"In Luxury Brands verliebt man sich" - Interview mit Sabine Meister (Meister & Associates) - das Gespräch führte Christina Vaih-Baur - SABINE ...
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„Springer Fachmedien: „Luxus als Distinktionsstrategie“ D. Pietzcker und C. Vaih-Baur (Hrsg.) „In Luxury Brands verliebt man sich“ Interview mit Sabine Meister (Meister & Associates) – das Gespräch führte Christina Vaih-Baur Zusammenfassung Das Interview klärt darüber auf, wie sich das Bedürfnis nach Exklusivität und Status ökonomisieren lässt. Auch der Zusam- menhang zwischen Kunst und Luxus wird ausgeleuchtet. Frage (Vaih-Baur): Ihre Strategieberatung Meister & Associates ist spezialisiert auf Markenkonzepte und Lizenzierungen im Lifestyle- und Luxussegment.Worin liegen die besonderen Stärken Ihrer Beratung? Antwort (Meister): Unsere besondere Stärke ist die in über drei Jahrzehnten ge- wachsene Expertise in diesem Bereich. Dazu gehört auch unser umfassendes Netzwerk zu den Entscheidern auf höchster Unternehmensebene. Die Player des Luxussegments agieren äußerst diskret; die Geschäftsbeziehungen beruhen meist auf rein persönlichen Kontakten. Consulting ist People Business. Wir kennen die „Wichtigen und die Richtigen“ und verstehen die speziellen Codes dieser Branche. In Zukunft werden wir uns außerdem mit „Corporate Art Projects“ schwerpunkt- mäßig auf Strategien und Konzepte fokussieren, die die signifikanten Synergien zwischen Luxus und Kunst heben und diese für ihre Kommunikation und Mar- kenbildung nutzen. Hier gibt es besonders in den deutschsprachigen Märkten gro- ßen Nachholbedarf. 1
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister Auf welche Fallstricke müssen Luxusmarken bei Lizenzierungen in besonderem Maße achten? Je begehrlicher und exklusiver eine Marke ist, desto mehr potenzielle Lizenzpart- ner zieht sie an. Die kommerzielle Verführung ist groß – und damit gleichzeitig die Gefahr, zu viele Lizenzen zu vergeben. Mit jeder zusätzlichen Lizenz wächst das Risiko, die Exklusivität und den Status einer Luxusmarke zu verwässern und im Extremfall sogar die Kontrolle über das eigene Markenimage zu verlieren. Eine Lizenz ist gleichbedeutend mit einem Imagetransfer. So wird zum Beispiel das Image einer Modemarke initial auf klassische Kernlizenzen wie Duft, Kosmetik und Eyewear übertragen. Vielfach folgen strategische Ausweitungen auf (schein- bar) attraktive und visibilitätsrelevante Produktbereiche. Diese reichen von Leder- waren, Schuhen und Jewellery bis hin zu kaum nachvollziehbaren Produkten, wie zum Beispiel Kaffeemaschinen bei Dolce & Gabbana. Der Transfer erfolgt also zu Produkten, die inhaltlich nicht zum Markenkern des Lizenzgebers passen und des- halb beim Endverbraucher eine eher imageabträgliche Wirkung erzeugen. Wenn eine Lizenzierung überdehnt wird, d. h. die Produktprofile nicht mehr kongruent sind, kann das sensible, fein abgestimmte Image einer Luxusmarke schnell beschä- digt oder gar zerstört werden. Hinzu kommen weitere Risiken, wie falsche bzw. unpassende Points of Sale, man- gelnde Qualität des Lizenzpartnerprodukts und eine Kommunikation, die nicht den CI-Richtlinien des Lizenzgebers entspricht. Im Lizenzbereich gibt es zahl- lose Möglichkeiten zu entgleisen. Anfänglich lockt zwar die Aussicht auf zusätz- liche Distributionskanäle, höhere Marketing- und Kommunikationsbudgets und die Erschließung neuer Märkte. Später jedoch müssen die Markeninhaber häufig hohe „Ablösesummen“ zahlen, um ihre Lizenzrechte zurückzukaufen und wieder Kontrolle über das wichtigste Asset ihres Unternehmens zu gewinnen: ihre Mar- ke. Luxuskonglomerate wie Kering und LVMH gehen aus diesen Gründen äußerst restriktiv vor; Häuser wie Chanel, Hermès und Loro Piana vergeben nur punktuell Lizenzen, hauptsächlich in den bereits erwähnten Kernsegmenten wie Duft, Kos- metik und Eyewear. 2
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister Lizenzen „Made by Meister“ Bestimmte Luxusmodemarken wie Christian Dior setzen in der Ziel- gruppenansprache das Internet und speziell die sozialen Medien als wichtige Kanäle ein. Was halten Sie von dieser intensiven Nutzung des Internets bei Luxusmodemarken? Sollten alle Luxusmodemarken verstärkt Social Media für diese Zwecke nutzen? Dies ist m. E. ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind E-Commerce und Soci- al-Media-Plattformen heute nachweislich wichtige Umsatzgeneratoren einer Lu- xusmarke – und als Marketing- und Absatzkanäle nicht mehr wegzudenken. An- dererseits geht in diesem Umfeld die Magie verloren, die Aura des Besonderen. Luxusprodukte konnte man früher bewusst nur an wenigen, ausgewählten Orten erwerben: Heute sind sie im Internet jederzeit und überall auf Tastendruck verfüg- bar. Das macht sie alltäglicher und damit weniger begehrlich. Online und Exklusivität sind daher für mich nur schwer zur Deckung zu bringen. Keine Website, keine News in den sozialen Medien können auch nur annähernd den Besuch eines Flagship-Stores ersetzen, können die Faszination der Präsenta- tion – die Inszenierung – in diesen Luxustempeln vermitteln, die die Sinnlichkeit der besonderen Qualität spürbar machen. Dieses Erlebnis ist durch die virtuelle Welt nicht ersetzbar. Jede Luxusmarke verliert online, zumindest teilweise, ihre Seele. Hier muss eine Balance zwischen Tradition und digitaler Neuzeit gefunden werden. Einige Lu- xusmarken wie Loro Piana verzichten bis heute komplett auf E-Commerce. An- dere bieten online nur eine sehr begrenzte Kollektion an. Eine finale Antwort auf Ihre Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch niemand geben. In der Tendenz kann man jedoch sagen, dass die Online-Präsenz einer Luxus- marke mehr sein muss als ein digitaler Katalog. Er muss die visuelle Qualität einer außergewöhnlich hochwertigen Mode- bzw. Lifestyle-Zeitschrift haben und den 3
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister Glamour eines exklusiven Society-Magazins. Die virtuelle Präsentation muss, zum Beispiel in interaktiven Sequenzen, idealerweise tiefere Einblicke in die Welt des Luxuslabels geben, die nicht einmal ein Flagship-Store ermöglicht: Zum Beispiel Behind-the-Scenes, Backstage- oder Making-of-Impressionen. Nur so kann man einen emotionalen Mehrwert schaffen, der den Mythos der Marke vertieft und die emotionale Bindung des Kunden an die Marke verstärkt. Welche anderen Kommunikationsinstrumente würden Sie Mode- Luxusmarken empfehlen, um das gewünschte Image aufzubauen? Natürlich gibt es ein praxiserprobtes Instrumentarium – von öffentlichkeitswirk- samen Events, prominenten Models über Celebrities bis hin zu Fashion-Awards. Allem voran erachte ich den Schulterschluss mit Kunst und Künstlern als das mit Abstand beste Instrument für Markenbildung im High-End-Segment. Es ist heute aus vielen Gründen ein nahezu unverzichtbarer Schritt bei der Image- pflege einer Luxusmarke. Erstens passen Kunst und Luxus perfekt zusammen. Zweitens grenzt Kunst kultivierten Luxus von „ordinärem Protz“ ab. Luxus in Kombination mit Kunst ist keine neureiche Verschwendungssucht, sondern das Streben nach Kreativität, nach dem Besonderen, nach handwerklicher und auch intellektueller Höchstleistung. Hier wird fraglos das Gegenteil von Oberfläch- lichkeit und Vergeudung dokumentiert. Drittens setzt man durch Kooperatio- nen mit den schönen Künsten – Museen, Ausstellungen, Festivals, Theatern, Architekten, Künstlerpersönlichkeiten – ein sichtbares Zeichen für Corporate Citizenship auf höchstem Niveau. Daraus entsteht die nahezu magnetische Anziehungskraft, die das Wesen jeder wahren Luxusmarke ausmacht. Luxury Brands kauft man ja nicht einfach im Vorbeigehen – man verliebt sich in sie. Und viertens ist Kunst als Kommunikationsinstrument langlebig. Kunst bleibt, Celebrities und Models kommen und gehen, Events verrauchen im Nichts wie ein Feuerwerk. Die Kunst mit ihrer aristokratischen, Modetorheiten bewusst ausblendenden Beständigkeit ist daher ein idealer Markenbotschafter für jedes Luxusunternehmen. Warum passen Kunst und Luxus so gut zusammen? Diese Eheschließung ist in der Historie verwurzelt. Kunst und Luxus waren schon immer eng miteinander verknüpft. Über Jahrtausende hinweg entstand fast jede Form von Kunst im Auftrag von Adels- und Herrscherhäusern, Köni- gen und Päpsten. Ohne diese Elite gäbe es einen Großteil unseres kulturellen Erbes gar nicht. Bei genauer Analyse hat letztendlich das Streben der Reichen und Mächtigen nach Luxus, d. h. die Selbstdarstellung und Befriedigung ihrer Eitelkeit durch die schönen Künste, diejenigen „bleibenden Werte“ geschaffen, 4
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister von denen unsere Zivilisa- tion noch heute zehrt. Die ur- sprünglich bedeutende Rolle der Kirche und der Herrscher- häuser als Auftraggeber sowie Abnehmer des Luxusgutes Kunst existiert nicht mehr. Dieses Vakuum füllen seit ei- nigen Jahren u. a. auch große Luxusunternehmen – sie ge- hören zu den wichtigen neuen Mäzenen. Diese Entwicklung hat auch deshalb eine so nach- haltige Wirkung, weil zwischen Kunst und Luxus eine große emotionale Nähe besteht: Die Zielgruppe sind sehr wohl- habende und gleichzeitig sehr anspruchsvolle Connaisseurs. Offensichtlich entspringt das Streben nach Kunst und nach Luxus ein und derselben Motivationsquelle. Kunst ist der ultimative Luxus. Kunst ist immer Ausdruck des Besonderen, des Elitären, des Einmaligen – Kunst ist außerdem die souveränste Reflexion des gewünschten Selbstbildes. Die Kunst adelt alles, sogar den Luxus. Auch im wählerischsten Luxusumfeld sorgt Kunst für ein kulturelles Upgrading, für einen sicht- und spürbaren Gewinn an Distinktion und Reputation. Bernard Arnault, Gründer des weltgrößten Luxuskonzerns LVMH, beschreibt den Effekt so: „Durch die Zusammenarbeit mit den Künstlern verändert sich der Blick auf Louis Vuitton, wird erhabener.“ (Hanke 2014). Nach welchen Kriterien sollten Luxusunternehmen entsprechende Kunst identifizieren? Das Profil der gewählten Kunstrichtung sollte auf glaubwürdige Weise dem Pro- fil des Markenkerns entsprechen. Eine vollständige Deckungsgleichheit ist zwar nicht wirklich notwendig – und im Übrigen auch kaum darstellbar – aber eine gemeinsame Haltung sollte offenkundig sein: Zum Beispiel „Reduktion“ oder „Expressivität“ oder „Freude am Detail“. Chanel und Klassische Moderne: ja. Jil Sander und alte Meister: nein. Jil Sander und Zero: ja. Versace und Arte Povera: undenkbar. Hermès und Avantgarde: mutig, aber zu mutig. Louis Vuitton und Avantgarde: mutig, aber spannend. 5
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister Generell rate ich bei allen „Kunst- und Luxus-Kollaborationen“ zu einem groß- zügigen und selbstbewussten Auftritt des Unternehmens. Statt als „dritte Mar- ke von links“ in einer Sponsorenzeile mitzuschwimmen, sollte man sich auf ein originär-individuelles Thema fokussieren, das die Kreativität des Unternehmens widerspiegelt und durchaus auch den Markennamen kommunizieren kann. Lu- xus darf alles sein, nur nicht beliebig und nicht langweilig. Bei Kunst eine Selbst- verständlichkeit. Schon Oscar Wilde sagte: „Die Kunst ist die stärkste Form des Individualismus, welche die Welt kennt.“ Wer mit dem Schulterschluss von Luxus und Kunst mutig in die Offensive geht, wird stattlich belohnt. Fendi hat in die Restaurierung des Trevi-Brunnens nur zwei Millionen Euro investiert, aber damit ein wirklich gewaltiges und weltweites Medienecho erreicht, das mit einer konventionellen Anzeigenwerbung nicht rea- lisierbar gewesen wäre. Würden Sie also auch deutschen Luxusmarken empfehlen, als Mäzene für Kunstprojekte in Deutschland oder in anderen Ländern aufzutreten? Unbedingt. Deutsche Luxusmarken haben es auf dem internationalen Parkett schwer. German Engineering ist zwar weltweit gefragt, German Luxury hinge- gen nicht. „Luxus“ und „deutsch“ gelten vielfach als Widerspruch. Das hemmt die Begehrlichkeit deutscher Marken im Ausland von vornherein. Außerdem sind viele deutsche Luxusunternehmen relativ klein und werden eher als Manufaktu- ren wahrgenommen. Unternehmen wie Nymphenburg, Nomos, Burmester, Tobias Grau oder Thonet fehlt die Kapitalkraft für dynamischen Markenaufbau und Image- pflege auf globaler Ebene. Für den Mittelstand bieten attraktive Kunstprojekte eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit, internationales Aufsehen zu erregen. Vorrangig geht es um den Markenkern eines Premiumprodukts. Zu Luxus ge- hört Kreativität ebenso wie Emotion – und fraglos auch ein wenig Glamour. Die Welt der Kunst beinhaltet genau diese Eigenschaften in Vollendung und bietet eine Plattform auf kulturell höchstem Niveau. Hier eröffnet sich ein faszinieren- des Szenario, in dem sich Kunst und Luxus gegenseitig perfekt befruchten. Dies scheint zu den vielfach im Verborgenen operierenden deutschen Unternehmern noch nicht ausreichend durchgedrungen zu sein – mit Ausnahme von Vitra, die die Möglichkeiten der Kombination von Luxus mit Kunst seit langem brillant durchdeklinieren. Ich wünschte, es gäbe eine größere Anzahl dieser Beispiele; ich wünsche mir visionäre Mandanten, die im Spannungsfeld Kunst initiativ werden. Das würde den deutschen Mittelstand aufwecken – und erkennbar dazu beitra- gen, der deutschen Luxusbranche ein neues Image zu verleihen. 6
„In Luxury Brands verliebt man sich“ S. Meister Die Interviewpartnerin Sabine Meister, alleinige Geschäftsführende Gesellschafterin der Meister & As- sociates GmbH, ist eine international anerkannte Markenexpertin. Sie studierte Marketing und Werbepsychologie in Hongkong, wo sie mehrere Jahre bei inter- national führenden Unternehmensberatungen tätig war. Seit Beginn ihrer Karrie- re stehen Markenartikel des Hochpreissegments, Textil und Mode sowie Lifestyle- und Luxusgüter im Fokus ihres professionellen Interesses. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich Sabine Meister auf Strategieberatung und Lizenztransaktionen auf nationaler und internationaler Ebene spezialisiert und kooperiert mit führenden Häusern und Persönlichkeiten aus der Luxusgüter- und Lifestylebranche. Fotos: Fank Lübke Klaus Peter Bredschneider für PURE: Was bedeutet für Sie „wahrer Luxus“? „Wahrer Luxus ist für mich, auf einem Boot einen langsam fließenden Fluss hinab- zugleiten - irgendwo in Asien, umrahmt von idyllischer Natur, bei Sonnenaufgang oder -untergang, völlig entschleundigt und ganz im Einklang mit mir selbst. Wenn weder Geld noch Verpflichtungen noch Termine eine Rolle spielen und man sich quasi außerhalb der Zeit bewegt, wenn man absolute Unabhängigkeit lebt.Wahrer Luxus ist nicht kompliziert, sondern eigentlich ganz einfach.“ Sabine Meister 7
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