Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten

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Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
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                                                                Das Prinzip KUMULUS-PLUS

Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten

                                                                             Dokumentation
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Editoral: Erfolgreich Netzwerken

                                   Editoral: Erfolgreich Netzwerken
                                   Liebe Leserinnen und Leser,                                „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“
                                   diesen Satz prägte der Philosoph Aristoteles vor              Aristoteles, griechischer Philosoph, 322-384 v. Chr.
                                   über 2300 Jahren. Die Erkenntnis ist auch heute
                                   noch eine Grundlage bei Überlegungen zur Opti-
                                   mierung von Kooperationsstrukturen. Partner, die sich gemeinsamen Zielen verpflichtet haben, möchten
                                   ihre Zusammenarbeit so gestalten, dass ein Optimum der angestrebten Ziele realisiert werden kann.
                                   Auf dieser Basis wurden Instrumente für das Arbeiten in Netzwerken entwickelt, in denen Menschen
                                   zusammenarbeiten, um einen Mehrwert zu erzielen. Das Kompetenzzentrum KUMULUS-PLUS ist ein sol-
                                   ches Netzwerk. Unser Ziel ist eine bessere Arbeitsmarktintegration erwachsener Migrantinnen und Mig-
                                   ranten. KUMULUS-PLUS gehört zum deutschlandweiten Netzwerk Integration durch Qualifizierung – ein
                                   Netzwerk im Netzwerk. Die Partner im Netzwerk KUMULUS-PLUS arbeiten seit 2005 zusammen und errei-
                                   chen auf diese Weise mehr als es jeder Einzelne könnte. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass man
                                   zusammenarbeitet, sondern wie man zusammenarbeitet. Bei gelungener Netzwerkarbeit ergänzen sich
                                   die Kompetenzen einzelner Partner sinnvoll zu einem Ganzen, Doppelarbeit und Konkurrenzen werden
                                   vermieden, eine gute Kommunikation gewährleistet Informations- und Erfahrungsaustausch, erleichtert
                                   Abstimmungsprozesse und die Lösung von Konflikten. Das Netzwerk KUMULUS-PLUS mit seinen Partnern
Stefan Nowack - Leiter
des Kompetenzzentrums              ist ein Beispiel dafür, das wir Ihnen hier vorstellen.
KUMULUS-PLUS

       Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Inhalt

                                                                                    Inhalt
Auftrag und Ziel: Die Arbeitslosigkeit erwachsener Migrantinnen und Migranten verringern    4
Herausforderung: Effizient in Netzwerken arbeiten                                           8
  Partnerschaften: regional, sektoral und deutschlandweit                                  10
Handlungsfelder: Jeder arbeitet nach seiner Façon                                          11
  Beratung für Eingewanderte: Zugänge schaffen und Begleitung bieten                       13
  Kompetenzfeststellung: Fähigkeiten bescheinigen                                          20
  Qualifizierung: Durch Wissen weiter kommen                                               22
  Vermittlung in Arbeit: Das Ziel vor Augen                                                27
Netzwerken bei KUMULUS-PLUS: Mit System zusammenarbeiten                                   28
  KUMULUS-PLUS intern: Strukturen schaffen                                                 31
  Berlin: Wie Netzwerke sich vernetzen                                                     34
  Rostock und Umgebung: Ein gelungener Transfer                                            38
  Kreis Unna/Stadt Hamm: Drei Partner auf Erfolgskurs                                      41
Zwischenbilanz: Gemeinsam geht’s besser                                                    44
Kontakte und Downloads: Zum Nachfragen und Nachlesen                                       46
  Publikationen des Kompetenzzentrums KUMULUS-PLUS                                         48
  Impressum                                                                                48

                                                                                                     
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Auftrag und Ziel

„Wir sind auf einem guten Weg
bereits wichtige Schritte gegangen.
Aber erst wenn die Arbeit unserer
Netzwerke überflüssig ist, haben wir
unser Ziel tatsächlich erreicht.“
       Wolfgang Fehl, Leiter des Koordinierungspro-
         jektes „Integration durch Qualifizierung“

                                                  Auftrag und Ziel: Die Arbeitslosigkeit
  Das Prinzip KUMULUS-PLUS
                                    erwachsener Migrantinnen und Migranten verringern
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Die Arbeitslosigkeit erwachsener Migrantinnen und Migranten verringern

2005 hat das Bundesministerium für Ar-      wurden sechs Handlungsfelder identifi-          „Im fünften Jahr seiner Tätigkeit
beit und Soziales (BMAS) gemeinsam mit      ziert, die entscheidenden Einfluss auf die      haben die Ziele des Netzwerks
der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein       Arbeitsmarktsituation der Zielgruppe            Integration durch Qualifizierung
deutschlandweites Informations- und         haben. Sie kennzeichnen die Tätigkeits-
                                                                                            nichts an Aktualität und poli-
Beratungsnetzwerk ins Leben gerufen,        schwerpunkte: Beratung, Kompetenz-
damit Erwachsene mit Einwanderungs-         feststellung, Qualifizierung, Berufsbe-
                                                                                            tischem Gewicht verloren: Die Ar-
hintergrund besser in den deutschen         zogenes Deutsch, Existenzgründung und           beitslosigkeit von Migrantinnen
Arbeitmarkt integriert werden. Die Ar-      Interkulturelle Öffnung.                        und Migranten – immer noch nur
beitslosenstatistiken waren alarmie-                                                        ersatzweise am Indikator „Ar-
rend, denn sie legten offen, dass Men-                                                      beitslosigkeit von Ausländern/
schen mit ausländischem Pass doppelt                                                        innen“ messbar – liegt nach
so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen                                                    wie vor mit nur unwesentlichen
sind wie Deutsche. Das ist nicht nur teu-                                                   Variationen in allen Regionen bei
er, sondern auch eine Verschwendung                                                         etwa dem Doppelten der Arbeits-
von Humankapital und Ressourcen. So
                                                                                            losigkeit Deutscher. Dabei hat
lautete der Auftrag an das Netzwerk
Integration durch Qualifizierung (IQ):
                                                                                            die dramatische Wirtschaftskrise
Konzepte, Strategien und Instrumente                                                        seit Herbst 2008 auf den Arbeits-
zu entwickeln und zu erproben, welche                                                       markt nur maßvoll durchgeschla-
die Arbeitsmarktintegration erwachse-                                                       gen.“
ner Migrantinnen und Migranten ver-                                                         Wolfgang Erler, anakonde, Evaluation
bessern können. Sechs sektoral agieren-                                                     des Netzwerks IQ
de Netzwerke gehören dem Netzwerk IQ
an, in denen insgesamt rund 50 Projekte,
sogenannte Transferprojekte (TP), am
Auftrag des BMAS arbeiten. Inhaltlich

                                                                                                                                   
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Auftrag und Ziel

KUMULUS-PLUS:                                                                         „Ausschlaggebend sind die Qualifikati-
                                                                                      onen der Beratungsfachkräfte bei allen
Hier wird Beratung großgeschrieben                                                    Beteiligten, fundierte Kenntnisse einer
                                                                                      anderen Sprache zählen zur Ressource
                                                                                      und sind eine sinnvolle Ergänzung zur
                                                                                      akademischen und beraterischen Qua-
Eines dieser sechs Netzwerke von IQ        Vom Erstkontakt bis zur Integration        lifikation und zur Erfahrung.“ So kann
ist das Kompetenzzentrum KUMULUS-          in den Arbeitsmarkt stehen persön-         von Ratsuchenden bei Bedarf die Option
PLUS, bestehend aus zwölf Transfer-        liche Ansprechpartnerinnen oder An-        einer muttersprachlichen Beratung in
projekten, das zudem bundesweit das        sprechpartner Ratsuchenden zur Seite.      Anspruch genommen werden, steht aber
Handlungsfeld Beratung in Bildung,         Die Partner dieser Beratungsangebote       nicht im Zentrum der Beratungsarbeit.
Beruf und Beschäftigung von Men-           zeichnen sich dadurch aus, dass sie Zu-
                                                                                      KUMULUS-PLUS vernetzt diese Beratungs-
schen mit Einwanderungshintergrund         gang zu Personengruppen haben, die
                                                                                      angebote mit anderen Maßnahmen und
koordiniert. Die Transferprojekte sind     durch die Regelberatungsstellen eher
                                                                                      Instrumenten. Dazu zählen insbesonde-
in allen Handlungsfeldern aktiv, die für   selten erreicht werden – beispielsweise
                                                                                      re auf die Zielgruppen zugeschnittene
das IQ-Netzwerk festgelegt wurden. Sie     zu Roma und Sinti, zu Frauen und Män-
                                                                                      Instrumente der Kompetenzfeststellung
sind so miteinander verknüpft, dass ihre   nern aus der Türkei, aus arabisch- oder
                                                                                      und Qualifizierungsmaßnahmen, die in
Gesamtheit eine Prozesskette darstellt,    russischsprachigen Ländern.
                                                                                      Verbindung mit Sprachförderung und/
die aber nicht nur in sich funktioniert,   „Ein weiteres besonderes Merkmal ist die   oder Weiterbildungen zur Arbeitsmarkt-
sondern auch für institutionelle Partner   feste Einbindung von Migrantenselbst-      orientierung angeboten werden. Neben
oder andere Projektträger nutzbar ist.     organisationen sowie von Teams mit         diesen internen Angeboten leitet das
Die Beratung in Bildung, Beruf und Be-     unterschiedlichem kulturellen Hinter-      Kompetenzzentrum auch zu Maßnahmen
schäftigung steht als Dreh- und Angel-     grund sowohl in der Koordinationsstelle    externer Partner weiter. Transferpro-
punkt im Zentrum des Kompetenzzen-         als auch bei den beteiligten Partnern“,    jekte des Kompetenzzentrums KUMULUS-
trums KUMULUS-PLUS. Sie ist der Impuls     erläutert Stefan Nowack, Leiter des        PLUS sind in Berlin, in Mecklenburg-Vor-
des Prozesses beruflicher Integration.     Kompetenzzentrums KUMULUS-PLUS.            pommern und in Nordrhein-Westfalen

  Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Die Arbeitslosigkeit erwachsener Migrantinnen und Migranten verringern

aktiv. Entwickelte Instrumente werden      Umsetzungsbericht des Berliner Senats
zwischen diesen sehr unterschiedlich       zum Berliner Integrationskonzept sank
strukturierten Regionen transferiert       die Arbeitslosigkeit von Menschen mit
und darüber hinaus auch bundesweit im      Einwanderungshintergrund zwischen
Netzwerk IQ implementiert sowie exter-     2006 und 2008 von 38 auf 31 Prozent.
nen Partnern angeboten.                    „Aufgrund des hohen Einschaltungs-
                                           grades von KUMULUS-PLUS können wir
So entstand bis heute ein Netzwerk, in
                                           davon ausgehen, dass unsere Dienstleis-
dem allein in Berlin jährlich rund 4.000
                                           tungen und Vernetzungen einen Anteil
Menschen begleitet werden. Nach einer
                                           an dieser Entwicklung haben“, sagt Ste-
Erstberatung liegt die durchschnittliche   fan Nowack.
Anzahl von Folgeberatungen bei drei,
so dass insgesamt in Berlin 12.000 Be-
ratungen pro Jahr geleistet werden. Die
Nachfrage nach beratender Unterstüt-
zung hat auf regionaler Ebene auch in
den Zeiten der wirtschaftlichen Krise
nicht wesentlich zugenommen. Etwa 15
Prozent der Ratsuchenden können nach-
weislich in ein längerfristiges Arbeits-
verhältnis des ersten Arbeitsmarktes
vermittelt werden – vielleicht sind es
mehr, da nicht von jeder Einzelperson,
die eine Beratung in Anspruch nimmt,
der weitere Berufsweg verfolgt werden
kann. Erste Erfolge zeigen sich auch in
den Arbeitsmarktstatistiken: Nach dem

                                                                                                                                 
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Herausforderung

„Von Anfang an bestand die Absicht, im
Rahmen eines effizient operierenden
Netzwerks mit allen Akteuren zu ko-
operieren – beispielsweise JobCenter
und Arbeitsagenturen, Unternehmen
und deren Verbände, Bildungsträ-
ger, Migrantenorganisationen sowie
andere Projekte und Netzwerke, die
im Aufgabenbereich aktiv sind.“
                      Stefan Nowack, Leiter des Kompe-
                          tenzzentrums KUMULUS-PLUS

                                      Herausforderung: Effizient in Netzwerken arbeiten
  Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Effizient in Netzwerken arbeiten

Es gibt viele gute Einzelansätze zur       vielschichtig. Daher führt ein Angebot       die inhaltliche Dopplungen von An-
Arbeitsmarktintegration von Migran-        alleine – so brilliant es auch sein mag       geboten unterschiedlicher Netzwerk-
tinnen und Migranten wie migrati-          – selten zum Ziel, sondern die besten         partner ausschließen,
onsspezifische      Beratungsangebote,     Erfolge werden erfahrungsgemäß durch         deren Einzelschritte einander ergän-
Verfahren zur Ermittlung vorhandener       eine durchgehende kompetente Bera-            zen und aufeinander aufbauen
Kompetenzen, Qualifizierungen mit be-      tung in Verbindung mit verschiedenen         und die auf diese Weise ermöglichen,
rufsbezogener      Sprachunterstützung,    sinnvoll verzahnten Angeboten erreicht.       für Ratsuchende individuelle Strate-
Weiterbildungsbegleitende Hilfen oder      Unter effizientem Arbeiten in Netzwer-        gien zu entwickeln.
Begleitung sowie Unterstützung bei         ken versteht das Kompetenzzentrum
einer Existenzgründung. Ursachen für       KUMULUS-PLUS Netzwerkstrukturen,
Arbeitslosigkeit und Hürden, die zur In-
tegration in den ersten Arbeitsmarkt zu     die eine verbindliche Zusammenarbeit
nehmen sind, sind jedoch zahlreich und       der Partner möglich machen,

  Transferprojekte von KUMULUS-PLUS verfolgen nicht als Einzelkämpfer ein Teilziel, sondern ergänzen sich sinnvoll
  – das funktioniert zum Beispiel so:
  Ein Projektträger hat guten Zugang zu russischsprachigen Migrantinnen und Migranten, verfügt über Beratungskompetenz
  und bietet für diese Zielgruppe Beratung und Berufsorientierung an. Stellt sich heraus, dass für eine der Ratsuchenden eine
  Kompetenzfeststellung erforderlich ist, so übernimmt dies ein anderes Transferprojekt. Wird dort klar, dass diese Migrantin
  ihren Qualifikationen und Interessen nach gute Chancen hat, in der Branche Erneuerbare Energien Fuß zu fassen, kommt
  wieder ein anderes Transferobjekt zum Zuge, das eine entsprechende Maßnahme durchführt. Schließlich unterstützt bei der
  Arbeitsplatzsuche im Anschluss an die Maßnahme ein viertes Transferprojekt, welches sich auf Unternehmenskontakte und
  die Suche nach freien Stellen spezialisiert hat. Durchgängig kann die Migrantin während dieses Prozesses begleitende Bera-
  tung von einer Person erhalten.

                                                                                                                                
Das Prinzip KUMULUS-PLUS - Erfolgreiche Netzwerkarbeit zur beruflichen Integration erwachsener Migrantinnen und Migranten
Herausforderung

Partnerschaften:
regional, sektoral und deutschlandweit

Dabei ist das Netzwerk KUMULUS-PLUS          Ziel ist jedoch nicht nur, Bestehen-          derlich sind, überprüft KUMULUS-PLUS
sich keinesfalls selbst genug, sondern       des zu verknüpfen, sondern auch ge-           seine Angebote und Dienstleistungen
kooperiert mit anderen Akteuren, Insti-      meinsam Neues umzusetzen. So sollen           im Hinblick auf die Entwicklungen des
tutionen und Netzwerken. Dazu hat das        Entscheidungsträger davon überzeugt           Arbeitsmarkts. So wurde beispielsweise
Kompetenzzentrum sowohl Werkzeuge            werden, zukünftig alle Angebote der be-       ab 2008 ein besonderer Schwerpunkt
entwickelt, welche die internen Struk-       ruflichen Bildung mit Weiterbildungs-         auf den Wirtschaftsbereich der Erneu-
turen der ergänzenden Zusammenarbeit         begleitenden Hilfen und/oder mit der          erbaren Energien gelegt. Die Einglie-
gewährleisten, als auch Werkzeuge be-        Möglichkeit einer berufsbezogenen             derungsquoten im Anschluss an die
reitgestellt, die es externen Partnern er-   Sprachförderung zu versehen. Sprach-          Maßnahme des Projektträgers LIFE e.V.
möglichen, Dienstleistungsangebote des       bildung also als wesentlicher Bestand-        liegen bei durchschnittlich 70 Prozent.
Kompetenzzentrums KUMULUS-PLUS in            teil beruflicher Bildung. Ziel ist es hier,   Schließlich dient auch die Einbindung
das eigene Handeln zu integrieren. Das       dass die Bildungsmaßnahmen in sich ei-        in das deutschlandweite Netzwerk In-
funktioniert auch umgekehrt: Beispiels-      nen hohen Integrationsstandard haben,         tegration durch Qualifizierung dazu,
weise deckt KUMULUS-PLUS lediglich           damit in ein und der selben Bildungs-         entwickelte Konzepte und Maßnahmen
Teilbereiche der beruflichen Bildung ab,     maßnahme sowohl Inländer als auch             hinsichtlich ihrer Funktion und einer
bezieht aber alle Fördermöglichkeiten        Teilnehmende mit Einwanderungshin-            Übertragbarkeit in andere Regionen zu
nach dem Sozialgesetzbüchern II und          tergrund zusammen qualifiziert werden         überprüfen und einen Transfer zu unter-
III in seine Beratungen mit ein, so dass     können. Um stets genau die Angebote           stützen.
hier bei Bedarf externe Partner zum Zuge     bereit zu halten, die zur Integration in
kommen.                                      den ersten Arbeitsmarkt aktuell erfor-

10   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Effizient in Netzwerken arbeiten

„Jedes Transferprojekt ist einzigartig,
aber erst wenn die verschiedenen Ta-
lente zusammenkommen wie Teile eines
Puzzles, wird daraus ein Ganzes, das er-
folgreicher agieren kann als Einzelne.“
        Andrea Simon, Leiterin des Transferprojektes
             „Mit Energie in die berufliche Zukunft“

                                       Handlungsfelder: Jeder arbeitet nach seiner Façon
                                                                                                      11
Handlungsfelder

                               Ganz kurz skizziert stellt sich die fachliche Ar-   terkulturelle Beratung und Vermittlung in Arbeit
                               beit des Kompetenzzentrums KUMULUS-PLUS fol-        an. Ein Transferprojekt agiert von Rostock aus und
                               gendermaßen dar: In Berlin sind sechs Transfer-     unterstützt dort Migrantinnen und Migranten bei
                               projekte in der beruflichen Beratung aktiv, zwei    Fragen der Anerkennung ausländischer Qualifi-
                               Transferprojekte setzen Kompetenzfeststellungs-     kationen und bei der Beratung. Zwei Transferpro-
                               verfahren ein, vier Transferprojekte führen Maß-    jekte koordinieren das Netzwerk beziehungsweise
                               nahmen zur Qualifizierung mit berufsbezogener       das Kompetenzzentrum in Berlin. Summa summa-
                               Sprachförderung durch und ein Transferprojekt       rum sind das 17 Aktivitäten in den sechs Tätig-
                               konzentriert sich auf Arbeitsvermittlung, Exis-     keitsschwerpunkten Beratung, Kompetenzfest-
                               tenzgründer/innen und Unternehmerkontakte.          stellung, Qualifizierung, Sprache, Vermittlung und
                               Ein Transferprojekt ist für den nordrhein-westfä-   Existenzgründung, die umgesetzt werden. Jeder
                               lischen Kreis Unna zuständig und bietet dort in-    Träger bringt seine Kompetenzen ein.

12  Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

Beratung für Eingewanderte:                                                           der Beraterinnen beim Club Dialog e.V.,
                                                                                      „wir erarbeiten mit den Ratsuchenden
Zugänge schaffen und Begleitung bieten                                                gemeinsam individuelle Strategien für
                                                                                      die Vermittlung in den Beruf oder in eine
                                                                                      Qualifizierung“. Da das in den meisten
                                                                                      Fällen nicht im Rahmen einer Erstbe-
Arbeit & Bildung e.V. „Koordina-          rinnen und Berater bei Bedarf die Part-     ratung zu schaffen ist, gibt es oft eine
tionsstelle des Kompetenzzent-            ner im Netzwerk KUMULUS-PLUS bei de-        oder mehrere Folgeberatungen. Die Be-
                                          ren beruflicher Beratung der jeweiligen     raterinnen begleiten die Ratsuchenden
rums KUMULUS-PLUS“                        Zielgruppen.                                auch zu Exkursionen, um Arbeitgebende
Arbeit und Bildung e.V. ist ein gemein-                                               vor Ort kennen zu lernen, beispielsweise
nütziges, berlinweit tätiges Unterneh-                                                wenn diese einen Tag der offenen Tür
men, in dessen Zentrum die individuelle
                                          Club Dialog e.V. „Fahrplan beruf-
                                                                                      haben. So führte das Projektteam allein
Beratung in Bildung, Beruf und Beschäf-   liche Integration“                          2009 mehr als 420 Beratungen durch, da-
tigung steht. Im Rahmen von KUMU-         Seit 1988 setzt sich der Berliner Verein    von waren zwei Drittel Erstberatungen.
LUS-PLUS bietet Arbeit und Bildung e.V.   für die berufliche Integration von vor-     Zwar können nicht alle Beratungen un-
neben seinen Koordinierungsaufgaben       wiegend russischsprachigen Eingewan-        mittelbar zu einem festen Arbeitsplatz
zielgruppenorientierte Beratungs- und     derten und Aussiedlern ein, so dass ein     oder in ein gefördertes Beschäftigungs-
betriebliche Integrationsdienstleistun-   guter Zugang zu Ratsuchenden dieser         verhältnis führen, aber sie helfen immer,
gen an und legt bei der Umsetzung sei-    Gruppe besteht. An zwei Standorten in       eine neue, vielversprechende Orientie-
ner Aufträge besonderen Wert auf einen    Berlin Mitte und Berlin Marzahn wird        rung im Berufsleben aufzuspüren. Viele
kundenorientierten Zuschnitt seiner       Beratung angeboten. „Unsere Berufsbe-       Ratsuchende nehmen beispielsweise am
Leistungen. Jährlich nehmen rund 500      ratung ist als Lebensberatung konzipiert,   computergestützten Selbststudium von
Ratsuchende dieses Angebot im Rah-        die in umfassender Weise die Lebensum-      Club Dialog e.V. teil (siehe Seite 22),
men von KUMULUS-PLUS in Anspruch.         stände der Ratsuchenden berücksich-         andere werden in Integrationskurse,
Darüber hinaus unterstützen die Berate-   tigt“, erläutert Marina Bondarew, eine      berufsorientierende und berufsvorbe-

                                                                                                                              13
Handlungsfelder

                                  reitende Maßnahmen oder Qualifizierungen ver-   Integrationswerk Respekt e.V. „Von der
                                  mittelt und wieder andere zu Partnerprojekten   Berufung zum Beruf“
                                  von KUMULUS-PLUS, zum Beispiel zur Kompetenz-
                                  feststellung.                                   Respekt wendet sich gezielt an Migrantinnen und
                                                                                  Migranten mit pädagogischer Ausbildung und Er-
                                                                                  fahrung in sozialen Berufen, beispielsweise Leh-

                                 Lesetipp
                                                                                  rerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher

                          Lesetipp  Lesetipp
                                                                                  oder Sozialpädagoginnen und -pädagogen. Denn
                                                                                  viele von ihnen stehen vor der besonderen Pro-
„Vorurteilsfrei, vertrauensvoll, ergebnisoffen: berufliche Beratung für           blematik, dass ihr Beruf in Deutschland oft an
Eingewanderte“, Handlungsempfehlungen des Facharbeitskreises Be-                  staatlichen Einrichtungen ausgeübt wird, und
ratung vom Netzwerk Integration durch Qualifizierung                              dies ist nur mit einer formalen beruflichen An-
                                                                                  erkennung möglich. Diese zu erhalten ist aber
Wer arbeitslos ist und nach einer Orientierung sucht oder Gefahr läuft, sei-      gar nicht so leicht und kann oft nur mit Anpas-
nen Arbeitsplatz zu verlieren, braucht gute und professionelle Beraterinnen       sungsmaßnahmen erreicht werden, schlimmsten-
und Berater. Einwanderer, die aus anderen Ländern hierher gekommen sind,          falls mit einem erneuten Studium. Die meisten
haben es häufig besonders schwer, denn vielen ist unklar, wo professionell        Eingewanderten können sich das aber gar nicht
tätige Beraterinnen und Berater zu finden sind. So gilt es, dafür zu sorgen,      leisten. Das Transferprojekt berät, begleitet und
dass sie gleichermaßen die Möglichkeit haben, gute Beratung in Anspruch           unterstützt diese Fachkräfte, damit ein Berufsein-
nehmen zu können und auch den Weg dorthin finden. Die Handlungsemp-               stieg dennoch gelingt – mit oder ohne formale
fehlungen zum Thema Beratung in Beruf, Bildung und Beschäftigung be-              Anerkennung. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass
schreiben, wie diese anspruchsvolle Aufgabe zu meistern ist.                      durch kleine Schritte und intensive Beratung in
Download unter www.kumulus-plus.de, Rubrik Publikationen                          Kombination mit Qualifizierung eine berufliche
                                                                                  Integration oft dennoch gelingen kann“, sagt
                                                                                  Manja Kasten, die im Transferprojekt die Beratung
                                                                                  durchführt. Zur Unterstützung gehört auch, Teil-
                                                                                  nehmende zu berufsbezogenen Sprachangeboten

  14   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

weiterzuleiten oder zu einer geeigneten päda-
gogischen Weiterbildung oder sie in Praktika zu
vermitteln, die eine Perspektive bieten. Respekt
kommuniziert auch mit JobCentern, um abzuklä-
ren, inwiefern eine Qualifizierung der Ratsuchen-
den über deren Fördermöglichkeiten finanziert
werden kann. Innerhalb von KUMULUS-PLUS er-
folgt auch eine Weiterleitung zum Transferprojekt
„Kompetenzfeststellung/Potenzialanalyse“.

 Da fehlt doch noch was?!
                                   Mitten aus demMitten ausaus dem
                                                  Leben Mitten dem Leben
                                                                         Lebe
 In Russland war Irina Mironow* „Erzieherin in Vorschuleinrichtungen“, dafür hatte sie ein Diplom gemacht und 18 Jahre Berufser-
 fahrung gesammelt. In Deutschland wird ihre Qualifikation nicht anerkannt – sechs Monate Anpassungsqualifizierung, eine Fach-
 arbeit und ein Kolloquium hält die zuständige Stelle für erforderlich, um eine Gleichwertigkeit zu bescheinigen. Irina Mironow ist
 willens und beginnt mit den Anpassungsmaßnahmen. Nur hat ihr niemand verraten, dass sie auch entsprechende Deutschkenntnisse
 vorweisen muss, wenn sie in ihrem Beruf in Deutschland tätig werden will. Das erfährt sie erst beim Integrationswerk Respekt,
 als sie deren Beratung in Anspruch nimmt – eigentlich um Unterstützung für ihre Facharbeit zu bekommen. Irina Mironow ist
 erschrocken und erwirbt eine gehörige Portion Misstrauen in deutsche Behörden. Jetzt glaubt sie nur noch, was sie schwarz auf
 weiß bescheinigt bekommt. Mit Unterstützung von Respekt kann sie mit den zuständigen Ämtern Vereinbarungen treffen, um die
 Anpassungsmaßnahmen fortzusetzen und die Sprachkurse im Nachhinein zu absolvieren. Nachdem sie die Facharbeit und das Kol-
 loquium mit Bravour bewältigt hat, arbeitet sie sich von ihrem derzeitigen Sprachlevel B1 nach dem Europäischen Referenzrahmen
 für Sprache bis zu C1 hoch. Da ein passender berufsbezogener Sprachkurs nicht angeboten wird, handelt Respekt auch hier einen
 Kompromiss aus und vermittelt fehlende Sprachkurselemente. Inzwischen absolviert Irina Mironow den C1-Kurs und ist optimis-
 tisch, noch in diesem Jahr ihre Anerkennung in den Händen zu halten.
 * Name geändert

                                                                                                                               15
Handlungsfelder

LIFE e.V. “Mit Energie in die              im Bereich der Erneuerbaren Energien       bricht eine Begrüßung auf Polnisch oder
berufliche Zukunft“                        zu finden. Teil der Maßnahme ist eine      Russisch mitunter das Eis“, berichtet
                                           Berufsberatung, in der die Teilneh-        Magdalena Adamczyk-Lewoczko, die im
Seit 1989 bietet der Bildungsträger LIFE   merinnen ihre Ziele und Berufswünsche      Projekt zuständig für Beratung ist.
e.V. Bildung, Beratung und Vernetzung      zur Sprache bringen. Dabei werden auch
für Frauen an. Im Transferprojekt „Mit     Genderfragen thematisiert – viele der
Energie in die berufliche Zukunft“ wen-                                               migra e.V. „Berufliche Beratung
                                           ratsuchenden Frauen haben Familie und
det er sich speziell an Ingenieurinnen
                                           Kinder und sind daher in Bezug auf eine    für Zugewanderte in der Rosto-
mit Einwanderungshintergrund. In                                                      cker Region“
                                           Berufstätigkeit sehr eingeschränkt. Die
einer achtmonatigen Maßnahme wer-
                                           Beratung findet einerseits als beglei-     Das Transferprojekt ist in Trägerschaft
den zugewanderte Akademikerinnen
                                           tendes Angebot zur Orientierungs- und      von „migra e.V. – Sprache, Bildung und
dabei unterstützt, qualifizierte Arbeit
                                           Qualifizierungsmaßnahme “Mit Energie       Integration für MigrantInnen in Meck-
                                           in die berufliche Zukunft“ statt. Ande-    lenburg-Vorpommern“. Das Projektteam
                                           rerseits steht das Beratungsangebot        wendet sich an Erwachsene mit Migra-
                                           auch zugewanderten Akademikerinnen         tionshintergrund in der Region, die Un-
                                           offen, die nicht Teilnehmerinnen der       terstützung bei der beruflichen Orien-
                                           Maßnahme sind, und wird gern genutzt       tierung in der neuen Heimat benötigen.
                                           – circa 60 Beratungen im Jahr finden       In enger Kooperation mit dem Integra-
                                           für diese Zielgruppe statt. Eine mutter-   tionsFachdienst Migration wird eine
                                           sprachliche Beratung gibt es im Projekt    Optimierung der interkulturellen be-
                                           zwar nicht, aber LIFE hat nicht zufällig   ruflichen Beratung von Zugewanderten
                                           eine Beraterin mit Migrationshinter-       durch eine qualifizierte Berufswege-
                                           grund ausgewählt. „Das Heimatgefühl        planung sowie die Vermittlung in Qua-
                                           spielt schon auch eine Rolle, zum einen    lifizierungsmaßnahmen, Praktika und
                                           wissen die Frauen, ich war in der glei-    Arbeit angestrebt. Dazu bietet migra e.V
                                           chen Situation wie sie, und zum anderen    eine umfassende individuelle Beratung

16   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

bei der beruflichen Orientierung und        mit Migrationshintergrund in beruf-         tegration von sozialen und kulturellen
Unterstützung bei der Praktikums- und       licher, sozialer sowie politischer Hin-     Minderheiten in Schule, Gemeinwesen
Arbeitsplatzsuche an. Auch bei der An-      sicht ein. Das Transferprojekt MiA agiert   und Beruf. Priorität haben dabei beson-
tragstellung zur Anerkennung auslän-        im Kreis Unna und in der Stadt Hamm in      ders benachteiligte Minderheiten wie
discher Bildungsabschlüsse geben die        Nordrhein-Westfalen und wendet sich an      Roma und Sinti. Entsprechend bietet
Projektmitarbeiterinnen Hilfestellung.      langzeitarbeitslose Migrantinnen und        die RAA Berlin im Rahmen ihrer Tätig-
(Eine ausführliche Beschreibung der         Migranten, die über 50 Jahre alt sind.      keit für KUMULUS-PLUS ein Angebot zur
Aktivitäten in der Region finden Sie auf    Ihre Chancen für eine Integration in den    beruflichen Beratung, Mobilisierung
Seite 38.)                                  ersten Arbeitsmarkt sollen durch kultur-    und Begleitung für Roma, Sinti und
                                            sensible Beratung verbessert werden,        andere Arbeitssuchende aus dem ehe-
                                            und sie werden zudem dabei unterstützt,     maligen Jugoslawien. Dabei setzt sie
Multikulturelles Forum Lünen                eine Arbeit zu finden. Dazu sind Kon-       einen Schwerpunkt in der aufsuchenden
e.V. „Migrantinnen und Mig-                 takte zu Unternehmen der Region eben-       und mobilen Beratung und Begleitung.
ranten in Arbeit – Beratung und             so wichtig wie eine enge Kooperation        „Ratsuchende werden dort abgeholt, wo
                                            mit den örtlichen Grundsicherungsstel-
Vermittlung in Arbeit in Zusam-                                                         sie leben, ihr soziales Umfeld haben und
                                            len. (Eine ausführliche Beschreibung        sich sicher fühlen,“ erläutert die Berate-
menarbeit mit Unternehmen“                  der Aktivitäten in der Region finden Sie    rin Ksenija Jüngling eine der Beratungs-
(MiA)                                       auf Seite 41.)                              methoden. „Das erzeugt die Vertrauens-
Das Multikulturelle Forum e.V. (MkF) in                                                 basis, die Grundlage jeder erfolgreichen
Lünen ist eine regional verankerte Mig-     RAA Berlin e.V. „Berufliche Be-             Beratung ist, und zudem haben wir im
rantenorganisation mit internationalen                                                  Laufe des Projektes erkannt, dass der Be-
                                            ratung und Begleitung für Roma
Kooperationen und vielfältigen Kompe-                                                   ratungserfolg nicht nur von der Motiva-
tenzen auf dem Gebiet der Integration
                                            und Sinti“                                  tion eines Ratsuchenden abhängt, son-
von Migrantinnen und Migranten. Seit        RAA steht für Regionale Arbeitsstellen      dern auch sehr von der Akzeptanz der
1985 setzt der Verein sich für die Förde-   für Bildung, Integration und Demokratie     Familien beeinflusst wird.“ Ziel ist, dass
rung und Unterstützung von Menschen         e.V. Der Verein fördert seit 1991 die In-   Teilnehmerinnen und Teilnehmer dahin

                                                                                                                                17
Handlungsfelder

                                kommen, die Angelegenheiten des Alltags und ih-           TBB e.V. „InterKulturelle Berufsbera-
                                res Berufswegs selbstorganisiert zu regeln. Bis sie       tung“
                                soweit sind, hilft das Projektteam durch Beratung,
                                Begleitung und Mediation und zeigt Berufswege             Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB)
                                sowie Qualifizierungsmöglichkeiten auf. „Besteht          ist ein Dachverband von Organisationen und
                                diesbezüglich Klarheit bei den Teilnehmenden, ist         Einzelpersonen. Er setzt sich für die rechtliche,
                                es einfacher für sie und die Beratenden der Agen-         soziale und politische Gleichstellung der einge-
                                turen für Arbeit oder der JobCenter, die Möglich-         wanderten ethnischen Minderheiten und für das
                                keiten der Arbeitsförderung effektiv anzuwenden           friedliche Zusammenleben von Deutschen und
                                und zu nutzen“, erläutert Projektleiterin Andrea-         Nicht-Deutschen ein und führt in dem Zusammen-
                                Maria Petrlic den Mehrwert des Angebots. So zählt         hang auch Projekte durch. Im Rahmen des Kom-
                                auch der Abbau von Kommunikations- und Koo-               petenzzentrums KUMULUS-PLUS erreicht dieser
                                perationsbarrieren zwischen Ratsuchenden und              Träger vor allem Ratsuchende türkischer Herkunft
                                Arbeitsverwaltungen zu einem wesentlichen Teil            und bietet ihnen Informationsvermittlung durch
                                der Projektarbeit.                                        Veranstaltungen und persönliche Begleitung
                                                                                          durch Beratung. Der Beratungsansatz basiert
                                                                                          darauf, mit Klientinnen und Klienten gemeinsam
                                „Gespräche unserer Ratsuchenden mit Fallma-               deren berufliche Ziele zu erarbeiten. Hilfe zur
                                                                                          Selbsthilfe steht im Vordergrund. Migrantinnen
                                nagern bereiten wir bei Bedarf sehr gut vor,
                                mitunter erstellen wir dazu ein komplettes Pro-
                                fil der Teilnehmenden. Dazu kamen durchweg
                                positive Rückmeldungen von den Fallmanagern und es öffnete Türen für eine sehr gute Zusammen-
                                arbeit im Sinne des „voneinander Lernens“. Es kam sogar schon öfters vor, dass KUMULUS-PLUS
                                als Kooperationspartner namentlich in den Eingliederungsvereinbarungen festgehalten wurde.“
                                Andrea-Maria Petrlic, Leiterin des Transferprojektes „Berufliche Beratung und Begleitung für Roma und Sinti“

18   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

und Migranten sollen durch Beratung         Das Transferprojekt bietet Gruppenbe-        Beratungsgespräch einbezogen. „Unse-
und Information:                            ratung an, woran sich bei Bedarf Einzel-     re Besonderheit ist die muttersprach-
                                            beratungen anschließen – die auch bei        liche und kultursensible Beratung“, sagt
 die eigene persönliche Motivstruktur
                                            anderen Beratungsstellen durchgeführt        Berrin Alpbek, eine der Beraterinnen
  und eigene Werte erkennen,
                                            werden können, beispielsweise in ande-       beim TBB.
 Ziele, Erwartungen und Prioritäten        ren Migrantenorganisationen, in Quar-
  identifizieren und überprüfen,            tiersmanagements, in Frauenberatungs-
 persönliche Ressourcen erkennen und       stellen oder bei Integrationskurträgern.
  weiterentwickeln,                         Im Sinne einer ganzheitlichen Beratung
 Handlungsschritte planen.                 werden Familienverhältnisse mit in das

 Ein hoffnungsloser Fall?
                                    Mitten aus demMitten ausaus dem
                                                   Leben Mitten dem Leben
                                                                          Lebe
 Cansu Güler* ist 27 Jahre alt, in Deutschland aufgewachsen und hat einen Realschulabschluss, konnte aber danach keinen Ausbil-
 dungsabschluss erreichen – eine Lehre zur Hauswirtschaftshelferin und eine zur Arzthelferin hat sie bereits abgebrochen. Nun
 strebt sie eine Ausbildung im Gesundheitswesen oder als Einzelhandelskauffrau an, doch sie findet keine Lehrstelle. Cansu Güler
 ist frustriert, fühlt sich allein gelassen, schlecht behandelt und aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert – so kommt sie zur Interkul-
 turellen Berufsberatung beim TBB. Dort fasst sie Vertrauen zur Beraterin und ist bereit, die Kompetenzfeststellung des Partnerpro-
 jektes zu durchlaufen, und siehe da: Ihre Berufswünsche passen zu ihrem Profil. Was nun? Eine entsprechende überbetriebliche Be-
 rufsbildungsmaßnahme wird durch das JobCenter nicht gefördert, mit der Begründung, dass sie diese Ausbildung eventuell wieder
 abbrechen würde. So wird ein Projektpartner eingeschaltet, der eine Teilqualifizierung im Bürobereich anbietet, um damit zwei Ziele
 zu erreichen: Cansu Güler Selbstvertrauen zu geben und das JobCenter von deren Ausbildungsfähigkeit zu überzeugen Cansu Güler
 schließt die Maßnahme erfolgreich ab und ist wie verwandelt – hoch motiviert und mit viel mehr Selbstvertrauen. So findet sie eine
 Teilzeitbeschäftigung in einem Kaufhaus. Parallel bemüht sie sich weiter um einen Bildungsgutschein für eine überbetriebliche
 Berufsausbildung im Einzelhandel. Den „Kassenschein“ will sie nebenbei auch erwerben.
 * Name geändert

                                                                                                                                  19
Handlungsfelder

                                Kompetenzfeststellung:                           ermittelt schwerpunktmäßig Basiskompetenzen
                                                                                 wie Sprache, Hör- und Leseverständnis, schrift-
                              Fähigkeiten bescheinigen                           liche Kompetenz, mündliche Kompetenz, Ge-
                                                                                 sprächsführung, mathematische Grundkenntnisse,
                                                                                 berufsbezogenes Alltagswissen. Darüber hinaus
                                                                                 werden personale und soziale Kompetenzen sowie
                              GFBM e.V. „Kompetenzfeststellung/Po-               Methoden-, Medien- und Präsentationskompe-
                              tenzialanalyse“                                    tenzen erfasst. „KomPass“ besteht aus verschie-
                                                                                 denen Bausteinen, die je nach Bedarf eingesetzt
                              Besteht für Ratsuchende ein tiefer gehender Klä-   und kombiniert werden. In einem begleiteten
                              rungsbedarf bezüglich ihrer beruflichen Kompe-     Selbstevaluationsverfahren werden die beruflich
                              tenzen und Potenziale, vereinbaren Beraterinnen    verwertbaren Erfahrungen, Kompetenzen und
                              und Berater der verschiedenen Transferprojekte     Qualifikationen der Teilnehmenden ermittelt und
                              des Kompetenzzentrums KUMULUS-PLUS die             in einer mehrsprachigen Dokumentationsmappe
                              Teilnahme am Kompetenzfeststellungsverfahren       dokumentiert. Im Verfahren „KomPass-Plus“ wird
                              „KomPass“ oder „KomPass-Plus“. Das Verfahren       auch darüber informiert, wo und wie im Ausland
                              wurde vom Transferprojekt bei der Gesellschaft     erworbene Bildungs- und Berufsabschlüsse in
                              für berufsbildende Maßnahmen e.V. (GFBM)           Deutschland anerkannt bzw. gleichgestellt und
                              entwickelt. „KomPass“ ist ein differenziertes      wie Berufsabschlüsse nachgeholt werden können.
                              Verfahren der Kompetenzfeststellung zur Vor-       Neben der Mappe erhalten Teilnehmende eine
                              bereitung von Beratungs- und Qualifizierungs-      ausführliche Beratung zu ihren Beschäftigungs-
                              prozessen für Jugendliche und Erwachsene mit       und Qualifizierungsmöglichkeiten, eine dazu pas-
                              Migrationshintergrund. Zielsetzung ist, Ratsu-     sende Förderempfehlung inklusive eines etwaig
                              chende möglichst früh von der passiven Rolle in    erforderlichen Hinweises auf einen passenden
                              einen aktiven Gestaltungsprozess ihrer Qualifi-    Sprachförderkurs. Auf dieser Basis wird bei dem
                              zierungs- und Beschäftigungsperspektiven zu        entsendenden      KUMULUS-PLUS-Transferprojekt
                              bringen. Das Kompetenzfeststellungsverfahren       die Beratung fortgesetzt.
20 Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

LIFE e.V. „Fachliche Kompetenzfeststel-             nicht nur um Berufsabschlüsse und -erfahrungen,
lung und Potenzialassessment“                       sondern auch um Fähigkeiten, die nicht schwarz
                                                    auf weiß zertifiziert sind. Hier wird die Basis für
Zu dem achtmonatigen Programm„Mit Energie           die weitere Qualifizierung und berufliche Ori-
in die berufliche Zukunft“ des Bildungsträgers                                                              „Wenn ich das ge-
                                                    entierung gelegt. Mit den Anforderungen der
LIFE e.V. gehört auch ein Modul „Feststellung von   Arbeitswelt können Migrantinnen sich in einem
                                                                                                            wusst hätte, dass es
                                                    weiteren Modul, dem Potenzialassessment, aus-           hier so was gibt, dann
                                                    einandersetzen, in dem es um die Feststellung von       hätte ich ein anderes
                                                    Schlüsselkompetenzen geht. Jede Teilnehmerin            Leben geführt, würde
                                                    durchläuft vier Assessmentsimulationen – her-           schon früher meinen
                                                    ausfordernde kritische Situationen, die für einen       Weg finden und wäre
                                                    Berufseinstieg in die Branche Erneuerbare Ener-         jetzt schon viel weiter
                                                    gien typisch sind. Arbeitsmarktexpertinnen und          gewesen.“
                                                    Arbeitsmarktexperten, Berufsberater/innen mit
                                                                                                            Zitat aus der Feedbackrun-
                                                    und ohne Migrationshintergrund und Personal-            de bei der GFBM
                                                    entwickler/innen aus technischen Unternehmen
                                                    und aus der Branche Erneuerbare Energien haben
                                                    diese Aufträge in gemeinsamen Workshops entwi-          „Jetzt weiß ich, was
                                                    ckelt. Geschulte Beobachterinnen halten Reakti-
                                                                                                            ich machen soll, und
                                                    onen und Verhaltensweisen der Teilnehmerinnen
                                                    sowie darauf basierende Kompetenzen fest, geben
                                                                                                            was nicht. Das war
                                                    Feedback und schreiben für jede Teilnehmerin ein        eine gute Chance für
Fachkompetenzen“. Mit einem eigens entwickel-       individuelles Kompetenzprofil, das Grundlage der        mich.“
ten, fachspezifischen Kompetenzfeststellungsver-    weiteren Beratung und Qualifizierung ist.               Zitat aus der Feedbackrun-
fahren ermittelt die Expertin des Projektteams                                                              de bei der GFBM
anhand eines Interviewleitfadens Qualifikati-
onen, Kompetenzen und Interessen. Dabei geht es

                                                                                                                                21
Handlungsfelder

                                  Qualifizierung:                                chenden ein PC-gestütztes, betreutes Selbststu-
                                                                                 dium an, welches so stark nachgefragt wird, dass
                     Durch Wissen weiter kommen                                  es Wartelisten gibt. Das Angebot fördert die Ei-
                                                                                 geninitiative und Motivation der Teilnehmenden,
                                                                                 verdeutlicht deren berufliche und soziale Inte-
                                                                                 grationsziele und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
                               Club Dialog e.V. „Fahrplan berufliche             Es gibt verschiedene Module. Im Selbststudium
                               Integration“                                      EDV lernen die Teilnehmenden die Grundlagen
                                                                                 der elektronischen Datenverarbeitung auf Basis
                               Ergänzend zur beruflichen Beratung russisch-
                                                                                 des Betriebsystems Windows sowie den Umgang
                               sprachiger Eingewanderter und Ausgesiedelter      mit gängigen Officeprogrammen. Auf dieser Basis
                               (siehe Seite 13) bietet Club Dialog e.V. Ratsu-   können Sprachstudien in Deutsch und Englisch
                                                                                 folgen oder das Selbststudium zur Berufsorien-
                                                                                 tierung. Alle erledigen selbstständig gestellte
                                                                                 Aufgaben – ja nach Bedarf mit mehr oder weniger
                                                                                 Unterstützung von Dozentinnen und Dozenten.
                                                                                 Auch erfahrene Teilnehmerinnen und Teilnehmer
                                                                                 helfen Neuankömmlingen und geben erworbene
                                                                                 Selbststudiumsmethoden und -techniken weiter.
                                                                                 Das Angebot wird vor allem im Anschluss an einen
                                                                                 Integrationskurs wahrgenommen, von geringfü-
                                                                                 gig Beschäftigten oder von Teilnehmenden, die
                                                                                 beispielsweise Englisch- oder EDV-Kenntnisse zur
                                                                                 Aufnahme einer beruflichen Qualifizierung oder
                                                                                 einer Beschäftigung benötigen. Ein Drittel der
                                                                                 Teilnehmerinnen und Teilnehmer belegt mehre-

22  Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

re Module. Eine weitere Unterstützung
des Projektteams zur Arbeitsmarktin-
tegration der Ratsuchenden sind Semi-
nare und Workshops zu Bewerbungen
sowie zur Selbstpräsentation und zur
(Weiter)Entwicklung kommunikativer
Fähigkeiten.

FCZB e.V. „BEOMI - Qualifizie-
rung für Migrantinnen“
Träger dieses Transferprojektes ist das
FrauenComputerZentrumBerlin         e.V.   Migrantinnen, die über Ehegatten- bzw.     Anschluss an eine Startphase mit ers-
(FCZB), das seit 1984 IT-Fortbildungen     Familiennachzug nach Berlin gekom-         ten Kompetenzbilanzierungen insbe-
und individuelle Lernangebote für Frau-    men sind. Sie sind noch wenig orientiert   sondere zu IT und Deutsch, erfolgt die
en mit unterschiedlichsten Hintergrün-     über ihre beruflichen Möglichkeiten,       Durchführung je nach Vorkenntnissen,
den, Lebenssituationen und beruflichen     aber motiviert und bringen häufig eine     Potenzialeinschätzung und Zielen nach
Zielen entwickelt. Die mehrmonatige        gute Schulbildung, Ausbildung sowie        individuellen Lernplänen in einer Mi-
Maßnahme im Rahmen von KUMU-               Qualifizierung mit. Ohne eine geeignete    schung aus Gruppen- und Einzel-Lern-
LUS-PLUS bietet Berufsorientierung in      zielgruppenspezifische Maßnahme sind       einheiten. Ein Praktikum dient der Be-
Kombination mit einer Förderung von        sie von dauerhafter Erwerbslosigkeit,      rufsfelderkundung sowie als Referenz
Schlüsselkompetenzen, Deutsch als          Hilfebedürftigkeit und Verlust der vor-    für die weitere Arbeitsplatzsuche. Auf
Fremdsprache sowie der Vermittlung         handenen Kompetenzen und Potenziale        dem Weg in die Erwerbstätigkeit werden
von IT-Kenntnissen. Das Transferprojekt    bedroht. Aufgrund der entsprechenden       die Teilnehmerinnen durch den Einsatz
entstand 2010 als Reaktion auf die be-     Nachfrage wurde das Angebot später         von Mentorinnen individuell begleitet
sonderen Bedürfnisse von erwachsenen       für Migrantinnen generell geöffnet. Im     und unterstützt.

                                                                                                                             23
Handlungsfelder

                                KHS gGmbH „Weiterbildung und Fach-                   bezogenes Deutsch werden in Praxissituationen
                                sprachenerwerb“                                      eingeübt und vertieft. Diese methodische und
                                                                                     didaktische Herangehensweise ermöglicht den
                                Der Bildungsträger KHS Kirchhofschmiede gGmbH        Teilnehmenden einen niedrigschwelligen Zugang
                                wurde 1986 gegründet, um jungen Menschen eine        zu der Bildungsmaßnahme. Das Projektteam stellt
                                Berufsausbildung oder Qualifizierung zu ermög-       sich sehr flexibel auf Teilnehmerinnen und Teil-
                                lichen und ihre gesellschaftliche Integration        nehmer ein. „In der Erstberatung merkten wir,
                                zu fördern. Im Rahmen des Kompetenzzentrums          dass manche Teilnehmende sich nicht auf eine
                                KUMULUS-PLUS bietet die KHS drei modular auf-        sechsmonatige Qualifizierung festlegen moch-
                                gebaute Bildungsmaßnahmen für jeweils maximal        ten“, berichtet Ingrid Schönsee von der KHS, „dar-
                                15 Migrantinnen und Migranten an, die über eine      aufhin haben wir die Maßnahme auf drei Monate
                                Berufsausbildung und/oder über Berufserfahrung       verkürzt, doch nach dieser Weiterbildungszeit
                                verfügen, die sie in der Regel in ihrem Herkunfts-   baten die Teilnehmenden um Verlängerung, so
                                land erworben haben:                                 dass letztendlich doch die ursprünglich vorge-
                                 Berufliche Qualifizierung mit integrierter         sehene Zeit genutzt wurde“. Auch das Angebot
                                  Sprachförderung im Bereich EDV                     „Deutsch im Beruf im Bereich Einzelhandel“ wurde
                                                                                     entsprechend den Bedürfnissen der Seminarteil-
                                 Berufliche Qualifizierung mit integrierter
                                                                                     nehmenden überarbeitet. Es wurde modularisiert,
                                  Sprachförderung im Bereich Verkauf/Einzel-
                                                                                     der Erwerb eines Kassenpasses hinzugefügt und
                                  handel
                                                                                     die einzelnen Module auf jeweils sechs Wochen
                                 Berufliche Qualifizierung mit integrierter         verkürzt. Schönsee: „Wir haben die Erfahrung
                                  Sprachförderung im Bereich Büro/Verwaltung         gemacht, dass auch Teilnehmerinnen oder Teil-
                                Die Besonderheit des Angebotes liegt darin, dass     nehmer ohne Berufsabschluss, die in Deutschland
                                es sehr praxisbezogen ist und die Vermittlung        noch nicht gearbeitet haben, mit dem Kassenpass
                                von Berufssprache und Qualifizierungsinhalten        Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben.“
                                miteinander verknüpft. Fachsprache und berufs-

24   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

Zukunft mit Aussicht
                             Mitten aus demMitten ausaus dem
                                            Leben Mitten dem Leben
                                                                   Leben
Drei Qualifikationen bringt Tatjana Schelhorn bei ihrer Einwanderung aus Russland mit: Sie ist Diplom-Ingenieurin für Wasserver-
sorgung und Abwasserleitung, sie hat eine Grafikausbildung und sie hat Bürokauffrau gelernt. Sie kann nicht verstehen, dass ihr vom
zuständigen Berliner JobCenter diverse Maßnahmen angeboten und finanziert werden, aber ausgerechnet ihr Diplom dabei völlig
außer Acht gelassen wird. Nach diversen erfolglosen Versuchen, einen guten Job zu bekommen, entdeckt sie selbst im Internet das
Angebot von LIFE e.V. „Mit Energie in die berufliche Zukunft“. „Das passte genau zu mir, daran wollte ich unbedingt teilnehmen“,
sagt sie. Acht Monate später hat sie einen Job in der Wasserwirtschaft und jede Menge Perspektiven. Tatjana Schelhorn: „Die drei
Säulen, auf denen ich meine Karriere aufbauen will, sind meine technische Qualifikation, meine russischen Sprachkenntnisse und
die Erneuerbare Energien. Zudem habe ich gute Argumente: Ich bin flexibel, ich bin qualifiziert, ich bin noch jung, ich habe Kraft
– das sind doch ganz gute Zukunftsaussichten.“ (Tatjana Schelhorn Foto 2.v.l., bei der Besichtigung einer Windkraftanlage)

                                                                                                                                  25
Handlungsfelder

                                LIFE e.V. „Mit Energie in die berufliche            auf hohem Niveau. Energieeffizienz, Solarthermie,
                                Zukunft”                                            Photovoltaik, Windenergie und Biomassenutzung
                                                                                    sind die fachlichen Schwerpunkte dieses Moduls.
                                Neben der Berufsberatung und der Kompetenzfest-
                                stellung bietet die Maßnahme „Mit Energie in die    Es geht aber auch um den Erwerb fachübergrei-
                                berufliche Zukunft“ von LIFE auch ein Modul zur     fender Kompetenzen wie Kundenkommunikation,
                                Qualifizierung und zur Branchenorientierung in      Projektmanagement, Arbeiten im Team oder Prä-
                                den Erneuerbaren Energien. Die Teilnehmerinnen      sentationen von Arbeitsergebnissen. In einem
                                lernen die Grundlagen der Erneuerbaren Energien     anderen Modul setzen sich die Teilnehmerinnen
                                kennen sowie Arbeitsfelder in der Branche und der   mit den Anforderungen der deutschen Arbeitswelt
                                dafür jeweils erforderlichen Qualifikationen. Da    auseinander, sie lernen Normen ebenso wie unge-
                                Akademikerinnen weiter gebildet werden, erfolgt     schriebene Gesetze kennen und üben, wie sie sich
                                die Qualifizierung und die Branchenorientierung     beispielsweise bei einer Kontaktaufnahme per Te-
                                                                                    lefon oder im Bewerbungsgespräch präsentieren.
                                                                                    In den letzten drei Monaten des Programms ma-
                                                                                    chen die zugewanderten Akademikerinnen die
                                                                                    Probe aufs Exempel – sie verifizieren ihre Fertig-
                                                                                    keiten und Kompetenzen in Praktika, die jeweils
                                “Migrantinnen können nicht nur Flugzeuge            den Arbeitsbereichen der neu erworbenen be-
                                putzen, sie können sie auch konstruieren.“          ruflichen Ziele entsprechen sollen. Dabei gelingt
                                Andrea Simon, Leiterin des Transferprojektes „Mit   nicht selten gleich der Schritt in den ersten Ar-
                                Energie in die berufliche Zukunft“                  beitsmarkt.

26   Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Jeder arbeitet nach seiner Façon

       Vermittlung in Arbeit:                       unerlässlich“, betont Mehmet Türk, einer der Be-
                                                    rater im Transferprojekt, „das Personal- und Ar-
          Das Ziel vor Augen                        beitsmanagement bildet somit die Grundlage der
                                                    Arbeitsvermittlung im Netzwerk“. Zur Verfügung

Arbeit und Bildung e.V. „Personal- und
Arbeitsmarktmanagement“
Das Transferprojekt berät kleine und mittlere Be-
triebe (KMU) im Hinblick auf die Entwicklung und
Gewinnung von Arbeitsplätzen sowie den Erhalt
bestehender Stellen im Unternehmen. Auch Exis-
tenzgründungsberatungen werden in dem Zusam-
menhang angeboten und in Anspruch genommen.
Allerdings profitieren nicht nur Betriebsinhabe-
rinnen und -inhaber, sondern auch Beschäftigte
der Firmen erhalten Beratung – insbesondere zur
Sicherung des Arbeitsverhältnisses oder für die
individuelle Karriereplanung. 600 Unternehmen
oder Gründende werden durchschnittlich im Jahr      stehende Arbeitsplätze in den beratenen Unter-
durch zwei Experten beraten und begleitet. Die      nehmen werden Ratsuchenden aus dem Netzwerk
Dienstleistung erfolgt in enger Kooperation mit     KUMULUS-PLUS angeboten – in erster Linie der
den Berliner Industrie- und Handelskammern          Klientel der Transferprojekte, aber auch Kun-
und den Handwerkskammern. „Zur individuellen        dinnen und Kunden externer Netzwerkpartner wie
beruflichen Integration von Migrantinnen und        dem Arbeitgeberservice der Agenturen für Arbeit
Migranten ist die Zusammenarbeit mit Betrieben      und ihnen angeschlossener JobCenter.

                                                                                                                             27
Handlungsfelder

„Netzwerke sind eine Arbeitsform der
Zukunft. Wie sinnvoll die Bündelung von
Ressourcen und Kompetenzen ist, zeigt
sich deutlich in der engen Zusammenarbeit
unseres JobCenters mit externen Part-
nern – wir sind einfach erfolgreicher.“
                   Anke Overbeck, Beauftragte für Chancen-
                  gleichheit und Migrationsangelegenheiten
                      im JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg

           Netzwerken bei KUMULUS-PLUS: Mit System zusammenarbeiten
28 Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Mit System zusammenarbeiten

Der Unterschied zwischen Netzwerken und dem              andere Arbeitssuchende aus dem ehemaligen
bloßen Sammeln von guten Kontakten ist die Sys-          Jugoslawien,
tematik. Wer in Netzwerken arbeitet, baut zielge-        der TBB e.V. ist vor allem Ansprechpartner für
richtet Beziehungen auf und aus. Vorteile haben           Ratsuchende türkischer Herkunft
solche Beziehungsgeflechte vor allem dann, wenn
                                                         und Arbeit und Bildung e.V. ist als Koordinati-
die Partner nicht aus demselben Umfeld, Beruf
                                                          onsstelle für die Agenturen und JobCenter der
oder Interessenbereich stammen. „Sonst erzeu-
                                                          zentrale Ansprechpartner des Kompetenzzent-
gen sie nur Echos“, so Brian Uzzi, Professor an
                                                          rums, wo Beratungsbedarfe seitens dieser koo-
der Kellogg School of Management in einer seiner
                                                          perierenden Institutionen erfasst werden, um
Netzwerk-Studien.
                                                          selbst zu beraten oder an die beteiligten Part-
Wie sich diese Theorie in der Praxis darstellt, lässt     ner weiterzuleiten.
sich beispielsweise im Handlungsfeld Beratung
                                                        Die Beratung der unterschiedlichen Zielgruppen
des Berliner Netzwerks von KUMULUS-PLUS er-
                                                        schlägt sich auch in der Ansprache und der Be-
kennen. Sechs Transferprojekte bieten in Berlin
                                                        ratungsform nieder. Der besondere Mehrwert für
berufliche Beratung für Erwachsene mit Migrati-
                                                        Projekte und für Ratsuchende entsteht durch
onshintergrund an:
                                                        Schnittstellen. So würde die russischsprachige
 Club Dialog e.V. hat guten Zugang zu russisch-        Maschinenbauingenieurin, die Club Dialog auf-
  sprachigen Migrantinnen und Migranten,                sucht, eine Empfehlung für die Beratung und wei-
 das Integrationswerk Respekt e.V. wendet sich         tere Leistungen von LIFE bekommen. Oder: Alle
  gezielt an Migrantinnen und Migranten mit päd-        Beratungsprojekte können bei Bedarf das Know-
  agogischer Ausbildung und Erfahrung in sozi-          how des Transferprojektes „Kompetenzfeststel-
  alen Berufen,                                         lung / Potenzialanalyse“ nutzen.
 LIFE e.V. ist spezialisiert auf die Beratung von      Damit sich die Beratungsarbeit optimal ergänzt,
  Akademikerinnen mit Migrationshintergrund,            haben alle Partner des Kompetenzzentrums einen
 die RAA Berlin e.V. erreicht Roma, Sinti und          kennwortgeschützten Zugang zur Beratungsda-

                                                                                                                               29
Netzwerken bei KUMULUS-PLUS

                              tenbank von KUMULUS-PLUS, mit der einerseits        Datenbanken oder das Handbuch sind Grundlagen
                              der individuelle Beratungsprozess dokumentiert      und Produkte, die zur Unterstützung der internen
                              wird und andererseits die individuellen Wege von    Netzwerkarbeit bei KUMULUS-PLUS entwickelt
                              Ratsuchenden durch Weiterleitungen innerhalb        und erprobt werden. Auch die Kompetenzfeststel-
                              des Netzwerkes bzw. zu Partnern außerhalb durch     lungsverfahren „KomPass“ und „KomPass-Plus“
                              entsprechende Hinweise nachvollzogen werden         fördern die Arbeit im Netzwerk strukturell, da sie
                              können.                                             von allen anderen Transferprojekten und auch
                                                                                  von externen Partnern in Anspruch genommen
                                                                                  werden können. Der „Pendelflyer“, als Kommuni-
                                                                                  kationsinstrument zwischen JobCentern und dem
                                                                                  Kompetenzzentrum, die „Infotage Migration“ als
                                                                                  Veranstaltungsreihe mit Fortbildungscharakter
                                                                                  für und mit Berliner JobCentern oder die Bera-
                                                                                  tungskooperation „Jobassistenz“ sind wiederum
                                                                                  Verfahren, die zur Unterstützung der Zusammen-
                                                                                  arbeit mit externen Partnern oder anderen Netz-
                                                                                  werken dienen. Das Transferprojekt Netzwerkcoa-
                                                                                  ching der Koordinationsstelle von KUMULUS-PLUS
                                                                                  hat bei der internen Pflege der Netzwerkstruktu-
                                                                                  ren die Aufgabe, moderierend, fachlich begleitend,
                                                                                  aber nicht diktierend zu wirken.
                              Die Arbeit in einem Netzwerk dieser Größe und von
                              diesem Vernetzungsgrad zu koordinieren und zu
                              moderieren ist eine Herausforderung. Erst Instru-
                              mente und Strukturen machen dies handhabbar.
                              Trägerentwicklungsgespräche, Steuerungsrunden,

30 Das Prinzip KUMULUS-PLUS
Mit System zusammenarbeiten

     KUMULUS-PLUS intern:
       Strukturen schaffen

                                                                                                          „Das Netzwerkcoaching
Einmal jährlich führt die Leitung des Kompetenz-     Bezug auf das ganze Netzwerk KUMULUS-PLUS.           halte ich für besonders
zentrums mit jedem Transferprojekt ein Träger-       Denn manchmal ist man ja betriebsblind. Oder
                                                                                                          wertvoll, denn einerseits
entwicklungsgespräch, dessen Dokumentation           weiß noch gar nicht, dass ein Partnerprojekt ganz
die Grundlage der zukünftigen Arbeit bildet.         ähnliche Pläne hat. Beim Netzwerkcoaching wer-       ist der neutrale Blick
„Netzwerkstrukturen müssen Raum für Flexibili-       den aber auch verborgene Schätze der Transfer-       der Coaches auf unsere
tät bieten, in unserem Fall bedeutet das, dass wir   projekte entdeckt, von denen dann auch andere        Arbeit immens wichtig.
immer wieder unsere Handlungsansätze im Hin-         als Beispiel guter Praxis profitieren können.        Andererseits können in
blick auf die Entwicklungen des Arbeitsmarktes
                                                     Die Steuerungsrunden des Kompetenzzentrums
                                                                                                          diesem Rahmen neue
und die Bedarfe unserer Zielgruppen überprüfen                                                            Ideen angesprochen
                                                     KUMULUS-PLUS finden monatlich statt. Gemein-
und gegebenenfalls verändern“, erläutert Kompe-                                                           werden. So ist zum
                                                     sam treffen die Teams der Transferprojekte hier
tenzzentrumsleiter Stefan Nowack.                                                                         Beispiels der KUMULUS-
                                                     inhaltliche Absprachen oder erörtern Koope-
Das Netzwerkcoaching hat ähnliche Elemente,          rationen mit neuen oder vertrauten Partnern,         PLUS weite Workshop
findet aber häufiger statt. Netzwerkcoaches sind     beispielsweise der JobCenter, der Zentralen Aus-     ‚Gender in der Beratung’
die Mitarbeiter des Koordinierungsprojektes bei      landsvermittlung der BA, Beratungseinrichtung        auf einer der Sitzungen
Arbeit und Bildung e.V. Jedes Transferprojekt        der Bundeswehr oder verschiedenen Personal-          des Netzwerkcoachings
wird etwa alle zwei Monate von einem Coach be-       dienstleistern wie Randstad oder Manpower. In        geboren und weiterver-
sucht, um über aktuelle Projektaktivitäten, Pläne    dieser Runde wird auch über die Durchführung
                                                                                                          folgt worden.“
oder auch Schwierigkeiten zu sprechen. Das dient     von Workshops entschieden, die besondere Ak-
                                                                                                          Andrea Simon, Leiterin
der Reflexion der eigenen Arbeit – einerseits in-    zente in der Arbeit des Kompetenzzentrums set-       des Transferprojektes „Mit
nerhalb der Transferprojekte und andererseits in     zen, wie das beim Gender-Workshop der Fall war       Energie in die berufliche
                                                                                                          Zukunft“
                                                                                                                              31
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