Rassismusvorfälle aus der Beratungs-arbeit 2020 - Bericht zu rassistischer Diskriminierung in der Schweiz auf der Grundlage des ...

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Rassismusvorfälle
                        aus der Beratungs-
                        ­arbeit 2020

Bericht zu rassistischer Diskriminierung in der Schweiz auf
der Grundlage des Dokumentations-Systems Rassismus DoSyRa
Vorwort      1

Rassismusprävention
in Krisenzeiten

Jahr für Jahr zeigt uns der vorliegende Auswertungsbericht die Fälle, die durch das Beratungsnetz für
Rassismusopfer behandelt werden und was Opfer von Rassismus und rassistischer Diskriminierung
in ihrem Alltag erleben. Der Bericht veröffentlicht die dreizehnte Auswertung von Beratungsfällen zu
rassistischer Diskriminierung und erscheint inhaltlich und grafisch in neuer Form. Der Bericht des
Jahres 2020 erhebt, wie auch die früheren Ausgaben, keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt
kein umfassendes Monitoring oder eine präzise Statistik der Vorfälle in der Schweiz im vergangenen
Jahr bereit. Wer sich hingegen dafür interessiert, was hinter den Begriffen «Rassismus» und «rassis-
tische Diskriminierung» steckt, findet hier eine wertvolle Informationsquelle.

Die Pandemie stellte im Jahr 2020 für die ganze Gesellschaft eine extreme Herausforderung dar. Sie
hatte auch einen Einfluss auf die Orte, an denen rassistische Diskriminierung vorkam. Zwar ver-
zichtet der vorliegende Bericht auf Vergleiche mit dem Jahr 2019, weil die Methodik der Fallerfassung
2020 überarbeitet wurde. Trotzdem ist festzustellen, dass sich die im Jahr 2020 erfassten Fälle vom
öffentlichen in den privaten Raum, etwa die Nachbarschaft, verlagert haben. Der Lockdown spielte
also eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Arbeitsplatz blieb allerdings weiterhin ein Bereich, in
dem Diskriminierung häufig vorkam.

Solche Entwicklungen müssen weiter beobachtet und reflektiert werden. Für die Rassismuspräventi-
on braucht es gute Kenntnisse der Mechanismen, die rassistische und diskriminierende Handlungen
begünstigen. Die Beobachtungen in der Corona-Krise zeigen uns einmal mehr, dass Ungewissheiten
und Spannungen innerhalb der Gesellschaft zu Entgleisungen und zur Herabsetzung von Menschen
führen können. Die Versuchung, einen Sündenbock zu suchen, ist in schwierigen Zeiten gross. Sie
nimmt leider immer mehr die Form von «Fake News» und zweifelhaften Verschwörungstheorien an,
die auf den sozialen Netzwerken leichte Verbreitung finden. Dies gilt beispielsweise für antisemitisch
inspirierte Verschwörungstheorien. Wir müssen die Konsequenzen aus unseren Beobachtungen zie-
hen. Heute ist es die Pandemie, morgen sind es andere Krisen, die in der Gesellschaft andere Ver-
unsicherungen und Ängste hervorrufen können.

Die Beratungsstellen innerhalb und ausserhalb des Beratungsnetzes spielen eine wesentliche Rolle
als Ort des Zuhörens, des Begleitens und des Vermittelns. Durch ihre Arbeit zeigen sie uns ein zeit-
nahes Abbild der Diskriminierungsprobleme und des Umfelds, in dem sie vorkommen. Dank dieser
Indikatoren können Präventionsmassnahmen entwickelt werden und Akteure an den relevanten Or-
ten sensibilisiert werden. Diskriminierung kann überall vorkommen. Doch Diskriminierung kann
zurückgedrängt werden, wenn sich alle der zugrundeliegenden Mechanismen bewusst werden. Wer
diesen Bericht liest, kann auch aktiv Prävention leisten.

Abschliessend möchte ich Gina Vega von humanrights.ch und Giulia Reimann, wissenschaftliche Mit-
arbeiterin der EKR, für ihre Analyse- und Koordinationsarbeit herzlich danken. Doch den entschei-
denden Beitrag zu diesem Bericht haben die Beratungsstellen geliefert, die dem Beratungsnetzwerk
für Rassismusopfer angegliedert sind. Es freut mich und erfüllt mich mit Stolz, ihnen im Namen aller
unsere Anerkennung auszusprechen.

Martine Brunschwig Graf
Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, EKR
2                                                                   Inhalt   3

    Vorwort                                                            1

    Teil I – Einführung                                                4
      Das Beratungsnetz 2020
      Methodik
      Die Beratungsstellen im Überblick
      Berichtsjahr 2020: Das Wichtigste in Kürze
    Teil II – Analyse
      Kontaktnahme und Dienstleistungen                               10
      Welche Personen haben Rat gesucht?
      Wie wurde der Kontakt aufgenommen?
      Welche Dienstleistungen haben die
      Beratungsstellen erbracht?
      Beschreibung der Diskriminierungsvorfälle                       12
      In welchem Lebensbereich geschahen die Vorfälle?
      Wie wurde diskriminiert?
      Welche Feindbilder, Zielgruppen und
      Ideologien waren involviert?
      Lag eine Mehrfachdiskriminierung vor?

      Betroffene Personen                                             18
      Welche Angaben gibt es zu den betroffenen Personen?
      Regionale Herkunft
      Nationalität
      Gender
      Alter
      Rechtsstatus
    Teil III – Thema Rassismus und Diskriminierung im Jahr 2020       20
      Beitrag von Dr. Nora Refaeil
      Die eigenen Rechte kennen

    Teil IV – Nicht ausgewertete Fälle                                23
      Meldungen ohne Beratungstätigkeit
    Teil V – Glossar                                                  24

    Teil VI – Mitwirkende und Danksagung                              25
      Mitwirkende Beratungsstellen 2020
4   Teil I – Einführung                                                                                                                                               Teil I – Einführung     5

    Das Beratungsnetz 2020
                                                                                               Hautfarbe, rassistischen Zuschreibung, Religion oder Sprache ohne sachlichen Grund
                                                                                               stattgefunden hat und sich für die betroffene Person nachteilig auswirkte.

                                                                                               Einfache Meldungen (z.B. ein anonymer Brief oder Medienbeiträge) fliessen nicht in
                                                                                               die detaillierte Auswertung ein, werden aber separat berücksichtigt (vgl. Teil IV, S. 23).
    Mit dem vorliegenden Bericht wird die dreizehnte Auswertung von Beratungsfällen zu         Unberücksichtigt bleiben Fälle, die zwar zu einer Beratungsleistung geführt haben,
    rassistischer Diskriminierung* in der Schweiz veröffentlicht. Das Beratungsnetz für        eine rassistische Diskriminierung aber ausgeschlossen werden konnte.
    Rassismusopfer wurde 2005 als Joint Venture Projekt zwischen der Eidgenössischen
    Kommission gegen Rassismus EKR und der Menschenrechtsorganisation human-
    rights.ch gegründet und entwickelt sich seither stetig weiter. Die 23 teilnehmenden        1    Falleingabe
    Beratungsstellen sind wichtige Akteurinnen in der Antirassismus-Arbeit. Sie bieten              Die Beratungsstellen erfassen die von ihnen behandelten Fälle im «Dokumentations-
                                                                                                    system Rassismus» (DoSyRa) und ordnen die geschilderten Vorfälle den vorgegebe-
    für Betroffene Auskunft, psychosoziale Beratung und Rechtsberatung an und treten
                                                                                                    nen analytischen Kategorien zu.
    auch immer wieder als vermittelnde Instanzen auf. Sie leisten mit ihren vielfältigen
    Interventionen einen zentralen Beitrag zu Begleitung, Beratung und Empowerment
                                                                                               2    Datenbereinigung
    von Betroffenen, aber auch zur Dokumentation rassistischer Vorfälle in der Schweiz.
                                                                                                    Die von den Beratungsstellen eingetragenen Beratungsfälle werden von der Projekt-
                                                                                                    leitung hinsichtlich ihrer Konsistenz und Vollständigkeit überprüft und falls nötig zur
    Im Berichtsjahr 2020 wurden 572 Beratungsfälle zu rassistischer Diskriminierung                 Überarbeitung zurückgemeldet.
    in der Datenbank DoSyRa registriert. Diese Gesamtanzahl an Beratungsfällen kann
    mit den Vorjahren nicht eins zu eins verglichen werden. Denn die Systematik der Er-        3    Datenauswertung
    fassung bei der Datenbank DoSyRa wurde im Jahr 2020 inhaltlich überarbeitet, um                 Die Fälle, bei welchen eine rassistische Diskriminierung vorliegt, werden zusammen-
    eine klarere und vollständigere Erfassung und Auswertung der Fälle zu ermöglichen               geführt und im Bericht ausgewertet.
    (vgl. Methodik). Der Bericht wurde ausserdem graphisch und mit zielgruppenspezi-
    fischerem Inhalt neu gestaltet.
                                                                                               Der Bericht erhebt keinerlei Anspruch auf eine vollständige Erfassung aller Fälle ras-
    Die Auswertung der Beratungsfälle im vorliegenden Bericht ist ein wichtiger Mosaik-        sistischer Diskriminierung in der Schweiz. So gibt es sehr viele Beratungsstellen, die
    stein im nationalen Monitoring rassistischer Diskriminierung und eine Ergänzung            nicht auf rassistische Diskriminierung spezialisiert sind und dennoch Fälle bearbei-
    zu Berichten wie der Chronologie «Rassismus in der Schweiz» der Stiftung gegen             ten, in denen rassistische Diskriminierung eine Rolle spielt, oder Beratungsangebote,
    Rassismus und Antisemitismus (GRA) oder den Berichten zu Antisemitismus des                die sich auf eine spezifische Art von Rassismus fokussieren, zum Beispiel auf anti-
    Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) bzw. der Coordination Inter-           muslimischen Rassismus oder Antisemitismus. Die Fälle dieser Beratungsstellen, die
    communautaire Contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD) in der Romandie.            nicht Mitglied im Beratungsnetz sind, fliessen nicht in den Bericht mit ein. Zudem
    Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) des Bundes verwendet diese und                gibt es zahlreiche Gründe, weshalb Betroffene vom Besuch einer Beratungsstelle ab-
    weitere Quellen als Datenbasis für ihre zweijährlich erscheinende Übersicht «Ras-          sehen. Dazu gehört etwa die fehlende Kenntnis von Beratungsangeboten, fehlendes
    sistische Diskriminierung in der Schweiz». Der vorliegende Bericht wird ausserdem          Vertrauen, Ängste oder eine Verdrängung bestimmter Vorfälle. Es ist somit wichtig zu
    für die Berichterstattung an internationale Organe genutzt, etwa an den UNO-Aus-           betonen, dass die hier ausgewerteten Fälle nur die berühmte «Spitze des Eisbergs»
    schuss zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) und an die              darstellen: die Dunkelziffer ist hoch; es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der
    Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI).                              rassistischen Vorfälle in der Schweiz nirgends gemeldet oder bearbeitet wird.

                                                                                               Die Auswertung von rassistisch motivierten Vorfällen im vorliegenden Bericht ist je-
                                                                                               doch wichtig, um die Formen und Auswirkungen von Rassismus in der Gesellschaft

    Methodik                                                                                   aufzuzeigen. Es ermöglicht, bei den staatlichen Behörden, bei unterschiedlichen In-
                                                                                               stitutionen und Organisationen und in der Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam
                                                                                               zu machen. Zudem trägt die Auswertung dazu bei, einen besseren Schutz für Betrof-
                                                                                               fene zu erlangen und die Dienstleistungen für sie zu verbessern.

    Der vorliegende Bericht bietet eine praxisnahe Auswertung der Beratungsfälle des
    Jahres 2020, die in der Datenbank DoSyRa registriert wurden. Mit vorgegebenen ana-
    lytischen Kategorien werden die Beratungsfälle in DoSyRa erfasst. Ab dem Jahr 2020
    werden die Kategorien wie folgt eingeteilt: (1) Beratungsfall: rassistische Diskriminie-
    rung, (2) kein Beratungsfall: einfache Meldung und (3) Beratungsfall: offensichtlich
    ohne rassistische Diskriminierung. Um Vorfällen von Alltagsrassismus und im priva-
    ten Bereich weitgehend Rechnung zu tragen, werden Fälle, bei denen ein rassistisches
    Motiv nicht ausgeschlossen werden kann, als Fälle rassistischer Diskriminierung aus-
    gewertet. Ab 2020 entfällt die Kategorie «Beratungsfall: nicht erhärtete Diskriminie-
    rung». Fälle, die vor 2020 in diese Kategorie eingetragen wurden, werden ab 2020 einer
    der oben genannten Kategorien zugewiesen. Somit ist ein Vergleich mit den Daten der
    Vorjahre nicht möglich und entsprechend wird in diesem Bericht darauf verzichtet.

    Damit ein Fall in die Hauptauswertung des Berichts einbezogen wird, müssen fol-
    gende Bedingungen erfüllt sein: Eine Interaktion zwischen der Beratungsstelle und
    der meldenden Person hat stattgefunden; ein konkreter Situationsbeschrieb liegt vor
    und wird von der beratenden Fachperson als Fall von rassistischer Diskriminierung
    eingeordnet. Zentral dafür ist, dass die Diskriminierung, Ungleichbehandlung, Her-
    absetzung etc. aufgrund eines Merkmals wie der nationalen oder ethnischen Herkunft,

    *Grün unterstrichene Begriffe werden im Glossar auf S. 24 erläutert.
6                       Teil I – Einführung                                                                                                                                                                                                               Teil I – Einführung         7

                        Die Beratungsstellen                                                                                                                          Die Tätigkeiten
                        im Überblick*                                                                                                                                 der Beratungsstellen*
                                                                                          11
                                                                                               Schaffhausen

                                                        2
                                                            Basel-Stadt
                                                                                                                    17
                                                                                                                         Thurgau
                                                            Basel-Land                         21
                                                                                                    Zürich
                                       6
                                            Jura                                                                    15
                                                                                                                         Appenzell-
                                                                               1
                                                                                   Aargau
                                                   13
                                                        Solothurn                                                        Ausserrhoden
                                                                                               20
                                                                                                    Zug              14
                                                                                                                          St. Gallen                                   Empowerment                        Auskunft                              Mediation
                                                                           8
                                                                               Luzern                                                                                 Psychosoziale Beratung           & Information                        Verhandlung zwischen
                                                                                                     12
                                                                                                           Schwyz                                                                                                                              Konfliktparteien
                        9
                            Neuenburg
                                                        3
                                                             Bern
                                                                                     10
                                                                                          Nidwalden
                                                                                                15
                                                                                                     Uri
                                        4
                                            Fribourg
                  18
                       Waadt
              7
                  Lausanne

                                                                                                      16
                                                                                                           Tessin
        5
            Genf                                        19
                                                             Wallis                                                                                                (Rechts-)                   Intervention               Unterstützende                        Weiterleitung
                                                                                                                                                                   Beratung                                               Dienstleistung                    an Organisationen und
                                                                                                                                                                                                                          wie das Verfassen von              spezialisierte Stellen
                                                                                                                                                                                                                        Beschwerden, Einsprüchen,
                                                                                                                                                                                                                        Stellungnahmen, Anträgen
                                                                                                                                                                                                                        und Interventionsschreiben

    1 Kanton Aargau                                          10 Kanton Nidwalden                                     18 Kanton Waadt
    AIA: integration@integrationaargau.ch                    GFI: Tel. 041 618 75 83                                 BCI: info.integration@vd.ch

    2 Kantone BL, BS                                         11 Kanton Schaffhausen                                  19 Kanton Wallis
                                                                                                                                                                      *Die Dienstleistungen der Beratungsstellen können je nach Auftrag und Grösse variieren.
    Stopp Rassismus:info@stopprassismus.ch                   Integres: info@integres.ch                              B-ECR: ecoute-racisme@croix-rouge-valais.ch

    3 Kanton Bern                                            12 Kanton Schwyz                                        20 Kanton Zug
    gggfon: melde@gggfon.ch                                  KOMIN: Tel. 041 859 07 70                               Kantonale Anlaufstelle:integration@zg.ch
    RBS: info@rechtsberatungsstelle.ch
                                                             13 Kanton Solothurn                                     21 Kanton und Stadt Zürich
    4 Kanton Fribourg                                        frabina: info@frabina.ch                                ZüRAS: info@zueras.ch
    Respekt für alle:
    serespecter@caritas.ch                                   14 Kanton St. Gallen /                                                                                   Bedeutung des Beratungsnetzes
    5 Kanton Genf
    C-ECR: contact@c-ecr.ch
                                                             Kanton Appenzell-Ausserrhorden
                                                             HEKS: beratungsstelle-
                                                             diskriminierung@heks.ch
                                                                                                                                                                      für Bund und Kantone
    6 Kanton Jura                                            15 Kanton Uri
    BI: secr.bi@jura.ch                                      AOZ – Beratungsstelle Diskriminierung:                                                                   Das Beratungsnetz ist für die Kantone und den Bund von grosser Bedeutung. Im Rahmen der kantonalen
                                                             Tel. 044 415 66 70                                                                                       Integrationsprogramme (KIP) anerkennen Bund und Kantone den Schutz vor rassistischer Diskrimi-
    7 Stadt Lausanne                                                                                                                                                  nierung als eine unabdingbare Grundlage für ein funktionierendes Zusammenleben in der Schweiz. So
    BLI: bli@lausanne.ch                                     16 Kanton Tessin                                                                                         haben sich die Kantone verpflichtet, Beratungsangebote für Betroffene von Rassismus und rassistischer
                                                             CARDIS: cardis@discriminazione.ch                                                                        Diskriminierung auszubauen und weiterzuentwickeln. Das Beratungsnetz bietet den Kantonen massge-
    8 Kanton Luzern                                                                                                  Ganze Schweiz                                    schneiderte statistische Auswertungsmöglichkeiten, belebt und fördert die interkantonale Vernetzung
    FABIA: info@fabialuzern.ch                               17 Kanton Thurgau                                       EKR: ekr-cfr@gs-edi.admin.ch                     sowie den Diskriminierungsschutz. Es unterstützt damit die Kantone bei der Erfüllung ihres Auftrags.
                                                             Fachstelle Integration TG:                                                                               Zudem macht der jährliche Auswertungsbericht die Arbeit der kantonalen Beratungsstellen sichtbarer.
    9 Kanton Neuenburg                                       Tel. 058 345 67 32                                      * Weitere Informationen unter:                   Alle Kantone unterstützen das Beratungsnetz finanziell. Diese Strukturfinanzierung ist für das Projekt
    COSM: cosm@ne.ch                                                                                                  network-racism.ch                               unerlässlich.
8                                Teil I – Einführung                                                                                                                                                                                                                                                           9

                                                                                                                                                              Lebensbereiche, in denen die Diskriminierungen stattfanden

         Berichtsjahr 2020:                                                                                                                                   Internet
                                                                                                                                                              und Polizei je     51                                  95
         Das Wichtigste in Kürze                                                                                                                                                                                      Arbeit

         Insgesamt wurden im Berichtsjahr 2020 von den beteiligten
         Beratungsstellen 706 Vorfälle registriert. Im Hauptteil des
                                                                                                                                                                                                                                                                                58Bildung
         vorliegenden Berichts werden diejenigen 572 Beratungsfälle
         ausgewertet, bei welchen eine rassistische Diskriminierung
         vorlag oder ein rassistisches Motiv nicht ausgeschlossen werden
         konnte.

                                                                                                                                                                           72
                                                                                                                                                                        Nachbarschaft
                                                                                                                                                                                                                                     Öffentlicher Raum
                                                                                                                                                                                                                                     und Verwaltung je             67
                                                                                                                                                          Der Arbeitsplatz mit 95 Fällen und die Nachbarschaft/      Weitere stark betroffene Bereiche sind die Verwaltung und der öffentliche Raum mit je
    Beratungsfälle                                                                             Ratsuchende Personen                                       das Quartier mit 72 Fällen sind die am stärksten betrof-   67 Nennungen, die Bildung/Schule/Kita mit 58 Nennungen sowie die Polizei und das
                                                                                                                                                          fenen Lebensbereiche.                                      Internet (Social Media, Blogs, etc.) mit je 51 Nennungen.

                            58                                                                                                                            Art und Weise der
                                                                                                                                                          Diskriminierung
                                                                                                                                                                                                               Involvierte Vorurteile
                                                                                                                                                                                                               und Ideologien
                                                                                                                                                                                                                                                                             Mehrfach-
                                                                                                                                                                                                                                                                             diskriminierung
               76
                                                                                                                                                                                                                                    304
                                                                                                                                                          256
                572                                                                                              372
                                                                                                                Direkt Betroffene
                                                                                                                                                          Benachteiligungen                                   206
                                                                                                                                                                                                                       Rassismus
                                                                                                                                                                                                                         gegen
                                                                                                                                                                                                                       Schwarze
                                                                                                                                                                                                                                                 Fremden-
                                                                                                                                                                                                                                               feindlichkeit
                                                                                                                                                                                                                                                                             144
                                                                                                                                                                                                                                                                             85                 38
     Anzahl Fälle insgesamt: 706, erfasst von 23 Beratungsstellen
                                                                                               372 der 572 Beratungsfälle rassistischer Diskriminierung
                                                                                                                                                          162
                                                                                                                                                           Beschimpfungen
                                                                                                                                                                                                                                            Muslim-
                                                                                                                                                                                                                                          feindlichkeit
                                                                                                                                                                                                                                                            55               Rechtsstatus Geschlecht

         Beratungsfälle: rassistische Diskriminierung*: 572                                    wurden im Berichtsjahr von direkt Betroffenen gemeldet.
         Beratungsfälle: offensichtlich keine rassistische                                                                                                                                                                                                                   In 144 Fällen, d.h. in knapp jedem
         Diskriminierung: 76                                                                   Weibliche Betroffene suchten häufiger Rat bei einer                                                             Rassismus gegen Schwarze ist mit 206 Nennungen nach           vierten Beratungsfall, stellten die
         Einfache Meldung: 58                                                                  Beratungsstelle als männliche Betroffene.                                                                       dem generellen Motiv der Ausländerfeindlichkeit/Frem-         Beratungsstellen zusätzlich zur
                                                                                                                                                                                                               denfeindlichkeit mit 304 Nennungen das am häufigsten          rassistischen Diskriminierung eine
                                                                                                                                                                                                               genannte Diskriminierungsmotiv.                               Mehrfach­diskriminierung fest. Die-
                                                                                                                                                          Im Berichtsjahr 2020 machten Benachteiligun-         An dritter Stelle folgt die Muslimfeindlichkeit mit 55 Nen-   se bezog sich überwiegend auf den
                                                                                                                                                          gen mit 256 Nennungen und Beschimpfungen             nungen. Ebenfalls häufig genannt werden die Kategorien        Rechtsstatus mit 85 Nennungen so-
                                                                                                                                                          mit 162 Nennungen die häufigsten Formen der          der Feindlichkeit gegen Menschen aus dem arabischen           wie das Geschlecht mit 38 Nennun-
    * Inklusive Fälle, bei denen ein rassistisches Motiv nicht ausgeschlossen werden konnte.                                                              Diskriminierung aus.                                 Raum und der Balkanregion.                                    gen.
10                                                  Teil II – Analyse                                                                                                                                                                                    11
                                                    Kontaktaufnahme und Dienstleistungen
                                                                                                                                                                                                           Fallbeispiel N°3
Fallbeispiel N°1

Ungleich­-                                                                                                                                                                                                 Willkürliche
be­handlung am                                      Welche Personen                                                     Welche Dienstleistungen                                                            Kontrolle in einem
                                                                                                                                                                                                           Kleiderladen
Arbeitsplatz                                        haben Rat gesucht?                                                  haben die Beratungsstellen
                                                                                                                        erbracht?
                                                                                                                                                                                                           Herr A. kauft Hosen in einem Kleiderladen
Herr K. arbeitet seit über 20 Jahren als Kü-
                                                                                                                                                                                                           eines Shoppingcenters, wo er Stammkunde ist.
chenchef in einer Gastrofirma, als diese eine       Anzahl Beratungsfälle: 572
                                                                                                                                                                                                           Als er das Geschäft verlassen will, wird er von
Massenkündigung vornimmt. Herrn K. wird
                                                                                                                                                                                                           einem Sicherheitsbeamten gebeten, für eine
vor der Kündigung kein formelles Jobange-
                                                                                                                        Anzahl Beratungsfälle: 572                                                         Stichprobe in den Laden zurückzukommen. In
bot unterbreitet, seine Kündigungs­frist wird
                                                                                                                        (Mehrfachnennungen möglich)                                                        einem separaten Raum wird er aufgefordert,
nicht eingehalten und er erhält im Gegensatz
                                                                                                                                                                                                           seine Einkaufstasche zu zeigen. Die Laden-
zu anderen Mitarbeitenden keine Loyalitäts-
                                                    andere/r                                                                                                                                               detektivin findet nichts Aussergewöhnliches
prämie. Herr K. fühlt sich durch die Firma be-
                                                                                                                                                                                                           und Herr A. kann seine Einkäufe belegen. Herr
trogen und erniedrigt.
                                                                                                                                                                                                           A. fühlt sich zutiefst gedemütigt und versteht
                                                    Fachperson /andere                                                                                                                                     nicht, warum er verdächtigt wird. Er nimmt
In der Beratung erzählt Herr K. über unzählige      Beratungsstelle                                                                                   Intervention                                         an, dass seine Hautfarbe ausschlaggebend
herablassende Bemerkungen, Gesten und Un-
                                                                                                                                                                                      Weiterleitung an     dafür war.
gleichbehandlungen an seinem Arbeitsplatz. Er                                               42                          Mediation
schreibt mit Unterstützung der Beratungsstelle      Beschuldigte                                                                                                                      eine andere Stelle
                                                                                      31                                                                                                                   Die Beratungsstelle kontaktiert auf Wunsch von
einen Brief an die Geschäftsleitung der Firma.
                                                                                  5                                                                                                                        Herrn A. die Geschäftsleitung des betroffenen
Daraufhin folgt ein Gespräch in Begleitung der
                                                                                                                                                                                                           Ladens und organisiert nach mehreren Telefo-
Beratungsstelle. Ein zweites Treffen mit dem di-    Zeuge/Zeugin                                                                                            85       76                                    naten ein Treffen mit der Geschäftsleitung, dem
rekten Vorgesetzten von Herrn K. wird von der                              66                                                                          11
                                                                                                                                                                                                           Sicherheitschef und der Ladendetektivin. Die drei
Geschäftsleitung vorgeschlagen. Herr K. fühlt                                                                           Rechts­beratung                                                                    Personen entschuldigen sich bei Herrn A. und
sich bezüglich der Konfrontation mit seinen
                                                                                                                                                                                                           bestätigen, dass sie nicht korrekt vorgegangen
Vorgesetzten sehr unsicher. Die Beratungsstelle                                                                                           190                                                              seien. Eine Kontrolle werde nur bei einem konkre-
bespricht die Ziele und Grenzen des Gesprächs
                                                                                                                                                                                                           ten Verdacht durchgeführt, was hier nicht der Fall
mit der Leitung und bestärkt Herrn K., am Ge-       Angehörige von                                                                                                                          Auskunft/
                                                                           56                                                                                                                              gewesen sei. In der Nachbesprechung ist Herr
spräch teilzunehmen. Beim Gespräch entschul-        Betroffenen                                                                                                                             Information    A. immer noch irritiert und verunsichert, dennoch
digen sich die Geschäftsleitung und die direkten                                                                                                                                379
                                                                                                 372                                                                                                       empfindet er die Beratungen als sehr unterstüt-
Vorgesetzen bei Herrn K. für die schmerzhaften                                                           Betroffene/r                                                                                      zend und hilfreich. Herrn A. war es wichtig, einen
rassistischen und diskriminierenden Erlebnisse
                                                                                                                                                                                                           Beitrag dafür zu leisten, dass andere Personen
sowie für die Fehler bei der Kündigung und si-
                                                                                                                                                                                                           nicht dasselbe erleben müssen wie er.
chern ihm die Loyalitätsprämie zu. In der Nach-
besprechung mit der Beratungsstelle war Herr
K. froh darüber, dass er seine Erlebnisse erzählt   Angehörige von
                                                                                                                                                341
hat und verarbeiten konnte.                         Beschuldigten: 0                                                                                                                                       Fallbeispiel N°4
                                                                                                                        Psychosoziale
                                                                                                                                                                          114
                                                                                                                        Beratung                                                        Unterstützende
                                                                                                                                                                                        Dienstleistung
                                                                                                                                                                                                           Benachteiligung
Fallbeispiel N°2                                                                                                                                                                                           bei der Beantragung
Anzeige bei Nach-                                                                                                                                                                                          eines Schweizer Füh-
barschaftskonflikt                                  Wie wurde Kontakt                                                                                                                                      rerscheins
Familie K. wird seit mehreren Monaten von
ihrem Nachbarn mit fremdenfeindlichen und
                                                    aufgenommen?                                                                                                                                           Mitarbeitende eines Sozialdienstes melden
                                                                                                                                                                                                           sich bei der Beratungsstelle wegen Proble-
rassistischen Äusserungen beleidigt und dif-                                                                                                                                                               men mit der Umschreibung ausländischer
famiert. Auch ihre Kinder werden vom Nach-
                                                    Anzahl Beratungsfälle: 572                                                                                                                             Führerscheine von anerkannten Flüchtlingen.
barn belästigt und bedroht, sodass sie sich                                                                                                                                                                Das Schweizer Amt verlangt offizielle Doku-
nicht mehr sicher fühlen und unter Angstzu-         Per Email                                                                                                                                              mente, die von den Behörden des Heimat-
ständen leiden. In YouTube-Videos verbrei-                                                                                                                                                                 landes ausgestellt werden müssen. Jedoch
tet der Nachbar ausserdem Beleidigungen                                                                                                                                                                    ist es geflüchteten Personen nicht möglich,
gegen die Familie und zelebriert seine rassis-                               196                                                                                                                           die Botschaft ihres Heimatlandes zu betre-
tische Haltung. Diese Situation belastet die                                                                                                                                                               ten. Wenn die Betroffenen dennoch an Doku-
                                                                                                          Telefonisch
Familie sehr.                                                                                                                                                                                              mente gelangen, stellen sich diese meistens
                                                                                                   270                                                                                                     als Fälschungen heraus, was eine Geldbusse
Mit Unterstützung der Beratungsstelle ver-                                                                                                                                                                 und ein Strafverfahren nach sich zieht.
fasst Familie T. eine Anzeige gegen den Nach-
barn. Die Beratungsstelle bespricht den Fall                                                                                                                                                               Die Beratungsstelle nimmt Kontakt mit dem zu-
auch mit der örtlichen Polizei und kann einen                                                                                                                                                              ständigen Amt auf. In einem gemeinsamen Ge-
Beamten davon überzeugen, sich für die An-                                                                                                                                                                 spräch kann sie die strukturellen Herausforderun-
zeige einzusetzen. Das juristische Verfahren ist                                                                                                                                                           gen bei der Thematik aufzeigen. Die Vertretung
noch hängig. Obwohl die Polizei in diesem Nach­-                                 18                                                                                                                        des Amtes stimmt zu, Einzelfälle mit Zustimmung
barschaftskonflikt interveniert hat, ist die Fa-                                                                                                                                                           der Betroffenen mit der Beratungsstelle zu be-
milie wegen der andauernden Belästigung um-         per Brief                                                                                                                                              sprechen. Um in Zukunft Missverständnisse zu
gezogen.                                                                                   88                                                                                                              vermeiden, werden ausserdem mit Unterstüt-
                                                                                                                                                                                                           zung der Beratungsstelle behördeninterne Emp-
                                                    Persönlich                                                                                                                                             fehlungen geschrieben.
12                                                  Teil II – Analyse                                                                                                                                                                                                                                    13
                                                    Beschreibung der Diskriminierungsvorfälle
                                                                                                                                                                                                                                                           Fallbeispiel N°7
Fallbeispiel N°5

Arbeitsplatz: Rassis-                                                                                                                                                                                                                                      Rassismus
tische Beleidigung                                  In welchen Lebens-                                                                                       Organisationen/Institutionen/Privatwirtschaft
                                                                                                                                                                                                                                                           in der Familie
                                                    bereichen geschahen
                                                                                                                                                                               Arbeitsplatz        95
auf der Baustelle                                                                                                                                                                                                                                          Die ratsuchende Person schildert, dass ihr
                                                                                                                                                                                                                                                           Ehemann ihr gegenüber rassistische Äus-
                                                                                                                                                                      Bildung/Schule/KITA          58

                                                    die Vorfälle?
Herr M. arbeitet bei einem Bauunternehmen,                                                                                                                                                                                                                 serungen macht und unter anderem das
wo er von seinen Teamkollegen mit dem N-                                                                                                                                 Wohnungsmarkt/                                                                    N-Wort verwendet. Die Ratsuchende und ihr
                                                                                                                                                                                                   44
Wort und mit anderen rassistischen Bezeich-                                                                                                                                Mietverhältnis                                                                  Ehemann sind in der Scheidung. Sie macht
nungen beleidigt wird. Ausserdem wird Herr                                                                                                                                                                                                                 sich Sorgen und möchte verhindern, dass ihr
                                                                                                                                                                               Arbeitsmarkt        33                                                      Ehemann weiterhin rassistische Äusserun-
M. nicht richtig eingearbeitet und von seinen
Teamkollegen ausgeschlossen.                                                                                                                                           Kundenbe­ziehungen                                                                  gen vor ihren Kindern macht, welche sehr
                                                    Bei den Oberkategorien verzeichnet der Bereich Organisationen/Institutionen/Privat-                                                            29                                                      stolz auf ihre afrikanischen Wurzeln sind.
                                                                                                                                                             (z.B. Versicherungen, Banken)
Die Beratungsstelle nimmt mit dem Bauunter-         wirtschaft mit 339 Fällen, der am meist genannte Bereich, gefolgt vom Bereich Öffent-
                                                    lichkeit mit 217 Nennungen. Öffentliche Diskriminierungen von Personen aufgrund u.a.                               Gesundheitswesen            28                                                      Die Beratungsstelle erklärt, dass rassistische
nehmen Kontakt auf. Von Seiten des Bauunter-
nehmens wird eine klare Haltung gegen solche        Fremdzu­schreib­ungen machen deutlich, dass Vorurteile gegenüber als «fremd» wahrge-                                                                                                                   Äusserungen, die im privaten Bereich gemacht
                                                                                                                                                                           Politik, Parteien       24                                                      werden, nicht unter die Rassismusstrafnorm fal-
Vorfälle bezogen. Sie entschuldigen sich für die    nommenen Menschen nach wie vor eine Alltagserscheinung sind. An dritter Stelle folgt
Erlebnisse von Herrn M. und sprechen die zu-                                                                                                                                                                                                               len. In der Folge meldet sich auch der Ehemann
                                                    der staatliche Bereich mit 214 Nennungen und zuletzt der Bereich Privatleben mit 126
ständigen Baustellenverantwortlichen auf den                                                                                                                                   Vereinsleben        10                                                      der Ratsuchenden und erklärt seine Sichtweise.
                                                    Nennungen.                                                                                                                                                                                             Er habe die Aussage nicht so gemeint und habe
Vorfall an. Diese instruieren wiederum die unter-                                                                                                                      Private Sicherheits-
stellten Mitarbeitenden, dass rassistisches und                                                                                                                                                    10                                                      sich entschuldigt. Die Beratungsstelle erklärt
                                                    Bei den Unterkategorien waren der Arbeitsplatz mit 95 Fällen und die Nachbarschaft/das                                   unternehmen
diskriminierendes Verhalten im Betrieb nicht                                                                                                                                                                                                               ihm, dass auch wenn er es nicht rassistisch mei-
toleriert wird.                                     Quartier mit 72 Fällen die am stärksten betroffenen Lebensbereiche. Dahinter folgen                          Heim/Betreutes Wohnen                  4                                                  ne, die Äusserungen dennoch rassistisch seien.
                                                    der öffentliche Raum und die Verwaltung mit je 67 Fällen sowie die Kategorien Bildung/                                                                                                                 Die ratsuchende Person bedankt sich und teilt
                                                                                                                                                                           Kirche/religiöse                                                                der Beratungsstelle mit, dass ihr der Austausch
                                                    Schule/KITA mit 58 Fällen, Polizei und Internet mit je 51 Fällen.                                                                                   2
                                                                                                                                                                           Organisationen                                                                  mit der Beratungsstelle Mut und Hoffnung ge-
Fallbeispiel N°6                                                                                                                                                                                                                                           geben habe.
                                                                                                                                                                       Privatversicherung               2
Nachbarschaft /
Quartier: Schika-                                                                                                                                                                              0        10   20   30   40   50   60   70   80   90   100
                                                                                                                                                                                                                                                           Fallbeispiel N°8
ne von Seiten einer                                 Oberkategorie Lebensbereich                                                                                                                                                                            Kundenbeziehung:
Nachbarin                                           Anzahl Beratungsfälle: 572 (Mehrfachnennungen möglich)                                                   Öffentlichkeit                                                                                Mann wird
Eine Nachbarin schikaniert eine anerkannte                                                                                                                              Öffentlicher Raum          67                                                      Kontoeröffnung
geflüchtete Familie seit deren Einzug in eine
neue Wohnung. Die Frau äussert sich stark           Organisationen/Institutionen/
                                                                                                                                                                    Internet: Social Media,
                                                                                                                                                                                                   51
                                                                                                                                                                                                                                                           verweigert
abschätzig über Menschen muslimischen                                                   339                                                                                      Blogs, etc.
                                                                 Privatwirtschaft
Glaubens, belästigt die Familie mit Lärmkla-                                                                                                                        Angebote von Privaten                                                                  Herr U., Schweizer mit afrikanischen Wur-
                                                                                                                                                                 (z.B. Waren­haus/Festival)        44                                                      zeln, möchte bei einer Bank ein Konto eröff-
gen, schreit die Kinder im Treppenhaus an
                                                                   Öffentlichkeit       217                                                                                                                                                                nen. Bereits beim Empfang in der Filiale wird
und ruft mehrmals unbegründet die Polizei.
                                                                                                                                                                Öffentliche Verkehrsmittel         31                                                      Herr. U. auf eine herablassende und diskri-
Die anhaltende Schikane wird von den ande-
ren Nachbarinnen und Nachbarn bestätigt.                      Staatlicher Bereich       214                                                                                                                                                                minierende Art empfangen und ihm wird die
                                                                                                                                                                 Medienbericht­­erstattung         19                                                      Eröffnung des Bankkontos ohne sachliche
Die Situation belastet die Kinder so sehr,
dass sie sich nicht mehr aus dem Haus ge-                                                                                                                                                                                                                  Gründe verweigert. Am Abend eröffnet er
trauen. Mit den anderen Nachbarinnen und                              Privatleben       126                                                                                       Werbung          5                                                       ohne Probleme über eine Online-Live-Bera-
Nachbarn versteht sich die Familie bestens.                                                                                                                                                                                                                tung in derselben Bank ein Konto.
Von der Verwaltung wurde eine Beschwerde                                                                                                                                                       0        10   20   30   40   50   60   70   80   90   100
                                                                                    0              50        100   150        200    250        300    350                                                                                                 Der Filialleiter wird von der Beratungsstelle auf-
im Namen aller Nachbarinnen und Nach-
barn an die Beschuldigte geschickt, was die                                                                                                                                                                                                                gefordert, das Ereignis mit seinen Mitarbeiten-
Situation verschlechtert hat.                                                                                                                                                                                                                              den zu klären. Der Leiter und der beschuldigte
                                                                                                                                                                                                                                                           Mitarbeiter entschuldigen sich daraufhin bei
                                                                                                                                                             Staatlicher Bereich                                                                           Herrn U. für den Vorfall, zeigen aber keine wei-
Die Beratungsstelle kontaktiert zusammen mit
der Familie die Verwaltung. Diese bestätigt die                                                                                                                                                                                                            tere Einsicht. Die Mitarbeitenden hätten die Frei-
anhaltenden Probleme mit der Nachbarin, die         Unterkategorien Lebensbereich                                                                                               Verwaltung         67                                                      heit zu entscheiden, ob sie eine neue Kontoer-
Stockwerkeigentümerin ist. Die Beratungsstelle      Anzahl Beratungsfälle: 572 (Mehrfachnennungen möglich)                                                                                                                                                 öffnung bewilligen oder nicht. Herr U. empfand
dokumentiert die Vorfälle und Zeugenaussagen                                                                                                                                         Polizei       51                                                      die Beratung als sehr hilfreich, die Intervention
und prüft ein juristisches Vorgehen. Auf Wunsch                                                                                                                                                                                                            brachte aber nicht die gewünschte Wirkung, da
der betroffenen Familie wird ein Brief an die                                                                                                                                   Sozialdienst       48                                                      es keine nachhaltige Auseinandersetzung mit
                                                    Privatleben                                                                                                                                                                                            dem Thema seitens des Filialleiters und des Be-
Nachbarin im Namen der Beratungsstelle mit
Hinweis auf die Straftatbestände der Rassismus-                                                                                                                               Gesetzgebung         17                                                      schuldigten gab.
strafnorm geschrieben. Dies führt zu einer Ver­-
                                                        Nachbarschaft/Quartier          72
besserung der Situation.                                                                                                                                        Justiz und Freiheits­entzug        17
                                                                Freizeit/Ausgang        25
                                                       Familien/Verwandtschaft/                                                                                   Einbürgerungs­verfahren          5
                                                                                        24
                                                                       Freunde
                                                                                                                                                                       Sozialversicherung          5
                                                                           Sport        5
                                                                                                                                                                         Zoll/Grenzwache                4
                                                                                    0         10        20    30   40    50     60   70    80     90   100
                                                                                                                                                                                               0        10   20   30   40   50   60   70   80   90   100
14                                                   Teil II – Analyse                                                                                                                                                                                                                                   15
                                                     Beschreibung der Diskriminierungsvorfälle
                                                                                                                                                                                                                                                         Fallbeispiel N°11
Fallbeispiel N°9
Rassistische                                                                                                                                                                                                                                             Schwierigkeiten
Äusserungen einer                                    Wie wurde diskriminiert?                                                                           Ausgrenzung
                                                                                                                                                                                                                                                         wegen einem
Lehrperson                                                                                                                                                                                                                                               Turban
                                                                                                                                                                      Benachteiligung     256                                                            Eine Studentin absolviert ein Praktikum an
In einer Schulklasse wird im Unterricht das          Im Berichtsjahr 2020 betrafen die meisten Beratungsfälle den Bereich Kommunikation                                                                                                                  einer Primarschule, Voraussetzung damit
Thema Sklaverei behandelt. In diesem Zu-             mit 580 Nennungen, wobei die Kategorien Beschimpfung (162 Fälle), andere störende                              Herabwürdigende                                                                      sie sich als Lehrvertretung bewerben kann.
sammenhang verwendet die Lehrperson                                                                                                                                                       110
                                                     Äusserung/Illustration (141 Fälle) und Verleumdung/falsche Anschuldigung (112 Fälle)                                Behandlung                                                                      Am ersten Tag nimmt die Rektorin sie bei-
mehrfach das N-Wort. Die Tochter von Frau
                                                     am meisten genannt wurden. Ebenfalls häufig gemeldet wurden Diskriminierungen im                                                                                                                    seite und spricht sie auf ihren afrikanischen
B. erzählt zuhause empört davon. Als Frau B.
                                                     Bereich Ausgrenzung mit 519 Nennungen, wovon der grösste Teil auf Benachteiligungen                                     Mobbing      54                                                             Turban an. Die Rektorin fragt die Studentin,
die Lehrperson damit konfrontiert, gibt die-
                                                     (256 Fälle) und herabwürdigende Behandlungen (110 Fälle) entfiel. Im Bereich Gewalt                                                                                                                 ob es sich bei dem Turban um eine religiöse
se lediglich konfuse Erklärungen ab. Am dar-
                                                                                                                                                        Leistungsverweigerung (bei An­                                                                   Kopfbedeckung handle, da religiöse Zeichen
auffolgenden Tag nimmt die Lehrperson die            wurden 49 Meldungen registriert, wobei am häufigsten Angriffe auf die körperliche Inte-                                              47
                                                                                                                                                         geboten für die Allgemeinheit)                                                                  an der Schule nicht erlaubt seien. Die Studen-
Tochter beiseite und sagt ihr, sie solle nicht       grität (42 Fälle) vorkamen. Die Kategorie der rechtsextremen Propaganda verzeichnete                                                                                                                tin erklärt der Rektorin, dass es sich um eine
so «betüpft» sein.                                   27 Nennungen.                                                                                                                                                                                       traditionelle Frisur handle. Am nächsten Tag
                                                                                                                                                                       Racial Profiling   30                                                             zitiert die Rektorin die Studentin in ihr Büro
Die Beratungsstelle bespricht den Vorfall mit
                                                                                                                                                                                                                                                         und bringt auf herablassende Art und Weise
Frau B. Einige Tage später meldet sich die be-
                                                                                                                                                                  Schutzunterlassung           11                                                        den Turban erneut zur Sprache. Sie verlangt,
schuldigte Lehrperson unabhängig bei der Be-
                                                                                                                                                                                                                                                         die Haare der Studentin zu sehen, fragt, ob
ratungsstelle, da sie der Vorfall beschäftigt. Die
                                                                                                                                                           Unterlassene Hilfeleistung                                                                    sie Haarprobleme habe, verweist sie auf ihr
Beratungsstelle schlägt ein Gespräch mit der                                                                                                                                                      7
                                                                                                                                                                     in einem Notfall                                                                    blondes Haar und empfiehlt ihr, sich die Haa-
Lehrperson, der Schulleitung und der betroffe-
                                                                                                                                                                                                                                                         re anders zu frisieren. Nach dem Gespräch
nen Familie vor. Das Gespräch verläuft konst-
ruktiv und klärend. Die Lehrperson wird das
                                                     Art und Weise der Diskriminierung                                                                   Einbürgerungs­verweigerung               4
                                                                                                                                                                                                                                                         wird die Studentin ohne objektive Begrün-
                                                     Anzahl Beratungsfälle: 572 (Mehrfachnennungen möglich)                                                                                                                                              dung aufgefordert, das Praktikum abzubre-
Schulmaterial im Anschluss nochmals prüfen.
                                                                                                                                                                                                                                                         chen. Die Studentin schreibt einen Brief an
                                                                                                                                                                                          0   20      40   60   80 100 120 140 160 180 200 220 240 260   die Schulbehörde, um zum Vorfall Stellung zu
                                                                                                                                                                                                                                                         beziehen. Sie erhält keine Antwort. Erst als
Fallbeispiel N°10                                    Gewalt                                                                                                                                                                                              sie anruft erfährt sie, dass ihr Anliegen an
                                                                                                                                                                                                                                                         die nächste Instanz weitergeleitet worden sei.
Verweigerung der                                                                                                                                        Rechtsextreme Propaganda
Einbürgerung                                                Angriff auf körperliche
                                                                          Integrität
                                                                                       42
                                                                                                                                                                                                                                                         Die Beratungsstelle begleitet die Studentin zu ei-
                                                                                                                                                                                                                                                         nem Treffen mit der Schulbehörde. Die Schulbehör-
                                                                                                                                                                                                                                                         de bleibt bei der Entscheidung und die Studentin
Herr X. reicht für sich und seine Kinder ein                                                                                                                Verbreitung von Schriften                                                                    kann für das laufende Jahr kein Praktikum mehr
                                                                Sachbeschädigung               7                                                                                          26
Einbürgerungsgesuch ein. Da seine Frau                                                                                                                                und Tonträgern                                                                     absolvieren. Die Beratungsstelle konnte jedoch si-
trotz Besuch eines Sprachkurses noch nicht                                                                                                                                                                                                               cher stellen, dass die Studentin sich für eine Lehr-
über die erforderlichen Sprachkenntnisse                        Angriff mit Waffen     0                                                                  Rechtsextremer Aufmarsch,
                                                                                                                                                                                              1                                                          vertretung bewerben kann, ohne dass ihr durch
verfügt, möchte sie ihr Gesuch zu einem spä-                                                                                                                          Versammlung
                                                                                                                                                                                                                                                         diesen Vorfall ein Nachteil entsteht.
teren Zeitpunkt stellen. Am Einbürgerungs-                          Brandanschlag      0
gespräch stellt der Gemeinderat Herrn X.                                                                                                                                                  0   20      40   60   80 100 120 140 160 180 200 220 240 260
als unzivilisierten und nicht integrierten
                                                                                       0       20    40   60   80 100 120 140 160 180 200 220 240 260
Ausländer hin. Später wird ihm empfohlen,                                                                                                                                                                                                                Fallbeispiel N°12
das Einbürgerungsgesuch zurückzuziehen
mit der Begründung, dass die Einbürgerung                                                                                                                                                                                                                Probleme bei der
von einem Ehepartner alleine nur in Ausnah-
mefällen zulässig sei. Ausserdem wirft man
                                                     Kommunikation                                                                                                                                                                                       Wohnungsvermie-
Herrn X. vor, dass er seinen Verpflichtungen                                                                                                                                                                                                             tung an eine
ungenügend nachkomme. Es wird von ihm
erwartet, dass er seine Frau beim Sprach-                            Beschimpfung      162                                                                                                                                                               geflüchtete Familie
erwerb unterstützt.
                                                                 Andere störende                                                                                                                                                                         Eine Familie möchte ihre Eigentumswohnung
Herr X. erfüllt alle Einbürgerungsvoraussetzun-                                        141                                                                                                                                                               über einen Verein an eine geflüchtete Familie
                                                            Äusserung/lllustration
gen und die Begründung des Gemeinderates                                                                                                                                                                                                                 vermieten. Die Verwaltung der Stockwerks-
ist objektiv nicht nachvollziehbar. Er und seine                    Verleumdung/                                                                                                                                                                         vereinigung ist mit diesem Vorhaben jedoch
                                                            falsche Anschuldigung      112
Frau sind gut integriert und sie hat bereits meh-                                                                                                                                                                                                        nicht einverstanden und mobilisiert die ande-
rere Sprachkurse besucht. Darum hält er am                                                                                                                                                                                                               ren Stockwerkeigentümerinnen und -eigentü-
Einbürgerungsgesuch fest. Die Beratungsstelle            Gestik, Mimik, Geräusche      62                                                                                                                                                                mer, um eine Änderung des Reglements vor-
berät Herrn X. rechtlich und leitet ihn an einen                                                                                                                                                                                                         zunehmen und so die geplante Vermietung
Anwalt weiter. Daraufhin wird ein zweites Ge-                 Öffentlich geäusserte                                                                                                                                                                      zu verunmöglichen.
                                                                          Hassrede     44
spräch für das Einbürgerungsgesuch von Herrn
X. stattfinden.                                                                                                                                                                                                                                          Die Beratungsstelle unterstützt die Familie da-
                                                                          Drohung      38                                                                                                                                                                rin, den Dialog mit der Stockwerksvereinigung
                                                                                                                                                                                                                                                         zu suchen und für ihr Recht einzustehen. Sie
                                                          Bewusstes Vorent­halten                                                                                                                                                                        schreibt einen Brief an den Präsidenten der
                                                                                                    20                                                                                                                                                   Stockwerksvereinigung und nimmt mit der Ge-
                                                              von Informationen
                                                                                                                                                                                                                                                         meinde Kontakt auf. Eine rechtliche Abklärung
                                                        Leugnung/Verharmlosung                                                                                                                                                                           zeigt, dass die Änderungen im Reglement nicht
                                                                                           1
                                                                 von Völkermord                                                                                                                                                                          Regelkonform vorgenommen wurden, was der
                                                                                                                                                                                                                                                         Familie schliesslich ermöglicht, ihre Wohnung
                                                                                       0       20    40   60   80 100 120 140 160 180 200 220 240 260                                                                                                    wie geplant an die geflüchtete Familie zu ver-
                                                                                                                                                                                                                                                         mieten.
16                                                   Teil II – Analyse                                                                                                                                                                                                                                     17
                                                     Beschreibung der Diskriminierungsvorfälle
                                                                                                                                                                                                                                                             Fallbeispiel N°15
Fallbeispiel N°13

Anti-Schwarzen-                                                                                                                                                                                                                                              Gesundheitswesen:
Rassismus: Patient                                   Welche Feindbilder,                                                                           Lag eine Mehrfach­                                                                                        Ärztin verbreitet
                                                                                                                                                                                                                                                             Ideen eines «biologi-
will nicht von einem                                 Zielgruppen und Ideologien                                                                    diskriminierung vor?                                                                                      schen» Rassismus
Arzt mit dunkler
Hautfarbe behan-                                     waren involviert?                                                                                                                                                                                       Ein binationales Paar besucht eine Frauen-
                                                                                                                                                                                                                                                             arztpraxis, um den Schwangerschaftsver-
delt werden                                                                                                                                                                                                                                                  lauf zu kontrollieren. Im Gespräch äussert
                                                                                                                                                                                                                                                             sich die Frauenärztin abwertend über den
In einer Arztpraxis ist es zu drei Zwischenfäl-      Das Motiv der Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit ist mit 304 Nennungen am häufigs-           In 144 Fällen, d.h. in fast jedem vierten Beratungsfall, stellten die Beratungsstellen zusätz-            Nachwuchs von Eltern mit verschiedener
len mit Patientinnen und Patienten gekommen,                                                                                                                                                                                                                 Herkunft. Sie behauptet, eine genetische
                                                     ten vertreten. Das zweithäufigste Diskriminierungsmotiv ist Rassismus gegen Schwarze          lich zur rassistischen Diskriminierung eine Mehrfachdiskriminierung fest. Diese bezog sich
die sich weigern, vom stellvertretenden Arzt                                                                                                                                                                                                                 Mischung hätte medizinische Auswirkungen
aufgrund seiner Hautfarbe behandelt zu wer-          mit 206 Nennungen. Die Fälle Anti-Schwarzen Rassismus finden sich am häufigsten in            überwiegend auf den Rechtsstatus mit 85 Nennungen, das Geschlecht mit 38 Nennungen                        auf die Schwangerschaft und das Baby. In
den. Sie äussern sich abschätzig und respekt-        den Lebensbereichen Arbeitsplatz (43), Bildung/Schule/KITA (29), öffentlicher Raum            sowie die soziale Stellung mit 22 Nennungen.                                                              der nächsten Konsultation macht die Ärztin
los. Der Praxisleiter möchte solches Verhalten       (28), Polizei (21), öffentliche Angebote von Privaten (21) und Nachbarschaft/Quartier (20).                                                                                                             weitere rassistische Aussagen. So bedient
unterbinden und fragt bei der Beratungsstelle        Weiterhin häufig sind die Beratungsfälle im Bereich Muslimfeindlichkeit mit 55 Meldun-                                                                                                                  sie sich etwa rassistischer Stereotypen über
um Rat.                                              gen sowie in der inhaltlich verwandten Kategorie der Feindlichkeit gegen Menschen aus                                                                                                                   asiatische und Schwarze Kinder. Daraufhin
                                                     dem arabischen Raum mit 46 Nennungen. Muslimfeindlichkeit und Feindlichkeit gegen                                                                                                                       wechselt das Paar die Frauenärztin und wen-
Die Beratungsstelle berät den Leiter und zeigt                                                                                                     Mehrfachdiskriminierung                                                                                   det sich an die Beratungsstelle.
                                                     Menschen aus dem arabischen Raum traten am häufigsten in der Nachbarschaft/im Quar-
ihm auf, wie die Arztpraxis auf solche Vorfälle                                                                                                    Anzahl Beratungsfälle: 572 (Mehrfachnennungen möglich)
reagieren kann. Mit Unterstützung der Bera-          tier (22), am Arbeitsplatz (19) und im öffentlichen Raum (15) auf.
                                                                                                                                                                                                                                                             Die Beratungsstelle unterstützt Herrn C. beim Ver-
tungsstelle stellt der Leiter am Eingang der Arzt-                                                                                                                                                                                                           fassen eines Schreibens an die Ärztegesellschaft,
praxis ein Plakat auf, auf dem festgehalten wird,                                                                                                                                                                                                            welche den Fall der Ärzteaufsichtskommission
dass diskriminierendes Verhalten in der Praxis       Involvierte Feindbilder, Zielgruppen und Ideologien                                                          Keine Angaben         428                                                                  weiterleitet. Der Fall ist noch hängig.
nicht geduldet wird.
                                                     Anzahl Beratungsfälle: 572 (Mehrfachnennungen möglich)
                                                                                                                                                                    Rechtsstatus        85
                                                                                                                                                                                                                                                             Fallbeispiel N°16
Fallbeispiel N°14

Muslimfeindlichkeit:
                                                           Ausländerfeind­lichkeit/
                                                             Fremden­­feindlichkeit   304                                                                             Geschlecht        38                                                                   Rechtsextreme
Beschimpfung                                           Rassismus gegen Schwarze       206                                                                        Soziale Stellung            22
                                                                                                                                                                                                                                                             Inhalte in einer
auf offener Strasse                                                                                                                                                                                                                                          Chatgruppe
                                                                Muslimfeindlichkeit   55                                                                            Behinderung              9
und im ÖV                                                                                                                                                                                                                                                    Eine Fachperson meldet, dass in einer Chat-
                                                                                                                                                                                                                                                             gruppe von Jugendlichen Bilder mit obszö-
                                                     Feindlichkeit gegen Menschen                                                                     Sexuelle Orien­tierung oder
Frau E. wird im öffentlichen Raum und im                                              46                                                                                                     4                                                               nem, rassistischem sowie rechtsextremem
                                                        aus dem arabischen Raum                                                                             Geschlechts­identität                                                                            Inhalt verschickt werden. Ein Versuch der
öffentlichen Verkehr wiederholt wegen ihres
                                                                                                                                                                                                                                                             Fachperson, mit dem Gründer der Gruppe so-
Kopftuches von einem Mann beschimpft. Der                      Rechtsextremismus      27                                                                                    Alter            4                                                               wie seiner Familie zu sprechen, ist erfolglos.
Mann ruft laut, sie solle in ihr Land zurück-
                                                                                                                                                                                                                                                             Die Fachperson ersucht die Beratungsstelle
gehen, Islamisten hätten in der christlichen
                                                     Feindlichkeit gegen Menschen                                                                                                                                                                            um Unterstützung.
Schweiz nichts zu suchen. Daraufhin will Frau                                         21                                                                      Politische Meinung             3
                                                              aus der Balkanregion
E. bei der Polizei Anzeige erstatten. Da keine
                                                                                                                                                                                                                                                             Die Beratungsstelle klärt die offenen Punkte
strafbare Handlung wie Nötigung, Körperver-
letzung oder Drohung vorliegt und der Täter                     Rechtspopulismus           18                                                                                       0        40   80   120   160   200   240   280   320   360   400   440   mit der meldenden Fachperson. Nach Abspra-
                                                                                                                                                                                                                                                             che nimmt die Beratungsstelle Kontakt mit der
unbekannt ist, rät die Polizei von einer Anzeige
                                                     Feindlichkeit gegen Menschen                                                                                                                                                                            Mutter des beschuldigten Jugendlichen auf. Die
ab. Frau E. wird nicht auf den Tatbestand der                                              10
                                                     aus der Mehrheits­gesellschaft                                                                                                                                                                          Beratungsstelle bietet ihr konkrete Handlungs-
rassistischen Diskriminierung hingewiesen.
                                                                                                                                                                                                                                                             und Unterstützungsmöglichkeiten an. Die Schu-
Am gleichen Abend schreibt sie dem zuständi-
                                                                                                                                                                                                                                                             le interveniert und arbeitet den Vorfall auf. Die
gen Polizisten eine Mail, um zu fragen, ob eine                    Antisemitismus          9
                                                                                                                                                                                                                                                             Chatgruppe wird gelöscht und der beschuldigte
Anzeige wegen rassistischer Diskriminierung
                                                                                                                                                                                                                                                             Jugendliche wird psychologisch betreut. Die Be-
nach Art. 261bis StGB möglich sei. Eine Ant-
wort erhält sie nicht. Frau E. ist empört und
                                                                    Nationalismus          6                                                                                                                                                                 ratungsstelle steht zur weiteren Unterstützung
                                                                                                                                                                                                                                                             zur Verfügung.
wendet sich an die Beratungsstelle.
                                                      Anderes religiöses Feindbild         5
Da die Aussagen unter die Rassismusstrafnorm
fallen, unterstützt die Beratungsstelle Frau E.      Feindlichkeit gegen Franzosen
dabei, eine Anzeige zu erstatten. Es wird ein                      in der Romandie         5
Verfahren eröffnet und der Beschuldigte identi-
fiziert. Die Zuständige Staatsanwalt verurteilt       Feindlichkeit gegen Deutsche
den Beschuldigten wegen mehrfacher Rassen-                   in der Deutschschweiz         2
diskriminierung zu einer Busse und einer beding-
ten Geldstrafe.                                               Feindlichkeit gegen
                                                             Roma, Sinti, Jenische         2

                                                     Religiöser Fundamentalismus           0

                                                                                      0        40   80   120    160    200    240     300   320
18                      Teil II – Analyse                                                                                                                                                                                                                                                       19
                        Betroffene Personen

      Welche Angaben gibt es                                                                                                                    Nationalität                                                             Gender
                                                                                                                                                                                                                                                               233
                                                                                                                                                                                                                                                                          Männlich

                                                                                                                                                116
                                                                                                                                                                                                                            Weiblich

      zu den betroffenen Personen?
                                                                                                                                                              Schweiz

                                                                                                                                                                                                                                                                            5
                                                                                                                                                 25
                                                                                                                                                 20
                                                                                                                                                je
                                                                                                                                                              Eritrea

                                                                                                                                                              Syrien, Frankreich
                                                                                                                                                                                                                                        241                             Keine Angabe

      Regionale Herkunft
      Am häufigsten betreffen die erfassten Fälle Menschen mit europäischer Herkunft (168 Nennungen).                                            15
                                                                                                                                                je
                                                                                                                                                              Italien, Türkei

                                                                                                                                                                                     72 Keine Angabe
      Dies ist damit zu erklären, dass Personen italienischer, deutscher, portugiesischer, französischer, ko-
      sovarischer, spanischer, türkischer und serbischer Staatsangehörigkeit die Mehrheit der Menschen
                                                                                                                                                je   11       Afghanistan,
                                                                                                                                                              Marokko
                                                                                                                                                                                     57 Weitere Nationalitäten
                                                                                                                                                                                     53 Doppelbürgerschaften             Alter
      ohne Schweizer Pass in der Schweiz ausmachen. Zudem sind darunter auch zahlreiche Personen mit
      Schweizer Herkunft (87), die als «fremd» wahrgenommen und diskriminiert werden. Am zweithäu-                                                        9   Tunesien

      figsten betreffen die erfassten Fälle Menschen afrikanischer Herkunft (148 Nennungen), gefolgt von
      Betroffenen aus dem Nahen Osten und Zentralasien (58). Auffallend ist, wie stark auch Menschen aus                                             je   8   Brasilien, Deutschland, Kosovo
                                                                                                                                                                                                                                    Bis 16 Jahre     29
      Eritrea (25) und Syrien (20) von rassistischer Diskriminierung betroffen waren und sich an eine Be-
      ratungsstelle gewandt haben.                                                                                                                   je   7   Algerien, Kamerun, Nigeria, Sri Lanka
                                                                                                                                                                                                                                17 – 25 Jahre        45

                                                                                                                                                     je   6   Bosnien-Herzegowina, Kongo, Libanon                               26 – 65 Jahre                              367

      Regionale Herkunft der Betroffenen
                                                                                                                                                     je   5   Äthiopien, Gambia, Guinea, Kenia,
                                                                                                                                                              Kolumbien, Serbien, Spanien
                                                                                                                                                                                                                            Älter als 65 Jahre       17

                                                                                                                                                          4   Ägypten, Albanien, China, Indien,                                  21 Keine Angabe
      Anzahl betroffene Personen: 479*
                                                                                                                                                     je       Irak, Senegal, Somalia, USA

                                                                                                                                                          3   Australien, Iran, Mauritius, Mexiko, Dominikanische        Die Beratung wurde 2020 am meisten von weiblichen Betroffenen
                 Nordamerika                  8
                                                                                                 87       Schweiz
                                                                                                                                                     je       Republik, Österreich, Palästina, Peru                      zwischen 26 und 65 Jahren aufgesucht.

                                                                                                              Übriges                           Rechtsstatus
                                                                                                         31   Europa
                                                                                                                                                Nicht die Nationalität bzw. der Aufenthaltsstatus in der Schweiz,           In der Regel werden die Beratungsstellen eher von Menschen mit
                                                                                                                                                sondern vielmehr die zugeschriebene «Andersartigkeit» ist aus-              einem Schweizer Pass oder einem gefestigten Aufenthaltsstatus
                                                                                                                                                schlaggebend für eine Diskriminierung. So kommt es bezeich-                 aufgesucht als von Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen oder

                                                                                50
                                                                                                                                                nenderweise auch zu diskriminierenden Handlungen gegen                      Sans-Papiers. Insbesondere für Sans-Papiers (darunter auch abge-
                                                                                                                                                Schweizerinnen bzw. Schweizer aufgrund ihrer Religion oder zuge­            wiesene und untergetauchte Asylsuchende) ist die Hemmschwelle
                                                                                                                                                schriebenen nicht-schweizerischen Herkunft.                                 für die Inanspruchnahme einer Beratung in der Regel grösser, da
                                                                              EU                                                                Bei vorläufig aufgenommen Personen stellt sich nach einigen Jahren          befürchtet wird, dass sich die Offenlegung des Status negativ auf
                                                                                                                           Naher Osten          Aufenthalt die Frage, inwieweit dieser Status an sich bereits einer         die Aufenthaltssituation auswirken könnte.

                                                                                                                                          58
                                                                                                                           Zentralasien         strukturellen Diskriminierung gleichkommt. So finden diese Per-
                                                                                                                                                sonen aufgrund des prekären Aufenthaltsstatus nur mit Mühe eine

                                                                48
                                                                                                                                                Wohnung oder eine Erwerbstätigkeit.

            6                                                                                                                                   Rechtsstatus der Betroffenen                                            CH-Pass                                                  127
                                                                                                                                                Anzahl betroffene Personen: 479
     Zentralamerika
                                                           Nordafrika
                                                                                                                                    21                                                            C (Niederlassungsbewilligung)                           37
                                                                                                              45                Asien/Pazifik
                                                                                                                                                                                                      B (Aufenthaltsbewilligung)                          67

        6                                                                                                      Ostafrika                                                                            F (vorläufig Aufgenommene)                  34

     Karibik
                                                                        46                                     5
                                                                                                                                                                                                                  B (Flüchtlinge)               14

                                                                    Westafrika                            Zentralafrika                                                                                       N (Asylsuchende)                  10
             26                                                                                                                                                                                                    Sans-Papiers             8

      Südamerika                                                                                                                                                                Ci (Aufenthaltsbewilligung mit Erwerbstätigkeit)            5
                                                                                                     4
                                                                                                                           1 Ozeanien                                                                            Schengenvisum              4
                                                                                      Südliches Afrika
                                                                                                                                                                                                    G (Grenzgängerbewilligung)              3
       37            keine Angabe                                                                                                                                                                 L (Kurzaufenthaltsbewilligung)            2                            168 keine Angaben

      * Die Anzahl betroffener Personen unterscheidet sich von der Anzahl ratsuchender Betroffenen
20                                                   Teil III – Thema Rassismus und Diskriminierung im Jahr 2020                                                                                                                                                                                   21

                                                                                                                                                                                                                                                     Fallbeispiel N°19
Fallbeispiel N°17

Hasskommentare                                                                                                                                                                                                                                       Fragwürdige
                                                     Beitrag der Menschen­
                                                                                                                                                            kein Verhalten sei, das eine polizeiliche Kontrolle rechtfertige. Die Frage, ob Racial
im Internet                                                                                                                                                 Profiling vorlag, blieb jedoch ungeklärt. Der Fall wurde von Mohamed Wa Baile an den     Personenkontrolle
                                                                                                                                                            Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen. Racial Profiling ist
Herr J. berichtet von herabsetzenden und
beleidigenden Äusserungen gegen Personen
                                                     rechts­expertin                                                                                        seit Jahren ein wiederkehrendes Thema, das auch das Beratungsnetz immer wieder
                                                                                                                                                            beschäftigt.
                                                                                                                                                                                                                                                     Herr R. wartet auf dem Zugperron auf seine
                                                                                                                                                                                                                                                     Frau. Um ihr seinen Standort mitzuteilen, fo-

                                                     Dr. Nora Refaeil
                                                                                                                                                                                                                                                     tografiert er das Gleis mit seinem Natel. Als
aus dem asiatischen Raum in der Kommen-
                                                                                                                                                                                                                                                     sie in den Zug einsteigen, wird Herr R. von
tarspalte eines Online-Artikels zur COVID-                                                                                                                  Schwarzenbach-Initiative                                                                 zwei Polizisten kontrolliert. Herr R. zeigt ih-
19-Pandemie.
                                                                                                                                                                                                                                                     nen das Zugbillet und seine Identitätskarte.
                                                                                                                                                            Das Jahr 2020 markierte auch das fünfzigste Jubiläum der Schwarzenbach-Initiative.       Die Frau fragt nach dem Grund für die Kon-
Die Beratungsstelle prüft mit Herrn J. die Rechts-
                                                                                                                                                            1970 wollte James Schwarzenbach mit der «Volksinitiative gegen Überfremdung» eine        trolle. Die Polizisten erklären, er sei auffäl-
lage. Nach Einschätzungen der Stelle sind eini-      Das Jahr 2020 war insbesondere geprägt von zwei Ereignissen, welche die Themen                         Begrenzung des Ausländeranteils auf maximal zehn Prozent der Wohnbevölkerung             lig gewesen, weil er Fotoaufnahmen seines
ge der Kommentare strafrechtlich relevant. Da
                                                     Rassismus und Diskriminierung für die ganze Gesellschaft in den Vordergrund stell-                     in allen Kantonen erreichen. Diese fremdenfeindliche Bewegung und deren rassisti-        Standorts gemacht habe. Das Paar ist über-
die Redaktion auf Nachfrage die Kommentare
                                                     ten. Hierbei handelte es sich einerseits um den Umgang mit und die Auswirkungen                        sche Vorstellung vom «Anderen», die an Abstammung und äusseren Merkmalen wie             zeugt, dass eine «europäisch aussehende»
nicht entfernt, erklärt die Beratungsstelle Herrn
                                                     der COVID-19-Pandemie und andererseits um die Folgen der Black Lives Matter-                                                                                                                    Person nicht kontrolliert worden wäre.
J. das rechtliche Vorgehen und ermutigt ihn, An-                                                                                                            der Haut- und Haarfarbe festgemacht wurden, leben bis heute fort. So werden heute
zeige gegen die Kommentierenden zu erstatten.        Bewegung. Die beiden Ereignisse trafen überdies mit dem Jubiläum der Schwarzen-                        noch Personen mit ausländerrechtlichem Aufenthaltsstatus und Personen mit einem          Das Paar verfasst eine Beschwerde an die Poli-
                                                     bach-Initiative zusammen.                                                                              tatsächlichen oder einem zugeschriebenen Migrationshintergrund einer Vielzahl von        zei und wendet sich an die Beratungsstelle. Herr
                                                                                                                                                            diskriminierenden Dynamiken ausgesetzt. Auch wenn die Schweiz eines der bedeu-           R. möchte die kontrollierenden Polizisten treffen,
Fallbeispiel N°18                                    Pandemie                                                                                               tendsten Immigrationsländer der Welt ist, wird Migration hierzulande nach wie vor als    um ihnen ihr Fehlverhalten und die verletzen-
                                                                                                                                                                                                                                                     de Wirkung aufzuzeigen. Die Beratungsstelle
Herabwürdigende                                      Die COVID-19-Pandemie stellt seit Anfang 2020 für die Gesellschaft eine extreme Her-
                                                                                                                                                            Ausnahme gesehen. Dies führt dazu, dass Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben
                                                                                                                                                            und arbeiten noch immer als nicht dazugehörig gesehen und behandelt werden, was          nimmt Kontakt mit der Polizei auf. Nur der für
Behandlung                                           ausforderung dar. Die Pandemie selbst wie auch der Umgang damit deckten insbesonde-
                                                     re die in der Gesellschaft vorliegenden Ungleichheiten auf. Besonderen Anlass zur Sorge
                                                                                                                                                            ihre Chancengleichheit auf Bildung, Arbeit und Zugang zum Recht stark beeinträch-        Beschwerden zuständige Polizeivertreter willigt
                                                                                                                                                                                                                                                     zu einem Gespräch ein. Der Beamte bietet dem
                                                                                                                                                            tigt. Gemäss dem im März 2020 publizierten Bericht der Europäischen Kommission
im Sprachkurs                                        geben die mit der Pandemie zusammenhängenden strukturellen Benachteiligungen                           gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist Xenophobie denn auch die häufigste Form
                                                                                                                                                                                                                                                     Paar an, zusammen mit der Beratungsstelle ei-
                                                                                                                                                                                                                                                     nen Besuch bei der Polizei zu machen, um deren
                                                     von Menschen mit Migrationshintergrund in den Bereichen Bildung, Gesundheit und                        von Diskriminierung in der Schweiz. Die ECRI stellt ausserdem einen starken Anstieg      Beweggründe besser zu verstehen. Herr R. hatte
Beim Deutschunterricht spricht die Aushilfs-         Arbeit sowie deren Langzeitfolgen, die zur Zeit noch nicht ganz absehbar sind.                         eines muslimfeindlichen Diskurses fest ebenso wie im politischen Diskurs und im          sich eine direkte Konfrontation mit den Polizis-
lehrerin explizit zwei Frauen aus Italien auf        Weiter wurden unter dem Deckmantel der Pandemie Menschen aufgrund ihrer Her-
die COVID-19-Hygienenmassnahmen an                                                                                                                          Internet geäusserte Intoleranz gegen Roma, Jenische und Sinti/Manouches.                 ten erhofft, um den Vorfall abzuschliessen und
                                                     kunft oder des Status unter Generalverdacht gestellt und es sind viele rassistische,                                                                                                            seine Verletzung verarbeiten zu können.
und fordert sie auf, die Hände gründlich zu
waschen. Sie behauptet, es sei bekannt, wie          diskriminierende, verletzende Hassreden gegen bestimmte Nationalitäten aufgefallen.                    Ausblick
schlecht sich Italienerinnen und Italiener die       So wurde die Schuld an der Pandemie häufig Menschen asiatischer Herkunft in die
Hände waschen würden, weswegen sie jetzt             Schuhe geschoben. Aber auch antisemitische Verschwörungstheorien und Holocaust-                        Das Jahr 2020 zeigte deutlich, dass die Themen Ausschluss, Rassismus, Diskriminie-
so viele Corona-Fälle hätten.                        Relativierungen erhielten Auftrieb.                                                                    rung aber auch Teilhabe, Repräsentation und institutioneller Wandel nicht nur einfach
                                                                                                                                                            aktuell sind, sondern es für die Gesellschaft und Institutionen unumgänglich ist, sich
Die Beratungsstelle nimmt mit der Leitung des
                                                     Black Lives Matter (BLM)                                                                               damit vertieft zu befassen.
Kurses Kontakt auf, welche die Aushilfslehrerin
auffordert, sich bei den Betroffenen zu entschul-                                                                                                           Im privaten Bereich bleibt die Diskriminierung bei der Arbeit und beim Wohnen wei-
digen. Da die Lehrerin in der Vergangenheit be-      Die BLM-Bewegung, die nach dem Mord von George Floyd nationale Proteste gegen                          terhin ein zentrales Thema. Und es stellt sich die Frage, welche Art der Ausweitung
reits negativ aufgefallen war, wird ihr die Stelle   Polizeigewalt und systematischen Rassismus in den USA auslöste, bekam international                    des Diskriminierungsschutzes notwendig ist, um dieser Benachteiligung effektiv be-
als Aushilfe gekündigt. Die Leiterin des Kurses      breite Unterstützung – so auch in der Schweiz. Damit rückte unter anderem die Frage                    gegnen zu können.
entschuldigt sich ebenfalls im Namen der Insti-      in den Vordergrund, was die Ereignisse in den USA mit der Schweiz zu tun haben. Mit                    Die BLM-Bewegung untermauert die schon seit länger vorliegende Forderung, das
tution bei den zwei betroffenen Frauen.              Demonstrationen quer durch die Schweiz machten Aktivisten und Aktivistinnen auf die                    Selbstverständnis der Schweiz im Hinblick auf ihre Rolle im Kolonialismus kritisch zu
                                                     Diskriminierung gegen Schwarze Menschen und Menschen of Color1 aufmerksam und                          durchleuchten. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung hierzu ist essentiell. Gleichzeitig
                                                     wiederholten ihre Forderung, diese Art von Rassismus auf individueller, aber auch struk-               muss die Problematik des Racial Profilings ernst genommen werden. Die Forderung
                                                     tureller und institutioneller Ebene, zu benennen und zu bekämpfen. Konkret fordern                     nach einer unabhängigen Beschwerdestelle, einem Quittungssystem und der Weiter-
                                                     Expertinnen und Experten, Aktivistinnen und Aktivisten, Künstlerinnen und Künstler                     bildung für die Polizei bleiben weiterhin relevant.
                                                     sowie die Wissenschaft, dass die konkrete Rolle der Schweiz in der europäischen Ko-                    Auch die Bildung muss einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Wie wer-
                                                     lonialgeschichte untersucht werde, die heute noch Basis bildet für stereotype Bilder                   den Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen of Color in den Lehr- und
                                                     in den Köpfen von Menschen, aber auch in Produkten, (Kinder- und Lehr-)Büchern,                        Lernmitteln dargestellt? Wie gehen Lehrpersonen und die Schülerschaft mit Vorurtei-
                                                     Bildern, Bauten, Denkmälern etc. Diese Forderungen führten unter anderem dazu, dass                    len und Stereotypen um, die sich gegen vermeintlich «Andere» richten? Wie können
                                                     die Migros die Süssspeise mit dem Name «M-…» des Herstellers Dubler aus ihren                          die heutigen Hindernisse in der Bildung angegangen werden, damit alle Kinder eine
                                                     Regalen nahm oder dass eine Basler Fasnachtsclique ihren Namen änderte und dass                        Chance auf eine erfolgreiche Bildung haben? Eine umfassende Analyse der struktu-
                                                     sich verschiedene Institutionen nun mit kolonialen Bildern und Denkmäler wie auch                      rellen Diskriminierung durch Schulinstitutionen wie auch der Lehr- und Lernmittel
                                                     Schulmaterial auseinandersetzen. Gerade für die Schweiz, wo der Anti-Schwarzen-Ras-                    sowie eine anti-diskriminatorische und antirassistische Bildung und Weiterbildung
                                                     sismus bis anhin weitgehend heruntergespielt und verneint wird, ist die schweizerische                 des Lehrkörpers drängt sich auf. Die Frage, wie der Hass in den Sozialen Medien
                                                     BLM-Bewegung ein Weckruf.                                                                              weitergetragen wird, ist ein Thema, das uns über den Schulraum hinaus weiter be-
                                                     Auch das Thema Racial Profiling blieb in dieser Hinsicht aktuell. Das Verwaltungsge-                   schäftigen wird. Auch Anfang 2021 beherrscht die Pandemie unseren Alltag. Es ist un-
                                                     richt des Kantons Zürich beurteilte die Kontrolle von Mohamed Wa Baile2 als rechts-                    abdingbar, dass die Folgen der Pandemie und die damit einhergehenden potentiellen
                                                     widrig und hielt fest, dass das blosse «Abwenden des Blicks» am Hauptbahnhof Zürich                    Diskriminierungen weiterhin kritisch beobachtet und analysiert werden.

                                                     1 Menschen of Color / People of Color ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus           Dr. Nora Refaeil ist Advokatin, Mediatorin und Trainerin. Sie arbeitet als Lehrbeauf-
                                                     erfahren. Die Bezeichnung zielt darauf ab, die unterschiedlichen Gruppen, die vielfältige Formen von   tragte an der Juristischen Fakultät der Universität Basel und ist Vizepräsidentin der
                                                     Rassismus ausgesetzt sind, zu vereinen, um so Kräfte zu bündeln und gemeinsam gegen Rassismus zu
                                                                                                                                                            Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.
                                                     kämpfen (vgl. www.verein-diversum.ch > woerterbuch).

                                                     2 www.humanrights.ch > droits humains > accès à la justice > Délit de faciès: Le Tribunal fédéral
                                                     confirme le jugement de Wa Baile
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