Iga.Fakten 11 - Initiative Gesundheit und Arbeit
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iga.Fakten 11 Themenschwerpunkt Positive Psychologie Stärken stärken Die Initiative Gesundheit und Arbeit Positive Psychologie in In der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) arbeiten gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung Prävention und Betrieblicher zusammen, um arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Gemeinsam werden Präventions- Gesundheitsförderung ansätze für die Arbeitswelt weiter- entwickelt und vorhandene Methoden oder Erkenntnisse für die Praxis nutzbar gemacht. iga ist eine Kooperation von BKK Dachverband, der Deutschen Patricia Lück, Hannah Bleier und Birgit Schauerte Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), dem AOK-Bundesverband und dem Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek). www.iga-info.de iga.Fakten 11 | 1
Was ist Positive Psychologie? Was ist Positive Psychologie? Die klinische Psychologie hat sich in der Vergangenheit im stellte sich die Frage, was Überlebende von Konzentrationsla- Wesentlichen mit psychischen Erkrankungen und negativen gern geholfen hat, zu überleben und in den folgenden Jahren Emotionen wie Angst, Wut oder Verzweiflung beschäftigt. gesund zu bleiben. Mit seinem Modell der Salutogenese hat Geforscht wurde hauptsächlich zu den Ursachen und Thera- er ein Konzept entwickelt, das die Entstehung von Gesund- piemöglichkeiten psychischer Störungen wie Depressionen, heit anhand der Dimensionen Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit Phobien oder Sucht. Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich und Handhabbarkeit erklärt (Antonovsky & Franke, 1997). Das die Positive Psychologie verstärkt auch mit der Frage, was das Ausmaß dieser miteinander verbundenen Dimensionen drückt Leben lebenswert macht, was uns gesund hält, Beziehungen sich im Kohärenzsinn aus. glücklich macht und zum Wohlbefinden beiträgt. Martin Seligman führte die Beschäftigung mit diesen Den Anstoß dazu gab die Tatsache, dass es Fragen fort und fragte darüber hinaus, was genau Menschen möglich war, trotz der traumati- Menschen glücklich macht (Seligman, 2009). So schen Erfahrung des Überlebens von Kon- prägte er in den 1990er Jahren den Begriff der zentrationslagern ein weitgehend gesun- Stärken im Fokus Positiven Psychologie. Seligman war es ein An- des und glückliches Leben zu führen. Mit liegen, den Fokus der Psychologie mehr auf die der Frage, wie dies gelang, setzten sich positiven Aspekte der menschlichen Existenz verschiedene Forscher auseinander. Viktor zu richten, diese wissenschaftlich zu erforschen Frankl hat seine eigenen Erfahrungen reflek- und Faktoren für Glück und Wachstum zu identifi- tiert und in sein Modell der Logotherapie über- zieren. Über seinen Forschungsansatz der erlernten führt (Frankl, 2012). Die Logotherapie geht der Frage nach Hilflosigkeit hinaus, der zur Erklärung der Ursachen dem Sinn des Lebens und Faktoren der Resilienz nach. Frankl von Depression diente, nahm er die Fragen in den Blick: Was forderte eine „Höhenpsychologie“ im Gegensatz zur damals macht Menschen eigentlich zufrieden und glücklich? Und wie dominierenden Tiefenpsychologie (Psychoanalyse). Auch der kann dieses Wohlbefinden erhalten oder gar gesteigert wer- israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky den? Diese Fragen beziehen sich nicht nur auf einzelne Perso- nen, sondern auch auf Organisationen. Mit ihrer Hilfe werden Faktoren für leistungsfähige Unternehmen und motivierte Positive Psychologie – Beschäftigte erforscht. Welche Bedingungen müssen geschaf- Themenschwerpunkt in iga fen werden, um eine optimale Entwicklung von Personen und Organisationen zu ermöglichen? Wie können Stärken der Ein- Mit der Positiven Psychologie setzt iga einen Themen- zelnen besser im Job eingesetzt werden und welche Wirkung schwerpunkt, der ressourcenorientierte Ansätze in der hat das auf das Ergebnis der Arbeit und das eigene Erleben? BGF in den Blick nimmt. Im Mittelpunkt stehen das Gelingende, die Stärken von Beschäftigten sowie Wege Jeder Mensch trägt einzigartige Stärken in sich. Diese per- zu positiven Emotionen, mehr Sinn und Erfolgsorientie- sönlichen Stärken, die zu einem zufriedenen, glücklichen und rung. Neben den Grundlagen der Positiven Psychologie gesunden Leben beitragen, stehen im Zentrum der Positiven werden u. a. Ansätze wie Achtsamkeit und Meditation Psychologie. Sie ist also ein insbesondere ressourcen- und stär- sowie Job Crafting im Detail betrachtet. kenorientierter Ansatz. Das dahinterliegende Menschenbild hat seine Wurzeln im Humanismus. Jeder Mensch strebt nach einem sinnerfüllten, selbstbestimmten Leben mit positiven Beziehun- WEITERE INFORMATIONEN zum Themenschwerpunkt gen zu anderen Menschen und nach Möglichkeiten zu wachsen finden Sie unter und sich weiterzuentwickeln. Um dies zu belegen, sucht die Posi- > www.iga-info.de > Themen > Positive Psychologie tive Psychologie Antworten in zahlreichen Studien und Untersu- chungen. Auf Basis fundierter Erkenntnisse werden ressourcen- orientierte Ansätze für Interventionsmöglichkeiten angeboten. 2 | iga.Fakten 11
Was ist Positive Psychologie? Depressionen Angst Aufblühen Wohlbefinden Glück Krankheit -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 REPARIERE, WAS FALSCH IST. BAUE AUS, WAS STARK IST. Abbildung 1: Die Grundidee der Positiven Psychologie Abbildung 1 veranschaulicht das Konzept der Positiven Psy- Dieses Ziel ist keine einmalige Intervention, sondern eine Aus- chologie: Die Beschäftigung der Psychologie mit Krankheiten richtung des eigenen Lebens, der Arbeit und der Beziehungen und Befindlichkeitsstörungen (Skala von -10 bis -1) bis hin in Richtung größerer Achtsamkeit, des Ausbaus der eigenen zum Spektrum der Positiven Psychologie – dem gesunden Stärken. Krankheitsbewältigung, Trauer und negative Gefühle Menschen in seinen verschiedenen Zuständen des Wohlbefin- werden dabei nicht ausgeschlossen, sondern im akuten Fall dens, der Zufriedenheit und des Glücks (von 0 bis +10). berücksichtigt und bearbeitet. Es soll aber die vorherrschen- de Ausrichtung von Menschen auf Belastungen und Probleme Ziel der Positiven Psychologie ist eine Steigerung der Lebens- aufgegeben werden zugunsten einer verstärkten Orientierung zufriedenheit auf dieser Skala, z. B. von +2 auf +5 (oder auch auf Stärken, Ressourcen und Potenziale. von -2 auf +1), also eine positive Entwicklung und Wachstum. iga.Fakten 11 | 3
Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen? Was ist Positive Psychologie NICHT? Auch wenn der Fokus auf das Gelingende, das Aufblühen und Begriffsbestimmung: das Wachstum von Menschen gelegt wird, ist Positive Psy- Positive Psychologie chologie nicht gleichzusetzen mit Positivem Denken. Es geht nicht um ein Wegdrücken negativer Emotionen oder ein Ig- „Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom ge- norieren von Belastungen oder Problemen. Es gibt kein Muss lingenden und erfüllten Leben und damit die erste Diszi- zum „Smiling Face“ und zu beständigem positivem Denken. plin, die sich wissenschaftlich mit der Frage beschäftigt, Ärger, Wut, Sorge und Angst finden Raum, sollen jedoch wie psychisches Wohlbefinden und persönliche Entwick- durch eine Vielzahl positiver Erfahrungen und Emotionen lung für alle Menschen unterstützt und aufrechterhalten ausgeglichen werden. werden können. Sie ist eines der jüngsten und neues- ten Forschungsgebiete der akademischen Psychologie.“ Diejenigen, die das Positive Denken vertreten, fordern dazu auf, (Blickhan, 2018, S. 15) möglichst viele aufmunternde und motivierende positive Sätze zu sagen, um Probleme von sich fernzuhalten. In der Positiven Psychologie geht es hingegen darum, eigene Stärken und gute werden und sie absichtsvoll und so häufig wie möglich gezielt Gefühle immer besser kennenzulernen, sich ihrer bewusst zu einzusetzen, um Probleme kreativ zu lösen (Blickhan, 2018). Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen? Mit dem Ziel, eine menschengerechtere Arbeitswelt zu schaffen, hat sich bereits in den 1970er Jahren die Arbeits- psychologie im Programm „Humanisierung der Arbeitswelt“ beschäftigt. Dabei wurde auf Basis der Gestaltung von Ar- beitsbedingungen die Frage diskutiert, wie Menschen selbst- bestimmt und belastungsfrei produktiv zusammenarbeiten können. Vor allem wurde angestrebt, Beschäftigten größere Handlungsspielräume und Entwicklungschancen einzuräu- men, um Arbeitszufriedenheit und Motivation zu steigern. Die Belegschaft gewann als wichtiges Kapital des Unternehmens zunehmend an Bedeutung. Die Arbeitswelt für Menschen positiv zu gestalten, ist eine organisationale Gestaltungsaufgabe für Unternehmen. Die Blickrichtung der Positiven Psychologie gibt Unternehmen nun einen erweiterten Ansatz an die Hand, um das Wohlbefinden von Beschäftigten zu verbessern. Dabei wird nach Wesely (2019) Folgendes berücksichtigt: 1. die Auseinandersetzung mit den Faktoren, die dazu beitragen, dass Beschäftigte denk-, handlungs- und leis- tungsfähig sind und konstruktiv arbeiten können, und 2. die Umsetzung positiver Maßnahmen, die auf Stärken und das Funktionierende in Organisationen abzielen. Wo Momente des Gelingens betont und verstärkt wer- den, „blühen“ Beschäftigte „auf“ (vgl. Infokasten zum Flourishing auf S. 5). 4 | iga.Fakten 11
Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen? Werden Rahmenbedingungen, das Miteinander, die Führung und die Arbeitsgestaltung unter dem Aspekt der Positiven Psy- Flourishing = Aufblühen chologie gedacht und entsprechend (um-)gestaltet, lohnt sich dies für die Unternehmen, wie zahlreiche Studien belegen: Flourishing wird als ein Zustand definiert, in dem eine Sie profitieren von einer gesteigerten Beschäftigten- Person Glück bzw. Wohlbefinden erfährt, sich öffnet, zufriedenheit, einer positiveren Arbeitskultur und aufnahme- und lernbereit ist und Zugang zu all ihren weniger Fehltagen (Rolfe, 2019). Ressourcen hat. Es ist das Gegenteil von Verkümmern Sie schaffen damit Rahmenbedingungen, die Beschäftigte und zeichnet sich durch Verbesserungen im subjektiven im Arbeitsleben glücklich und zufrieden machen, und Wohlbefinden, der psychischen Leistungsfähigkeit und steigern dadurch die Erfolgsaussichten der Unternehmen. dem persönlichen Wachstum aus. Der Umgang mit be- Die Harvard University betrachtete 2005 in einer lastenden Lebenssituationen wird einfacher. Zudem stei- Metastudie über 225 Studien den Zusammenhang gert es die Produktivität (Blickhan, 2018). Flourishing, von Glück und Erfolg. Sie zeigt, dass zufriedenere im Sinne von Wachstum, ist ein Ergebnis der Arbeit an Beschäftigte im Vergleich zu unzufriedenen Beschäftigten den Aspekten, die im PERMA-Modell Beachtung finden. durchschnittlich Es ist ein zentrales Konzept der Positiven Psychologie. - 31 % produktiver sind, - 37 % höhere Verkaufsraten erreichen und - dreimal so kreativ sind (Lyubomirsky et al., 2005). Eine Erweiterung der Gestaltungs- und Entfaltungsmög- lichkeiten führt bei den Beschäftigten zu mehr Arbeits- zufriedenheit und ist eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verknüpft. Beschäftigte, die ihre Stärken kennen und einsetzen, entwickeln Einsatzfreude und Einsatzwillen. Es zeigen sich positive Zusammenhänge zu verbessertem Wohlbe- finden, Flow-Erleben (siehe Infokasten, S. 11), positiven Emotionen und geringerer Depression. Einfluss auf das Glücksempfinden Kann man Glück lernen oder ist einem das Gefühl für Glück in die Wiege gelegt? Nach Lyubomirsky (2008) ist die Fähigkeit, Glück zu empfinden, beeinflussbar. Aufbauend auf Studien mit 10 % Zwillingen geht die Autorin davon aus, dass 50 Prozent der menschlichen Fähigkeit, glücklich zu sein, genetisch bedingt, also angeboren sind. Lediglich 10 Prozent des Potenzials, Glück zu empfinden, ist nach Lyubomirsky von der konkre- ten Lebenssituation wie beispielsweise einem Lottogewinn abhängig. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass die restli- 50 % chen 40 Prozent von jedem Menschen selbst kontrolliert und 40 % beeinflusst werden können. Die eigene Haltung, das Denken und Verhalten haben demnach einen verhältnismäßig großen Einfluss auf das Glücksempfinden (siehe Abbildung 2). Martin Seligman fasste im Jahr 2012 die für ihn wesentlichen Genetische Ausstattung Forschungsrichtungen und empirischen Ergebnisse im PERMA- Bewusstes Denken und Verhalten Modell zusammen, das im nachfolgenden Kapitel ausführlich Äußere Umstände vorgestellt wird. Es liefert Erkenntnisse und Maßnahmen, wie Bedingungen gestaltet werden können, damit Menschen und Abbildung 2: Unterschiedliche Einflussfaktoren auf das Glücksemp- ganze Organisationen aufblühen. finden (vgl. Lyubomirsky, 2008) iga.Fakten 11 | 5
Das PERMA-Modell Die fünf Säulen des Wohlbefindens – das PERMA-Modell Ausgehend von der Fragestellung „Was macht ein gutes Le- Gleichwohl ist diese Aufzählung Seligmans nicht allumfas- ben aus und was können wir tun, um es erfüllter zu gestal- send. Im Gegenteil: Es ist durchaus denkbar, dass aktuelle ten?“ entwickelte Martin Seligman das PERMA-Modell. Auf Forschungserkenntnisse zu einer Erweiterung des Modells Basis seiner Erkenntnisse definiert das Modell fünf Bereiche, führen – es kann also weitere Säulen geben, auf denen das die ein positives Leben fördern: Positive Emotionen, Engage- persönliche Wohlbefinden aufbaut. Dieser Gedanke wird am ment, Beziehungen, Sinn und Wirksamkeitserfahrungen (siehe Ende dieser Broschüre aufgegriffen, wo eine mögliche Erwei- Abbildung 3). terung vorgestellt wird. Auf blühen Flourishing Leistung / Wirksamkeit Achievement / Accomplishment Positive Emotionen Beziehungen Positive emotions Engagement Relationships Engagement Meaning Sinn Abbildung 3: PERMA – Fünf Bereiche, die das Aufblühen fördern 6 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Arbeit gestalten mit dem PERMA-Modell Inwiefern Beschäftigte, Teams und ganze Unternehmen Unser Wohlbefinden hängt nicht nur von uns ab, sondern aufblühen und sich weiterentwickeln können, hängt ins- steht auch im Zusammenhang mit unserem Umfeld. Einen gesamt von der Gestaltung der fünf Säulen des PERMA- großen Teil unserer Lebenszeit verbringen wir am Arbeits- Modells ab. platz, widmen uns der Arbeit. Auch unser berufliches Umfeld trägt damit dazu bei, ob wir mit unserem Leben zufrieden Wie können positive Interventionen in die betriebliche Praxis sind und uns wohlfühlen. Entscheidend sind auch hier die eingebaut werden? Fragen: Was braucht es, um im Beruf „aufzublühen“, wie Die Positive Psychologie hat Interventionsmethoden kann ich meine Stärken am besten einsetzen? entwickelt, die Menschen darin unterstützen, ihre Stärken einzusetzen, Ressourcen und Potenziale voll auszuschöpfen Die Säule „Positive Emotionen“ beschreibt, wie wir ange- und so – auch in der Auseinandersetzung mit beruflichen nehme Gefühle wie Freude, Dankbarkeit oder Zufriedenheit im oder privaten Krisen – ein erfülltes Leben zu führen. In Un- Arbeitskontext erleben können und was diese Gefühle bewir- ternehmen können durch die Umsetzung von Interventio- ken. Die Säule „Engagement“ geht auf die Umstände ein, un- nen der Positiven Psychologie neue Handlungs- und Ent- ter denen sich Beschäftigte engagieren, wann sie über extrin- wicklungsräume eröffnet und Innovation und Kreativität sische Faktoren hinaus motiviert sind. Gerade die Möglichkeit, gefördert werden. persönliche Stärken im Arbeitskontext einzusetzen, entschei- det über das eigene Engagement. „Beziehungen“ beschreibt Im Folgenden werden anhand der fünf Säulen oder auch Berei- die Energie und die Effekte, die soziale Beziehungen auf uns che des PERMA-Modells Interventionsmethoden vorgestellt, haben, sowie deren Qualität. „Sinn“ beschreibt die Ausein- die sowohl auf individueller als auch auf Team- und Führungs- andersetzung mit einem höheren Ziel in Arbeit und Leben, die ebene wirken und einfach in den beruflichen Alltag integriert Säule „Leistung/Wirksamkeit“ schließlich steht dafür, wie werden können. Menschen ihr „bestes Selbst“ zur Arbeit bringen können. iga.Fakten 11 | 7
Das PERMA-Modell (Broaden-Effekt) und unterstützen zweitens den langfristigen Ressourcen- bzw. Kompetenzaufbau (Build-Effekt). Dabei gilt, dass die Häufigkeit des Erlebens positiver Gefühle wichtiger PERMA: Positive Emotionen fördern ist, um positive Effekte zu erzeugen, als die Stärke bzw. Aus- prägung der erlebten Emotionen. Die Wirkung positiver Emotionen ist ein zentrales Thema der Positiven Psychologie. Positive Emotionen wie Freude, Neugier, Durch das Erleben positiver Gefühle „öffnen wir uns“. Diese Stolz, Liebe und Vergnügen erweitern die Wahrnehmung so- Offenheit im Denken wirkt sich positiv auf unser Verhalten wie die Lern- und Handlungsfähigkeit und fördern damit den und Handeln aus. Wir können mehr Informationen aufnehmen Aufbau von Ressourcen und Potenzialen. bzw. behalten, trauen uns mehr zu, probieren mehr aus, gehen auf andere zu und bleiben über einen längeren Zeitraum Eine der wichtigsten Theorien der Positiven Psychologie hier- motiviert. Auf diese Weise werden langfristig persönliche zu ist die Broaden-and-build-Theorie positiver Emotionen von Ressourcen aufgebaut und die Leistungsfähigkeit erhöht Prof. Dr. Barbara Fredrickson, die in Abbildung 4 schematisch (z. B. mehr Wissen, mehr positive Erfahrungen, mehr Fertig- dargestellt ist. Die Theorie geht davon aus, dass positive Emo- keiten, ein größeres Netzwerk). tionen das Denken, Erleben und Handeln eines Menschen ver- ändern (Fredrickson, 2011). Dadurch tragen sie zu neuen Ideen Eine Studie von Avey und anderen konnte 2011 eine signifikante und Beziehungen bei und erweitern das Wahrnehmungs- und Steigerung der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten aufzeigen, Verhaltensrepertoire (= broaden). Über die Zeit schafft dieses sobald deren Führungskräfte positiv kommunizierten, wenn sie erweiterte Verhaltensrepertoire neue Reaktionen, Ideen und Arbeitsaufgaben übertrugen. Die positive Kommunikation zeig- Umstände, die wiederum die persönlichen Ressourcen des te sich beispielsweise darin, dass die Führungskräfte bei der Er- Menschen fördern und aufbauen (= build). Positive Emotio- teilung eines Arbeitsauftrags bewusst ihre positive Einstellung nen bewirken demnach erstens eine offene Bewusstseinslage zu den Fähigkeiten der Beschäftigten unterstrichen. VERBESSERTE GESUNDHEIT ÜBERLEBENSCHANCE, ERFÜLLUNG AUFBAU ÜBERDAUERNDER PERSÖNLICHER RESSOURCEN (bspw. soziale Unterstützung, Resilienz, Fähigkeiten, Wissen) NEUE GEDANKEN, AKTIVITÄTEN, BEZIEHUNGEN Positive Emotionen Abbildung 4: Die Wirkung positiver Emotionen: Die Broaden-and-build-Theorie nach Fredrickson (vgl. Fredrickson et al., 2008) 8 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Übung: Der Positive Tagesrückblick rnehmen, positiver Tage sabschluss > ZIEL : Positive Gefühle bewusst wah den (Arbeits-)Tag Revue nimmt man sich jeden Abend Zeit, um > DURCHFÜHRUNG: Für die Übung Tages. Dies können zu lasse n. Der Foku s liegt dabe i auf der Reflexion der positiven Momente des passieren schriftlich beantwortet: Für die Übung werden folgende Fragen auch scheinbar kleine Erlebnisse sein. 1. Was war heute schön? t habe? dass ich diese Erfahrung als schön erleb 2. Wie habe ich selbst dazu beigetragen, beigetragen haben. eckt, die zu den positiven Erfahrungen So werden persönliche Strategien entd zu einer flichen Kontext kann diese Übung auch > ALT ERN ATI VER EIN SAT Z: Im beru en dann die Fragen gestellt: werden. Zu Beginn eines Meetings werd Positiven Blitzlichtrunde abgewandelt gut? 1. Was war seit dem letzten Meeting gen? 2. Was haben wir als Team dazu beigetra ilten Erfolgen und e Blitz licht rund e bere itet den Bod en für Problemlösungen auf Basis von gete Diese kurz im Austausch mit anderen u kommt, dass sich positive Emotionen ein positives Miteinander im Team. Hinz Personen verstärken. Mehr positive Emotionen im Alltag (Haas, 2015). Über die Veränderung neuronaler Gehirnaktivi- Studien der Positiven Psychologie belegen, dass es einfache täten bewirken Meditationen demnach, dass das verstärkte Methoden gibt, um das Gehirn zu trainieren, mehr positive Erleben positiver Momente „erlernt“ wird. Reize wahrzunehmen und somit positive Emotionen zu erle- ben. Eine sehr bekannte Übung, die sich auch einfach in den Berufsalltag übertragen lässt, ist der Positive Tagesrückblick. Begriffsbestimmung: Was ist Meditation? Studien belegen, dass beim Positiven Tagesrückblick und dem Einsetzen eigener Stärken auch sechs Monate nach der Übung Meditation beschreibt eine trainierbare mentale Tech- noch langfristige, signifikante und große Unterschiede im nik, die den kontinuierlichen Gedankenstrom kurz- Wohlbefinden nachweisbar sind (Blickhan, 2018). zeitig unterbrechen soll, um eine gewisse kognitiv- affektive Entspannung herbeizuführen (Esch & Esch, Verstärkte Wahrnehmung positiver Gefühle lässt sich trainieren 2015). Hierbei spielt die Fokussierung der Aufmerk- MRT-Untersuchungen des menschlichen Gehirns zeigen, dass samkeit eine zentrale Rolle. Je nachdem, auf welche sich Glücksgefühle vor allem im linken präfrontalen Cortex Fokuspunkte man sich konzentriert, spricht man von (Stirnlappen) abbilden, während Depression und Misstrauen unterschiedlichen Meditationstechniken. Beispiels- sich im rechten Stirnlappen darstellen. Je größer die Dominanz weise gibt es die Atemmeditation, bei der man sich des linken Stirnlappens ist, desto besser ist das Wohlbefinden. der eigenen Atmung bewusstwerden soll. Weitere Dass der Teil des Gehirns, der für Wohlbefinden verantwortlich Meditationsobjekte können Gegenstände, Wörter, ist, trainiert werden kann, wurde zunächst bei Mönchen nach- Klänge, Sätze oder Bewegungen sein. Bei dieser Me- gewiesen. Mithilfe von Meditation und Achtsamkeit fokussier- thode wird die Konzentration also auf bestimmte ten sie sich auf das Hier und Jetzt und schenkten schlechten Vorgänge oder Dinge ausgerichtet. Beim offenen Ge- Gefühlen kaum Aufmerksamkeit. In Messungen zeigte sich: wahrsein handelt es sich um eine Meditationstechnik Nie zuvor war eine so große Dominanz des linken Stirnlap- für Fortgeschrittene. Hierbei öffnet man die Sinne für pens gegenüber dem rechten gemessen worden wie in diesen alle Empfindungen und Erfahrungen des gegenwärti- Fällen. Angenehme Gefühle wurden also verstärkt wahrge- gen Moments. nommen, grausame Momente als weniger tragisch verarbeitet iga.Fakten 11 | 9
Das PERMA-Modell Achtsamkeit wird häufig in einem Atemzug mit Meditation be- Achtsamkeit ist auch im Arbeitsleben angekommen, und immer nannt. Richtig ist, dass für Meditation Achtsamkeit erforderlich mehr Unternehmen bieten sie im Rahmen des Betrieblichen Ge- ist. Umgekehrt gilt das jedoch nicht: Es gibt zahlreiche Übun- sundheitsmanagements (BGM) an. Die Universität Witten/Her- gen zur Achtsamkeit im ganz alltäglichen Rahmen, wie z. B. die decke hat anhand von über 100 randomisierten kontrollierten Gehmeditation, die ohne Meditationspraxis auskommen und Interventionsstudien im Rahmen eines iga.Projektes die Wirk- eine Aufmerksamkeitslenkung und Konzentration auf einen samkeit von Achtsamkeit im Arbeitskontext wissenschaftlich konkreten Vorgang (hier: das Gehen) bedeuten. Meditation untersucht. Die Auswertung der Studien zeigt, dass Achtsamkeit jedoch unterstützt die Erfahrung und Vertiefung eines achtsa- eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat und insbesonde- men Lebens und Arbeitens. re den Auswirkungen psychischer Belastungen, wie z. B. dem Stresserleben, entgegenwirkt. Achtsamkeit verbessert die kör- Methode: Achtsamkeit üben perliche Gesundheit, das Wohlbefinden, die Erholungsfähigkeit Viele Aufgaben gleichzeitig erledigen, beständige Unterbre- und die Selbstregulation. Aber auch bei Burn-out konnte in eini- chungen und Termindruck sind häufige psychische Belastun- gen Fällen eine Wirksamkeit von Achtsamkeitstrainings nachge- gen in der Arbeitswelt. Ein allzu geschäftiger Alltag kann auf wiesen werden. Die Ergebnisse des Projektes wurden 2021 von Dauer zermürben. Umso wichtiger ist es, regelmäßig Pausen Michaelsen und anderen im iga.Report 45 veröffentlicht. einzulegen und Ruhe zu finden. Achtsamkeit gilt hier als wich- tiger Baustein für mehr Wohlbefinden. Eine achtsame Einstellung verhilft dazu, sich der eigenen Ge- fühle und Reaktionen bewusst zu werden durch Innehalten, Atmen und Spüren, was gegenwärtig passiert. Achtsamkeit Übung zur Achtsamkeit im Beruf: tung beschreibt den wertungsfreien Blick darauf, was im gegen- Achtsames Sitzen mit Atembeobach wärtigen Moment passiert. Achtsamkeitsübungen verhelfen den Geist zur zu einer Fokussierung auf das Hier und Jetzt und unterstützen > ZIEL : Durch Fokussierung auf den Atem Ruhe bringen dabei, neue Kraft und Balance aufzubauen. aufrecht und > DUR CHF ÜHR UNG : Setzen Sie sich Die positiven Effekte der Achtsamkeit auf das psychische Be- legen Sie die Hän- ohne sich anzulehnen auf einen Stuhl, finden sind gut belegt (Michaelsen et al., 2021). Die Technik n Sie die Augen de auf Ihre Oberschenkel und schließe kann dabei helfen, sich des Gelingenden und des Positiven im oder fixieren Sie einen Punkt vor sich. beruflichen und privaten Alltag bewusst zu werden. wahr, wie sich Atmen Sie ruhig weiter und nehmen Sie hlt. Wenn Sie der Atemstrom im Bereich der Nase anfü en Sie einfach in der Aufmerksamkeit abschweifen, kehr auch das Zählen wieder zum Atem zurück. Hilfreich ist Begriffsbestimmung: Was ist Achtsamkeit? er von 1 be- der Atemzüge (von 1 bis 10, dann wied s durch „ein“… ginnen) oder die Begleitung des Atem Dem Begriff „Achtsamkeit“ liegt keine einheitliche De- m kräftigen Ein- „aus“. Beenden Sie die Übung mit eine finition zugrunde, die eine einfache beziehungsweise en. und Ausatmen und dem Öffnen der Aug scharfe Abgrenzung unterschiedlicher Konzepte zulässt. Achtsamkeit ist ein Element vieler überlieferter Konzep- länger durchge- Die Übung kann 5 Minuten oder auch te der traditionellen Heilkunde sowie der verschiedens- führt werden. ten Meditations- und Körperpraktiken. Die meistzitierte Definition von Achtsamkeit umfasst „die absichtsvolle Aufmerksamkeitslenkung auf den gegenwärtigen Mo- en aus > Weiss, H., QUELLE: Die Übung wurde entnomm ment ohne zu bewerten“ (Kabat-Zinn, 2010). samkeitsbuch für Harrer, M. E. & Dietz, T. (2014). Das Acht Beruf und Alltag. Klett-Cotta. 10 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Kenntnis und die Förderung der eigenen Stärken die Moti- vation und Leistungsbereitschaft. Er nimmt hier Bezug auf den Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi, der mit dem PERMA: Engagement fördern Begriff Flow einen selbstvergessenen und glücksbringenden Zustand meint, den er zunächst bei Musikern und Musike- Engagement bedeutet Einsatzfreude und Einsatzwillen. Es rinnen, Sportlerinnen und Sportlern sowie Fachleuten ver- entsteht, wenn Menschen ihre eigenen Stärken kennen und schiedenster Disziplinen beobachtet hat (siehe Infokasten auch einsetzen können. Nach Seligman (2012) erhöht die zur Flow-Theorie). Die Flow-Theorie Es gibt einen Zustand, in dem Menschen voll in ihrer Aufga- Die Theorie betont dabei die Passung von Mensch und be aufgehen, Raum und Zeit vergessen und sich nur noch um Aufgabe. Es hängt von den einzelnen Beschäftigten und die Tätigkeit kümmern – das Flow-Erleben. Die Flow-Theorie ihren Fähigkeiten ab, ob eine Aufgabe gut gestaltet ist. der Motivation beschäftigt sich mit der Frage, wie Beschäf- Was für den einen gerade richtig ist, kann bei der anderen tigte genau zu diesem Erlebniszustand kommen. zum Gefühl der Unter- oder Überforderung führen. Csiks- zentmihalyi hat diese Wechselwirkung zwischen Aufgabe und Mensch 1990 beschrieben. Ideal ist nach diesem Mo- hoch dell eine Passung zwischen dem Anspruch der Aufgabe Überforderung (= den Anforderungen der Tätigkeit) und dem Fähigkeits- Frustration niveau der Person (siehe Abbildung 5). Nehmen die Per- Angst sonen eine Balance zwischen den Anforderungen aus der Aufgabe und ihren eigenen Fähigkeiten und Stärken wahr, ANFORDERUNGEN gehen sie in ihrer Arbeit auf, vergessen teilweise ihre Um- gebung und konzentrieren sich nur auf die Arbeitsaufga- be. Dieser Zustand des Flow-Erlebens geht mit positiven Emotionen einher. Unterforderung Sind die Anforderungen einer Tätigkeit dagegen zu hoch, Routine kommt es zu Überforderung und einer sinkenden Moti- Langeweile vation. Das Flow-Erleben wird verlassen. Dies gilt ebenso niedrig bei zu geringen Anforderungen: Unterforderung und Lan- niedrig FÄHIGKEITEN hoch geweile führen ebenfalls zu einem Motivationsverlust. Die Belastung durch zu geringe oder zu hohe Anforderungen Abbildung 5: Flow in Abhängigkeit von Anforderungen und Fähigkeiten kann das Stressempfinden am Arbeitsplatz steigern. QUELLE: Die Zusammenstellung basiert auf Ausführungen der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft (WGPS), die auf ihren Internetseiten die wesentlichen Informationen zur Flow-Theorie gut zusammengefasst hat. > https://wpgs.de/fachtexte/motivation/flow-erleben-theorie-csikszentmihalyi/ iga.Fakten 11 | 11
Das PERMA-Modell Werden Mitarbeitende gefordert und können sie ihre Arbeits- konzentriertes und fokussiertes Arbeiten ermöglichen. Auch aufgaben mit Hilfe ihrer eigenen Stärken und ihres Könnens im Kontext von New Work ist Engagement von Bedeutung. erledigen, entsteht in kurzen und kleinen Momenten ein Mi- Es ist einer der elf Werte, die in den iga.Werteblättern ver- cro-Flow, bei großen Aufgaben über längere Zeitabschnitte ein tiefend betrachtet wurden (siehe www.iga-info.de > The- Macro-Flow. Der Einsatz von Stärken und das daraus resultie- men > New Work > New Work & Werte). rende Flow-Erleben erhöhen die Leistungsfähigkeit. Studien belegen, dass die Leistung der Beschäftigten um Folgende Bedingungen fördern nach Bakker (2005, 2008) ein durchschnittlich 36,4 Prozent anstieg, wenn sich Personen im Flow-Erleben am Arbeitsplatz: Management auf die Stärken ihrer Beschäftigten fokussierten. Der oder die Beschäftigte muss sich mit der Aufgabe Konzentrierten sich Führungskräfte mehr auf die Schwächen identifizieren und ein echtes Interesse an der Erbringung der Beschäftigten, fiel die Leistung um 26,8 Prozent ab (To- der Arbeitsaufgabe haben. moff, 2015). Damit wird deutlich, wie wichtig es ist, die Stär- Die Aufgabe muss eine Herausforderung darstellen und ken der Beschäftigten zu erkennen und in der Aufgabenbear- klar definierte Ziele enthalten. beitung zielgerichtet einzusetzen. Der Schwierigkeitsgrad der Herausforderung muss zu den Fähigkeiten der oder des Beschäftigten passen. Wo liegen Ihre Stärken? Die Aufgabe muss mit einem direkten Feedback In verschiedenen Gesellschaften stieß man auf die immer verknüpft sein. gleichen Tugenden: Weisheit, Mut, Menschlichkeit, Gerech- Zeit und Arbeitsschritte sollten möglichst selbst tigkeit, Mäßigung und Transzendenz. Diese können sich in gesteuert werden können (Autonomie). unterschiedlichen Charakterstärken zeigen. Seligman ordnet Es sollte soziale Unterstützung durch das Team geben. den sechs Tugenden 24 Charakterstärken zu, wie z. B. Neu- gier, Enthusiasmus, Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen und Füh- Um Engagement zu fördern, sollten Unternehmen demnach rungsqualität. Eine Übersicht über alle Charakterstärken findet Rahmenbedingungen schaffen, die den Beschäftigten ein sich in Tabelle 1. Tabelle 1: Tugenden und Charakterstärken (vgl. Ebner, 2019a) Tugenden Zugeordnete Charakterstärken Kreativität, Ein- Urteilsvermögen, Weisheit, Weisheit und Neugier fallsreichtum und kritisches Denken und Liebe zum Lernen Weitsicht bzw. Wissen und Interesse Originalität Aufgeschlossenheit Tiefsinn Ausdauer, Authentizität, Enthusiasmus, Taten- Mut Tapferkeit und Mut Beharrlichkeit und Ehrlichkeit, Aufrichtig- drang und Begeiste- Fleiß keit und Integrität rungsfähigkeit Liebe und Bindungsfähigkeit Freundlichkeit, Soziale Intelligenz Humanität/ und Fähigkeit zu Großzügigkeit, Für- bzw. soziale Menschlichkeit lieben sorge und Altruismus Kompetenz Teamwork, Fairness, Gerechtigkeit Zugehörigkeit und Gleichheit und Führungsvermögen Loyalität Gerechtigkeit Selbstregulation, Vergebungsbereit- Bescheidenheit und Vorsicht, Klugheit und Mäßigung Selbstkontrolle und schaft und Gnade Demut Diskretion Selbstdisziplin Sinn für das Schöne Spiritualität und Hoffnung, Optimismus (Ehrfurcht und Dankbarkeit Spiritualität Humor Transzendenz und Zuversicht Verwunderung) 12 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Aber noch ein Wort zu den Charakterstärken: Stärken sind Die eigenen Stärken und Tugenden können z. B. über den nicht zu verwechseln mit erlernten Fähigkeiten. Stärken äußern VIA-Charakterstärken-Test ermittelt werden. Er umfasst sich darin, dass sie aus der Person selbst kommen, dass sie die oben genannten sechs Tugenden und die von Seligman Kraft und Motivation bringen, statt Energie zu verbrauchen. postulierten 24 Charakterstärken. Die deutsche Variante Erkennbar sind Stärken daran, dass jemand etwas mit Lei- des VIA-Tests der Universität Zürich ist unter dem Link denschaft und Hingabe tut, nicht unbedingt daran, dass er www.charakterstaerken.org zu finden, ein anderer Test findet oder sie etwas gut kann, weil es gelernt wurde. sich unter www.gluecksforscher.de. Bei beiden Tests können sich Interessierte unter den benannten Links registrieren, um ihre eigenen Stärken zu ermitteln. Sind die eigenen Stärken bekannt, kann ihr Einsatz in der Ar- beit stärker berücksichtigt oder von der Führungskraft geför- dert werden. Wenn eine Person eine Aktivität „gut und gern“ macht, wird sie diese häufig und spontan ausführen und damit langfristig das eigene Wohlbefinden stärken. Mit dem Fokus auf Stärken entwickeln sich Menschen insgesamt schneller. Sie können sich weiterentwickeln und wachsen. Zudem zeigen sich positive Effekte auf die Zukunftsvorstellungen, die das eigene Selbst, die Gesundheit, die emotionale Stabilität und Lebenszufriedenheit betreffen (Blickhan, 2018). Ein Beispiel dafür, welche Folgen eine ungünstige Passung zwi- schen Aufgabenverteilung und Persönlichkeit haben kann, ist die Geschichte „Die Schule der Tiere“, die sich bei Edith-Maria Soremba findet (siehe Infokasten). Sie wird genutzt um zu ver- Die Schule der Tiere (Ausschnitt) deutlichen, dass ein Fokus auf Defizite im Extremfall vorhande- ne Stärken verkümmern lässt und so lediglich zu Mittelmaß in Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schu- allen Belangen führen kann. Das lässt sich auch auf den Berufs- le. Der Unterricht bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen alltag übertragen, wo sich Frustration und schlechte Leistungen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern oft vermeiden lassen, wenn Menschen mit dem Fokus auf ihre unterrichtet. Stärken betrachtet und entsprechend gefördert werden. Die Ente war gut im Schwimmen, besser sogar als der Dabei ist das Ausgleichen von Defiziten ein bekanntes Muster, Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Ren- das wir alle schon aus der Schule kennen. Der Rotstift streicht nen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie jeden einzelnen Fehler an, vielleicht gibt es einen Smiley-Stem- in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie pel am Ende einer Arbeit für das Gesamtprodukt. Im Beruf, in nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen las- Coachings oder Trainings zeigt sich immer wieder, wie schwer es sen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis vielen Menschen auch im Erwachsenenalter noch fällt, klar und sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. selbstbewusst ihre Stärken zu benennen. Leicht gelingt es den Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum meisten jedoch, auf Anhieb ihre Schwächen aufzuzählen und all machte sich niemand Gedanken darum, außer: die Ente. die Bereiche, in denen sie unbedingt noch besser werden müssen. Ein stärkenorientierter, wertschätzender Ansatz, differenzier- QUELLE: Wörtlich entnommen aus > Soremba, E.-M. tes Feedback zur Leistung und ein Dialog zur eigenen Entwick- (1995). Legasthenie muss kein Schicksal sein. Herder. lung können mehr Menschen dahin begleiten, ihre Stärken zu leben und positiv – als Leistung und Motivation – ihrem Un- ternehmen zurückzugeben. iga.Fakten 11 | 13
Das PERMA-Modell wenn wir zu diesen Menschen ein Gefühl der Verbundenheit spüren, weil sie uns z. B. nahestehen oder wir deren Situatio- nen selbst einmal erlebt haben (Fredrickson, 2011). PERMA: Beziehungen herstellen Alle sind hierbei gefragt, Fürsorge, Anteilnahme, Nachsicht, Seligman nennt als dritte Säule des PERMA-Modells Relation- Respekt und Dankbarkeit zu zeigen (Rose, 2019). Neben einer ships, also positive Beziehungen. Das sind Kontakte, die uns angenehmen Arbeitsatmosphäre wächst auch das gegenseitige guttun, mit denen Erlebnisse, aber auch Probleme geteilt wer- Vertrauen zueinander. Die Möglichkeit, dadurch Arbeitsprozesse den können, die Halt geben, in schwierigen Phasen unterstüt- und das Commitment zu verbessern, macht die Unterstützung zen oder inspirieren. Positive Beziehungen beruhen auf wech- eines positiven Miteinanders auch für Arbeitgeber attraktiv. selseitigem Interesse und Wertschätzung des Gegenübers und geben Kraft. Einseitige und fordernde Beziehungen können Positiv interagieren – und das möglichst oft! hingegen wahre Energieräuber sein. So ist es wertvoll, die ei- Der Umgang miteinander wird durch unsere Kommunikation genen Beziehungen dahingehend zu prüfen und zu gewichten. geprägt und liegt somit in unserer Hand. Dabei sind sowohl die Qualität als auch die Quantität unserer positiven Interak- Im Arbeitsalltag verbringen wir viel Zeit mit Kolleginnen und tionen entscheidend. In alltäglichen Gesprächen kann jeder Kollegen. Diese Beziehungen sind so unterschiedlich wie die und jede Einzelne entscheiden, wie konstruktiv er oder sie in Menschen selbst. Unter anderem Zeitdruck, Arbeitsmenge und einer Situation antwortet. Verkündet eine Kollegin beispiels- Personalsituation beeinflussen täglich unser Miteinander und weise begeistert, dass sie befördert wurde und zudem eine verstetigen sich in der Unternehmenskultur. Gehaltserhöhung bekommen habe, kann auf unterschiedli- che Art und Weise darauf reagiert werden (=Qualität). Wir Die Herausforderung ist es, auch im alltäglichen Stress einen entscheiden mit unserer Antwort darüber, wie die Beziehung positiven, rücksichtsvollen und wertschätzenden Umgang mit- in dem Moment gestaltet wird. Abbildung 6 zeigt verschiede- einander zu pflegen. Jede positive Begegnung leistet einen ne Antwortmöglichkeiten in diesem Zusammenhang auf. Die Beitrag zu einer wertschätzenden Unternehmenskultur. Kol- grün hervorgehobene Antwortmöglichkeit verdeutlicht dabei leginnen und Kollegen zu unterstützen und ihnen positiv zu einen Antwortstil, der positive menschliche Beziehungen un- begegnen, macht gute Laune. Umgekehrt bewirkt eine gute terstützt. Er ist in der Fachliteratur als ACR (Active Construc- Stimmung auch, dass wir gerne anderen helfen, vor allem, tive Responding) bekannt. AKTIV „Das hört sich nach viel Verantwortung an, „Das ist ja großartig! Ich bin so stolz die du dir da aufbürdest. Das bedeutet auf dich. Ich weiß, wie wichtig die wahrscheinlich komplexere Arbeit und mit Beförderung für dich war. Erzähl mir Sicherheit längere Arbeitszeiten.“ genau, was passiert ist!“ KONSTRUKTIV ZERSTÖREND „Was machen wir morgen Abend?“ „Das sind ja gute Neuigkeiten.“ PASSIV Abbildung 6: Die Spannweite möglicher Antworten auf die Information, dass das Gegenüber befördert wurde (vgl. Tomoff, 2015, S. 28) 14 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Sprache entlarvt, ob der Fokus in der Arbeitswelt auf Stärken Neben der Art und Weise, wie miteinander gesprochen wird, und Gelingendem oder auf Schwächen und Defiziten liegt. Fol- entscheidet auch die Häufigkeit der positiven und negativen gende zwei Beispiele zeigen, wie die Ausrichtung auf Stärken sprachlichen Interaktionen darüber, wie pfleglich Beziehun- und Erfolgsorientierung auch sprachlich vermittelt werden gen gestaltet werden (=Quantität). Tomoff (2015) verweist kann: auf Forschungsarbeiten von Fredrickson und Losada um zu Beschäftigtengespräche können zu Stärkengesprächen illustrieren, wie sich ein bestimmtes Verhältnis von posi- gemacht werden, vorausgesetzt sie werden nicht nur tiven zu negativen (sprachlichen) Interaktionen auswirkt. umbenannt, sondern orientieren sich tatsächlich an Deutlich wird, dass je nach Art der Beziehung zueinander den Stärken; mehrere positive Interaktionen benötigt werden, um eine To-do-Listen mit dem Fokus auf unerledigten Aufgaben negative Erfahrung auszugleichen. Dieses Verhältnis wird können sich zu „Tadaaa“-Listen wandeln, die als Positivity Ratio bezeichnet. In arbeitsbezogenen Bezie- aufzeigen, was geschafft wurde, sowie den Erfolg und hungen führt eine Positivity Ratio von 3:1 zu hoher Quali- die dafür identifizierten Faktoren in den Blick nehmen tät in persönlichen Beziehungen und besseren Leistungen. (siehe WWW-Übung). In Teams wurde beobachtet, dass eine Positivity Ratio von 6:1 außergewöhnliche Leistungen unterstützt. Diese Er- kenntnis sollte auch für Feedback-Gespräche in Unterneh- men genutzt werden. Es reicht nicht, Kritik als konstruktiv zu bezeichnen, sondern sie bleibt trotz aller vorsichtigen Formulierungen gefühlt Kritik. Feedback-Gespräche sollten sich neben der deutlichen und akzentuieren Formulierung der Erfolge („erst das Positive“) der Förderung der Stärken der oder des Beschäftigten widmen – und das am besten gemeinsam („Und in welchen Aufgaben setzen wir Ihre Stärken noch besser ein?“). Gespräche mit der Positivity Ratio als Leitregel Es braucht also deutlich mehr positive Botschaften, um eine WWW-Übung: What went well? einzelne negative Interaktion auszugleichen. Daher sollte man Feedback-Gespräche deutlicher am Erfolg ausrichten t verschaffen > ZIEL: Dem Team einen positiven Star und nur sehr sparsam mit der (vermeintlich) „konstruktiven nfte werden Kritik“ umgehen. > DURCHFÜHRUNG: Zusammenkü ten gest artet und nicht mit den üblichen To-do-Lis Tada aa-Listen , also dem, was noch fehlt, sondern mit In Meetings, Teambesprechungen oder Führungskräftege- dem Gelungenen: sprächen mit Beschäftigten kann die Positivity Ratio als Leit- ähnenswerte „Berichten Sie drei besonders erw regel eingeführt werden: Kritik und negative Äußerungen n: Was hat Sie ge- Dinge aus den letzten 14 Tage benötigen mindestens drei positive Äußerungen, damit nicht lief gut? Und was freut, was war wertvoll, was nen wir auch zukünf- nur die negative Aussage im Gedächtnis haften bleibt. Ge- lehrt uns das? Was davon kön tig nutzen?“ rade nach Gesprächen mit der Führungskraft wird die oder der Beschäftigte die Arbeit mit deutlich höherer Produktivität und Motivation fortsetzen, wenn das Gespräch positiv und ommen aus QUELLE: Die Übung wurde wörtlich entn stärkenorientiert verlief. en mit Sinn. Wie Sie die Füh- > Rose, N. (2020). Führ Sie sich imm er gew ünscht rungskraft werden, die haben. Haufe. iga.Fakten 11 | 15
Das PERMA-Modell Als einer der Werte, die vor allem auch im Kontext von New Work relevant sind, wird der Sinn der Arbeit in den iga.Werte- blättern betrachtet. Nach Hardering (2015) gibt es demnach drei PERMA: Sinn von Arbeit Dimensionen, über die Sinn in der Arbeit gestiftet werden kann: 3. Die Gestaltung von Rahmenbedingungen bei der Arbeit Das englische Meaning kann mit Sinn übersetzt werden beeinflusst, wie die Arbeit wahrgenommen wird. Ansatz- und beschäftigt sich mit der Frage nach dem Sinn unseres punkte sind beispielsweise die Arbeitsorganisation sowie Tuns. Nach Johann und Möller (2013) ist es das Gefühl, zu die Komplexität oder die Bedeutsamkeit der Aufgabe. etwas zugehörig zu sein oder zu etwas beizutragen, was > Dimension der Arbeitsgestaltung größer ist als wir selbst. Und wer das Gefühl hat, dass „al- 4. Sinnvolle Arbeit kann über den Nutzen des Geleisteten les keinen Sinn ergibt“, wird sich mit mehr Motivationspro- definiert werden. Dabei sind gesellschaftlich geteilte blemen und geringerem Engagement konfrontiert sehen als Werte wie Gesundheit, Sicherheit oder Ordnung und Personen, die in ihrer Arbeit einen Sinn sehen. Das Men- Sauberkeit von Bedeutung. Ist der Nutzen für die Gesell- schenbild der Positiven Psychologie geht davon aus, dass schaft offenkundig, werden Tätigkeiten grundsätzlich als Menschen ein erfülltes Leben führen und ihrem Leben Sinn sinnvoll empfunden. geben möchten. > Dimension der Nützlichkeit bzw. des Gebrauchswerts 5. Die subjektiv wahrgenommene Passung zwischen Dies zeigt sich auch darin, dass Arbeit für viele Menschen mehr Arbeitsansprüchen und Arbeitsrealität beeinflusst nicht ist als nur die Sicherung des Lebensunterhaltes. Eine Untersu- nur das Flow-Erleben, sondern auch die Wahrnehmung chung der Bertelsmann Stiftung und des GfK-Vereins aus dem der Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit. Strategien wie das Job Jahr 2015 zeigt, dass Arbeit den zweiten Platz der wichtigsten Crafting, bei dem Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen Lebensbereiche nach Familie und Partnerschaft einnimmt. Frei- selbstständig umgestalten und verbessern können, helfen zeit belegt demnach den dritten Platz. u. a., eine höhere Passung zwischen der Arbeit und den Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen zu erreichen, In einer repräsentativen Befragung zum Thema Sinn stimmten wodurch ein stärkerer Sinnbezug hergestellt werden kann. fast 90 Prozent der Befragten zu, dass Arbeit einen wichtigen > Dimension der subjektiven Bewertung Stellenwert im Leben einnimmt (Wellmann et al., 2020). Zu- Die iga.Werteblätter sind abrufbar unter www.iga-info.de/ gleich wünschten sich die Befragten ein höheres Maß an Sinn- veroeffentlichungen/igawegweiser-co/werteblaetter-new- stiftung in ihrer Tätigkeit (siehe Abbildung 7). work-werte/. Quellen und Prozesse sinnvoller Arbeit – Wunsch und Realität Soll 1 = Trifft nicht zu Ist 6 = Trifft zu 6 5 4,6 4,2 4,2 4,2 4,2 4,4 4,2 4,0 4,1 3,9 4 3,8 3,8 3,8 3,6 3 2 1 lbs ch ei n a n i n- n n zw. n se . n r n Wü n c h e om n en u n m a a ls en Ha k tiv u ch ha n n A r da ir a n n kö i e te um z w re l fe t ze hk he be eln Tu sp tio b e üb tio se er, w nn se w. i zu en n k m e ts de de e b n lb a s he ac sc m s t a u c h it ua m m n d en de ch ün e i te i a bz f t Ge Ze k t i e c h d a n d er an s au e W in ke enz S re ei n s c I n ch it ha . r e f le Na n sc bzw a ls ell n ra t is h i g P ot r n ig e it u n tig k tu Re m h en au fü it e ll e s re u ig e l e d he th i ce a u n ei t z it al ed oh Au l en e i n vo wi oh e rv Fä fri w Z Au nd Se w ei n d be So hl ch So bu d wo M r Ve m So Abbildung 7: Quellen und Prozesse sinnvoller Arbeit – Wunsch und Realität (Quelle: Wellmann et al., 2020, S. 61) 16 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell Rehwaldt (2019) stellt fest, dass vor allem junge Men- Arbeit für Beschäftigte sinnvoll gestalten schen im Unternehmen Wert auf Sinnstiftung und Chan- Sobald wir verstehen, warum wir etwas tun (sollen), wird cen zur Selbstverwirklichung legen: 50 Prozent würden der Arbeitsprozess erfüllender und leichter (Wesely, 2019; weniger Gehalt oder eine schlechtere Stellung akzeptieren, Tomoff, 2015). Wo Arbeit noch nicht „sinnvoll“ erlebt wenn ihre Arbeit zu einem größeren gesellschaftlichen Ziel wird, kann im Dialog mit dem Team oder der Führungs- beitragen würde. Gelingt es Unternehmen, Sinnhaftigkeit kraft eine Lösung gefunden werden. Führungskräfte kön- bei der Arbeit darzustellen, befördert das Blickhan (2018) nen Beschäftigte mit Fragen und Beobachtungen dabei zufolge Leistungsbereitschaft und Wohlbefinden bei den unterstützen, den Sinn bei der Arbeit zu erkennen und Beschäftigten. Der Website der International Positive Psy- eine größere Bedeutung für Abteilung, Unternehmen und chological Association (https://www.ippanetwork.org/) ist Gesellschaft zu identifizieren. Das erfordert Transparenz zu entnehmen, dass die Verdeutlichung der Werte und der hinsichtlich Produkt und Aufgabe, aber auch hinsichtlich Bedeutsamkeit der täglichen Arbeit den gleichen Effekt hat. der eigenen Werte: Eine solche Verdeutlichung zeigt sich beispielsweise im Was bedeutet meine Arbeit für andere? Leitbild. Haas (2015) betont, dass sich besonders erfolgrei- Was treibt mich an? che Unternehmen durch ein Leitbild auszeichnen, das aktiv Wo habe ich eine Aufgabe einmal voller Elan und mit gelebt wird. Flow-Erleben durchgeführt? Wo gehe ich (auch im Alltag) etwas nach, was sich als Auf Basis verschiedener Studien hat Becker (2019) Vorteile bedeutend, sinnhaft und erfüllend anfühlt? einer als sinnvoll empfundenen Arbeit zusammengestellt. Warum ist das so? Demnach gilt: Erleben Beschäftigte ihre Arbeit als sinnvoll, … zeigen sich positive Zusammenhänge mit ihrem Wohl- befinden, sind sie zufriedener, leisten sie freiwillig (mehr) Arbeit und haben sie Vertrauen ins Management, identifizieren sie sich stärker mit der Organisation und berichten sie vermehrt positive Emotionen, zeigen sie Verhalten, welches die Implementierung von Veränderungen fördert, und sie passen sich leichter an Veränderungen an, weisen sie eine niedrigere Mortalität, ein besseres Immunsystem und weniger Stresshormone auf, nutzen sie häufiger Vorsorgeuntersuchungen und sind sie seltener im Krankenhaus und zeigt sich ein positiver Effekt auf die Vitalität bei gleichzeitig geringerer emotionaler Erschöpfung. Hofert und Thonet gingen 2019 ebenfalls auf die Verände- rungsbereitschaft ein: Sie stellten fest, dass Beschäftigte nicht nur mehr zu Veränderungen bereit sind, sondern sich auch stärker an Veränderungsprozessen beteiligen, je deut- licher der Sinn und Nutzen von Veränderungen empfunden werden. iga.Fakten 11 | 17
Das PERMA-Modell Job Crafting hilft, Arbeit so zu gestalten, dass sie für die Be- Auswirkungen auf Gesundheit beleuchtet und Möglichkei- schäftigten gewinnbringender und sinnvoller wird. Einfach ten aufgezeigt, wie Job Crafting im Betrieb in verschiede- ausgedrückt: Mittels Job Crafting gestalte ich mir meine Ar- nen Handlungsfeldern aktiv gefördert werden kann. Darüber beit so, dass sie besser zu mir und meinen Stärken passt. Das hinaus kommen verschiedene Personen mit ihrer Expertise beginnt mit der Einrichtung des Arbeitsplatzes und geht bis und ihrem Praxiswissen zu Wort und berichten aus verschie- zur Priorisierung von Aufgaben, für die man brennt und die denen Rollen heraus von ihren Erfahrungen. Auch auf die man gut kann. Jede und jeder übernimmt damit die Gestal- Ursprünge des Konzeptes wird eingegangen, indem auf den tung der eigenen Arbeit und des Arbeitsplatzes in gewissem Artikel zweier Organisationspsychologinnen hingewiesen Umfang selbst. Das ist natürlich von vielfältigen Rahmenbe- wird, die den Begriff prägten: Die Forscherinnen stellten in dingungen wie Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, einer Untersuchung fest, dass Reinigungskräfte in einem Führungskultur und Teamzusammenhalt sowie kommunika- Krankenhaus sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage tiven Fähigkeiten abhängig. nach ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Arbeitszufrieden- heit gaben – obwohl die Stellenbeschreibungen aller Befrag- Ein iga.Wegweiser zum Thema „Job Crafting“ befindet sich ten identisch waren. Es zeigte sich, dass die Antworten mit in Vorbereitung (Schachler, in Druck). Darin werden für einen der individuellen Gestaltung und Interpretation der eigenen kompakten Überblick Forschungsergebnisse zusammenfasst, Tätigkeit zusammenhingen (Wrzesniewski & Dutton, 2001). Begriffsklärung: Job Crafting Folgende Definition findet sich im iga.Wegweiser zum Job Crafting (Schachler, in Druck): „Beim Job Crafting handelt es sich um ein selbstinitiiertes Verhalten von Beschäftigten: Sie verändern aus eigener Motivation he- raus ihre Arbeitssituation, um den eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht(er) zu werden. Wrzesniewski und Dutton (2001) unterscheiden drei Formen von Job Crafting: 1. Crafting der Arbeitsaufgaben = Veränderung der Art und Anzahl von Arbeits- aufgaben (z. B. Übernahme von Aufgaben, die zu den eigenen Fähigkeiten passen), 2. Crafting der Arbeitsbeziehungen = Veränderung der arbeitsbezogenen Interaktionen (z. B. Intensivierung des Austauschs mit beliebten Kollegen und Kolleginnen), 3. Crafting der arbeitsbezogenen Gedanken = Veränderung der Sicht auf die eigene Arbeit (z. B. Bewusstmachen der Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit).“ 18 | iga.Fakten 11
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