IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ - Infras

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IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ - Infras
BUNDESAMT FÜR KOMMUNIKATION (BAKOM) UND
BUNDESAMT FÜR RAUMENTWICKLUNG (ARE)

IKT UND NACHHALTIGE
ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ
Schlussbericht
Zürich, 20. Dezember 2009

Thomas von Stokar, Anna Vettori, Tobias Jung, Romano Monsch

1960A_IKT_NE_SCHLUSSBERICHT 20-12-09.DOC

                                                              INFRAS

                                                              BINZSTRASSE 23
                                                              POSTFACH
                                                              CH-8045 ZÜRICH
                                                              t +41 44 205 95 95
                                                              f +41 44 205 95 99
                                                              ZUERICH@INFRAS.CH

                                                              MÜHLEMATTSTRASSE 45
                                                              CH-3007 BERN

                                                              WWW.INFRAS.CH
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INHALT

1.        EINLEITUNG _________________________________________________________ 5
1.1.      AUSGANGSLAGE, ZIEL ___________________________________________________ 5
1.2.      METHODISCHES VORGEHEN _______________________________________________ 6
2.        RELEVANZ DER IKT FÜR DIE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG____________________ 9
2.1.      ABGRENZUNG DER IKT ___________________________________________________ 9
2.2.      RELEVANZ FÜR DIE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG _____________________________ 10
3.        SCHLÜSSELTHEMEN __________________________________________________ 12
3.1.      ÜBERSICHT __________________________________________________________ 12
3.2.      GRÜNE IKT ___________________________________________________________ 13
3.2.1.    Energieverbrauch______________________________________________________ 13
3.2.2.    Stoffkreisläufe ________________________________________________________ 17
3.3.      «SMART»-AKTIVITÄTEN _________________________________________________ 19
3.3.1.    Smart Grids/Smart Metering _____________________________________________ 20
3.3.2.    Smart BuildingS/SMART Mobility/Smart LogistiC _____________________________ 22
3.4.      SUBSTITUTIONSPROZESSE _______________________________________________ 24
3.5.      EFFIZIENZ VON UNTERNEHMEN UND INNOVATIONSFÄHIGKEIT ____________________ 25
3.6.      EFFIZIENZ DER ÖFFENTLICHEN HAND _______________________________________ 28
3.7.      E-AKTIVITÄTEN _______________________________________________________ 30
3.7.1.    e-Health und Gesundheit _______________________________________________ 30
3.7.2.    e-Learning ___________________________________________________________ 33
3.7.3.    e-Security ___________________________________________________________ 34
3.7.4.    e-Inclusion / digital Kluft _______________________________________________ 36
3.8.      SOZIALE NETZWERKE, VEREINSAMUNG ______________________________________ 37
4.        SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN _____________________________ 39
ANNEX __________________________________________________________________ 45
ANNEX 1: IDANE-KRITERIEN DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG ________________________ 45
ANNEX 2: RELEVANZANALYSE____________________________________________________ 53
ANNEX 3: BESTEHENDE GRUNDLAGEN, MASSNAHMEN SCHWEIZ __________________________ 61
ANNEX 4: ÜBERSICHT PROJEKTE E-INCLUSION SCHWEIZ _______________________________ 77
ANNEX 5: AUSLAND ___________________________________________________________ 81
DEUTSCHLAND _______________________________________________________________ 82
GROSSBRITANNIEN ___________________________________________________________ 85

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | INHALT
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DÄNEMARK _________________________________________________________________ 86
NORWEGEN _________________________________________________________________ 87
JAPAN      ___________________________________________________________________ 88
EUROPA/EU _________________________________________________________________ 89
OECD       ___________________________________________________________________ 91
ANNEX 6: ÜBERSICHT DER KONTAKTIERTEN AKTEURE _________________________________ 93
GLOSSAR _________________________________________________________________ 95
LITERATUR _______________________________________________________________ 97

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | INHALT
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1. EINLEITUNG

1.1. AUSGANGSLAGE, ZIEL
Die Strategie des Bundesrates für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz von Januar
2006 setzt Leitlinien, damit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) «rasch,
koordiniert und zum Nutzen aller eingesetzt werden können».1 Die Strategie streicht her-
aus, dass die IKT einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung (NE) in der
Schweiz leisten aufgrund ihres Potenzials, durch den Einsatz von Wissen das Wirtschafts-
wachstum ressourcenschonend zu steigern. Der Zusammenhang zwischen IKT und Nachhal-
tiger Entwicklung wird durch die Wissenschaft breit diskutiert. Die Forschung erkennt dabei
sowohl bedeutende Chancen, aber auch Gefahren, die die IKT für die Nachhaltige Entwick-
lung bergen.
     Als Chancen werden unter anderem die Dematerialisierung2, d.h. eine Reduktion von
Gütertransporten, Emissionen oder Abfallaufkommen, und eine Entkoppelung von Wirt-
schaftswachstum und Ressourcenverbrauch gesehen. Auch bieten IKT Chancen für weniger
entwickelte Regionen und Länder des Südens und Ostens, was auch für diesen zentralen
Aspekt der Nachhaltigen Entwicklung bedeutsam ist (Stichwort ICT for development).
     Auf der anderen Seite bergen IKT auch Gefahren, z.B. dass gegenwärtig nicht nachhal-
tige Trends wie der digital divide3, die organisierte Kriminalität, der Missbrauch von elekt-
ronischen Daten, die Zunahme giftiger Abfälle (Elektronikschrott), aber auch die Verbrei-
tung pornografischer oder gewaltverherrlichender Inhalte (vor allem unter Jugendlichen)
durch die weitere Verbreitung von IKT verstärkt werden. Es besteht auch die Gefahr, dass
wegen IKT zusätzliche Ressourcen, z.B. mehr Papier und mehr Energie verbraucht werden.
     Der Bericht des IDA Informationsgesellschaft für die Jahre 2006–2008 zur Umsetzung
der Strategie des Bundesrates für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz von Dezem-
ber 2008 kommt denn auch zum Schluss, dass die IKT das Potenzial haben, einen beach-
tenswerten Beitrag zur Nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Damit sich dieses Potenzial
entfalten könne, müssten jedoch die negativen Umwelteffekte der IKT minimiert und die
positiven maximiert werden. Dabei sei den globalen Entwicklungs- und Umweltherausforde-
rungen sowie der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit besonders Rechnung zu tra-

1   Strategie des Bundesrates für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz, Januar 2006, S. 1.
2   Siehe Abschnitt 3.4.
3   Digital divide bezeichnet die Kluft bzw. Ungleichverteilung des Zugangs zu IKT (z.B. Internetzugang) und die daraus resultie-
    renden Ungleichheiten bezüglich sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungschancen. Siehe auch Abschnitt 3.7.4

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gen. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat dem UVEK am 5. Dezember 2008 den Auf-
trag erteilt, zusammen mit dem Interdepartementalen Ausschuss Nachhaltige Entwicklung
(IDANE) bis Ende 2009 zu prüfen, wie das Potenzial der IKT für Nachhaltige Entwicklung
vermehrt genutzt und die Risiken gemindert werden können. Zu diesem Zweck hat das
Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) zusammen mit dem Bundesamt für Raumentwick-
lung (ARE) INFRAS beauftragt, eine Bestandesaufnahme vorzunehmen und Defizite und
mögliche Handlungsansätze aufzuzeigen. In der Bestandesaufnahme sollen bestehende
Grundlagen, Massnahmen und Initiativen von Bund, Wirtschaft und NGO im IKT-Bereich in
der Schweiz aus Sicht der Nachhaltigen Entwicklung gesichtet, zusammengestellt und nach
Massgabe der Nachhaltigkeitsdimensionen und -kriterien geordnet und bewertet werden.4
Die Studie soll die bestehenden Wissenslücken aufzeigen und an die Adresse der öffentli-
chen Hand Empfehlungen formulieren, wo der Bund aktiv werden soll und welche Partner
allenfalls beigezogen werden müssen.

1.2. METHODISCHES VORGEHEN
Wie in Figur 1 dargestellt, haben sich die Arbeiten in fünf Arbeitsmodule aufgegliedert. Als
erstes wurden die Wirkungsbezüge der IKT für die NE aufgezeigt und ihre Relevanz anhand
von Nachhaltigkeitskriterien geprüft. Wirkungen entstehen, wenn die IKT in der Herstel-
lung, im Betrieb und in der Entsorgung des Produkts und in ihrer Nutzung ein Nachhaltig-
keitskriterium positiv oder negativ beeinflussen oder im Sinne eines Potenzials beeinflussen
könnten. Die Relevanzeinschätzung erfolgte anhand der 27 Nachhaltigkeitskriterien, wie sie
von IDANE und im Rahmenkonzept zur Nachhaltigkeitsbeurteilung des Bundes festgelegt
wurden.5 Die Relevanz wurde primär anhand qualitativer und soweit möglich quantitativer
Informationen geklärt.
     Basierend auf den Wirkungsbezügen und der Relevanzanalyse wurden anschliessend
Schlüsselthemen definiert und für diese eine Bestandesaufnahme durchgeführt. Die Bestan-
desaufnahme erfasst relevante Grundlagen (gesetzliche Grundlagen, Abkommen, einschlägi-
ge Studien, Massnahmen und Aktivitäten), die in der Schweiz zu den einzelnen Wirkungen
oder Themen bestehen. Zusätzlich haben wir die wichtigsten Grundlagen zu den ausgewähl-
ten Schlüsselthemen in ausgewählten Ländern und Institutionen (D, UK, N, DK, J, EU,
OECD)6 zusammengestellt.

4   Siehe Strategie Nachhaltige Entwicklung: Leitlinien und Aktionsplan 2008–2011, S. 8ff.
5   Eine Beschreibung der 27 Nachhaltigkeitskriterien findet sich im Anhang.
6   Deutschland, Grossbritannien, Norwegen, Dänemark, Japan.

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      Methodisch haben wir uns bei den Arbeiten zur Relevanzanalyse und zur Bestandesauf-
nahme im In- und Ausland auf eine breite Internetrecherche im In- und Ausland und eine
Literatur- und Dokumentenanalyse abgestützt. Die gewonnene Übersicht wurde ergänzt mit
zahlreichen Interviews mit VertreterInnen aus der Verwaltung, Wirtschaft, NGO und Wissen-
schaft.7
      Der Vergleich der Ergebnisse von Relevanzanalyse und Bestandesaufnahme diente uns
sodann als Basis, um Lücken und Handlungsbedarf für die betroffenen Akteure zu identifi-
zieren und Handlungsansätze und Empfehlungen abzuleiten. Ergänzt wurden Handlungsbe-
darf und Handlungsansätze mit Inputs aus dem IDANE-Workshop.

    VORGEHEN

                  Relevanzanalyse                    Bestandes-                      Ausgewählte
                                                     aufnahme                        Erfahrungen
                                                     Schweiz                         Ausland

                  Wie stark ist der                 Welche Grundlagen                Was machen andere
                  Bezug IKT-NE?                     liegen vor?                      Staaten?
                  Welches sind die                  Was ist im Gang                  Was lässt sich für
                  Wichtigen Aspekte?                bei Bund,                        die Schweiz lernen?
                  („Schlüsselthemen“)               Wirtschaft, NGO?
                                              ∆                                  ∆

                                                     Lücken und
                                                     Handlungsbedarf

                                                                   Workshop IDANE 20.10.09

                                                     Handlungs-
                                                     ansätze und
                                                     Empfehlungen

Figur 1

7    Eine Liste der kontaktierten Stellen befindet sich im Anhang dieses Berichts.

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2. RELEVANZ DER IKT FÜR DIE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG

2.1. ABGRENZUNG DER IKT
IKT umfassen Produkte, Dienstleistungen und Anwendungen, die auf Informations- und
Kommunikationstechnologien beruhen. Eine «Informationsgesellschaft» ist in der Folge eine
Gesellschaft, in der die IKT die Gesellschaft wirtschaftlich, kulturell und sozial zunehmend
prägen und die Lebens- und Wirtschaftsweise beeinflussen. Technische Innovationen wie die
Digitalisierung und Standards wie das Internet-Protokoll haben in den letzten zwanzig Jah-
ren dazu geführt, dass verschiedene Technologien, Geräte und Wirtschaftssektoren zuneh-
mend miteinander verschmolzen und neue Produkte und Anwendungen hervorbrachten. IKT
beschränken sich in der Zwischenzeit nicht nur auf Produkte und Anwendungen der IT- und
Telekom-Branche im engeren Sinn wie der Computer oder das Internet, sondern ihre Kom-
ponenten haben auch in vielen anderen Industrien von der Fahrzeug- bis zur Haustechnik
Einzug gehalten. Intelligente, kommunikationsfähige Geräte haben zu einer zunehmenden
«Infiltration» von IKT in all unsere Lebensbereiche geführt und ohne das Internet (und das
Mobilfunkgerät) ist die Teilnahme am öffentlichen Leben bereits eingeschränkt. Die IKT
werden in der vorliegenden Untersuchung im breiten Sinn verstanden. Wie in Figur 2 darge-
stellt lassen sich die IKT in eine Herstellerebene (Produzierender Sektor) und eine Anwen-
derebene (Nutzer) unterteilen. Die Herstellerebene umfasst Teile und Komponenten, Soft-
ware, Netzinfrastrukturen, Endgeräte und Dienste. Vor dem Hintergrund dieser Studie min-
destens so relevant sind die Nutzung und konkrete Anwendung der IKT im gesellschaftli-
chen und wirtschaftlichen Leben. Wissenschaft und Politik haben dazu verschiede
«e»-Begriffe geschaffen wie e-Banking, e-Commerce, e-Government, e-Voting, e-Health etc.

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ENTWICKLUNG
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 IKT-WERTSCHÖPFUNGSKETTE

Figur 2 Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (Deutschland) (2005): IKT-Masterplan.

2.2. RELEVANZ FÜR DIE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
IKT beeinflussen die Nachhaltige Entwicklung in unterschiedlicher Art und Weise. Im Rah-
men der Relevanzanalyse wurden die Wirkungen der IKT auf die NE erfasst und bezüglich
ihrer Relevanz beurteilt. Massgebend sind die Effekte der IKT auf die NE (und nicht umge-
kehrt). Die Beurteilung erfolgte anhand der von der IDANE festgelegten 27 Nachhaltigkeits-
kriterien. Relevant sind die IKT, wenn sie als Produkt in der Herstellung, im Betrieb und in
der Entsorgung und in ihrer Nutzung ein Nachhaltigkeitskriterium positiv oder negativ be-
einflussen oder im Sinne eines Potenzials beeinflussen könnten. Diese einfachen Wirkungs-
ketten zeigen die Zusammenhänge zwischen IKT und den verschiedenen Nachhaltigkeitsin-
dikatoren. Die folgende Tabelle zeigt die Relevanz pro Kriterium. Die detaillierten Wir-
kungszusammenhänge als Grundlage für die Relevanzbeurteilung befinden sich im Anhang
auf Seite 53. Die Ergebnisse der Relevanzanalyse wurden sodann dazu verwendet, um für die
folgende Bestandesaufnahme entsprechende Prioritäten (Schlüsselthemen) zu setzen.

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ENTWICKLUNG
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 RELEVANZ VON IKT AUF INDIKATOREN DER NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
 IDANE-Kriterien der         Rele-     IDANE-Kriterien der          Rele-     IDANE-Kriterien der         Rele-
 NE                          vanz      NE                           vanz      NE                          vanz
 U1 Artenvielfalt               •      W1 BIP pro Kopf               •••      G1 Bildung, Lernfä-          •••
                                                                              higkeit
 U2 Klima, Ozonschicht        •••      W2 Qualität und Effi-         •••      G2 Gesundheit, Wohl-         •••
                                       zienz der Infrastruktur                befinden,
                                       und Dienstleistungen                   Sicherheit, Rechtssi-
                                       der öffentlichen Hand                  cherheit
 U3 Emissionen                 ••      W3 Wertvermehrende              •      G3 Freiheit, Unabhän-         ••
                                       Investitionsquote                      gigkeit, Individualität
 U4 Landschaft,                 •      W4 Langfristig tragbare         •      G4 Identität, Kultur          ••
 Kultur-, Naturraum                    Staatsverschuldung
 U5 Wasser                     •       W5 Ressourceneffizienz         ••      G5 Werthaltung               •••
 U6 Stoffe, Organis-          •••      W6 Wettbewerbsfähig-          •••      G6 Solidarität, Ge-          •••
 men, Abfälle                          keit                                   meinschaft
 U7 Energie                   •••      W7 Arbeitskräf-                ••      G7 Offenheit, Toleranz        ••
                                       te(potenzial)
 U8 Landfläche (Bo-            ••      W8 Innovationsfähig-          •••      G8 Soziale Sicherheit,        ••
 den, Fläche, Frucht-                  keit, leistungsfähige                  Armutsanteil
 barkeit)                              Forschung
 U9 Minimierung der            ••      W9 Ordnungspolitische           •      G9 Chancengleichheit,        •••
 Umweltrisiken                         Rahmenbedingungen                      Gleichstellung, Parti-
                                                                              zipation
Tabelle 1 Zusammenzug der Relevanzanalyse zu IKT und Nachhaltige Entwicklung. Ein Punkt bedeutet eine geringe,
zwei eine mittlere und drei eine hohe Relevanz des jeweiligen Wirkungsbezugs dar. Zeitlicher Horizont einige Jahre,
Fokus Schweiz.

Die Relevanzanalyse zeigt, dass in allen drei Dimensionen starke Bezüge zur Nachhaltigen
Entwicklung bestehen: In der Umwelt sind es die Kriterien Energie/Klima und Abfälle, in
der Wirtschaft die Kriterien Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Bruttoinlandprodukt
sowie die öffentliche Hand. In der Gesellschaft bestehen ebenfalls sehr enge und breitgefä-
cherte Wirkungen von IKT auf die Nachhaltige Entwicklung: sehr relevant sind die Aspekte
Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Werthaltung, Gemeinschaft und Chancengleichheit.

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | RELEVANZ DER IKT FÜR DIE NACHHALTIGE
ENTWICKLUNG
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3. SCHLÜSSELTHEMEN

3.1. ÜBERSICHT
Basierend auf den relevanten Kriterien aus der Relevanzanalyse lassen sich folgende Schlüs-
selthemen für die Wirkungen von IKT auf die Nachhaltige Entwicklung identifizieren:
     Im Bereich Umwelt sind dies Aktivitäten, welche die Energie- und Ressourceneffizienz
sowie die Entsorgung von Geräten und der dazugehörigen Infrastruktur verbessern sollten
und damit auf die direkten Effekte der IKT auf die NE ausgerichtet sind. Darin enthalten ist
auch die Problematik der immer kurzfristigeren Produktlebezyklen und des Mehrverbrauchs
an Ressourcen und Energie infolge des IKT-Gebrauchs. Diese Anstrengungen fassen wir un-
ter dem Begriff Grüne IKT zusammen. Auf der Anwendungsseite spielen «Smart»-
Aktivitäten8 eine wichtige Rolle. Diese sollen die Effizienz von Anwendungen mithilfe von
IKT verbessern und damit indirekt einen Effekt auf die NE ausüben. Zu den Smart-
Aktivitäten zählen insbesondere Smart Buildings, Smart Mobility, Smart Logistic, Smart
Grids/Metering, etc., aber auch Anstrengungen um die Strahlung zu reduzieren und die
Chancen und Probleme des Pervasive Computing9 und dem Internet der Dinge10. Ein drittes
wichtiges Thema sind sodann Substitutionsanstrengungen, welche zum Ziel haben, Aktivi-
täten durch weniger energieintensive IKT-Anwendungen zu ersetzen (z.B. Mobilität durch
Videokonferenzen, Dematerialisierung durch Mail statt Brief, e-Paper anstelle von Zeitung
etc.). Wichtig ist, dass all diese Aktivitäten immer Chancen und Gefahren bergen können.
     Im Bereich Wirtschaft spielen IKT sowohl für die Innovations- und Wettbewerbsfä-
higkeit von Unternehmen als auch in Bezug auf die Effizienz der öffentlichen Hand
eine wichtige Rolle. Daraus ergeben sich wiederum positive und negative Folgen, sei es auf
die Gesundheit (Stress infolge Dauererreichbarkeit) oder auf die Integration (Menschen
ohne IKT-Fähigkeiten werden ausgeschlossen). Die Auswirkungen von IKT in diesen Berei-
chen drückt sich in den Schlagworten e-Health und e-Inclusion/digital divide aus. Weite-
re «e-Aktivitäten» wie e-Learning, e-Security, e-Government etc. und damit verbunden
Schlagworte wie Privacy, gläserner Kunde, Kriminalität, Jugendschutz machen deutlich,
dass die elektronische Anwendung bereits bestehender Verfahren in vielen gesellschaftli-

8  Zu den Chancen und Gefahren von Smart Aktivitäten: siehe Abschnitt 3.3.
9  Allgegenwärtigkeit der Informationsbearbeitung durch miniaturisierte miteinander drahtlos vernetzte «Computer» (bspw.
   RFID-Tags) die möglicherweise unsichtbar in beliebige Alltagsgegenstände eingebaut werden können
   (http://www.edoeb.admin.ch/glossar/01325/index.html?lang=de). Siehe auch www.risiko-
   dialog.ch/Publikationen/Artikel/164-Pervasive%20Computing%20birgt%20Konfliktpotenzial.
10 Elektronische Vernetzung von Gegenständen des Alltages
   (http://www.bmbf.de/glossar/glossary_item.php?GID=111&N=I&R=12.)

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | SCHLÜSSELTHEMEN
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chen Bereichen immer wichtiger wird. Chancen- und Probleme auf die Gemeinschaft lassen
sich sodann unter den Schlagworten soziale Netzwerke, Vereinsamung, zusammenfassen.

In diesem Kapitel werden für die oben definierten Schlüsselthemen die relevanten Grundla-
gen dargestellt (Strategien, gesetzliche Grundlagen, Programme und Initiativen im In- und
Ausland). Aus dem Abgleich dieser Aktivitäten mit den Resultaten der Relevanzanalyse11
werden der Handlungsbedarf abgeleitet und mögliche Handlungsansätze gesammelt.

3.2. GRÜNE IKT
Unter dem Stichwort «Grüne IKT» («Green ICT») versteht man Bestrebungen, die Nutzung
der Informations- und Kommunikationstechnologien über deren gesamten Lebenszyklus
hinweg umwelt-, energie- und ressourcenschonend zu gestalten, also vom Design der Sys-
teme bis zur Produktion der Komponenten, deren Verwendung, Entsorgung und Recycling.

3.2.1. ENERGIEVERBRAUCH

Wirkungsbezug
Der Energieverbrauch von IKT-Geräten (z.B. Computer) und Anwendungen (z.B. e-Com-
merce) ist ein zentraler Aspekt in der Diskussion über IKT und NE. IKT-Geräte und Anwen-
dungen sind weltweit für rund zehn Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich und tra-
gen entsprechend stark zur weltweiten CO2-Gesamtemission bei. IKT verzeichnen ausserdem
die höchsten Zuwachsraten beim Stromverbrauch, die Problematik dürfte sich also noch
verschärfen.12
     Die Kosten des Stromverbrauchs für den Betrieb von IKT-Systemen sind wichtige Treiber
für energieeffizientere Geräte und Systeme. Zu einem innovativen Ansatz zählt beispiels-
weise die Kühlung der IT-Anlagen und Prozessoren durch Wasser oder Aussenluft anstelle
der üblichen energieintensiven Klimaanlagen. Grosse Einsparungen bei Rechenzentren sind
auch durch die sogenannte «Virtualisierung» möglich, indem Server und Server-Dienste sich

11 Vgl. Übersicht in Tabelle 1 auf Seite 11 und detaillierte Relevanzmatrix im Annex, Seite 53.
12 . Der Anteil der IT am Stromverbrauch in der Schweiz liegt heute bei etwa 10%
   www.cepe.ch/research/projects/compcentre/compcentre.htm
   (siehe auch ITU 2009: www.itu.int/dms_pub/itu-t/oth/06/0F/T060F00600C0004PDFE.pdf)
   2007 hat Gartner Research berechnet, dass die IKT-Branche für zirka zwei Prozent der weltweiten Emissionen von CO2 ver-
   antwortlich ist – was dem Anteil des Flugverkehrs entspricht. Diese Zahl wird seither oft zitiert, vgl.
   www.asut.ch/files/pdf711.pdf?8672 sowie Smart2020 Report (Gesi 2008).

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eine gemeinsame Hardware teilen. Die folgenden Zahlen mögen das Einsparpotenzial ver-
deutlichen:
› «Virtualisierung»: Zusammenfassen vieler kleiner Server zu einem grösseren Zentrum,
   Beispiel Raiffeisen Banken: Durch Virtualisierung wurde die Serverzahl von 157 auf 2 re-
   duziert. Dadurch konnten 86% der Energiekosten eingespart werden.
› Luftkühlungssysteme für Zentralen/Rechenzentren, Reduktion des Stromverbrauchs um
   bis zu 90%, gänzlich ohne Kühlmittel (Bsp. von Swisscom: Projekt Mistral).

Bestandesaufnahme
Wie in anderen umweltbelastenden Bereichen lässt sich auch für die IKT sagen, dass selbst
diejenigen ökologischen Potenziale nicht ausreichend umgesetzt werden, welche wirtschaft-
lich bereits lohnend wären und dem Akteur einen direkten finanziellen Nutzen bringen
würde.13 Eine Studie aus den USA zeigt, dass nur 10 bis 20% der Computer in Privathaushal-
ten und an Arbeitsplätzen an ihrem Betriebssystem die Option des «Powermanagement»
aktiviert haben. Eine Reihe von Informationsangeboten und -anlässen wollen in der Schweiz
und im umliegenden Ausland zur Verbesserung der Energieeffizienz von IKT anspornen,
beispielsweise: diverse Ratgeber zum Stromsparen bei Bürogeräten14, die Orbit 2009 mit
Themenschwerpunkt auf «Green IT», das Kompetenzzentrum Energie und Informationstech-
nik des CEPE an der ETH Zürich zur Förderung eines rationelleren Energieeinsatzes in der IT
und Unterhaltungselektronik oder die Konsumenteninformationsplattform www.topten.ch.
Ebenso werden durch gesetzliche Vorgaben gewisse Rahmenbedingungen festgelegt, z.B. die
Vorschriften zur Leistungsaufnahme im Bereitschafts- und Aus-Modus für netzbetriebene
elektrische und elektronische Haushalts- und Bürogeräte.15 Das Label «energy star», ein
Kennzeichen für Strom sparende Bürogeräte wird seit dem 1. Januar 2009 neu auch in der
Schweiz offiziell eingesetzt.16
     Auch bei Grossverbrauchern wie Rechenzentren macht der hohe Stromverbrauch Spar-
anstrengungen ökonomisch interessant. Auf privatwirtschaftlicher Ebene sind denn auch
verschiedene Bestrebungen im Gange, um den Energieverbrauch von Rechenzentren zu re-
duzieren (z.B. Swiss Data Centre Energy Efficiency Group zusammen mit dem Kompetenz-
zentrum Energie+IT des CEPE der ETH Zürich). Im Rahmen einer Arbeitsgruppe «Green IT»

13 www.cash.ch/news/newsletter/gruene_it_ein_milliardengeschaeft_liegt_brach-824462-440.
14 www.energieeffizienz.ch/d/IndexBueroUnterhaltung.html.
15 Revidierte Energieverordnung EnV per 1.1.2010.
   www.bfe.admin.ch/energieetikette/00887/index.html?dossier_id=03132&lang=de.
16 Die Kriterien der Labelvergabe werden verschärft, wenn sie von 60% der Geräte erreicht werden.

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(Arbeitsgruppe Energie und Umwelt)17 werden innerhalb der Schweizer IT-Branche derzeit
mögliche koordinierte Massnahmen geprüft, wie den bestehenden Energie- und Umwelther-
ausforderungen mittels innovativer IKT-Lösungen begegnet werden kann. Das weitere Vor-
gehen der Arbeitsgruppe hängt von einer geplanten Verbandsgründung ab. Geplant ist aus-
serdem ein branchenspezifisches Vertiefungsmodul im Rahmen der Plattform proofit. Diese
vom Unternehmensnetzwerk Öbu betreute Plattform bietet ein niederschwelliges Online-
Angebot, welches KMU zu nachhaltigen Massnahmen beim Energie- und Materialverbrauch
im Betriebsprozess und zu einer umfassenden Produktverantwortung motivieren soll.18
     Im Ausland gibt es Bestrebungen, um die Vielzahl der bestehenden und diskutierten
Möglichkeiten zu Energieeinsparungen bei IKT und mittels IKT zu koordinieren: Deutschland
und Dänemark verfügen über Aktionspläne unter den Bezeichnungen «Green-IT Pionier
Deutschland»19 bzw. «Green IT» in Dänemark20, welche konkrete Ziele und Massnahmen für
Wirtschaft und Gesellschaft beinhalten. Die Initiative «Greening Government ICT» in Gross-
britannien zielt auf eine Steigerung der Ressourceneffizienz der verwaltungseigenen IKT ab
und ist diesbezüglich mit dem Programm RUMBA der Schweizer Bundesverwaltung ver-
gleichbar, ausser dass sich die britische Initiative voll auf die IKT konzentriert. Aber auch
RUMBA befasst sich mit den IKT: so wurden u.a. Bedingungen für die eigenen Rechenzent-
ren sowie Beschaffungs- und Betriebsstandards für die verwaltungsinterne IKT festgelegt.
Allerdings besitzt das Programm keine Weisungsbefugnis und die Standards stellen keine
strikten Vorschriften dar, sondern werden departements- und abteilungsspezifisch umge-
setzt. Dies kann dort zu merklichen Unterschieden führen, wo eine Verhaltensänderung
gefordert ist. Die Standards richten sich derzeit an alle Informatikstellen der Bundesverwal-
tung, jedoch nicht direkt an die Mitarbeitenden.
     Das «Environmental IT Leadership Team» (EILT)21, ein privatwirtschaftlicher Zusammen-
schluss von IKT-Nutzern aus verschiedenen Branchen, hat sich Energieeffizienz und Reduk-
tion der CO2-Emissionen der eigenen IKT zum Ziel gesetzt. Londoner KMU erhalten bei-
spielsweise eine durch die EU mitfinanzierte Analyse- und Beratungsleistung, welche die
Energieeinsparpotenziale der betrieblichen IKT bestimmt und einen Aktionsplan für deren
Realisierung definiert. Ein mit Praxisbeispielen angereichertes Handbuch zur Grünen IKT

17 Projekt eines Schweizer IT-Wirtschaftsverbands («Phönix»), www.inside-
   it.ch/frontend/insideit?_d=_article&site=ii&news.id=19302.
18 www.proofit.ch.
19 www.bmwi.de/English/Redaktion/Pdf/action-plan-green-it-pioneer,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=en,rwb=true.pdf.
20 www.itst.dk/filer/Publications/Action_plan_for_Green_IT_in_Denmark/index.htm.
21 www.greenict.org.uk.

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wurde zusammen mit der Umweltorganisation «Global Action Plan» erarbeitet. Events und
Workshops sowie kostenpflichtige Kurse zu Grüner IKT werden angeboten.
     Auf EU-Ebene wurden seit 2008 mit zwei Erklärungen die ersten Schritte gemacht in
Richtung einer EU-weiten Rahmengesetzgebung zur Ausschöpfung der Energieeffizienzpo-
tenziale von IKT.22 Die aktuelle politische Stimmung macht es wahrscheinlich, dass insbe-
sondere in der EU konkrete Ziele und Massnahmen definiert werden, wie der CO2 -Ausstoss
auch mit Hilfe der IKT verringert werden kann.

Handlungsbedarf/Handlungsansätze
In der Schweiz sind für den Energieverbrauch der IKT keine übergeordneten konkreten Ziel-
setzungen und Massnahmen definiert. Die Massnahmen werden auch nicht koordiniert. In
der Strategie zur Informationsgesellschaft ist der Umweltaspekt von IKT bisher nur am Ran-
de enthalten. Um das Potenzial ausschöpfen zu können, sollte der Bund die vom Bundesamt
für Umwelt in Entwicklung stehende Grüne IKT-Strategie vorantreiben.23 Diese sollte Ziele,
Massnahmen und Zuständigkeiten des Bundes aufzeigen. Aus Sicht der Wirtschaft wäre eine
klare politische Führung für eine Grüne IKT zu begrüssen. Von Seiten des Bundes wären
Massnahmen wie Vorschriften, z.B. bezüglich des Stromverbrauchs von Rechenzentren,
marktwirtschaftliche Instrumente (z.B. Lenkungsabgabe pro kWh Stromverbrauch oder pro
Bit Datenübertragung, Förderbeiträge für stromeffiziente Technologien) und Pilotprojekt im
Rahmen von «public private partnerships» (PPP) zu prüfen. Partnerschaften zwischen der
öffentlichen Hand und der Wirtschaft und NGO sollten dazu genutzt werden, Know-how zu
erfassen, abzustimmen und zu verbreiten sowie die Verbraucher (Wirtschaft, öffentliche
Hand, Haushalte) bezüglich Grüner IKT zu sensibilisieren, z.B. mit Informationskampagnen,
Labellings, Best-Practise-Plattformen.24 Das Konzept der Grünen IKT müsste nicht nur Ener-
gie, sondern auch den Ressourcenverbrauch und Materialeinsatz sowie Substitutionsmög-
lichkeiten durch IKT-Anwendungen umfassen. Die nächsten Abschnitte gehen vertieft auf
diese zusätzlichen Aspekte einer Grünen IKT-Strategie ein.
     Ein weiterer denkbarer Handlungsansatz wäre eine stärkere Einbindung der bestehen-
den Gremien und verwaltungsinternen Programme (z.B. RUMBA) für verpflichtende Zielset-
zungen. Dies könnte RUMBA in der derzeitigen Umsetzungsphase, die grossteils auf Verhal-

22 COM (2008) 241 und COM (2009) 111. Vgl. (Commission of the European Communities 2008 und 2009) sowie
   http://cordis.europa.eu/fp7/ict und http://ec.europa.eu.
23 Vgl. Roadmap zur Grünen IKT-Strategie, internes Dokument des BAFU.
24 Zu den Begriffen vgl. das Glossar.

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tensänderungen basiert, zusätzlich Tempo und Stosskraft verleihen. Zudem sollte dafür
gesorgt werden, dass die Vorgaben auf Bundesebene (z.B. Beschaffungsstandards) auch für
Kantone und Gemeinden verbindlich erklärt würden. Der Bund sollte eine Vorbildfunktion
sowohl in der Beschaffung als auch in der Anwendung übernehmen.

3.2.2. STOFFKREISLÄUFE

Wirkungsbezug
Der Abbau und die Knappheit gewisser Rohstoffe (Metalle) für IKT-Geräte, der Einsatz selte-
ner und z.T. heute noch unersetzlicher Rohstoffe werden zu einem absehbaren Engpass
führen, da die heutigen Materialkreisläufe bei Herstellung und Entsorgung von Elektronik
erst teilweise geschlossen sind. Zu den seltenen Rohstoffen zählen Erbium in Glasfaserka-
beln, Europium in PC-Monitoren und Fernsehgeräten, Gallium für Leuchtdioden und Compu-
terbildschirme. Weitere begehrte seltene Metalle mit bald erschöpften Ressourcen sind u.a.
Molybdän, Niob, Indium, Beryllium, Yttrium oder Kadmium. Umweltrelevante Stoffströme
von IKT umfassen seltene Metalle wie Gold, Silber oder Tantal und die Platingruppenmetalle
(Platin, Palladium, Rhodium, Ruthenium, Iridium, Osmium)25 26. Weil viele Elemente nur in
Spurenmengen Einsatz finden, werden sie auch in heute üblichen „e-Waste“-Behandlungen
nicht vollständig wieder gewonnen, sondern landen als «Verunreinigung» in den häufigeren
Metallen und werden damit einem effektiven Materialkreislauf entzogen.27
     Durch den zunehmenden Materialverbrauch werden die IKT zu Opfern ihres eigenen Er-
folgs.28 Die Nachfrage z.B. nach Gallium wird 2030 sechsmal höher sein als die heutige Pro-
duktionsmenge.29 Um diesen Bedarf decken zu können, müsste entweder die Weltprodukti-
onsmenge stark ansteigen oder auf heute noch nicht bekannte Ersatzstoffe oder noch zu
entwickelnde Technologien gewechselt werden.

25 IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung 2009.
26 Die natürlichen Vorräte an Indium reichen rechnerisch nur noch 20 Jahre, Gold und Silber sind ähnlich knapp. vgl.
   Schweizer Bundesrat 2009: Bericht zur Nahrungsmittelkrise, Rohstoff- und Ressourcenknappheit, S. 85ff.
27 Vgl. dazu «Bericht Nahrungsmittelkrise, Rohstoff- und Ressourcenknappheit» (Schweizer Bundesrat 2009) und «Rohstof-
   fe für Zukunftstechnologien» (IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung 2009),
   http://cms.isi.fraunhofer.de/wDefault_1/OrgEinh-2/download-files/presseinfos08-
   09/Rohstoffe_Zukunftstechnologien_Schlussbericht.pdf.
28 Siehe dazu bspw. Studie zu RFID und Materialverbrauch: Pervasive Computing: RFID – Internet der Dinge. Abgeschlossene
   Prognose (Studie 2007-2008) möglicher Auswirkungen eines massenhaften Einsatzes von RFID-Tags im Konsumgüterbereich
   auf die Umwelt und die Abfallentsorgung, Studie von IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) und EM-
   PA St. Gallen fürs Deutsche Umweltbundesamt UBA www.izt.de/themenschwerpunkte/iuk-technologien-medien-
   kommunikation/abgeschlossene-projekte/projekt/prognose-rfid-konsumgueter/.
29 IZU 2009; http://cms.isi.fraunhofer.de/wDefault_1/OrgEinh-2/download-files/presseinfos08-
   09/Rohstoffe_Zukunftstechnologien_Schlussbericht.pdf.

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Bestandesaufnahme
Im Bereich der Stoffkreisläufe und Materialeffizienz liegt der Schweizer Schwerpunkt auf
der umweltgerechten Entsorgung der IKT-Geräte. Im Bereich Entsorgung von Elektroschrott
bestehen in der Schweiz gesetzliche Grundlagen. Von Bedeutung sind hier insbesondere die
«Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elekt-
ronischer Geräte» (VREG) und die «vorgezogene Recyclinggebühr». Auf privatwirtschaftli-
cher Ebene hat die Branche eine Selbstregulierung vorgenommen, zentral ist hier das von
der SWICO organisierte Recycling von Elektroschrott.
     Obschon sich das organisierte Recycling von Elektronikschrott grundsätzlich sehr be-
währt hat, besteht weiterhin für niedrig konzentrierte Stoffe die Herausforderung, die Ent-
sorgung von e-Waste so zu optimieren, dass Stoffe wie Indium (in LCD-Flachbildschirmen)
oder Tantal wieder zurück gewonnen werden und so dem Stoffkreislauf erhalten bleiben
und weiter genutzt werden können. Von einem tatsächlich geschlossenen Kreislauf vieler
Rohstoffe ist die Schweiz auch heute noch weit entfernt – trotz der Gesetze, welche die
Entsorgung von Elektroschrott regeln. Mit ein Grund dafür ist, dass diese Gesetze nicht den
eigentlichen Einsatz der Vielzahl von Stoffen regeln, sondern sich hauptsächlich auf deren
Entsorgung fokussieren – während Spurenstoffe in so geringen Konzentrationen eingesetzt
werden, dass sich deren Rückgewinnung technisch heute nicht realisieren lässt. Die Europä-
ische Kommission hat 2008 das Thema des bereits erkennbaren Materialengpasses mit einer
Mitteilung aufgenommen.30
     In der EU bestehen EG-Richtlinien (ROHS-Richtlinie, 2002/95/EG und WEEE bzw.
2002/96/EG), die Vorschriften zu Stoffen in Elektronikgeräten sowie deren Entsorgung de-
finieren.31 Ansonsten spielen im Ausland insbesondere Labels, welche die Materialzusam-
mensetzung von IKT-Geräten aufzeigen und regeln, eine wichtige Rolle. Zu nennen sind
beispielsweise die «Euro-Blume» der Europäischen Kommission, «Blauer Engel» aus Deutsch-
land, «PC Green Label» aus Japan sowie die TCO-Kennzeichnung als schwedisches Qualitäts-
und Umweltsiegel mit weltweiter Bedeutung.
     Die Regierung in Den Haag hat das «Cradle-to-Cradle» Prinzip32 für die Niederlande zur
Staatsdoktrin erhoben. Dieses Prinzip der Kreislaufwirtschaft beruht auf vollständigem Re-

30 Europäische Kommission 2008: KOM(2008) 699, Rohstoffinitiative – Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachs-
   tum und Beschäftigung notwendigen Gütern; vom 4. Nov. 2008.
31 RoHS: Restriction of the use of certain hazardous substances, WEEE: Waste Electrical and Electronic Equipment.
32 www.epea.com/deutsch/cradle/konzept.htm.

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cycling in Bau- und Produktionsprozessen, so dass eine vollständige Wiederverwertung aller
Materialien gewährleistet ist. Ziel ist, dass die Stoffkreisläufe vollständig geschlossen wer-
den. Produkte müssen am Ende ihrer Lebensphase so zerlegbar sein, dass die Stoffe entwe-
der in einen natürlichen (abbaubaren) oder einen technischen (wieder verwertbaren) Kreis-
lauf eingespeist werden können.

Handlungsbedarf/Handlungsansätze
Eine verbesserte Kreislaufwirtschaft oder ein Ausweichen auf andere Stoffe oder Technolo-
gien sind die zwingende Konsequenz. Eine visionäre Grüne IKT-Strategie könnte für die
Schweiz die schrittweise Einführung eines Cradle-to-Cradle Konzeptes darstellen. Die Bun-
desverwaltung könnte hier bei der öffentlichen Beschaffung eine Vorreiterrolle überneh-
men. Da heutige IKT-Geräte die Anforderungen des Cradle-to-Cradle-Prinzips nicht erfüllen
und die Schweiz keine eigene Computerherstellung aufweist, sollte der Bund im Rahmen
international koordinierter Aktivitäten versuchen, Einfluss auf die Hersteller von IKT-
Geräten zu nehmen. Im Rahmen seiner Vorreiterrolle sollte der Bund ausserdem Produkte
und Lieferanten systematisch prüfen. Eine Auswahl der besten Produkte mit begleitender
Informationskampagne ermöglicht und motiviert Nachahmer auf Kantons- und Gemeinde-
ebene und in Schulen. In Bezug auf Privatwirtschaft und Haushalte sind analoge Massnah-
men wie beim Energieverbrauch denkbar (Information und Labelling, Lenkungsabgaben,
Vorschriften etc.).

3.3. «SMART»-AKTIVITÄTEN
Dank IKT kann eine ganze Reihe von Nutzungen intelligenter (smarter) gesteuert werden.
IKT tragen so z.B. dazu bei, Spitzenlasten beim Stromverbrauch zu glätten oder den Ener-
gieverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen zu reduzieren. Zu diesen «smar-
ten» IKT-Anwendungen zählen intelligente Zählersysteme (Smart Metering)33 und intelli-
gente Stromnetze (Smart Grids)34, aber auch intelligente Gebäudetechnik und Beleuchtung
(Smart Buildings), Fahrzeuge (Smart Mobility) und Transportlösungen (Smart Logistic).35
Bei der Beurteilung von Smart-Aktivitäten ist zu berücksichtigen, dass die Herstellung, die
Steuerung und der Betrieb dieser «Smart Technologien» erst mal selber Energie und Res-
sourcen verbrauchen (aus der Installation eines intelligenten Stromzählers (Smart Meter)

33 Es gibt auch Multi-Sparten-Zähler, die Gas-, Wasser- und Wärmezähler in einem sind.
34 http://guensberg.wordpress.com/2009/05/13/smart-grids-smart-metering-als-megathema-der-nachsten-jahre/
35 Zu den Definitionen der Smart-Technologien siehe die folgenden Abschnitte und das Glossar.

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resultiert noch keine Stromeinsparung). Damit die Einsparpotenziale schlussendlich reali-
siert werden können, sind weitere Massnahmen notwendig (siehe folgende Abschnitte).

3.3.1. SMART GRIDS/SMART METERING

Wirkungsbezug
Intelligente Stromnetze (Smart Grids) bezeichnen Leitungsnetze für die Stromversorgung,
welche alle Stufen des Stromversorgungssystems von der Erzeugung über den Transport, die
Verteilung und Speicherung bis hin zur effizienten Nutzung des Stroms optimieren und
integrieren. Intelligente Zähler (Smart Meter genannt) bezeichnen elektronische Stromzäh-
ler, mit denen die Zählerstände vom Elektrizitätswerk über die Ferne ausgelesen werden
können.
     Die Kombination aus Smart Grid und Smart Metering eröffnet Chancen für eine nachhal-
tigen Stromversorgung. Sie ermöglichen eine verbesserte Integration dezentraler Stromer-
zeugung (insbesondere aus erneuerbarer Energie), Speicheroptimierung (z.B. über Plug-in
Fahrzeuge), sowie Verlustminimierung und Verbrauchsoptimierung bei den Verbrauchern.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass z.B. die Smart Metering -Technologie alleine keine direk-
te Stromeinsparung zur Folge hat. Im Gegensatz zu den bisherigen (elektromechanischen)
Zählern ermöglichen sie aber ein ausführlicheres Feedback zum Verbrauch und zum Lastpro-
fil an die Endverbraucher. Dank Smart Metering sollen neue Tarifmodelle entwickelt und
damit weitere Energieeffizienzpotenziale realisiert werden können.

Bestandesaufnahme
Die Bestandesaufnahme zeigt, dass in Bezug auf Smart Grids und Smart Metering viele For-
schungsaktivitäten im Gange sind. Sowohl in der Schweiz als auch im Ausland laufen ge-
meinsame Forschungs- und Förderprogramme von Staat und Energiewirtschaft. Beim
Schweizer Bundesamt für Energie BFE stellen Smart Grids und Smart Metering einen For-
schungsschwerpunkt dar.36          37   So ist die Schweiz u.a. Teilnehmerin der Europäischen Tech-
nologie Plattform «Smart Grids». Ausserdem existieren auf privatwirtschaftlicher Ebene
vereinzelte Massnahmen, z.B. die Kooperation zwischen dem WWF Schweiz und den schwei-

36 Die Schweiz, Deutschland und Österreich wollen bei der Erforschung intelligenter Stromnetze, den so genannten «Smart
   grids», stärker zusammenarbeiten. Am E-Energy-Jahreskongress in Berlin hat die Schweiz am 27.11.2009 mit Deutsch-
   land und Österreich ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet.
   www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=30400
37 Vgl. econcept/EnCT 2009.

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | SCHLÜSSELTHEMEN
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zerischen Elektrizitätswerken, welche eine Effizienzsteigerung in der Stromversorgung mit
Hilfe von IKT zum Ziel hat. Smart Meter werden derzeit in der Schweiz erst vereinzelt ein-
gesetzt. Eine aktuelle Studie zu Smart Metering (econcept/EnCT 2009) führt notwendige
technische und regulatorische Massnahmen auf, damit die entstehenden Effizienzpotenziale
durch Smart Metering in der Schweiz künftig genutzt werden können.
     Im Ausland wird die intelligente Energieversorgung vor allem durch Förderprogramme
der Regierungen unterstützt. Ein Beispiel hierfür stellt E-Energy38 in Deutschland dar, das
Smart Grids-Aktivitäten koordiniert. Das Abkommen zu Smart Grids, welches die Schweiz am
27.11.09 geschlossen hat, leistet einen wesentlichen Beitrag zu einer intensiveren For-
schungszusammenarbeit mit Deutschland und Österreich auf dem Gebiet der elektrischen
Energiesysteme. Es ermöglicht beispielsweise den Wissenstransfer aus grossen Forschungs-
projekten wie dem deutschen Projekt E-Energy oder die verstärkte und frühzeitige Abstim-
mung auf dem Gebiet der Normen und Standards.

Handlungsbedarf/Handlungsansätze
Wichtig scheint uns, dass die Aktivitäten betreffend Smart Grids auf nationaler und inter-
nationaler Ebene weitergeführt werden und geeignete Rahmenbedingungen gesetzt werden.
Die oben erwähnte verstärkte und frühzeitige Abstimmung auf dem Gebiet der Normen und
Standards muss gewährleistet bleiben. Ausgehend von der Bestandesaufnahme und dem
soeben erfolgten Abkommen mit Deutschland und Österreich sehen wir in diesem Bereich
keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
     In Bezug auf Smart Metering sollte der Bund die in der Studie von econcept/EnCT auf-
geführten Massnahmen prüfen und die Einführung von Smart Meters vorantreiben. Zu mög-
lichen Massnahmen zählen u.a. weitere Forschung bezüglich der Wirkung von neuen Tarif-
modellen, gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, um die Einsparpotenziale realisieren
zu können (z.B. Häufigkeit der Stromabrechnung festlegen, Kostenträger festlegen, neue
Gerätetechnologien).
     Wichtig scheint uns auch, dass Smart Grids und Smart Metering als Teil der empfohle-
nen Grünen IKT-Strategie verstanden werden.

38 «E-Energy - IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft» ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft
   und Technologie in ressortübergreifender Partnerschaft mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
   torsicherheit. www.e-energie.info.

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | SCHLÜSSELTHEMEN
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3.3.2. SMART BUILDINGS/SMART MOBILITY/SMART LOGISTIC

Wirkungsbezug
Der Betrieb der Gebäudeinfrastruktur (v.a. übers Heizen) und der Bereich Mobilität stellen
Energie-Grossverbraucher der Schweiz und weltweit dar. IKT können hier einen Beitrag zu
Energieeffizienz und Energieeinsparungen leisten. Bei Smart Buildings handelt es sich um
Gebäude, die unter integralem Einsatz von IKT entworfen, gebaut oder betrieben werden.
Ziel von Smart Buildings ist eine energetische Effizienzsteigerung auf allen Stufen des Le-
benszyklus von Gebäuden, beim Design, beim Management von Heizung, Klima, Beleuch-
tung und dem Betrieb von elektronischen Geräten (PC etc.).39 Zu berücksichtigen ist hier,
dass die ganze benötigte Regel-, Mess- und Kommunikationstechnologie den Strom-
verbrauch auch erhöhen könnte.
     Smart Mobility zielt auf intelligente, nachhaltige Mobilitätslösungen, mit denen sich
Energie, Kosten und Zeit reduzieren und Ressourcen effizienter nutzen lassen (z.B. Elektro-
autos, Hybridfahrzeuge). Auch hier sind Rebound-Effekte zu berücksichtigen. Eine effizien-
te Verkehrsleitung dürfte z.B. Mehrverkehr generieren, weil die Kosten der Mobilität sinken.
     Unter dem Begriff Smart Logistics werden alle durch IKT getriebenen Massnahmen zu-
sammengefasst, die den Verkehr durch die Verknüpfung von modernen Kommunikations-
netzen und intelligenten Mess- und Steuerungstechniken auf verschiedene Weise optimie-
ren oder reduzieren können. Eine wichtige Rolle bei der Optimierung von Logistikprozessen
spielt u.a. die RFID-Technologie (Radio Frequency Identification). Mit RFID werden Daten
berührungslos und ohne Sichtkontakt von einem Datenträger, dem sog. Transponder oder
Tag zu einem RFID-Lesegerät und umgekehrt übertragen.40 Gegenüber Barcodes bieten RFID
den Vorteil, dass sich z.B. auf einem Container verschiedenste Produkte auf einmal identifi-
zieren lassen und damit die Logistik effizienter gestaltet werden kann. Allerdings können
RFID-Chips zu Problemen bei der Wiederverwertung von Glas, Papier und Kunststoff füh-
ren.41

39 www.download-telekom.de/dt/StaticPage/78/78/28/_SMART2020_WEB.PDF_787828.pdf
40 Das RFID-Lesegerät fungiert als Sende- und Empfangseinheit, indem es ein elektromagnetisches Feld erzeugt. Dieses wird
   von der Antenne des Transponders empfangen und lädt dessen Energiespeicher auf. Dadurch wird der im Transponder ent-
   haltene Mikrochip aktiviert und kann über die Antenne Befehle vom Lesegerät empfangen und aussenden. Beim Antwort-
   vorgang strahlt der Transponder kein eigenes magnetisches Feld aus, sondern moduliert das Magnetfeld des Lesegeräts.
   Dieser Vorgang wiederholt sich solange sich Transponder und Lesegerät in räumlicher Nähe zueinander befinden oder ein
   daran gekoppeltes System den entsprechenden Befehl dazu ausspricht.
41 www.empa.ch/plugin/template/empa/1198/87530/---/l=1.

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Bestand
Im Bereich Smart Building existiert das Forschungsprogramm des BFE zu Energie in Gebäu-
den.42 Dieses Programm untersucht u.a. auch Anwendungen der IKT im Gebäudebereich.43.
Das aus IKT resultierende Potenzial für Energieeinsparungen ist im Vergleich mit konventi-
onellen Energiesparmassnahmen (z.B. Isolation) noch gering. Die derzeit laufenden Ener-
gieeffizienz-Kampagnen zielen denn auch auf diejenigen Renovationsmassnahmen mit den
grössten Potenzialen ab (d.h. auf Isolation der Gebäudehülle und nicht auf IKT). Den Smart
Buildings wird allerdings in der nahen Zukunft wiederholt eine wichtige Rolle zugeschrie-
ben.44
     In der Schweiz gibt es insbesondere an der ETH Zürich verschiedene Forschungsprojek-
te, die sich dem Thema Mobilität widmen (z.B. Zusammenstossvermeidung, Drive by Wire).45
Ziel dieser Forschungsaktivitäten ist es, Fahrzeuge und Verkehrsflüsse zu optimieren. Damit
können Zeit und schlussendlich auch Treibstoff eingespart werden. Ausserdem haben ver-
schiedene Städte/Kantone (z.B. Kanton Zürich, St. Gallen) bereits ein Verkehrsleitsystem
eingeführt bzw. geplant.46 Diese sollen den Verkehrsfluss optimieren und damit Energie und
Zeit sparen.
     Entwicklungen im Bereich Smart Logistic sind in der Vergangenheit unabhängig von
staatlichen Eingriffen bzw. Förderprogrammen entstanden. Im Vordergrund von Smart Lo-
gistics standen vor allem Effizienz- und Kostenüberlegungen.

Handlungsbedarf/Handlungsansätze
Wichtig ist, dass der Schritt von der Forschung an «Smart»-Anwendungen in die konkrete
Umsetzung erfolgt und dass dafür geeignete Rahmenbedingungen auf Seite der Forschung
und Entwicklung gesetzt und privatwirtschaftliche Akteure wie Immobilienunternehmen
oder Fahrzeughersteller in die Entwicklung der künftigen Lösungen eingebunden werden.
Denkbar wären z.B. gemeinsame Forschungs- und Pilotprojekte von EWs und Fahrzeugher-

42 www.bfe.admin.ch/forschunggebaeude/index.html?lang=de.
43 In diesem Bereich wird eine Vielzahl an Projekten unterstützt, bspw. das «Internetbasierte Reservationssystem – Internet-
   basierte Einstellung von Zeitsteuerungen haustechnischer Anlagen» der Huber Energietechnik AG in Zürich.
44 Z.B. Europäische Kommission 2009: «ICT for a low carbon economy – Smart Buildings» und WWF 2008a: From coal
   power plants to smart buildings @ the speed of light.
45 Im Projekt «Future Mobility using Communication, Computation and Control» wird bspw. die Möglichkeit von autonomen
   Fahrzeugen mit Zusammenstossvermeidung sowie die Optimierung und Steuerung von Drive-by-Wire-Fahrzeugen erforscht.
   Drive by Wire bezeichnet ein Steuerungssystem, bei dem die Stellung des Gaspedals von einem Sensor gemessen wird und
   entsprechend am Motor die Drosselklappen geöffnet werden. Drive-by-wire ersetzt die klassische Seilverbindung zwischen
   Pedal und Motor.
46 http://www.tagblatt.ch/aktuell/stgallen/stgallen/Verkehrsleitsystem-kommt-erst-2011;art536,1432796,
   http://www.itnewsbyte.com/de/news/nws137514,,.htm.

INFRAS | 20. Dezember 2009 | IKT UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ | SCHLÜSSELTHEMEN
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stellern zu Plugin-Fahrzeugen oder von EWs und Immobilienunternehmen für ein Smart
Building.47 Weitere Massnahmen, die der Bund bzw. die Kantone im Gebäudebereich ergrei-
fen könnten, wären: Entwicklung von Standards, Informationskampagnen für Immobilien-
unternehmen und Hauseigentümer, Förderbeiträge für intelligente Geräte/Technologien.
     Im Verkehrsbereich könnte der Bund ausserdem ein flächendeckendes Verkehrsleitsys-
tem für die Nationalstrassen prüfen. Eine weitere Möglichkeit für private Anbieter wäre z.B.
eine verkehrsoptimierte Führung über Navigationssysteme.
     Im Bereich Logistik sehen wir für die öffentliche Hand und insbesondere den Bund kei-
nen Handlungsbedarf.

3.4. SUBSTITUTIONSPROZESSE

Wirkungsbezug
Der Einsatz der IKT ermöglicht es in vielfältiger Weise, herkömmliche Produkte und Prozesse
zu substituieren. Die «Dematerialisierung» (z.B. Email statt Briefe) kann Ressourcen und
Energie reduzieren, ebenso wie eine IKT-basierte Kommunikation (Teleworking, Videokonfe-
renzen) physische Mobilität reduzieren und gleichzeitig die wirtschaftliche Flexibilität er-
höhen kann.48 Zu berücksichtigen sind allerdings auch hier negative Effekte, wenn z.B. die
Papiereinsparung dank Email dadurch zunichte gemacht wird, wenn Mails gedruckt werden
und damit der Papierverbrauch wieder ansteigt. Wichtig wäre, dass die Substitutionspoten-
ziale wirklich ausgeschöpft und nicht additiv konsumiert würden (Flugreisen und zusätzlich
Videokonferenzen). Es besteht auch die Gefahr, dass die Mobilität zunimmt, weil eben dank
IKT Teleworking überall möglich ist.

47 Ähnlich dem Haus der Zukunft, bei dem in einem Einfamilienhaus neue Technologien erprobt werden
   (www.futurelife.ch/).
48 «e-dematerialisation»: Elektronische Anwendungen können papierbasierte teilweise ersetzen (z.B. online-Rechnungen,
   virtuelle Anrufbeantworter, webbasierte Steuerrechnungen, e-Government). Basierend auf der Studie «Speed of Light»
   (WWF und ETNO, http://assets.panda.org/downloads/road_map_speed_of_light_wwf_etno.pdf) ergibt sich folgendes Po-
   tenzial für die Schweiz, wenn auf hiesige Grössenordnungen skaliert wird:
     -     Die Einführung virtueller Anrufbeantworter bei 200’000 CH Haushalte bewirkt eine CO2 Senkung von 6'000t CO2.
     -     Der Wechsel von 2 Millionen SchweizerInnen auf einer web-basierte Steuererklärung ergibt einer Reduktion von ca.
           2’000 Tonnen CO2.
     -     Der Versand virtueller Rechnungen anstelle von Papier an 1 Million Kunden spart rund 1'100 t CO2 ein.
     -     Durch die Substitution von Geschäftsreisen mittels Telekonferenzen und vermehrtes Erleichtern des Arbeitens von
           Zuhause anstelle von Pendeln mittels IKT ergeben sich weitere wichtige Einsparmassnahmen.

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