INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives

 
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INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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     VOL 26 NR. 5 AUGUST 2012                                                 UNABHÄNGIGKEITSTAG SPEZIAL

     PERSPEKTIVEN
     INDIEN

                                                                     NEUE WEGE IN DER BILDUNG,

     WEGBEREITER                                                     DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES
                                                                     GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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         INDIEN IN DIESEM MONAT                                                                                     AUGUST 2012

                                         August 10
                                         Janmashtami
                                         Dies ist der Geburtstag von
                                         Lork Krishna. In Mumbai
                                         bilden Teams Pyramiden,
                                         um hochhängende Dahi
                                         Handis (mit Quark gefüllte
                                         Tontöpfe) zu zerbrechen.
                                         Fasten und Feiern gehören
                                         zum Ritual.
                                         Wo: Überall in Indien
                                                                             August 15-16
                                                                             Independence Rock
                                                                             Festival                        August 29- September 8
         August 1-2                                                          Allgemein bekannt als I-        Velankanni Church
         Naro-Nasjal Festival                                                Rock. Es ist Indiens ältestes   Festival
         Eine bronzene Statue des                                            und größtes Rockfestival.       Die Jungfrau Maria ist in
         Yogi Naropa in einem                                                Die Gewinner aus den            Velankanni, dem “Lourdes
         Raum nahe des Klosters                                              Stadt-Wettbewerben              des Ostens”, als Our Lady
         wird jedes Jahr am                                                  kämpfen am 1. Tag um            of Good Health bekannt.
         Vorabend des Festivals                                              Preise, der 2. Tag ist offen    Während des Festival
         enthüllt. Weitere                                                   für “Pro-“Bands.                besuchen Millionen orange
         Attraktionen sind                                                   Wo: Chitrakoot Grounds,         gekleideter Pilgerer den
         Maskentänze.                                                        Mumbai                          Schrein.
         Wo: Sani Monastery,                                                                                 Wo: Velankanni Church,
         Zanskar, Jammu und                                                                                  Tamil Nadu
         Kashmir
                                                                       AFP

                                                                                                             August 29
                                                                                                             Onam
                                                                                                             Dies ist das staatliche
                                         August 11                                                           Festival von Kerala. Die
                                         Nehru Trophy Bootsrennen                                            Häuserfronten sind mit
                                         Teams kämpfen um die 1952                                           geblümten Teppichen oder
                                         vom damaligen                                                       Pookkalams geschmückt,
                                         Premierminister Jawaharlal                                          die Menschen tragen neue
                                         Nehru eingeführte Trophäe.                                          Kleidung, genießen
                                                                             August 25-27
                                         Es ist eines der wichtigsten                                        Schlemmereien und
         August 9-11                                                         Gogamedi Fair
                                         Rennen der Saison.                                                  besuchen Bootsrennen.
         Raasrang World Flute                                                Hier wird Gogaji gefeiert,
                                         Wp: Punnamada Lake,                                                 Wo: Kerala
         Festival                                                            ein lokaler Schlangengott in
                                         Alappuzha, Kerala
         Das Thema des diesjährigen                                          Rajasthan. Zum Fest
         Festivals ist Liebe, Frieden,                                       gehören Musik, Tanz und
         Wasser und der Fokus liegt                                          Wettkämpfe. Daneben
         auf Stammes- und                                                    können Sie örtliches
         Folkmusikern und                                                    Kunsthandwerk erwerben.
         Instrumenten. Es werden                                             Wo: Bezirk Ganganagar,
         Künstler aus aller Welt                                             Rajasthan
         erwartet.
         Wo: Lotus Temple, Neu
         Delhi
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         Anmerkung des
            Herausgebers

                                             D
                                                           iesen Monat feiern wir den Unabhängigkeitstag. Am 15. August 1947 wurde
                                                           Indien eine unabhängige Nation. Stolz erinnern wir uns an die ewig gültigen Worte
                                                           unseres ersten Premierministers Pandit Jawaharlal Nehru, die zu den berühmtesten
                                                           Reden der aktuellen indischen Geschichte gehören. Er wandte sich am 14. August
                                             kurz nach 11 Uhr an die Verfassungsgebende Versammlung Indiens, sprach über ein
                                             “Rendezvous mit dem Schicksal” und geleitete Indien ins “Leben und die Freiheit”, wobei er
                                             betonte: „Es kommt der Moment, der in der Geschichte selten ist, wo wir vom Alten zum
                                             Neuen übergehen, wo ein Zeitalter endet und sich die Seele einer Nation, die lange unterdrückt
                                             wurde, zeigen darf.“
                                                Ein Grund, weshalb sich diese Seelenäußerung selbst 65 Jahre nach der Unabhängigkeit für
                                             viele unserer Landsleute nicht in eine Stimme verwandelt hat, ist der Mangel an Bildung.
                                             Dies, obwohl Bildung ein in der Verfassung verankertes Recht ist und eines der weltweit
                                             größten laufenden Programme auf Bildung für alle abzielt. Sarva Siksha Abhiyan hat im
                                             letzten Jahrzehnt unter Leitung der Regierung 20 Millionen Kinder zwischen 6 und 14, die
                                             nicht mehr in der Schule waren, integriert.
                                                Das Land hat sich wirtschaftlich weiterentwickelt, aber die Fesseln des Analphabetismus
                                             müssen noch ganz abgestreift werden – die Herausforderungen sind enorm, gemessen an der
                                             Größe der Bevölkerung. Wenn die Aufgabe so groß ist, ist jede Anstrengung, groß oder klein,
                                             die hilft, sie zu lösen, lobenswert. Darum widmet sich unsere Sonderausgabe zum
                                             Unabhängigkeitstag Experimenten in der Bildung. Eine Lobpreisung derer, die die Bildung
                                             vorantreiben, um die zu stärken, die keine Macht haben.
                                                In dieser Ausgabe sehen Sie auch einige tolle Fotos von Kailash-Mansarovar. Jedes Jahr
                                             organisiert der Außenminister ein Yatra (Pilgerfahrt) zu diesem ehrfurchteinflößenden Teil des
                                             Himalayas, von dem die Hindus glauben, dass dort Shiva zuhause ist, der Zerstörer der Hindu-
                                             Dreifaltigkeit. Die Mythologie besagt, dass aus seinen verfilzten Locken der Ganges
                                             entspringt. Der Ort ist auch von religiöser Bedeutung für Jains und Buddhisten.
                                                In Rio trafen sich kürzlich ungefähr 90 Staats- und Regierungschefs bei der Weltkonferenz
                                             für nachhaltige Entwicklung. Indien wurde von einer hochrangigen Delegation unter Führung
                                             des Premierministers Dr. Manmohan Singh repräsentiert. Aufgrund seiner jüngeren
                                             Vergangenheit hat Indien ein starkes Gewicht innerhalb der G77, die 131 Länder,
                                             einschließlich der am wenigsten entwickelten und der Inselstaaten, umfasst. Die Botschaft der
                                             Staats- und Regierungschefs war das Streben nach einer Zukunft, die „ökologischen und
                                             ökonomischen Raum für nachhaltiges Wachstum aller“ verspricht. Dies spiegelte sich im
                                             Endergebnis der Konferenz wider, das Indiens Position bezüglich der gerechten Lastenteilung
                                             zeigte.
                                                In einer persönlichen Anmerkung möchte ich Ihnen auf Wiedersehen sagen. Es hat mir viel
                                             Freude bereitet, Ihnen dieses Magazin nahezubringen, aber ich übernehme eine neue Aufgabe
                                             als indischer Botschafter in Ägypten. „Indien Perspektiven“ wird Ihnen weiterhin die vielen
                                             Facetten Indiens aufzeigen, die es zu solch einem faszinierenden Land machen.

                                                Navdeep Suri

                                                                                              AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN       03
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                                                                                               INHALT
      PERSPEKTIVEN
      INDIEN
        AUGUST 2012 n VOL 26 Nr. 5/2012

                                                                                                                                         August 2012
      Herausgeber: Navdeep Suri
      Stellvertretender Herausgeber: Abhay Kumar

      MEDIA TRANSASIA TEAM                                                                           Indien in diesem Monat                             02
      Chefredakteur: Maneesha Dube                                                                   Reise:
      Herausgeber: Mannika Chopra                                                                    Juwel im Eis                                       06
      Kreativdirektor: Bipin Kumar
      Stellvertretender Herausgeber: Urmila Marak
      Redaktionskoordinator: Kanchan Rana
                                                                                                     UNABHÄNGIGKEITSTAG SPEZIAL
      Design: Ajay Kumar (Stellvertretender Art                                                      WEGBEREITER                                        12
      Director), Sujit Singh (Graphische Gestaltung)
      Produktion: Sunil Dubey (DGM),                                                                 Wissenschaft auf Rädern: Agastya Foundation        14
      Ritesh Roy (Sr. Manager)
                                                                                                     Straßenträume: Salaam Baalak Trust                 16
      Brijesh K. Juyal (Druckvorstufe)
                                                                                                34   Schule für den Verstand: Dattatray Sakat           18
      Vorsitzender: J.S. Uberoi                                                                      Massenverbindung: IGNOU                            20
      Präsident: Xavier Collaco                                                                      Kulturbetrieb: Bharatiya Vidya Bhavan              22
      Kassenwart: Puneet Nanda
      Senden Sie Herausgeberbeiträge und Briefe
                                                                                                     Girl-Power: Pardada Pardadi Society                24
      an Media Transasia India Ltd.                                                                  Hoffnung für die Hoffnungslosen:
      323, Udyog Vihar, Phase IV,                                                                    MV Foundation                                      26
      Gurgaon 122016, Haryana, Indien
      E-mail: feedback.indiaperspectives@mtil.biz                                                    Bettler werden selektiv: Sarvan Kumar              28
      Telephone: 91-124-4759500                                                                      Traumerfüller: Dhirendra Singh                     30
      Fax: 91-124-4759550
                                                                                                     Alter kein Hindernis: Aziz Indori                  32
      Indien Perspektiven wird monatlich in
      Arabisch, Bahasa (Indonesien), Bengali,                                                        Globale Perspektiven:
      Englisch, Französisch, Deutsch, Hindi,                                                         Grüne Ziele                                        34
                                                       06                                       40
      Italienisch, Pashto, Persisch, Portugiesisch,
      Russisch, Sinhala, Spanisch, Tamil, Türkisch,
                                                                                                     Partnerschaften:
      Urdu und Vietnamesisch veröffentlicht. Die                                                     Eine Geschichte über Chancen                       40
      Ansichten, die in den Artikeln zum Ausdruck
      gebracht werden, sind die von den
                                                                  UNABHÄNGIGKEITSTAG SPEZIAL         Kritiken:
                                                                                                     Film: Faith Accompli                               44
      Urhebern und nicht notwendigerweise diese
                                                                                                     Buchauszug: Die Bollywood-Connection               45
      des Herausgebers.
                                                                                                     Wortwörtlich:
      Diese Ausgabe wird von Navdeep Suri für
                                                                                                     Shakuntala Devi                                    46
      das Aussenministerium/Ministry of External
      Affairs , Joint Secretary, Public Diplomacy
      Division, New Delhi, 140 ‘A’ Wing, Shastri
      Bhawan, New Delhi veröffentlicht.

      Telefonnummern: +91-11-23389471,
      +91-11-23388873

      Fax: 91-11-23385549
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      Text kann unter Mitteilung an India
      Perspectives reproduziert werden. Um eine                                                         COVER-FOTO: ZWEI SCHULJUNGEN IN EINER KLEINEN
      Ausgabe von Indien Perspektiven zu                                                                       STADT IN INDIEN / IMAGESBAZAAR
      erhalten wenden Sie sich bitte an Ihre
                                                       12                                                        COVER-DESIGN: BIPIN KUMAR
      nächstgelegene diplomatische Mission.

                                                                                                             AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN     05
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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                  Juwel
                      IM EIS
                                        SCHNAPPSCHÜSSE

                    DER WUNSCH, DIE UNGLAUBLICHE
                  SCHÖNHEIT ZU SEHEN UND EIN FESTER
                    GLAUBE BRINGEN TAUSENDE VON
                  ANHÄNGERN DAZU, DIE HEILIGE REISE
                     ZUM KAILASH MANSAROVAR ZU
                           UNTERNEHMEN

                                   (Im Uhrzeigersinn von rechts) Der
                                   majestätische Mount Kailash über
                                   Rakshastaal; eine Frau dort in traditioneller
                                   Kleidung; Jeeps sind ein beliebtes
                                   Transportmittel in den Bergen; man sagt, eine
                                   einzige Umschreitung oder Parikrama tilgt die
                                   Sünden des ganzen Lebens

                                                                                                              PHOTO: INDIA PICTURE

                                                                                                                                     PHOTOS: INDIA PICTURE
         06 PERSPEKTIVEN INDIEN        u AUGUST     2012                           AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN      07
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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                                                                                               (Im Uhrzeigersinn von links) Der
                                                                                               smaragdgrüne See Gaurikund; ein
                                                                                               Dorfbewohner, der Yak-Tee verkauft; das
                                                                                               felsige Gelände zum Kailash Mansarovar;
                                                                                               Pilgerer, die eine Pause machen; Sherpas
                                                                                               mit ihren Yaks, die das Gepäck der
                                                                                               Pilgerer tragen

                                                                                                                                               PHOTO: INDIA PICTURE
                                                                               ANUPAM CHANDA
        PHOTO: INDIA PICTURE

                         08 PERSPEKTIVEN INDIEN   u AUGUST   2012                                 AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN       09
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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                           D     er Mansarovar, der sich über 127
                                 qkm ausbreitet, ist ein Geschenk
                           des Kailash und anderer Gebirgszüge.
                           Er befindet sich in Tibet auf einer Höhe
                                                                                        (Im Uhrzeigersinn von links) Die
                           von 6638 m und die Hindus glauben, es                        Hügel von Tibet spiegeln sich im
                           sei der Aufenthaltsort von Shiva. Er                         Wasser bei Paryang in Tibet wider;
                                                                                        eine Tibeterin bei einer Umschreitung;
                           wird auch von Buddhisten, Jains und                          Blick von oben; Dolma Pass trägt
                           den Bonpas von Tibet verehrt.                                einen bunten Look mit tibetischen
                                                                                        Gebetsflaggen
                               Das Außenministerium organisiert
                           jedes Jahr zwischen Mai und September
                           Reisen zum Kailash Mansarovar. Die
                           Teilnehmer müssen medizinisch fit und
                           gesund sein, um die Reise zu
                           unternehmen, da das Wandern bis auf
                           eine Höhe von 5944 m unter harten
                                                                                     Dieses
                                                                                     Gebiet im Norden
                           Bedingungen, einschließlich extremer
                           Kälte und rauhem Terrain, erforderlich                    des Himalayas
                           ist. Die 27-tägige Reise startet in Neu                   besteht aus den
                           Delhi.
                           Die Route im einzelnen:
                                                                                     beiden Seen
                           Delhi-Almora-Chaukori-Dharchula-                          Mansarovar und
                           Sirkha-Gala-Budhi-Gunji-Nabhidhang-                       Rakshastaal und
                           Takalakote.
                               Auf chinesischem Staatsgebiet                         dem Mount Kailash.
                           befinden sich die Campingplätze in                        Vier große Flüsse in
                           Taklakote, Darchin, Deraphu, Zongrebu
                           Hore, Quju, Zaide und Kailash
                                                                                     Nordindien —
                           Mansarovar.                                               Sutlej, Brahmaputra,
                                                                                     Karnali (ein
                                                                                     Nebenfluss des
                                                                                     Ganges) und Sindh
                                                                                     — entstammen
                                                                                     diesem Gebiet.

                                                                                                                                 PHOTO: INDIA PICTURE
        ANUPAM CHANDA

                  10 PERSPEKTIVEN INDIEN    u AUGUST   2012                    AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN           11
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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      Wegbere iter
      Am Unabhängigkeitstag feiert Indien Perspektiven
      diejenigen, die es anderen ermöglichen, sich von
      den Fessseln des Analphabetismus zu befreien und
      der Zukunft zuversichtlich entgegen zu sehen

         12 PERSPEKTIVEN INDIEN    u AUGUST   2012             AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN   13
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                                             WEGBEREITER
                                             AGASTYA-STIFTUNG

                    Wissenschaft auf Rädern
                    Das mobile Bildungsprogramm hat über 3 Millionen Kindern genützt

                                                                     TEXT: ABHILASHA OJHA

                                                                     Gegründet, um                                 das
                                                                                                                   naturwissenschaftliche
                                                                      Interesse unter Studenten und Lehrern anzufachen, ist die Mission der
                                                                      Agastya-Stiftung, wissenschaftliche Bildung nicht nur den Kindern in
                                                                      den Metropolen, sondern auch in kleineren Städten, Gemeinden und
                                                                      Dörfern in Indien nahezubringen. Sie wurde vor 13 Jahren von Ramji
                                                                      Raghavan, einem Investmentbanker, gegründet, der sich auf dem
                                                                      Gebiet der Bildung engagieren und der Gesellschaft gern etwas auf
                                                                      seine Weise zurückgeben wollte. Was als Traum begann, ist heute
                                                                      Realität, die zahlreichen Kindern überall im Land zugute kommt.
                    Abgesehen von speziellen Wissenschaftszentren unterhält die Stiftung mobile Vans, die Tausende von Kindern
                    anziehen.
                       Ein mobiler Wissenschaftsvan oder “Mobile Lab”, wie es genannt wird, ist mit einer Ausstattung ausgerüstet, die
                    unterprivilegierten Kindern in Indien praktisches naturwissenschaftliches Wissen vermittelt. „Einer der ersten mobilen
                    Vans hatte eine kostengünstige Laborausstattung, die vom Homi Bhaba Centre for Science Education gespendet
                    wurde,“ erinnert sich Raghavan. „Die neuesten Errungenschaften des mobilen Vans in Magadi, Kamataka, wurden von
                    der Bharat Petroleum Corporation Ltd. gesponsert.“ Im Lauf der letzten Dekade ist die Anzahl dieser Vans von einem
                    auf 61 gestiegen.
                       Der Bildungsfonds in Bangalore ist heute eines der größten mobilen Wissenschaftsbildungsprogramme für
                    benachteiligte Kinder und Lehrer überall auf der Welt im ländlichen Raum. „Wir nutzen wissenschaftliche Konzepte,
                    die Spaß machen, nützlich und zugänglich sind. In Andra Pradeshs ländlicher Gegend in Kuppam wurde ein
                    Wissenschaftszentrum gegründet. Die mobilen Labore ermutigten die Kinder, über den Tellerrand des routinierten
                    Lernens von Wissenschaft hinauszublicken und Spaß an den Experimenten zu haben,“ erklärt Raghavan.
                       Nicht überraschend, dass sich an den Initiativen der Agastya-Stiftung mehr als 3 Millionen Kinder und 0,1 Millionen
                    Lehrer aus benachteiligten Gemeinden beteiligt haben. Unterstützt von Koryphäen der indischen                                                                    Die mobilen Vans sind eine Attraktion für Tausende von Kindern
                    Atomenergiekommission, von Engineers India, Goldman Sachs, Defence Research und vielen anderen geht die Reise
                    von Agastya für eine bessere Bildung der Kinder weiter.
                       „Wir können nicht darauf warten, dass alle Kinder im Land hinter mobilen Vans herrennen, um alles über
                    Wissenschaften zu lernen. Wir müssen im Schulsystem vom Ja zum Warum übergehen, vom Anschauen zum                               Die Agastya-Stiftung von Ramji Raghavan, die vor 13
                    Beobachten; vom Passivsein zum Entdecken,“ sagt Raghavan.
                       Die unermüdlichen Bestrebungen der Agastya-Stiftung faszinieren viele, einschließlich des Massachusetts Institute        Jahren gegründet wurde, hat die Mission, wissenschaftliche
                    of Technology’s Media Lab und der Clinton Global Initiative, was zeigt, dass die neue Generation anfängt, die Dinge
                    im Licht von Agastya zu sehen. n                                                                                           Bildung nicht nur Kindern in den Metropolen zu vermitteln,
                                                                                                                                              sondern auch denen in kleineren Städten, Gemeinden und Dörfern.

         14 PERSPEKTIVEN INDIEN      u AUGUST   2012                                                                                                                                        AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN               15
INDIEN - WEGBEREITER NEUE WEGE IN DER BILDUNG, DIE BENACHTEILIGTEN EIN NEUES GEFÜHL VON FREIHEIT GEBEN - India Perspectives
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                                                                                                                                                       WEGBEREITER
                                                                                                                                                          SALAAM BAALAK TRUST

                                                                                                                                             Straßenträume
                                                                                                                   SBT hat für die Bildung vieler Kinder gesorgt und sie in die Berufswelt geführt

                                                                                                        TEXT: USHA RAI

                                                                                                        Haran Kumar,                                ein Straßenkind,
                                                                                                                                                    das vom Salaam
                                                                                                        Baalak Trust (SBT) in Delhi aufgezogen wurde, zeigte
                                                                                                        Interesse an Fotografie und wurde ermutigt, einen Workshop
                                                                                                        zu besuchen. Ein Jahr später rief er Sanjoy Roy an, einen der
                                                                                                        Gründer von SBT, und lud ihn zu seiner ersten
                                                                                                        Fotoausstellung ein.
                                                                                                            Unterstützt durch die Zuversicht und das Selbstvertrauen,
                                                                                                        das der SBT in ihm geweckt hatten, nahm Haran Kontakt zur Visual Arts Gallery im berühmten India Habitat Centre in
                                                                                                        Delhi auf und mietete einen Raum. Dann gewann er den berühmten Fotografen Raghu Rai, um seine Fotografien zu
                                                                                                        redigieren und die norwegische Botschaft, um seine Ausstellung mit 24 Fotos zu sponsern. Am allerersten Tag waren
                                                                                                        all seine Fotos ausverkauft, eines wurde sogar für den All India Photography Association Award nominiert. Dieser Preis
                                                                                                        katapultierte ihn in die internationale Arena und er wurde eingeladen, für die Word Photography Association ein Essay
                                                                                                        über das Straßenleben in Amsterdam zu drehen. Heute sind Harans Ausstellungen durch Singapur, Südafrika,
                                                                                                        Großbritannien und Kanada getourt und als Berufsfotograf hat er Aufträge von Werbeagenturen und vielen anderen
                                                                                                        Unternehmen.
                                                                                                            Wie viele andere Straßenkinder ist Haran dem SBT dankbar dafür, dass er sein Leben geändert hat. Der Fonds wurde

                                                                                    PHOTOS: VICKY ROY
                                                                                                        von der Filmemacherin Mira Nair, ihrer Mutter Praveen Nair und Roy in 1988 – 1989 gegründet, nachdem Salaam
                                                                                                        Bombay die Aufmerksamkeit der Welt auf das Schicksal von Straßenkindern gelenkt hatte. Die ersten, die rehabilitiert
                                                                                                        wurden, waren die Kinderdarsteller in dem Film, seitdem erhielten 50.000 Straßenkinder eine Schulbildung und
                                                                                                        wurden resozialisiert.
                                                                                                            Anfänglich unterstützte der SBT Programme für arbeitende Kinder in Delhi, Mumbai und Bhubaneswar. Die
                                                                                                        Mumbai-Abteilung wurde als unabhängige Institution gegründet. Die Delhi-Abteilung begann mit nur drei Personen im
                                                                                                        Team und 25 Kindern aus dem Bahnhof von Neu Delhi. Heute gibt es 17 Zentren und ein Team von 150 Personen. „Bis
         Die Kinder vom Salaam Baalak Trust                                                             2013 hoffen wir 5.000 Kinder in Delhi unterstützen zu können,“ sagt Roy.
                                                                                                            Der Fonds hat eine Erfolgsquote von 60 Prozent bei der Ermutigung und Unterstützung von Kindern, ins Elternhaus
                                                                                                        zurückzukehren. Roy meint: „Die restlichen bleiben weiter in unseren voll betreuten Zentren. Es wird erwartet, dass sie
                                                                                                        die 10. Klasse abschließen, nachdem sie einen Vorbereitungskurs absolviert und die Zulassung zu einer staatlichen
               Gegründet von der Filmemacherin Mira Nair, ihrer Mutter Praveen Nair                     Schule haben. Die Kinder, die Potential haben, werden auf die Lawrence School in Sanwar geschickt oder sogar auf
                                                                                                        Ingenieurschulen. Fünf Kinder haben Stipendien für Collegeprogramme in den USA gewonnen, um BWL, Tourismus
          und Sanjoy Roy in 1988-1989, nachdem Salaam Bombay die Aufmerksamkeit                         und International Relations zu studieren.“
                                                                                                            Vicky Roy, der in Harans Fußstapfen tritt, wurde von der Maybach Foundation und Silverstein Properties als einer
           der Welt auf Straßenkinder gelenkt hatte, hat der SBT bis jetzt über 50.000                  von vier Fotografen ausgewählt, um den Wiederaufbau des World Trade Centers zu dokumentieren. Wenn der Tower
                  Straßenkinder einer Schulbildung zugeführt und sie resozialisiert                     eröffnet wird, werden seine Fotos ein Teil der permanenten Ausstellung sein.
                                                                                                            Mit begrenzten Ressourcen und einem Jahresbudget von ca. 45 Mio. Rupien, von denen 12 – 15 Prozent von der
                                                                                                        Regierung kommen, hoffen die Gründer des SBT, immer mehr Straßenkinder zu resozialisieren. n

         16 PERSPEKTIVEN INDIEN               u AUGUST   2012                                                                                                                                 AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN   17
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                                             WEGBEREITER
                                             DATTATRAY SAKAT

                    Schule für den Verstand
                    Die Hingabe der Lehrer macht die Schule zu einem Vorbild

                                                         TEXT: MALTI PANDE

                                                        Es ist 7.30                        Uhr am Morgen und die Kinder gehen in die
                                                                                           Schule. Das klingt vielleicht normal, aber die
                                                           Schüler der Zilla Parishad (ZP) Grundschule in Kardelwadi, Maharashtra haben
                                                           eine Dynamik in ihrem Schritt, die nicht so normal ist. Sie haben die Schule am
                                                           Abend zuvor um ungefähr 17 Uhr widerstrebend verlassen und sind ganz wild
                                                           darauf, den neuen Tag zu beginnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schulen
                                                           haben die Kinder hier die Verantwortung dafür, die Räume sauber zu halten, sie
                                                           sagen auch dem Koch, was er mittags zubereiten soll und den Lehrern, was sie
                                                           lernen möchten. Alle 92 Schüler zwischen 5 und 10 Jahren nehmen sich ihre
                                                           zugeteilten Aufgaben vor, ohne dass man es ihnen sagt und es sind keine
                                                           Erwachsenen nötig, um sie zu überwachen. Das Schulgebäude ist quadratisch mit
                                                           vier Räumen, eingeschossig, und hat eine überdachte Veranda vorne. Von den vier
                                                           Räumen ist einer das Büro, ein weiterer das Computerzimmer. Die restlichen
                                                          beiden dienen als Klassenzimmer, wie auch die Veranda und der offene Platz davor.
                        Die Schule wird von Dattatray Sakat und seiner Frau Bebinanda geleitet, die von Mathematik und
                    Naturwissenschaften bis zu Kunst und Sport alles unterrichten. Sie denken, dass „Schulbildung nicht heißt, alles über
                    die Dinge zu wissen, sondern es so anzuwenden, dass das Leben besser wird.“ Als dem Ehepaar vor ungefähr zehn
                    Jahren die Schule zugeteilt wurde, funktionierte nichts, es gab keine Einrichtung, nicht einmal eine Tafel. Die Sakats
                    waren nicht abgeschreckt, strichen die Wände hellrot und grün, reinigten die Böden und kochten für ihre Schüler. Heute
                    ist die Schule so beliebt, dass bekanntermaßen einige Familien umgezogen sind, damit ihre Kinder sie besuchen
                    könnten. Dank der finanziellen Unterstützung großzügiger Dorfbewohner aus Kardelwadi und der Nachbarschaft hat
                    die Schule jetzt 18 Laptops, zwei Desktop-Computer, einen LCD-Projektor und ein Wasserreinigungsgerät (denn
                    Trinkwasser war ein großes Thema in dieser Region).
                        Mit jedem Jahr steigen die Anmeldungen an der Schule, die 365 Tage im Jahr geöffnet ist. Während der
                    Sommerferien werden Workshops in Fotografie, Tonen, Computer, Yoga und anderem organisiert. Zu dieser Zeit leiten                              (Gegenüberliegende Seite) Die Sakats; Kinder an der Zilla Parishad Grundschule in Kardelwadi
                    die Schüler auch Kurse für ihre Eltern über Hygiene, Sicherheit und den sparsamen Umgang mit Energie. Es gibt
                    keinen festen Stundenplan, die Kinder können auf dem Niveau lernen, auf dem sie möchten.
                        Kardelwadi liegt ungefähr 10 km von dem großen Industriegebiet in Ranjangaon entfernt, abseits der Staatsstraße
                    Pune-Ahmednagar. Das letzte Stück der zur Schule führenden Straße ist nur wenig mehr als ein schmutziger Pfad, aber            Mit jedem weiteren Jahr steigen die Anmeldungen
                    das stört die Eltern nicht, die ihre Kinder mit dem Bus aus den umliegenden Dörfern hierher schicken. „Gute
                    Schulbildung kommt von Lehrern, die bereit sind, diesen zusätzlichen Weg zu machen,“ sagte Bebinanda. Die Sakats              an der Schule, die 365 Tage im Jahr geöffnet hat.
                    arbeiten hart, um über Änderungen im Bildungssektor auf dem laufenden zu bleiben. „Wir informieren uns über neue
                    Unterrichtsmethoden, besuchen Buchmessen und bleiben in Kontakt mit anderen Lehrern,“ sagt Dattatray. Die Hingabe            Während der Sommerferien werden Workshops in
                    der Sakats ist schwer zu kopieren, aber das Streben nach Qualität ist es sicherlich. n                                    Fotografie, Tonen, Computer, Yoga und anderem organisiert.

         18 PERSPEKTIVEN INDIEN      u AUGUST   2012                                                                                                                                                   AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN                19
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                                                                                                                                                                     Massenverbindung
                                                                                                                                                   Über 3,5 Millionen Studenten sind an der weltgrößten Universität immatrikuliert

                                                                                                                                          TEXT: ABHILASHA OJHA

                                                                                                                                          Als die                 Universität von Tokyo letzten Monat
                                                                                                                                                                  mit der Indira Gandhi National Open
                                                                                                                                          University (IGNOU) kooperieren wollte, merkte der
                                                                                                                                          Direktor der Universität von Tokyo, Hiroshi Yoshino, an,
                                                                                                                                          dass die Kooperation mit der IGNOU für Japan essentiell
                                                                                                                                          sei, um mehr indische Studenten ins Land zu locken. Eine
                                                                                                                                          Verbindung mit der IGNOU, dachte Yoshino, würde dem
                                                                                                                                          Land nutzen und Inder ermutigen, in Japan zu studieren.
                                                                                                                                             Tokyo ist nicht die einzige, die mit der IGNOU kooperieren will. Sie wird als die weltgrößte Universität betrachtet
                                                                                                                                          und sorgt für Fernunterricht für über 3,5 Millionen Studenten. Die IGNOU war darüber hinaus in den Nachrichten mit
                                                                                                                                          ihrem Plan, mit einer Investition von 1,5 Milliarden Rupien die India-Africa Virtual University zu gründen. Sie wurde
                                                                                                                                          im Jahr 1985 mit einer Investition von 20 Milliarden Rupien gegründet und sollte Bildungsmöglichkeiten für alle
                                                                                                                                          schaffen. Abgesehen von einem Ressourcenzentrum hat sie auch einen speziellen Forschungszweig.
                                                                                                                                             Für Tarun Malviya, den stellvertretenden Direktor (Marketing) eines Medienunternehmens endet Bildung nie. Er hat
                                                                                                                                          einen MBA-Abschluss und 6 Jahre Berufserfahrung und ist sehr interessiert an Unternehmenskommunikation. Ein
                                                                                                                                          Abschluss in Journalismus ist jedoch absolut essentiell. Aber sein hektischer Terminkalender und häufige
                                                                                                                                          Geschäftsreisen lassen ihm nicht die Freiheit, einen Vollzeitkurs zu belegen. Da kommt die IGNOU genau richtig.
                                                                                                                                          Tarun meint: „Ich habe mich für das Post Graduate Diploma in Journalismus und Massenkommunikation entschieden,
                                                                                                                                          denn für einen Berufstätigen ist dieser Kurs günstig für die Karriere. Die Kurse fanden an Sonntagen statt, so dass ich
                                                                                                                                          sie gut besuchen konnte.“
                                                                                                                                             Es gibt viele Berufstätige wie Tarun, die sich für die Universität entscheiden aufgrund der guten Ausbildung, der
                                                                                                                                          Praxis und der ständigen Verbesserung und Einführung neuer und relevanter Kurse.
                                                                                                                                             Der (stellvertrende) Vizekanzler der IGNOU, Professor M. Aslam gibt an, dass sich die Anmeldezahlen an der
                                                                                                                                          IGNOU um ca. 7 Prozent gesteigert haben. Laut ihm ist die grundlegende Idee, Menschen entsprechend ihrer
         (Gegenüberliegende Seite) Eine Studentin, die bei einer Diplomfeier ihr Abschlusszeugnis erhält; Arbeits- und Bildungsminister   Lebensweise, Mittel und finanziellen Möglichkeiten zu erreichen. „Wir möchten Indien in eine Wissensgesellschaft
         Kapil Sibal weiht ein modulares Chemie-Labor an der IGNOU School of Sciences in Bengaluru ein                                    transformieren. Mit Hilfe von IGNOU möchten wir, dass sich das Land sozial und ökonomisch weiterentwickelt und
                                                                                                                                          die Individuen gestärkt werden,“ so Professor Aslam.
                                                                                                                                             Mit 445 Kursen im Angebot verfügt die IGNOU über die größte Anzahl an offenen und Fernlehrgängen. Sie hat 21
                                    Die IGNOU verzeichnet die größte Anzahl an offenen                                                    Studienzentren, 67 Regionalzentren, 47 Universitätszentren und auch Spezialzentren für die Armee, die es den
                                                                                                                                          Angehörigen ermöglichen weiterzustudieren, während sie ihren Dienst absolvieren. Die Universität verfügt ebenfalls
                                   und Fernlehrgängen – 445. Sie hat 21 Studienzentren,                                                   über 82 Zentren im Ausland mit ungefähr 47.000 wissenschaftlichen Experten.
                                                                                                                                             Trotz siebenundzwanzig Jahren mit steigender Tendenz, geht sie aber auch mit der Zeit. Die angebotenen e-services
                                     67 Regionalzentren, 47 Universitätszentren und                                                       ermöglichen den Studenten, mit den Experten über VSAT, Informations- und Kommunikationstechniken zu
                                           Spezialzentren für Armeeangehörige.                                                            interagieren. Beispielsweise hat die IGNOU vor kurzem einen e-Büchereiservice eingerichtet und ist dabei, die meisten
                                                                                                                                          Dienstleistungen in e-services umzuwandeln.
                                                                                                                                             Trotz all der technologischen Fortschritte bleibt das Mantra der IGNOU dasselbe: Lernen ist das grundlegende
                                                                                                                                          Mittel, das Indien in seiner ganzen Pracht Stärke verleihen wird. n

         20 PERSPEKTIVEN INDIEN               u AUGUST      2012                                                                                                                                                                AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN   21
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                                              WEGBEREITER
                                              BHARATIYA VIDYA BHAVAN

                    Kulturbetrieb
                    Das BVB hilft, die indische Kultur und Tradition zu verbreiten

                                                                   TEXT: ABHILASHA OJHA

                                                                   Irgendwann im                                     letzten Jahr besuchte eine
                                                                                                                     Freundin aus den USA
                                                                    Indien. Sie machte keinen exotischen Urlaub. Im Gegenteil, sie suchte
                                                                    verzweifelt nach dem Original des Films Devdas (1935) von P.C. Barua,
                                                                    das der Regisseur nach einem bengalischen Roman von Sarat Chandra
                                                                    Chattopadhyay adaptiert hatte. Im Laufe unserer Unterhaltung erwähnte
                                                                    sie, wie ihre Tochter im Teenageralter, die sich auch für indische Filme
                                                                    interessiert, großartige Hilfe erhielt, was das Verständnis der Filme
                    betrifft, nachdem sie am Bharatiya Vidya Bhavan (BVB) College in New York einen Kurs in Hindi besucht hatte. Heute
                    liest und spricht ihre Tochter die Sprache flüssig.
                       Ich erinnerte mich an diese Unterhaltung mit meiner Freundin, als ich mit Ashok Pradhan, dem Direktor des
                    Bharatiya Vidya Bhavan in Delhi sprach. In Bezug auf das Institut sagt Pradhan: „Das Hauptziel des Bharatiya Vidya
                    Bhavan ist die Verbreitung der indischen Wurzeln, Kultur und Tradition, nicht nur im Land, sondern überall in der
                    Welt.“
                       Im Lauf der Jahre ist das Institut gewachsen, nicht nur was die Anzahl der Zentren angeht, sondern auch im Hinblick
                    auf die Kurse, die für Studenten angeboten werden. Obwohl alle Kurse beliebt sind, wird laut Pradhan besonders der in

                                                                                                                                                  PHOTOS: RAJEEV RASTOGI
                    Astrologie stark nachgefragt.
                       Das in 1938 gegründete Bharatiya Vidya Bhavan wurde als Bildungsfonds von Dr. K.M. Munshi in Delhi aufgelegt,
                    bevor es sich nach und nach in anderen Teilen Indiens und im Ausland verbreitete. Heute laufen die Fondsprogramme
                    in 117 Zentren in Indien und in 7 im Ausland, einschließlich den USA, Großbritannien, Australien und dem Mittleren
                    Osten.
                       Die Institution ist heute besonders relevant. In Anbetracht der hohen Kosten für private Kurse, die von vielen
                    Instituten angeboten werden, bietet das Bharatiya Vidya Bhavan eine Reihe von Kursen für junge Leute zu einem
                    günstigen Preis an. Und, was noch wichtiger ist, das Institut gibt Kurse, die den Jüngsten die Möglichkeit bieten, eine
                    Bindung an Indien herzustellen.                                                                                                                                Der Vorteil von Bharatiya Vidya Bhavan liegt darin, dass die Kurse durchdacht und sehr strukturiert sind und einen guten Zeitplan haben
                       Von ausführlichen Kursen über Sanskrit-Studien über Astrologie und sogar Kursen über Film und Fernsehen:
                    Pradhan meint, der Vorteil des Instituts liege darin, dass die Kurse durchdacht und sehr strukturiert seien und einen
                    guten Zeitplan hätten.
                       Der Bildungsfonds hat sich so verbreitert, dass sogar ab einem frühen Alter unterrichtet wird. Das Bhavan leitet                                         Die Bharatiya Vidya Bhavan-Kurse geben den Menschen die
                    Schulen, unter anderem die Bharatiya Vidya Mandir, Bhavan’s Mandir und Bhavan’s Vidyalaya.
                       Und darüber hinaus bringt der Verlagszweig eine Reihe von Büchern zu Themen heraus, die es den Menschen                                               Möglichkeit, eine Bindung an Indien herzustellen. Durchdacht
                    ermöglichen, eine Bindung zur indischen Kultur herzustellen.
                       „Letztendlich folgen wir am Institut unserem Motto, das von Rig Veda inspiriert wurde: Lasst noble Gedanken von                                     und strukturiert, mit gutem Zeitplan werden Kurse in ausführlichen
                    jeder Seite zu uns durchdringen. Das ist unsere Vision, das wollen wir tun,“ endet Pradhan. n                                                               Sanskrit-Studien, Astrologie, Film und Fernsehen angeboten.

         22 PERSPEKTIVEN INDIEN      u AUGUST    2012                                                                                                                                                                                                            AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN                 23
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                                                                                                                                                                               WEGBEREITER
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                                                                                                                                                              Mädchen-Power             Ermutigt Mädchen, ihr Zuhause zu verlassen,
                                                                                                                                                                                       zu studieren und sich eine Zukunft aufzubauen

                                                                                                                               Renuka, Mitglied von Pardada
                                                                                                                               Pardadi Bildungsverband

                                                                                                                               Ich verwende                              nur meinen
                                                                                                                                                                         Vornamen. Wir
                                                                                                                               benutzen keine Nachnamen in dieser Organisation. Ich
                                                                                                                               gehöre seit 12 Jahren zum Pardada Pardadi
                                                                                                                               Bildungsverband, seitdem er von Virendra Singh gegründet
                                                                                                                               wurde. Nachdem er jahrelang im Ausland in einer Top-
                                                                                                                               Position bei DuPont in Südostasien gearbeitet hatte, suchte
                                                                                                                               Singh nach der Antwort auf eine Frage: Wenn Inder überall
                                                                                                                               in der Welt erfolgreich sind, warum ist es Indien nicht? Diese Frage führte zu einer Entscheidung, die sein Leben
                                                                                                                               veränderte: er ging in den vorzeitigen Ruhestand und kehrte zu seinen Wurzeln nach Anupshahar im Distrikt
                                                                                                                               Bulandshahar in UP zurück.
                                                                                                                                  Was dann begann, war eine Mission, mit der Frauen nicht nur wirtschaftlich, sondern sozial gestärkt werden sollten.
                                                                                                                               Unser Bestreben war es, junge Mädchen zu ermutigen, von zu Hause wegzugehen, zu studieren und sich selbst eine
                                                                                                                               Zukunft aufzubauen. Wir wollten uns auch auf Guru Shishya Parampara (eine Lehrer-Student-Tradition) des Lernens
                                                                                                                               konzentrieren. Unser Lernzentrum möchte deswegen die Mädchen nicht nur unterrichten, sondern ihnen auch die Stärke
                                                                                                                               verleihen, sich außerhalb des gewohnten 6-km-Radius von zu Hause wegzubewegen. Heute sind viele unserer
                                                                                                                               Studentinnen Journalistinnen, Krankenschwestern, Merchandiser, Büroangestellte in Unternehmen und Lehrerinnen. Wir
                                                                                                                               fingen als Organisation mit ca. 40 Mädchen an, von denen nur 14 ihre Schulbildung abgeschlossen haben, und haben jetzt
                                                                                                                               mindestens 100 Mädchen, die auf der Warteliste für ein Studium stehen. Über 1.200 Mädchen studieren am Zentrum.
                                                                                                                                  Das USP unserer Organisation sind 10 Rupien täglich für Studenten, die die Klasse 10 erfolgreich abschließen und
                                                                                                                               bereit sind zu lernen. Wir geben dieses Geld der Studentin, wenn sie 18 oder 21 wird oder sich entscheidet zu heiraten.
                                                                                                                               Dies ist die „wirtschaftliche“ Stärkung von unserer Seite aus für Mädchen, deren Familien gerade so über die Runden
                                                                                                                               kommen. Die Mädchen, die in unserem Zentrum studieren, kommen aus Kreisen, wo das Familienoberhaupt zwischen
                                                                                                                               1.000 und 1.500 Rupien monatlich verdient.
         Die Mission des Pardada Pardadi Bildungsverbands ist die wirtschaftliche, aber auch die soziale Stärkung der Frauen      Unser Modell ist nicht nur wiederholbar, sondern auch messbar. Ich werde mich freuen, wenn unsere Zentren überall
                                                                                                                               in Indien eröffnet werden können und andere anfangen, das Modell zu kopieren und Kinder zu unterrichten, die
                                                                                                                               wirtschaftlich benachteiligt sind. Die Herausforderung liegt jedoch darin, Public-Private-Partnerships zu ermöglichen.
                                                                                                                               Das Fundraising ist auch eine große Aufgabe. Unsere Finanzierungskosten für die Ausbildung jedes Mädchens betragen
                                  "Wir wenden 10 Rupien täglich für Studentinnen auf,                                          21.000 Rupien pro Jahr. Das sind nicht einmal 2.000 Rupien pro Monat. Aber das Akquirieren von Geldern für unser
                                                                                                                               Zentrum ist eine ziemliche Herausforderung. Es ist auch schwierig, die Anzahl der Lehrer zu vergrößern. Die meisten
                                 die die Klasse 10 erfolgreich abschließen und bereit                                          unserer Lehrer kommen aus der Gegend, viele davon haben wir ausgebildet. Einige unserer Lehrer kommen aus dem
                                                                                                                               Ausland zu uns und unterrichten unsere Schüler zwischen 6 Monate und einem Jahr.
                              sind zu lernen. Wir geben dieses Geld der Studentin, wenn                                           Vor fast 12 Jahren fingen wir an. Jetzt ist es Zeit, die gute Arbeit mit derselben Energie und demselben Enthusiasmus
                                  sie 18 oder 21 wird oder sich entscheidet zu heiraten."                                      fortzusetzen. n
                                                                                                                                                                                                                 (Nach einem Bericht von Abhilasha Ojha)

         24 PERSPEKTIVEN INDIEN               u AUGUST      2012                                                                                                                                                       AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN   25
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                                              WEGBEREITER
                                              MV-STIFTUNG

                  Hoffnung für die Hoffnungslosen
                  Von Kinderarbeit befreit, genießen eine Million Kinder ihr Leben

                                                    TEXT: USHA RAI

                                                    Zwanzig Jahre                                 und eine Million Kinder aus den Fesseln
                                                                                                  der Arbeit befreit: die M. Venkatarangaiya
                                                      Foundation (MVF) ist der Beweis, dass Kinderarbeit ausgerottet werden kann und die
                                                      Kinder ganz normale Berufstätige werden können. Die Kinder, denen von der MVF
                                                      geholfen wurde, sind lebendes Zeugnis, wie man sich befreien und daraus erheben
                                                      kann. „Unsere Eltern haben uns auf die Welt gebracht, aber die MVF hat uns unser
                                                      Leben zurückgegeben,“ sagen sie. Viele von ihnen sind immer noch zurückhaltend,
                                                      aber die meisten gehen aufrecht durchs Leben und verdienen gutes Geld als Ärzte,
                                                      Ingenieure, Krankenschwestern, Lehrer und Geschäftsleute.
                                                          Das Engagement der MVF wird von der indischen Regierung anerkannt. Shantha
                                                      Sinha, die bei der MVF war, wurde dafür der renommierte Magsaysay Preis verliehen.
                                                      Sinha ist momentan Vorsitzende des Nationalen Kommission für den Schutz der
                    Kinderrechte. „Die Leistungen all dieser Kinder begeistern, aber ihr Kampf ist beängstigend,“ so Venkat Reddy,
                    nationaler Gründer der MVF.
                       Einer der lebenden Beweise der Stiftung ist Malleshwari (22). Ihre melodiöse Stimme hat ihr nicht nur einen Platz in
                    MVF-Ämtern beschert, sondern auch auch ihren Namen auf 11 Alben mit Liedern zu sozialen Themen, Kinderarbeit
                    oder mit devotionaler Musik katapultiert. Eines Tages hofft sie Playback-Sängerin für die Filmindustrie zu werden. Ihr
                    musikalisches Talent wurde bei einem Vorbereitungskurs-Camp vor Ort entdeckt und weiterentwickelt. Malleshwari ist
                    auch die erste Kamerafrau in Hyderabad und arbeitet momentan bei Telangana New Network. Für ein Mädchen, das
                    Ziegen und Kühe gehütet hat, seitdem es 12 Jahre alt war, ist ihre Entwicklung in den 10 Jahren unter dem Schutz der
                    MVF beeindruckend.
                       Eine weitere herzerwärmende Geschichte ist die von Mahender, 31, aus Pullimamdi Village, Techniker am Yashoda
                    Krankenhaus in Mallakpet, Hyderabad. Bis er siebeneinhalb war hütete er Büffel in seinem Dorf. Seine Eltern waren
                    Landarbeiter. MVF-Helfer brachten ihn in die Schule und nach einem dreimonatigen Vorbereitungskurs wurde er zur
                    Klasse 1 der staatlichen Schule zugelassen und wohnte in einem Jungeninternat. Schon als er aufs Junior-College ging,                                 (Links) Venkat Reddy, der nationale Gründer des MVF; Malleshwari ist die erste Kamerafrau in Hyderabad
                    begann er einem Arzt zu assistieren und wurde am Banjara Hills Apollo Hospital als Techniker ausgebildet. Um der
                    Institution, die ihn aufgebaut hatte, etwas zurückzugeben, kehrt er immer wieder in sein Dorf zurück, um
                    sicherzustellen, dass jedes Kind eine Schulausbildung erhält. „Von meiner Gruppe von 23 Kindern ist eines Sarpanch,
                    ein weiteres Polizist, und viele arbeiten beim Gesundheitsdienst. Ein paar sind Lehrer,“ meint er. „Die Schulbildung hat       Die MVF sollte weltweit Anerkennung erhalten für ihr Engagement bei der
                    uns aus der Armutsfalle geführt,“ sagen sie. Diese jungen Menschen netzwerken jetzt und sind ganz begierig darauf,
                    anderen zu helfen, die Probleme zu lösen, die sie einst hatten. Und viele von ihnen erkennen stolz, dass ihre Dörfer       Ausrottung der Kinderarbeit und dafür, allen Kindern Schulbildung zukommen
                    heute frei von Kinderarbeit sind.
                       Das MVF-Modell, Kinderarbeitern Schulbildung zukommen zu lassen, wird jetzt auch in Ländern in Afrika                      zu lassen. Viele von ihnen sind heute gebildet, sind reguläre Berufstätige
                    wiederholt, was seinen Einfluss aufzeigt. n                                                                                            und lebendes Zeugnis dafür, wie sie sich befreien konnten

         26 PERSPEKTIVEN INDIEN      u AUGUST   2012                                                                                                                                                                     AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN               27
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                                                                                                                            Bettler werden selektiv
                                                                                                                                                                Sarvan Kumar sorgte dafür, dass Kinder von der Straße
                                                                                                                                                               wegkommen und brachte ihnen bei, was Würde bedeutet

                                                                                                                     TEXT: ANSHU SETH

                                                                                                                     Jeden Morgen                                begleitete der 10-jährige Raju seine Mutter
                                                                                                                                                                 Shama zu einer befahrenen Kreuzung, um
                                                                                                                     ihr bei der Arbeit zu helfen – dem Betteln. Raja trotzte Winterfrösten und der
                                                                                                                     Sommerhitze, um die Sympathie der Passanten für sich zu gewinnen. Er verdiente
                                                                                                                     ungefähr 100 Rupien im Monat, manchmal auch mehr, wenn er Glück hatte.
                                                                                                                        Dann kam Sarvan Kumar, 77, mit seiner Mission, Raju und seine Freunde weg von
                                                                                                                     der Straße und in die Schule zu locken. Es war schwer, Shama zu überzeugen, auf
                                                                                                                     Rajus Verdienst zu verzichten und ihn zur Schule zu schicken. „Als ich die Eltern zum
                                                                                                                     ersten Mal bat, ihre Kinder zur Schule zu schicken, sagten sie: Was geben Sie uns
                                                                                                                     dafür?“ Kumar meint: „Sie sagten mir, die Kinder schafften es, jeden Tag durch
                                                                                                                     Betteln 3 Rupien zu verdienen.“ Die Sache wurde so geregelt, dass Kumar einwilligte,
                                                                                                                     jeden Tag 3 Rupien zu bezahlen, damit die Kinder die Nishkam Vidya Mandir (NVM)
                                                                                                                     besuchen konnten, eine Schule, die Kumar 1976 für Bettlerkinder gegründet hatte. Die Kinder bekamen dort Unterricht,
                                                                                                                     Mahlzeiten, ein Vollbad und ihnen wurde Hygiene beigebracht.
                                                                                                                        „Es war frustrierend. Selbst nachdem sie das Geld genommen hatten, wollten die Kinder wieder betteln gehen,
                                                                                                                     sobald die Schule vorbei war,“ sagte Kumar. Auf der Suche nach einer Lösung wandte er sich an einen Freund, Baba

                                                                                           PHOTOS: HINDUSTAN TIMES
                                                                                                                     Amte. Der bekannte Sozialaktivist sagte ihm, er solle nicht mehr die Eltern bezahlen, sondern stattdessen die Kinder in
                                                                                                                     einem Beruf ausbilden, damit sie selbst ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. „Das funktionierte,“ sagte Kumar.
                                                                                                                     „Nachdem sie bei der NVM angemeldet waren, wollten meine Kinder nicht mehr betteln und baten mich auch,
                                                                                                                     aufzuhören. Ich verstand die Bedeutung der Würde und nahm eine Arbeit als Helferin in der Nachbarschaft an, um
                                                                                                                     meine Kinder zu unterstützen,“ so Shama.
                                                                                                                        Durch den Erfolg motiviert, gründete der Nishkam Sewa Trust fünf weitere Schulen – in der Samrala Road, Kirpa
                                                                                                                     Dham, Ambedkar Nagar, Shaheed Bhagat Singh Nagar und New Chander Nagar — zusammen mit einer offenen
                                                                                                                     Schule in einem Park in Dugri. Heute lernen über 2.500 Schüler in diesen Schulen, von der
         (Gegenüberliegende Seite) Sarvan Kumar; die Kinder an der Nishkam Vidya Mandir                              Krankenschwesterausbildung bis zur 10. Klasse. Die Schulen befinden sich in mehrstöckigen Gebäuden, die im Besitz
                                                                                                                     des Trusts sind. Jede Schule beschäftigt rund 25 Lehrer, sowie Freiwillige, die Schülern der Klassen 7 bis 10
                                                                                                                     zusätzlichen Unterricht in Naturwissenschaft und Mathematik geben.
                                                                                                                        Mit seinen 30 Jahren Erfahrung unterrichtet Kumar die Schüler auch in Moral. „Hohe moralische Werte sind wichtig
                            Heute lernen über 2.500 Schüler in den Schulen des                                       für das Erwachsenwerden und ohne sie kann sogar ein erfolgreicher Berufstätiger kein guter Mensch sein,“ meint er. n
                                                                                                                         —Anshu Seth ist Korrespondent bei der Hindustan Times. Die Geschichte gehört zu einer Serie über Bildung, die die
                    Nishkam Sewa Trusts, von der Krankenschwesterausbildung bis                                                                                                                               Tageszeitung veröffentlicht hat.

                 zur 10. Klasse. Die Schulen befinden sich in mehrstöckigen Gebäuden,
                   die im Besitz des Trusts sind. Jede Schule beschäftigt rund 25 Lehrer

         28 PERSPEKTIVEN INDIEN             u AUGUST    2012                                                                                                                                                AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN    29
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                                              DHIRENDRA SINGH

                    Traumerfüller
                    Diese Jugendorganisation sorgt für gute Schulbildung in abgelegenen Gegenden

                                                                        Dhirendra Pratap                                      Singh, 21,
                                                                                                                              erkannte sehr
                                                                          früh im Leben, dass er die Möglichkeit für ein gutes Leben in der
                                                                          Stadt hatte, aber viele andere in abgelegenen Dörfern konnten davon
                                                                          nicht einmal träumen.
                                                                             Das veranlasste ihn, mit vier anderen Studenten der Universität
                                                                          in Delhi, Milaan zu gründen, um Kindern aus sozial schwierigen
                                                                          Verhältnissen zu helfen. Heute sorgen er und sein Team von
                                                                          ungefähr 20 Leuten dafür, dass Kinder erkennen, davon träumen zu
                    können, ihre Schuldbildung abzuschließen und ein besseres Leben abseits ihres Dorfes zu haben.
                       Shanti, 17, aus Sitapur, UP, wollte studieren und ihr Leben und das derjenigen um sie herum ändern. Sie war jedoch in
                    der 8. Klasse, als sie die Schule abbrechen musste, weil ihre Familie sie verheiraten wollte. Dhirendra und sein Team
                    waren gerade in das Dorf gekommen, als sie zufällig von Shantis Notlage hörten. Trotz Widerständen sprach er immer
                    wieder über ein Jahr lang mit Shantis Eltern und überzeugte sie schließlich davon, dass das Mädchen weiter die Schule
                    besuchen durfte. Heute sind sie stolz auf Shantis Leistungen und sehen ihre Zukunft in hellen Farben.
                       In 2007 hatte Milaan eine Umfrage zu grundlegenden Schulbildungsmöglichkeiten und –zugang in Sitapur
                    durchgeführt. Das Ergebnis erschreckte sie: trotz einer Alphabetisierungsquote von 92 Prozent hatten nicht einmal 1
                    Prozent der Dorfgemeinschaft tatsächlich die Sekundarschule abgeschlossen. Und bei der hohen Ausfallquote hatte eine
                    große Anzahl von Schülern nicht den Past Senior Secondary Level geschafft. Sie erkannten, dass der Grund dafür war,
                    dass es keinen Zugang zu höherer Schulbildung und einen Mangel an bezahlbarer Grundschulbildung gab. Da kam ihnen
                    die Idee, ein Bildungsinstitut zu gründen.
                       Sie gründeten Swarachna, ein Bildungsprojekt, das gute und bezahlbare Sekundarschulbildung und Sprachtraining für
                    Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Familien der Gegend bereitstellen sollte. Den Kindern werden Bücher und
                    Zeitschriften zum Lesen gegeben, ihnen werden streng ausgewählte Filme gezeigt und sie werden ermutigt, an
                    Diskussionen und Debatten teilzunehmen. Swarachna, das mit nur 10 Studenten und einem einzigen Lehrer startete, hat                                Abgesehen von Studien genießen die Kinder auch das aktivitätsorientierte Lernen
                    jetzt 400 Studenten auf seiner Anmeldungsliste und 14 Lehrer.
                       Auch im Dorf Natpurwa in Hardoi in Uttrakhand, wo sich die meisten Dorfbewohner prostituieren, um zu überleben,
                    arbeiten Dhirendra und sein Team, um Kindern einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Dhirendra sagt: „Wir
                    wollen nicht, dass die jüngere Generation demselben Pfad folgt, daher arbeiten wir mit ihnen zusammen, um Kapazitäten         Milaan wurde von Dhirendra Pratap Singh und
                    aufzubauen. Unser Modell wird in diesem Dorf kopiert.“
                       Milaans Modell wird auch in Kausani, Uttrakhand, kopiert, wo die Abbrecherquote von Schülern sehr hoch ist.              vier weiteren Studenten der Universität in 2007
                    Dhirendra meint: „Wir arbeiten daran, die Kindern in Kausani zurück in die Schulen zu bringen.“
                       Shanti und andere, die sich jetzt große Träume erlauben können, sind der Beweis, dass das Programm funktioniert. n       gegründet, um Kindern aus sozial schwierigen
                                                                                                                                                             Verhältnissen zu helfen

         30 PERSPEKTIVEN INDIEN      u AUGUST   2012                                                                                                                                          AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN                31
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                                                                                                                       Alter kein Hindernis
                                                                                                                                         Mit 80 Jahren leitet Dr. Aziz Indori eine Schule für 80 arme Schüler

                                                                                                               TEXT: ARCHITA BHATTA

                                                                                                               Dr. Aziz Indori,                                ein Urdu-Gelehrter, hat
                                                                                                                                                               nicht zugelassen, dass 80
                                                                                                               Sommer ihn verbrennen, sondern er hat die Freude von 80
                                                                                                               Frühlingszeiten in sich. Nachdem er sich vom Islamia Karimia Degree
                                                                                                               College in Indore, der Handelsmetropole in Madhya Pradesh,
                                                                                                               zurückgezogen hatte, sortierte er seine Energien neu, um sich einen
                                                                                                               Traum zu erfüllen: Bildung der Armen in der Stadt. Jeder denkt an die
                                                                                                               Reichen, aber wer kümmert sich um die Armen, war sein Leitsatz.
                                                                                                               Deswegen gründete er Indori’s Pathshala, eine Schule für Kinder von
                                                                                                               hiesigen Tagelöhnern. Auch wenn sein Fokus auf armen moslemischen
                                                                                                               Kindern liegt, waren seine Türen offen für arme Schüler aller Religionen.
                                                                                                               Die Kinder lernen Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften und
                                                                                                               werden von Indori chacha (dem Onkel aus Indore), wie er von seinen
                                                                                                               Schülern genannt wird, in Hygiene, Etikette und äußerem
                                                                                                               Erscheinungsbild unterrichtet.
                                                                                                                  Die Schule startete mit nur 10 Kindern, heute hat sie 80 Schüler.

                                                                                     PHOTOS: HINDUSTAN TIMES
                                                                                                               Obwohl sie keiner Behörde untersteht, ist ihr Lehrplan so ausgerichtet, dass die Kinder den Sprung in ein besseres
                                                                                                               Leben schaffen können. Indori, Urdu-Gelehrter, meint: „Ich bin immer für Bildung der Armen eingetreten. Die Reichen
                                                                                                               haben Mittel und Ressourcen. Ich möchte die Tradition brechen, dass das Kind eines Karrenziehers auch Karrenzieher
                                                                                                               wird.“ Die Schule befindet sich in einem zweistöckigen Gebäude, das von seinem Schwager in Muscat gestiftet wurde
                                                                                                               und arbeitet mit Geldern, die von vier oder fünf Freunden kommen, die das Geld auftreiben, wo es nur möglich ist.
                                                                                                               Trotz seines Enthusiasmus musste er wegen der Tatsache, dass die Anzahl der Schüler nun seinem Alter entspricht,
                                                                                                               zwei Helfer einstellen.
                                                                                                                  Es gibt keine festgelegten Prüfungen und Abschluss an seiner Schule. Dennoch haben mindestens 20 seiner Schüler
         (Rechts) Dr. Aziz Indori; (oben) mit seinen Studenten                                                 die Matrikulationsprüfung erfolgreich abgeschlossen, nachdem sie seine Schulbildung an der Pathshala genossen
                                                                                                               hatten. Diese Leistung spricht Bände für Indoris selbstlose Arbeit. „Ich erziehe sie zur Selbständigkeit und sie sollen
                                                                                                               Wissen haben, nicht nur Abschlüsse,“ meint er.
                                                                                                                  Indoris erfolgreiches Experiment muss noch mehr gelobt werden, wenn man die Abbrecherquote in Madhya Pradesh
              Auch wenn sein Fokus auf armen moslemischen Kindern liegt, sind seine                            betrachtet. Laut dem Annual Status of Education Report (ASER) von 2011-2012, der größten Untersuchung zum
                                                                                                               Thema Schulbildung im ganzen Land, ist die Schulabbrecherquote im Staat von 2007 bis 2011 von 54 auf 67 Prozent
           Türen offen für arme Schüler aller Religionen. Die Kinder lernen bei Indori                         gestiegen.
                                                                                                                  Abgesehen vom Lehrstoff werden die Schüler in Körperpflege, Hygiene und gutem Benehmen unterrichtet und
            chacha (Onkel) Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften und erhalten                              erhalten dringend benötigte Winterkleidung und Schreibwaren. Eine weitere Indori-Initiative ist die Jan Shikshan
              Unterricht in Hygiene, gutem Benehmen und äußerem Erscheinungsbild.                              Sansthan, die vor allem Mädchen in einem Beruf ausbildet, damit sie zum Auskommen ihrer Familie beitragen können.
                                                                                                                  Dieser Achzigjährige schafft einfach alles. n

         32 PERSPEKTIVEN INDIEN               u AUGUST      2012                                                                                                                                     AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN   33
Global Perspectives-Aug_German.qxp:Layout 1 12/09/12 1:12 PM Page 2

           GLOBALE PERSPEKTIVEN

          Grüne Ziele
         Die Rio+20 Konferenz stärkt Indiens Positionen zur nachhaltigen Entwicklung
         TEXT: ARVIND PADMANABHAN

                                                                                                                           V
                                                                                                                                        ierzig Jahre, nachdem die damalige Premierministerin Indira
                                                                                                                                        Gandhi die berühmte Bemerkung machte, dass Armut der größte
                                                                                                                                        Umweltverschmutzer sei, sorgte Indien dafür, dass dieses
                                                                                                                                        Prinzip in der aktuellen Diskussion um nachhaltige Entwicklung
                                                                                                                           beim Rio+20-Gipfel in Rio de Janeiro, Brasilien, im Juni seinen Nachhall
                                                                                                                           fand. „Es wäre Ironie, wenn der Kampf gegen Umweltverschmutzung in ein
                                                                                                                           anderes Business transferiert würde, von dem einige Unternehmen,
                                                                                                                           Gesellschaften oder Nationen auf Kosten vieler profitieren würden,“ sagte
                                                                                                                           Gandhi vor der Stockholmer Umweltkonferenz 1972.
                                                                                                                              In Rio de Janeiro, wo sich um die 90 Staats- und Regierungschefs zu dem
                                                                                                                           versammelten, was formell die „Konferenz für nachhaltige Entwicklung der
                                                                                                                           Vereinten Nationen“ genannt wird, sorgte Premierminister Manmohan Singh
                                                                                                                           dafür, dass dieser Gedanke wieder ein wichtiges Leitprinzip bei der
                                                                                                                           Bewältigung von Entwicklungsfragen wird. Dies war auch das konkreteste
                                                                                                                           Ergebnis für Indien, da es die Zielsetzung der armen und Entwicklungsländer
                                                                                                                           beschrieb, die der Meinung sind, sie könnten weder gezwungen werden,
                                                                                                                           noch könnte von ihnen erwartet werden, die Lasten der Umweltzerstörung,
                                                                                                                           die die reichen Länder in der Vergangenheit verursacht haben, auf gleicher
                                                                                                                           Basis mitzutragen.
                                                                                                                              Begleitet von einem Team von Regierungsbeamten und
                                                                                                                           Entscheidungsträgern wie Umweltministerin Jayanthi Natarajan, sagte
                                                                                                                           Premierminister Dr. Manmohan Singh, wirtschaftliche Entwicklung, soziale
                                                                                                                           Teilhabe und Nachhaltigkeit seien als die drei Größen für nachhaltige
                                                                                                                           Entwicklung gleich wichtig. „Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist es, diesem
                                                                                                                           System Form und Inhalt zu verleihen, und zwar so, dass sich jedes Land
                                                                                                                           entsprechend seiner eigenen nationalen Ziele und Umstände entwickeln
                                                                                                                           kann,“ meinte Dr. Singh. All dies spiegelt sich in dem wider, was das von
                                                                                                                           allen gebilligte Abschlussdokument genannt wird und den Titel „Die
                                                                                                                           Zukunft, die wir wollen“ trägt – mit vier klaren Zielen, über die besonders
                                                                                                                           Indien, aber auch die Entwicklungs- und armen Länder im allgemeinen,
                                                                                                                           glücklich waren:
                                                                                                                              i) Die Wiederaufnahme und Neubestätigung dessen, was die Rio-
                                                                                                                           Prinzipien genannt wird, die vor 20 Jahren im Jahr 1992 in Brasilien
                                                                                                                           aufgestellt wurden (daher der Name Rio+20).
                                                                                                                              ii) Genauso wichtig war die Betonung der Wichtigkeit des Prinzips der
                                                                                                                           gemeinsamen, aber unterschiedlichen Veranwortlichkeiten in der Diskussion
                                                                                                                           um nachhaltige Entwicklung. Dieses Prinzip erkennt die implizite historische
                                                                                                                           Verantwortung des industrialisierten Westens an, sowohl im Hinblick auf
                                                                                                                           deren Beitrag zur weltweiten Umweltzerstörung wie auch auf deren Vorteil
           Premierminister Manmohan Singh, der zur Rio+20 United Nations Konferenz in Rio De Janeiro, Brasilien, spricht
                                                                                                                           bei Technologien und finanziellen Ressourcen, über die sie verfügen.

         34 PERSPEKTIVEN INDIEN              u AUGUST      2012                                                                                           AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN      35
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                                                                                      Rio+20 konnte einen ausgewogenen Weg hin zu
                                                                                          nachhaltiger Entwicklung aufzeigen, wobei
                                                                                      frühere Verpflichtungen berücksichtigt wurden

            iii) Die eindeutige Anerkennung der Armutsbekämpfung als größte
         weltweite Herausforderung. Dies steht im Abschlussdokument als zentraler
         Punkt der globalen Entwicklungsagenda.
            iv) Die Entscheidung, einen Prozess zwischen den Regierungen mit
         offenem Ende einzuleiten, um die sogenannten Sustainable Development
         Goals (SDGs – nachhaltige Entwicklungsziele) zu entwickeln, während a
         priori keine spezifischen Zielsetzungen in Rio selbst gesetzt werden. Dies
         würde gleiche Rechte für Entwicklungs- und entwickelte Nationen
         gleichermaßen bedeuten, um so zu gerechten und akzeptablen Lösungen zu
         kommen.
            Rio+20 entwarf einen ausgeglichenen Weg hin zu nachhaltiger
         Entwicklung, wobei es auf den früheren Verpflichtungen und Zusicherungen
         seiner grundlegenden Prinzipien aufbaute. Die Entwicklungsländer können
         wahrhaftig mit dem zufrieden sein, was sie im Endergebnis erreicht haben,
         dadurch dass ihre Hauptsorgen berücksichtigt wurden und ein normatives
         Ergebnis bei Themen wie ökologische Wirtschaft und SDGs verhindert
         wurde, was ihre Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt hätte.
            Der Vorschlag der Entwicklungsländer, konkrete und greifbare
         quantitative Ziele für alle Länder im Rahmen der SDGs in Rio selbst
         aufzustellen hat bei den G-77 und China – einem Gremium von nunmehr
         131 Ländern - keine Unterstützung gefunden. Die Entwicklungsländer
         wollten, dass, im Gegensatz zu den Millennium Development Goals
         (MDGs), die nur von den Entwicklungsländern ausgehandelt und in der
         Praxis angewandt wurden, die SDGs in einem offenen und transparenten
         Prozess zwischen den Regierungen diskutiert und ausgearbeitet werden
         sollten und diese dann genauso für entwickelte Länder gälten.
            Die Gesprächspartner von der Europäischen Union, die darauf drängten,
         die ökologische Wirtschaft als neues Paradigma einzuführen, wurden
                                                                                                                                    (im Uhrzeigersinn
         gezwungen, dies zu einem Bestandteil von nachhaltiger Entwicklung zu                                                       von oben) Dr Singh
         machen. Das Abschlussdokument beschreibt klar: „Wir sehen die                                                              mit dem Premier der
                                                                                                                                    Volksrepublik China,
         ökologische Wirtschaft im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und
                                                                                                                                    Wen Jiabao, am
         Armutsbekämpfung als eines der wichtigen verfügbaren Werkzeuge, um                                                         Rande des Gipfels;
         nachhaltige Entwicklung zu erreichen, das Optionen für die                                                                 mit seinem
                                                                                                                                    Gegenüber aus Nepal,
         Entscheidungsfindung liefern kann, aber kein strenges Regelwerk sein                                                       Baburam Bhattarai;
         sollte.“                                                                                                                   und mit dem
                                                                                                                                    Präsidenten Sri
            Indien und andere Entwicklungsländer konnten auch eine Klausel                                                          Lankas, Mahinda
         einfügen, die besagt, dass diese Maßnahmen kein Mittel beliebiger oder                                                     Rajapaksa
         ungerechtfertigter Diskriminierung oder versteckter Restriktion im
         internationalen Handel sein dürfen und dass Maßnahmen auf Basis eines
         internationalen Konsenses getroffen werden müssen. Dr. Singh meinte: „Auf
         globaler Ebene sollte unsere Lösung des Problems dem Prinzip der gleichen

         36 PERSPEKTIVEN INDIEN       u AUGUST   2012                                                             AUGUST 2012 u PERSPEKTIVEN INDIEN        37
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