Industrielle As-a-Service-Geschäftsmodelle - Potenziale und Herausforderungen subscriptionsbasierter Geschäftsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau

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Industrielle As-a-Service-Geschäftsmodelle - Potenziale und Herausforderungen subscriptionsbasierter Geschäftsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau
FIR-Flash 1/2020

     Industrielle As-a-Service-Geschäftsmodelle
     Potenziale und Herausforderungen subscriptionsbasierter
     Geschäftsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau

    D
            ie Vernetzung des täglichen Lebens vereinfacht den              Musikmarkt in den USA ist von 5 % im Jahr 2009
            Alltag für viele von uns. Anstatt eine CD oder eine             auf 75 % im Jahr 2018 gestiegen.1 Dieser Erfolg von
            DVD zu kaufen und zum Abspielen diese immer                     Abo- bzw. Subscription-Modellen sorgt dafür, dass die
     dabei haben zu müssen, reicht inzwischen ein Abonne-                   Erlöse und Gewinne der Musikbranche nach mehr als
     ment bei einem Streaming-Anbieter aus. Netflix, Spotify,               zehn verlustreichen Jahren wieder ansteigen. Doch nicht
     Amazon Music & Co. stellen eine komplette Bibliothek zum               nur im Musik- und Filmgeschäft erfreuen sich abobasierte
     Abruf bereit und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Für            Geschäftsmodelle steigender Beliebtheit. Auch andere
     die Anwender ist der zeit- und ortsunabhängige Zugriff auf             Wirtschaftszweige profitieren von dem Optimierungspo-
     Musik und Filme kostengünstig, komfortabel und genau                   tenzial durch das zielgerichtete Angebot wiederkehrender
     an ihren Bedarf angepasst. Die Anbieter profitieren von der            Leistungen. Laut dem Subscription-Management-Pionier
     Möglichkeit, Nutzungsdaten zu analysieren und so genau                 billwerk wird der Verkauf von digitalen und physischen
     auf das jeweilige Nutzerprofil zugeschnittene Angebote                 Produkten im Abonnement auch in Deutschland weiter
     unterbreiten zu können. Damit verbessern sie nicht nur ihre            wachsen.2 So steigen die Umsätze insbesondere im Bereich
     Kundenbindung, sondern verwenden die verfügbaren                       Internet of Things um mehr als 20 %.3
     Daten auch zur Steigerung ihres Umsatzes durch das
     Angebot komplementärer Leistungen, beispielsweise durch                Für Unternehmen der produzierenden Industrie er-
     den Verkauf von Konzertkarten oder die Empfehlung neuer                gibt sich die Frage: Welche Bedeutung und Potenziale
     Künstler des eigenen Labels.                                           haben subscriptionbasierte Geschäftsmodelle für den
                                                                            Maschinen- und Anlagenbau?
     Die Transformation des Geschäftsmodells vom reinen
     Produktverkauf zum digitalen Abo-Service erfolgt im-
     mer schneller: Der Umsatzanteil von Abonnements am

     Abbildung 1: Vom Produkt zum kundenzentrierten Leistungssystem, © Yona Paproth, FIR an der RWTH Aachen

                                                                                                                                       1l4
Industrielle As-a-Service-Geschäftsmodelle - Potenziale und Herausforderungen subscriptionsbasierter Geschäftsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau
Subscriptionbasierte Geschäftsmodelle (SGM) eröffnen                     individuell auf sein Nutzungsprofil abgestimmte
für produzierende Unternehmen im Maschinen- und                          Leistungen. Maschinen, Services und Verbrauchsmaterialien
Anlagenbau Potenziale zur Generierung neuer Umsatz-                      werden dabei vom Anbieter bereitgestellt. Durch die
felder. Dazu zählen: datenbasierte Dienstleistungen,                     Anbindung der Maschine an das Internet stehen dem
die Sicherung langfristiger Kundenbeziehungen, die                       Hersteller Daten zur Verfügung, die er für einen optimier-
Erhebung individueller Customer-Insights sowie die Steige-               ten Betrieb nutzen kann. So ist es beispielsweise möglich,
rung des Marktanteils im Bereich der After-Sales-Services.               durch eine Verbesserung der Laufzeiten die Wirtschaft-
Durch größtenteils bereits erfolgte Investitionen in die                 lichkeit der Maschine zu erhöhen und über ein geeignetes
Vernetzung und Anbindung von Maschinen stehen                            Abrechnungsmodell selbst von zusätzlichen Einnahmen
immer größere Mengen aktueller Nutzungsdaten zur Verfü-                  zu profitieren.
gung. Diese können auch im Maschinen- und Anlagenbau
genutzt werden, um zu einem einzigartigen Kundenver-                     Wie die Transformation des klassischen Maschinen-
ständnis zu gelangen. Ausgehend vom Kunden werden                        verkaufs zu einem SGM gewinnbringend gestaltet
Leistungen„as a Service“ angeboten. Diese reichen von der                werden kann, zeigt ein Beispiel aus dem Bereich der
garantierten technischen Verfügbarkeit über einen                        Druckluftkompressoren. Ausgehend von mit Sen-
(teil-) automatisierten Betrieb und die kontinuierliche                  soren ausgestatteten und auf Wunsch vernetzten
Optimierung bis hin zu skalierbaren, an das Nutzungsprofil               Kompressoren schafft die Einführung von SGM folgenden
angepassten Maschinen (siehe Abbildung 1).                               Mehrwert: Die Kunden kaufen keinen Kompressor, sondern
                                                                         abonnieren eine Leistung, in diesem Fall „komprimierte
Eine stärkere Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse                     Luft“. Im Rahmen der Subscription werden das Nutzungs-
bedeutet für Unternehmen mehr, als eine intuitive Bedie-                 profil und das Verhalten der Kompressoren kontinuierlich
nung oder eine reibungslose Interaktion bereitzustellen.                 analysiert. Dies liefert Erkenntnisse zur Leistungs- bzw.
Flexible, auf den individuellen Gebrauch abgestimmte                     Effizienzsteigerung. Die Optimierungen erfolgen zum
Angebote werden künftig ein wichtiger Bestandteil der                    einen durch den Austausch besser auf den Bedarf ange-
erfolgreichen Gestaltung von Geschäftsbeziehungen und                    passter physischer Komponenten (z. B. Verdichterrad),
der langfristigen Kundenbindung sein. Digitale Produkte                  zum anderen durch (datenbasierte) Dienstleistungen wie
bieten durch die Möglichkeit, regelmäßig neue Updates                    die einer prädiktiven Instandhaltung. Für den Kunden
über das Internet aufzuspielen, ideale Voraussetzungen                   ist eine solche kontinuierliche Optimierung aufgrund
für solche individualisierten Angebote. Wenn notwen-                     der verhältnismäßig hohen Betriebs- bzw. Energiekosten
dig, können im Rahmen des Subscription-Vertrags auch                     von Kompressoren von großer Bedeutung. Das leistungs-
Hardware-Updates und Leistungsoptimierungen durch                        abhängige, zwischen Anbieter und Kunde verhandelte
den Wechsel von Komponenten oder die Bereitstellung                      Abrechnungsmodell sichert dem Anbieter regelmäßi-
von Maschinen durchgeführt werden, die noch besser                       ge Zahlungseingänge und eine langfristige Bindung der
auf den Bedarf zugeschnitten sind. Konkret bedeutet das:                 Kunden an sein Unternehmen: eine Win-Win-Situation
Statt des einmaligen Kaufs einer Maschine zahlt der Kun-                 für Kunde und Anbieter.
de in einem Subscription-Geschäftsmodell für optimierte,

Abbildung 2: Bidirektionale Datenströme zwischen Prozessen des Maschinenherstellers und der Kunden, © Yona Paproth, FIR an der RWTH Aachen

                                                                                                                                             2l4
Bei der Beantwortung der Frage nach den Faktoren, die       nuierlicher Optimierung von Produkt und Service über
im Unternehmen für die Etablierung von SGM angepasst        den gesamten Maschinenlebenszyklus hinweg. Dabei
werden müssen, ergeben sich viele Herausforderungen.        kann das Wissen über die tatsächliche Produktnutzung
Worin diese bestehen, wird am Beispiel eines Maschinen-     dazu verwendet werden, die Produktvarianten und die
bauers im Folgenden beschrieben.                            Servicekomplexität gezielt zu reduzieren, beispielsweise,
                                                            indem Upgrades über die Cloud angeboten und durch-
Ausgehend von einer Subscriber-ID, der alle Nutzungs-       geführt werden.
daten zugeordnet werden, erhält der Anbieter ein
detailliertes Bild über die tatsächlichen Produktanforde-   Im Gegensatz zum Einmalverkauf eines Produk-
rungen und Kundenbedarfe. Diese können für regelmä-         tes erfordert ein Subscription-Geschäftsmodell ein
ßige Releases und Updates sowie für die leistungsbasierte   integriertes Customer-Success-Management, in dem
Abrechnung genutzt werden.                                  der nachweisbare Kundenerfolg priorisiert wird.
                                                            Dabei dienen statt kurzfristiger Umsatzkennzahlen die
Subscription-Geschäftsmodelle setzen die Erfassung          verbleibenden Leistungsverpflichtungen aus langfristigen
des Kundenverhaltens anhand von Daten voraus. Zum           Subscriptionverträgen (Remaining Performance-Obliga-
Aufbau eines Nutzungsprofils und zur Ableitung von          tions) sowie der prozentuale Anteil der in einer Periode
Optimierungspotenzialen in Produktion und Service           gekündigten Subscriptions an der Gesamtzahl abgeschlos-
ist die Erhebung und Verwertung von Kunden- und             sener Subscriptions (Churn-Rate) als neue Zielgrößen. Der
Maschinendaten notwendig. Hierzu sind ein vernetztes        Fokus liegt also nicht mehr auf dem einmaligen Verkauf
physisches Produkt sowie eine entsprechende technische      eines Produktes und den in einem Quartal gestellten
Infrastruktur zur Integration verschiedener Datenquellen    Rechnungen, sondern auf der langfristigen Entwicklung
unabdingbar. Der digitale Schatten des Nutzungsprofils      partizipativer Geschäftsbeziehungen. Letzteres wird durch
muss anderen Abteilungen, z. B. der Produktentwicklung,     die Vorgehensweise erreicht, mit regelmäßigen Releases
dem Service und der Buchhaltung für die Rechnungsstel-      den Leistungsumfang nach der Markteinführung umfang-
lung zur Verfügung stehen.                                  reich anzupassen und zu erweitern. Regelmäßige Updates
                                                            sind in der Softwarebranche mittlerweile zum Standard
Die Generierung von Customer-Insights ist eine              geworden, sie werden im Maschinen- und Anlagenbau
essenzielle Voraussetzung, um die tatsächlichen Kun-        jedoch vielfach noch sehr skeptisch betrachtet.
den- und Produktanforderungen zu verstehen. Im Ge-
gensatz zum heutigen Denken, das auf Produktgenerati-       Während Service-Level-Agreements und Verfügbarkeits-
onen und interne Entwicklungsphasen fokussiert ist, sind    garantien heute bereits Teil des klassischen Servicean-
Subscription-Modelle und damit auch deren Anbieter          gebots sind, erfordern Subscription-Geschäftsmodelle
darauf ausgerichtet, die Produkt- und Serviceleistung       ein konsequentes Umdenken in die Richtung von
für jeden Kunden permanent zu verbessern. Dies führt        partizipativen Geschäftsmodellen. Eine ergebnisorientier-
zu einem integrierten Entwicklungsprozess und konti-        te Abrechnung fördert die Maßnahmen zur präventiven
                                                                            Instandhaltung und vereinfacht die Umset-
                                                                            zung erforderlicher Verbesserungen oder die
                                                                            Auswechslung von Komponenten. Der
                                                                            Service übernimmt so erweiterte Aufgaben
                                                                            des Anlagenbetriebs und des Customer-
                                                                            Success-Managements.

                                                                            Neben den technischen Herausforderun-
                                                                            gen muss zur erfolgreichen Umsetzung
                                                                            von SGM vor allem eine organisatorische
                                                                            Transformation vollzogen werden. Für die
                                                                            Personalentwicklung ist das Management
                                                                            der kulturellen Transformation ein Kern-
                                                                            aspekt. Unternehmen, die Subscription-
                                                                            Geschäftsmodelle       anbieten,     müssen
                                                                            in der Lage sein, das Wissen über das
                                                                            Kundenverhalten permanent in eine
                                                                            Innovation ihrer Leistung zu überführen. Dies
                                                                            erfordert neben dem klassischen Change-
                                                                            Management eine Verstetigung des
                                                                            kontinuierlichen Lern- und Veränderungs
                                                                            prozesses und den Aufbau der dafür im
© adobe.stock.com                                                           Unternehmen benötigen Kompetenzen.

                                                                                                                            3l4
Die Umstellung auf abobasierte Leistungsmodel-                             der Entwicklung von industriellen As-a-Service-Modellen.
le löst zusätzlichen Finanzierungsbedarf aus, da sich                      Hier werden aktuelle Ergebnisse aus Benchmarkstudien,
die Herstellungs- und Entwicklungskosten im Gegen-                         Forschungs- und Industrieprojekten vorgestellt und vor
satz zum direkten Produktverkauf bei Subscription-                         dem Hintergrund der Erfahrungen von Industrievertretern
Modellen erst nach einer gewissen Laufzeit amortisie-                      diskutiert. Ein kommendes Highlight ist das vom 11. bis
ren. Besonders im Maschinen- und Anlagenbau, der                           12. März stattfindende Aachener Dienstleistungsforum,
durch vergleichbar hohe Produktkosten charakterisiert                      das mit dem Thema „Subscription – Vom Service-
ist, ergeben sich daraus Herausforderungen für das                         Level-Agreement zum Abo-Modell“ ganz im Zeichen
Finanz- und Risikomanagement. Grundsätzlich bieten sich                    abobasierter Geschäftsmodelle für die Industrie steht. Die
dem Anbieter von Subscription-Leistungen drei Lösungs-                     Teilnehmer erwarten spannende Vorträge und Workshops
wege: Das Produkt kann aus der Subscription herausge-                      zu Potenzialen, Herausforderungen und Best-Practices
löst und weiterhin transaktional verkauft bzw. durch den                   im Aufbau digitaler Subscription- bzw. As-a-Service-
Kunden finanziert werden; das finanzielle Risiko kann                      Geschäftsmodelle. Im Rahmen von Erlebnisforen besteht
auf externe Finanzierungspartner ausgelagert werden;                       die Möglichkeit, sich interaktiv mit dem Trendthema
Unternehmen gründen eigene Banken aus, wie es                              auseinanderzusetzen. Ein Ausstellerforum bietet den
beispielsweise zur Finanzierung von Leasingverträgen im                    Teilnehmern Informationen zu neuesten Produkten sowie
Automobilbereich üblich ist.                                               aktuellen Trends für ein erfolgreiches Subscription- und
                                                                           Serviceangebot.
Die genannten Beispiele zeigen, dass die erfolgreiche                      Weitere Informationen: subscription.fir.de
Einführung von Subscription-Geschäftsmodellen eine
Anpassung der Unternehmen in allen Organisationsbe-
reichen erforderlich macht, die von der heute vorherr-                     Kontakt:
schenden produkt- und serviceorientierten Denkweise in                     Yona Paproth
Richtung einer konsequenten Kundenorientierung geht.                       Fachgruppenleiter Subscription Business Management im
                                                                           Bereich Dienstleistungsmanagement
Das FIR an der RWTH Aachen stellt das Zukunftsthema                        FIR e. V. an der RWTH Aachen
Subscription-Business auf vielen Ebenen in den Fokus                       Telefon: +49 241 47705-230
seiner Aktivitäten. So befasst sich ein Arbeitskreis mit                   E-Mail: Yona.Paproth@fir.rwth-aachen.de

© adobe.stock.com

Quellen:
[1] Anteil von Musikstreaming an den Gesamtumsätzen im Musikmarkt in den USA in den Jahren 2009 bis 2018.
Hrsg.: StatistaRIAA 2019. https://de.sta-tista.com/statistik/daten/studie/416283/umfrage/umsatzanteil-von-musik
streaming-am-musikmarkt-in-den-usa/, checked on 8/5/2019.

[2]   Deutscher, R.: Subscription Based Services. Innovative Business-Modelle. Hrsg.: BillwerkBillwerk April 2019.

[3]   Gold, C.: The Subscription Economy Index. Zuora März 2019. https://www.zuora.com/resource/subscription-economy-index/.

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