Immobilien Schweiz - 3Q 2021 - Knapper Boden, unbegrenzte Geldmenge - investrends.ch
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_______ Wordcloud: Anzahl Wohnungen (Miete und Eigentum) in allen Baugesuchen des Jahres 2020 im Verhältnis zum Wohnungsbe- stand der Gemeinde. Je grösser der Gemeindename, desto mehr Baugesuche wurden eingereicht. Quelle: Docu-Media, BFS, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz – 3Q 2021 Knapper Boden, unbegrenzte Geldmenge
Impressum _______ Herausgeber: Raiffeisen Schweiz Genossenschaft Raiffeisen Economic Research Martin Neff Chefökonom The Circle 66 8058 Zürich-Flughafen Autoren Michel Fleury Francis Schwartz Domagoj Arapovic economic-research@raiffeisen.ch Weitere Raiffeisen-Publikationen Hier können Sie die vorliegende und auch weitere Pub- likationen von Raiffeisen abonnieren. Direkt-Link zur Website Immobilien Schweiz | 3. Q 2021
Inhaltsverzeichnis _______ Editorial Knapper Boden, unbegrenzte Geldmenge 4 Marktüberblick 6 Marktumfeld Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 7 Hypothekarmarkt 8 Immobilienanlagen 9 Marktsegmente Miete 10 Eigentum 13 Retail 17 Fokus Bauland 19 Anhang Gemeindetypen und Regionen 25 Verwendete Abkürzungen 26 Immobilien Schweiz | 3. Q 2021
Editorial _______ Liebe Leserinnen und Leser Die Coronakrise neigt sich dem Ende zu – zumindest in unseren Köpfen. Nach einem langen, einsamen Winter ist das gesellschaftliche Leben plötzlich wieder zurück. Essen in Restaurants, Auslandferien oder Konzerte sind wieder möglich. Ja selbst Grossanlässe wie die Fussball-EM oder die Olympischen Spiele finden statt. Hoffen wir, dass dieses Sommermärchen nicht ganz so abrupt endet wie letztes Jahr. Denn die Gesundheitsexperten warnen trotz des offensichtlichen Erfolgs der globalen Impfkampagne weiter vor einem zu entspannten Umgang mit der Pandemie. Mit der Entschärfung der epidemiologischen Lage erwacht auch die Weltwirtschaft wieder aus ihrem Dornröschenschlaf. Dass dies nicht ganz so reibungslos vonstattengeht, zeigen die grossen Lieferengpässe bei diversen Rohstoffen. Mit den Preis- explosionen einiger Güter in den Warenkörben der privaten Haushalte, vor allem in den USA, taucht nun plötzlich ein fast schon totgeglaubtes Gespenst wieder auf. Inflation ist wieder in aller Munde. Auch wenn es sich unserer Einschätzung nach nur um vorübergehende Preisspitzen handelt, nehmen wir die Diskussion zum Anlass, uns mit den Zusammenhängen zwischen der Teuerung und dem Immo- bilienmarkt auseinanderzusetzten. Denn gerade in diesem Markt ranken sich hartnäckige Mythen um Inflation und deren Folgen. Inflationsresistenter Mietwohnungsmarkt Der Mietwohnungsmarkt setzt seine sanfte Landung, von den Coronawirren gänzlich unbeirrt, fort. Wenn nicht einmal die grösste wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise der jüngeren Geschichte ihn aus der Bahn werfen kann, was dann? Könnte eine steigende Teuerung ihn in Schieflage bringen? Wohl kaum! Selbst wenn die Inflation tatsächlich aufkommen würde und einen nachhaltigen Zinsanstieg zur Folge hätte, würde das herrschende Referenzzinssatzregime einen abrupten Mietpreisanstieg verhin- dern. Im aktuellen, von hohen Leerständen geprägten Marktumfeld dürfte sich die Weitergabe höherer Finanzierungskosten oder steigender Baupreise an die Mieter als unmöglich erweisen. Selbst wenn die Konsumentenpreise auch hierzulande kräftig anziehen sollten, ist daher weiter mit sinkenden Ange- botsmieten zu rechnen. Steigende Zinsen bei sinkenden Mieten könnten aber zu Neubewertungen von Wohnrenditeliegenschaften führen. Entgegen der gängigen Meinung, dass Immobilien gegen Inflation absichern, würden in diesem Fall die Preise des Realwerts Renditeliegenschaft bei aufkommender Infla- tion sinken. Dank hohen Bewertungsreserven und des langjährigen Anlagehorizontes der meisten pro- fessionellen Immobilieninvestoren, dürfte unser Mietwohnungsmarkt selbst ein solches Szenario relativ gut überstehen. Eigenheim als Inflationsschutz? Die Preisanstiege beim Wohneigentum haben sich in der Coronakrise nochmals beschleunigt. Die Gründe sind altbekannt: Tiefe Zinsen, preisliche Attraktivität von Wohneigentum im Vergleich zum Wohnen zur Miete und ein äusserst knappes Angebot. Für eine Blase fehlt aber nach wie vor das spe- kulative Element. Die Nachfrage wird primär durch Selbstnutzer getrieben. Zusätzlich zu den finanziellen Ersparnissen halten viele Eigenheimbesitzer ihr Immobil in der Überzeugung, damit gegen Inflation ab- gesichert zu sein. Wie die Preisentwicklung der letzten 50 Jahre aber zeigt, steigen die Eigenheimpreise nicht automatisch mit den Teuerungsraten. Kurz- bis mittelfristig können andere Faktoren den Inflati- onseffekt überlagern. Nur in der sehr langen Perspektive schützt das Eigenheim tatsächlich vor Inflation. Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 4
Editorial _______ Beschleunigter Strukturwandel im Detailhandel Der stationäre Detailhandel hat schwierige Monate hinter sich. Geschlossene Läden und verändertes Kundenverhalten haben sich unterschiedlich auf die Umsätze der Marktsegmente dieser Branche aus- gewirkt. Während Nahrungsmittel und Elektronikprodukte von der Pandemie profitieren konnten, sind die Umsätze der Kleider- und Schuhhändler regelrecht eingebrochen. Geschlossene Läden und ver- mehrt zuhause verbrachte Zeit haben gleichzeitig zu einer Vergrösserung der Marktanteile der Online- händler geführt. So wurden 2020 das erste Mal mehr als 10% der Umsätze im Detailhandel im Netz generiert. Der Strukturwandel hat sich besonders im bereits unter Druck stehenden Non-Food-Bereich deutlich beschleunigt. Für Verkaufsflächen ist daher, besonders ausserhalb der besten Lagen, im Nach- gang der Krise mit sich weiter verstärkenden Vermarktungsschwierigkeiten zu rechnen. Wenn die staat- lichen Unterstützungsmassnahmen versiegen, dürften stationäre Detailhändler wieder vermehrt in Schwierigkeiten geraten. Dass nach den Erfahrungen der letzten Monate Non-Food-Detailhändler, Gastronomen oder persönliche Dienstleister sich um allenfalls leer werdende Flächen reissen werden, ist eher zweifelhaft. Die Bodenpreise treiben die Immobilienpreise In unserem Fokuskapitel haben wir uns mit dem wenig durchleuchteten Markt für Bauland ausei- nandergesetzt. Unbebautes Bauland, besonders für Wohnnutzungen, ist in der Schweiz knapp. Und dies gerade dort, wo es eigentlich am dringendsten benötigt wird. Strenge regulatorische Vorgaben zum Umgang mit der begrenzten Ressource Land, halten das Angebot tief. Gleichzeitig ist im herrschenden Tiefzinsumfeld die Nachfrage nach geeignetem Bauland für Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Wohnrenditeliegenschaften sehr stark. Eine grosse Nachfrage, welche auf ein begrenztes Angebot trifft, führt selbstredend zu deutlichen Preissteigerungen. Die Aus- nahme bilden Baulandparzellen in touristischen Gemeinden. Grosse Landreserven und starke Ein- schränkungen des potenziellen Käuferkreises durch das Zweitwohnungsgesetz haben dort zu Preis- rückgängen geführt. Während die Bodenpreise in den meisten Regionen deutlich gestiegen sind, haben sich die Baupreise hingegen nur sehr leicht erhöht. Damit einhergehend verschieben sich die Landwert- und Gebäudewertanteile der Schweizer Liegenschaften. Etwas plakativ kann man schlussfolgern, dass nicht die Häuser in der Schweiz immer teurer werden, sondern nur das Land, auf dem sie stehen. Wir wünschen eine anregende Lektüre! Ihr Raiffeisen Economic Research Team Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 5
Marktumfeld _______ Nachfrage Bevölkerung: Die Zuwanderung stützt die Nachfrage nach Wohnraum weiter. Von Anfang Juni 2020 bis Ende Mai 2021 betrug der Wanderungssaldo der ausländischen Wohnbevölkerung 60'759. Der Wert liegt damit rund 10% höher als in der Periode von Juni 2019 bis Mai 2020. BIP: Die Einkaufsmobilität hat bereits wieder ihr normales Niveau erreicht und auch Freizeiteinrich- tungen werden grösstenteils wieder genauso gut besucht wie vor der Krise. Die Schweizer Wirt- schaft dürfte bis Ende Jahr wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen. Einkommen: Dank Kurzarbeit, die nach wie vor von vielen Unternehmen in Anspruch genom- men werden muss, konnten die meisten Arbeitgeber Entlassungen vermeiden. Die Arbeitslo- senquote sinkt seit Anfang 2021 bereits wieder und liegt aktuell bei 3%. Finanzierungsumfeld: Aufgrund der starken wirtschaftlichen Erholung in den USA rechnet der Markt etwas früher mit einer Erhöhung der US-Zinsen. SNB und EZB sehen darin aber keinen Anlass, etwas an ihrer Geldpolitik zu ändern. Die Hypothekarzinsen in der Schweiz bleiben folglich tief. Anlagen: Aufgrund der anhaltend tiefen Zinsen bleiben Investitionen in Immobilien im Ver- gleich zu festverzinslichen Anlagen attraktiv. So haben auch die Agios der kotierten Immobili- enfonds neue Rekordstände erreicht. Angebot Bautätigkeit: Die Anzahl der Baugesuche für neue Wohnungen ist weiter rückläufig. Im Eigen- heimmarkt hält die Produktion damit auch künftig nicht mit der Nachfrage mit. Entsprechend wird sich die Knappheit weiter akzentuieren. Leerstände: Auch im Mietwohnungsbau ist die Zahl der geplanten Wohnungen seit längerem rückläufig. Deshalb und weil sich die Zuwanderung weiter robust zeigt, dürfte sich der Anstieg der Leerwohnungsziffer weiter verlangsamen. Preisausblick Eigentum: Weiterhin spricht nichts für ein Ende der Rekordjagd am Eigenheimmarkt. Ein äusserst knappes Angebot trifft auf eine rege Nachfrage. Wer kann, der kauft, weil Eigentum aufgrund der tiefen Zinsen nach wie vor günstiger ist als das Wohnen zur Miete. Mieten: Der seit längerem anhaltende Sinkflug der Neumieten hat sich in unverändertem Tempo fortgesetzt. Durch die anhaltend hohen Leerstände bleiben die Angebotsmieten auch künftig unter Druck. Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 6
Marktumfeld _______ Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Die Pandemie ist auf dem Rückzug und die Schweizer Wirtschaft operiert fast wieder auf Normalniveau. Die Aufhellung am Arbeitsmarkt gibt der Wohnungsnachfrage neue Impulse, auch wenn die stark gestie- genen Materialpreise Neubauten leicht verteuern. Die Schweizer Wirtschaft ist nach dem Lockdown zu Be- Konjunktur ginn des Jahres schrittweise wieder annähernd zur Nor- Schweizer BIP, in Mrd. CHF malität zurückgekehrt. So hat die Einkaufsmobilität zur Prognose Jahresmitte hin wieder ein normales Niveau erreicht und 190 auch Freizeiteinrichtungen, darunter auch Restaurants, 185 wurden grösstenteils wieder genauso frequentiert wie vor 180 der Krise. Die Unternehmensstimmung der Dienstleister hat sich deshalb deutlich erholt, ebenso das Konsumen- 175 tenvertrauen. Der Weg zurück zum Vorkrisenniveau ist für 170 das BIP damit nicht mehr weit. Auch die Lage am Arbeits- markt normalisiert sich zunehmend. Kurzarbeit ist zwar 165 1q19 3q19 1q20 3q20 1q21 3q21 noch verbreitet, wird aber weniger häufig genutzt. Die Unternehmen zeigen wieder mehr Investitionsbereitschaft Quelle: SECO, Raiffeisen Economic Research und planen die Beschäftigung weiter auszubauen. Arbeitsmarkt Das gilt auch für die Industrie, die trotz der hohen Roh- stoffpreise weiter auf Wachstumskurs ist. Das Rohstoffan- Schweizer Arbeitslosenraten in %, saisonbereinigt gebot wurde letztes Jahr während der Pandemie weltweit 4.0 20 stark zurückgefahren und kann momentan noch nicht mit der gestiegenen Nachfrage Schritt halten. Entsprechend 3.5 15 ist auch im zweiten Halbjahr mit Lieferengpässen zu rech- 3.0 10 nen. Die Unternehmen überwälzen die höheren Beschaf- fungskosten jedoch nur zögerlich an die Endverbraucher, 2.5 5 auch weil sie die Preisspitzen als vorübergehend erachten. In der Schweiz fällt der Anstieg der Konsumentenpreise 2.0 0 daher wohl weiter begrenzt aus, nicht zuletzt, weil am Ar- 07 09 11 13 15 17 19 21 Arbeitslose plus Kurzarbeit,r.S. beitsmarkt keine Lohn-Preis-Spirale droht. Quelle: SECO, Raiffeisen Economic Research In einigen Branchen dauert es Monate, bis Preisanpassun- gen gegenüber den Kunden durchgesetzt werden kön- Schweizer Preise nen. Das gilt z.B. auch für die Baubranche, in der üblicher- weise Festpreisverträge zur Anwendung kommen. Der Gegenüber Vorjahr Rohbau bei Einfamilienhäusern ist aufgrund der höheren 8% Materialpreise aktuell um mehrere Tausend Franken teu- 6% rer als sonst. Auch beim Innenausbau kommt es zu Mehr- 4% kosten. Doch selbst wenn diese in den kommenden Mo- 2% 0% naten vermehrt auf die Bauherren überwälzt werden, ist -2% der Effekt auf die Gesamtnachfrage im Wohnmarkt ge- -4% ring. Der Kostenaufschlag macht bei den jetzigen Materi- -6% alkosten schlimmstenfalls 1% des Hauspreises aus. Der 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Produzentenpreise Konsumentenpreise jährliche Neubau beträgt zudem weniger als 1% des ge- Baumaterialpreise samten Wohngebäudebestandes. Quelle: BFS, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 7
Marktumfeld _______ Hypothekarmarkt Die Wiederbelebung der Weltwirtschaft führt zu Lieferengpässen und steigenden Preisen. Der mittelfris- tige Inflationsausblick bleibt aber verhalten, weshalb die Notenbanken die expansive Geldpolitik fortset- zen. Die Zinsen verharren damit auf tiefem Niveau und die Hypothekarkonditionen bleiben günstig. Inflation In den USA ist die Inflation überraschend stark angestie- Konsumentenpreise, Wachstum in % ggü. Vorjahr gen, was die Federal Reserve unter Druck gesetzt hat. Eine 6% baldige Verringerung ihrer monatlichen Anleihenkäufe 5% zeichnet sich ab. Eine Mehrheit der US-Notenbanker er- 4% wartet zudem neu bereits für 2023 leicht höhere Leitzin- 3% 2% sen. Eine 180-Grad-Wende in der Geldpolitik und eine 1% schnelle Zinsnormalisierung ist damit trotzdem nicht an- 0% gezeigt, denn der deutliche Inflationsanstieg ist wahr- -1% scheinlich weitgehend vorübergehender Natur. Ein Gross- -2% 2018 2019 2020 2021 teil des Preisschubs ist auf wenige Kategorien zurückzu- USA Schweiz Eurozone führen, die stark von der Wiederbelebung der Wirtschaft profitieren. Auch die globalen Lieferengässe tragen zu den Quelle: Refinitiv, Raiffeisen Economic Research Preisspitzen bei. Sobald sich Angebot und Nachfrage ein- pendeln, dürfte der Preisdruck wieder nachlassen. Nur Hypothekarzinsen wenn die Löhne stark steigen, ist auch nächstes Jahr mit Zinssätze für Neugeschäfte, in % hohen Inflationsraten zu rechnen, was angesichts der 5.0 Lage am Arbeitsmarkt aber wenig wahrscheinlich ist. Die 4.0 US-Beschäftigung liegt derzeit noch um mehrere Millionen 3.0 unter dem Vorkrisenniveau. 2.0 1.0 Auch in anderen Ländern übersteigt die stürmische Erho- 0.0 lung der Nachfrage das Angebot. Die Preisentwicklung ist -1.0 in diesen Ländern jedoch weitaus stabiler als in den USA, 01/08 01/10 01/12 01/14 01/16 01/18 01/20 5-J.-Fest 10-J.-Fest weshalb sich die Notenbanken entspannt zeigen. Weder Libor/SARON 10-J.-Eidgenossen die EZB noch die SNB sehen irgendeinen Bedarf ihre Geld- SNB-Leitzins politik anzupassen, womit für die Schweizer Kapital- Quelle: SNB, Raiffeisen Economic Research marktzinsen auch weiterhin lediglich beschränktes Auf- wärtspotential besteht. Hypothekarvolumen Die Finanzierungskonditionen für Wohneigentum bleiben Wachstum in % ggü. Vorjahr damit über alle Laufzeiten hinweg sehr attraktiv. Die Zin- 6% sen für langfristige Festhypotheken liegen weiterhin nahe 5% an den Rekordtiefs und nahe an den Konditionen für SA- RON-Hypotheken. Das Hypothekenwachstum hat sich 4% währenddessen nochmals etwas beschleunigt, was die 3% ungebrochen hohe Nachfrage nach Wohneigentum un- 2% terstreicht. 1% 0% 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Quelle: SNB, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 8
Marktsegmente _______ Immobilienanlagen Immobilienfonds haben sich deutlich besser von Corona erholt als Immobilienaktien. Die Agios der Fonds haben mittlerweile neue Rekordhochs erreicht. Nicht etwa Sorgen um Inflation oder Spekulation treiben Investoren in den Realwert Immobilie. Sondern der Markt rechnet weiter mit tiefen Zinsen und sieht die hohen Preise darum als fundamental gerechtfertigt an. Total Return Index kotierter Immobilien- Die Kurse indirekter Schweizer Immobilienanlagen zeigen weiter fonds und Immobilienaktien nach oben. Während Immobilienfonds längst neue Rekord- Indexiert, 2008 = 100 stände erklommen haben, liegen die Kurse von Immobilienak- 350 tien noch deutlich unter Vorkrisenniveau. Dafür gibt es drei 300 Gründe. Erstens liegt der Investitionsfokus bei Aktien eher auf kommerziellen Liegenschaften. Der beschleunigte Trend zu 250 Home-Office und Home Shopping sorgt hier für trübe Aussich- 200 ten. Zweitens weisen Immo-AGs mit im Schnitt 50% eine fast 150 doppelt so hohe Fremdkapitalquote auf als Fonds. Ihr Risikopro- 100 fil ist damit auch abgesehen von ihrem Fokus auf kommerzielle 50 Nutzungen und Entwicklungsprojekte deutlich aggressiver. Drit- 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 tens erlebten Immobilienaktien vor Ausbruch der Coronapande- Immobilienaktien Immobilienfonds mie einen exorbitanten, fundamental nicht zu erklärenden Kurs- Quelle: SIX, Raiffeisen Economic Research anstieg. Von März 2019 bis März 2020 legten die Kurse um satte 45% zu. Die Pandemie hat nun wieder für etwas mehr Re- Agios kotierter Immobilienanlagen alismus gesorgt. Agios von Fonds und Aktien haben sich angeglichen 60% Derzeit wird im Unterschied zur Vorkrisensituation sogar ein 40% leicht höheres Agio für Fonds als für Aktien bezahlt. Setzt man die Gewinne der beiden Anlageformen ins Verhältnis zum inves- 20% tierten Kapital (investiertes Fremdkapital + Marktwert des Eigen- kapitals ), so zeigt sich, dass Ende 2019 Fonds mit 2.54% fast so 0% hoch rentierten wie Aktien (2.78%), obwohl letztere auf deut- Immobilienfonds Immobilienaktien Agio 31.12.2019 Agio 30.06.2021 lich riskanteren Immobilien und weniger defensiven Geschäfts- modellen basieren. Bis Ende Juni 2021 hat sich diese Gesamtka- Quelle: SFP, Raiffeisen Economic Research pitalrendite bei den Fonds auf 2.02% reduziert, während sie sich bei den Aktien auf 3.62% erhöht hat. Nun bilden die Bewertun- Inflation und direkte Immobilienanlagen gen die unterschiedlichen Risikoprofile der beiden indirekten Im- Inflationsraten p.a in %., Total-Return-Index mobilienanlageformen relativ zueinander wieder besser ab. Immobilienanlagen, Indexstand SXI Real Estate Broad Markt rechnet weiter mit expansiver Geldpolitik 3’000 10 Ob die absolute Bewertung indirekter Immobilienanlagen zu 2’500 8 hoch ist, ist eine andere Frage. Die jüngst aufgekommenen In- 2’000 6 flationsängste und Sorgen über eine restriktive Geldpolitik als 1’500 4 1’000 2 Reaktion darauf teilen die Investoren offensichtlich nicht. Die In- 500 0 flationserwartungen haben sich zwar leicht erhöht. Die Märkte 0 -2 rechnen aber dennoch weiter mit tiefen Zinsen. Angesichts 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 kotierte Immobilienanlagen Schweiz mangelnder alternativer Anlagemöglichkeiten in diesem Markt- Inflationserwartung USA (5-Jahre, Forward Rate) (r.S.) umfeld sind die Preise für indirekte Immobilienanlagen nicht Inflation USA (r.S.) Inflation Schweiz (r.S.) durch Spekulation getrieben, sondern Folge von Entscheidun- Quelle: SIX, FED St. Louis, BFS, Raiffeisen Economic Research gen rational mit dem Status quo kalkulierender Investoren. Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 9
Marktsegmente _______ Miete Covid-19 hat den Kurs in Richtung sanfter Landung, den der Schweizer Mietwohnungsmarkt seit längerem eingeschlagen hat, nicht gestoppt. Wird nun die anziehende Inflation, die manche Auguren aufgrund der raschen wirtschaftlichen Erholung auch in der Schweiz aufkommen sehen, den Mietwohnungsmarkt aus seiner Bahn werfen und Investoren in Renditeliegenschaften Wertverluste bescheren? Der Schweizer Mietwohnungsmarkt zeigt sich weiterhin völ- Wie in den Abschnitten zu den wirtschaftlichen Rahmenbe- lig unbeeindruckt von der Coronapandemie. Die Entwick- dingungen (S. 7) sowie den Zinsen (S. 8) ausgeführt, ist seit lungen am Markt bleiben durch den anhaltenden tiefzinsin- dem starken Anstieg der Konsumentenpreise in den USA duzierten Anlagenotstand und die dadurch schon im letzten das mittlerweile praktisch vergessene Wort «Inflation» wie- Jahrzehnt ausgelöste überbordende Bautätigkeit geprägt. der in aller Munde. Obwohl wir in den jüngsten Inflations- Die in der letzten Dekade aufgebauten Leerstände dominie- zahlen vorwiegend temporäre Effekte einer aus dem Tief- ren das Geschehen am Markt weiter, sodass selbst eine schlaf wieder in Schwung kommenden Weltwirtschaft se- weltweite Mega-Pandemie praktisch spurlos am Mietwoh- hen und die Inflation in der Schweiz bislang nur leicht und nungsmarkt vorbei zu gehen scheint. Die mittlerweile hohe aufgrund von Basiseffekten angezogen hat, wollen wir Anzahl leerer Wohnungen liess im 2. Quartal 2021 die Neu- nachfolgend durchspielen, welche Auswirkungen eine an- mieten abermals leicht sinken. Zuletzt liegen diese bereits haltende Periode mit höherer Inflation auf den Schweizer knapp 10% tiefer als zum Höhepunkt vor genau 6 Jahren. Mietwohnungsmarkt hätte. Und insbesondere ob eine hö- Angesichts erhöhter Leerstandrisiken und sinkender Neu- here Inflation den Mietwohnungsmarkt doch noch aus sei- mieten treten Projektenwickler bei der Planung neuer Miet- ner scheinbar fest fixierten Bahn werfen könnte. wohnungen weiterhin aufs Bremspedal. Mittlerweile hat Mieten als Inflationsbestandteil sich die Zahl der Mietwohnungen, für welche ein Neubau- Da die Mieten mit rund einem Fünftel den mit Abstand gröss- gesuch eingereicht wurde, verglichen mit dem Peak der Pro- ten Teil des Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) ausma- jektionstätigkeit Mitte 2017, praktisch halbiert. Auch in stür- chen, besteht dadurch natürlich ein direkter Zusammenhang mischen Pandemie-Zeiten hält der Mietwohnungsmarkt zwischen der Mietpreisentwicklung und der Inflation. 20% also weiter strikt seinen eingeschlagenen Kurs. Die von uns der gemessenen Inflation werden allein durch die Entwick- bereits seit 2015 prognostizierte sanfte Landung des Mark- lung der Bestandsmieten determiniert. Zwar ist Inflation seit tes ist ungeachtet aller wirtschaftlichen Verwerfungen der Ausbruch der Finanzkrise 2008 kein Thema mehr - Miet- letzten eineinhalb Jahre weiterhin im Gange. preisinflation hingegen schon. Um 15% sind die Bestandes- Gefahr Inflation? mieten in dieser Zeit angestiegen (vgl. «Immobilien Schweiz Wenn der Schweizer Mietwohnungsmarkt selbst gegen Co- 1Q20» zur Frage warum die Bestandsmieten trotz sinkender vid-19 immun ist, was könnte dann die im Gang befindliche Neumieten steigen). Ohne Mietpreiskomponente wären die sanfte Landung doch noch zu einem unkontrollierten Ab- Konsumentenpreise in den letzten 13 Jahren um rund 4% ge- sturz oder gar einer Bruchladung werden lassen? sunken, Konsumpreisdeflation bei Mietpreisinflation also (vgl. Chart nächste Seite). Mietwohnungsmarkt im Überblick Baugesuche Angebots- und Bestandsmieten, indexiert 2000 = 100 Anzahl Mietwohnungen in Baugesuchen, indexiert, Vier- 180 7% quartalssummen, 1q07 = 100 160 6% 200 140 5% 120 4% 175 100 3% 150 80 2% 60 1% 125 40 0% 100 83 86 89 92 95 98 01 04 07 10 13 16 19 Angebotsmieten Bestandesmieten 75 Referenzzinssatz (r.S.) Leerwohnungsziffer (r.S.) 1q07 1q09 1q11 1q13 1q15 1q17 1q19 1q21 Quelle: Wüest Partner, BFS, Raiffeisen Economic Research Quelle: Docu-Media, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 10
Marktsegmente _______ Dies veranschaulicht, dass sich die Mieten nicht zwin- Denn als Neumieter bezahlen diese aufgrund der sinkenden gend parallel zur übrigen Preisentwicklung bewegen Neumieten ohnehin bereits (zu) hohe marktnahe Mieten. müssen. Zwar gibt es durchaus ökonomische Zusammen- Auf dem gegenwärtigen Mietermarkt, der von hohen Leer- hänge zwischen «der» Inflation und den Mietpreisen. ständen und Preiswettbewerb geprägt ist, werden sie Diese sind jedoch nicht so stark und können kurz und schnell fündig. Via Referenzzinssatz ist kurz- und mittelfristig mittelfristig von anderen Faktoren überlagert werden, in der jetzigen Konstellation kaum ein Einfluss eines etwai- wie die nachfolgende Ausführung zeigen wird. gen Inflationsanstiegs auf die Mieten zu erwarten. Der in- tendierte Inflationsausgleichsmechanismus dieses Systems Höhere Inflation = höhere Zinsen = höhere Mieten? spielt bei anziehender Inflation nicht, wenn bei sinkender In- Nominalzins = Realzins + erwartete Inflation. So der ein- flation und sinkenden Zinsen kaum Mietzinsanpassungen fache ökonomische Zusammenhang. Das für den Immo- erfolgen und zudem, wie derzeit der Fall, gegenläufige und bilienmarkt so wichtige Zinsniveau wird demnach we- stärkere Marktkräfte, die tiefere Mieten fordern, wirken. sentlich durch die Inflation mitbestimmt. Im Mietwoh- nungsmarkt ist der Zusammenhang wie folgt: Steigen die Lohn-Mietpreis-Spirale? Preise, dann steigen die Zinsen, steigen die Zinsen, so Steigen die Preise, fordern Arbeitnehmer mehr Lohn. In steigt der Hypothekarische Referenzzinssatz. Und an die- der Folge steigen die Einkommen. Die gestiegenen Ein- sen sind die Mieten direkt gekoppelt – zumindest theore- kommen erhöhen die Nachfrage und können die Preise tisch. In der Praxis funktioniert diese Anbindung jedoch, noch weiter ansteigen lassen - die gefürchtete Lohn- wenn überhaupt, nur äusserst langsam. Da der Referenz- Preis-Spirale tritt in Kraft. Diese Argumentation gilt theo- zinssatz im Prinzip nichts anderes ist als der Durch- retisch auch für die Mieten. Historisch ist es denn auch schnittssatz aller in der Schweiz ausstehenden Hypothe- tatsächlich so, dass Lohnänderungen und Mietpreisände- ken und ein wesentlicher Teil dieser Hypotheken Festhy- rungen stark miteinander korrelierten (vgl. Chart auf der potheken mit längeren Laufzeiten sind, geht es lange, bis nächsten Seite). Wenn im jetzigen Marktumfeld aber tat- ein neues Zinsniveau auf den Referenzzinssatz durch- sächlich stärkere Inflation aufkommt, werden es nicht die schlägt. Die Anpassungsprozesse dauern - wie so vieles Mieten sein, die diese treiben. Erstens werden die hohen im Immobilienmarkt - Jahre. Hinzu kommt, dass der Trans- Leerstände weiterhin zu sinkenden Angebotsmieten füh- missionsmechanismus vom Referenzzinssatz auf die Mieten ren und daher keine zusätzlichen Inflationsimpulse geben ohnehin nur sehr unvollständig spielt, weil es keinen Auto- und zweitens kommen wie zuvor beschrieben auch vom matismus bei der Anpassung der Mieten an den Referenz- Bestand keine Mietzinsanpassung im grossen Stil via Re- zinssatz gibt. Längst nicht alle Vermieter überwälzen stei- ferenzzinssatzkanal. Allfällig höhere Preise müssten durch gende oder sinkende Zinsen auf die Mieter. Umgekehrt for- andere Konsumgüter kommen. Vom Haushaltsbudget dern nur vergleichsweise wenige Mieter Zinssenkungen ein wird dann entsprechend mehr für diese Produkte ver- (vgl. «Immobilien Schweiz 1Q20»). Steigen nun die Preise wendet. Das alles nimmt im aktuellen Umfeld den Druck, und damit die Nominalzinsen sowie folglich mittelfristig der dass die Neumieten in die Spirale treiben oder in sie hin- Referenzzins, können die meisten Vermieter rechtlich höchs- eingezogen werden. tens bei den vor kurzem abgeschlossenen Mietverhältnissen Konsumpreisinflation und Mietpreisinfla- die Mieten erhöhen. Bei früher abgeschlossenen Mietver- tion hältnissen steht ein höherer Referenzzinssatz im Mietvertrag Landesindex der Konsumentenpreise, indexiert 1983 = 100 und weil die Mieten in Zeiten sinkender Referenzzinssätze 225 häufig nicht gesenkt wurden, besteht nun auch kein Spiel- 200 raum für Erhöhungen bis zu einem Zinsniveau, an dem der 175 zum Vertragsabschluss gültige Referenzzinssatz überschrit- 150 ten ist. Aber auch bei erst kürzlich abgeschlossenen Mietver- 125 trägen mit tiefen Indexständen des Referenzzinssatzes im 100 Vertrag ist der Spielraum für Mietzinserhöhungen meisten- 75 orts sehr beschränkt. Obwohl rechtlich erlaubt, werden sich 1983 1989 1994 1999 2004 2009 2014 2020 Vermieter eine Mieterhöhung im aktuellen Marktumfeld LIK ohne Wohnungsmiete zweimal überlegen. Denn bei einer Erhöhung werden sich LIK Mietpreisindex LIK viele dieser Mieter nach einer günstigeren Bleibe umsehen. Quelle: BFS, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 11
Marktsegmente _______ Teurere Wohnungsproduktion Bewertungsreserven Preise anderer Güter sind Inputfaktoren bei der Woh- Die Diskontsätze der Immobilienbewertung institutioneller nungsproduktion. Verteuern sich Baumaterialien und Anleger sind in der Vergangenheit nicht ganz so stark ge- Löhne, so wird auch der Bau neuer Mietwohnungen teurer fallen wie die Zinsen und der Zins ist die Hauptdetermi- und die Mieten steigen. Der Zusammenhang ist normaler- nante des Diskontierungssatzes. Dies ist ein Indiz dafür, weise eng. Am aktuellen Rand sind bei den Preisen für Bau- dass in der Bewertung der Renditeliegenschaften in den materialen tatsächlich starke Preisanstiege bei verschiede- Büchern institutioneller Anleger Bewertungsreserven vor- nen Rohstoffen und Zwischenfabrikaten zu beobachten. handen sind. Die eher konservative Bewertungspraxis der Wir rechnen aber damit, dass es sich dabei um ein vorüber- jüngeren Vergangenheit, bei der nicht jeder Zinsausschlag gehendes Phänomen handelt, konkret bis sich die Liefer- sofort und vollständig eingepreist wurde, wird den Druck ketten im Zuge der Coronaerholung wieder eingependelt auf grössere Abwertungen somit im Zaum halten. Aus haben. Der Lohnkanal ist dagegen träger. Die Lohnrunden zwei Gründen: Erstens fangen die Bewertungsreserven in im Bau stehen erst noch an. Lohnerhöhungen sind in der den Portfolios etwaigen Aufwertungsdruck auf. Zweitens Branche, die nun wieder Fahrt aufnimmt, möglich, eigent- muss der gängigen Bewertungspraxis folgend auch nicht liche Lohnsprünge jedoch nicht zu erwarten. Bau- und jeder kurzfristige Zinsausschlag nach oben 1:1 mitgemacht Lohnkosten machen ohnehin nur einen Teil der Kosten von werden. Wohnraum aus. Auch via diesen klassischen Inflationska- Portfolio und Timing nal droht derzeit kein grösserer Aufwärtsdruck auf die Mie- Etablierten institutionellen Immobilieninvestoren mit grös- ten. Mittelfristig sind die Mieten derzeit sozusagen immun seren Portfolios würden aber auch Neubewertungen nicht gegen Inflation. Erst in der langen Frist könnten die beschrie- an die Substanz gehen. Denn sie haben in den letzten Jah- benen ökonomischen Zusammenhänge wieder greifen. ren Bewertungsgewinne auf ihren Positionen in ihren Bü- Vermögenssicht chern realisiert. Entsprechend werden sie auch grössere Für Investoren in Renditeliegenschaften stellt ein Inflations- Abwertungen verkraften können. Zumal grosse Investoren szenario mit gleichzeitig sinkenden Mieten eine Herausfor- wie Pensionskassen vorwiegend Eigenkapital investieren. derung dar. Steigende Nominalzinsen würden zu einer Er- Stärker betroffen sind Investoren, die jüngst in den Markt höhung der Diskontierungssätze bei der Immobilienbe- gekommen sind und bei den aktuell hohen Preisen fremd- wertung führen, was teils schmerzliche Wertkorrekturen finanziert Renditeliegenschaften gekauft haben. Die heuti- zur Folge haben wird. Weniger betroffen davon sind kom- gen Preise mit rekordtiefen Kapitalisierungsätzen werden merzielle Objekte, die häufig mit Indexmietverträgen lau- in Erwartung anhaltend tiefer Zinsen und tiefer Inflation fen, was heisst, dass deren Mieten direkt an die Inflation bezahlt. Die Rechnung dieser Investoren, wird bei einem – gekoppelt sind. Eine höhere Inflation würde entsprechend markanten und notabene von uns nicht erwarteten – In- vor allem bei Wohnbauten zu Neubewertungen unter dem flationsanstieg nicht aufgehen. Bei diesen privaten Inves- jetzigen Preisniveau führen. Der vermeintlich inflationssi- toren und meist kleineren Firmen ist aber keine Marktwert- chere Realwert Renditeliegenschaft würde im aktuellen bewertung nötig. Probleme werden die daher erst bekom- Marktumfeld im Preis fallen – und nicht etwa steigen, wie men, wenn sie mit den laufenden Mietzinsen ihre Hypo- der Volksmund meint. theken nicht mehr bezahlen können. Preise, Löhne, Baupreise und Mieten Renditen in % Veränderungsraten, yoy 5 20% 4 -1.46% 15% 3 10% 2 5% 1 0% -2.1% 0 -5% -1 -10% 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 71 77 83 89 95 01 07 13 19 Nominallohn Preisindex Nettorendite Wohnrenditeliegenschaften Angebotsmieten Baupreise Rendite 10-jährige Bundesobligation Quelle: BFS, Wüest Partner, Raiffeisen Economic Research Quelle: REIDA, SNB, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 12
Marktsegmente _______ Eigentum Am Schweizer Eigenheimmarkt sind die Preise erneut stark angestiegen, die Preisdynamik hat sich zuletzt sogar akzentuiert. Die expansive Geldpolitik und die tiefen Zinsen heizen weiter ein. Nun bestehen Befürch- tungen, dass nach der Vermögenspreisinflation auch die Konsumpreisinflation anziehen könnte. Sind Wohn- eigentümer als Besitzer des Realwerts Immobilie bestens gegen Inflation gewappnet? Noch nie waren Eigenheime in der Schweiz so teuer wie Eigentumspreise und Finanzierungskosten nimmt die re- heute. Die Raiffeisen Transaktionspreisindizes für Einfa- lative Attraktivität von Kaufen gegenüber Mieten zwar milienhäuser und Stockwerkeigentum haben neue laufend ab. Absolut spart man aber nach wie vor über Höchststände markiert. Das ist schon fast Gewohnheit. ein Viertel der Wohnkosten, wenn man von einer Miet- Praktisch in jedem Quartal in den vergangenen Jahren wohnung in ein Eigenheim ziehen kann. Neben dem wurden die alten Rekordmeldungen wieder Makulatur. Zinsniveau ist das knappe Angebot ein Hauptgrund für Nachdem sich aber Ende 2018 bis Mitte 2020 immerhin die anziehende Preisdynamik. Von der Anzahl zum Ver- eine verlangsamte Preisdynamik abgezeichnet hatte, kauf ausgeschriebener Objekte kommt keine Entspan- haben die Wachstumsraten seit Ausbruch der Covid-19- nung, im Gegenteil. Im 2. Quartal 2021 waren über Pandemie wieder kräftig angezogen. Die Preise für Ein- 20% weniger Eigentumsobjekte ausgeschrieben als im familienhäuser legten im zweiten Quartal 2021 um vergleichbaren Vorjahresquartal. Ein Blick auf die Zahl 2.1% zu, Stockwerkeigentum wurde sogar 2.4% höher neu geplanter Wohnungen in Baugesuchen fördert zu- als im Vorquartal gehandelt. Im Vorjahresvergleich stie- tage, dass künftig immer weniger Eigentumsobjekte auf gen die Preise für EFH damit um über 6% an. STWE ver- den Markt kommen werden. Bei knappem und künftig teuerte sich um fast 5%. Das sind auch im historischen weiter sinkendem Angebot steigt gleichzeitig die Nach- Vergleich sehr starke Preisanstiege. frage an. So hat die Zahl der Suchabonnements für Ei- Preisanstiege sind gut begründbar genheime auf Immobilienplattformen erneut zugelegt. Die Gründe für die Preisentwicklung sind dieselben wie Die Zahl der Abos steigt zwar seit längerem, Covid-19 bisher: Tiefe Zinsen, preisliche Attraktivität von Wohn- hat hier aber zu einer spürbaren Beschleunigung ge- eigentum im Vergleich zum Wohnen zur Miete, ein äus- führt. Das neu geschaffene Bewusstsein für die eigene serst knappes Angebot, sowie ein gesteigertes Bewusst- Wohnsituation weckt neue Begehrlichkeiten, deren Be- sein für die eigene Wohnsituation durch die im Zuge der friedigung so mancher durch den Kauf eines Eigentums Pandemie vermehrt zuhause verbrachte Zeit. Zwar ha- erhofft. Die Kombination von knappem Angebot und ben die Hypothekarzinsen jüngst zwischenzeitlich leicht hoher Nachfrage führt dazu, dass Eigenheime den Ver- angezogen, das nach wie vor äusserst tiefe Niveau der käufern quasi aus den Händen gerissen werden. Die Zinsen und auch die Zinsaussichten bilden für Käufer Vermarktungsdauer hat mittlerweile neue Rekordtief- aber weiterhin ein äusserst starkes Kaufargument. stände erreicht. Steigende Preise sind die logische und Durch die sinkenden Neumieten sowie die steigenden fundamental gerechtfertigte Folge dieser Konstellation. Preise für selbstgenutztes Wohneigentum Marktüberblick Eigentumsmarkt Raiffeisen Transaktionspreisindex, 1q15 = 100 Indikatoren für EFH und STWE, indexiert, 1q15 = 100 250 130 200 120 150 110 100 50 100 1q15 1q16 1q17 1q18 1q19 1q20 1q21 90 Anzahl aktive Suchabos auf Immobilienplattformen 1q15 1q16 1q17 1q18 1q19 1q20 1q21 mittlere Vermarktungsdauer Anzahl Wohnungen in Baugesuchen EFH STWE Anzahl laufende Inserate auf Immobilienplattformen Quelle: SRED, Raiffeisen Economic Research Quelle: Meta-Sys, Realmatch360, Docu-Media, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 13
Marktsegmente _______ An diesen Fundamentalfaktoren wird sich so schnell Jedenfalls haben die Immobilienpreise, die Hypothekar- nichts ändern. Für eine Blase fehlt im Markt das speku- zinsen und die Unterhaltskosten für Wohneigentum kei- lative Element. Die Nachfrage nach Eigenheimen wird nen direkten Einfluss auf die offiziell gemessene Teue- von Selbstnutzern getrieben, nicht von Spekulanten. rung in der Schweiz. Obwohl der Konsum von Wohn- Aus diesen Gründen stimmen wir nicht in den Chor der- raum in Eigenheimen für rund 36% der Schweizer einen jenigen mit ein, die gebetsmühlenartig den Mahnfinger bedeutenden Budgetposten ausmacht. Diese Schwäche erheben und von einer bald platzenden Blase am Eigen- der schweizerischen Preisstatistik hat methodische heimmarkt sprechen. Gründe. Denn würden die Wohnkosten für selbstge- Wird aus der Vermögenspreisinflation nun doch nutztes Wohneigentum in die Inflationsberechnung ein- noch Konsumpreisinflation? fliessen, dann wäre die Nationalbank implizit gezwun- gen die Immobilienpreise zu kontrollieren, wenn sie die Die seit 25 Jahren herrschende Vermögenspreisinflation Teuerung steuert, um ihrem Ziel für Preisstabilität zu wird auch künftig die Eigentumspreise weitersteigen sorgen, nachzukommen. Sie würde also nicht nur die lassen. Wie beschrieben, sind die tiefen Zinsen ein Konsumentenpreise steuern, sondern indirekt auch die Hauptgrund für die anhaltend hohe Nachfrage nach Vermögenspreise. Das wäre dann etwa so, wie wenn Wohneigentum. Diese tiefen Zinsen sind der expansiven die Notenbank auch bei Aktien für Preisstabilität sorgen Geldpolitik der Notenbanken geschuldet. Bisher hat sich müsste. Im Unterschied zu den Entwicklungen auf dem diese «nur» in Vermögenspreisinflation, nicht aber in Mietwohnungsmarkt (vgl. S. 10) besteht aufgrund die- Konsumentenpreisinflation niedergeschlagen. Mit der ser Messmethodik damit kein unmittelbarer Zusammen- wieder in Fahrt kommenden Wirtschaft nach dem hang zwischen der gemessenen Inflation und den Ent- Corona-Tiefschlaf durch gigantische Fiskalimpulse hat in wicklungen am Eigenheimmarkt. den USA die Konsumentenpreisinflation stark angezo- gen. Auch in der Schweiz sind die Konsumentenpreise Kurzfristig kein starker Zusammenhang wieder gestiegen, wenn auch nur sehr leicht und immer Dass Immobilien als Realwerte langfristig einen Schutz noch am unteren Ende des Zielbands der Nationalbank vor Inflation bieten, gilt dennoch als unbestritten. Wenn von 0-2%. Wir gehen nach wie vor nicht von anhaltend «alles» teurer wird, dann werden langfristig auch Immo- höheren Inflationsraten aus (vgl. Wirtschaftliche Rah- bilien teurer. Zumal es sich bei Immobilien um Güter mit menbedingungen S. 7 und Hypothekarzinsen S. 8). natürlicherweise begrenztem Angebot handelt, die ei- Trotzdem nehmen wir die zuletzt aufgekommenen Dis- ner potenziell unbeschränkten Geldmenge gegenüber- kussionen rund um die Inflation zum Anlass, einen Blick stehen. In den letzten 50 Jahren haben die Immobilien auf die Zusammenhänge zwischen Inflation und Preisen sogar deutlich stärker an Wert zugelegt, als das allge- für selbstgenutztes Wohneigentum zu werfen. Insbe- meine Preisniveau gestiegen ist. Die durchschnittliche sondere gehen wir der Frage nach, ob und wie Immo- Inflation betrug seit 1970 2.2%. Die Immobilienpreise bilien als Realwerte gegen Inflation schützen. sind hingegen um 3.4% pro Jahr gestiegen. Auch inter- Immobilienpreise sind kein Inflationsbestandteil national gibt es gute Evidenz für diesen langfristigen Zu- Die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum fliessen sammenhang. Je höher die Inflationsrate, desto stärker in der Schweiz nicht direkt in die offizielle Preisstatistik steigen die Immobilienpreise. Kurz- und mittelfristig be- ein. Für die Messung der Wohnkosten der Wohneigen- steht jedoch kein klarer Zusammenhang zwischen Kon- tümer verwendet das Bundesamt für Statistik eine fik- sumentenpreisinflation und Immobilienpreisen. Wir ha- tive Miete, die im Prinzip nichts anderes als die Miet- ben zur Illustration dieser Tatsache sechs Perioden mit preisentwicklung misst. Argumentiert wird, dass Miet- anhaltend erhöhter Inflation seit 1970 identifiziert (vgl. und Eigentumswohnungen Substitute seien und in der Grafik und Tabelle auf der nächsten Seite). Als erhöht langen Frist das Gesetz des Einheitspreises für das Gut definieren wir zu diesem Zweck eine Inflationsrate über Wohnen gelte. Daher sollten die Preise der beiden dem heutigen Teuerungszielband der Nationalbank von Wohnformen in der langen Frist identisch sein. Dies ist 0-2%. Anhaltend sei die Inflation dann, wenn die Jah- aber ganz offensichtlich nicht der Fall, wie die unter- resteuerung über ein Quartal lang über diesem Niveau schiedliche Entwicklung der Wohnkosten von Mietern verharrt. und Eigentümern in den letzten zwei Dekaden zeigt. Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 14
Marktsegmente _______ Realwertmythos? Dies führt einerseits, zusammen mit höheren Baukosten Die ersten drei der identifizierten Inflationsperioden durch teurere Materialien, zu teureren Neubauten. An- wiesen zwar tatsächlich sehr stark steigende Immobi- dererseits haben die Leute nominal mehr Geld auf dem lienpreise auf. Aus diesen frühen 70er und 80er Jahren Konto, von dem ein Teil für Immobilienkäufe genutzt stammt damit wohl der bis heute weitverbreitete «Real- werden kann. Dieser Effekt wirkt dem Nominalzinsef- wertmythos», der besagt, dass Immobilien einen guten fekt entgegen und überkompensiert ihn schliesslich. Die direkten Inflationsschutz bieten. Dieser Mythos hat sich Zinsen bleiben nämlich nur solange erhöht, wie die In- trotz davon abweichenden Entwicklungen während der flationsrate hoch ist. Die Löhne und Preise bleiben nach nachfolgenden drei Inflationsperioden gehalten. In Pe- einer Inflationsperiode dann aber auf dem höheren Ni- riode 4 und 5 sanken die Immobilienpreise sogar. In der veau. Verändern sich die relativen Preise von Gütern kurzen 6. Periode wuchsen sie mit 3.7% nur unwesent- nicht, dann steigen die Immobilienpreise im Schnitt lich stärker als im langfristigen Mittel. Zwischen 1989 langfristig mit dem allgemeinen Preisniveau mit. Der Im- und 1994 lag die Inflation fünf Jahre lang über dem mobilienbesitzer ist langfristig gegen Inflation abgesi- heutigen Zielband der Nationalbank. Fünf Jahre Infla- chert. tion und trotzdem sinkende Immobilienpreise. Der Zu- Geldpolitik bestimmt die Immobilienpreise sammenhang gilt also nur auf sehr lange Sicht. Kurz- Enger als mit der Konsumentenpreisinflation sind die und mittelfristig können andere Effekte den Inflations- Immobilienpreise heute mit dem Geldmengenwachs- effekt überlagern. Wie dies in den 90er Jahren der Fall tum sowie dem Zinsniveau und damit der Geldpolitik war, als das Platzen der Immobilienblase im Renditelie- der Notenbank verknüpft. Eine übermässige Ausdeh- genschaftsmarkt zu einer anhaltenden Rezession führte, nung der Geldmenge und tiefe Zinsen führen langfristig die auch den Eigentumsmarkt mit in den Strudel zog. zu Inflation, Konsumentenpreis- und/oder Vermögens- Welche Mechanismen spielen im Eigenheimmarkt? preisinflation. Wie der Blick auf die letzte Dekade aber Lässt man die Geldpolitik aussen vor, gilt grundsätzlich: zutage fördert, korreliert eine expansive Geldpolitik Steigt die Konsumentenpreisinflation, so hat dies einen nicht zwingend mit einer höheren Konsumentenpreisin- Einfluss auf das Nominalzinsniveau. Steigende Nominal- flation. Der Zusammenhang der Geldmenge und der zinsen gehen ceteris paribus mit sinkenden Wohneigen- Zinsen mit den Immobilienpreisen ist dagegen stärker. tumspreisen einher. Denn dadurch steigen die Finanzie- In Perioden, in denen die Geldmenge überdurchschnitt- rungskosten von Wohneigentum, welches zu einem lich wächst, steigen auch die Immobilienpreise stärker. wesentlichen Teil mit zu verzinsendem Fremdkapital fi- Perioden mit tiefen Zinsen führen zu höheren Immobi- nanziert wird. Kurzfristig können Immobilienpreise aus lienpreisen. Die aussergewöhnliche Kombination von diesen Gründen bei steigender Inflation sinken. Auf der steigender Geldmenge und tiefen Zinsen bei gleichzeitig anderen Seite steigen mit höherer Inflation mittelfristig ausbleibender Konsumentenpreisinflation der letzten auch die Löhne. zwei Dekaden führte bei Immobilien, aber auch bei an- deren Realwerten, folglich zu einer Vermögenspreisin- flation. Inflationsperioden Inflationsperioden Tabelle Inflation Preiswachstum EFH 200 1 2 3 4 5 6 14 Periode (annualisiert) (annualisiert) 175 12 1 6.5% 6.7% 150 10 125 8 2 4.7% 7.4% 100 6 3 2.9% 6.4% 75 4 4 4.2% -1.4% 50 2 5 2.0% -4.0% 25 0 6 2.3% 3.7% 0 -2 69 74 79 84 89 94 99 04 09 14 19 seit 1970 2.2% 3.4% Inflation (r.S.) Preise EFH Quelle: Wüest Partner, BFS, Raiffeisen Economic Research Quelle: Wüest Partner, BFS, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 15
Marktsegmente _______ Die Kur als Gift fixem Nominalwert und mit fixem Zinssatz finanziert wer- Der Hauptgrund warum die Absicherung gegen Konsu- den. Kommt nun überraschend Inflation auf, dann sind mentenpreisinflation mittels Realwert Immobilie zumin- Liegenschaftsbesitzer mit noch länger laufenden Festhypo- dest kurz- und mittelfristig nicht mehr dem Lehrbuch ent- theken nicht von den negativen Folgen eines Zinsanstiegs, spricht, ist denn auch in der Geldpolitik zu finden. Die No- z.B. höheren Hypothekarzinsen betroffen. Sie profitieren tenbanken reagieren, um ihr Ziel Preisstabilität zu errei- aber davon, dass wegen der Inflation die Löhne mittelfris- chen, mit einer Reduktion der Geldmenge und einer Erhö- tig steigen. Durch diesen Effekt werden viele Eigenheim- hung der Zinsen auf höhere Inflationsraten oder Inflations- besitzer in Zeiten von Inflation, über die reale Absicherung erwartungen. Beides ist kurz- und mittelfristig Gift für die durch die langfristig mit dem Preisniveau mitsteigenden Immobilienpreise. Reagiert die Nationalbank also auf die Immobilienpreise hinaus, bessergestellt. Ihre Schulden, die höhere Inflation mit einer restriktiveren Geldpolitik, tritt ge- auf einen fixen Nominalbetrag laufen, werden sozusagen nau der gegenteilige Effekt ein, welchen sich diejenigen, weginflationiert. Einen kleineren solchen zusätzlichen In- die dem Realwertmythos folgend Immobilien als Absiche- flationsschutz bieten Finanzierungen ohne Zinsbindung rung gegen Inflation halten, erhoffen. und in Kürze auslaufende Festhypotheken. Steigt die Infla- tion, so steigt die Zinslast. Diese macht einen Teil der Ge- Langfristige Neutralität der Geldpolitik winne durch die Entwertung der Schulden wieder wett. In der kurzen und mittleren Frist dominiert also die Geld- Die Finanzierung von Immobilien durch Schulden führt politik die Immobilienpreise, wenn Inflation aufkommt o- aber auch hier dazu, dass Immobilienbesitzer sich langfris- der nur schon aufzukommen droht. Erst wenn sich in der tig nicht nur gegen Inflation absichern, sondern sogar von langen Frist ein neues Marktgleichgewicht einstellt, greifen ihr profitieren. In untenstehender Tabelle ist dieser Zusam- die beschriebenen ökonomischen Mechanismen am Ei- menhang vereinfacht dargestellt. Im Beispiel gehen wir genheimmarkt wieder und die Immobilien steigen mit dem von einer 10 Jahre andauernden Inflationsperiode aus. So- allgemeinen Preisniveau mit. Immobilien als Inflations- wohl die Konsumentenpreise als auch die Immobilien- schutz zu erwerben ist entsprechend nur mit sehr langer preise und die Löhne legen in dieser Periode um 2% zu. Haltedauer von über einem Jahrzehnt eine gute Idee. Bei Verglichen werden zwei Immobilienkäufer, die sich am An- Eigenheimbesitzern ist die Absicht das Immobil derart fang der Periode ein Eigenheim für CHF 1 Mio. gekauft ha- lange zu halten aber meist gegeben. Am Realwertmythos ben. Käufer 1 komplett mit Eigenkapital, Käufer 2 zu 66% ist für Eigenheimbesitzer also durchaus immer noch etwas fremdfinanziert mit einer 10-jährigen Festhypothek. Der ei- Wahres dran. Dominanz der Notenbanken hin oder her. genkapitalfinanzierte Besitzer ist gegen Inflation abgesi- Hypotheken als Inflationsschutz chert. Der Fremdfinanzierte profitiert sogar davon. Sein re- Der isolierte Blick auf die Preisentwicklung offenbart aber ales Vermögen legt um über ein Drittel zu. Inflation sei ohnehin nur einen Teil der Geschichte. Das liegt daran, Dank. dass Eigenheime zu einem grossen Teil über Schulden mit Geldmenge, Zinsen, STWE-Preise Inflation und Hypothekarschulden Reale Geldmenge und Preise STWE, indexiert 1984 = Simulation einer Inflationsperiode von 10 Jahren: Konsumen- 100, Geldmarktsatz SNB in % tenpreis-, Immobilienpreis- sowie Lohninflation 2% p.a. 400 16 2021 2031 Konsumentenpreisindex 100 122 12 Immobilienpreisindex 100 122 300 Lohnindex 100 122 8 Marktpreis Immobilie in CHF 1 Mio. 1.22 Mio. 4 Hypothekarschuld in CHF 0.66 Mio. 0.66 Mio. 200 Einkommen in CHF 0.1 Mio. 0.12 Mio. 0 Käufer 1: Reales Vermögen ohne Schuld in CHF 1 Mio. 1 Mio. +0% 100 -4 Käufer 2: 84 87 90 93 96 99 02 05 08 11 14 17 20 Reales Vermögen mit Schuld in CHF 0.34 Mio. 0.46 Mio. +35% Preise STWE Käufer 2: Anzahl Jahre um Schuld zu verdienen 6.66 5.41 -18% Reale Geldmenge Geldmarktsatz SNB (tom next) (r.S.) Quelle: SNB, Wüest Partner, Raiffeisen Economic Research Quelle: Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 16
Marktsegmente _______ Retailflächen Die Coronakrise hat sich sehr unterschiedlich auf die einzelnen Segmente des Detailhandels ausgewirkt. Gerade im ohnehin schon stark durch den Strukturwandel betroffenen Non-Food-Bereich dürfte Covid-19 zu einer Beschleunigung der Entwicklung geführt haben. Obwohl nach wie vor kaum Reaktionen am Flä- chenmarkt auszumachen sind, muss mittelfristig mit weiter steigenden Leerständen gerechnet werden. Der stationäre Detailhandel gehört zu den am stärksten Unterschiedliche Betroffenheit der Segmente durch die Eindämmungsmassnahmen der Covid-19-Pan- Der Blick auf unten linksstehende Grafik zeigt aber deut- demie betroffenen Wirtschaftszweige. Im ersten Lock- lich, dass nicht alle Segmente ein gleich gutes Jahr erlebt down im Frühjahr 2020 mussten grosse Teile der Branche haben. So erfuhren Elektronikprodukte dank Homeoffice die Türen für ihre Kundschaft schliessen. Das spürten auch und vermehrt zuhause verbrachter Zeit einen regelrech- Vermieter von Verkaufsflächen. Mit rund 27'000 von der ten Boom. Auch im Food-Segment wurde im Vergleich Zwangsschliessung betroffenen Mietverträgen wurden mit den Vorjahren mehr umgesetzt. Geschlossene Gast- besonders viele Betriebe im Detailhandel hart getroffen. Im ronomiebetriebe und mehr Zeit fürs Kochen dürften für Zuge der zweiten Massnahmenwelle durften die Läden, einen grossen Teil dieses Wachstums verantwortlich sein. unabhängig vom Verkaufssortiment, hingegen durchge- Katastrophale Umsatzeinbrüche hingegen erlebten Ver- hend geöffnet bleiben. Trotz offener Türen hat Home- käufer von Schuhen und Kleidern sowohl Anfangs 2020 office, ein verändertes Konsumverhalten und die allge- als auch zu Beginn des Jahres 2021, als die Läden nicht meine gesellschaftliche Verlangsamung vielerorts zu gerin- einmal geschlossen werden mussten. geren Kundenströmen geführt. Vielen Betrieben dürfte Verstärkte Verlagerung ins Internet selbst das wichtige Weihnachtsgeschäft ordentlich verha- Geschlossene Läden und vermehrt zuhause verbrachte gelt worden sein. Die anhaltend starke Betroffenheit der Zeit haben wenig überraschend zu einem deutlichen Zu- Branche zeigt sich z.B. in den Härtefallzahlen. Mit fast 14% wachs des Konsums im Onlinehandel geführt. Gegen- der bisher ausbezahlten a-Fonds-perdu-Beiträgen gehört über 2019 wurden im letzten Jahr mit rund 13.1 Mia. der Detailhandel zu den Brachen, welche am meisten CHF 27.2% mehr Geld beim Online-Shopping ausgege- staatliche Hilfe in Anspruch nehmen mussten. ben. Damit wurden erstmals mehr als 10% der gesamten Angesichts der grossen Schwierigkeiten, mit denen viele Un- Detailhandelsumsätze im Netz generiert. Mit insgesamt ternehmen in der Branche konfrontiert waren, vermag das 11.8% konnten die Onlinehändler ihren Umsatzanteil um 2020 erzielte Plus von 2.7% der Branchenwertschöpfung zu 2.7 Prozentpunkte erhöhen. Wiederum zeigen sich hier erstaunen. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass dies aber deutliche Unterschiede zwischen den Segmenten. dem stärksten realen Branchenwachstum seit 2013 ent- Während selbst der Nahrungsmittelbereich einen regel- spricht. Vergleicht man den Detailhandel mit anderen stark rechten Schub erfuhr, bleibt der Onlineanteil mit 3.5% betroffenen Wirtschaftszweigen, erscheint die Branche so- sehr gering. Im Non-Food-Segment hingegen wurde mit nicht wirklich als Krisenverliererin. Detailhandelsumsätze Onlinehandel Kalenderbereinigte Detailhandelsumsätze nach Seg- Anteile des Onlinehandels am Detailhandelsumsatz ment, nominal, indexiert Jan. 18 = 100 nach Segment, in %. 200 18.9% 180 20% 16.9% 160 16.0% 140 14.2% 120 15% 12.5% 11.8% 100 10.2% 80 8.5% 8.3% 9.1% 60 10% 6.9% 7.6% 40 4.4% 5.1% 20 5% 2.8% 3.5% 0 1.8% 2.0% 2.2% 2.3% 2.5% Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr 18 18 18 18 19 19 19 19 20 20 20 20 21 21 0% Total Detailhandel ohne Treibstoffe 2012 2014 2016 2017 2018 2019 2020 Nahrungsmittel, Getränke, Tabak Bekleidung, Schuhe Food Non-Food Total Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik Quelle: BFS, Raiffeisen Economic Research Quelle: GFK, Raiffeisen Economic Research Immobilien Schweiz | 3. Q 2021 | S. 17
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