Im Spital zu Hause - neue Wohnformen in Basel - Nachhaltige Umnutzung zu gemeinschaftlichem Wohnraum
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ein Stück Stadtgeschichte – neu belebt Liebe Leserin, lieber Leser In der Auseinandersetzung mit dem ge wachsenen urbanen Raum der Nachkriegszeit nehmen die Bauten der 1960er Jahre einen besonderen Platz ein. So auch das Felix Platter Spital in Basel, 1962–1967 von den Architek ten Fritz Rickenbacher und Walter Baumann erstellt. Das Spital, das als identitätsstiftender Bau mitten im Quartier steht, genügte den medizinischen und technischen Anforderungen von heute nicht mehr – ein Abbruch schien bis vor wenigen Jahren unausweichlich. Nach breiten öffentlichen Diskussionen und der Un tersuchung der Erhaltungsfähigkeit allerdings wendete sich das Blatt. Als klar wurde, dass eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz genauso möglich ist wie die Ertüchtigung punkto Erdbebensicherheit – bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit und Umnutzung zu Wohn raum –, kam ein Schutzvertrag zustande. Dies war ein Meilenstein für die Gestaltung eines Lebensraums von morgen. Es zeigte sich, dass ein öffentliches Bewusstsein für die Bauten der Nachkriegszeit da ist und dass es möglich ist, schonend mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen, um sie optimal an die Bedürfnisse der Gegenwart anzupassen. So wird das Felix PlatterSpital zum genos senschaftlichen «Miteinanderhaus» mit viel fältigen Nutzungen, bleibt lebendiger Quartier treffpunkt und Ort der Begegnung. Mit dieser Broschüre, die als Sonderdruck der Zeitschrift Kunst+Architektur in der Schweiz erscheint, geben wir Ihnen einen aktuellen Einblick in die laufen den Arbeiten und die Metamorphose dieses qualitätsvollen Baus der Nachkriegsmoderne, die bis 2023 abgeschlossen sein wird. Pascal Müller Müller Sigrist Architekten Das Projektlogo verdeutlicht die sich kaskadenartig durchs Gebäude ziehende Thomas Stegmaier Treppenanlage mit ihrem strukturierenden Rapp Architekten und durchlässigen Charakter. Die Fachzeitschrift k+a ist ein Produkt aus dem vielfältigen Angebot an Publikationen der 1880 gegründeten Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK (www.gsk.ch). Kontakt: redaktion@gsk.ch Sonderdruck aus k+a 1/ 2021 3
Fabian Felder, Michael Leuenberger Im Spital zu Hause – neue Wohnformen in Basel Nachhaltige Umnutzung zu gemeinschaftlichem Wohnraum Das Felix Platter-Spital in Basel gilt als typischer Bau der Nach- kriegsmoderne. Nach einer breiten öffentlichen Diskussion wurde der qualitätsvolle Bau – anfänglich entgegen dem Willen des Basler Regierungsrats – unter Schutz gestellt. Die Umnutzung des Spitals bis 2023 ermöglicht erschwinglichen Wohnraum mit über 130 Genossenschaftswohnungen. Mit dem offiziellen Eröffnungsdatum des Neu gemacht. Das 105 Meter lange und 35 Meter hohe baus der Universitären Altersmedizin Felix Platter ehemalige Spitalgebäude bleibt erhalten und wird in Basel im April 2019 wurde ein Areal von 35 000 in ein Wohngebäude umgenutzt. Damit kommt Quadratmetern für eine neue Nutzung frei. Hier man nicht nur denkmalpflegerischen Auflagen Wie ein gestrandeter sollen in der ersten Etappe bis 2023 rund 130 Ge nach, sondern nutzt bestehende Bausubstanz Ozeandampfer mitten im nossenschaftswohnungen entstehen, die durch nachhaltig um. Die identitätsstiftende Ausdrucks Quartier in Basels Westen: Flächen zur QuartierDienstleistungs und Klein kraft des Spitalgebäudes bleibt im Quartier erhal die Nordostfassade des Felix Platter-Spitals mit gewerbenutzung ergänzt werden. Die Baugenos ten, da die Fassade sich durch das Transformati Speisesaal. Foto Emil senschaft wohnen&mehr realisiert ein städtebau onsprojekt nicht verändert – eine der wichtigsten Balzer, Archiv Hochbauamt liches Grossprojekt mit Ausstrahlungskraft, denn denkmalpflegerischen Auflagen. In den Innenräu Basel-Stadt auf dem Westfeld wird nicht einfach Tabula rasa men entstehen 130 genossenschaftliche Wohnun
gen unterschiedlichsten Zuschnitts für das erste chen Räume als auch die Treppen und Liftanlagen vertical village Basels. Die Ziele der Wohnbauge erreicht werden können. Mit den Treffpunkten im nossenschaft: Die Umnutzung soll attraktive und Erdgeschoss an der längsorientierten rue intérieure preisgünstige Wohnungen mit hohem architek betont das Team den Aspekt des gemeinschaftli tonischem Anspruch schaffen und dabei das Areal chen Wohnens. In diesem Sinne wurde die grosse und das Quartier durch eine gemeinschaftsorien Treppenanlage, die sich kaskadenartig durch das tierte, alters und familienfreundliche Planung be Gebäude arbeitet, strukturierend angelegt: Der leben. Der Innenausbau des Spitalgebäudes wird Eindruck eines Wohnsilos sollte gar nicht erst dabei auch die ökologischen Probleme des Baus entstehen. Die Treppen proportionieren die Flure aus den 1960er Jahren beheben und sinnvollen und bieten Platz für das soziale Leben, um sich zu Lösungen zuführen. treffen, einen Schwatz zu halten, und nicht zuletzt Beim 2017 ausgeschriebenen Studienauftrag bieten sie sich auch den Kindern als Spielfläche konnte sich das Team Müller Sigrist Architekten, an. Darüber hinaus ermöglicht die Treppenanlage Zürich, und Rapp Architekten, Münchenstein/ die Erschliessung einiger seitlicher Terrassen der Basel, im März 2018 durchsetzen. Müller Sigrist Ar gemeinschaftlichen Nutzung. Der Wohnungsspie chitekten waren schon beim gemeinschaftlichen gel illustriert den gemeinschaftlichen Anspruch Projekt der Genossenschaft Kalkbreite in Zürich der Genossenschaft. Von effizient geschnittenen federführend. Sie präsentierten einen Entwurf, Budgetwohnungen über einige Maisonettewoh bei dem die Leitlinie des «Miteinanderhauses» im nungen bis hin zu sehr geräumigen Wohnungen Die denkmalgeschützte Zentrum steht: Das Erdgeschoss wird der öffent bietet er sowohl Singles als auch Senioren und Südwestfassade: das lichen Nutzung zugeführt, in den Obergeschos Familien passende Lösungen an. detailreiche Prunkstück des Baus. Um sie ener- sen wird eine hohe Variabilität unterschiedlicher Müller Sigrist/Rapp Architekten lösen die öko getisch zu sanieren, wird Wohnungstypen umgesetzt. Im Erdgeschoss wird logischen Herausforderungen, indem sie hinter eine vollverglaste Fas- der Haupteingang zum Gebäude über eine Que der bestehenden südseitigen Fassade eine neue sadenschicht hinter der historischen eingezogen. rung eingerichtet, die den Strassenzugang mit Fassadenschicht einziehen, welche die Klima Dadurch entstehen in den dem Platz und den Grünflächen im Innern des grenze nach hinten auf diese Schicht verschiebt. Zwischenräumen ganzjäh- Areals verbindet. Diese Querung wurde zweige Dadurch bleibt die Fassade mit ihren drehbaren rig nutzbare Wintergärten. schossig geplant und bietet so einen geräumigen Fensterflügeln erhalten – sie wäre auf anderem Foto Emil Balzer, Archiv Hochbauamt Basel-Stadt Empfangsraum, von dem aus sowohl die öffentli Weg nicht auf heutige ökologische Standards zu
bringen. Die dazwischenliegenden Räume sind als Wintergärten ganzjährig nutzbar. Die Nordfassade wird technischenergetisch saniert, indem innen seitig neue Fenstermodule aufgeschraubt werden, die der Betonfassade die nötige Dämmung geben. Eine wichtige Rolle spielt die erneuerbare Energie versorgung mittels einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des ehemaligen Spitals. Hinzu kommt die dezentrale Wärmeversorgung der Liegenschaf ten und der Anschluss an das Basler Fernwärme netz. In enger Zusammenarbeit mit der IWB sind auch Schnellladestationen für Elektroautos sowie Veloboxen für EVelos zur Unterstützung einer zeitgemässen Mobilität einkalkuliert. Dies alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Eingriff in die bestehende Bausubstanz massiv ist. Er ist aus mehreren Gründen gerecht fertigt: Der Innenausbau des ehemaligen Spitalge bäudes steht nicht unter Denkmalschutz, gesetz liche Vorschriften verlangen zudem eine massive Erdbebenertüchtigung des Hauses. Dies ist auch der Grund, wieso die beiden äusseren Treppenhäu ser mit den Liftschächten nicht erhalten wurden. Sie werden durch neue Treppenhäuser näher an der Zentralachse des Gebäudes ersetzt und dienen der vertikalen Versteifung. Durch diese Verschie bung wird eine höhere Flexibilität bei der Ausge staltung der Wohnungstypologien erreicht. Zur horizontalen Stabilisierung wird eine Längswand durch das ganze Gebäude hindurchgezogen, sie wird den Bewohnern aber nicht als Sicherheits einbau auffallen. Insgesamt ist das Projekt eine gelungene Syn these gemeinschaftlicher Wohnformen und kon textueller Ausrichtung: Die Orientierung auf das Areal und das umgebende Quartier ist zentral, der umsichtige und nachhaltige Ansatz in der Reno vierung bestehender Bausubstanz ist zukunfts weisend. Die Materialisierung in Beton, Steingut, Terrazzo und Holz will nicht nur modern, son dern auch wohnlich sein. Die Wohneinbauten aus Holz stellen sich verbindlich ins Raumgefü ge. Die Elektroinstallation als Aufputzverlegung zeigt einen kostenbewussten Pragmatismus bei gleichzeitig selbstbewusstem Zug zur historischen Bausubstanz. Müller Sigrist Architekten und Rapp Weitsicht auf der Dachterrasse Richtung Elsass (oben), lichtes Architekten gelingt es, mit Freude am Detail die Vierbettzimmer des ehemaligen Spitals (unten). Hier entsteht bis 2023 das generationenübergreifende «Miteinanderhaus» mit genossenschaftlichem Geschichte des Bauwerkes aufscheinen zu lassen Wohnraum. Fotos Emil Balzer, Archiv Hochbauamt Basel-Stadt und innovative Ideen für ein zukünftiges Wohnen zu entwickeln. Mit einer selbstbewussten Mate rialisierung, einer feinsinnigen Architekturspra che und einer differenzierten Nutzungskonzepti on wird ein Baudenkmal zum gemeinschaftlichen Wohnraum transformiert. 6 Sonderdruck aus k+a 1/ 2021
Der Arealplan zeigt die parkähnliche Anlage auf einer Fläche von 3,5 Hektar und die Durch- lässigkeit der Bauten im Westfeld. Plan Müller Sigrist/Rapp Architekten HG 1 Dilatationsfuge HV HG 2 HV HG 3 HV Dilatationsfuge HG 4 Nächste Doppelseite: Die Luftaufnahme von 2017 zeigt das gesamte Areal mit der eingezäun- ten Baugrube, wo sich seit 2019 der Neubau der Universitären Alters- medizin Felix Platter an der Burgfelderstrasse befindet. Foto z.V.g.
Thomas Stegmaier ist Architekt, Mitglied der Geschäftsleitung und langjähriger Partner der Rapp Architekten AG, Münchenstein/Basel. Seit Jahren arbeitet er in Kooperationen mit nationalen und internationalen Architekten an verschiedenen Projekten und Wettbewerben grosser und komplexer Bauaufgaben im Umfeld Gesundheit, Life Sciences sowie Foto Axel Brog Lehre/Forschung. «Die Umnutzung eines Gebäudes fordert Respekt, die Ergründung der Seele des Gebäudes und den Mut, eigene Ideen kraftvoll umzusetzen» Herr Stegmaier, welche Ausgangssituation entspricht. Die Fassade bleibt bestehen, sie haben Sie beim Felix Platter-Spital ange- ist wesentlicher Teil des Schutzkonzepts. Das troffen? Ein Spital funktioniert in den geradezu ikonische Gebäude mit einer ein- Räumlichkeiten und atmosphärisch völlig prägsamen Fassade und der für ein Kranken- anders als ein Wohnturm. Wie wird das haus bemerkenswerten Deckenhöhe in allen verwandelt? Geschossen galt es also sinnvoll zu nutzen. Wir trafen mit dem Felix Platter-Spital Die Ausgangssituation auf der materiellen auf eine Architekturikone mit grosser Aus- Ebene war anspruchsvoll: Dem Zeitgeist strahlung. Ein einzigartiges Gebäude, das entsprechend wurde das Felix Platter-Spital inmitten eines Wohnquartiers steht. Und aus materialoptimiert, nicht zeitoptimiert gebaut. Trotz anfänglichen Wider- dieser Wertschätzung hat sich auch schnell Materialien wie Beton waren teuer, die Ar- ständen jetzt auf gutem die Leitlinie für das Transformationspro- beitsleistung im Vergleich zu heute preiswert. Weg: das eingepackte jekt ergeben: Unser Wettbewerbsbeitrag Heute ist das Verhältnis genau umgekehrt: Spital in der ersten Um- soll ein völlig neues Bild des Gebäudes im Arbeitszeit ist teuer, Baumaterialien sind güns- bauphase im Januar 2021. Foto Veronica Mayer Innern produzieren, das den Anforderun- tig. Beim Bau sind wir mit dünnen Decken und gen der Baugenossenschaft wohnen&mehr vielen Unterzügen konfrontiert, die Traglasten
für Decken und Böden sind relativ gering. Auch die Standards des Erdbebenschutzes mussten berücksichtigt werden, eine grund- legende Sanierung des Gebäudes war also notwendig. Das bedeutete: Bei der Decken- last war schnell klar, dass keine schweren Unterlagsböden verbaut werden durften. Die Lösung fand sich in einem Trockenestrich: eine Granulatschüttung, auf die eine Gipsplat- te mit der Bodenheizung verlegt wird. Die Vorteile sind klar: lediglich 6 cm stark, wenig Gewicht, kostengünstig. Um die Erdbebensicherheit zu gewähr- leisten, wäre eine unglaublich aufwendige Ertüchtigung der Treppenhäuser und der statischen Längswand im Gebäude notwendig geworden. Aus diesem Grund hat man sich dafür entschieden, drei neue Treppenhäuser zu setzen, die heutigen Standards entspre- Der Umgang mit der Nordfassade funk- Aktueller Umbau: Die chen und uns gleichzeitig ermöglichen, sie tioniert anders. Hier hat man es mit einem energetische Sanierung der denkmalgeschütz- für die Bedürfnisse der Bewohner passender skulpturalen Betongerippe zu tun, in das eine ten Fassaden ist eine zu platzieren. Bei der statischen Längswand Vielzahl von Einzelfenstern montiert wurde. Herausforderung, die verfahren wir gleich. Wir verlegen die tragende Diese «Gitter» kann man nicht wärmetech- nur mithilfe einer nach Wand von der Nordseite des Flures auf dessen nisch isolieren, ohne die ganzen Proportionen hinten verschobenen, Südseite. Dadurch, dass wir uns an diesen zu stören und damit die denkmalgeschützte zusätzlichen Glasebene gelöst werden kann. Stellen vom Bestand gelöst haben, können wir Fassade zu verändern. Deswegen wird die Fotos Veronica Mayer wesentlich flexibler planen. Bei der Einteilung Glasebene um 6 cm nach hinten verschoben, der Wohnungen hingegen haben wir uns an hinten wird ein Rahmen auf das Betonele- der Struktur der Bausubstanz orientiert. Die ment gebaut. statischen Querwände und die darauf folgen- den Stützen spannen das Geviert auf, das die Sie nennen die Umnutzung des ehemaligen minimale Grundform einer Wohnung darstellt. Felix Platter-Spitals ein «Miteinanderhaus». Ein Geviert wird zur Zweizimmerwohnung, die Was verstehen Sie ganz konkret darunter, grösseren Einheiten werden in der Folge ein und wie kann Architektur das Miteinander Vielfaches dieser Fläche einnehmen. strukturieren? Es entstehen Wohnungen, welche die Ökologie war vonseiten der Auftraggeber Grundbedürfnisse ihrer Bewohner abdecken. ein wichtiges Thema – bei einem Gebäude Die zusätzlichen Ausstattungen werden nicht aus den 1960er Jahren bestimmt keine für jede Wohnung, sondern gemeinschaftlich einfache Aufgabe. organisiert. So sollen beispielsweise in den Die denkmalgeschützte Fassade ist Wohnungen keine Gästezimmer eingerichtet Kunsthandwerk – sie ist das Prunkstück werden – diese können separat für Gäste und des Baus! Sie ist sehr detailreich gestaltet eine bestimmte Zeit gemietet werden. Die und zeigt bei den Fenstern Mechanismen, grösste Herausforderung in diesem Zusam- die heute niemand mehr bezahlen würde. menhang waren die Korridore mit einer Breite Wir wussten, dass sich eine solche Fassade von 2,80 Metern, die auf jedem Geschoss kaum ökologisch optimieren lässt. Die Lö- und 105 Meter Länge die Mittelachse bilden. sung: Wir haben uns entschieden, eine neue, Das ist charakteristisch für Spitalarchitek- vollverglaste Fassadenschicht hinter der his- tur, denn es mussten sich zwei Spitalbetten torischen Südfassade einzuziehen. Durch die auf den Fluren kreuzen können. Diese langen Vollverglasung verlieren wir kein natürliches Korridore wirken unpersönlich und erinnern Licht. Die historischen Fenster werden sanft an eine anonyme Wohnmaschine, nicht an renoviert, bei den horizontal stehenden Dreh- ein Zuhause. Inspiriert von den Bildern von flügeln wird eine Scheibe der Doppelvergla- M.C. Escher, wollen wir in diesen Fluren sung entfernt, um das Gewicht zu reduzieren. eine Phantasiewelt erschaffen. Es soll ein Da die Klimagrenze bei der neuen Fassade Labyrinth werden, dessen verschiedene Wege liegt, braucht es keine Isolierverglasung. Die- durch die Korridore immer wieder zum Licht se übernimmt den Rhythmus der geknickten und zu den öffentlichen Balkons führen. Fassade, was der Fläche dazwischen eine Gleichzeitig hatten wir den Anspruch, eine Art räumliche Qualität gibt. Zwischen den Fassa- Innenspielplatz für die Kinder zu schaffen, wo den entstehen so Loggien. man auch mal Verstecken spielen kann. Unter Sonderdruck aus k+a 1/ 2021 11
Die über 105 Meter langen Korridore des Spitals (links) werden zukünftig durch Bilder von M.C. Escher in eine Phantasiewelt verwandelt, jedes Geschoss wird eine eigene Identität erhalten. Im Dachgeschoss (rechts) finden sich nach dem Umbau Gemeinschaftsräume. Fotos Veronica Mayer diesem Aspekt entstand auch die Treppen- In der Materialisierung geht es uns darum, kaskade, die sich vom Erdgeschoss bis zum den Rohbau und die Veränderungen, die wir Dach hinzieht. Durch die Treppen, die in die vornehmen, sichtbar zu machen. Im Gegen- bestehenden Gänge eingebaut werden, erhält satz zu den ursprünglichen Spitalzimmern, man Räume, die in der Breite alternieren wo synthetische Materialien dominierten, und sich in jedem Stockwerk unterscheiden. stehen jetzt Naturmaterialien im Zentrum: Damit erhält jedes Geschoss eine individuelle Steingut- und Terrazzoböden in den erschlies- Ansicht und Identität. Diese Treppe ist das senden Räumen, Holzböden in den Wohnun- Kernstück des Miteinanderhauses in den gen. Die Wände werden geweisst, die Decke oberen Stockwerken. wird betonsichtig. Hinzu kommt in jeder Woh- Im Erdgeschoss hingegen soll das Haus nung ein zentral eingebautes Möbelstück aus durchschritten werden können. Die Querung Holz, das eine Verbindung zwischen Küche, des Erdgeschosses ist zweistöckig und damit Garderobe und Vorplatz darstellt. neben der verbindenden Funktion zwischen Hegenheimerstrasse und dem inneren Platz Wie viel Spital darf noch in den Wohnräumen auf dem Areal auch Eingangshalle und Aus- aufflackern? gangspunkt für die erschliessenden Korridore Ein Spitalbau funktioniert ganz anders der öffentlichen Räume. Auch Menschen, die als ein Wohnungsbau. Er hat eigentlich nicht im Haus wohnen, sollen diese Querung eine zu tiefe Raumgestaltung, was zu einem als Verbindung nutzen. So wird der Bau durch- Belichtungsproblem führen kann. Diese lässig für die Bewohner des Quartiers. Der Herausforderung lässt sich auch nicht mit dritte Zugang zum Haus erfolgt am Kreisel den besten Ideen beantworten los. Durch Hegenheimerstrasse/Luzernerring: Dort wird die südwestliche Ausrichtung und die hellen eine Zufahrt angelegt, die ähnlich wie bei Decken und Wände wird das Licht aber gut einem Hotel als Drop-off für Besucher oder in die Raumtiefe transportiert. Ein Vorteil Kinder des Kindergartens und der Kinder- ist, dass die Geschosshöhe höher ist als bei tagesstätte im Erdgeschoss funktioniert. einem heutigen Neubau, was die Belichtung weiter unterstützt. Vereinzelt gibt es auch Inwiefern haben Sie sich bei der Materialisie- reine Nordostwohnungen, die eigentlich » rung der Wohnungen und der öffentlichen falsch ausgerichtet sind. Sie fallen alle kleiner Der grosszügige Eingangs- Räume an der bestehenden Bausubstanz aus und werden vornehmlich als Wohnungen bereich funktioniert als orientiert oder den bewussten Bruch gewagt? für temporäre – «ambulante» – Bewohner Zugang und zugleich als Der Zustand im Innern des Spitals war genutzt. So wird auch die Realität der Basler öffentliche Querung durch durch viele Umbauten geprägt, die den Stadtbewohner reflektiert. Strukturell bleibt das fast 3,5 Hektar grosse Areal (oben). Längsschnitt Charakter des Ursprünglichen verändert gerade bei solchen Phänomenen das Spital und Grundriss des 1. und hatten – so fiel es uns leicht, neue Wege zu auch nach der Transformation erhalten – 2. Obergeschosses (unten) gehen. Dennoch wollen wir ein Zimmer im wobei die neu gestaltete parkähnliche Anlage zeigen u.a. die Anlage Originalzustand «konservieren», es wird in mit ihren vielseitigen Bezügen zwischen der Treppenkaskade und eine Wohnung integriert. Auch der Grosse Saal Aussen- und Innenräumen neuer, wichtiger die Raumaufteilung. Grafik Rapp Architekten AG im Erdgeschoss wird sanft renoviert und im Mittelpunkt des Quartiers sein wird. Original erhalten. 12 Sonderdruck aus k+a 1/ 2021
30.53 DG / 30.63 27.18 8.OG / 27.24 23.83 7. OG / 23.89 20.48 6. OG / 20.54 17.13 5.OG / 17.19 13.78 4.OG / 13.84 10.43 3.OG / 10.49 7.08 2.OG / 7.14 3.68 1.OG / 3.74 -0.06 EG / 0.00 -3.89 1. UG / -3.86 LÄNGSSCHNITT 1:200 3.0-Zi-Whg 2.0-Zi-Whg K-Joker K-1.0-Zi-Whg K-1.0-Zi-Whg K-2.0-Zi-Whg K-1.0-Zi-Whg 4.0-Zi-Whg 61.0 m2 44.5 m2 22.0 m2 21.5 m2 21.5 m2 40.5 m2 22.0 m2 83.0 m2 24 23 15 19 18 18 15 19 15 15 15 15 23 24 19 Wandmalerei Schleuse Schleuse Schleuse Lift 12 14 15 +7.14 12 12 +7.14 +7.14 4 3 22 Lift Lüft. Lift Lift 9 4 3 3 3 4 3 3 5 3 3 4 3 17 48 16 6 48 Sitzmöbel Sitzmöbel Konglomerat BST Sitzmöbel 9 Einheiten Sitzmöbel 14 27 4 4 3 4 4 4 4 13 4 4 13 5 4 4 4 4 4 4 4 4 30 31 12 23 18 44 44 14 25 25 15 19 15 15 32 32 15 32 24 18 15 32 32 15 15 23 6 13 14 5 5 12 12 12 12 12 5 12 12 12 12 Gemeinschaftsterrasse 3.0-Zi-Whg 1.0-Zi-Whg 1.0-Zi-Whg 4.5-Zi-Whg K-2.5-Zi-Whg K-Wohnraum K-2.5-Zi-Whg K-1.0-Zi-Whg K-1.0-Zi-Whg 4.5-Zi-Whg 4.5-Zi-Whg 2.5-Zi-Whg 2.5-Zi-Whg 3.5-Zi-Whg 48.0 m2 57.5 m2 28.5 m2 28.5 m2 102.5 m2 51.0 m2 49.5 m2 51.5 m2 28.0 m2 27.0 m2 122.5 m2 124.5 m2 51.5 m2 51.5 m2 79.0 m2 2. OBERGESCHOSS 1:200 3.0-Zi-Whg 2.0-Zi-Whg Joker Joker Büros, zumietbare Sitzungszimmer Büros, zumietbare Sitzungszimmer 56.5 m2 40.5 m2 20.0 m2 20.0 m2 88.0 m2 78.0 m2 17 13 13 17 Schleuse Schleuse Schleuse WC / Lager Lift 10 12 12 13 13 20.5 m2 +3.74 +3.74 +3.74 3 3 3 3 4 5 2 4 6 2 3 Büro Pausenraum / 21 21 Lift Lüft. Lift BüroTreffleitung Sitzungszimmer Büro Lift Sitzungszimmer Teeküche 9 4 22.0 m2 22.0 m2 45.0 m2 18.0 m2 18.0 m2 21.5 m2 9 40 40 9 Sitzmöbel Sitzmöbel Sitzmöbel 4 4 6 6 24 21 21 21 21 21 36 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 7 20 18 15 15 23 Halle Zweigeschossig 19 37 15 19 37 15 15 24 24 21 14 11 4 5 10 10 10 10 6 7 6 5 5 5 5 5 5 3.5-Zi-Whg 3.5-Zi-Whg 3.5-Zi-Whg 4.5-Zi-Whg 4.5-Zi-Whg 2.5-Zi-Whg 1.0-Zi-Whg 1.0-Zi-Whg Gästezimmer Gästezimmer Gästezimmer Gästezimmer Gästezimmer Gästezimmer Gäste- 1. OBERGESCHOSS 1:200 79.0 m2 80.5 m2 79.0 m2 111.0 m2 109.0 m2 51.5 m2 28.0 m2 26.5 m2 28.0 m2 25.0 m2 25.0 m2 25.0 m2 25.0 m2 25.0 m2 appartement 31.5 m2
Eindrücke von der Bau- stelle im Winter/Frühling 2020/2021: Erdbeben- ertüchtigung, Verlegung der beiden äusseren Trep- penhäuser näher an die Zentralachse, Einbau einer Längswand durch das ge- samte Gebäude zur hori- zontalen Stabilisierung. Fotos Rapp Architekten 14 Sonderdruck aus k+a 1/ 2021
Die kolorierte Postkarte von 1970 zeigt den Neubau des Felix Platter-Spitals mit vorgelagertem Speisesaal. Foto z.V.g. Spital wird Wohnbau Das imposante, 105 m lange und Setzung des Hauptbaus, in Konstruk ein neues Geriatriespital zu errichten, 35 m hohe Felix PlatterSpital ist ein tion, Gestaltung und Materialwahl, in und der Kanton BaselStadt auf dem frei hervorragender Bau der Nachkriegs der Ausführung der Details. Sichtbar werdenden, 35 000 m2 umfassenden Ge moderne in Basel. Mit seinen gestalteri ist dies insbesondere in der differen lände neue Wohnbauten plante, stellte schen, typologischen und städtebauli zierten Gestaltung des Baukörpers, der sich die Frage nach der Zukunft der chen Qualitäten reiht sich der ab 1959 dadurch eine beeindruckend skulp bestehenden Bauten, insbesondere des geplante und 1962–1967 errichtete turale Qualität erhält. Während die bedeutenden, seit 2008 im Inventar der Spitalbau zu den besten Beispielen sei Nordostfassade durch ein feingliedriges, schützenswerten Bauten verzeichneten ner Gattung in der Schweiz. Als Archi geschlossenes Raster aus vorfabrizierten Hauptbaus. Zunächst sollte er abgeris tekten zeichneten Fritz Rickenbacher Betonelementen bestimmt ist, bewirkt sen werden, wurde dann aber 2016 vom und Walter Baumann verantwortlich, auf der Südwestseite – hier liegen die Regierungsrat unter Schutz gestellt – wobei der Entwurf wesentlich auf deren Patientenzimmer – der Wechsel gerader mit der Möglichkeit, das Innere zur damaligen Mitarbeiter Hans von Escher und aufgefalteter Fensterflächen mit Umnutzung für Wohnzwecke entspre zurückging. Von Escher hatte zuvor Aluminiumrahmen eine Rhythmisie chend anzupassen. Die beiden Perso bei Richard Neutra in Los Angeles als rung der Fassadenfläche. Markant in nalhäuser und die alten Pavillonbauten Büroleiter für Grossprojekte weitrei Erscheinung treten zudem die Decken wurden hingegen freigegeben. Mehrere chende Erfahrungen gesammelt. platten mit weissen Stirnflächen; an den Berufs und Fachorganisationen hatten Grundlegend für den Entwurf des Schmalseiten kragen sie zu wuchtigen, sich für die Erhaltung und Umnutzung für chronisch Kranke geplanten Spital asymmetrisch geknickten Balkonen des Spitalbaus engagiert, insbesondere baus war der sich nach dem Zweiten aus. Abgeschlossen wird der Bau durch auch die 2015 gegründete Baugenossen Weltkrieg herausbildende Vertikal ein zurücktretendes Dachgeschoss schaft wohnen&mehr als Bauträgerin typ: ein Bettenhochhaus über einem mit grossflächiger Dachterrasse. Mit und Projektentwicklerin des nunmehr Sockelbereich – hier mit ausgreifenden viel Sachverstand und gestalterischem Westfeld genannten Areals. Erdgeschossbauten –, in dem alle me Flair ist hier ein von weitem sichtba dizinischen, infrastrukturellen und rer Grossbau errichtet worden – frei administrativen Einrichtungen unter von Monotonie und Schwere, dafür Klaus Spechtenhauser, gebracht sind. Die Umsetzung dieses ausgezeichnet durch anregende Vielge Kantonale Denkmalpflege Konzepts beim Felix PlatterSpital ist staltigkeit und Eleganz. Basel-Stadt konsequent modern: in der räumlich Als 2012 der Verwaltungsrat des funktionalen Gesamtanlage, in der Felix PlatterSpitals beschloss, auf dem Orientierung und städtebaulichen Spitalgelände an der Burgfelderstrasse Sonderdruck aus k+a 1/ 2021 15
Teamwork für neue Wohnformen und den respektvollen Umgang mit Baukultur
Sie können auch lesen