Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD

 
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Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
innovativ nachhaltig
                             &
DCHAN – Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke
Einblicke in die Praxis fachlicher Wissenschaftskooperation 2017-2021

                                                      GEFÖRDERT VOM
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Impressum

                IMPRESSUM
                HERAUSGEBER:                                    PROJEKTKOORDINATION:
                Deutscher Akademischer Austauschdienst          Dr. Heidi Wedel, Nina Berger und
                German Academic Exchange Service                Olivia Jungk, DAAD
                Kennedyallee 50, D – 53175 Bonn
                Tel.: +49 228 882-0, postmaster@daad.de         REDAKTION:
                www.daad.de                                     Katja Spross, Trio Service GmbH

                Referat Alumni: Grundsatz und Koordination      GESTALTUNG:
                                                                Grübelfabrik e.K., Frankfurt a. M.

                                                                DRUCK:
                                                                W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG
                                                                Augsburger Straße 722 · 70329 Stuttgart

                DURCHFÜHRENDER PROJEKTTRÄGER                    Auflage Juni 2021 – 160
                FÜR DIE BMBF-FÖRDERAKTIVITÄT:                   © DAAD
                DLR Projektträger
                Europäische und internationale Zusammenarbeit   BILDNACHWEIS:
                Heinrich-Konen-Str. 1                           Joerg Saenger (S. 4)
                53227 Bonn                                      Tevarak, iStockphoto (S. 5)
                www.dlr-pt.de                                   Autor Tevarak Phanduang, C NaMaKuki_2016
2                                                               Hero Images (S. 8)
                                                                Dr. Jie Susan Hick (S. 9)
                                                                Franziska & Tom Werner, iStockphoto (S. 10)
                                                                Fraunhofer IML (S. 11)
                                                                Sebastian Condrea, Getty Images (S. 12)
                                                                Xuanyu Hanm, Getty Images (S. 13)
                                                                Cultura RF, Getty Images (S. 14, S. 15)
                                                                S. 14 Autor Michael Ryan, 3203 Marquardt
                                                                Factory for Cultura; C Michael Ryan
                                                                S. 15: Autor Anthony Rakusen;
                                                                C Monty Rakusen’s Studio
                                                                JohnnyGreig, Getty Images (S. 16)
                                                                Dr. Lars Berger (S. 17)
                                                                DC-Hub (S. 18)
                                                                DCAPP (S. 19)
                                                                gautier075, iStockphoto (S. 20)
                                                                Dr. Hans Feger (S. 21)
                                                                Chiradech, iStockphoto (S. 22)
                                                                DAAD (S. 23, S. 24, S. 27 unten)
                                                                Michael Haul, Getty Images (S. 25)
                                                                DAAD Peking (S. 26)
                                                                Claire Denby (S. 27 oben)

                                                                Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorha-
                                                                ben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums
                                                                für Bildung und Forschung unter dem Förderkenn-
                                                                zeichen 01DO17016 gefördert. Die Verantwortung
                                                                für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim
                                                                Herausgeber.
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Inhaltsverzeichnis

INHALT

Wirksame Vernetzungsarbeit                 4
Deutsch-chinesische Vernetzung im Fokus    5
Auf bestem Wege zu Best Practice           8
„Alumninetzwerke bilden die Brücke“       10
Nährboden für Neues                       12
Zu beiderseitigem Nutzen                  16                        3

Anerkennung, Image, Wettbewerb            20
Erst Vertrauen schafft die Basis          22
Blick in die Zukunft                      26
Steckbriefe der Netzwerke                 28
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Vorwort DAAD

    WIRKSAME VERNETZUNGSARBEIT

    Das DCHAN-Begleitvorhaben beim Deutschen
    Akademischen Austauschdienst (DAAD)
    präsentiert mit dieser Publikation die
    Projektergebnisse aus der Fördermaßnahme
    des Bundesministeriums für Bildung und
    Forschung (BMBF) Deutsch-Chinesische
    Alumnifachnetzwerke (DCHAN)

    Die Publikation gibt Einblicke in die Praxis fachlicher   zwischen ihnen zu identifizieren, zu entwickeln und
    Kooperation deutscher und chinesischer Alumni, die        zu nutzen. Darüber hinaus war die Ausstrahlung der
    im Rahmen des DCHAN-Begleitvorhabens von 2017             Fachnetze in die Gesellschaft ein wichtiger Fokus der
    bis 2021 verstetigt und nachhaltig ausgebaut wurde.       Projekte. Der Grundstein für den weiteren Ausbau der
    Anhand von Best-Practice-Beispielen zu gelungener         Netzwerke ist gelegt. In den nächsten Jahren werden
4
    Vernetzungsarbeit verdeutlicht sie die Wirksamkeit        die entstandenen Netzwerke weiter gestärkt und
    fachlich ausgerichteter Maßnahmen und gibt vielfäl-       ausgebaut, so dass sie auch über die Förderphase
    tige Anregungen für die künftige internationale inter-    hinaus einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung und
    disziplinäre Zusammenarbeit.                              interdisziplinären Kooperation zwischen Deutschland
                                                              und China leisten können.
    China ist und bleibt für Deutschland ein wichtiger
    Forschungspartner. Angesichts zunehmender globa­          Der DAAD dankt den Beteiligten in den sieben Fach-
    ler Herausforderungen gilt es, gemeinsam interna-         netzwerken ganz herzlich für die erfolgreiche, an-
    tionale­Lösungen zu entwickeln. Dies ist den sieben       genehme und konstruktive Zusammenarbeit im Sinne
    zur Förderung ausgewählten Alumnifachnetzwerken           der deutsch-chinesischen Wissenschaftskooperation.
    eindrucksvoll gelungen. Sie konnten zahlreiche
    weitere Mitglieder – erfahrene und neue Akteurinnen       Unser Dank gilt auch dem Zuwendungsgeber, dem
    und Akteure der deutsch-chinesischen Kooperation          Bundesministerium für Bildung und Forschung
    aus Wissenschaft und Wirtschaft – für ihre Exper-         (BMBF) sowie dem Internationalen Büro des DLR-Pro-
    tennetzwerke gewinnen. Darüber hinaus haben sie           jektträgers, das das Vorhaben begleitet und adminis-
    verdeutlicht, wie die Einbindung von Alumni interna-      triert hat.
    tionale Zusammenarbeit initiieren, festigen und nach-
    haltig gestalten kann. Die Projekte zeigen: Alumni mit    Dem DCHAN-Team im DAAD, Nina Berger, Olivia
    Erfahrung im und Begeisterung für das Partnerland         Jungk, Dr. Heidi Wedel sowie Cécile Jeblawei dan-
    spielen oft eine zentrale Rolle als Türöffner, Brücken-   ke ich herzlich für die erfolgreiche Umsetzung des
    bauer und interkulturelle Vermittler.                     DCHAN-Begleitvorhabens.

    Um die Wirkung und Innovationskraft dieser Netz­          Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
    werke zu erhöhen, hat das DCHAN-Begleitvorhaben
    beim DAAD diese Fachnetzwerke bei der Vernetzung
    sowie in der Transfer- und Öffentlichkeitsarbeit un-
    terstützt und dazu beigetragen, mögliche Synergien        Dr. Kai Sicks, DAAD-Generalsekretär
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Das Programm im Überblick

DEUTSCH-CHINESISCHE VERNETZUNG IM FOKUS

Mehr persönliche und fachliche Vernetzung –
mehr China-Kompetenz in Deutschland – mehr deutsch-
chinesische Forschungskooperation auf Augenhöhe

                                                                                  59
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Das Programm im Überblick

    Individuelle persönliche Beziehungen zwischen            den beteiligten Institutionen verbunden. Die primäre
    deutschen und chinesischen Forschenden, Nach­            Aufgabe der DCHAN-Fachnetze war und ist es hinge-
    wuchs­kräften und anderen Akteuren des Wissen-           gen, deutsche und chinesische Alumni themenspezi-
    schaftssystems sind ein zentraler Bestandteil von län-   fisch und institutionsübergreifend zusammenzubrin-
    derübergreifenden Forschungskooperationen. Dieser        gen. Diese Schwerpunktthemen sollen weniger die
    Befund motivierte 2017 zu der vom Bundes­ministerium     Bindung an eine Institution, als vielmehr persönliche
    für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelegten Förder-     Kontakte über das gemeinsame Fachinteresse auf
    maßnahme Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwer-          beiden Seiten stärken. So soll China-Kompetenz
    ke (DCHAN). Das übergeordnete Ziel der Maßnahme          erweitert und das Erfahrungswissen der Alumni nach-
    war und ist, die deutsche Forschungskooperation mit      haltig für die Kooperation genutzt werden können.
    China nachhaltig zum beiderseitigen fachlichen Nutzen    Die Annahme: Wer sich inhaltlich etwas zu sagen hat,
    zu stärken. Hierzu leisten die deutsch-chinesischen      arbeitet gern grenzüberschreitend zusammen.

    DAS DCHAN-NETZWERK IN ZAHLEN

      MITGLIEDER                                               KOOPERATIONSPARTNER NACH LÄNDERN

      2017
                                           700
6     2021
                                       2.900

                                                                       134                 171

    Fachnetze einen wichtigen Beitrag, indem sie die         Mit der Fördermaßnahme DCHAN soll zudem jenen
    China-Kompetenz auf deutscher Seite kräftigen, weiter    Akteuren, die bereits aktive Fachkontakte zu chine-
    ausbauen und vernetzen.                                  sischen Kolleginnen und Kollegen haben, ein neues
                                                             Mittel an die Hand gegeben werden, um den bestehen-
    EIN TRAGFÄHIGES NETZ AUS FACHKONTAKTEN                   den Verbindungen frische Impulse zu geben: erwei-
    Deutsch-Chinesische Alumninetzwerke setzen               terte Treffen für mehr themenspezifischen Austausch,
    sich in der Regel zusammen aus Alumni deutscher          Inspiration oder auch Karrierechancen im deutschen
    Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit           Wissenschaftssystem durch Kooperation. Die Grund­
    Partnern in China sowie Alumni von (geförderten)         idee sind lebendige Fachnetze, die entstandene
    Austauschprogrammen mit China. Ihre Mitglieder           persönliche deutsch-chinesische Beziehungen auch
    haben in China studiert oder geforscht, darauf auf-      über das Ende konkreter individueller Zusammen­
    bauend wissenschaftliche Kontakte zu chinesischen        arbeit hinaus tragen und verstetigen können. Denn im
    Partnerinstitutionen unterhalten und auf diese Wei-      Fachkontext ergeben sich immer wieder interessante
    se wertvolles Wissen über Kooperationsstrukturen         Anregungen für neue Zusammenarbeit. Bei der Grün­
    angesammelt. Ihre Alumninetzwerke sind meist mit         dung 2017 wurde also erwartet, dass die Förderung
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Das Programm im Überblick

von Deutsch-Chinesischen Alumnifachnetzwerken            mit weiteren Akteuren bei. Besondere Anstöße dafür
tragfähige Ausgangsbedingungen für deutsch-chinesi-      gaben persönliche Treffen wie das sehr erfolgreiche
sche Wissenschaftskooperation schafft.                   Netzwerktreffen in Peking 2019, regelmäßige Treffen
                                                         in Bonn und digitale Vernetzungsveranstaltungen.
FACHLICHE VERNETZUNG ENTLANG GEMEINSAMER                 Auf der Basis gewachsenen Vertrauens fanden alle
INTERESSEN                                               DCHAN-Akteure spannende Möglichkeiten, um den
Schwerpunktthemen verändern sich zwar mit wech-          themenspezifischen Austausch auch im digitalen
selnden Herausforderungen, aber zentral bleiben          Raum fortzuführen.
für deutsch-chinesische Forschungskooperationen
Themen wie Stadtentwicklung, Medizin, Ingenieurwe-       Diese Vernetzung von deutschen und chinesischen
sen oder Produktionstechnologie und Logistik – alles     Alumni aus Hochschulen, Wissenschaft und Wirt-
Bereiche, in denen die DCHAN-Aktivitäten Kompeten-       schaft sowie Entscheidungsträgerinnen und Entschei-

KOOPERATIONSPARTNER

                                                                                                                   79

             IN DER WIRTSCHAFT               IN DER WISSENSCHAFT              IN ANDEREN INSTITUTIONEN

             108                             136                              61

zen erweitern. Auch der Aufbau von China-Kompetenz       dungsträgern ist zentral, auch für die künftige bilate-
in Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften steht      rale Zusammenarbeit. Denn aus den umfassenden
auf der Liste gemeinsamer Interessen, für die sich       Alumnifachnetzwerken geht eine Vielzahl an Koope-
die fachliche Vernetzung deutscher und chinesischer      rationen hervor, die unter anderem den Transfer von
Alumni lohnt. Zugleich können neue Themen aus den        innovativen Forschungsergebnissen in die Wirtschaft
gestärkten Netzwerken selbst entstehen und eine fach-    und Gesellschaft ermöglichen. Zudem tragen die Fach-
liche Vernetzung in die Tiefe anstoßen.                  netze zu einem verstärkten Zugang der Fachöffentlich-
                                                         keit zu spezifischem Expertenwissen bei.
Um die Wirkung und Innovationskraft der sieben aus-
gewählten Alumnifachnetze zu erhöhen, werden sie         Die Alumnifachnetzwerke werden sicher auch
durch ein beim DAAD angesiedeltes Begleitvorhaben        langfristig und über die Förderphase hinaus einen
unterstützt. Es leistet Transfer- und Öffentlichkeits­   wichtigen Beitrag zur Vernetzung und zur fachspe-
arbeit, erschließt Synergiepotenziale und trägt durch    zifischen Kooperation zwischen Deutschland und
gemeinsame Veranstaltungen wesentlich zur Vernet-        China leisten.
zung der Fachnetzwerke untereinander, aber auch
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Wissenschaftskooperation

    AUF BESTEM WEGE ZU BEST PRACTICE
    Gelingende Kooperationen gründen auf gelungener Annäherung und
    Verständigung – der Austausch in den Alumnifachnetzwerken schafft
    die Basis

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Wissenschaftskooperation

„Ich bin Chinesin, und meine Perspektive ist anders“,
sagt die Diplompsychologin Dr. Jie Susan Hick.
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für
Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des
Universitätsklinikums Heidelberg engagiert sich im
Deutsch-Chinesischen Alumninetzwerk in der Psycho-
somatischen Medizin und Psychotherapie (DCAPP).
Was die Deutschen manchmal am Verhalten der
chinesischen Kolleginnen und Kollegen wundert, ist
für sie normal und selbstverständlich. „Kultur spielt
bei Missverständnissen eine Rolle, und kulturelle Prä-
gungen lassen sich nicht einfach verändern“, sagt sie.
„Aber in deutsch-chinesischen Teams ist es sofort
möglich, die jeweils andere Perspektive anzuerken-
nen, Verwunderung über unterschiedliches Verhalten
unaufgeregt zur Sprache zu bringen und im Vorfeld        Dr. Jie Susan Hick
der Zusammenarbeit klare Vereinbarungen über den
Umgang mit der Aufgabe, über die Standards und die
Ziele zu treffen.“                                       Beispiel bei digitalen Workshops wider. Hier greifen
                                                         die Deutschen selbstverständlich zu digitalen Tools,
Die hierarchischen Strukturen in der chinesischen        die ihnen vertraut sind. „Diese Haltung kann schnell
Gesellschaft seien zum Beispiel ein Grund für Verhal-    arrogant wirken und ist unreflektiert“, sagt Henke.
tensweisen chinesischer Kolleginnen und Kollegen,        Vorteilhafter sei es, zumindest die Bereitschaft zu si-
                                                                                                                    9
die von deutscher Seite mitunter als oberflächlich       gnalisieren, auch chinesische Tools zu verwenden. Zu
gedeutet würden. „Wenn ein Projekt aus deutscher         einer Kooperation auf Augenhöhe gehöre außerdem,
Sicht nicht vorangeht und Zusagen an der Oberfläche      dass man sich vor dem Hintergrund der politischen
bleiben, sollte man diese Beobachtung ansprechen“,       Großwetterlage nicht mit Samthandschuhen anfasse.
sagt Hick. Die Erklärung dafür könne sein, dass chi-     „Sich unterwürfig mit chinesischen Partnern auszu-
nesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler        tauschen, ist auch nicht sinnvoll.“
steile Hierarchien gewohnt seien und nicht so schnell
Entscheidungen träfen. „Hat man über diese Unter­        Diese Einsicht hat in den Veranstaltungen im DCHAN-
schiede offen gesprochen und sie sich bewusst            Projekt „Das Gute Leben“ Gewicht, wo es um die kri-
gemacht, kann man sie besser aushalten, wenn man         tische Auseinandersetzung mit chinesischer Philoso-
wieder an die Arbeit geht“, sagt die Psychologin.        phie geht. Der Philosoph PD Dr. Hans Feger, der „Das
„Das verhindert auch im interkulturellen Bereich
Frustration, wenn es einmal anders läuft als von einer
Seite gedacht.“ Überdies könne das verankerte hier-
archische Denken auch von Vorteil sein, sagt Hick. Ein
Projekt wie DCAPP, in dem Trainingskurse angeboten
werden, beinhaltet ein Verhältnis von Lehrer zu Ler-                                „Wenn ein Projekt aus
nenden, mit dem die chinesische Seite klar umgehen                                   deutscher Sicht nicht
kann. „Damit ist erst mal vieles in Harmonie.“
                                                                                vorangeht und Zusagen an
OHNE SCHEU MITEINANDER REDEN                                                  der Oberfläche bleiben, sollte
Eine Reflexion des eigenen Verhaltens tue auch                                     man diese Beobachtung
deutschen Teampartnern gut, betont Professor Mi-                                              ansprechen.“
chael Henke, Leiter des DCHAN-Projekts ALUROUT
(siehe Interview). „Wir haben auf der deutschen                                              Dr. Jie Susan Hick,
Seite ein teilweise problematisches Verständnis von                                  Projektmitarbeiterin DCAPP
Kooperation“, meint Henke. Das spiegelt sich zum
Innovativ & nachhaltig - DCHAN - Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke - DAAD
Wissenschaftskooperation

     Gute Leben“ von der Freien Universität Berlin aus
     leitet, betont, dass in den Workshops mit Doktoran-        „ALUMNINETZWERKE
     dinnen und Doktoranden beider Länder eine kritische
     und offene Debatte möglich ist und sein muss. „Und
     weil wir auf unseren Konferenzen Vertreter der ver-
                                                                BILDEN DIE BRÜCKE“
     schiedenen philosophischen Schulen in China einla-
     den, darunter auch erklärte Kritiker der chinesischen
     politischen Philosophie, kommt es mitunter sogar zu
     hitzigen Auseinandersetzungen.“ Die Erfahrung im           Interview mit Michael Henke,
     Projekt zeigt, dass eine sachlich produktive Konfron-
     tation besser in Deutschland funktioniert als auf den
                                                                Professor am Fraunhofer-Institut
     großen Konferenzen in China, wo mehr politische            für Materialfluss und Logistik
     Kontrolle zu erwarten ist. „In China sind Veranstaltun-
     gen in kleinem Rahmen ertragreicher, die von chine-        IML und an der Technischen
     sischen Deutschland-Alumni mitorganisiert werden
                                                                Universität Dortmund, Koordinator
                                                                des Deutsch-Chinesischen
                                                                Alumninetzwerks Logistik
                                                                (ALUROUT)

10
                                                                Professor Henke, wo liegen die Potenziale für
                                                                deutsch-chinesische Wissenschaftskooperationen?
                                                                In der Innovationsforschung ganz allgemein –
                                                                Urbanisierung, Klimaforschung oder Elektromo­
                                                                bilität – und im Kontext der strategischen Pläne
                                                                beider Länder. Impulse für Zusammenarbeit
                                                                lassen sich für die Digitalisierung der Wirtschaft
                                                                setzen, aber auch hinsichtlich des sozialen und
                                                                soziotechnischen Wandels, vor dem unsere
     Eine Reflexion des eigenen Verhaltens tut allen Teammit-   Gesellschaften stehen.
     gliedern gut

                                                                Womit beschäftigt sich ALUROUT?
                                                                Mithilfe von ALUROUT treiben wir die Entwick­
                                                                lung kooperativer und standardisierter Logis­
                                                                tiklösungen voran, die in Zeiten von Digitali­
     und bei denen sie die Möglichkeit haben, Einladungen       sierung und Industrie 4.0 stärker gefragt sind
     auszusprechen.“ Die chinesischen Deutschland-              denn je. Funktionierende globale Lieferketten
     Alumni einzubinden, sei unersetzlich, darüber sind         sind da nur ein wichtiges Stichwort, auf das
     sich alle Projektvertreterinnen und -vertreter einig.      sich ALUROUT konzentriert. Am Fraunhofer IML
     „Sie kennen die Verhältnisse an ihren Universitäten        entwickeln wir zum Beispiel seit vielen Jahren
     und haben eine ganz wichtige Mittlerfunktion“, sagt        neuartige Logistiksysteme mit Blick auf den
     Feger. Jie Susan Hick ergänzt: „Sie besetzen wichtige      Transport und die Versorgung von Menschen
     Positionen, haben mehr Entscheidungs­möglichkeiten,        und Unternehmen – ein Feld, auf dem sich auch
     kennen sich im bilateralen Austausch aus und wün-          in China derzeit sehr viel bewegt. ALUROUT
     schen sich nachhaltige Beziehungen zu Deutschland.“        knüpft hier die Verbindungen für Wissensaus­
                                                                tausch und Wirtschaftskooperation.
Wissenschaftskooperation

Sind durch die Vernetzung der Alumni gemeinsame
Projekte auf dem Weg?
ALUROUT-Alumni arbeiten zum Beispiel im For­
schungsprojekt InFa-CTS zusammen, das vom
BMBF gefördert wird. Das übergeordnete Ziel ist
dabei die gemeinsame Entwicklung von intel­
ligenten autonomen Transportsystemen in der
Fabrik von morgen. Über unser Alumninetzwerk
konnten wir außerdem in der Logistik angesie­
delte Forschungsprojekte mit deutschen und
chinesischen Einrichtungen im Deutsch-Chine­
sischen Ökopark in der Stadt Qingdao anstoßen.
Dieser 35 Quadratkilometer große Gewerbepark
ist nicht nur an unseren Netzwerkveranstal­
tungen hochgradig interessiert, sondern bietet
auch für uns Zugang zu weiterer Vernetzung.

Welche Herausforderungen gibt es, und wie meistert       Prof. Dr. Michael Henke
                                                                                                                    11
man sie nachhaltig?
Kooperation auf Augenhöhe zu erreichen, ist
nicht leicht – es gibt kulturelle Verhaltensweisen
auf beiden Seiten, die man reflektieren soll­
te, und konkrete Herausforderungen, die man                 mit unseren „AlumniRoutern“ Standorte mit
meistern muss, wie zum Beispiel den synchro­                Kolleginnen und Kollegen haben, die einander
nisierten Zugang zu Daten. Dieser beidseitig                schon länger kennen – wie zum Beispiel unser
gleichberechtigte barrierefreie Zugang zu den               chinesischer Kollege und Alumnus Professor
Daten und der Umgang damit gemäß der bei                    Dianjun Fang vom Chinesisch-Deutschen Hoch­
uns geltenden Datenschutzstandards ist eine                 schulkolleg der Tongji-Universität in Shanghai.
Hürde, die man bei aller Bereitschaft als Alum­             Mit seiner Erfahrung in beiden Ländern bauen
ninetzwerk allein nicht nehmen kann. Unsere                 wir die kulturelle Brücke, die für Kooperationen
Projekte funktionieren aber ganz gut, weil wir              zentral ist, aber es gibt noch viel zu tun.

DCAPP – Deutsch-Chinesisches           Deutsch-Chinesisches Alumni-         ALUROUT – Logistics Alumni
Alumni-Netzwerk in der                 Netzwerk – Das Gute Leben            Network
Psychosomatischen Medizin              Thema: Philosophie,                  Thema: Logistik
und Psychotherapie                     Literaturwissenschaft,               Projektleiter: Prof. Michael Henke
Projektleiter: Prof. Dr. med.          Politologie                          www.alurout.de
Jonas Tesarz/Prof. Dr Kurt             Projektleiter: PD Dr. Hans Feger
Fritzsche                              www.geisteswissenschaften.
https://www.dcapp-germany.             fu-berlin.de/v/dchan/index.html
com/
Innovation

     NÄHRBODEN FÜR NEUES
     Deutsch-chinesische Forschungsfachnetzwerke eröffnen Möglichkeiten
     für Innovationen und Anwendung in Urbanistik, Logistik oder
     Gesundheitswesen

12
Innovation

Die Entwicklung zukunftsfähiger Technologien und
Innovationen verbindet China und Deutschland. Beide                                „Für Shanghai entwickeln
Länder suchen nach neuen anwendbaren Lösungs­                                      die Chinesen sogenannte
ansätzen in Forschungs- und Innovationsfeldern der                             15-Minuten-Nachbarschaften,
Zukunft. In allen deutsch-chinesischen Alumnifach-
                                                                                  in denen vom Arbeitsplatz
netz-Projekten wird daher die Ansicht geteilt, dass
Vernetzung, fachlicher Austausch und verlässliche
                                                                                    über die Universität, das
und ausgewogene Rahmenbedingungen notwen-                                          Krankenhaus, die Schulen
dig sind, wenn es um innovative und inspirierende                                 bis hin zu den Restaurants
Problemlösungen geht. Angesichts gemeinsamer                                          und Lebensmittelläden
Herausforderungen wird das Feld für neue Antworten
gemeinsam bestellt.
                                                                                       alles in 15 Minuten zu
                                                                                       erreichen sein muss.”
BEISPIEL STADTENTWICKLUNG                                                           Tania Becker, Ansprechpartnerin
Reibungslos von A nach B kommen und nicht das hal-                                                     URBANI[XX]
be Leben im Verkehr stecken bleiben – das ist eines
der Themen, die in China wie in Deutschland Stadt­
entwicklung und Logistik beschäftigen. In beiden
Ländern werden Lösungen angestrebt, bei denen es
auch um den Einsatz moderner digitaler Schlüssel-
technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), 5G und
Blockchain-Technologie geht. Letztere ermöglicht zum
Beispiel die Bereitstellung von Online-Plattformen für
                                                                                                                      13
direkte Bürgerbeteiligung an der Stadtentwicklung
unter Umgehung einer zentralen Autorität, die einen
Zugriff auf die Daten hätte.

„Für Shanghai entwickeln die Chinesen sogenannte
15-Minuten-Nachbarschaften, in denen vom Arbeits­
platz über die Universität, das Krankenhaus, die
Schulen bis hin zu den Restaurants und Lebensmit-
telläden alles in 15 Minuten zu erreichen sein muss“,
berichtet Tania Becker, Sinologin an der Technischen
Universität Berlin und Ansprechpartnerin für das
DCHAN-Urbanistik-Projekt URBANI[XX]. „Dank un-
serer deutsch-chinesischen Netzwerkarbeit können
wir uns chinesische Lösungen für die Transformation
unserer Gesellschaften im digitalen Zeitalter – wie KI,
maschinelles Lernen, das Internet der Dinge – genauer
anschauen und gemeinsame Forschungs- und Inno-
vationsprojekte auf den Weg bringen.“

BEISPIEL LOGISTIK
Als Partner in der Logistik ergänzen Deutschland und
China einander perfekt: Deutschland ist „Spitzenreiter
in der Logistik“, so der Logistics Performance Index      Städte lebenswert für die Menschen zu gestalten – eine
der Weltbank. China punktet mit enormer Umset-            Herausforderung für die deutsche und chinesische Stadt-
zungsstärke und überführt neue logistische Lösungs­       entwicklung
ideen schnell in die Testphase: Dank sehr hoher
Investitionen statten Chinesen zum Beispiel ganze
Innovation

                                                               In Deutschland herrsche dagegen eher ein histo-
                                                               risch gewachsenes Sicherheitsdenken vor, das vor
                                                               allem Planungssicherheit mit einschließe und gerne
                                                               Ergebnisse im Vorhinein abzuschätzen suche. Das
                                                               passe nicht mehr ganz zu den Herausforderungen von
                                                               heute, meint Parlings, aber verlässliche Anwendungs-
                                                               forschung in Deutschland habe eben auch Vorteile.
                                                               „Wir haben langjährige Erfahrung in innovativen
                                                               Intralogistiklösungen und sind daher für die chine-
                                                               sische Automobilindustrie interessant.“ So hat das
                                                               ALUROUT-Projektteam im April 2019 zum Beispiel
                                                               dem chinesischen Automobil- und Motorradhersteller
                                                               Geely moderne Logistiklösungen für den Automobil-
                                                               bau vorgestellt.

                                                               BEISPIEL GESUNDHEIT
                                                               Ein großes Feld für gemeinsame Projekte auf dem
                                                               Weg zu neuen Anwendungslösungen ist das Gesund-
                                                               heitswesen. Sowohl in Deutschland als auch in China
                                                               sind hier in vielen Bereichen Innovationen gefragt.
                                                               Das Sino-German Neuroscience Network (SGN²) hat
                                                               sich zum Ziel gesetzt, Ergebnisse aus der Grundla-
                                                               genforschung schneller in medizinische und medizin­
                                                               technische Anwendungen zu überführen und so die
                                                               Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu
14
                                                               schlagen. „Mit Arbeitsgruppen an der Universität von
                                                               Hangzhou haben wir inzwischen weiterführende Ver-
                                                               bundarbeiten, gemeinsame Publikationen und konkre-
                                                               te Projektförderungen erreicht“, berichtet Professor
                                                               Carsten Culmsee vom Institut für Pharmakologie und
                                                               Klinische Pharmazie der Philipps-Universität Marburg.
                                                               In einer weiteren vernetzten deutsch-chinesischen
                                                               Gruppe der Universitäten Marburg und Zhengzhou
                                                               geht es etwa um Erkrankungen des Nervensystems,
     Das Sino-German Neuroscience Network hat sich zum         die mit Zelltod und Entzündungen einhergehen.
     Ziel gesetzt, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
     schneller in die Anwendung zu überführen                  „Wir beschäftigen uns grundlegend mit möglichen
                                                               neuen Wirkstoffen im Bereich der pflanzlichen
                                                               Inhaltsstoffe, aber auch bei Mechanismen der neuro-
                                                               nalen Schädigung, die eine Rolle bei Schlaganfällen
                                                               oder altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer
     Städte innerhalb kürzester Zeit testweise mit neuarti-    und Parkinson spielen“, sagt Culmsee. Eine konkrete
     gen Logistiksystemen aus. „Die hohe technologische        Zusammenarbeit hat sich dabei mit einer der größten
     Affinität und die Agilität in der Umsetzung innovativer   chinesischen Frauenkliniken in der Forschung an
     Lösungen in China sind sehr interessant für uns“,         Hirnschädigungen bei Neugeborenen entwickelt. „Mit
     meint Dr. Matthias Parlings vom Fraunhofer-Institut       dem Institut für Neonatologie in Zhengzhou erge-
     für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund, wo      ben sich Synergien insbesondere dadurch, dass die
     das DCHAN-Projektteam ALUROUT angesiedelt ist.            Arbeitsgruppen unserer chinesischen Partner viel Er-
     Bei der Suche nach innovativen Lösungen seien die         fahrung mit entsprechenden Tiermodellen haben und
     chinesischen Prinzipien „Nicht kleckern, sondern          in der klinischen Forschung auf Daten von deutlich
     klotzen“ und „Erst mal ausprobieren“ sehr hilfreich –     größeren Patientinnenzahlen zurückgreifen können“,
     beides impliziert eine höhere Fehlertoleranz.             verdeutlicht Culmsee. Der Vorteil aus chinesischer
Innovation

Sicht sind die auf Wirkmechanismen konzentrierten          tens. Dr. Yifei He, wissenschaftlicher Mitarbeiter an
Ansätze der deutschen Partner und deren genetische         der Philipps-Universität Marburg, der eine solche
Modelle sowie neu entwickelte Substanzen, die eine         Methodenschulung im Rahmen der Netzwerkarbeit
Neurodegeneration eventuell aufhalten können.              in China veranstaltete, betont den gegenseitigen
                                                           Nutzen des lebendigen Austauschs: „Die Laborinfra-
AKADEMISCHE WEITERBILDUNG                                  struktur in China ist dank der Fördermaßnahmen der
Eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu innovati-          letzten Jahre sehr gut. Es gibt viele Ressourcen und
ven Lösungen spielen Ausbildungs- und Weiterbil-           motivierte Fachkräfte, aber noch nicht die langjähri-
dungsangebote, die über die Netzwerke organisiert          ge Erfahrung, die wir aus der deutschen Forschungs-
werden. Im Sino-German Neuroscience Network                landschaft mitbringen.“ Zwei seiner teilnehmenden
SGN² geht es dabei zum Beispiel um den Umgang              chinesischen Studierenden kamen im Anschluss an
mit der Elektroenzephalografie (EEG), der am wei-          die Methodenschulung nach Marburg. Sie ergän-
testen verbreiteten Methode in der neurowissen-            zen nun das Alumnifachnetzwerk um zwei weitere
schaftlichen Erforschung des menschlichen Verhal-          zukünftig ansprechbare Alumni.

                                                                                                                      15
                                                                                                                      13

Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote spielen eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu innovativen Lösungen

  SGN² – Sino-German                  URBANI[XX] – Deutsch-                ALUROUT – Logistics Alumni
  Neuroscience Network                Chinesisches Aluminetzwerk           Network
  Thema: Neurowissenschaften          Urbanisierung und                    Thema: Logistik
  Projektleiter: Prof. Dr. Frank      Stadtentwicklung                     Projektleiter: Prof. Michael Henke
  Bremmer                             Thema: Urbanisierung und             www.alurout.de
  https://www.dchan-projekt.          Stadtentwicklung
  de/alumnifachnetze/                 Projektleiterin: Dr. Sigrun Abels
  neurowissenschaften/                www.urbanixx.de
Wechselseitige Kooperation

     ZU BEIDERSEITIGEM NUTZEN
     Chancen für deutsche Start-ups in China – Chancen für
     chinesische Therapeutinnen und Therapeuten durch Fortbildung
     aus Deutschland: Zusammenarbeit in den Alumnifachnetzen
     zeugt von wechselseitigem Wert

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Wechselseitige Kooperation

Über zehn Jahre Erfahrung hat Martin Gothe im chi-            ren Regeln“, erklärt Steve Uhlig, Projektmanager bei
nesischen Markt. Sein wertvolles Wissen trägt er in           DC-Hub. „In Workshops und Seminaren zeigen wir
das Alumnifachnetz „Business- und Innovations-Hub             unter anderem Unterschiede in der generellen sowie
Deutschland – China“ (DC-Hub) – ein Knotenpunkt               der Business-Kommunikation in der chinesischen Kul-
für die Vernetzung von Business und Innovation                tur auf, damit deutsche Start-ups in Verhandlungen
in beiden Ländern. Es ist im Bereich Internationa-            mit potenziellen chinesischen Partnerinnen und Part-
lisierung der Wirtschaft und Wissenschaft an der              nern nicht am mangelnden Verständnis scheitern.“
Universität Leipzig im „small enterprise promotion
+ training“ (SEPT)-Kompetenzzentrum angesiedelt.              Gegenseitige Verständigung steht auch im Mittel-
„DC-Hub als Koordinierungsstelle und Multiplikator            punkt der Aktivitäten des Deutsch-Chinesischen
ermöglicht es jungen Firmen, sich mit dem chine-              Alumninetzwerks in der Psychosomatischen Medi-
sischen Markt und dem Start-up- und Innovations-              zin und Psychotherapie (DCAPP) der Universitäts-
Ökosystem auseinanderzusetzen und Verbindungen                kliniken Heidelberg und Freiburg. „Den Anstoß gab
zu chinesischen Start-ups, Kunden, Mentoren und               das große Interesse chinesischer Kolleginnen und
internationalen Firmen in China zu knüpfen“, sagt             Kollegen an deutscher Fachexpertise im Bereich

                                                                                                                        17
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Alumni mit Erfahrung im Partnerland stellen die persönlichen Verbindungen her

Gothe. Er ist Partner im Team von DC-Hub und arbei-           der psychosomatischen Medizin und Psychothera-
tet am Aufbau der Plattform für deutsche Start-ups            pie“, sagt Professor Kurt Fritzsche vom Universi-
mit.                                                          tätsklinikum Freiburg. DCAPP hat auf der Grundlage
                                                              dieses Bedarfs unter der Überschrift „Psychosoma-
VERSTÄNDNIS FÜR VERSTÄNDIGUNG                                 tische Grundversorgung“ Weiterbildungsangebote
Kernstück der DC-Hub-Aktivitäten ist ein vielseitiges         und Workshops mit Modulen wie „Arzt-Patienten-
Weiterbildungsprogramm – die sogenannte „Shang-               Kommunikation“, „Selbstreflexion der Arzt-Patient-
hai Startup Class“. Die teilnehmenden Start-ups               Beziehung“, „Forschung“ oder „Interkulturelle
dieser Accelerator-Klasse werden von einer deutsch-           Kompetenz“ entwickelt. „Dazu muss man wissen,
chinesischen Jury aus Wissenschaft und Wirtschaft             dass die Psychotherapie in der Geschichte der chi-
ausgewählt. Deutsche Start-ups erlangen in zwei bis           nesischen Medizin bislang keine Rolle gespielt hat“,
vier Wochen Kompetenzen im internationalen Unter-             erläutert Fritzsche. „Mit Patienten überhaupt zu
nehmertum und entwickeln ein Verständnis für die              sprechen war unüblich, aber das Verständnis für die
Funktionsweise internationaler Gründungen, speziell           Notwendigkeit psychotherapeutischer Gespräche
zwischen deutschen und chinesischen Partnerinnen              und psychosomatischer Medizin für die Gesundheit
und Partnern. „Denn Business mit China folgt ande-            nimmt in China zu.“
Wechselseitige Kooperation

     ERFAHRBARE ERFOLGE                                        gefunden, andere eine chinesische Partnerfirma für
     Einen besonderen Schub erhielt das chinesische            ein Entwicklungsprojekt im Bereich Software, wie-
     Interesse an den DCAPP-Trainings mit Ausbruch             der andere kamen in Shanghai über unsere DC-Hub-
     der Covid-19-Pandemie. Vor allem in der Region            Veranstaltungen erfolgreich mit internationalen, in
     Wuhan müssten jetzt sehr viele Patientinnen und           China ansässigen deutschen Firmen, wie der Luft-
     Patienten mit posttraumatischen Belastungsstö-            hansa, zusammen.“ Profitiert haben die teilnehmen-
     rungen behandelt werden, so Fritzsche. Er beob-           den Start-ups dabei von den nach China gut vernetz-
     achtet konkrete Erfolge der deutsch-chinesischen          ten externen Projektpartnern im DC-Hub – neben
     Netzwerkarbeit zusammen mit der Partneruniversi-          dem SEPT-Kompetenzzentrum auch das Konfuzius-
     tät in Chengdu, dem Peking Union Medical College          Institut Leipzig, die Außenhandelskammer Shanghai
     Hospital und der Tongji-Universität in Shanghai.          und weitere Partner, die Coworking-Spaces anbie-
     „Elemente unserer DCAPP-Fortbildungen finden              ten. 2020 mussten die Begegnungen aufgrund der
     sich etwa in den Broschüren, die für die in Wuhan         Corona-Pandemie in den virtuellen Raum verlegt

                                „DC-Hub versteht sich als
                           Start-up- und Forschergruppe.
                                 Auf diese Weise konnten
                                  wir über unser Angebot
14
18                            laufend neue deutsche und
                               chinesische Alumni für das
                                    Netzwerk gewinnen.“
                                                Steve Uhlig,
                                  Projektmanager bei DC-Hub

     behandelnden Ärzte als Hilfestellung zum Umgang           Vielfältige Vernetzungarbeit bei Messebesuchen, Pitches,
     mit der Situation von chinesischen Fachleuten her-        Workshops, Matchmaking Events
     ausgegeben wurden.“

     Auch DC-Hub hat in seiner dreijährigen Projektpraxis
     sichtbare Wirkung erzielt. Die Jungunternehmenden
     der Accelerator-Klassen reisten nach Shanghai, und
     DC-Hub organisierte den Austausch mit Start-ups           werden, waren aber nicht weniger erfolgreich. Die
     vor Ort, Messebesuche, Pitches vor internationa-          „Digital Startup Class“ konnte mit Web-Seminaren
     len Investoren, Workshops, Matchmaking Events,            und Online-Workshops und -Panels starten und mit
     Markterkundungstermine und persönliche deutsch-           Martin Gothe live aus Shanghai weiterhin Einblicke
     chinesische Begegnungen. Die Vernetzungsarbeit            ins China-Business ermöglichen.
     vor Ort stärkte die Internationalisierung deutscher
     Start-ups und verhalf manchen davon zum Markt-            LERNENDE AUF BEIDEN SEITEN
     eintritt in China, erinnert Gothe. „Die einen haben       „Auch wir kamen als Lernende nach China“, erzählt
     dort Kunden aus dem gesamten asiatischen Raum             Kurt Fritzsche. Als Export deutscher Expertise in
Wechselseitige Kooperation

psychosomatischer Medizin und Psychotherapie dür-          Zugleich sorgte DC-Hub dafür, dass bei chinesischen
fe man sich die Fortbildungen nicht vorstellen, Vor-       Start-ups mehr Interesse an der Zusammenarbeit
teile aus der Zusammenarbeit seien stets beidseitig.       mit deutschen Firmen geweckt wurde. „Chinesische
„Schon die Reflexion der eigenen etablierten Praxis        Innovatoren für den deutschen Markt zu begeistern,
in der interkulturellen Begegnung ist ein Gewinn,          funktioniert indirekter“, erklärt Gothe. „Ganz wichtig
und mit unseren therapeutischen Vorstellungen              ist auch da das persönliche Kennenlernen in China.“
kommen wir auch nicht immer überall voran.“ Die            So sorgte eine der DC-Hub-Veranstaltungen auch da-
Aufklärung eines Patienten über die Diagnose Krebs         für, dass ein chinesisches Start-up mit anderen asiati-
ist in China ohne Einbeziehung der Familie nicht           schen Partnern eine Zusammenarbeit fand. ­„DC-Hub
möglich. Die Familie entscheidet, welche Informatio-       versteht sich als Start-up- und Forschergruppe“, sagt
nen der Patient erhalten soll. Für solche Situationen      Steve Uhlig. „Auf diese Weise konnten wir über unser
müssten also kreative Lösungen gefunden werden,            Angebot übrigens laufend neue deutsche und chine-
die vom eigenen bekannten Vorgehen abweichen.              sische Alumni für das Netzwerk gewinnen.“

                                                                                                                      15
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                                                                                                                      13

Training in der Psychotherapie angeboten vom Deutsch-Chinesischen Alumninetzwerk in der Psychosomatischen Medizin
und Psychotherapie (DCAPP)

   DC-Hub – Business- und Innovations-Hub                     DCAPP – Deutsch-Chinesisches Alumni-
   Deutschland – China                                        Netzwerk in der Psychosomatischen Medizin
   Thema: Start-ups & Entrepreneurship                        und Psychotherapie
   Projektleiter: Prof. Dr. Utz Dornberger                    Projektleiter: Prof. Dr. med. Jonas Tesarz
   https://dc-hub.de/                                         (Gesamtkoordinator), Prof. Dr. med. Kurt
                                                              Fritzsche
                                                              https://www.dcapp-germany.com/
Internationalisierung

     ANERKENNUNG, IMAGE, WETTBEWERB
     Konstruktive Auseinandersetzung mit anderen
     Kulturen bringt Flexibilität und Stärke –
     Interview mit PD Dr. Hans Feger

                                           Das Streben nach Internationalisierung gehört wie
                                           selbstverständlich in die moderne Zeit – in Deutsch-
                                           land wie in China. Aber es gibt dennoch Unterschie-
                                           de, wie der Philosoph PD Dr. Hans Feger von der
                                           Freien Universität Berlin erläutert. Dort baut der
20
14
                                           Projektleiter des Deutsch-Chinesischen Alumninetz-
                                           werks „Das Gute Leben“ seit mehreren Jahren den
                                           Studienschwerpunkt Chinesische Philosophie auf.
                                           Im Interview gibt er Einblicke in den Stellenwert des
                                           internationalen wissenschaftlichen Austauschs.

                                           INTERNATIONALISIERUNG IN DER
                                           WISSENSCHAFTSKOOPERATION IST DAS STICHWORT
                                           DER STUNDE – WELCHE BEDEUTUNG HAT ES IN DER
                                           ZUSAMMENARBEIT MIT CHINA?
                                           Das überrascht vielleicht jetzt, aber Internationalisie-
                                           rung ist in China hoch erwünscht. Von Deutschland
                                           aus blicken wir in der Regel auf die heute existieren-
                                           de staatliche Kontrolle, Überwachung und Verhin-
                                           derung von Kontakt und wissenschaftlicher Freiheit.
                                           Aber zugleich ist das chinesische Interesse an inter-
                                           nationalen Begegnungen immens, und der interna-
                                           tionale Austausch wird an allen Universitäten, die
                                           ich kenne, auf breiter Basis in allen Fächern forciert.
                                           Die Entwicklung ausgewählter Universitäten hin zu
                                           globalen Zentren der Spitzenforschung wird aktiv
                                           vorangetrieben, und das in einer atemberaubenden
                                           Geschwindigkeit. Internationalität wird in China
                                           als eine per se chinesische verstanden, wobei das
                                           Bewusstsein, dass es sich dabei um eine regionale,
                                           nationale oder etwa bloß kulturspezifisch begrenzte
Internationalisierung

                                                         Über diese Öffnung für europäische Einflüsse hat
                                                         sich die chinesische Philosophie in den letzten 200
                                                         Jahren tiefgreifend verändert. Seit dem 19. Jahr­hun­
                                                         dert ist die deutsche Philosophie in China ungeheuer
                                                         einflussreich. Europa ist dagegen in derselben Zeit
                                                         gegenüber China weltblind geworden. Es gibt eine
                                                         Selbstblockade interkulturellen Philosophierens
                                                         bei westlichen Wissenschaftlern, die wie selbst-
                                                         verständlich glauben, international zu sein, es aber
                                                         gegenüber China mitnichten sind. Diese eklatante
PD Dr. Hans Feger                                        ­Unkenntnis sollte sich ändern, denn hier liegt eher
                                                          ein Problem in der Internationalisierung des Wes-
                                                          tens: Im europäischen und westlichen Kontext
Form von Internationalität handelt, so gut wie nicht      wurde eine Form von Internationalisierung kultiviert,
vorhanden ist. China hat sich immer als Zentrum der       die China lange Zeit ausgeblendet hat. Das bedeutet
Welt verstanden und erst sehr spät ein Nationalbe-        heute auch, die Auseinandersetzung mit der chine-
wusstsein entwickelt.                                     sischen Philosophie aktiv zu suchen und sie sachlich
                                                          und in aller Schärfe kritisch und produktiv zu führen.
WOHER KOMMT DAS CHINESISCHE INTERESSE AN                  Dann fallen auch schnell die politischen Scheuklap-
INTERNATIONALISIERUNG?                                    pen weg – und zwar auf beiden Seiten.
Es geht heute zunächst wesentlich um den Wunsch
nach internationaler Anerkennung, um Image und           WELCHE INTERNATIONALEN THEMEN GREIFT DAS
Wettbewerb. Sämtliche chinesische Debatten über          ALUMNINETZWERK „DAS GUTE LEBEN“ AUF?
die Stellung Chinas in der Welt rühren von Identitäts-   In unserem Netzwerk stellen wir die Frage nach
problemen her, wie dem Wegfall der traditionellen        ­dem guten Leben. In China hat die Kunst der guten
Bildungselite, der Ohnmacht gegenüber dem Westen,         Lebensführung eine lange Tradition – also lebens­
                                                                                                                      21
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                                                                                                                      15
aber auch der Unfähigkeit, der Globalisierung durch       ethische Fragen: Was ist moralisch sinnvoll, wie
die abendländische Lebenswelt etwas Eigenes ent-          runde ich mein Leben ab, was mache ich im Alter?
gegenzusetzen. Alles, was heute das Alltagsleben          Das sind kulturell, aber auch politisch und interna-
in China bestimmt, vom Radio angefangen über das          tional sehr relevante Fragen, die unterschiedlich
Internet bis zum Flugzeug, ist nicht in China erfunden    beantwortet werden und in China auf eine sehr lange
worden. Dies führt zu der prekären Situation, dass        Tradition zurückblicken können. Möglicherweise
China zwar ein Land ist, das bereits seit 1.000 Jahren    gibt es aber auch gemeinsame ethische Normen,
bestrebt ist, fremde Kulturen zu assimilieren; ein        die zum Beispiel auf etwas hinauslaufen wie zivilge-
Land, das sie integriert und aufnimmt, ja das gegen-      sellschaftliches Engagement. Das ist in China sehr
über Fremden mitunter sehr tolerant sein kann, aber       weit entwickelt, allerdings ohne institutionalisiert
immer nur dort, wo es ihm nützt. Internationalität und    worden zu sein. Warum ist das so? Widerspricht eine
Abschottung gehen daher Hand in Hand. Wir sehen           Institutionalisierung vielleicht dem chinesischen
China von zwei Seiten: einmal das weltoffene, flexible    Verständnis? Der internationale Austausch auf der
und starke Land, andererseits Abschottung, Bevor-         Ebene politischer Philosophie ist hier sehr wichtig
mundung, Kontrolle und Propaganda.                        und verbindet verschiedene geisteswissenschaftli-
                                                          che Disziplinen mit China.
WIE WERDEN DEUTSCH-CHINESISCHE KOOPERATIONEN
AUF IHREM FACHGEBIET, DER PHILOSOPHIE, FRUCHTBAR?
Es ist wichtig, das inhaltliche chinesische Interesse
am internationalen Wissensaustausch zur Kenntnis
                                                           Deutsch-Chinesisches Alumni-Netzwerk –
zu nehmen. Es gehört zur chinesischen Tradition,
                                                           Das Gute Leben
sich mit dem Wissen aus Europa und dem Westen
                                                           Thema: Philosophie, Literaturwissenschaft,
auseinanderzusetzen – ganz anders als umgekehrt.
                                                           Politologie
Seit dem 19. Jahrhundert werden in großem Tem-
                                                           Projektleiter: PD Dr. Hans Feger
po Schriften zum europäischen Altertum bis in die
                                                           www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/
jüngste Gegenwart ins Chinesische übersetzt und
                                                           dchan/index.html
erörtert, der Wissensunterschied wird aufgearbeitet.
Alumnifachnetzwerke

     ERST VERTRAUEN SCHAFFT DIE BASIS
     Alumnifachnetzwerke, die auf persönlichen und
     freundschaftlichen Verbindungen aufbauen, öffnen Perspektiven
     und wirken in die Zukunft – für Verständigung in Wissenschaft
     und Wirtschaft

22
Alumnifachnetzwerke

„Vertrauen wird gebildet, wenn Menschen persönlich          der Tsinghua-Universität in Peking den unersetzlichen
miteinander in Kontakt kommen. Daran führt kein             Grundstock für das in Aachen koordinierte DCHAN-
Weg vorbei“, sagt der Diplomingenieur Tim Biermann          Projekt „Engineering“. Die Alumni des Doppelmaster-
von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hoch-           programms halten zum Teil länderübergreifend Kontakt
schule (RWTH) Aachen. Biermann ist Projektleiter von        untereinander, sie sind gefragte Fachkräfte in Deutsch-
DCHAN-Engineering, dem Alumnifachnetzwerk für               land und China, und einige von ihnen besetzen heute
­Ingenieurwesen. Seine Erfahrungen im Kontext die-          Führungspositionen in Forschung und Industrie – zum
 ser Netzwerkarbeit bestätigen: „Kooperationen funk-        Beispiel in der Elektromobilität oder im Bereich Energie-
 tionieren dann, wenn man sich auf das Prinzip der          einsparungen, berichtet Peter Hartges vom International
 Empfehlung und Vermittlung des Freundes meines             Office der RWTH Aachen: „Zahlreiche Absolventinnen
 Freundes verlassen kann.“ Solches Vertrauen erzeu-         und Absolventen arbeiten bei marktführenden Unter-
 gen gut betreute Alumnifachnetzwerke, die dann eine        nehmen der Fahrzeug- und Maschinenbaubranche in
 ideale Grundlage für die forschende oder lehrende          China und Deutschland, wie zum Beispiel bei Conti-
 Zusammenarbeit bilden – insbesondere zwischen              nental, Volkswagen, Audi, Daimler und Bosch.“

                          „Vertrauen wird gebildet,
                        wenn Menschen persönlich
                            miteinander in Kontakt
                         kommen. Daran führt kein
                                                                                                                        23
                                     Weg vorbei.“
                              Tim Biermann, Projektleiter
                                    DCHAN-Engineering

                                                            Treffen vor Ort: DCHAN-Workshop in Peking 2019

­ hina und Deutschland. „Der vertrauensvolle Aus-
C                                                           Für Hartges, der das RWTH-Tsinghua-Doppelmaster-
tausch steht stets im Fokus“, bestätigt auch Dr. Heidi      programm koordiniert, ist es wichtig, dass der Kon-
Wedel, Projektleiterin des DCHAN-Begleitvorhabens           takt nicht abreißt: „Aktuell haben wir etwa zehn bis
beim DAAD. „Auf dieser soliden Basis können beste-          15 deutsche Alumni, die in China geblieben sind, um
hende Kooperationen um neu gewonnene Netzwerk-              dort auf dem Markt Fuß zu fassen. Auch die chinesi-
mitglieder – aus Deutschland und China gleicherma-          schen Alumni wählen Deutschland als Arbeitsmarkt.“
ßen – erweitert werden, die dann gemeinsam ihren            Gelingende Vernetzung bedeute zudem, dass diese
Beitrag zu stabilen, zukunftsträchtigen Verbindungen        Personen auch jahrgangsübergreifend in Kontakt
leisten. Unsere Erfahrung lässt uns hoffen, dass die        kämen und eine Ressource für neue deutsch-chine-
Wirkung dieser so gefestigten Netzwerke in Wissen-          sische Kooperationen bildeten. Darüber hinaus gelte
schaft und Wirtschaft noch lange Bestand hat und            für deutsch-chinesische Alumni, die nicht im jeweils
auch mögliche Herausforderungen überwindet.“                anderen Land bleiben: Wer schon einmal dort war
                                                            und das Land kennt, wird wieder angefragt oder hin-
RESSOURCEN NUTZEN UND PFLEGEN                               geschickt – zum Beispiel im Kontext von Beratungs-
Der beschriebene Wirkmechanismus zeigt sich bereits:        leistungen in Wirtschaft und Industrie. „Auf diesem
So bilden rund 900 Absolventinnen und Absolventen           Feld ist es entscheidend zu wissen, wie die jeweils
eines seit zehn Jahren bestehenden Doppelmasterpro-         andere Seite tickt. Und unsere Alumni sind für diese
gramms im Maschinenbau an der RWTH Aachen und               Schnittstelle prädestiniert“, sagt Hartges.
Alumnifachnetzwerke

     FACHLICHE ANGEBOTE WIRKEN                                    als Netzwerkkoordinatoren fachlich genau das an Ver-
     Voraussetzung ist, dass es gelingt, die so entstan­          netzungsmöglichkeiten ausarbeiten und bieten, was
     denen Kontakte zwischen deutschen und chinesi-               die Mitglieder meines Netzwerks auch für ihre weitere­
     schen Absolventinnen und Absolventen sowie die               Karriere nutzen wollen.“ Erfolgreiche Beispiele dafür
     zu ihren Dozentinnen und Dozenten über fachgebun­            sind etwa der DCHAN-Engineering Cooperation Work­
     dene Veranstaltungen und soziale Medien aufrecht-            shop zwischen der RWTH Aachen, BMW Brilliance
     zuerhalten und über die Zeit zu pflegen. „Denn               Automotive, der Tsinghua-Universität und BMW
     Alumni mit Erfahrung im Partnerland spielen oft              China im Oktober 2019, der Industry Alumni Summit
     eine zentrale Rolle als Türöffner, Brückenbauer und          in Shanghai und Taicang im Dezember 2019 mit über
     interkulturelle Vermittler“, so DAAD-Alumni-Exper-           80 Alumni aus relevanten Industriebranchen und
     tin Wedel. Ein wichtiger Brückenbauer nach China             anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen
     kommt für DCHAN-Engineering aus den eigenen Rei-             beider Länder oder fachlich orientierte Web-Seminare

24

     Expertinnen und Experten der Alumniarbeit beraten über attraktive Vernetzungsmöglichkeiten, Peking 2019

     hen: Mit seinen Erfahrungen in beiden Ländern hat            während der Corona-Pandemie 2020, zum Beispiel
     der chinesische RWTH-Ingenieur Dr. Jizu Zhang im             zum Thema „E-Mobilität“.
     DCHAN-Engineering-Team über drei Jahre hinweg
     350 Alumni des Netzwerks regelmäßig in Verbin-               VOM FACHINTERESSE ZUR GEMEINSAMEN FORSCHUNG
     dung gebracht.                                               Besonders gut gelingt die Vernetzung für vertrauens-
                                                                  volle weitere Zusammenarbeit auch im DCHAN-Pro-
     Die entscheidenden Anreize seien neben Alumnitref-           jekt URBANI[XX]. Hier wurde im Rahmen des Alumni-
     fen vor allem fachliche Angebote, sagt Tim Biermann.         fachnetzes das Peer People Program (PPP) aufgelegt,
     Sie sorgen dafür, dass man in Kontakt bleibt oder            um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
     miteinander in Kontakt tritt: „Das bedeutet, dass wir        Deutschland und China nachhaltig praxisorientiert zu
Alumnifachnetzwerke

einer dynamischen lebendigen Eins-zu-eins-Vernet-
zung zu motivieren. Um wechselseitigen Wissensaus-
tausch zu ermöglichen, bringt PPP zwei Personen auf
Augenhöhe fachspezifisch zusammen und unterstützt
sie zum Beispiel durch Förderung ihrer gemeinsamen
Veröffentlichungen. Sieben solcher Paare arbeiten
oder forschen bereits erfolgreich in einem gemein-
samen Projekt, 30 Paare sollen es werden, sagt die
Sinologin Dr. Tania Becker, die URBANI[XX] an der
Technischen Universität Berlin koordiniert. „Wir
bauen das Matching gezielt mit vielen Förderideen
aus. Dazu zählt auch, die virtuelle Zusammenarbeit
in Zeiten von eingeschränkten persönlichen Treffen
noch besser zu fördern.“

Auch wenn persönliche Treffen in China oder Deutsch-
land einzelne Verbindungen langfristig stärken – wie
die Erfahrungen aus dem Doppelmasterprogramm der
RWTH Aachen und der Tsinghua-Universität in Peking­
zeigen –, tragen virtuelle Formate ebenfalls ­zum Ge­
lingen produktiver Vernetzung bei, so die Erfahrung
von Tim Biermann im Corona-Jahr 2020. „Die Hemm-
schwelle für unsere Alumni, sich zur Kontaktaufnahme
virtuell zu vernetzen, ist geringer als bei einer analo-
gen Kontaktanbahnung, die zudem von unserer Seite
viel Vorbereitung benötigt.“ Die Netzwerkarbeit trägt
                                                                                                               25
– auch in der Krise, sagt DAAD-Projektleiterin Wedel:                        „Die Alumnifachnetzwerke
„Die Alumnifachnetzwerke haben eindrucksvoll ver-                                    haben eindrucksvoll
deutlicht, wie die Einbindung von Alumni in Koopera­
tionen zum Wohle aller Beteiligten Zusammenarbeit                       verdeutlicht, wie die Einbindung
initiieren, festigen und nachhaltiger gestalten kann.“                     von Alumni in Kooperationen
                                                                            zum Wohle aller Beteiligten
Hybride Vernetzungs- und Veranstaltungsformate
werden mit Blick auf die Zukunft effektiver Verbin-
                                                                             Zusammenarbeit initiieren,
dungen ein Teil der Alumninetzwerkarbeit bleiben, so                          festigen und nachhaltiger
Biermann. „Erste virtuelle Treffen werden wichtig sein,                                 gestalten kann.“
um junge Leute ins Netzwerk zu holen. Das Idealmaß
zwischen virtuellen und analogen Fachtreffen werden
                                                                                           Dr. Heidi Wedel,
wir herausfinden.“
                                                                                     DAAD, Leiterin DCHAN-
                                                                                           Begleitvorhaben

   URBANI[XX] – Deutsch-Chinesisches                       DCHAN-Engineering – Alumni Network
   Aluminetzwerk Urbanisierung und                         Thema: Ingenieurwesen
   Stadtentwicklung                                        Projektleiter: Tim Biermann
   Thema: Urbanisierung und Stadtentwicklung               https://www.dchan-projekt.de/alumnifachnetze/
   Projektleiterin: Dr. Sigrun Abels                       ingenieurwesen/
   www.urbanixx.de
Perspektive

     BLICK IN DIE ZUKUNFT
     Die Deutsch-Chinesischen Alumnifachnetzwerke wirken weiter – diese Bilanz
     ist gewiss. Aber wie schätzen die DAAD-China-Expertinnen und -Experten
     generell die Zukunft der wissenschaftlichen Kooperation mit China ein?
     Wo liegen die Herausforderungen und Chancen? Was prognostizieren sie
     für die weitere Zusammenarbeit in der Forschung und darüber hinaus?
     Es antworten Ruth Schimanowski, Leiterin DAAD-Außenstelle
     Peking, Dr. Friederike Schröder, Referentin für Internationale
     Forschungskooperation, und Dr. Klaus Birk,
     Direktor Projektabteilung.

26
                                 Ruth Schimanowski,           Die Wissenschaft kann sich der Politik meistens nicht
                                 Leiterin der DAAD-           entziehen und muss deshalb die politische Dimension
                                 Außenstelle Peking           mitdenken. Das ist im Hinblick auf die gewaltigen sys-
                                                              temischen Unterschiede besonders schwierig. Einen
                                                              wissenschaftlichen Handlungsrahmen zwischen dem
                                                              zentralistisch autoritären China und Deutschland als
                                                              liberaler Demokratie abzustecken erfordert bewuss-
                                                              tes Handeln, strategische Schärfe und Resilienz.
                                                              Zusätzlich werden Gesetzgebung und -umsetzung
                                                              sowohl in Deutschland wie auch in China beispiels-
                                                              weise durch Datenschutzrichtlinien oder Exportkon­
                                                              trollgesetze immer komplexer und betreffen auch die
     Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit in            internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft.
     der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China?         Wenn man mit einem ausländischen Partner seine Zu-
                                                              sammenarbeit definiert, muss man inhaltliche Fragen
     Die Zusammenarbeit mit China ist allein aufgrund         berücksichtigen, die gegenseitigen Interessen und
     der Komplexität eine Herausforderung. Und diese hat      verstärkt rechtliche Aspekte.
     in den vergangenen Jahren zugenommen. Das liegt
     auch an den gewachsenen geopolitischen Spannun-          In meiner persönlichen Wahrnehmung ist die größte
     gen und der Frage, ob China als Partner oder Rivale      Herausforderung derzeit: Wie kann ich die notwendi-
     wahrgenommen wird. China ist zwar schon seit             gen Ressourcen für die Kooperation mit dem wis-
     Langem beides. Es ist aber inzwischen beides noch        senschaftlichen Mehrwert rechtfertigen? Und: Wer
     mehr: auf der einen Seite noch wichtiger als Partner     übernimmt in meiner Universität oder in meiner Orga-
     für wirtschaftlichen Wohlstand und zur Lösung globa-     nisation die juristische und politische Verantwortung
     ler Probleme wie Klimawandel, und auf der anderen        für das China-Engagement der deutschen Akteurin-
     Seite ein noch stärkerer Herausforderer für politische   nen und Akteure (oder umgekehrt: das Deutschland-
     Systeme wie das der Europäischen Gemeinschaft.           Engagement der chinesischen Beteiligten)?
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