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Inhaltsverzeichnis 05 Einstieg Kapitel 1 7 Was Sie wissen sollten, bevor Sie starten 7 Asset Allocation – Die Balance zwischen Rendite und Risiko 13 Diversifikation – Die unterschätzte Kraft der raffinierten 19 Mischung Anlageklassen – Die Bausteine für Ihr ETF-Portfolio Kapitel 2 25 Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren 31 Die riskante Seite eines ETF-Portfolios 38 ETF-Portfolios im Live-Test 46 Monte-Carlo-Simulation – Ein Blick in die Zukunft 52 Die ETF-Portfolios der Starinvestoren Kapitel 3 61 Wie Sie Ihr ETF-Portfolio managen und optimieren 62 Buy and Hold – Warum Nichtstun an der Börse so erfolgreich ist 67 Risikomanagement – Was Rebalancing wirklich bringt 78 A ktien gewichten – Besser nach Wirtschaftsleistung oder nach Marktkapitalisierung? 85 S mart Beta – Wie Wissenschaft den Markt schlägt (wenn es gut läuft) 93 Momentum-Strategie – Do-it-Yourself oder Fertigprodukt? 101 Market Timing – Was Trendfolgestrategien leisten
Kapitel 4 115 Was in Ihrem ETF-Portfolio steckt – Anlageklassen im Detail 116 Industrieländeraktien – Der MSCI World Index 127 Schwellenländeraktien – Es darf ruhig ein bisschen mehr sein 133 Nahrungsmittelaktien – Gegessen wird immer 137 Immobilienaktien – Kein Fels in der Brandung 146 Schwellenländeranleihen – Eine unterschätzte Anlageklasse 154 High-Yield-Bonds – Deutlich besser als ihr Ruf 160 Gold – Zur Risikostreuung bestens geeignet 174 Rohstoffe – Warten auf den neuen Superzyklus Kapitel 5 185 Warum nachhaltige ETF nicht sonderlich nachhaltig sind Kapitel 6 195 Wie Sie Ihr ETF-Portfolio in der Praxis umsetzen 196 ETF-Auswahl – So holen Sie ein paar 1000 Euro mehr raus 206 Kostenlose Datenanbieter – Mängel bei Vergleichsportalen 211 ETF-Empfehlungen – Fonds für die wichtigsten Anlageklassen 214 ETF kaufen und verkaufen – Versteckte Kosten schmälern die Rendite 222 Bankeinlagen oder Euro-Staatsanleihen? Die sichere Seite eines ETF-Portfolios 228 Abgeltungssteuer – In Börsencrashs sparen 230 ETF-Portfolios to go: Lohnen sich ETF-Dachfonds? 237 Vom Vermögen leben – Entnahmestrategien für Privatiers 249 Literatur 250 Anhang 252 Register
5 Einstieg Die meisten Menschen denken im Alltag häufig darüber nach, was zu- sammenpasst und was nicht, und entwickeln eine ziemlich klare Vorstel- lung davon. Sie wissen, welcher Tisch zu ihrer Couch passt, welche Bluse zu welchem Rock und welcher Wein ihr Essen ideal ergänzt. Doch wenn es um die Anlage ihres Vermögens geht, wissen nur die Wenigsten, wie sie einzelne Investments sinnvoll kombinieren. Viele Anleger kaufen einfach die Wertpapiere, von denen sie glauben, dass sie in den nächsten Monaten und Jahren eine möglichst hohe Rendite ab- werfen. Die Frage, ob diese Anlagen zusammen ein robustes Portfolio ergeben, stellen sie sich meist gar nicht erst. Das hat zur Folge, dass das Risiko in vielen Depots unnötig hoch ist und diese Risiken nicht mit hö- heren Renditen belohnt werden. „Investoren haben kein Gespür für das Ganze“, bestätigt Finanz- marktforscher Martin Weber. Eine Ursache für diesen Befund: Das Thema, wie Anleger solide Portfolios aus verschiedenen Anlageklassen konstruieren und verwalten können, wird nur selten öffentlich disku- tiert. In der M edienberichterstattung kommt es so gut wie gar nicht vor und in Büchern meist nur am Rande. Diese Lücke möchte ich schließen. Um ein plastisches Buch über die systematische Strukturierung von Portfolios aus börsengehandelten Indexfonds (ETF) zu schreiben, habe ich in den vergangenen zweieinhalb Jahren viele hundert Datenanalyse durchgeführt. Zum Teil mit Hilfe von automatisierter Software, etwa bei der Simulation von Renditen und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten, und zum Teil „mit der Hand“ in Excel. Das war mühsam und kostete viel Zeit. Vor allem die Recherche nach frei zugänglichen Daten und deren Aufbereitung kann eine sehr zähe Angelegenheit sein. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Eigene Datenanalysen sind für einen Finanzjournalisten die verlässlichste Quelle. Anders als das Research der Finanzindustrie sind meine Untersuchungen weder inte- ressengeleitet noch manipulativ. Sie stehen allein im Dienst der Leser und Anleger, die realistische Erwartungen entwickeln und nicht auf gut Glück investieren möchten. Auf diesem Grundsatz fußt dieses Buch. Es wendet sich an Anleger, die bereits Börsenerfahrung haben. Sie sollten wissen, was Aktien sind, wie
6 Einstieg Anleihen funktionieren und warum es für Privatanleger vorteilhaft ist, ihr Portfolio mit ETF und nicht mit einzelnen Wertpapieren oder aktiv gemanagten Fonds umzusetzen. Den akademischen Unterbau für ETF-Investments haben die Autoren Martin Weber und Gerd Kommer in mehreren sehr empfehlenswerten Büchern bereits beschrieben. Deswegen streife ich die theoretischen Grundlagen, wenn überhaupt, nur noch am Rande. Ich konzentriere mich auf die Konstruktion und das Management von ETF-Portfolios aus der Perspektive von Praktikern, die ihre Strate- gie selbstständig umsetzen wollen. Alles, was ich empfehle, leite ich aus meinen Berechnungen ab, die Sie in 100 Tabellen und Diagrammen nach- vollziehen können. Sie lernen, wie Sie mit wenig Aufwand (und wenig Vermögen) stabile ETF-Portfolios konstruieren, die sich in jeder Marktphase behaupten werden. Ihre Renditen werden stetiger sein als die von schlecht diversi- fizierten Portfolios, in denen die Komponenten nicht aufeinander abge- stimmt sind. Ich schlage Ihnen mehrere ETF-Portfolios vor, die Sie leicht nachbauen können. Das Ziel dieses Buches besteht aber vor allem darin, Ihnen Methoden und Denkansätze zu vermitteln, mit denen Sie eigen- ständig ETF-Portfolios entwickeln und umsetzen können. Viel Raum nimmt die Überprüfung von verschiedenen Strategien ein, mit denen Anleger angeblich mehr Gewinn aus ihren Portfolios heraus- holen können. Wie erwartet, versprechen Medien und Finanzindustrie meist mehr als sie halten können. Ein Beispiel sind Trendfolgestrategien, die immer wieder als Dukatenesel darstellt werden. Tatsächlich ist aber die Wahrscheinlichkeit, mit diesen Konzepten überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, sehr gering. Stattdessen können Trendfolgestrate- gien als wirksames Risikomanagement eingesetzt werden. Tief tauchen wir auch in die einzelnen Anlageklassen ein, aus denen sich gut diversifizierte Portfolios zusammensetzen lassen. Das hilft Ihnen zu entscheiden, welche Bausteine sich für Ihre persönlichen Stra- tegie eignen. Lesen Sie nun, wie Sie ein ETF-Portfolio zusammenstellen, das fast unschlagbar ist. Februar, 2021 Markus Neumann
25 Kapitel 2 Wie Sie ein fast un- schlagbares ETF-Portfolio strukturieren Im vorherigen Kapitel haben Sie gelernt, was Risiko bedeutet und wie Sie es diversifizieren können. Ich habe Ihnen acht Anlageklassen kurz vor- gestellt, die sich als Bausteine für die riskante Seite eines ETF-Portfolios eignen. Nun geht es darum, diese Elemente zu einem großen Ganzen zu- sammenzusetzen – und zu gucken, was das bringt. Wenn Sie im Internet nach dem Begriff ETF-Portfolio suchen, sto- ßen Sie auf Beiträge, die Ihnen in der Überschrift das „perfekte“ oder das „optimale“ Portfolio versprechen. Das ist natürlich reine Bauernfängerei. Das optimale ETF-Portfolio existiert nur in der Theorie – leider. Doch mit einer einfachen Diversifikationsregel lassen sich Portfolios konstru- ieren, die dem unerreichbaren Ideal immerhin recht nahekommen. Schon mit wenigen ETF, die unterschiedliche Anlageklassen abbilden, lässt sich eine gute Diversifikation erzielen. Das erlaubt auch Anlegern mit wenig Kapital von den Vorteilen der Risikostreuung zu profitieren. Mit nur 6.000 Euro können Sie beispielsweise ein Portfolio aus vier ETF konstruieren, das zum einen wirtschaftlich ist und zum anderen Wert- schwankungen minimiert. Klasse statt Masse: Weniger ist oft mehr Bei der Zusammenstellung eines ETF-Portfolios sollten Sie sich von ei- nem wichtigen Grundsatz leiten lassen: Weniger ist oft mehr. Versuchen Sie nicht, Ihr Geld auf möglichst viele ETF zu verteilen. Je kleinteiliger Sie Ihr Depot gestalten, desto höher sind die relativen Transaktions kosten. Die Ausgaben für Käufe und Verkäufe von ETF-Anteilen sollten Sie so gering wie möglich halten. Denn sie haben direkten Einfluss auf die künftige Rendite. Die Kosten sind einer der wenigen Faktoren, die Anleger kontrollieren können.
26 Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren Nach meiner Auffassung sollten die Transaktionskosten 1 Prozent nicht übersteigen. Das ist eine willkürlich gesetzte Marke, für die ich keine wissenschaftliche Begründung habe. Ihre persönliche Zahlungs- bereitschaft ist vermutlich höher oder niedriger als meine. Um die 1-Prozent-Grenze nicht zu überschreiten, brauchen Sie we nigstens 6.000 Euro für ein ETF-Portfolio mit vier Positionen – voraus gesetzt Sie haben Ihr Wertpapierdepot bei einer durchschnittlichen On- linebank eingerichtet. Tabelle 2.1 zeigt die Kaufkosten von ETF bei ING, Deutschlands größter Direktbank. Je größer das Transaktionsvolumen, desto geringer die relativen Kosten. Nach dieser Überschlagsrechnung muss ein Kaufauftrag wenigstens 1.500 Euro betragen, damit die r elativen Kosten unter 1 Prozent liegen. Tabelle 2.1 Kosten für verschiedene Ordergrößen am Beispiel von ING Order- Broker Mittlere Gesamt- Kosten größe kosten Handelsplatz- Spread kosten relativ zur kosten Ordergröße 500 € 6,15 € 2,50 € 1,00 € 9,65 € 1,93 % 600 € 6,40 € 2,50 € 1,20 € 10,10 € 1,68 % 700 € 6,65 € 2,50 € 1,40 € 10,55 € 1,51 % 800 € 6,90 € 2,50 € 1,60 € 11,00 € 1,38 % 900 € 7,15 € 2,50 € 1,80 € 11,45 € 1,27 % 1.000 € 7,40 € 2,50 € 2,00 € 11,90 € 1,19 % 1.500 € 8,65 € 2,50 € 3,00 € 14,15 € 0,94 % 2.000 € 9,90 € 2,50 € 4,00 € 16,40 € 0,82 % 3.000 € 12,40 € 2,50 € 6,00 € 20,90 € 0,70 % 4.000 € 14,90 € 2,50 € 8,00 € 25,40 € 0,64 % 5.000 € 17,40 € 2,50 € 10,00 € 29,90 € 0,60 % 6.000 € 19,90 € 2,50 € 12,00 € 34,40 € 0,57 % 7.000 € 22,40 € 2,50 € 14,00 € 38,90 € 0,56 % 8.000 € 24,90 € 2,50 € 16,00 € 43,40 € 0,54 % 9.000 € 27,40 € 2,50 € 18,00 € 47,90 € 0,53 % 10.000 € 29,90 € 2,50 € 20,00 € 52,40 € 0,52 % Quellen: ING, Börse Frankfurt, eigene Berechnungen. Stand: Juli 2020
Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren 27 Das Entgelt für die Handelsplatznutzung bekommt die jeweilige Börse. Den Spread, das ist die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Kauf- preis, erhält derjenige, der Ihnen einen ETF verkauft, meistens ein Bör- senmakler. Als durchschnittlichen Spread habe ich 0,2 Prozent der Kauf- summe angenommen. Natürlich geht es auch günstiger als in diesem Beispiel. Es gibt Broker, die deutlich weniger verlangen als die ING, und im sogenannten Direkt- handel an der Berliner Börse Tradegate müssen Sie beispielsweise keine Handelsplatzkosten bezahlen. Auch gibt es immer wieder Aktionen von Onlinebanken, bei denen die Brokerkosten entfallen. Doch Kampfpreise und Lockangebote sind meistens nicht dauerhaft, zeigt die Erfahrung. Deswegen empfehle ich, ein Wertpapierdepot bei einer stabilen Direktbank einzurichten. Sie sollte Entgelte verlangen, die langfristig auskömmlich sind. Das schützt vor bösen Überraschungen wie etwa der Schließung eines Brokers und vor einem drastischen Anstieg der Kosten. Da sich die Konditionen von Onlinebanken jederzeit ändern können und es auch immer wieder Übernahmen auf diesem Markt gibt, möchte ich in diesem Buch keine Empfehlungen aussprechen, die schnell über- holt sein können. Welche Anbieter ich aktuell favorisiere, können Sie in meinem Onlinemagazin Fairvalue kostenlos nachlesen unter fairvalue- magazin.de/depot-vergleich/. Kleine Positionen haben kaum Einfluss auf ein ETF-Portfolio Neben den Transaktionskosten gibt es aber noch andere Gründe, warum ein ETF-Portfolio nicht aus zu vielen Positionen bestehen sollte: Je nied- riger das Gewicht eines einzelnen ETF, desto geringer ist der Einfluss auf das Gesamtergebnis. Tabelle 2.2 zeigt, um wieviel Prozent eine Anlage mit einem bestimmten Portfolioanteil ansteigen muss, damit sie das Ge- samtportfolio nennenswert bewegt. Beispiel: Hat ein ETF einen Anteil von nur 4 Prozent und steigt um 10 Prozent an, legt das Portfolio ledig- lich um 0,4 Prozent zu, falls alle anderen Positionen unverändert bleiben. Auch verbessern sich die Portfoliokennzahlen wie Rendite, Volatilität und maximaler Wertverlust nicht unbedingt wesentlich, wenn Anleger auf möglichst viele Anlagen setzen. Ein ähnliches Ergebnis ist oft mit nur wenigen ETF zu erreichen, wie Sie sehen werden. Und nicht zuletzt ist es
28 Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren Tabelle 2.2 Wie Wertentwicklung und Gewicht einer Portfolio-Position das Gesamtportfolio um ... Prozent bewegen Wertänderung/ 4% 5% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Positionsgröße 1% 0,04 0,05 0,10 0,20 0,30 0,40 0,50 2% 0,08 0,10 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 3% 0,12 0,15 0,30 0,60 0,90 1,20 1,50 4% 0,16 0,20 0,40 0,80 1,20 1,60 2,00 5% 0,20 0,25 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 6% 0,24 0,30 0,60 1,20 1,80 2,40 3,00 7% 0,28 0,35 0,70 1,40 2,10 2,80 3,50 8% 0,32 0,40 0,80 1,60 2,40 3,20 4,00 9% 0,36 0,45 0,90 1,80 2,70 3,60 4,50 10 % 0,40 0,50 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 15 % 0,60 0,75 1,50 3,00 4,50 6,00 7,50 20 % 0,80 1,00 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 25 % 1,00 1,25 2,50 5,00 7,50 10,00 12,50 30 % 1,20 1,50 3,00 6,00 9,00 12,00 15,00 Quelle: Eigene Berechnungen einfacher, den Überblick in Ihrem ETF-Portfolio zu behalten, wenn Sie sich auf eine möglichst geringe Anzahl börsengehandelter Indexfonds be- schränken. Das gilt auch für größere Depots mit einem Anlagevolumen von mehreren hunderttausend Euro. Wie sollten Anleger ihr ETF-Portfolio gewichten? Nachdem Sie sich für die Anlageklassen entschieden haben, die Sie in Ihr ETF-Portfolio aufnehmen möchten, stellt sich die Frage, nach der besten Gewichtung, die viele Anleger zeitlebens quält. Sollten manche Positio- nen größer und andere kleiner sein und falls ja, welche? Letztlich geht es bei dieser Frage um das optimale Portfolio, von dem die meisten Anleger träumen, seit der amerikanische Ökonom Harry Markowitz seine nobelpreisgekrönte Portfoliotheorie im Jahr 1952 ver- öffentlichte. Danach ist ein Portfolio optimal oder effizient, wie es in der
Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren 29 Wissenschaft heißt, falls kein anderes Portfolio existiert, das bei gleichem Risiko eine höhere Rendite liefert, oder – andersherum – falls kein Port- folio existiert, das bei gleicher Rendite weniger riskant ist. In der Theorie gibt es also nicht DAS beste ETF-Portfolio, sondern eine Vielzahl. Was für einen einzelnen Anleger effizient ist, hängt von seinen Präferenzen ab. Will ein Investor eine Rendite von jährlich 8 Pro- zent, ist das Portfolio aus seiner Sicht das Beste, das diesen Ertrag mit dem geringsten Risiko liefert. Ein anderer Investor könnte eine maximale Schwankungsbreite wählen, die nicht überschritten werden soll. Das Portfolio mit der gewählten Volatilität, das die höchste Rendite bringt, wäre für ihn optimal. Effiziente Portfolios existieren nur in der Theorie Bedauerlicherweise existieren effiziente Portfolios aber nur in der Theo rie. In der Praxis sind sie unerreichbar. Es lässt sich zwar im Nachhinein berechnen, welche Portfolios optimal gewesen wären. Doch welche ETF-Portfolios in der Zukunft effizient sein werden, kann niemand mit Sicherheit bestimmen. Um sie zu berechnen, müssten die Renditen, die Volatilitäten und die Korrelationen der einzelnen Bestandteile bekannt sein. Nun weiß aber keiner im Voraus genau, wie sich einzelne Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkte entwickeln werden. Deswegen schätzen Fachleute diese Kennzahlen. Doch meistens treten diese Erwartungen nicht ein. Die Schätzfehler führen zu Portfoliozusammensetzungen, die alles andere als optimal sind und zum Teil schwache Renditen liefern. Das Modell von Markowitz ist dafür besonders anfällig. Natürlich haben sich die Methoden seit den 1950er-Jahren verbessert. Hinzukommen gewaltige Rechenkapazitäten, die heute zur Portfolioop- timierung genutzt werden können. Dennoch gibt es nach wie vor kein Modell, das mit Sicherheit funktioniert und kontinuierlich besser ab- schneidet als ein gleichgewichtetes Portfolio, in dem jede Anlageklasse denselben Anteil hat. Solche Zusammensetzungen werden auch als „naiv“ oder als 1/N-Portfolio bezeichnet.
30 Wie Sie ein fast unschlagbares ETF-Portfolio strukturieren Ein gleichgewichtetes ETF-Portfolio ist eine fast unschlagbare Lösung Naiv klingt nicht sehr schmeichelhaft. Doch diese einfache, für jeder- mann umsetzbare Regel, ist ziemlich erfolgreich. Der Analyst Johannes Bock hat in seiner Promotion an der Warwick Business School 16 Opti- mierungsmodelle untersucht. Bock testete diese Methoden mit sechs verschiedenen Datensätzen, darunter amerikanische Einzelaktien und internationale Länderindizes. Ergebnis: Viele Optimierungsansätze funktionieren nicht. Sie schnitten durch die Bank schlechter ab als ein naives Portfolio. Auch mit den besten modernen Methoden war es nicht möglich, ein gleichgewichtetes Portfolio über alle Datensätze zu schla- gen. Hinzu kommt, dass diese Modelle in der Praxis viel Zeitaufwand erfordern und hohe Kosten verursachen, weil die Portfoliozusammen- setzung sehr häufig angepasst werden muss. Bocks Fazit: Simple Diversifikationsregeln sind nicht ineffizient. Für Privatanleger drängen sich demnach gleichgewichtete ETF-Portfolios auf. Die riskante Seite eines ETF-Portfolios Wie könnte ein robustes ETF-Portfolio nun konkret aussehen? Zunächst konstruiere ich nur den riskanten Anteil. Wie die sichere Seite gestaltet werden kann, diskutiere ich im letzten Kapitel. Wie gesagt: Welchen An- teil riskante und sichere Anlagen in Ihrem Portfolio haben sollten, hängt von Ihrer Risikoneigung, Ihren Anlagezielen und von Ihrer sonstigen Vermögensaufteilung ab. Wer bereits über Versicherungen und private Rentenverträge in sichere Anleihen investiert ist, kann in einem ETF- Portfolio auf solche Wertpapiere verzichten. Die folgenden ETF-Portfolios sind Vorschläge, an denen Sie sich ori- entieren können. Sie sind nicht in Stein gemeißelt. Sie können die acht riskanten Anlageklassen, die ich im vorherigen Kapitel beschrieben habe, auch anders mischen und sollten das Portfolio an Ihre persönliche Situation anpassen. Beispielsweise ist es nicht sinnvoll, in Immobilien- aktien zu investieren, wenn Sie in einem Eigenheim wohnen und /oder ein Mietshaus besitzen. Damit auch für sehr kleine Anlagesummen passende Mischungen zur Verfügung stehen, beginne ich mit einem Portfolio, das nur aus einem
160 Was in Ihrem ETF-Portfolio steckt – Anlageklassen im Detail US-Dollar herausgeben, insgesamt wenigstens ein Emissionsvolumen von einer Milliarde US-Dollar auf die Waage bringen. Für einzelne An- leihen muss das ausstehende Mindestvolumen wenigstens 400 Millionen US-Dollar betragen. Bei anderen Währungen sind die Grenzen niedriger. Die Mindestlaufzeit für neu in den Index aufgenommene Anleihen be- trägt anderthalb Jahre (maximal 15 Jahre). Anleihen, deren Restlaufzeit unter 12 Monate sinkt, tauscht Markit bei der monatlichen Überprüfung des Index gegen Papiere mit längeren Laufzeiten aus. Die einzelnen Hoch- zinsanleihen werden nach ihrem Börsenwert gewichtet. Ihre Laufzeit ist im Schnitt eher kurz. Sie beträgt gut vier Jahre (Stand: September 2020). Eine Tabelle mit empfehlenswerten ETF auf Hochzinsanleihen finden Sie in Kapitel 6. Gold – Zur Risikostreuung bestens geeignet Von den in diesem Buch diskutierten Anlageklassen eignet sich Gold am besten zur Diversifikation von riskanten ETF-Portfolios. Andere vorteil- hafte Eigenschaften, die dem Edelmetall regelmäßig nachgesagt werden, sind allerdings mehr Dichtung als Wahrheit, zeigen meine Datenanaly- sen. Das gilt etwa für den vermeintlichen Schutz vor Inflation. Gold ist weltweit einer der gefragtesten Sachwerte. Es wird seit Jahr- tausenden gefördert, diente über Jahrhunderte als Zahlungsmittel und ist bis heute der bevorzugte Rohstoff für Schmuck. Zentralbanken von Staa- ten halten nach wie vor zum Teil große Goldbestände als Währungsre- serve. Anders als Papiergeld ist Gold nicht beliebig vermehrbar. Es muss erst mühsam der Erde abgerungen werden. Die Förderung ist teuer. Wer in Gold investiert, setzt allein auf die Preisentwicklung. Das Edelmetall wirft weder Zinsen wie Anleihen noch Dividenden wie viele Aktien ab. Im Gegenteil: Die Aufbewahrung von Goldbarren, etwa in einem Bankschließfach, kostet jährlich Geld. Bliebe der Goldpreis kon- stant, würden diese Kosten das Vermögen von Jahr zu Jahr schmälern. Auch Wechselkursschwankungen beeinflussen die Renditen der deut- schen Investoren. Gold wird in US-Dollar gehandelt. Sinkt der Wert der amerikanischen Währung, sinkt der Goldkurs in Euro. Gold wird in Medienberichten regelmäßig als „sicherer Hafen“ be- zeichnet. Tatsächlich ist das Edelmetall aber eine riskante Anlage, deren
Gold – Zur Risikostreuung bestens geeignet 161 Wert in der Vergangenheit stärker schwankte als der des Weltaktien- marktes gemessen am MSCI World Index. Anleger, die in Gold investier- ten, brauchten sehr gute Nerven. Dafür waren die Renditen aber auch nicht schlecht. Von 1970 bis Ende Mai 2020 brachte Gold in Euro gerech- net im Schnitt einen nominalen Wertzuwachs von 6,45 Prozent pro Jahr – gut 0,5 Prozentpunkte weniger als der Weltaktienmarkt. Nach Abzug der Inflation blieben jährlich noch 3,8 Prozent. Allerdings waren die Renditen sehr ungleich verteilt. In den 1970er- Jahren waren sie enorm. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten mach- ten Anleger dagegen Verluste. Auffällig ist: Wenn Gold gut lief, schnitt der Weltaktienmarkt relativ schlecht ab und umgekehrt. Der nominale Wertverlust in den 1980er- und 1990er-Jahren sum- mierte sich auf fast 70 Prozent. Anleger, die während des Preishochs An- fang 1980 eingestiegen waren, mussten sich 29 Jahre gedulden, bis sie wieder bei Plusminusnull angelangt waren. Die Inflation ist bei dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt. Gold im Portfolio Gold ist in erster Linie wegen seiner Diversifikationseigenschaften attraktiv. Die Preise des Edelmetalls stiegen zeitweise an, wenn die Ak- tienkurse fielen. Die Korrelation zum Weltaktienmarkt war insgesamt gering, ebenso zu anderen Anlageklassen wie Anleihen. Tabelle 4.16 Goldrenditen über fünf Jahrzehnte im Vergleich zum Weltaktienmarkt (in Euro) Zeitraum 1970– 1970– 1980– 1990– 2000– 2010– Mai 2020 1979 1989 1999 2009 2019 Gold Ø Nominale Rendite p. a. 6,5 21,1 -2,7 -1,7 10,2 5,9 Ø Reale Rendite p. a. 3,8 15,3 -5,3 -3,8 8,5 4,5 Volatilität 18,6 22,5 21,7 15,4 15,4 16,4 MSCI World NR Ø Nominale Rendite p. a. 7,0 -2,0 18,5 13,0 -3,8 12,2 Volatilität 15,3 14,5 16,0 16,9 16,0 10,5 Quellen: Bundesbank, MSCI, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020
162 Was in Ihrem ETF-Portfolio steckt – Anlageklassen im Detail Tabelle 4.17 Die größten Goldcrashs seit 1970 (in Euro) Verlust Anfang Ende Dauer des Verlust- Dauer der Abschwungs ausgleich Erholung -45 % 14. 11. 1974 25. 08. 1976 1 J. und 9 M. 10. 05. 1979 2 J. und 8 M. -69 % 21. 01. 1980 05. 08. 1999 19 J. und 6 M. 17. 02. 2009 9 J. und 6 M. -37 % 01. 10. 2012 30. 12. 2013 1 J. und 2 M. 28. 08. 2019 5 J. und 7 M. Quellen: Bundesbank, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020 Bei den neun schwersten Börsencrashs zwischen 1970 und Mai 2020 zeigte das Edelmetall seine Stärke. Entweder stiegen die Notierungen an oder sie sackten weit weniger ab als die des Weltaktienmarktes. Gold ist auch deswegen ein sehr guter Baustein für gemischte An lageportfolios. Was das Edelmetall konkret brachte, zeigt beispielhaft ein Portfolio, das zu 70 Prozent aus einem Investment in den MSCI World bestand und zu 30 Prozent aus Gold, im Vergleich zum Weltaktienmarkt. Die Wertentwicklung bezieht sich wieder auf den Zeitraum von 1970 bis Mai 2020. Die Risikokennzahlen des gemischten Portfolios sind niedriger, das Rendite-Risiko-Verhältnis (Sharpe Ratio) besser. Dass das gemischte Portfolio auch eine höhere Rendite brachte als der Weltaktienmarkt, ist auf das jährliche Rebalancing des Portfolios zurückzuführen. Alle zwölf Monate habe ich die Anteile von Aktien und Gold auf ihre Startgewich- tung zurückgesetzt. Tabelle 4.18 Portfolio mit 30 Prozent Gold im Vergleich zum Weltaktienmarkt (in Euro) Anlage Ø Rendite Volatilität Max. Sharpe p. a. Wertverlust Ratio Portfolio mit Rebalancing 7,7 % 12,5 % -41 % 0,28 MSCI World NR 7,0 % 15,3 % -57 % 0,18 Gold 6,5 % 18,6 % -69 % 0,12 Quellen: Bundesbank, MSCI, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020
Gold – Zur Risikostreuung bestens geeignet 163 Diagramm 4.4 Der Goldpreis in Euro war während Börsencrashs vergleichsweise stabil oder stieg sogar an 140 % Gold MSCI World NR EUR 120 % 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0% -20 % -40 % -60 % -80 % Juli 76– Irak- Finanz- April 15– Febr. 78 Krise krise Febr. 16 1. Ölkrise Börsencrash Technologie- Eurokrise Corona- USA blase Crash Quellen: Bundesbank, MSCI, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020 Gold – Mythen und Fakten Vermögensverwalter, Banken, Goldhändler und Untergangspropheten sprechen dem Edelmetall weitere vorteilhafte Eigenschaften zu: Gold soll das Vermögen vor Inflation schützen. Sein Marktpreis werde von niedrigen Zinsen in die Höhe getrieben. (Demnach sei das Umfeld für eine positive Goldpreisentwicklung weiterhin ideal.) Das Edelmetall sei eine Absicherung gegen den Wertverfall der Welt- reservewährung US-Dollar. Ein schwacher US-Dollar beflügele die Goldnotierungen. Diese Aussagen werden Anlegern seit Jahren in der Berichterstattung über Gold serviert. Was davon tatsächlich zutreffend ist und was nicht, können die Leser nicht beurteilen. Denn die Protagonisten dieser Ge- schichten verzichten in der Regel darauf, ihre Behauptungen mit Fakten zu belegen. Ich habe die Aussagen der Goldexperten-Darsteller untersucht. Sie werden von den Daten nicht gestützt. Die postulierten linearen Zusam- menhänge zwischen Gold und anderen Faktoren sind kaum messbar.
164 Was in Ihrem ETF-Portfolio steckt – Anlageklassen im Detail Sie sind offensichtlich die Ausgeburt von Menschen, die ein Interesse daran haben, dass Gold in einem besonders positiven Licht erscheint – beispielsweise, weil sie Geld mit dem Verkauf des Edelmetalls verdienen. Gold ist keine Absicherung gegen Inflation Zunächst möchte ich abstecken, was unter einer wirksamen Absicherung zu verstehen ist: Streng genommen sind das nur Investments, deren Kurs- bewegungen sich in Abhängigkeit von einer anderen Anlage zuverlässig vorhersagen lassen. Beispielsweise wird der Wert einer Put-Option auf den Dax immer dann steigen, wenn der Index fällt. Ein Put ist deswegen eine funktionierende Absicherung gegen Kursverluste, die natürlich Geld kostet. Wäre Gold ein Inflationsschutz, müsste das Edelmetall höhere nomi- nale Renditen liefern, wenn die Inflation steigt. Der höhere Kursgewinn des Goldes kompensiert den Anleger für den Kaufkraftverlust. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Renditen von Gold und die Inflationsraten (Tabelle 4.19). In den 1980er- und den 1990er-Jahren wa- ren die Renditen negativ, obwohl die Inflation positiv und zum Teil sehr hoch war – von Inflationsschutz keine Spur. Tabelle 4.20 zeigt, wie sich der Goldpreis in Hoch- und in Niedri- ginflationsphasen entwickelte. Zwar ist Deutschland ein wichtiger Ab- satzmarkt für das Edelmetall, doch es ist wenig plausibel, dass allein die Tabelle 4.19 Goldrenditen und durchschnittliche Inflationsraten im Vergleich (in Prozent und Euro) Zeitraum Ø Nominale Ø Reale Ø Inflation Ø Inflation Rendite p. a. Rendite p. a. Deutschland OECD* 1970–Mai 2020 6,5 3,8 2,6 5,8 1970–1979 21,1 15,3 5,0 9,4 1980–1989 -2,7 -5,3 2,9 9,7 1990–1999 -1,7 -3,8 2,3 5,3 2000–2009 10,2 8,5 1,6 2,7 2010–2019 5,9 4,5 1,3 1,9 *1971 bis 2018. Quellen: Bundesbank, OECD, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020
Gold – Zur Risikostreuung bestens geeignet 165 Teuerung hierzulande den Preis bewegt. Gold ist eine Sachwertanlage, die international gehandelt und nachgefragt wird. Insofern habe ich die Inflationsrate der OECD-Länder für die Analyse zugrunde gelegt. Dieser Datensatz reicht von 1971 bis 2018. Auch bei diesem einfachen Vergleich zeigt sich, dass Gold keinen zu- verlässigen Inflationsschutz bietet. In zwei Phasen, in den die Teuerungs- rate über 10 Prozent betrug, lagen die nominalen, annualisierten Rendi- ten weit unter der Inflationsrate. Die reale Preisentwicklung war negativ. Insgesamt ist nicht zu erkennen, dass hohen Inflationsraten regelmäßig hohe Preissteigerungen bei Gold gegenüberstanden. Ebenso wenig waren die Renditen durch die Bank niedriger, wenn die Verbraucherpreise nur wenig anstiegen. Regressionsanalyse entzaubert Gold Dieser Befund zeigt sich auch bei einer Regressionsanalyse. Sie liefert statistische Hinweise, ob ein gerichteter linearer Zusammenhang zwi- schen zwei Variablen besteht. Daraus lässt sich ablesen, wie viel die eine Variable von den Variationen der anderen erklärt. Das gibt das soge- nannte Bestimmtheitsmaß (R 2) an. Jeder Punkt in Diagramm 4.5 markiert die jährliche Inflationsrate der OECD-Länder und die jährliche Rendite von Gold in einem bestimmten Monat zwischen 1971 und 2018. Insgesamt sind es 576 Wertepaare. Je Tabelle 4.20 Annualiserte Goldrenditen während Hoch- und Niedrizinsphasen (in Prozent und Euro) Inflation > 10 % 10 % ≤ Inflation ≥ 5 % 5 % < Inflation ≥ 2 % Inflation < 2 % 10,5 9,6 -4,6 5,1 17,6 15,1 1,6 21,8 0,0 -7,2 16,3 12,6 21,4 -11,0 20,8 -21,8 2,2 0,3 -0,3 5,3 Quellen: Bundesbank, OECD, eigene Berechnungen. Stand: Juni 2020
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