schönheitsoperationen weiterhin und sich auch mit ihnen vernetzen Was ich problematisch finde, ist jährlich an und eine wichtige zu können – gerade, wenn das im dieser Vermarktungscharakter Ursache sehen die Ärzt*innen in analogen Leben schwierig oder und damit zusammenhängend die Selfie-Boom und Bildoptimierung). nicht möglich ist. Social Media hat Aufmachung als persönliches Fo- ja auch im Bereich von sozialen toalbum und anderseits diese ge- Was mich hingegen überrascht Bewegungen und Protestbewegun- zielte Marketingmaschinerie. Das hat: die Befragten sprechen sich gen ein enormes Mobilisierungspo- Prinzip folgt einer kapitalistischen eindeutig für die Einführung eines tenzial. Verwertungslogik, ich mache Warnhinweises bei zu starker mich selbst und mein Leben zu Nutzung aus (71 %) und wünschen Viele Dinge, für die man früher einem bewertbaren Objekt. Das sich auch in der Schule eine Auf- das Haus verlassen musste, sind ist in Sachen Verbraucherschutz klärung über den sicheren Umgang heute schnell und einfach vom problematisch, verändert aber mit Social Media (84%). Das zeigt, Handy aus möglich. Die Digitali- darüber hinaus auch unser Bild auf dass ein kritischer Umgang auf sierung erleichtert viel, macht uns selbst. rein individueller Ebene schwer aber auch in einigen Bereichen umzusetzen ist und somit auch auf bequem. Können wir überhaupt Unter dem Hashtag #StatusOfMind politischer Ebene etwas passieren noch analog? Und wie abhängig haben die Royal Society for Public muss. Social Media macht süchtig sind wir mittlerweile eigentlich Health (RSPH) und das Young und das macht es umso schwerer, vom Digitalen? Health Movement (YHM) 2017 eine einen Weg hinaus oder hin zur Studie veröffentlicht, in der die kritischen Nutzung zu finden. Ich glaube wir können und vor al- Auswirkungen einer Social-Media- lem wollen in vielen Dingen nicht Nutzung auf die mentale Gesund- Ich persönlich habe genau die zurück zum Analogen. Ich glaube heit und das Wohlbefinden von Erfahrung gemacht. Ich hatte auch nicht, dass es hilfreich ist, 1500 jungen Menschen im Alter irgendwann einen Moment, als ich so eine „Digital versus Analog“- von 14 bis 24 Jahren untersucht mich nach stundenlangem und völ- Debatte á la „Früher-war-alles- wurde. Instagram schnitt unter lig planlosem Scrollen auf Insta- besser“ zu führen. den fünf untersuchten Plattfor- gram am gefragt habe, was ich da men am negativsten ab, gefolgt eigentlich tue und vor allem mir Das muss ich auch bei mir selbst von Snapchat, Facebook, Twitter antue. In meinem Fall kam auch immer wieder erkennen. Sogar und YouTube (am positivsten). nur eine komplette Exitstrategie als jemand, der noch relativ nah in Frage, weil ein „kritischer Um- an den „Digital Natives“ dran ist, Es ist wenig überraschend, dass gang“ mir irgendwie nicht möglich fühle ich mich manchmal techno- vor allem Plattformen, bei denen war, da konnte ich noch so reflek- logisch abgehängt und teilweise das Image und die Selbstdarstel- tiert an die Sache rangehen. überfordert. Da rutscht man lung besonders wichtig sind, bei schnell in so eine Abwehrhaltung, den Befragten zu Selbstwertprob- Was jetzt nicht heißen soll, dass aus der heraus es schwierig wird, 11 THEMA Bilder: www.pixabay.de
THEMA Veränderungen auch positiv zu begreifen. Fakt ist, das ist der Die Instagramerin ich begonnen, Texte zu meinen Fotografien zu formulieren, die Lauf der Dinge, Veränderungen auch mal zum Nachdenken anregen Du bist in den sozialen Medi- finden statt, es wird in Zeiten des oder meinen Emotionen freien en sehr aktiv / hast etliche digitalen Wandels kein Zurück Lauf lassen. Dadurch, dass ich sehr Follower*innen. Hat sich die starke geben und man muss irgendwie ehrlich und offen mit allen Themen Präsenz auf Instagram auf deine seinen eigenen Weg finden, damit umgegangen bin, wurde ich von persönlichen Kontakte und das umzugehen. vielen auch im Alltag auf meine zwischenmenschliche Miteinander Postings angesprochen. Das hat mir Amelie Nickel ausgewirkt? einige Bekanntschaften ermöglicht. Gleichzeitig ist Instagram für mich Als ich begonnen habe, mehr und auch wie ein Tagebuch oder ein mehr die Menschen an meinem Portfolio - tatsächlich habe ich Privatleben teilhaben zu lassen, mein WG-Zimmer auf diese Weise bemerkte ich, dass ich von vielen gefunden, da die Mitbewohner erst einmal auf meinen Social- mich durch die Bilder ein wenig Media-Nicknamen „anna.mirror“ kennenlernen konnten. reduziert wurde. Das mag nun Wie alles im Leben hat Instagram etwas negativ klingen - war es aber aber auch seine Schatten auf keineswegs! Ich habe die Chance einige Dinge in meinem Privatle- darin gesehen, dass ich nun eine ben fallen lassen. Ich hatte eine völlig neue Möglichkeit Phase, in der es für mich ein habe, einen positiven richtiger Zwang war, ständig ein Einfluss auf die perfektes Bild oder eine kurze Gedankengänge Story hochzuladen. Das hat viele mancher Nutzer Situationen zerstört oder stressig zu haben. gemacht. Es kommt eben auf ein Schritt für gesundes Mittelmaß an - ich denke, Schritt habe das ist bei allen Dingen im Leben so. Zum Schluss aber noch etwas sehr Erfreuliches: ich habe durch Instagram eine sehr gute Freundin kennengelernt, die nach Schweden ausgewandert ist. Letztes Jahr haben wir uns tatsächlich dort getroffen. Eine Begegnung, die ich nie mehr vergessen werde. In meiner Jugend hat man sich an der Bushaltestelle für den Nach- mittag zu einer festen Uhrzeit ver- abredet. Daran wurde nicht mehr gerüttelt und schon gar nicht erst abgesagt. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung in deinen Augen 1/2020 12 Bilder: Anna Schärmann
heutzutage auf die Verbindlichkeit Die Digitalisierung birgt auch ihre dann funktioniert dies meiner Mei- von Verabredungen? Risiken. Deshalb setzen sich viele nung nach am besten, indem nicht Expert*innen im Bereich Medienpä- überall und ständig drahtlose Netz- Puh, gar nicht so einfach, sich dagogik dafür ein, dass sich junge werke verfügbar sind. 5 G, Wlan überhaupt noch eine nicht-digi- Menschen einen kritischen Umgang am besten auch im Wald - wozu? talisierte Welt vorzustellen! Ich mit sozialen Medien aneignen kön- Kein Netz - kein Social Media - kein merke selbst, dass ich kurzerhand nen. Wo muss das in deinen Augen Druck oder Mobbing über das Netz. immer wieder einmal schnell auf stattfinden? Und wo hast du es Das mag sehr drastisch klingen, ist Whatsapp eine Absage tippe oder vielleicht auch selbst gelernt? jedoch für mich eine sehr wirksa- ein Treffen me Alternative. um 10 Minuten Wer bist du ohne verschiebe. Internet? Instagram ist nach Whatsapp auf dem zweiten Platz Eigentlich ist das Diese Frage keine Art und der wichtigsten Apps für Jugendliche. stelle ich mich kratzt im Unter- auch immer wie- bewussetn ganz der. Nur, wenn schön am Vertrauen zwischen zwei Ein kritischer Umgang mit sozialen du mit dir selbst alleine auch gut Menschen. Außerdem hat man den Medien kann noch so viel von au- einmal zwei drei Tage auskommst, ständigen Druck, immer erreichbar ßen geschult werden - schlussend- kannst du soziale Netzwerke mit sein zu müssen. An manchen Tagen lich muss der Groschen bei jungen der gewissen Distanz gesund benut- muss ich regelrecht all meine Ener- Menschen durch eine Erfahrung zen. Vielleicht bist du ja ganz gie zusammennehmen, um meine selbst fallen. Die kann positiv, aber anders, als der Mensch, der Social Nachrichten am Handy beantwor- genau auch negativ ausfallen. Erin- Media aus dir gemacht hat :-) ten zu können. ner dich doch einmal an eine Situ- Spannend, diese Frage, oder? Erst jetzt wieder habe ich ge- ation, in der dir die Dateneingabe, merkt, wie heilend es sein kann, die Ortung deines Standortes oder Anna Schärmann sein Handy mal für ein oder der Druck auf Social Media einfach mehrere Wochen zu vergessen! Zu zu gruselig wurde. Oder eben Beginn der Coronakrise habe ich anders herum - eine Situation, in dieses soziale Durcheinander dafür der du einmal gemerkt hast, wie hergenommen, mal komplett abzu- du durch bewusstes nicht-posten schalten - und das nicht einmal be- den Moment viel mehr genossen wusst! Mir selbst hat die Pause sehr hast. Dann hast du den kritischen gut getan. Leider haben jedoch Umgang bereits erfahren! Möch- viele Menschen meine Unerreich- te man jedoch trotzdem jungen barkeit sehr persönlich genommen Menschen helfen, diesen Umgang und mich dafür getadelt. Dieses noch bewusster werden zu lassen, Problem darf man jedoch gerne beim Anderen lassen. Die Digita- lisierung hat uns also ein bisschen auf unsere Erreichbarkeit reduziert - ganz nach dem Motto: du bist, wie schnell du zurücktextest. Völ- liger Quatsch - dein Leben, deine Zeit, deine Energie. 13 THEMA
THEMA Aufwachsen mit Medien – die machen das schon… Oder doch nicht?! Ausgangssituation Junge Menschen haben mit der nicht erlernen. Es braucht immer Junge Menschen wachsen ganz rein technischen Bedienung Reaktionen auf Handlungen, selbstverständlich mit Smartpho- der Geräte wenig Schwierigkei- Reflexion und ggf. eine Neubewer- ne, Internet und digitalen Medien ten und können sich diese oft tung der eigenen Handlung. auf: lange bevor sie ein eigenes autodidaktisch aneignen. Dabei In Lebensbereichen ohne Inter- Smartphone besitzen, sehen sie kennen sie vielleicht manchmal net passiert das ganz selbstver- Eltern, Großeltern und andere sogar mehr Funktionen als ihre ständlich in Familie, Schule und Erwachsene täglich im Umgang Eltern und sind schneller in Peergroup, z.B. beim Streiten mit mit solchen Geräten. Auch in der Bedienung und im Erfassen Freunden oder Geschwistern und Lebensbereichen außerhalb der von Zusammenhängen auf dem ggf. dem Einschreiten von Eltern, Familie wie etwa Kindergarten, Gerät. Lehrern oder einem Unbeteilig- Schule, Freundeskreis oder auch ten in der Gruppe. Gibt es so ein in der Jugendarbeit sind das In- Der wahrscheinlich komplexe- Zusammenwirken von verschiede- ternet und damit digitale Medien re Teil der Digitalisierung ist nen Beteiligten auch im digitalen mehr oder weniger allgegenwär- das individuelle Verhalten in Raum und findet Reflexion des tig. Wie Jugendliche selbst mit der virtuellen Welt, also der Online-Handelns ggf. auch außer- Geräten ausgestattet sind und das Umgang mit persönlichen Daten halb des digitalen Raums statt? Internet nutzen zeigt die jährlich (eigene wie andere), Bewertung durchgeführte JIM-Studie (Jugend, und Verbreitung von Informati- Mit dem „DigitalPakt Schule 2019- Information, (Multi)Media): be- onen (Fake-News – oder nicht?), 2024“ von Bund und Ländern legt reits seit fünf Jahren besitzen laut digitale Kommunikation mit Schule den Fokus in Sachen digi- der repräsentativen Studie über Freunden (und Unbekannten) taler Bildung aktuell überwiegend 90% der 12-19jährigen ein eigenes und vieles andere mehr. Dabei auf die technische Infrastruktur Smartphone und nutzen es täglich handelt es sich um soziales Ver- und dem Anpassen der Lehrinhalte oder mehrmals pro Woche. halten und dieses lässt sich, im auf digitale Medien. Zwar ist auch Gegensatz zur rein technischen das „Lernen über Medien“ etwa Bedienung, alleine im bayerischen „LehrplanPLUS“ verankert, allerdings nur als Quer- schnittsaufgabe aller Schularten, aller Fächer und aller Lehrkräfte – und dürfte so eher als Zusatzauf- gabe für Schule on top kommen. In der Familie kommt das Thema Online-Verhalten laut einer Erhe- bung von Bitkom Research von 2019 immerhin bei über 70% der 12-18jährigen in Form von Vorgaben oder Ratschlägen der Eltern vor. Allerdings sprechen die Befragten mit ihren Eltern nur zu einem deutlich geringe- ren Anteil über ihre Er- fahrungen im Internet: 1/2020 14 Bild: www.pixabay.de
30% der 16-18jährigen, immerhin Themen zu sprechen als z.B. mit eigene Verhalten ein authenti- noch 44% der 12-13jährigen. Lehrer*innen oder Eltern. Gerade sches Beispiel für die Zielgruppe im Bereich Medien und Verhalten sein kann. in der digitalen Welt kann Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen ist das Jugendarbeit dieses Poten- Fazit Smartphone das meistgenutzte Gerät, noch vor tial nutzen und etwa im Zum Erlernen eines reflektierten Vergleich zu Schule einen Online-Verhaltens braucht es für Laptop und Spielekonsole. Jugendliche ein Gegenüber und engen Bezug vom Thema Online-Verhalten zur Le- den Raum, sich mit diesem Thema benswirklichkeit Smartpho- auseinanderzusetzen. Schule und Was kann Jugendarbeit leisten? ne und Internet der Jugendlichen Familie leisten dies nur zum Teil. Das zeigt, dass es zwar Reflexi- herstellen. Daraus lässt sich ein Auftrag an onsräume gibt und Jugendliche die Jugendarbeit ableiten, man zumindest teilweise jemanden Wie geht das konkret? könnte auch provokant fragen: als Gegenüber haben, um den Wie kann Jugendarbeit junge wer machts, wenn nicht wir? Dass Umgang mit dem Digitalen zu Menschen im (kritischen) Umgang Jugendarbeit junge Menschen reflektieren. Allerdings wird auch mit Medien begleiten? begleiten kann und dass wir deutlich, dass das nicht für alle Als erstes hilft es, sich dem The- Erfahrungen in der Begleitung in jungen Menschen gilt. Hier kann ma ohne Berührungsängste und digitalen Lebenswelten haben, und sollte Jugendarbeit ansetzen. unverkrampft anzunähern. Wer wissen wir. Die Frage lautet: Ist Die Begleitung und der Kontakt zu sich seiner eigenen Kompetenzen sich Jugendarbeit in all ihrer Viel- Jugendlichen ist für Jugendarbeit bewusst ist, kann offen damit um- falt dieses Auftrages und dieser nichts Neues, eher im Gegenteil gehen und diese ggf. erweitern. Chance bewusst? - genau das ist Tagesgeschäft. Für die Begleitung braucht es Ob als Sozialpädagog*in in einer nicht allein Medienkompetenz, offenen Einrichtung, als Teamer*in sondern auch und vor allem medi- auf einer Gruppenleiterschulung enpädagogische Kompetenz: Wo oder Tagen der Orientierung genau eine bestimmte Einstellung oder als Gruppenleiter*in in der etwa zur Privatsphäre zu finden Gruppenstunde – Gelegenheiten ist, findet im Zweifel der oder Medien und Online-Verhalten zum die Jugendliche selbst heraus. Gesprächsthema zu machen gibt Aber warum man sich überhaupt es viele. An ganz vielen Stellen damit beschäftigen und damit tut Jugendarbeit genau das und eine Reflexion über den Um- leistet bereits heute in diesem gang mit Daten anstoßen sollte, Bereich wertvolle Arbeit. diese Fragen kann man auch ohne technisches Detailwissen stellen. Gerade im Vergleich zu Schule und Denn Verhalten zu hinterfragen, Dominik Großmann ist Sozialpä- Familie kommt Jugendarbeit hier auch ohne auf jede Frage eine dagoge und arbeitet beim BDKJ nochmal eine besondere Stellung Antwort zu haben, ist ein Weg, Würzburg als Jugendbildungsre- zugute, nehmen doch Jugendliche der vielleicht beiden Seiten neue ferent. Er beschäftigt sich seit freiwillig und in ihrer Freizeit an Erkenntnisse bringt. seinem Studium in Praxis und Angeboten der Jugendarbeit teil. Theorie mit Medien in der Mit Bezugspersonen in der Jugend- Dabei ist es, wie in allen anderen Jugendarbeit. arbeit ist es möglich, anders über Bereichen auch, wichtig, dass das 15 THEMA
THEMA Blickwinkel verändern Sichtweisen - Digitales Lernen Ich bin Lukas Seyfried, 22 Jahre alt und studiere Lehramt für die Mittel- Wecker zu stellen. Man hat zur schule hier in Würzburg. Wenn die Grenzen wieder auf sind, möchte ich Uni keinen langen Weg in überfüll- die Vorteile des Online-Semesters nutzen, um 1-2 Wochen nach Ungarn ten, stickigen Bussen. Man muss zu fahren und von dort aus zu studieren. nicht wild durch das Philosophi- sche Institut irren, um endlich den Montag 20. April 2020 – ein schöner Das alles ist in diesem Semester richtigen Raum zu finden. Statt- Tag - der offizielle Beginn des dies- nicht möglich und so war der Start dessen sitzt man einfach gemüt- jährigen Sommersemesters. Nor- ganz anders als sonst. Die meisten lich in Jogginghose und Schlafshirt malerweise sind die Busse voll und meiner Freunde waren noch sehr vor dem Computer, frühstückt tausende Menschen laufen über lange zu Hause bei ihren Familien währenddessen und hört dennoch den Campus. Man lernt neue Leute oder sind es noch immer. Warum aufmerksam dem Dozenten und kennen, trifft Kommiliton*innen, sollte man auch in seine kleine den Kursteilnehmer*innen zu. die man während den Semesterfe- Einzimmerwohnung zurückkeh- rien lange nicht mehr gesehen hat ren, wenn man Zuhause bei den Trotz der Vorteile höre ich in mei- und geht gemeinsam in die Mensa. Eltern Gesellschaft hat, bekocht nem Bekanntenkreis dennoch oft, Obwohl das Lernen wieder losgeht, wird und Zeit im Garten verbrin- dass der Arbeitsaufwand höher überwiegt die Freude darüber, gen kann? Für mich, der sowie- wäre als in einem regulären Se- endlich wieder etwas mit den Leu- so wegen eines Praktikums in mester. In Englisch muss ich dieses ten aus Würzburg zu unternehmen. Würzburg war, wurde so aus dem Semester jede Woche eine Seite normalerweise schönen Semester- übersetzen und diese meinem Pro- beginn ein langweiliger, einsamer fessor schicken. Das sind deutlich Start. Man sitzt in seiner Woh- mehr Texte, die ich übersetzen nung und darf sich selbst mit den muss, als es im Seminar mit An- Kommiliton*innen, die bereits wesenheit der Fall wäre. Doch für hier sind, nicht treffen. Es war das Übersetzen benötigt man etwa ein schwerer Beginn bis zu 90 Minuten. Genau so lange dauert den ersten Lockerungen. das Seminar. Der Unterschied? Ich bekomme durch meine regelmäßig Mittlerweile, nach einigen abgeschickten Texte auch wesent- Wochen Uni, überwiegen lich mehr Feedback und lerne in bei mir jedoch eindeutig der selben Zeit deutlich mehr. die Vorteile des Online- Semesters: Natürlich bringt das Online-Semes- Um 6:30 Uhr aufstehen, ter auch Nachteile und ist kein weil man um 8:00 Uhr Allheilmittel. Meine Geschichtsex- eine Vorlesung hat? Nein, kursionen können beispielswei- jetzt reicht es aus, sich se nicht stattfinden und lassen 15 Minuten vorher den sich auch durch Webinare nicht ersetzen. Dennoch wünsche ich mir, dass man die Vorteile unserer digitalen Möglichkeiten, welche sich jetzt zeigen, auch in Zukunft nutzen wird. Lukas Seyfried Teamer Diözesane Fachstelle Jugendarbeit und Schule 1/2020 16
Ich heiße Sandra Pfaff und studiere Soziale Arbeit in Würzburg. In die- die nächsten Freizeitaktivitäten sem Jahr konnte ich viele Erfahrungen mit Online-Seminaren sammeln. planen. Auch die Interaktion zwi- schen Dozent*innen und Studie- Eigentlich hatte ich mir das Jahr So wurden alle Vorlesungen und renden ist stärker eingeschränkt 2020 - wie vermutlich jeder Gruppenarbeiten über Zoom abge- als im persönlichen Gespräch. und jede andere auch – anders halten. Der Vorteil solcher Zoom- Einerseits bedauere ich sehr, dass vorgestellt. Im Februar ging es für Veranstaltungen ist, dass der Weg mein Auslandssemester nicht so mich ins Auslandssemester nach zur Uni erspart bleibt, was dazu lief, wie ich es mir vorgestellt Kopenhagen. Dort besuchte ich bis führt, dass man morgens mehr hatte. Am meisten fehlt mir der Mitte März wie gewohnt die Prä- Zeit hat und entweder länger soziale Aspekt und der damit ver- senzveranstaltungen in der Uni. Als schlafen oder beispielsweise noch bundene Austausch mit den Stu- bekannt gegeben wurde, dass die etwas Sport machen kann. Wenn dierenden aus anderen Ländern. Uni wegen der COVID-19-Pandemie die Dozent*innen nicht verlangen, Andererseits ist das Online-Studi- geschlossen wird, waren meine dass die Webcam eingeschaltet um eine neue Erfahrung, die das Kommiliton*innen und ich zunächst werden muss, was bei mir der Fall Studieren bequemer und weniger sehr verwirrt. Schließlich befanden war, muss man sich zusätzlich we- zeitaufwendig machte und mir er- wir uns schon mitten im Semester niger Gedanken um sein äußeres möglichte, mein Auslandsstudium und unsere Prüfung stand in drei Erscheinungsbild machen und kann von zuhause aus weiterzuführen. Wochen bevor. beispielsweise seine Jogginghose anbehalten. Wichtig ist, dass nur Sandra Pfaff Viele von uns wurden von ihren die Personen, die gerade spre- Teamerin Diözesane Fachstelle Heimatuniversitäten zurückgeholt, chen, ihr Mikrophon eingeschaltet Jugendarbeit und Schule andere entschieden sich freiwillig, haben, damit von den anderen wieder nach Hause zu gehen und Zuhörer*innen keine Störgeräu- ein paar wenige blieben in Kopen- sche erzeugt werden. hagen. Ich entschied mich dazu, mein Auslandssemester vorerst Der größte Nachteil von Online- zu unterbrechen und zurück zu Veranstaltungen ist, dass meiner Familie in die Heimat zu der soziale Aspekt zu kurz gehen. Damit wir trotzdem das kommt. In der Uni ist Modul abschließen konnten, luden man immer von seinen unsere Dozent*innen ihre restli- Kommiliton*innen chen Powerpoint-Präsentationen umgeben, kann sich im E-Learning hoch. Die mündliche mit ihnen über den Prüfung fand dann in einem per- Stoff austauschen, sönlichen Zoom-Meeting mit den in den Pausen Prüfer*innen statt. Es war schon gemeinsam einen sehr ungewohnt, eine Prüfungs- Kaffee trinken ge- situation im eigenen Kinderzim- hen und zusammen mer zu erleben. Tatsächlich war die Atmosphäre aber durchaus entspannt, was vor allem daran lag, dass meine Prüfer*innen sehr freundlich und zuvorkommend waren. Das zweite Modul, das ich in Kopenhagen belegt hatte, fand nun von Anfang an online statt. 17 THEMA
THEMA Bild: www.pixabay.de Blickwinkel verändern Sichtweisen - Digitale Lehre Behauptete man, digitale Lehre war durch einen Mausklick am PC oder Präsentationen einsehen. sei eine Erfindung des Sommer- meiner Eltern bereits vollzogen. semesters 2020, hielte ich das Auch die Online-Plattformen, mit Anfang April sollte dann plötzlich schlicht für gelogen. Denn die uni- denen Dozierende ihre Veranstal- alles anders sein. So sehr ich mich versitäre digitale Erweckung hatte tungen anreichern konnten, wenn als Dozentin auch bemüht hatte, ich persönlich schon bei meiner sie es denn mochten und konnten, diese Plattformen studierenden- Einschreibung. Diesen mystischen gibt es seit Jahren: Sie hießen freundlich zu gestalten, all das er- Akt in einem historischen Gebäu- SB@home, sie heißen WueStudy, setzte nicht die eigene physische de – wie ich ihn mir ausgemalt WueCampus2 usw. Man kann sich Präsenz. Bislang hatte ich lediglich hatte – gab es schlicht nicht. Er beispielsweise dort einschreiben Übungen und Seminare gehalten – Formen der Hochschullehre, die besonders vom Austausch, den m. Diskussionen leben. Es war klar: tagramfollower als Heidi Klu Donald Trump hat mehr Ins Lediglich Folien hochzuladen, egal ob mit Audio- oder Videospur kam überhaupt nicht in Frage. Und ja, 1/2020 18
ich rede mich leicht, denn in der zu überdenken, mich noch mehr Theologie haben wir selten mehr in die Lage der Studierenden zu als 10 Teilnehmende, allenfalls versetzen und umso intensiver 15. So auch in meinem Lektüre- darüber zu reflektieren, was ich kurs in diesem Sommersemester, da eigentlich tue, für welche In einem Handy befinden sich in dem sich vier Studierende zu- Studierende es Distanzen überwin- sammenfinden. Meine anfängliche det, für welche sie schier unüber- ca. 30 Milligramm Gold. Zurückhaltung, die Studierenden brückbar werden. Für mich ist es nur alle zwei Wochen zu einer jeden Tag auf’s Neue eine große Zoom-Sitzung zu nötigen, erwies Erfahrung und es überwältigt mich sich jedoch schnell als Milchmäd- zu sehen, was alles möglich ist. chenrechnung: „Schließlich sind wir zum Diskutieren hier!“, tönte es durch alle Verbindungen. Nun liest jede*r für sich also wöchentlich einen Text, montags treffen wir uns dann auf Zoom: Wir tun im Prinzip das Gleiche wie auch in den vergangenen Semes- tern. Mit kleinen Unterschieden: Es gibt keine To-Go-Becher auf dem Schreibtisch, sondern die individuelle Lieblingstasse. Meist ist eine weiße Katze dabei – der kleine Moment, der mich jedes Mal an James Bonds Widersacher Blofeld erinnert und kurz erschau- ern lässt. Ich lerne mein Büro noch besser kennen, denn der WLAN-Empfang scheint täglich zu wandern. Alles in allem nötigt die Situation natürlich vieles ab, vor allem aber, den eigenen Stand- punkt und die Herangehensweise Katharina Leniger ist wissenschaftliche Mit- arbeiterin an der Professur für Christliche Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 19 THEMA
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