"Integration im Fokus - junge Menschen im Blick!" - Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 - Kreis Düren
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Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 "Integration im Fokus – junge Menschen im Blick!" job-com – Kommunales Jobcenter
Foto: DLT / Maximilian Gödecke Vielen Dank an die regionalen Beschäftigungsträger für die zur Verfügung gestellten Fotos. Titelfoto: ESF-Projekt "HORIZONTE" Jugendliche SGB II-Kund*innen bei der Wiederaufforstung von Waldbrandgebie- ten in Nea Makri in der Nähe von Athen
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung 4 Rahmenbedingungen 2022 9 Auswirkungen der Corona-Krise auf die Integrationsarbeit 9 Regionaler Arbeitsmarkt 12 Konjunkturelle Aussichten 14 Kundenstruktur und Kundenpotenziale 20 Exkurs. Junge Erwachsene und die Auswirkungen der Corona-Pandemie 25 Integrationsbudget 27 Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung 28 Handlungsschwerpunkte und Zielgruppen 31 Integration 34 Qualifizierung Geringqualifizierter / Fachkräfte entwickeln 39 Gesundheit stärken 44 Potenziale fördern 46 Reduzierung von Langzeitleistungsbezug und Langzeitarbeitslosigkeit 49 Exkurs. Teilhabechancengesetz 55 Kommunale Eingliederungsleistungen 59 Beschäftigungsmöglichkeiten für (Allein-)Erziehende nutzen 62 Junge Erwachsene in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren 67 Zugewanderten den Zugang zu Arbeit und Ausbildung ermöglichen 77 Budgetplanung 2022 80 Impressum 82
Vorbemerkung Vorbemerkung Seit 2005 eröffnet das kommunale Jobcenter des Kreises Düren, job-com, auf Basis des SGB II- Grundsatzes "Fördern und Fordern" Menschen Perspektiven und Chancen, ihren Lebensunterhalt unabhängig von staatlicher Unterstützung aus eigenen Mitteln und Kräften sicherzustellen. Dazu gehören seit 2015 zunehmend Geflüchtete v.a. aus dem Nahen Osten und den Ländern Afri- kas, die Schutz vor Verfolgung, Krieg und Gewalt suchen und deren Aufenthaltsstatus gefestigt ist. Das "Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm" ist das Ergebnis eines internen und externen Be- ratungs- und Abstimmungsprozesses. Es beschreibt die strategische Ausrichtung der job-com und ihre arbeitsmarktpolitischen Ziele. Im Folgenden werden die Handlungsschwerpunkte für das Jahr 2022 erläutert sowie Zielgruppen definiert, die im besonderen Fokus des Jobcenters ste- hen. Unter dem Motto "Integration im Fokus – junge Menschen im Blick“ macht das "Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm" die projektierten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für die Re- gion transparent und beschreibt den geplanten Einsatz des voraussichtlich zur Verfügung ste- henden Eingliederungsbudgets1 für das Jahr 2022. Ein besonderer Schwerpunkt der job-com liegt auf der Förderung junger Erwachsener.2 Dies spie- gelt sich u.a. im Umfang der Plätze für außerbetriebliche Ausbildungen (BaE) mit einer großen Bandbreite von Berufsbildern, im Modellprojekt "MOVE" zur Unterstützung sog. entkoppelter Ju- gendlicher oder dem ESF-kofinanzierten Projekt "WaLZ" ("Welt als Lernen für meine Zukunft")3, das junge Erwachsene im Rahmen eines Auslandsaufenthalts mit begleitenden Berufspraktika in EU-Kooperationsländern auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereitet. 1 Die Planungen orientieren sich wie in den vergangenen Jahren am Budget des jeweils laufenden Jahres 2 siehe insbesondere "Junge Erwachsene in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren" 3 siehe Integrationsrichtlinie Bund IdA 4 job-com Kreis Düren
Vorbemerkung Gesellenstück "Schreibtisch" aus der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) Die job-com hat die Zielgruppe der jungen Erwachsenen seit Jahren im Focus. Die Integrations- fachkräfte U25 arbeiten mit Erreichen des 15. Lebensjahres verbindlich mit Schüler*innen, deren Familien SGB II-Leistungen erhalten.4 Dabei ist die ganzheitliche lebenslagenorientierte Beratung der job-com entscheidend, die neben dem Übergang Schule-Beruf auch das familiäre bzw. sozi- ale Umfeld der Jugendlichen in den Blick nimmt. In den vergangenen Jahren hat sich abgezeichnet, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich in so- zialen und psychischen Problemlagen befinden, kontinuierlich ansteigt.5 Außerdem liegt sowohl der Anteil langzeitarbeitsloser junger Erwachsener an allen SGB II-Langzeitarbeitslosen im Kreis Düren, als auch der Prozentsatz langzeitarbeitsloser Jugendlicher ohne Schulabschluss deutlich über den Werten der umliegenden Kommunen und des Landes NRW.6 Infolge dieser Entwicklungen passte die job-com ihr Portfolio an und ergänzte es im vergangenen Jahr um das Projekt "TALENTWERK", das sowohl zeitlich als auch inhaltlich ein noch individuel- leres Arbeiten mit den Kund*innen möglich macht. Erste Ergebnisse bestätigen den eingeschla- genen Weg.7 4 siehe auch "Konjunkturelle Aussichten" sowie "Kundenstruktur und Kundenpotenziale" 5 ca. 18 % der Jugendlichen unter 25 Jahren, bei denen das Thema "Gesundheit" bearbeitet wurde, leiden unter psy- chischen Einschränkungen, KRISTALL, Stand: Juli 2021 6 siehe "Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit im SGB II" 7 siehe auch "Junge Erwachsene in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren" Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 5
Vorbemerkung Darüber hinaus wird die job-com ihr Spektrum an Unterstützungsangeboten 2022 nochmals er- weitern: In Planung befinden sich ein aufsuchendes Projekt für junge Menschen, die mit den Standardinstrumenten des SGB II nicht erreicht werden können, eine mit sog. Arbeitsgelegen- heiten kombinierte Gruppenmaßnahme zur niederschwelligen Stabilisierung und die Förderung von Arbeitgeber*innen, die benachteiligten langzeitarbeitslosen jungen Erwachsenen ein Be- triebspraktikum von maximal vier Monaten in Teilzeit ermöglichen ("100%Chance"). Ergänzt wird das individualisierte Angebot durch die Etablierung der "Assistierten Ausbildung" (ASA flex)8, ein neues Projekt, das sowohl junge Erwachsene während ihrer Ausbildungszeit als auch ausbildende Unternehmen intensiv unterstützend begleitet. Verschärft wurde und wird die aktuelle Lage durch die Corona-Pandemie. Deutschlandweit ging eine Vielzahl potenzieller Ausbildungsinteressent*innen verloren: Bei einer gleichbleibenden Zahl von Schulabgänger*innen meldeten sich 2020/2021 46.000 Ausbildungsplatzsuchende we- niger als im vergangenen Ausbildungsjahr.9 Die Pandemie beeinträchtigt wichtige Lebensent- scheidungen vieler Jugendlicher, die erst verspätet nachgeholt werden können. Auch im Kreis Düren ist dies ein zentrales Thema aller Partner*innen am Ausbildungsmarkt. Die job-com nimmt die aktuelle Situation zum Anlass, um ihre Netzwerkarbeit mit der Agentur für Arbeit, den Jugendämtern in Stadt und Kreis, dem Schulamt und Schulen, insb. den Hauptschulen und Berufskollegs, weiter zu intensivieren. Außerdem soll der präventive Ansatz noch stärker ausgebaut und die Beratung der job-com pilothaft dort angeboten werden, wo sich Jugendliche aufhalten (z.B. an den Hauptschulen und Berufskollegs und in Jugendeinrichtungen benachtei- ligter Quartiere). Darüber hinaus ist die Stärkung der "Servicestelle Jugend und Beruf" (Jugendberufsagentur) beabsichtigt, die den zentralen Gedanken verfolgt, keine*n Jugendliche*n am Übergang Schule- Beruf zu verlieren und die Anzahl derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, zu redu- zieren. 8 "Arbeit von morgen"-Gesetz vom 15.05.2020 (§ 16 SGB II i.V.m. §§ 74, 75, 75a SGB III) 9 BA-Statistik – Ausbildungsmarkt (Monatszahlen Deutschland März 2021) und Arbeitsmarktreport (Monatszahlen Düren März 2021) 6 job-com Kreis Düren
Vorbemerkung Vorrangiges Ziel der job-com ist die Unterstützung der Menschen im Hinblick auf ihre Integration in den Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt. Dabei ist nicht nur bei jungen Erwachsenen der ganzheit- liche Blick auf die Lebensumstände der Betroffenen von großer Bedeutung. Da wissenschaftliche Studien einen engen Zusammenhang von Gesundheit und Arbeitslosigkeit belegen, wird der gesundheitlichen Situation der Erwerbslosen besondere Aufmerksamkeit ge- widmet. Neben den bereits bestehenden Angeboten zur Gesundheitsförderung im SGB II ist auch im Jahr 2022 das Verbundprojekt "rehapro Euregio"10, das trotz Corona bereits erste Erfolge auf- weisen kann, ein grundlegender Baustein der Arbeitsmarktpolitik des kommunalen Jobcenters.11 Nach wie vor liegt ein weiterer Fokus der job-com auf dem sog. Teilhabechancengesetz, das Job- centern die Möglichkeit eröffnet, für besonders arbeitsmarktferne Menschen 12 "Arbeit statt Ar- beitslosigkeit" nicht nur bei gemeinnützigen und kommunalen Arbeitgeber*innen, sondern auch bei privaten Unternehmen aller Branchen, zu unterstützen. Mit der mehrjährigen hoch finanzier- ten Förderung für Arbeitgeber*innen, einer entsprechenden zusätzlichen Mittelausstattung der Jobcenter, dem Mindestlohn als Grundlage und einem beschäftigungsbegleitenden JobCoaching, wurden zunächst die erforderlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Ge- setzes geschaffen. Seither hat die job-com 184 motivierten Langzeitleistungsbeziehenden einen sozialversiche- rungspflichtigen Arbeitsplatz vermittelt.13 Trotz dieser Erfolgsgeschichte des Teilhabechancenge- setzes im Kreis Düren und des Potenzials weiterer Bewerber*innen, kann die job-com diese Chance auf soziale Teilhabe künftig nur einer kleineren Zahl von Langzeitleistungsbeziehenden eröffnen, da der Bund zwar Eingliederungsmittel in gleichbleibender Höhe zugesagt hat, infolge der fünfjährigen Förderdauer der Beschäftigungsverhältnisse für die job-com allerdings schon heute finanzielle Verpflichtungen entstehen, die bereits ab 2023 das reguläre Budget des Jobcen- ters zu Lasten weiterer Zielgruppen des regionalen Arbeitsmarktes reduzieren. 10 Bestandteil des Bundesprogramms "Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro" 11 siehe insbesondere "Gesundheit stärken" und "Potenziale fördern" 12 Voraussetzung für eine Förderung sind u.a. ein mindestens sechsjähriger Bezug von Leistungen nach dem SGB II sowie ein Mindestalter von 25 Jahren (s. § 16i SGB II) 13 Stand: Juli 2021, siehe auch "Exkurs. Teilhabechancengesetz" Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 7
Vorbemerkung Auch 2022 erfordern die langfristigen Integrationsprozesse von Menschen mit Zuwanderungs- bzw. Migrationsgeschichte erhebliche Investitionen in ihre gezielte Unterstützung auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Dazu trägt das "Dürener Integrationszentrum für Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung", kurz "DIZ", gemeinsam mit dem Team "Zuwanderung" der job-com und einem breiten Partnernetzwerk, von der Beratungsstelle bis zur Arbeitgeberin bzw. zum Arbeitgeber, entscheidend bei. Der Schwerpunkt des "DIZ" liegt im Jahr 2022 weiterhin bei Menschen, die schon längere Zeit in Deutschland leben, Leistungen von der job-com erhalten und einer besonderen migrationsspe- zifischen Unterstützung bedürfen.14 Die Einmündung in den Arbeitsmarkt, berufliche Orientierung und Qualifizierung, aber auch die Weiterentwicklung der Sprachkompetenz sowie die gesell- schaftliche Integration stehen auch für diese veränderte Zielgruppe im Mittelpunkt. Aktuell erwarten sowohl das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung" (DIW) als auch der "Sachverständigenrat der Wirtschaft" für das Jahr 2022 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,3 %15 bzw. 4,0 %16. Trotz dieser positiven Prognosen ist die Entwicklung der Fallzahlen im SGB II und der Struktur der Kund*innen des Jobcenters schwer einschätzbar. Aufgrund der geringen Vorhersehbarkeit ist mit flexiblen unterjährigen Anpassungen der Planungen an veränderte Rahmenbedingungen zu rechnen. 14 Die Zugänge Geflüchteter ins SGB II sind seit dem 3. Quartal 2020 auf gleichbleibendem Niveau (interne Auswertung KRISTALL; Stand: Juli 2021) 15 Statista Research Department 18.06.2021 16 www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de, Juli 2021 8 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Rahmenbedingungen 2022 Auswirkungen der Corona-Krise auf die Integrationsarbeit Wie im Jahr 2021 stehen infolge der Corona-Krise und deren Auswirkungen die job-com und ihre Partner*innen am Arbeitsmarkt, insbesondere die regionalen Träger der Beschäftigungsförderung im Kreis Düren, vor großen Herausforderungen. Rückblick Seit März 2020 mussten aufgrund des Lockdowns zum Schutz von Mitarbeiter*innen und Kund*innen der job-com zügig organisatorische, inhaltliche und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, ohne die eigentliche Aufgabe, den SGB II-Leistungsberechtigten die bestmögliche Unterstützung zu bieten, aus dem Blick zu verlieren. Die Integrationsfachkräfte der job-com setzten schwerpunktmäßig auf telefonische Beratungen bzw. Coaching sowie auf die Kundenkommunikation per Mail oder Post. Ergänzt wurden diese Formate durch "Walk & Talk", Gespräche mit Kund*innen bei Spaziergängen im Freien, und, seit März 2021, durch das Pilotprojekt "Videoberatungen". Für nahezu alle Arbeitsmarktmaßnahmen, insbesondere für die Projekte der regionalen Partner*innen, der Dürener Gesellschaft für Arbeitsförderung mbH (DGA), der low tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft mbH und dem Katholischem Sozialwerk Dürener Christen für arbeitslose Jugendliche e.V., konnte die Betreuung der Teilnehmer*innen fortlaufend sichergestellt werden. Dies gelang durch die Nutzung sog. alternativer Methoden. Insbesondere schritt die Digitalisierung bei der Umsetzung der Arbeitsmarktprojekte in einem bis vor kurzem nicht vorstellbaren Tempo voran. So wurden nicht nur Mailverkehr oder soziale Medien, sondern in verstärktem Maße auch Videokonferenzen und spezielle Lernplattformen genutzt. Kreative, auf die Fähigkeiten der Kund*innen ausgerichtete Ideen der Beschäftigungsträger machten vielfach die weitere Arbeit erst möglich. So wurden zum Beispiel praktische Arbeitsaufgaben vorbereitet, den Teilnehmenden per Post zugesandt und die Ergebnisse nach Rücklauf dann telefonisch besprochen und bewertet. Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 9
Rahmenbedingungen 2022 Zwischen Januar und Juni 2021 wurden mehr als 90 % telefonische Beratungen durchgeführt. Bereits im Juli handelte es sich jedoch bei 20 % der Termine bereits wieder um persönliche Gespräche. Die vielfältigen Erfahrungen der Corona-Zeit sind in die Arbeit der job-com und ihrer regionalen Partner*innen eingeflossen. Dazu gehören sowohl die Nutzung digitaler Möglichkeiten in ihrer gesamten Bandbreite, als auch der Einsatz von qualitativen Telefonberatungen bzw. Coachings. Einerseits zeigte sich, dass manche Kund*innen leichter über persönliche und berufliche Themen sprechen können, wenn dies digital oder fernmündlich geschieht. Andererseits wurde sehr deutlich, dass das persönliche Beratungsgespräch die entscheidende Grundlage einer erfolgreichen gemeinsamen Arbeit mit Kund*innen ist und bleibt. Digitales Profiling-Interview Um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu den Unterstützungsangeboten des Jobcenters zu gewährleisten, wird die Arbeit der job-com und ihrer Partner*innen mit den SGB II-Kund*innen künftig von einem Methodenmix geprägt: Persönliche Beratungsgespräche und 10 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Präsenzveranstaltungen werden grundsätzlich um digitale und fernmündliche Angebote erweitert. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass digitale Fähigkeiten mehr denn je zu den Basiskompetenzen der gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe gehören. Daher wird die Stärkung dieses Kompetenzbereichs gerade bei den sozial benachteiligten Kund*innen der job- com als Basiswissen in die Arbeitsmarktmaßnahmen einfließen. Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 11
Rahmenbedingungen 2022 Regionaler Arbeitsmarkt Die Wirtschaft des Kreises Düren ist mittelständisch geprägt: Rund 8.000 kleine und mittlere Unternehmen, deren Branchenspektrum von der Papierindustrie über Sondermaschinenbau, Kunststoff- und Ernährungsgewerbe, Gesundheitsschutz, Bauelemente und Landwirtschaft bis zum Gastgewerbe reicht, spiegeln sowohl die ländliche Siedlungsstruktur als auch eine ungüns- tige Branchenstruktur. Nahezu 90 % der Betriebe sind Kleinunternehmen, die weniger als 20 Mitarbeiter*innen beschäf- tigen und keine mittel- oder langfristige Planung des Arbeitskräftebedarfes vornehmen. Betriebe mittlerer Größe, mit 250 bis 500 Mitarbeitende und überdurchschnittlicher Beschäftigungsent- wicklung fehlen ebenso, wie Wachstumsimpulse aus beschäftigungsstarken Branchen der wirt- schaftsbezogenen Dienstleistungen sowie des Gesundheits- und Sozialwesens. Die besondere Struktur des Arbeitsmarktes des Kreises Düren wird durch den vergleichsweise niedrigen Tertiarisierungsgrad der lokalen Wirtschaft geprägt: Mit 69 % liegt der Anteil der Be- schäftigten im Dienstleistungsbereich unter dem Niveau der Städteregion Aachen (78 %) und des Kreises Heinsberg (70 %). Die Beschäftigungsentwicklung liegt im Kreis Düren mit einer Steige- rung von 23 % deutlich unter dem Trend des Umlandes. 17 Die Zunahme der sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigten zwischen 15 und 65 Jahren betrug im Kreis Heinsberg 46 % und in der Städteregion Aachen 26 %.18 Diese Faktoren schlagen sich in einem hohen Prozentsatz von langzeitarbeitslosen Menschen an der Erwerbslosigkeit im SGB II nieder.19 Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Folge des Covid-19-Lockdowns bewegte sich von März 2020 bis Juni 2021 im Kreis Düren wie in den angrenzenden Gebietskörperschaften auf ei- nem tendenziell in etwa vergleichbaren Niveau. Dabei ist zu beobachten, dass im Rechtskreis des SGB III die Zahl der Arbeitslosen seit Beginn des Jahres 2021 wieder leicht rückläufig ist, im Bereich des SGB II dagegen stagniert. 17 Allerdings bewegt sich die Beschäftigungsquote im Kreis Düren mit 58 % höher als im Kreis Heinsberg (56 %) und der Städteregion. 18 Arbeitsmarktmonitor der BA, Regionalstrukturen, Stand: 30.06.2021 19 siehe "Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit im SGB II" 12 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Entgegen den Erwartungen kam es jedoch 2020 und im ersten Halbjahr 2021 nicht zu einem dra- matischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen in der Region. Ausschlaggebend hierfür war u.a. die Verlängerung von Unterstützungsleistungen des Bundes (z.B. Kurzarbeitergeld). Arbeitslose im SGB II und SGB III im Kreis Düren 8.000 7.177 7.037 7.018 6.930 6.933 6.954 6.957 6.865 6.752 6.638 6.904 6.891 7.000 6.387 6.528 6.430 6.185 6.000 5.000 3.923 3.996 3.843 3.745 3.570 4.000 3.539 3.667 3.680 3.340 3.478 3.422 3.427 3.325 3.119 3.057 2.899 3.000 2.000 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 Quelle: BA-Statistik, Datenstand: Juni 2021 Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 zeigt sich, dass im Kreis Düren im SGB III mit einer Stei- gerung von 41 % im Juni 2020 der Höhepunkt der Erwerbslosigkeit erreicht wurde, während im SGB II mit 10 % der größte Aufwuchs im Dezember 2020 zu verzeichnen war. Bei einer Gegenüber- stellung der Arbeitslosenzahlen der Monate Juni 2019 und Juni 2021 liegt der Anstieg im SGB III noch bei 17 % und im SGB II bei lediglich 4,5 %. Die mittel- bis langfristigen Folgen der Corona-Krise auf den regionalen Arbeitsmarkt lassen sich derzeit schwer einschätzen. Gegenüber dem Vorjahr schrumpfte laut einer Schätzung des "Sta- tistischen Bundesamtes" das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 infolge der Pandemie um rund 5 %. Nachdem sich die Konjunktur in Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2020 zunächst et- was erholt hatte, führte die Corona-Krise zum Jahresbeginn 2021 zu einem erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung.20 Eine entsprechende Prognose geht davon aus, dass dieser konjunkturelle Einbruch bei weiterhin niedrigen Inzidenzwerten in 2022 überwunden sein wird.21 20 Statistisches Bundesamt am 30.06.2021, -5,0 % im Vergleich zum 4. Quartal 2019 21 DIW am 31.07.2020 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 13
Rahmenbedingungen 2022 Konjunkturelle Aussichten Eine branchendifferenzierte Einschätzung der Einstellungsbereitschaft der regionalen Unterneh- men für das Jahr 2021 ist angesichts der derzeitigen Situation nur sehr eingeschränkt möglich. So beschreibt die jüngste Konjunkturumfrage der IHK Aachen22 vom Frühjahr 2021 die Folgen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft in der Region. Nach dem konjunkturellen Einbruch im Jahr 2020 zeichnet sich eine Erholung ab. Die Lagebeurteilung der Unternehmen steigt im Vergleich zum Vorjahr deutlich an, der Wert erreicht fast das Niveau der Zeit vor der Pandemie. Allerdings liegt die Einschätzung weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittel. Auch die aktuellen Einschätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Sachverständigenrates der Wirtschaft23 sowie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs- forschung (IAB) fallen positiv aus. So steigt das Arbeitsmarktbarometer deutlich, da die Betriebe aufgrund der sinkenden Infektionszahlen und des Anspringens der weltweiten Konjunktur eine Erholung am Arbeitsmarkt erwarten.24 Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedoch, dass der Kreis Düren solche positiven Entwicklungen erst mit einem deutlichen zeitlichen Abstand verzeichnet. Im Kreis Düren berichtet die Mehrzahl der Betriebe von einer positiveren Geschäftslage. 35 % melden, dass sich Ihre Lage verbessert hat, 15 % der Unternehmen sind weiterhin unzufrieden. Erfolgreiche Geschäfte vermelden insbesondere die Industrieunternehmen und Dienstleister, die mit einer anhaltenden Verbesserung rechnen. Auch im Einzelhandel sind die Aussichten positiv, ganz im Gegensatz zum Großhandel, der mit deutlichen Einbußen rechnet. Teilweise wird in die- sem Bereich mit Betriebsschließungen und Insolvenzen gerechnet.25 Die in einer Reihe von Branchen positive Entwicklung führt allerdings noch nicht zu einer erhöh- ten Investitionsbereitschaft; nur knapp ein Drittel der Unternehmen wollen ihre Investitionen in den nächsten Monaten erhöhen, 13 % planen weitere Einsparungen. Allerdings haben ca. 30 % 22 Konjunktur in der Region Aachen, Umfrage Frühjahr 2021 (IHK Aachen, Stand: Mai 2021) 23 Kölner Stadt-Anzeiger vom 05. Juli 2021 24 Presseinformation des IAB vom 28.06.2021 25 Konjunktur in der Region Aachen, Umfrage Frühjahr 2021 (IHK Aachen, Stand: Mai 2021) 14 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 der Unternehmen vor, wieder neues Personal einzustellen, nur 15 % gehen von einem weiteren Personalabbau aus.26 Der Ausbildungsmarkt steht aufgrund der Corona-Pandemie unter Druck. Der erneute Lockdown im Herbst 2020 traf sowohl die Unternehmen als auch die Bewerber*innen. Mit erheblichen ge- meinsamen Anstrengungen, die Jugendlichen zu erreichen, konnte ein Corona-Jahrgang weitge- hend verhindert werden. Auch in diesem Jahr arbeiten alle Partner*innen am Ausbildungsmarkt an diesem Ziel. Bundesweit haben in der Halbjahresbilanz zum Ausbildungsmarkt seit Oktober 2020 bis Ende März 2021 ca. 322.000 Bewerber*innen die Ausbildungsvermittlung der Jobcenter und Ar- beitsagenturen in Anspruch genommen, das sind bei einer nahezu gleichbleibenden Zahl von Schulabgänger*innen ca. 46.000 Jugendliche (-12,5 %) weniger als im Vorjahreszeitraum.27 Erfreu- licherweise ist im Bezirk der Agentur für Arbeit Aachen-Düren im gleichen Zeitraum mit 5.387 ausbildungssuchenden Jugendlichen "nur" ein Minus von 5,8 % (334 Personen) zu verzeichnen. Der aktuelle Rückgang der Ausbildungsbewerber*innen ist vermutlich in erster Linie auf eine er- hebliche Zahl junger Menschen zurückzuführen, die in den Zeiten der Pandemie zunächst "verlo- ren" gegangen sind. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig – sie umfassen u.a. home- schooling, Lernrückstände insb. bei bildungsferneren Jugendlichen, Motivationsverlust, Frustra- tion aufgrund gefühlter Aussichtslosigkeit der Ausbildungssuche und coronabedingt fehlende Angebote zur Berufsorientierung (z.B. Betriebserkundungen, Orientierungstage, Praktika, Ausbil- dungsmessen). Auch bei den betrieblichen Ausbildungsstellen verzeichnet die Agentur für Arbeit Aachen-Düren für den gesamten Agenturbezirk gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Rückgang. Im Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021 wurden dem gemeinsamen Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur Konjunktur in der Region Aachen, Umfrage Frühjahr 2021 (IHK Aachen, Stand: Mai 2021) 26 BA-Statistik – Ausbildungsmarkt (Monatszahlen Deutschland März 2021) und Arbeitsmarktreport (Monatszahlen 27 Düren März 2021) Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 15
Rahmenbedingungen 2022 und Jobcentern in der Region insgesamt 5.457 Ausbildungsstellen gemeldet, 4,1 % (233) weniger als im Vorjahr.28 Damit stellt sich auch hier die regionale Situation leicht günstiger dar als die bundesweite Ent- wicklung. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in Deutschland lag Ende März 2021 mit 415.311 um 7,1 % unter dem Vorjahresstand. In der Zwischenbilanz ist zu erkennen, dass die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zwar ange- spannt ist, ein großer Einbruch aber bisher verhindert werden konnte. Im Bezirk der Arbeitsagen- tur Aachen-Düren kamen Ende März 2021 auf eine*n Bewerber*in durchschnittlich 1,01 Ausbil- dungsstellen (Vorjahr: 0,99), deutschlandweit lag dieses Verhältnis bei eins zu 1,29. Allerdings bieten viele Berufszweige, die, wie Finanzdienstleistungen, IT, Lebens- und Genuss- mittel oder das Handwerk, gestärkt aus der Krise hervorgehen, in geringerem Maße Ausbildungs- plätze an. Andere Bereiche, die von der Corona-Krise stark betroffen sind, wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, haben ihre Ausbildungsaktivitäten für 2021/2022 stark zurückgefahren. Weitere Branchen, wie die alt eingesessene Dürener Papierindustrie sind von der Pandemie nicht durchgängig beeinträchtigt, treffen jedoch mit ihren Angeboten nicht auf entsprechende Berufs- wünsche potenzieller Ausbildungsplatzbewerber*innen. Diese Passungsprobleme, das Phäno- men, dass Ausbildungswünsche und Stellenangebote sowie Anforderungs- und Qualifikations- profile auseinanderklaffen, wird auch in Zukunft die Ausbildungsmarktakteure fordern. Ver- schärft wird diese Situation durch den demografisch bedingten Rückgang der Zahl der Abgangs- schüler*innen, der zu einer Abnahme von Ausbildungsplatzbewerber*innen führt sowie durch die besonderen Probleme eines ländlichen Flächenbezirks (z.B. Mobilität). Gemeinsam mit allen Ausbildungsmarktakteuren, den Kammern, der Agentur für Arbeit und den regionalen Bildungsträgern gilt es, die Probleme des Ausbildungsmarktes in den Fokus zu neh- men, um Ausbildungsbetriebe zu unterstützen und Ausbildungsinteressent*innen auf den Be- werbungsprozess und Ausbildungsanforderungen vorzubereiten. 28 Von den im Ausbildungsmarktberichtsjahr 2020/2021 gemeldeten Ausbildungsstellen waren Ende März noch 3.208 unbesetzt. 16 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Ein weiteres Unterstützungsangebot für Betriebe stellt auch im aktuellen Ausbildungsjahr das Bundesprogramm "Ausbildungsplätze sichern" dar, das allerdings aufgrund der sehr eng gefass- ten Anspruchsvoraussetzungen, nicht im erhofften Maß angenommen wird. Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit im SGB II Seit Beginn der Pandemie verschlechterten sich die Aussichten der Menschen im SGB II Bezug auf Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung spürbar. Dies führte im weiteren Verlauf zwar nur zu einem verhaltenen Anstieg der Arbeitslosigkeit im SGB II, jedoch zu einer deutlich anwachsenden durchschnittlichen Dauer der Erwerbslosigkeit und infolgedessen zum Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Im Juni 2020 lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen in Düren bei 51,6 %, in NRW bei 48,6 % und bundesweit bei 42,8 %. Im Juni 2021 wird der Anteil der Langzeitarbeitslosen im SGB II bundesweit bereits mit 55,7 % und im NRW-Landesschnitt mit 59,9 % ausgewiesen. Für den Kreis Düren werden 58,3 % verzeichnet, ein Wert, der klar über dem Bundesschnitt und den Prozentsätzen des Nachbarkreises Heinsberg (41 %) und der Städteregion Aachen (48 %) liegt, allerdings unter dem NRW-Schnitt bleibt.29 Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit 2020/2021 Bund 42,8 % 55,7 % NRW 48,6 % 59,9 % Düren 51,6 % 58,3 % Quelle: BA-Statistik, Datenstand: Juni 2021 29 Bestand an Langzeitarbeitslosen, Statistik Service West, Stand: Juni 2021 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 17
Rahmenbedingungen 2022 Ein noch auffallenderes Bild zeigt sich im Bereich der jungen Erwachsenen: Der Anteil langzeit- arbeitsloser Jugendlicher an allen arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren liegt im Kreis Düren bei 35,6 % und damit deutlich über dem Nachbarkreis Heinsberg (18,5 %), der Städteregion (20,6 %) und dem Landesschnitt NRW (27,3 %). Langzeitarbeitslosigkeit U25 im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit U25 35,6% 27,3% 20,6% 18,5% Düren NRW Städteregion Aachen Heinsberg Quelle: BA-Statistik, Datenstand: Juni 2021 Besonders auffällig ist im Vergleich der Anteil von jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahren, die ohne Abschluss aus dem Schulsystem ausgeschieden sind. Dieser liegt im Kreis Düren mit 36 % über dem NRW-Schnitt von 32 % und erkennbar höher als in den benachbarten Regionen Aachen (25 %), Euskirchen (26 %) oder Heinsberg (25 %).30 Der Zusammenhang ist offensichtlich: Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, droht Langzeitarbeitslosigkeit, da Ihre Integrationschancen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt stark eingeschränkt sind. Auch auf der Grundlage dieser Analyseresultate setzt die job-com im Jahr 2022 einen besonde- ren Akzent auf die Integrationsarbeit mit jungen Erwachsenen. 30 Statistik-Service-West, Datenstand: Mai 2021 18 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Bereits in der Vergangenheit waren Menschen im SGB-II-Leistungsbezug von konjunkturellen Kri- sen überproportional betroffen. Die aktuelle Corona-Krise zieht, mit Ausnahme einiger system- relevanter Aktivitäten, vor allem Sektoren in Mitleidenschaft, die die physische Präsenz der Mit- arbeiter*innen erfordern und vom Lockdown besonders betroffen sind (z. B. Hotel- und Gastro- nomiegewerbe). In diesen Branchen arbeiten viele Menschen ohne berufliche Qualifikation mit niedrigen Einkünften, vielfach auch in einem Minijob. So ist bundesweit die Zahl der Arbeitsplätze im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung im März 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 810.767 oder 12,7 % gesunken und lag Ende März im ge- werblichen Bereich bei 5.567.771.31 Obwohl die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft und die Lage in Deutschland noch nicht endgültig abzusehen sind, ist zu erwarten, dass eine positive Entwicklung der Arbeits- marktintegration von langzeitarbeitslosen Menschen, die in der Regel nur über schwache soziale Netzwerke verfügen, auch im Jahr 2022 deutlich gebremst sein wird. 31 1. Quartalsbericht der Minijobzentrale der Knappschaft Bahn-See 2021 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 19
Rahmenbedingungen 2022 Kundenstruktur und Kundenpotenziale Die Ansätze, die die job-com bei ihrer Integrationsarbeit verfolgt, die besonderen Handlungsfel- der, Schwerpunkte und Zielgruppen des "Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramms" sind ab- hängig von der Struktur und den Potenzialen der Menschen, die im Kreis Düren SGB II-Leistungen erhalten. Im Mai 2021 lag die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Kreis Düren bei insgesamt 15.191 Personen32. Die nachfolgende Abbildung zeigt einige grundlegende Strukturmerkmale der job-com-Kund*innen: Strukturmerkmale 50% 50% 34% 26% 26% 19% 11% 4% Quelle: KRISTALL, Stand: 14.06.2021 32 Arbeitsmarktreport Düren, Datenstand: Mai 2021 20 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Die meisten Werte bewegen sich seit Jahren auf einem in etwa gleichbleibenden Niveau. Anders verhält es sich mit dem Anteil der sog. Ausländer*innen33 im SGB II, der aufgrund der Anerken- nung von Menschen, die seit 2015 insbesondere vor dem Bürgerkrieg in Syrien flüchteten, seit 2016 um rund 9 % anstieg. Ein Blick auf die Integrationschancen der Betroffenen zeigt, das nur 28 % der job-com-Kund*in- nen kurzfristig in eine Ausbildung oder in Erwerbstätigkeit vermittelt werden können. 72 % sind dagegen als eher marktfern einzustufen und nur mittel- bis langfristig in den Arbeitsmarkt integ- rierbar. Auch dieses Verhältnis zeigt sich über Jahre konstant. Marktnahe und marktferne Kund*innen Personalvermittlung (marktnah) 28% Fallmanagement (marktfern) 72% Quelle: KRISTALL, Stand: 14.06.2021 34 Um dieser ungünstigen Relation entgegenzuwirken, unterstützen die job-com-Teams für junge Erwachsene mehr als 1.200 Schüler*innen35 aus SGB II-Familien bereits ab Vollendung des 15. 33 "Dazu zählen alle Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, d. h. nicht die deutsche Staats- angehörigkeit besitzen. Zu ihnen zählen auch die Staatenlosen und die Personen mit ungeklärter Staatsangehörig- keit. Deutsche, die zugleich eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, gehören nicht zu den Ausländer*innen.", www.destatis.de 34 KRISTALL-Analyse aller Altersgruppen ohne "Integratives Fallmanagement" und "Schüler*innen"; Stand: Juni 2021 35 KRISTALL-Analyse, Stand: Juni 2021 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 21
Rahmenbedingungen 2022 Lebensjahres. In der Beratungsarbeit gehören die schulische Situation, die Möglichkeit der Nut- zung der Lernförderung des Bildungs- und Teilhabepaktes (BuT), die berufliche Orientierung, die duale Ausbildung sowie Informationen zu weiteren Bildungsgängen zu den zentralen Themen. Zu Beginn des Jahres 2021 wurde das Verfahren zur Betreuung von Schüler*innen modifiziert. Es wird nun noch mehr Wert auf den sehr frühzeitigen regelmäßigen persönlichen oder telefoni- schen Kontakt mit den jungen Menschen gelegt, der bereits während der Schullaufbahn greift. Dadurch sollen entstehende Probleme zeitnah erkannt und unter Einsatz aller zur Verfügung ste- henden Mittel (z.B. Beratungsstellen, Lernförderung) und in enger Kooperation mit den Netz- werkpartnern (z.B. Schule, Schulsozialarbeiter*innen, Arbeitsagentur, Koordinator*innen für Stu- dien- und Berufsorientierung) bearbeitet werden. So wird in den Gesprächen u.a. eine mögliche Gefährdung der Versetzung in die nächste Jahr- gangsstufe thematisiert und betroffenen Schüler*innen aktiv die Teilnahme an Maßnahmen zur Lernförderung (BuT) unterbreitet. Neben der Benennung, geeigneter Anbieter und der Vermitt- lung von entsprechenden Kontakten soll auch die Zusammenarbeit mit den Schulsozialarbei- ter*innen intensiviert werden. Um die Jugendlichen im Allgemeinen und insbesondere infolge von Corona besser zu erreichen, plant die job-com u.a. perspektivisch präventiv mit Integrationsfachkräften regelmäßig an be- stimmten Schulen (Hauptschulen, Berufskollegs) im Kreisgebiet präsent zu sein.36 Die Marktferne von fast drei Viertel der Kund*innen des Jobcenters hat verschiedene Gründe: Ein Blick auf die Schulkarriere der Betroffenen zeigt, dass weit mehr als ein Drittel der Erwachse- nen37, die die job-com unterstützt, keinen Schulabschluss besitzen. 36 siehe Exkurs "Junge Erwachsene und die Auswirkungen der Coronapandemie" 37 KRISTALL-Analyse der 22- bis 65-Jährigen, Stand: Juni 2021 22 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Schulkarrieren Erwachsene (22 - 65 Jahre) Abitur 4% 3% 4% Fachhochschulreife mittlere Reife 15% qual. Hauptschulabschluss 39% 5% Hauptschulabschluss Abschluss der Förderschule 28% kein Schulabschluss 2% kein Schulbesuch Quelle: KRISTALL, Stand: 18.06.2021 Noch deutlicher spiegelt sich die Marktferne vieler job-com-Kund*innen bei der Betrachtung der beruflichen Qualifikationen: Berufliche Qualifikationen Erwachsene (über 25 Jahre) 1% betriebliche/außerbetriebliche Ausbildung 24% Berufsfachschule 1% in Deutschland nicht anerkannte Berufsausbildung 3% ohne abgeschlossene 71% Berufsausbildung in Deutschland nicht anerkannter Hochschulabschluss Quelle: KRISTALL, Stand: 14.06.2021 38 38 KRISTALL-Analyse der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten über 25 Jahren, Stand: Juni 2021 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 23
Rahmenbedingungen 2022 68 % der erwachsenen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die älter als 25 Jahre sind, besitzen keine abgeschlossene Berufsausbildung und sind somit i.d.R. nur schwer in eine Beschäftigung integrierbar. Für Kund*innen, die das entsprechende Potenzial besitzen, steuert die job-com mit der Intensi- vierung arbeitsmarktnaher abschlussorientierter Qualifizierungen und der Ausbildungsvermitt- lung gegen diese Entwicklung. Ziel ist eine nachhaltige und möglichst bedarfsdeckende Einglie- derung in den Arbeitsmarkt. Sowohl aufgrund der Erkenntnisse zum Themenkomplex Schulabschluss und Langzeitarbeitslo- sigkeit als auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der besonderen Betroffenheit junger Men- schen während der Coronapandemie wird die Zielgruppe der (langzeit-)arbeitslosen jungen Er- wachsenen 2022 besonders im Fokus stehen. Betrachtet man die Gruppe der jungen Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren, so ist auch hier festzustellen, dass ein Anteil von 66 %, also zwei Drittel, nicht über einen Berufsabschluss verfügt und nur 15 % der Personen in dieser Altersgruppe eine Ausbildung abgeschlossen haben. Berufliche Qualifikationen Junge Erwachsene zwischen 25 und 34 Jahren 3% 17% 2% betriebliche / außerbetriebliche Ausbildung 1% in Deutschland nicht anerkannte Berufsausbildung in Deutschland nicht anerkannter Hochschulabschluss ohne abgeschlossene Berufsausbildung 77% sonstige Quelle: KRISTALL, Stand: 18.06.2021 39 39 KRISTALL-Analyse der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zwischen 25 und 34 Jahren, Stand: Juni 2021 24 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Die hier ausgewiesenen 15 % der Kund*innen, die über einen beruflichen Abschluss verfügen, stellen ein Potenzial dar, das bereits in den vergangenen Jahren bei Vermittlungsaktivitäten der Integrationsfachkräfte in den Fokus genommen wurde. Die intensive Beschäftigung mit dieser Zielgruppe zeigte, dass ein erheblicher Teil dieser jungen Erwachsenen in hohem Maße unter Einschränkungen körperlicher oder psychischer Art leidet und eine Integration oft nur mittel- bis langfristig möglich ist. Exkurs. Junge Erwachsene und die Auswirkungen der Corona-Pandemie Die Corona-Pandemie bestimmt seit dem Frühjahr 2020 weitgehend das private und gesellschaft- liche Leben der Menschen in aller Welt. Eine aktuelle Studie des Forschungsverbundes der Universitäten Hildesheim und Frankfurt be- legt, dass insbesondere junge Erwachsene die mit der Pandemie einhergehenden Einschränkun- gen als sehr belastend und einschneidend erlebt haben.40 Besonders hart trifft es demnach junge Menschen, die bereits vor Corona sozial benachteiligt waren. Die Jugend ist eine entscheidende Lebensphase, in der vor allem drei Kernherausforderungen gemeistert werden müssen:41 1. Erlangung einer Allgemeinbildung sowie beruflicher und sozialer Handlungsfähigkeit (Qualifizierung) 2. Übernahme von soziokultureller, ökonomischer und politischer Verantwortung (Verselb- ständigung) 3. Selbstpositionierung durch das Erreichen einer Balance zwischen individueller Freiheit und sozialer Zugehörigkeit Durch die Pandemie konnten diese Herausforderungen von vielen jungen Menschen nicht oder nur eingeschränkt bewältigt werden. 40 "Das Leben von jungen Menschen in der Corona-Pandemie – Erfahrungen, Sorgen, Bedarfe", Bertelsmann-Stiftung 2021 41 Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Dezember 2016 Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 25
Rahmenbedingungen 2022 Schulische Bildung und berufliche Orientierung liefen vielfach auf "Sparflamme". Verselbständi- gung, z.B. der Auszug aus dem Elternhaus, wurde aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Situ- ation vieler junger Menschen zurückgestellt. Individuelle Freiheiten wurden durch politische Maßnahmen beschnitten und mussten lange Zeit zurückgestellt werden. Die bereits vor Corona vorhandene Komplexität jugendlicher Lebenswelten wurde durch die Pan- demie noch einmal deutlich verstärkt. Dies führte bei vielen jungen Erwachsenen zu Zukunfts- ängsten und sozialen Rückzugstendenzen. In den Beratungskontexten der job-com werden die o.g. Auswirkungen deutlich spürbar. Junge Menschen sind für die Integrationsfachkräfte teilweise nicht mehr zu erreichen. Psychische Be- lastungen nehmen in den Gesprächen einen deutlich größeren Raum ein. Die Unsicherheit im Hinblick auf die Berufswahl steigt. Ein ganzheitlicher Blick auf die Lebenswelt junger Menschen, der sich nicht auf die Räumlich- keiten des Jobcenters begrenzen kann, ist heute wichtiger denn je. Im Zuge einer verstärkten Sozialraumorientierung wird die job-com zukünftig und zunächst pilothaft dort den Kontakt zu jungen Menschen suchen, wo diese zu finden sind, z.B. in bestimmten Schulen sowie in Einrich- tungen der Jugendsozialarbeit. Dies führt gleichzeitig zu einer weiteren rechtskreisübergreifen- den Vernetzung mit Akteuren und Institutionen die ebenfalls mit der Zielgruppe junger Erwach- sener arbeiten. Durch dieses Vorgehen sollen Hilfen und Angebote früher und damit effektiver platziert werden. Dies kann zum einen präventive Wirkung entfalten (z.B. im Hinblick auf die Un- terstützung zur Erreichung eines Schulabschlusses) zum anderen auch Anschlussperspektiven schaffen (z.B. durch passgenaue Maßnahmeangebote).42 42 siehe "Kundenstruktur und Kundenpotenziale" 26 job-com Kreis Düren
Rahmenbedingungen 2022 Integrationsbudget Das der job-com vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zugewiesene Eingliede- rungsbudget ist seit 2019 im Zuge der Umsetzung des sog. "Teilhabechancengesetzes" deutlich gestiegen und wird voraussichtlich auch im Jahr 2022 in vergleichbarem Umfang zur Verfügung stehen. Allerdings sind durch die erfolgreiche Arbeit mit diesem neuen Regelinstrument in den kommenden Jahren bereits erhebliche Mittel gebunden. Damit neben den bewährten Unterstützungsangeboten auch eine weitere erfolgreiche Umset- zung des "Teilhabechancengesetzes" und die Bewältigung der Corona-Krise gewährleitstet wer- den kann, sollte seitens des Bundes bei steigenden Fallzahlen eine Anpassung der Budgets für die Jobcenter erfolgen. Integrationsbudget 2015 - 2021 20 € 18,3 Mio. 18,3 Mio. 18,3 Mio. Millionen 18 € 16,7 Mio. 16 € 14 € 11,8 Mio. 12,0 Mio. 11,8 Mio. 12 € 10,8 Mio. 10 € 8€ 6€ 4€ 2€ 0€ 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Eingliederungsbudget Umsetzung Teilhabechancengesetz Quelle: interne Analyse Finanzcontrolling Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 27
Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung Grundsätzliches Ziel der job-com ist es, die Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten zu stärken und dazu beizutragen, dass diese ihren Lebensunterhalt soweit möglich unabhängig von Transferleistungen aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Die (Re-)Integration der Menschen in den Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt auf direktem Wege oder über Stabilisierung, Coaching und Qualifizierung steht im Mittelpunkt. In Abhängigkeit von den Bedarfen der regionalen Wirtschaft und den Unterstützungserfordernis- sen der Kund*innen, setzt die job-com auf eine zielgerichtete Integrationsarbeit mit folgenden Handlungsfeldern: Integration in den sog. ersten Arbeitsmarkt Wirksame Unterstützung arbeitsmarktnaher Kund*innen Forcierung abschlussorientierter Qualifizierungen Förderung von Teilqualifizierungen Weitere Stärkung der Gesundheitsförderung Festigung des "Dürener Integrationszentrums für Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung" (DIZ) Reduzierung von Langzeitleistungsbezug und Langzeitarbeitslosigkeit Ressourcenorientierte Ausrichtung der Integrationsarbeit Im besonderen Fokus stehen infolgedessen:43 Jugendliche und junge Erwachsene Menschen mit physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung Menschen mit Familienverantwortung bzw. alleinerziehende Frauen und Männer Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsbeziehende 43 Überschneidungen sind impliziert 28 job-com Kreis Düren
Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung Die Aktivitäten der Integrationsfachkräfte sind auf die Anliegen und Bedarfe der Kund*innen ab- gestimmt. Für die individuelle Unterstützung hält die job-com ein Spektrum von Lösungsmög- lichkeiten vor. Einen Schwerpunkt bildet das breit gefächerte Projektportfolio zur Integration in den Ausbil- dungs- bzw. Arbeitsmarkt, dessen Methoden von Assessments, über Stabilisierung, Coaching, Vermittlungsunterstützung, außerbetriebliche Ausbildung, dritt- bzw. kofinanzierte Förderung bis hin zu arbeitsmarktnahen Qualifikationen reichen. Unter Berücksichtigung der Kundenstruktur des Jobcenters, der erreichbaren regionalen Arbeits- marktsegmente und des wirtschaftlichen Einsatzes des Eingliederungsbudgets hat sich zur effek- tiven Unterstützung der job-com-Kund*innen ein Standardpaket von Arbeitsmarktmaßnahmen etabliert, das auch im Jahr 2021 mit den jeweils erforderlichen Anpassungen fortgeführt wird. Darüber hinaus entstehen aus aktuellen Bedarfen oder besonderen Problemlagen neue Ansätze und Projekte (z.B. zur aufsuchenden Arbeit). So gilt es im Jahr 2022 auf eine ganz besondere Herausforderung, die "Nachwirkungen" der Corona-Pandemie, zu reagieren. Langzeitarbeitslose Menschen, die häufig wenig soziale Kon- takte pflegen und junge Erwachsene, die bereits aufgrund verfestigter soziostruktureller Fakto- ren im besonderen Fokus der job-com stehen, haben unter den Einschränkungen der Pandemie besonders gelitten. Langzeitarbeitslose sehen ihre schon vor Corona relativ geringen Chancen auf eine Beschäfti- gung in weite Ferne gerückt, sind oft antriebslos und leben in einer anhaltenden gedrückten Stimmung. Bei Jugendlichen ist die soziale Ungleichheit durch die Pandemie weiter gewachsen, da Bildung in dieser Zeit noch extremer vom Elternhaus abhängig war bzw. ist. Für weniger motivierte und frustrierte Jugendliche hat sich die Situation besonders problematisch entwickelt. Dies zeigt sich auch darin, dass es im ersten Halbjahr 2021 für die Integrationsfachkräfte der job-com zuneh- mend schwieriger wurde, junge Erwachsene, die sich vielfach zurückgezogen haben, zu erreichen. Ziel der job-com ist es, an dieser Stelle anzuknüpfen, den Kontakt zu den Jugendlichen wieder- herzustellen, entstandene Probleme gemeinsam zu bearbeiten und sie auf dem Weg zum Schul- abschluss bzw. zu Ausbildung oder Arbeit unterstützend zu begleiten. Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 29
Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung Die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation infolge der Corona-Pandemie ist, insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das SGB II, auch im kommenden Jahr schwer einzuschätzen. Trotz positiver Prognosen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Sach- verständigenrats der Wirtschaft44 sind weder die weiteren Auswirkungen der Pandemie im Herbst/Winter 2021 und die Folgen des Auslaufens staatlicher Unterstützungsleistungen (z.B. Kurzarbeitergeld) noch die eventuell veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes (Stichwort Digitalisierung) vorhersehbar. Entscheidend für die Arbeit der job-com ist die Nachhaltigkeit der Integrationen: Abschlussori- entierte Qualifizierungen und die Kontinuität der Beschäftigung stehen im Vordergrund. Kontinuierliche Beschäftigung nach Integration Düren und NRW 64,7 64,9 62,4 62,0 61,9 60,3 60,7 60,0 59,8 59,9 59,3 58,5 Jan 18 Jun 18 Jan 19 Jun 19 Jan 20 Mai 20 Quelle: BA-Statistik, Datenstand: t-12, Mai 2021 Mit einer guten Quote der "Kontinuierlichen Beschäftigung nach einer Integration"45 von 60,7 % liegt das Jobcenter Düren deutlich über dem Landesschnitt von 58,5 % und somit auf dem fünften Platz im Ranking der 18 kommunalen Jobcenter in NRW.46 44 siehe "Vorbemerkung" 45 "[…] eine Beschäftigung nach Integration gilt als kontinuierlich, wenn die betreffende Person in jedem der sechs auf die Integration folgenden Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist." (Kennzahlen nach § 48a SGB II; Detailbeschreibungen Version 3.0; BA-Statistik) 46 BA-Statistik, Datenstand: t-12; Mai 2021 30 job-com Kreis Düren
Handlungsschwerpunkte und Zielgruppen Handlungsschwerpunkte und Zielgruppen Grundvoraussetzung für die zielführende Eingliederungsarbeit ist eine kundenfreundliche, qualitativ hochwertige und stabile Gewährung der finanziellen Unterstützung, die Menschen, die auf SGB II-Leistungen angewiesen sind, zusteht. Somit tragen die Mitarbeiter*innen der Leistungssachbearbeitung entscheidend zu den Integrationserfolgen des Jobcenters bei. Die Unterstützungsangebote der job-com zur (Wieder-)Eingliederung ins Erwerbsleben sind individuell und vielfältig und reichen von der Ermöglichung sozialer und beruflicher Teilhabe über die Entwicklung von Fachkräften bis zur Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung. Darüber hinaus beteiligt sich das kommunale Jobcenter zur Bündelung von Aktivitäten gemeinsam mit weiteren Akteuren der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere den regionalen Partner*innen, seit vielen Jahren an Fördervorhaben Dritter. Dies geschieht u.a. im Rahmen des "Europäischen Sozialfonds" (ESF), im Zuge von Bundes- und Landeprogrammen sowie kommunaler Programme. Beteiligungsmöglichkeiten der job-com reichen von Gremienarbeit über den Einsatz von Personal bis zur finanziellen Förderung eines Projektes (Kofinanzierung). Die Vorteile solcher Kooperationen gehen über das Monetäre weit hinaus: Drittmittelgeförderte Projekte bieten in der Regel inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten jenseits der Regulierungen des SGB II bzw. des SGB III. In der Förderperiode 2014 bis 2020 konnten die Kund*innen der job-com von zahlreichen Angeboten profitieren bzw. daran teilhaben. Beispielhaft zu nennen ist hier die ESF- Integrationsrichtlinie Bund mit ihren drei Strängen IdA47, IvAF48 und IsA49. Die low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft Düren mbH hatte im Rahmen aller drei Stränge Projektförderungen erhalten und entspechende Maßnahmen (WaLZ50, VORTEIL AACHen - DürEN51 & KuBIG52) umgesetzt. 47 IdA - Integration durch Austausch 48 IvAF - Integration von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen 49 IsA - Integration statt Ausgrenzung 50 WaLZ - Welt als Lernen für meine Zukunft 51 VORTEIL AACHen – DürEN - VORerfahrung sichern − TEILhabe ermöglichen, Ausbildung, Arbeit, CHancen Erkennen und NutzEN 52 KuBIG - Kultursensible Berufsgrundqualifizierung und Integration im Bildungszentrum für Gesundheitsberufe Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2022 31
Handlungsschwerpunkte und Zielgruppen Ziel der ESF-Integrationsrichtlinie Bund ist es, Personen mit besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Arbeit oder Ausbildung stufenweise und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zum Teil sind die Projekte wie z.B. in den Handlungsschwerpunkten IdA und IvAF über das Ende der Förderperiode hinaus verlängert worden. Dies ist insbesondere deshalb wichtig und wertvoll, weil noch keine abschließenden Unterlagen zu der neuen Förderphase des ESF Plus 2021 bis 2027 vorliegen. Bezogen auf das ESF-Bundesprogramm geht der Bund davon aus, dass ein durch die Europäische Kommission genehmigtes operationelles Programm für die ESF Plus-Förderperiode 2021 bis 2027 im Oktober 2021 vorliegen könnte. Förderaufrufe werden nach offizieller Genehmigung des ESF- Bundesprogramms sukzessive veröffentlicht.53 Erfahrungsgemäß ist nach einer Veröffentlichung eine schnelle Reaktion potenzieller Antragsteller*innen erforderlich, um für die Menschen im Kreis Düren bestmögliche zusätzliche und ergänzende Unterstützungsangebote zu realisieren. Infolgedessen wurde auch für 2022 ein "Innovationsbudget" in die Planung des Arbeitsmarktprogramms aufgenommen. Dieser Mittelansatz ist auch erforderlich, um auf die nicht absehbaren Entwicklungen der regionalen Wirtschaft, der Fallzahlen und der Kundenpotenziale der job-com flexibel reagieren zu können. Außerdem beeinflussen gesetzliche Änderungen den Mitteleinsatz gegebenenfalls unterjährig. Darüber hinaus sollen mit dem "Innovationsbudget" neue Ansätze und Modelle in Projekten erprobt werden. Geplant ist u.a. ein aufsuchendes Angebot für langzeitarbeitslose junge Erwachsene, die mit den Standardmaßnahmen bislang nicht wirksam erreicht werden konnten: Wie sieht die Lebenssituation der jugen Menschen aus? Wie geht es ihnen und was macht ihnen Sorgen? Was erwarten sie von der job-com? Gelingt es, sie an bestehende Angebote mit individueller Vorteilsübersetzung anzubinden oder braucht es neue Wege in der Unterstützungsarbeit ? Die Corona-Pandemie hat bestätigt und unterstrichen, dass Routinen aufgebrochen werden müssen und Handlungsbedarf besteht, das Angebot des Jobcenters noch stärker von den Kund*innen aus neu zu denken und zu gestalten. Ziel muss es sein, die 53 https://www.esf.de/portal/DE/Foerderperiode-2021-2027/foerderperiode-2021-2027.html 32 job-com Kreis Düren
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