Iga.Fakten 11 - Initiative Gesundheit und Arbeit

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Iga.Fakten 11 - Initiative Gesundheit und Arbeit
iga.Fakten                                          11

                                                               Themenschwerpunkt
                                                                  Positive
                                                                Psychologie

Stärken stärken
                                                         Die Initiative
                                                         Gesundheit und Arbeit

Positive Psychologie in
                                                         In der Initiative Gesundheit und
                                                         Arbeit (iga) arbeiten gesetzliche
                                                         Kranken- und Unfallversicherung

Prävention und Betrieblicher
                                                         zusammen, um arbeitsbedingten
                                                         Gesundheitsgefahren vorzubeugen.
                                                         Gemeinsam werden Präventions-

Gesundheitsförderung
                                                         ansätze für die Arbeitswelt weiter-
                                                         entwickelt und vorhandene Methoden
                                                         oder Erkenntnisse für die Praxis
                                                         nutzbar gemacht.

                                                         iga ist eine Kooperation von
                                                         BKK Dachverband, der Deutschen
Patricia Lück, Hannah Bleier und Birgit Schauerte
                                                         Gesetzlichen Unfallversicherung
                                                         (DGUV), dem AOK-Bundesverband
                                                         und dem Verband der
                                                         Ersatzkassen e. V. (vdek).

                                                         www.iga-info.de

                                                                       iga.Fakten 11 | 1
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Was ist Positive Psychologie?

Was ist Positive Psychologie?

Die klinische Psychologie hat sich in der Vergangenheit im       stellte sich die Frage, was Überlebende von Konzentrationsla-
Wesentlichen mit psychischen Erkrankungen und negativen          gern geholfen hat, zu überleben und in den folgenden Jahren
Emotionen wie Angst, Wut oder Verzweiflung beschäftigt.          gesund zu bleiben. Mit seinem Modell der Salutogenese hat
Geforscht wurde hauptsächlich zu den Ursachen und Thera-         er ein Konzept entwickelt, das die Entstehung von Gesund-
piemöglichkeiten psychischer Störungen wie Depressionen,         heit anhand der Dimensionen Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit
Phobien oder Sucht. Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich      und Handhabbarkeit erklärt (Antonovsky & Franke, 1997). Das
die Positive Psychologie verstärkt auch mit der Frage, was das   Ausmaß dieser miteinander verbundenen Dimensionen drückt
Leben lebenswert macht, was uns gesund hält, Beziehungen         sich im Kohärenzsinn aus.
glücklich macht und zum Wohlbefinden beiträgt.
                                                                       Martin Seligman führte die Beschäftigung mit diesen
Den Anstoß dazu gab die Tatsache, dass es                                  Fragen fort und fragte darüber hinaus, was genau
Menschen möglich war, trotz der traumati-                                    Menschen glücklich macht (Seligman, 2009). So
schen Erfahrung des Überlebens von Kon-                                       prägte er in den 1990er Jahren den Begriff der
zentrationslagern ein weitgehend gesun-          Stärken im Fokus             Positiven Psychologie. Seligman war es ein An-
des und glückliches Leben zu führen. Mit                                      liegen, den Fokus der Psychologie mehr auf die
der Frage, wie dies gelang, setzten sich                                      positiven Aspekte der menschlichen Existenz
verschiedene Forscher auseinander. Viktor                                    zu richten, diese wissenschaftlich zu erforschen
Frankl hat seine eigenen Erfahrungen reflek-                                und Faktoren für Glück und Wachstum zu identifi-
tiert und in sein Modell der Logotherapie über-                          zieren. Über seinen Forschungsansatz der erlernten
führt (Frankl, 2012). Die Logotherapie geht der Frage nach           Hilflosigkeit hinaus, der zur Erklärung der Ursachen
dem Sinn des Lebens und Faktoren der Resilienz nach. Frankl     von Depression diente, nahm er die Fragen in den Blick: Was
forderte eine „Höhenpsychologie“ im Gegensatz zur damals     macht Menschen eigentlich zufrieden und glücklich? Und wie
dominierenden Tiefenpsychologie (Psychoanalyse). Auch der    kann dieses Wohlbefinden erhalten oder gar gesteigert wer-
israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky   den? Diese Fragen beziehen sich nicht nur auf einzelne Perso-
                                                             nen, sondern auch auf Organisationen. Mit ihrer Hilfe werden
                                                             Faktoren für leistungsfähige Unternehmen und motivierte
   Positive Psychologie –                                    Beschäftigte erforscht. Welche Bedingungen müssen geschaf-
   Themenschwerpunkt in iga                                  fen werden, um eine optimale Entwicklung von Personen und
                                                             Organisationen zu ermöglichen? Wie können Stärken der Ein-
   Mit der Positiven Psychologie setzt iga einen Themen-     zelnen besser im Job eingesetzt werden und welche Wirkung
   schwerpunkt, der ressourcenorientierte Ansätze in der     hat das auf das Ergebnis der Arbeit und das eigene Erleben?
   BGF in den Blick nimmt. Im Mittelpunkt stehen das
   Gelingende, die Stärken von Beschäftigten sowie Wege      Jeder Mensch trägt einzigartige Stärken in sich. Diese per-
   zu positiven Emotionen, mehr Sinn und Erfolgsorientie-    sönlichen Stärken, die zu einem zufriedenen, glücklichen und
   rung. Neben den Grundlagen der Positiven Psychologie      gesunden Leben beitragen, stehen im Zentrum der Positiven
   werden u. a. Ansätze wie Achtsamkeit und Meditation       Psychologie. Sie ist also ein insbesondere ressourcen- und stär-
   sowie Job Crafting im Detail betrachtet.                  kenorientierter Ansatz. Das dahinterliegende Menschenbild hat
                                                             seine Wurzeln im Humanismus. Jeder Mensch strebt nach einem
                                                             sinnerfüllten, selbstbestimmten Leben mit positiven Beziehun-
   WEITERE INFORMATIONEN zum Themenschwerpunkt               gen zu anderen Menschen und nach Möglichkeiten zu wachsen
   finden Sie unter                                          und sich weiterzuentwickeln. Um dies zu belegen, sucht die Posi-
   > www.iga-info.de > Themen > Positive Psychologie
                                                             tive Psychologie Antworten in zahlreichen Studien und Untersu-
                                                             chungen. Auf Basis fundierter Erkenntnisse werden ressourcen-
                                                             orientierte Ansätze für Interventionsmöglichkeiten angeboten.

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Was ist Positive Psychologie?

     Depressionen           Angst                                                                      Aufblühen
                                                                                      Wohlbefinden                       Glück
             Krankheit

   -10 -9        -8    -7    -6     -5    -4     -3    -2   -1   0      1     2      3     4     5     6       7     8      9     10
     REPARIERE, WAS FALSCH IST.                                                   BAUE AUS, WAS STARK IST.

Abbildung 1: Die Grundidee der Positiven Psychologie

Abbildung 1 veranschaulicht das Konzept der Positiven Psy-           Dieses Ziel ist keine einmalige Intervention, sondern eine Aus-
chologie: Die Beschäftigung der Psychologie mit Krankheiten          richtung des eigenen Lebens, der Arbeit und der Beziehungen
und Befindlichkeitsstörungen (Skala von -10 bis -1) bis hin          in Richtung größerer Achtsamkeit, des Ausbaus der eigenen
zum Spektrum der Positiven Psychologie – dem gesunden                Stärken. Krankheitsbewältigung, Trauer und negative Gefühle
Menschen in seinen verschiedenen Zuständen des Wohlbefin-            werden dabei nicht ausgeschlossen, sondern im akuten Fall
dens, der Zufriedenheit und des Glücks (von 0 bis +10).              berücksichtigt und bearbeitet. Es soll aber die vorherrschen-
                                                                     de Ausrichtung von Menschen auf Belastungen und Probleme
Ziel der Positiven Psychologie ist eine Steigerung der Lebens-       aufgegeben werden zugunsten einer verstärkten Orientierung
zufriedenheit auf dieser Skala, z. B. von +2 auf +5 (oder auch       auf Stärken, Ressourcen und Potenziale.
von -2 auf +1), also eine positive Entwicklung und Wachstum.

                                                                                                                      iga.Fakten 11 | 3
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Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen?

Was ist Positive Psychologie NICHT?
Auch wenn der Fokus auf das Gelingende, das Aufblühen und            Begriffsbestimmung:
das Wachstum von Menschen gelegt wird, ist Positive Psy-             Positive Psychologie
chologie nicht gleichzusetzen mit Positivem Denken. Es geht
nicht um ein Wegdrücken negativer Emotionen oder ein Ig-             „Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom ge-
norieren von Belastungen oder Problemen. Es gibt kein Muss           lingenden und erfüllten Leben und damit die erste Diszi-
zum „Smiling Face“ und zu beständigem positivem Denken.              plin, die sich wissenschaftlich mit der Frage beschäftigt,
Ärger, Wut, Sorge und Angst finden Raum, sollen jedoch               wie psychisches Wohlbefinden und persönliche Entwick-
durch eine Vielzahl positiver Erfahrungen und Emotionen              lung für alle Menschen unterstützt und aufrechterhalten
ausgeglichen werden.                                                 werden können. Sie ist eines der jüngsten und neues-
                                                                     ten Forschungsgebiete der akademischen Psychologie.“
Diejenigen, die das Positive Denken vertreten, fordern dazu auf,     (Blickhan, 2018, S. 15)
möglichst viele aufmunternde und motivierende positive Sätze
zu sagen, um Probleme von sich fernzuhalten. In der Positiven
Psychologie geht es hingegen darum, eigene Stärken und gute        werden und sie absichtsvoll und so häufig wie möglich gezielt
Gefühle immer besser kennenzulernen, sich ihrer bewusst zu         einzusetzen, um Probleme kreativ zu lösen (Blickhan, 2018).

Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen?

                                                                   Mit dem Ziel, eine menschengerechtere Arbeitswelt zu
                                                                   schaffen, hat sich bereits in den 1970er Jahren die Arbeits-
                                                                   psychologie im Programm „Humanisierung der Arbeitswelt“
                                                                   beschäftigt. Dabei wurde auf Basis der Gestaltung von Ar-
                                                                   beitsbedingungen die Frage diskutiert, wie Menschen selbst-
                                                                   bestimmt und belastungsfrei produktiv zusammenarbeiten
                                                                   können. Vor allem wurde angestrebt, Beschäftigten größere
                                                                   Handlungsspielräume und Entwicklungschancen einzuräu-
                                                                   men, um Arbeitszufriedenheit und Motivation zu steigern. Die
                                                                   Belegschaft gewann als wichtiges Kapital des Unternehmens
                                                                   zunehmend an Bedeutung.

                                                                   Die Arbeitswelt für Menschen positiv zu gestalten, ist eine
                                                                   organisationale Gestaltungsaufgabe für Unternehmen. Die
                                                                   Blickrichtung der Positiven Psychologie gibt Unternehmen nun
                                                                   einen erweiterten Ansatz an die Hand, um das Wohlbefinden
                                                                   von Beschäftigten zu verbessern. Dabei wird nach Wesely
                                                                   (2019) Folgendes berücksichtigt:
                                                                   1. die Auseinandersetzung mit den Faktoren, die dazu
                                                                        beitragen, dass Beschäftigte denk-, handlungs- und leis-
                                                                        tungsfähig sind und konstruktiv arbeiten können, und
                                                                   2. die Umsetzung positiver Maßnahmen, die auf Stärken
                                                                        und das Funktionierende in Organisationen abzielen.
                                                                        Wo Momente des Gelingens betont und verstärkt wer-
                                                                        den, „blühen“ Beschäftigte „auf“ (vgl. Infokasten zum
                                                                        Flourishing auf S. 5).

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Warum lohnt sich Positive Psychologie für Unternehmen?

Werden Rahmenbedingungen, das Miteinander, die Führung
und die Arbeitsgestaltung unter dem Aspekt der Positiven Psy-       Flourishing = Aufblühen
chologie gedacht und entsprechend (um-)gestaltet, lohnt sich
dies für die Unternehmen, wie zahlreiche Studien belegen:           Flourishing wird als ein Zustand definiert, in dem eine
      Sie profitieren von einer gesteigerten Beschäftigten-         Person Glück bzw. Wohlbefinden erfährt, sich öffnet,
      zufriedenheit, einer positiveren Arbeitskultur und            aufnahme- und lernbereit ist und Zugang zu all ihren
      weniger Fehltagen (Rolfe, 2019).                              Ressourcen hat. Es ist das Gegenteil von Verkümmern
      Sie schaffen damit Rahmenbedingungen, die Beschäftigte        und zeichnet sich durch Verbesserungen im subjektiven
      im Arbeitsleben glücklich und zufrieden machen, und           Wohlbefinden, der psychischen Leistungsfähigkeit und
      steigern dadurch die Erfolgsaussichten der Unternehmen.       dem persönlichen Wachstum aus. Der Umgang mit be-
      Die Harvard University betrachtete 2005 in einer              lastenden Lebenssituationen wird einfacher. Zudem stei-
      Metastudie über 225 Studien den Zusammenhang                  gert es die Produktivität (Blickhan, 2018). Flourishing,
      von Glück und Erfolg. Sie zeigt, dass zufriedenere            im Sinne von Wachstum, ist ein Ergebnis der Arbeit an
      Beschäftigte im Vergleich zu unzufriedenen Beschäftigten      den Aspekten, die im PERMA-Modell Beachtung finden.
      durchschnittlich                                              Es ist ein zentrales Konzept der Positiven Psychologie.
      - 31 % produktiver sind,
      - 37 % höhere Verkaufsraten erreichen und
      - dreimal so kreativ sind (Lyubomirsky et al., 2005).
      Eine Erweiterung der Gestaltungs- und Entfaltungsmög-
      lichkeiten führt bei den Beschäftigten zu mehr Arbeits-
      zufriedenheit und ist eng mit dem wirtschaftlichen
      Erfolg des Unternehmens verknüpft.
      Beschäftigte, die ihre Stärken kennen und einsetzen,
      entwickeln Einsatzfreude und Einsatzwillen. Es zeigen
      sich positive Zusammenhänge zu verbessertem Wohlbe-
      finden, Flow-Erleben (siehe Infokasten, S. 11), positiven
      Emotionen und geringerer Depression.
                                                                       Einfluss auf das Glücksempfinden
Kann man Glück lernen oder ist einem das Gefühl für Glück in
die Wiege gelegt? Nach Lyubomirsky (2008) ist die Fähigkeit,
Glück zu empfinden, beeinflussbar. Aufbauend auf Studien mit                            10 %
Zwillingen geht die Autorin davon aus, dass 50 Prozent der
menschlichen Fähigkeit, glücklich zu sein, genetisch bedingt,
also angeboren sind. Lediglich 10 Prozent des Potenzials,
Glück zu empfinden, ist nach Lyubomirsky von der konkre-
ten Lebenssituation wie beispielsweise einem Lottogewinn
abhängig. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass die restli-
                                                                                                                 50 %
chen 40 Prozent von jedem Menschen selbst kontrolliert und
                                                                         40 %
beeinflusst werden können. Die eigene Haltung, das Denken
und Verhalten haben demnach einen verhältnismäßig großen
Einfluss auf das Glücksempfinden (siehe Abbildung 2).

Martin Seligman fasste im Jahr 2012 die für ihn wesentlichen              Genetische Ausstattung
Forschungsrichtungen und empirischen Ergebnisse im PERMA-                 Bewusstes Denken und Verhalten
Modell zusammen, das im nachfolgenden Kapitel ausführlich                 Äußere Umstände
vorgestellt wird. Es liefert Erkenntnisse und Maßnahmen, wie
Bedingungen gestaltet werden können, damit Menschen und           Abbildung 2: Unterschiedliche Einflussfaktoren auf das Glücksemp-
ganze Organisationen aufblühen.                                   finden (vgl. Lyubomirsky, 2008)

                                                                                                                   iga.Fakten 11 | 5
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Das PERMA-Modell

Die fünf Säulen des Wohlbefindens – das PERMA-Modell

Ausgehend von der Fragestellung „Was macht ein gutes Le-                                Gleichwohl ist diese Aufzählung Seligmans nicht allumfas-
ben aus und was können wir tun, um es erfüllter zu gestal-                              send. Im Gegenteil: Es ist durchaus denkbar, dass aktuelle
ten?“ entwickelte Martin Seligman das PERMA-Modell. Auf                                 Forschungserkenntnisse zu einer Erweiterung des Modells
Basis seiner Erkenntnisse definiert das Modell fünf Bereiche,                           führen – es kann also weitere Säulen geben, auf denen das
die ein positives Leben fördern: Positive Emotionen, Engage-                            persönliche Wohlbefinden aufbaut. Dieser Gedanke wird am
ment, Beziehungen, Sinn und Wirksamkeitserfahrungen (siehe                              Ende dieser Broschüre aufgegriffen, wo eine mögliche Erwei-
Abbildung 3).                                                                           terung vorgestellt wird.

                                                                Auf blühen                        Flourishing

                                                                                                                              Leistung / Wirksamkeit
                                                                                                                                                  Achievement / Accomplishment
              Positive Emotionen

                                                                        Beziehungen
                              Positive emotions

                                                  Engagement

                                                                                  Relationships
                                                           Engagement

                                                                                                                Meaning
                                                                                                           Sinn

Abbildung 3: PERMA – Fünf Bereiche, die das Aufblühen fördern

6 | iga.Fakten 11
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Das PERMA-Modell

Arbeit gestalten mit dem PERMA-Modell                            Inwiefern Beschäftigte, Teams und ganze Unternehmen
Unser Wohlbefinden hängt nicht nur von uns ab, sondern           aufblühen und sich weiterentwickeln können, hängt ins-
steht auch im Zusammenhang mit unserem Umfeld. Einen             gesamt von der Gestaltung der fünf Säulen des PERMA-
großen Teil unserer Lebenszeit verbringen wir am Arbeits-        Modells ab.
platz, widmen uns der Arbeit. Auch unser berufliches Umfeld
trägt damit dazu bei, ob wir mit unserem Leben zufrieden         Wie können positive Interventionen in die betriebliche Praxis
sind und uns wohlfühlen. Entscheidend sind auch hier die         eingebaut werden?
Fragen: Was braucht es, um im Beruf „aufzublühen“, wie           Die Positive Psychologie hat Interventionsmethoden
kann ich meine Stärken am besten einsetzen?                      entwickelt, die Menschen darin unterstützen, ihre Stärken
                                                                 einzusetzen, Ressourcen und Potenziale voll auszuschöpfen
Die Säule „Positive Emotionen“ beschreibt, wie wir ange-         und so – auch in der Auseinandersetzung mit beruflichen
nehme Gefühle wie Freude, Dankbarkeit oder Zufriedenheit im      oder privaten Krisen – ein erfülltes Leben zu führen. In Un-
Arbeitskontext erleben können und was diese Gefühle bewir-       ternehmen können durch die Umsetzung von Interventio-
ken. Die Säule „Engagement“ geht auf die Umstände ein, un-       nen der Positiven Psychologie neue Handlungs- und Ent-
ter denen sich Beschäftigte engagieren, wann sie über extrin-    wicklungsräume eröffnet und Innovation und Kreativität
sische Faktoren hinaus motiviert sind. Gerade die Möglichkeit,   gefördert werden.
persönliche Stärken im Arbeitskontext einzusetzen, entschei-
det über das eigene Engagement. „Beziehungen“ beschreibt         Im Folgenden werden anhand der fünf Säulen oder auch Berei-
die Energie und die Effekte, die soziale Beziehungen auf uns     che des PERMA-Modells Interventionsmethoden vorgestellt,
haben, sowie deren Qualität. „Sinn“ beschreibt die Ausein-       die sowohl auf individueller als auch auf Team- und Führungs-
andersetzung mit einem höheren Ziel in Arbeit und Leben, die     ebene wirken und einfach in den beruflichen Alltag integriert
Säule „Leistung/Wirksamkeit“ schließlich steht dafür, wie        werden können.
Menschen ihr „bestes Selbst“ zur Arbeit bringen können.

                                                                                                              iga.Fakten 11 | 7
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Das PERMA-Modell

                                                                           (Broaden-Effekt) und unterstützen zweitens den langfristigen
                                                                           Ressourcen- bzw. Kompetenzaufbau (Build-Effekt). Dabei gilt,
                                                                           dass die Häufigkeit des Erlebens positiver Gefühle wichtiger
PERMA: Positive Emotionen fördern                                          ist, um positive Effekte zu erzeugen, als die Stärke bzw. Aus-
                                                                           prägung der erlebten Emotionen.
Die Wirkung positiver Emotionen ist ein zentrales Thema der
Positiven Psychologie. Positive Emotionen wie Freude, Neugier,             Durch das Erleben positiver Gefühle „öffnen wir uns“. Diese
Stolz, Liebe und Vergnügen erweitern die Wahrnehmung so-                   Offenheit im Denken wirkt sich positiv auf unser Verhalten
wie die Lern- und Handlungsfähigkeit und fördern damit den                 und Handeln aus. Wir können mehr Informationen aufnehmen
Aufbau von Ressourcen und Potenzialen.                                     bzw. behalten, trauen uns mehr zu, probieren mehr aus, gehen
                                                                           auf andere zu und bleiben über einen längeren Zeitraum
Eine der wichtigsten Theorien der Positiven Psychologie hier-              motiviert. Auf diese Weise werden langfristig persönliche
zu ist die Broaden-and-build-Theorie positiver Emotionen von               Ressourcen aufgebaut und die Leistungsfähigkeit erhöht
Prof. Dr. Barbara Fredrickson, die in Abbildung 4 schematisch              (z. B. mehr Wissen, mehr positive Erfahrungen, mehr Fertig-
dargestellt ist. Die Theorie geht davon aus, dass positive Emo-            keiten, ein größeres Netzwerk).
tionen das Denken, Erleben und Handeln eines Menschen ver-
ändern (Fredrickson, 2011). Dadurch tragen sie zu neuen Ideen              Eine Studie von Avey und anderen konnte 2011 eine signifikante
und Beziehungen bei und erweitern das Wahrnehmungs- und                    Steigerung der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten aufzeigen,
Verhaltensrepertoire (= broaden). Über die Zeit schafft dieses             sobald deren Führungskräfte positiv kommunizierten, wenn sie
erweiterte Verhaltensrepertoire neue Reaktionen, Ideen und                 Arbeitsaufgaben übertrugen. Die positive Kommunikation zeig-
Umstände, die wiederum die persönlichen Ressourcen des                     te sich beispielsweise darin, dass die Führungskräfte bei der Er-
Menschen fördern und aufbauen (= build). Positive Emotio-                  teilung eines Arbeitsauftrags bewusst ihre positive Einstellung
nen bewirken demnach erstens eine offene Bewusstseinslage                  zu den Fähigkeiten der Beschäftigten unterstrichen.

                                          VERBESSERTE GESUNDHEIT
                                          ÜBERLEBENSCHANCE, ERFÜLLUNG

                                                                                          AUFBAU ÜBERDAUERNDER
                                                                                          PERSÖNLICHER RESSOURCEN

                                                                                                            (bspw. soziale Unterstützung,
                                                                                                            Resilienz, Fähigkeiten, Wissen)

                                                               NEUE GEDANKEN,
                                                               AKTIVITÄTEN, BEZIEHUNGEN

                                           Positive
                                          Emotionen

Abbildung 4: Die Wirkung positiver Emotionen: Die Broaden-and-build-Theorie nach Fredrickson (vgl. Fredrickson et al., 2008)

8 | iga.Fakten 11
Iga.Fakten 11 - Initiative Gesundheit und Arbeit
Das PERMA-Modell

           Übung: Der Positive Tagesrückblick
                                                 rnehmen, positiver Tage       sabschluss
           > ZIEL : Positive Gefühle bewusst wah
                                                                                              den (Arbeits-)Tag Revue
                                                     nimmt man sich jeden Abend Zeit, um
            > DURCHFÜHRUNG: Für die Übung                                                                  Tages. Dies können
                      zu lasse n. Der Foku s liegt dabe i auf der Reflexion der positiven Momente des
            passieren                                                                          schriftlich beantwortet:
                                                     Für die Übung werden folgende Fragen
            auch scheinbar kleine Erlebnisse sein.
               1. Was war heute schön?                                                                  t habe?
                                                              dass ich diese Erfahrung als schön erleb
               2. Wie habe ich selbst dazu beigetragen,                                        beigetragen haben.
                                                      eckt, die zu den positiven Erfahrungen
            So werden persönliche Strategien entd
                                                                                                   zu einer
                                                            flichen Kontext kann diese Übung auch
            > ALT ERN ATI VER EIN SAT Z: Im beru                                                 en dann die Fragen gestellt:
                                                         werden. Zu Beginn eines Meetings werd
            Positiven Blitzlichtrunde abgewandelt
                                                             gut?
                1. Was war seit dem letzten Meeting
                                                                 gen?
                2. Was haben wir als Team dazu beigetra                                                   ilten Erfolgen und
                        e Blitz licht rund e bere itet den Bod  en für Problemlösungen auf Basis von gete
            Diese  kurz                                                                           im Austausch mit anderen
                                                           u kommt, dass sich positive Emotionen
            ein positives Miteinander im Team. Hinz
             Personen verstärken.

Mehr positive Emotionen im Alltag                                     (Haas, 2015). Über die Veränderung neuronaler Gehirnaktivi-
Studien der Positiven Psychologie belegen, dass es einfache           täten bewirken Meditationen demnach, dass das verstärkte
Methoden gibt, um das Gehirn zu trainieren, mehr positive             Erleben positiver Momente „erlernt“ wird.
Reize wahrzunehmen und somit positive Emotionen zu erle-
ben. Eine sehr bekannte Übung, die sich auch einfach in den
Berufsalltag übertragen lässt, ist der Positive Tagesrückblick.          Begriffsbestimmung: Was ist Meditation?
Studien belegen, dass beim Positiven Tagesrückblick und dem
Einsetzen eigener Stärken auch sechs Monate nach der Übung               Meditation beschreibt eine trainierbare mentale Tech-
noch langfristige, signifikante und große Unterschiede im                nik, die den kontinuierlichen Gedankenstrom kurz-
Wohlbefinden nachweisbar sind (Blickhan, 2018).                          zeitig unterbrechen soll, um eine gewisse kognitiv-
                                                                         affektive Entspannung herbeizuführen (Esch & Esch,
Verstärkte Wahrnehmung positiver Gefühle lässt sich trainieren           2015). Hierbei spielt die Fokussierung der Aufmerk-
MRT-Untersuchungen des menschlichen Gehirns zeigen, dass                 samkeit eine zentrale Rolle. Je nachdem, auf welche
sich Glücksgefühle vor allem im linken präfrontalen Cortex               Fokuspunkte man sich konzentriert, spricht man von
(Stirnlappen) abbilden, während Depression und Misstrauen                unterschiedlichen Meditationstechniken. Beispiels-
sich im rechten Stirnlappen darstellen. Je größer die Dominanz           weise gibt es die Atemmeditation, bei der man sich
des linken Stirnlappens ist, desto besser ist das Wohlbefinden.          der eigenen Atmung bewusstwerden soll. Weitere
Dass der Teil des Gehirns, der für Wohlbefinden verantwortlich           Meditationsobjekte können Gegenstände, Wörter,
ist, trainiert werden kann, wurde zunächst bei Mönchen nach-             Klänge, Sätze oder Bewegungen sein. Bei dieser Me-
gewiesen. Mithilfe von Meditation und Achtsamkeit fokussier-             thode wird die Konzentration also auf bestimmte
ten sie sich auf das Hier und Jetzt und schenkten schlechten             Vorgänge oder Dinge ausgerichtet. Beim offenen Ge-
Gefühlen kaum Aufmerksamkeit. In Messungen zeigte sich:                  wahrsein handelt es sich um eine Meditationstechnik
Nie zuvor war eine so große Dominanz des linken Stirnlap-                für Fortgeschrittene. Hierbei öffnet man die Sinne für
pens gegenüber dem rechten gemessen worden wie in diesen                 alle Empfindungen und Erfahrungen des gegenwärti-
Fällen. Angenehme Gefühle wurden also verstärkt wahrge-                  gen Moments.
nommen, grausame Momente als weniger tragisch verarbeitet

                                                                                                                       iga.Fakten 11 | 9
Iga.Fakten 11 - Initiative Gesundheit und Arbeit
Das PERMA-Modell

Achtsamkeit wird häufig in einem Atemzug mit Meditation be-        Achtsamkeit ist auch im Arbeitsleben angekommen, und immer
nannt. Richtig ist, dass für Meditation Achtsamkeit erforderlich   mehr Unternehmen bieten sie im Rahmen des Betrieblichen Ge-
ist. Umgekehrt gilt das jedoch nicht: Es gibt zahlreiche Übun-     sundheitsmanagements (BGM) an. Die Universität Witten/Her-
gen zur Achtsamkeit im ganz alltäglichen Rahmen, wie z. B. die     decke hat anhand von über 100 randomisierten kontrollierten
Gehmeditation, die ohne Meditationspraxis auskommen und            Interventionsstudien im Rahmen eines iga.Projektes die Wirk-
eine Aufmerksamkeitslenkung und Konzentration auf einen            samkeit von Achtsamkeit im Arbeitskontext wissenschaftlich
konkreten Vorgang (hier: das Gehen) bedeuten. Meditation           untersucht. Die Auswertung der Studien zeigt, dass Achtsamkeit
jedoch unterstützt die Erfahrung und Vertiefung eines achtsa-      eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat und insbesonde-
men Lebens und Arbeitens.                                          re den Auswirkungen psychischer Belastungen, wie z. B. dem
                                                                   Stresserleben, entgegenwirkt. Achtsamkeit verbessert die kör-
Methode: Achtsamkeit üben                                          perliche Gesundheit, das Wohlbefinden, die Erholungsfähigkeit
Viele Aufgaben gleichzeitig erledigen, beständige Unterbre-        und die Selbstregulation. Aber auch bei Burn-out konnte in eini-
chungen und Termindruck sind häufige psychische Belastun-          gen Fällen eine Wirksamkeit von Achtsamkeitstrainings nachge-
gen in der Arbeitswelt. Ein allzu geschäftiger Alltag kann auf     wiesen werden. Die Ergebnisse des Projektes wurden 2021 von
Dauer zermürben. Umso wichtiger ist es, regelmäßig Pausen          Michaelsen und anderen im iga.Report 45 veröffentlicht.
einzulegen und Ruhe zu finden. Achtsamkeit gilt hier als wich-
tiger Baustein für mehr Wohlbefinden.

Eine achtsame Einstellung verhilft dazu, sich der eigenen Ge-
fühle und Reaktionen bewusst zu werden durch Innehalten,
Atmen und Spüren, was gegenwärtig passiert. Achtsamkeit              Übung zur Achtsamkeit im Beruf:
                                                                                                     tung
beschreibt den wertungsfreien Blick darauf, was im gegen-            Achtsames Sitzen mit Atembeobach
wärtigen Moment passiert. Achtsamkeitsübungen verhelfen                                                           den Geist zur
zu einer Fokussierung auf das Hier und Jetzt und unterstützen        > ZIEL : Durch Fokussierung auf den Atem
                                                                     Ruhe bringen
dabei, neue Kraft und Balance aufzubauen.
                                                                                                                  aufrecht und
                                                                      > DUR CHF ÜHR UNG : Setzen Sie sich
Die positiven Effekte der Achtsamkeit auf das psychische Be-                                                  legen Sie die Hän-
                                                                      ohne sich anzulehnen auf einen Stuhl,
finden sind gut belegt (Michaelsen et al., 2021). Die Technik                                                   n Sie die Augen
                                                                      de auf Ihre Oberschenkel und schließe
kann dabei helfen, sich des Gelingenden und des Positiven im
                                                                      oder fixieren Sie einen Punkt vor sich.
beruflichen und privaten Alltag bewusst zu werden.                                                                wahr, wie sich
                                                                      Atmen Sie ruhig weiter und nehmen Sie
                                                                                                                   hlt. Wenn Sie
                                                                      der Atemstrom im Bereich der Nase anfü
                                                                                                                  en Sie einfach
                                                                       in der Aufmerksamkeit abschweifen, kehr
                                                                                                                auch das Zählen
                                                                       wieder zum Atem zurück. Hilfreich ist
   Begriffsbestimmung: Was ist Achtsamkeit?                                                                         er von 1 be-
                                                                       der Atemzüge (von 1 bis 10, dann wied
                                                                                                                s durch „ein“…
                                                                        ginnen) oder die Begleitung des Atem
   Dem Begriff „Achtsamkeit“ liegt keine einheitliche De-                                                        m kräftigen Ein-
                                                                        „aus“. Beenden Sie die Übung mit eine
   finition zugrunde, die eine einfache beziehungsweise                                                          en.
                                                                        und Ausatmen und dem Öffnen der Aug
   scharfe Abgrenzung unterschiedlicher Konzepte zulässt.
   Achtsamkeit ist ein Element vieler überlieferter Konzep-                                               länger durchge-
                                                                       Die Übung kann 5 Minuten oder auch
   te der traditionellen Heilkunde sowie der verschiedens-
                                                                       führt werden.
   ten Meditations- und Körperpraktiken. Die meistzitierte
   Definition von Achtsamkeit umfasst „die absichtsvolle
   Aufmerksamkeitslenkung auf den gegenwärtigen Mo-                                                            en aus > Weiss, H.,
                                                                        QUELLE: Die Übung wurde entnomm
   ment ohne zu bewerten“ (Kabat-Zinn, 2010).                                                                     samkeitsbuch für
                                                                        Harrer, M. E. & Dietz, T. (2014). Das Acht
                                                                        Beruf und Alltag. Klett-Cotta.

10 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell

                                                                      Kenntnis und die Förderung der eigenen Stärken die Moti-
                                                                      vation und Leistungsbereitschaft. Er nimmt hier Bezug auf
                                                                      den Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi, der mit dem
PERMA: Engagement fördern                                             Begriff Flow einen selbstvergessenen und glücksbringenden
                                                                      Zustand meint, den er zunächst bei Musikern und Musike-
Engagement bedeutet Einsatzfreude und Einsatzwillen. Es               rinnen, Sportlerinnen und Sportlern sowie Fachleuten ver-
entsteht, wenn Menschen ihre eigenen Stärken kennen und               schiedenster Disziplinen beobachtet hat (siehe Infokasten
auch einsetzen können. Nach Seligman (2012) erhöht die                zur Flow-Theorie).

  Die Flow-Theorie

  Es gibt einen Zustand, in dem Menschen voll in ihrer Aufga-         Die Theorie betont dabei die Passung von Mensch und
  be aufgehen, Raum und Zeit vergessen und sich nur noch um           Aufgabe. Es hängt von den einzelnen Beschäftigten und
  die Tätigkeit kümmern – das Flow-Erleben. Die Flow-Theorie          ihren Fähigkeiten ab, ob eine Aufgabe gut gestaltet ist.
  der Motivation beschäftigt sich mit der Frage, wie Beschäf-         Was für den einen gerade richtig ist, kann bei der anderen
  tigte genau zu diesem Erlebniszustand kommen.                       zum Gefühl der Unter- oder Überforderung führen. Csiks-
                                                                      zentmihalyi hat diese Wechselwirkung zwischen Aufgabe
                                                                      und Mensch 1990 beschrieben. Ideal ist nach diesem Mo-
    hoch

                                                                      dell eine Passung zwischen dem Anspruch der Aufgabe
                        Überforderung                                 (= den Anforderungen der Tätigkeit) und dem Fähigkeits-
                        Frustration                                   niveau der Person (siehe Abbildung 5). Nehmen die Per-
                        Angst                                         sonen eine Balance zwischen den Anforderungen aus der
                                                                      Aufgabe und ihren eigenen Fähigkeiten und Stärken wahr,
    ANFORDERUNGEN

                                                                      gehen sie in ihrer Arbeit auf, vergessen teilweise ihre Um-
                                                                      gebung und konzentrieren sich nur auf die Arbeitsaufga-
                                                                      be. Dieser Zustand des Flow-Erlebens geht mit positiven
                                                                      Emotionen einher.

                                              Unterforderung          Sind die Anforderungen einer Tätigkeit dagegen zu hoch,
                                              Routine                 kommt es zu Überforderung und einer sinkenden Moti-
                                              Langeweile              vation. Das Flow-Erleben wird verlassen. Dies gilt ebenso
    niedrig

                                                                      bei zu geringen Anforderungen: Unterforderung und Lan-
                    niedrig             FÄHIGKEITEN            hoch   geweile führen ebenfalls zu einem Motivationsverlust. Die
                                                                      Belastung durch zu geringe oder zu hohe Anforderungen
    Abbildung 5: Flow in Abhängigkeit von Anforderungen
    und Fähigkeiten
                                                                      kann das Stressempfinden am Arbeitsplatz steigern.

  QUELLE: Die Zusammenstellung basiert auf Ausführungen der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft (WGPS), die auf
  ihren Internetseiten die wesentlichen Informationen zur Flow-Theorie gut zusammengefasst hat.
  > https://wpgs.de/fachtexte/motivation/flow-erleben-theorie-csikszentmihalyi/

                                                                                                                    iga.Fakten 11 | 11
Das PERMA-Modell

Werden Mitarbeitende gefordert und können sie ihre Arbeits-             konzentriertes und fokussiertes Arbeiten ermöglichen. Auch
aufgaben mit Hilfe ihrer eigenen Stärken und ihres Könnens              im Kontext von New Work ist Engagement von Bedeutung.
erledigen, entsteht in kurzen und kleinen Momenten ein Mi-              Es ist einer der elf Werte, die in den iga.Werteblättern ver-
cro-Flow, bei großen Aufgaben über längere Zeitabschnitte ein           tiefend betrachtet wurden (siehe www.iga-info.de > The-
Macro-Flow. Der Einsatz von Stärken und das daraus resultie-            men > New Work > New Work & Werte).
rende Flow-Erleben erhöhen die Leistungsfähigkeit.
                                                                        Studien belegen, dass die Leistung der Beschäftigten um
Folgende Bedingungen fördern nach Bakker (2005, 2008) ein               durchschnittlich 36,4 Prozent anstieg, wenn sich Personen im
Flow-Erleben am Arbeitsplatz:                                           Management auf die Stärken ihrer Beschäftigten fokussierten.
   Der oder die Beschäftigte muss sich mit der Aufgabe                  Konzentrierten sich Führungskräfte mehr auf die Schwächen
   identifizieren und ein echtes Interesse an der Erbringung            der Beschäftigten, fiel die Leistung um 26,8 Prozent ab (To-
   der Arbeitsaufgabe haben.                                            moff, 2015). Damit wird deutlich, wie wichtig es ist, die Stär-
   Die Aufgabe muss eine Herausforderung darstellen und                 ken der Beschäftigten zu erkennen und in der Aufgabenbear-
   klar definierte Ziele enthalten.                                     beitung zielgerichtet einzusetzen.
   Der Schwierigkeitsgrad der Herausforderung muss zu den
   Fähigkeiten der oder des Beschäftigten passen.                       Wo liegen Ihre Stärken?
   Die Aufgabe muss mit einem direkten Feedback                         In verschiedenen Gesellschaften stieß man auf die immer
   verknüpft sein.                                                      gleichen Tugenden: Weisheit, Mut, Menschlichkeit, Gerech-
   Zeit und Arbeitsschritte sollten möglichst selbst                    tigkeit, Mäßigung und Transzendenz. Diese können sich in
   gesteuert werden können (Autonomie).                                 unterschiedlichen Charakterstärken zeigen. Seligman ordnet
   Es sollte soziale Unterstützung durch das Team geben.                den sechs Tugenden 24 Charakterstärken zu, wie z. B. Neu-
                                                                        gier, Enthusiasmus, Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen und Füh-
Um Engagement zu fördern, sollten Unternehmen demnach                   rungsqualität. Eine Übersicht über alle Charakterstärken findet
Rahmenbedingungen schaffen, die den Beschäftigten ein                   sich in Tabelle 1.

Tabelle 1: Tugenden und Charakterstärken (vgl. Ebner, 2019a)

    Tugenden                                                    Zugeordnete Charakterstärken

                       Kreativität, Ein-                                Urteilsvermögen,                               Weisheit,
   Weisheit und                                    Neugier
                      fallsreichtum und                              kritisches Denken und     Liebe zum Lernen       Weitsicht bzw.
     Wissen                                      und Interesse
                          Originalität                                Aufgeschlossenheit                                Tiefsinn

                                                 Ausdauer,                Authentizität,       Enthusiasmus, Taten-
        Mut           Tapferkeit und Mut      Beharrlichkeit und      Ehrlichkeit, Aufrichtig- drang und Begeiste-
                                                    Fleiß              keit und Integrität        rungsfähigkeit

    Liebe und         Bindungsfähigkeit         Freundlichkeit,        Soziale Intelligenz
   Humanität/          und Fähigkeit zu       Großzügigkeit, Für-         bzw. soziale
  Menschlichkeit            lieben           sorge und Altruismus         Kompetenz

                         Teamwork,                 Fairness,
  Gerechtigkeit       Zugehörigkeit und         Gleichheit und         Führungsvermögen
                          Loyalität             Gerechtigkeit

                                                                                                Selbstregulation,
                      Vergebungsbereit-      Bescheidenheit und       Vorsicht, Klugheit und
    Mäßigung                                                                                   Selbstkontrolle und
                      schaft und Gnade             Demut                    Diskretion
                                                                                                 Selbstdisziplin

                     Sinn für das Schöne
 Spiritualität und                                                   Hoffnung, Optimismus
                        (Ehrfurcht und            Dankbarkeit                                     Spiritualität          Humor
  Transzendenz                                                           und Zuversicht
                       Verwunderung)

12 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell

Aber noch ein Wort zu den Charakterstärken: Stärken sind         Die eigenen Stärken und Tugenden können z. B. über den
nicht zu verwechseln mit erlernten Fähigkeiten. Stärken äußern   VIA-Charakterstärken-Test ermittelt werden. Er umfasst
sich darin, dass sie aus der Person selbst kommen, dass sie      die oben genannten sechs Tugenden und die von Seligman
Kraft und Motivation bringen, statt Energie zu verbrauchen.      postulierten 24 Charakterstärken. Die deutsche Variante
Erkennbar sind Stärken daran, dass jemand etwas mit Lei-         des VIA-Tests der Universität Zürich ist unter dem Link
denschaft und Hingabe tut, nicht unbedingt daran, dass er        www.charakterstaerken.org zu finden, ein anderer Test findet
oder sie etwas gut kann, weil es gelernt wurde.                  sich unter www.gluecksforscher.de. Bei beiden Tests können
                                                                 sich Interessierte unter den benannten Links registrieren, um
                                                                 ihre eigenen Stärken zu ermitteln.

                                                                 Sind die eigenen Stärken bekannt, kann ihr Einsatz in der Ar-
                                                                 beit stärker berücksichtigt oder von der Führungskraft geför-
                                                                 dert werden. Wenn eine Person eine Aktivität „gut und gern“
                                                                 macht, wird sie diese häufig und spontan ausführen und damit
                                                                 langfristig das eigene Wohlbefinden stärken. Mit dem Fokus
                                                                 auf Stärken entwickeln sich Menschen insgesamt schneller.
                                                                 Sie können sich weiterentwickeln und wachsen. Zudem zeigen
                                                                 sich positive Effekte auf die Zukunftsvorstellungen, die das
                                                                 eigene Selbst, die Gesundheit, die emotionale Stabilität und
                                                                 Lebenszufriedenheit betreffen (Blickhan, 2018).

                                                                 Ein Beispiel dafür, welche Folgen eine ungünstige Passung zwi-
                                                                 schen Aufgabenverteilung und Persönlichkeit haben kann, ist
                                                                 die Geschichte „Die Schule der Tiere“, die sich bei Edith-Maria
                                                                 Soremba findet (siehe Infokasten). Sie wird genutzt um zu ver-
   Die Schule der Tiere (Ausschnitt)                             deutlichen, dass ein Fokus auf Defizite im Extremfall vorhande-
                                                                 ne Stärken verkümmern lässt und so lediglich zu Mittelmaß in
   Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schu-       allen Belangen führen kann. Das lässt sich auch auf den Berufs-
   le. Der Unterricht bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen      alltag übertragen, wo sich Frustration und schlechte Leistungen
   und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern         oft vermeiden lassen, wenn Menschen mit dem Fokus auf ihre
   unterrichtet.                                                 Stärken betrachtet und entsprechend gefördert werden.

   Die Ente war gut im Schwimmen, besser sogar als der           Dabei ist das Ausgleichen von Defiziten ein bekanntes Muster,
   Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Ren-     das wir alle schon aus der Schule kennen. Der Rotstift streicht
   nen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie         jeden einzelnen Fehler an, vielleicht gibt es einen Smiley-Stem-
   in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie           pel am Ende einer Arbeit für das Gesamtprodukt. Im Beruf, in
   nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen las-           Coachings oder Trainings zeigt sich immer wieder, wie schwer es
   sen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis         vielen Menschen auch im Erwachsenenalter noch fällt, klar und
   sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war.          selbstbewusst ihre Stärken zu benennen. Leicht gelingt es den
   Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum          meisten jedoch, auf Anhieb ihre Schwächen aufzuzählen und all
   machte sich niemand Gedanken darum, außer: die Ente.          die Bereiche, in denen sie unbedingt noch besser werden müssen.

                                                                 Ein stärkenorientierter, wertschätzender Ansatz, differenzier-
   QUELLE: Wörtlich entnommen aus > Soremba, E.-M.               tes Feedback zur Leistung und ein Dialog zur eigenen Entwick-
   (1995). Legasthenie muss kein Schicksal sein. Herder.         lung können mehr Menschen dahin begleiten, ihre Stärken zu
                                                                 leben und positiv – als Leistung und Motivation – ihrem Un-
                                                                 ternehmen zurückzugeben.

                                                                                                                iga.Fakten 11 | 13
Das PERMA-Modell

                                                                        wenn wir zu diesen Menschen ein Gefühl der Verbundenheit
                                                                        spüren, weil sie uns z. B. nahestehen oder wir deren Situatio-
                                                                        nen selbst einmal erlebt haben (Fredrickson, 2011).
PERMA: Beziehungen herstellen
                                                                        Alle sind hierbei gefragt, Fürsorge, Anteilnahme, Nachsicht,
Seligman nennt als dritte Säule des PERMA-Modells Relation-             Respekt und Dankbarkeit zu zeigen (Rose, 2019). Neben einer
ships, also positive Beziehungen. Das sind Kontakte, die uns            angenehmen Arbeitsatmosphäre wächst auch das gegenseitige
guttun, mit denen Erlebnisse, aber auch Probleme geteilt wer-           Vertrauen zueinander. Die Möglichkeit, dadurch Arbeitsprozesse
den können, die Halt geben, in schwierigen Phasen unterstüt-            und das Commitment zu verbessern, macht die Unterstützung
zen oder inspirieren. Positive Beziehungen beruhen auf wech-            eines positiven Miteinanders auch für Arbeitgeber attraktiv.
selseitigem Interesse und Wertschätzung des Gegenübers und
geben Kraft. Einseitige und fordernde Beziehungen können                Positiv interagieren – und das möglichst oft!
hingegen wahre Energieräuber sein. So ist es wertvoll, die ei-          Der Umgang miteinander wird durch unsere Kommunikation
genen Beziehungen dahingehend zu prüfen und zu gewichten.               geprägt und liegt somit in unserer Hand. Dabei sind sowohl
                                                                        die Qualität als auch die Quantität unserer positiven Interak-
Im Arbeitsalltag verbringen wir viel Zeit mit Kolleginnen und           tionen entscheidend. In alltäglichen Gesprächen kann jeder
Kollegen. Diese Beziehungen sind so unterschiedlich wie die             und jede Einzelne entscheiden, wie konstruktiv er oder sie in
Menschen selbst. Unter anderem Zeitdruck, Arbeitsmenge und              einer Situation antwortet. Verkündet eine Kollegin beispiels-
Personalsituation beeinflussen täglich unser Miteinander und            weise begeistert, dass sie befördert wurde und zudem eine
verstetigen sich in der Unternehmenskultur.                             Gehaltserhöhung bekommen habe, kann auf unterschiedli-
                                                                        che Art und Weise darauf reagiert werden (=Qualität). Wir
Die Herausforderung ist es, auch im alltäglichen Stress einen           entscheiden mit unserer Antwort darüber, wie die Beziehung
positiven, rücksichtsvollen und wertschätzenden Umgang mit-             in dem Moment gestaltet wird. Abbildung 6 zeigt verschiede-
einander zu pflegen. Jede positive Begegnung leistet einen              ne Antwortmöglichkeiten in diesem Zusammenhang auf. Die
Beitrag zu einer wertschätzenden Unternehmenskultur. Kol-               grün hervorgehobene Antwortmöglichkeit verdeutlicht dabei
leginnen und Kollegen zu unterstützen und ihnen positiv zu              einen Antwortstil, der positive menschliche Beziehungen un-
begegnen, macht gute Laune. Umgekehrt bewirkt eine gute                 terstützt. Er ist in der Fachliteratur als ACR (Active Construc-
Stimmung auch, dass wir gerne anderen helfen, vor allem,                tive Responding) bekannt.

                                                                   AKTIV

                      „Das hört sich nach viel Verantwortung an,             „Das ist ja großartig! Ich bin so stolz
                      die du dir da aufbürdest. Das bedeutet                 auf dich. Ich weiß, wie wichtig die
                      wahrscheinlich komplexere Arbeit und mit               Beförderung für dich war. Erzähl mir
                      Sicherheit längere Arbeitszeiten.“
                                                                             genau, was passiert ist!“
                                                                                                                                     KONSTRUKTIV
         ZERSTÖREND

                             „Was machen wir morgen Abend?“                  „Das sind ja gute Neuigkeiten.“

                                                                   PASSIV

Abbildung 6: Die Spannweite möglicher Antworten auf die Information, dass das Gegenüber befördert wurde (vgl. Tomoff, 2015, S. 28)

14 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell

Sprache entlarvt, ob der Fokus in der Arbeitswelt auf Stärken   Neben der Art und Weise, wie miteinander gesprochen wird,
und Gelingendem oder auf Schwächen und Defiziten liegt. Fol-    entscheidet auch die Häufigkeit der positiven und negativen
gende zwei Beispiele zeigen, wie die Ausrichtung auf Stärken    sprachlichen Interaktionen darüber, wie pfleglich Beziehun-
und Erfolgsorientierung auch sprachlich vermittelt werden       gen gestaltet werden (=Quantität). Tomoff (2015) verweist
kann:                                                           auf Forschungsarbeiten von Fredrickson und Losada um zu
   Beschäftigtengespräche können zu Stärkengesprächen           illustrieren, wie sich ein bestimmtes Verhältnis von posi-
   gemacht werden, vorausgesetzt sie werden nicht nur           tiven zu negativen (sprachlichen) Interaktionen auswirkt.
   umbenannt, sondern orientieren sich tatsächlich an           Deutlich wird, dass je nach Art der Beziehung zueinander
   den Stärken;                                                 mehrere positive Interaktionen benötigt werden, um eine
   To-do-Listen mit dem Fokus auf unerledigten Aufgaben         negative Erfahrung auszugleichen. Dieses Verhältnis wird
   können sich zu „Tadaaa“-Listen wandeln, die                  als Positivity Ratio bezeichnet. In arbeitsbezogenen Bezie-
   aufzeigen, was geschafft wurde, sowie den Erfolg und         hungen führt eine Positivity Ratio von 3:1 zu hoher Quali-
   die dafür identifizierten Faktoren in den Blick nehmen       tät in persönlichen Beziehungen und besseren Leistungen.
   (siehe WWW-Übung).                                           In Teams wurde beobachtet, dass eine Positivity Ratio von
                                                                6:1 außergewöhnliche Leistungen unterstützt. Diese Er-
                                                                kenntnis sollte auch für Feedback-Gespräche in Unterneh-
                                                                men genutzt werden. Es reicht nicht, Kritik als konstruktiv
                                                                zu bezeichnen, sondern sie bleibt trotz aller vorsichtigen
                                                                Formulierungen gefühlt Kritik. Feedback-Gespräche sollten
                                                                sich neben der deutlichen und akzentuieren Formulierung
                                                                der Erfolge („erst das Positive“) der Förderung der Stärken
                                                                der oder des Beschäftigten widmen – und das am besten
                                                                gemeinsam („Und in welchen Aufgaben setzen wir Ihre
                                                                Stärken noch besser ein?“).

                                                                Gespräche mit der Positivity Ratio als Leitregel
                                                                Es braucht also deutlich mehr positive Botschaften, um eine
    WWW-Übung: What went well?                                  einzelne negative Interaktion auszugleichen. Daher sollte
                                                                man Feedback-Gespräche deutlicher am Erfolg ausrichten
                                               t verschaffen
    > ZIEL: Dem Team einen positiven Star                       und nur sehr sparsam mit der (vermeintlich) „konstruktiven
                                          nfte werden           Kritik“ umgehen.
    > DURCHFÜHRUNG: Zusammenkü
                                     ten  gest artet und
    nicht mit den üblichen To-do-Lis
                                     Tada aa-Listen , also
    dem, was noch fehlt, sondern mit                            In Meetings, Teambesprechungen oder Führungskräftege-
    dem Gelungenen:                                             sprächen mit Beschäftigten kann die Positivity Ratio als Leit-
                                           ähnenswerte
    „Berichten Sie drei besonders erw                           regel eingeführt werden: Kritik und negative Äußerungen
                                    n: Was   hat Sie ge-
    Dinge aus den letzten 14 Tage                               benötigen mindestens drei positive Äußerungen, damit nicht
                                    lief gut?   Und was
    freut, was war wertvoll, was
                                  nen  wir auch   zukünf-       nur die negative Aussage im Gedächtnis haften bleibt. Ge-
     lehrt uns das? Was davon kön
     tig nutzen?“                                               rade nach Gesprächen mit der Führungskraft wird die oder
                                                                der Beschäftigte die Arbeit mit deutlich höherer Produktivität
                                                                und Motivation fortsetzen, wenn das Gespräch positiv und
                                               ommen aus
      QUELLE: Die Übung wurde wörtlich entn                     stärkenorientiert verlief.
                             en mit  Sinn. Wie  Sie die Füh-
      > Rose, N. (2020). Führ
                              Sie sich imm  er gew  ünscht
      rungskraft werden, die
      haben. Haufe.

                                                                                                             iga.Fakten 11 | 15
Das PERMA-Modell

                                                                                        Als einer der Werte, die vor allem auch im Kontext von New
                                                                                        Work relevant sind, wird der Sinn der Arbeit in den iga.Werte-
                                                                                        blättern betrachtet. Nach Hardering (2015) gibt es demnach drei
PERMA: Sinn von Arbeit                                                                  Dimensionen, über die Sinn in der Arbeit gestiftet werden kann:
                                                                                        3. Die Gestaltung von Rahmenbedingungen bei der Arbeit
Das englische Meaning kann mit Sinn übersetzt werden                                         beeinflusst, wie die Arbeit wahrgenommen wird. Ansatz-
und beschäftigt sich mit der Frage nach dem Sinn unseres                                     punkte sind beispielsweise die Arbeitsorganisation sowie
Tuns. Nach Johann und Möller (2013) ist es das Gefühl, zu                                    die Komplexität oder die Bedeutsamkeit der Aufgabe.
etwas zugehörig zu sein oder zu etwas beizutragen, was                                       > Dimension der Arbeitsgestaltung
größer ist als wir selbst. Und wer das Gefühl hat, dass „al-                            4. Sinnvolle Arbeit kann über den Nutzen des Geleisteten
les keinen Sinn ergibt“, wird sich mit mehr Motivationspro-                                  definiert werden. Dabei sind gesellschaftlich geteilte
blemen und geringerem Engagement konfrontiert sehen als                                      Werte wie Gesundheit, Sicherheit oder Ordnung und
Personen, die in ihrer Arbeit einen Sinn sehen. Das Men-                                     Sauberkeit von Bedeutung. Ist der Nutzen für die Gesell-
schenbild der Positiven Psychologie geht davon aus, dass                                     schaft offenkundig, werden Tätigkeiten grundsätzlich als
Menschen ein erfülltes Leben führen und ihrem Leben Sinn                                     sinnvoll empfunden.
geben möchten.                                                                               > Dimension der Nützlichkeit bzw. des Gebrauchswerts
                                                                                        5. Die subjektiv wahrgenommene Passung zwischen
Dies zeigt sich auch darin, dass Arbeit für viele Menschen mehr                              Arbeitsansprüchen und Arbeitsrealität beeinflusst nicht
ist als nur die Sicherung des Lebensunterhaltes. Eine Untersu-                               nur das Flow-Erleben, sondern auch die Wahrnehmung
chung der Bertelsmann Stiftung und des GfK-Vereins aus dem                                   der Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit. Strategien wie das Job
Jahr 2015 zeigt, dass Arbeit den zweiten Platz der wichtigsten                               Crafting, bei dem Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen
Lebensbereiche nach Familie und Partnerschaft einnimmt. Frei-                                selbstständig umgestalten und verbessern können, helfen
zeit belegt demnach den dritten Platz.                                                       u. a., eine höhere Passung zwischen der Arbeit und den
                                                                                             Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen zu erreichen,
In einer repräsentativen Befragung zum Thema Sinn stimmten                                   wodurch ein stärkerer Sinnbezug hergestellt werden kann.
fast 90 Prozent der Befragten zu, dass Arbeit einen wichtigen                                > Dimension der subjektiven Bewertung
Stellenwert im Leben einnimmt (Wellmann et al., 2020). Zu-                              Die iga.Werteblätter sind abrufbar unter www.iga-info.de/
gleich wünschten sich die Befragten ein höheres Maß an Sinn-                            veroeffentlichungen/igawegweiser-co/werteblaetter-new-
stiftung in ihrer Tätigkeit (siehe Abbildung 7).                                        work-werte/.

    Quellen und Prozesse sinnvoller Arbeit – Wunsch und Realität                                                  Soll            1 = Trifft nicht zu
                                                                                                                  Ist             6 = Trifft zu
        6

         5    4,6
                    4,2                4,2                      4,2 4,2           4,4                                4,2
                                                                                        4,0         4,1                                3,9
         4                                     3,8                                                        3,8              3,8               3,6
         3

         2

          1
            lbs ch
                  ei n

                                      a n i n-
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                                                                 n zw.
                                                                          n

                                                                                                               se .
                                                                                                                       n

                                                                                                  r n Wü n c h e
                                                                                                              om n
                                                                                                                     en

                                                                                          u n m a a ls en
                                                                                                  Ha k tiv u ch

                                                                                                                ha n
                                                                                                                       n

                                                                                            A r da ir a n
                                                                                                                       n
                                                                                                               kö i e
                                                                                                                     te
                                                                                                           um z w
                                            re

                                                                     l fe

                                                                                                                  t ze

                                                                                                          hk he

                                                                                                                   be
                                                                                                           eln Tu

                                                                                                             sp tio
                                                                                                b e üb tio
                                                                                                         se er, w
                                                                                                                  nn
          se w. i

                                                                                                zu en n k
                                                                                                                  m
                                          e
               ts

                                         de

                                                           de e b

                                                                                                        n lb

                                                                                                                  a
                                                                                                                  s
                                                                  he

                                                                                                       ac sc

                                                                                 m s t a u c h it ua
                                  m m

                                                                                                       n d en
                                                                                          de ch ün

                                                                                                                e
                                                                                                   i te i a
            bz

                               f t Ge

                                                                                        Ze k t i e c h d
                                                        a n d er

                                                                                      an s au e W

                                                                                                            in
                                                                                                ke enz

                                                                                                             S
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                                                                                   ig e l e

                                                                                               d
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                                                                              ed oh
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                                                                           fri w

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                                                                                    Au
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                                                                                     w
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                                                                              m

                                                                          So

Abbildung 7: Quellen und Prozesse sinnvoller Arbeit – Wunsch und Realität (Quelle: Wellmann et al., 2020, S. 61)

16 | iga.Fakten 11
Das PERMA-Modell

Rehwaldt (2019) stellt fest, dass vor allem junge Men-           Arbeit für Beschäftigte sinnvoll gestalten
schen im Unternehmen Wert auf Sinnstiftung und Chan-             Sobald wir verstehen, warum wir etwas tun (sollen), wird
cen zur Selbstverwirklichung legen: 50 Prozent würden            der Arbeitsprozess erfüllender und leichter (Wesely, 2019;
weniger Gehalt oder eine schlechtere Stellung akzeptieren,       Tomoff, 2015). Wo Arbeit noch nicht „sinnvoll“ erlebt
wenn ihre Arbeit zu einem größeren gesellschaftlichen Ziel       wird, kann im Dialog mit dem Team oder der Führungs-
beitragen würde. Gelingt es Unternehmen, Sinnhaftigkeit          kraft eine Lösung gefunden werden. Führungskräfte kön-
bei der Arbeit darzustellen, befördert das Blickhan (2018)       nen Beschäftigte mit Fragen und Beobachtungen dabei
zufolge Leistungsbereitschaft und Wohlbefinden bei den           unterstützen, den Sinn bei der Arbeit zu erkennen und
Beschäftigten. Der Website der International Positive Psy-       eine größere Bedeutung für Abteilung, Unternehmen und
chological Association (https://www.ippanetwork.org/) ist        Gesellschaft zu identifizieren. Das erfordert Transparenz
zu entnehmen, dass die Verdeutlichung der Werte und der          hinsichtlich Produkt und Aufgabe, aber auch hinsichtlich
Bedeutsamkeit der täglichen Arbeit den gleichen Effekt hat.      der eigenen Werte:
Eine solche Verdeutlichung zeigt sich beispielsweise im             Was bedeutet meine Arbeit für andere?
Leitbild. Haas (2015) betont, dass sich besonders erfolgrei-        Was treibt mich an?
che Unternehmen durch ein Leitbild auszeichnen, das aktiv           Wo habe ich eine Aufgabe einmal voller Elan und mit
gelebt wird.                                                        Flow-Erleben durchgeführt?
                                                                    Wo gehe ich (auch im Alltag) etwas nach, was sich als
Auf Basis verschiedener Studien hat Becker (2019) Vorteile          bedeutend, sinnhaft und erfüllend anfühlt?
einer als sinnvoll empfundenen Arbeit zusammengestellt.             Warum ist das so?
Demnach gilt: Erleben Beschäftigte ihre Arbeit als sinnvoll, …
   zeigen sich positive Zusammenhänge mit ihrem Wohl-
   befinden, sind sie zufriedener, leisten sie freiwillig
   (mehr) Arbeit und haben sie Vertrauen ins Management,
   identifizieren sie sich stärker mit der Organisation und
   berichten sie vermehrt positive Emotionen,
   zeigen sie Verhalten, welches die Implementierung von
   Veränderungen fördert, und sie passen sich leichter
   an Veränderungen an,
   weisen sie eine niedrigere Mortalität, ein besseres
   Immunsystem und weniger Stresshormone auf,
   nutzen sie häufiger Vorsorgeuntersuchungen und sind
   sie seltener im Krankenhaus und
   zeigt sich ein positiver Effekt auf die Vitalität bei
   gleichzeitig geringerer emotionaler Erschöpfung.

Hofert und Thonet gingen 2019 ebenfalls auf die Verände-
rungsbereitschaft ein: Sie stellten fest, dass Beschäftigte
nicht nur mehr zu Veränderungen bereit sind, sondern sich
auch stärker an Veränderungsprozessen beteiligen, je deut-
licher der Sinn und Nutzen von Veränderungen empfunden
werden.

                                                                                                           iga.Fakten 11 | 17
Das PERMA-Modell

Job Crafting hilft, Arbeit so zu gestalten, dass sie für die Be-   Auswirkungen auf Gesundheit beleuchtet und Möglichkei-
schäftigten gewinnbringender und sinnvoller wird. Einfach          ten aufgezeigt, wie Job Crafting im Betrieb in verschiede-
ausgedrückt: Mittels Job Crafting gestalte ich mir meine Ar-       nen Handlungsfeldern aktiv gefördert werden kann. Darüber
beit so, dass sie besser zu mir und meinen Stärken passt. Das      hinaus kommen verschiedene Personen mit ihrer Expertise
beginnt mit der Einrichtung des Arbeitsplatzes und geht bis        und ihrem Praxiswissen zu Wort und berichten aus verschie-
zur Priorisierung von Aufgaben, für die man brennt und die         denen Rollen heraus von ihren Erfahrungen. Auch auf die
man gut kann. Jede und jeder übernimmt damit die Gestal-           Ursprünge des Konzeptes wird eingegangen, indem auf den
tung der eigenen Arbeit und des Arbeitsplatzes in gewissem         Artikel zweier Organisationspsychologinnen hingewiesen
Umfang selbst. Das ist natürlich von vielfältigen Rahmenbe-        wird, die den Begriff prägten: Die Forscherinnen stellten in
dingungen wie Handlungs- und Entscheidungsspielräumen,             einer Untersuchung fest, dass Reinigungskräfte in einem
Führungskultur und Teamzusammenhalt sowie kommunika-               Krankenhaus sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage
tiven Fähigkeiten abhängig.                                        nach ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Arbeitszufrieden-
                                                                   heit gaben – obwohl die Stellenbeschreibungen aller Befrag-
Ein iga.Wegweiser zum Thema „Job Crafting“ befindet sich           ten identisch waren. Es zeigte sich, dass die Antworten mit
in Vorbereitung (Schachler, in Druck). Darin werden für einen      der individuellen Gestaltung und Interpretation der eigenen
kompakten Überblick Forschungsergebnisse zusammenfasst,            Tätigkeit zusammenhingen (Wrzesniewski & Dutton, 2001).

                                                                   Begriffsklärung: Job Crafting

                                                                   Folgende Definition findet sich im iga.Wegweiser zum
                                                                   Job Crafting (Schachler, in Druck): „Beim Job Crafting
                                                                   handelt es sich um ein selbstinitiiertes Verhalten von
                                                                   Beschäftigten: Sie verändern aus eigener Motivation he-
                                                                   raus ihre Arbeitssituation, um den eigenen Wünschen,
                                                                   Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht(er) zu werden.
                                                                   Wrzesniewski und Dutton (2001) unterscheiden drei
                                                                   Formen von Job Crafting:

                                                                   1. Crafting der Arbeitsaufgaben
                                                                      = Veränderung der Art und Anzahl von Arbeits-
                                                                      aufgaben (z. B. Übernahme von Aufgaben, die zu den
                                                                      eigenen Fähigkeiten passen),

                                                                   2. Crafting der Arbeitsbeziehungen
                                                                      = Veränderung der arbeitsbezogenen Interaktionen
                                                                      (z. B. Intensivierung des Austauschs mit beliebten
                                                                      Kollegen und Kolleginnen),

                                                                   3. Crafting der arbeitsbezogenen Gedanken
                                                                      = Veränderung der Sicht auf die eigene Arbeit
                                                                      (z. B. Bewusstmachen der Bedeutsamkeit
                                                                      der eigenen Arbeit).“

18 | iga.Fakten 11
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