ISSUE_10 AGILITÄT - HEITGER CONSULTING
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Editorial Issue_10 Heitger Agilität Consulting Agilität From Fragile to Agile Ohne das entstandene Leid und die verursachten Schäden verharmlosen zu wollen, lassen sich aus der Hochwasserkatastrophe des Junis wertvolle Schlüsse ziehen. Das Hochwasser und viel mehr noch seine Folgen sind das Resultat des Aufeinandertref- fens eines chaotischen Umfelds und starrer Strukturen. Extremereignisse, wie die den Überflutungen vorausgegangenen Niederschlagsmengen, lassen sich nie letztgültig vorhersehen – weder im Zeitpunkt, noch in der Vehemenz ihres Auftretens. Die vor- handenen Strukturen – Flussregulierungen, Staudämme, versiegelte Flächen – konnten dieser Wassermassen nicht Herr werden. Unregulierte Flüsse sind dagegen viel dyna- mischer in ihrer Anpassung an die Wassermassen. Sie bilden Schleifen und schaffen so begrenzte Überflutungsareale. Dieses dynamische Umfeld bietet so vor allem jenen Tieren und Pflanzen Lebensraum, denen es am besten gelingt, die Risiken dieses Umfelds zu minimieren und zugleich die Chancen am raschesten zu erkennen und zu ergreifen. Man kann Unvorhersehbares eben nicht vorhersehen. Man kann aber Strukturen schaf- fen, die es erlauben, schneller als bisher auf Chancen oder Gefahren zu reagieren. Das ist eben nicht nur eine defensive Strategie, um potentielle Verluste gering zu halten. Auch kann das Momentum einer Situation so schneller erfasst und genutzt werden. Der Schlüssel dazu: Agilität. Sowohl in turbulenten Krisenzeiten, als auch beim Zupacken, wenn ungeahnte Chancen auftauchen, sorgt sie für mehr Handlungsfähigkeit. Man muss sie zwar nicht neu erfinden, aber es ist an der Zeit, sie neu zu entdecken. Wenn man die richtigen Lehren aus den Turbulenzen der zurückliegenden Jahre gezogen hat, dann kommt man nicht umhin, Agilität mehr denn je einen zentralen Stellenwert zuzu- weisen. Wir laden Sie herzlich dazu ein, mit uns gemeinsam zu erkunden, was Agilität im Kleinen wie im Großen meinen könnte. Ihre Barbara Heitger und das Heitger Consulting Team 3 Strategie A Strategy to Change – Strategiearbeit und Agilität 8 Wandel „Life is Not a Rollercoaster“ – Es ist viel chaotischer 13 Wandel Scrum – Agile Methode 16 Führung WYSIWYG: What You See Is Where You Go! – Kommunikation als Schlüssel zu agiler Führung 18 Führung Wie die Bilder laufen lernen – Zu Besuch im Animationsstudio 23 Pioniere Video: „Agile-Change“ – Was ist das? Seite 2
Strategie Issue_10 Heitger Agilität Consulting A Strategy to Change – Strategiearbeit und Agilität A llein schon die Begrifflichkei- kontinuierliche Verbesserung passieren zu ten scheinen schwer mitei- lassen und Innovationsfähigkeit zu stabilisie- nander vereinbar. Strategie ren. Agilität braucht Selbstorganisation und meint längerfristig geplan- Erproben sowie eine klare Verankerung der te Verhaltensweisen zum Kernidentität. Erreichen definierter Ziele. Gerade jene Aspekte der Planbarkeit und Man muss das Rad nicht neu erfinden, nur Langfristigkeit scheinen nur schwer mit dem anders einsetzen Konzept Agilität, das mehr an Spontaneität, Was ist neu an Agilität? Konzepte lernender Beweglichkeit und Opportunität denken Organisationen oder Methoden zur Prozess- lässt, vereinbar. optimierung wie KANBAN beinhalten viele Doch die Entwicklungen der jüngsten Zeit der Elemente, die Agilität beansprucht. Aber werfen Fragen auf, die in ihrer Komplexität die Sache scheint nun einen neuen Dreh und Dynamik ihre Schatten auch auf Unter- zu bekommen. Was macht das Agilitäts- nehmen und ihr Umfeld werfen. Was pas- Konzept jetzt anders und so attraktiv? Aus siert mit Europa, was mit der Union? Welche unserer Sicht vor allem, dass die Dynamik, Entwicklungsrichtung nimmt die Globalisie- in der Unternehmen sich bewähren, volatil, rung? Wie wirkt sich die Krise der Politik und unsicher, komplex und vieldeutig ist. Unter- des Kapitalismus auf das Entstehen neuer nehmen werden umfassender und intensiver Werte in Organisationen aus? als bisher durch die gestiegenen Ansprüche Wenn man eine Lehre aus den Turbulenzen an Agilität gefordert. Viel mehr als bisher der letzten Jahre ziehen kann, dann dass geht es darum, Agilität als inhärente DNA in man schneller und kontinuierlich zentrale Strategie, Organisation, Führung und bei den Fragen stellen und jeweils geeignete Ant- Mitarbeiter_Innen zu verankern. Methoden worten finden muss, um den nächsten bes- wie Scrum tragen diese in sich und dieser seren Schritt zu tun: Wir wissen also eher, Entwicklung Rechnung. Es geht dabei auch was besser ist als jetzt. Zu wissen was „das um ein bewusstes Öffnen und Schließen Richtige“ ist, ist nicht mehr möglich. Agilität von Unternehmensgrenzen und -strukturen. wird so Teil der Unternehmensstrategie und Wohin solche Prozesse führen, ist selten be- der Strategieentwicklung selbst. Sie meint reits vorab erkennbar. Wie der Schmetterling damit vor allem die kollektive Fähigkeit im aussehen wird, wenn er geschlüpft ist, lässt Unternehmen, schnell und sensitiv Trends sich eben selten bereits am Kokon erahnen. und Entwicklungen wahrzunehmen, flexibel Damit ist auch mehr Mut gefragt, sich sorg- und wirksam marktgerechte Antworten zu fältig und achtsam auf neue Prototypen und geben – eben im Sinne des nächsten bes- Formen der Selbstorganisation einzulassen. seren Schritts („Responsiveness“). Es geht Für klassische Strategiearbeit stellt das ein an- auch darum, Agilität in Führung und Struktur spruchsvolles Unterfangen dar, gilt es doch, der Unternehmen selbst zu etablieren, um den Strategieprozess zu öffnen, in kürzeren Seite 3
Strategie Issue_10 Heitger Agilität Consulting A Strategy to Change Zyklen oder kontinuierlich Strategiearbeit zu 2) Von Produkte und Services designen zu leisten und die Ergebnisse strategischer Pilots Kundenerfahrungen designen: iterativ einzubauen. Individualisierte Produkte/Services samt Als erste Erkenntnis kann also gelten, dass entsprechender Beratung und Betreuung. sich auch die Verpuppung – der Weg von Konsument_Innen werden zu co-creativen, der Idee zur Strategie und ihrer Umsetzung – co-innovativen Klient_Innen. Erfolgreiche selber im Wandel befindet. Co-Creation wird Unternehmen designen Kundenerfahrungen ein immer wichtigerer Aspekt in der Strate- und müssen also ganz nah an oder besser in giearbeit. Sie stellt eine Provokation dar, sie die Welt der Kunden eintauchen. ist eine immense Herausforderung für be- stehende Arbeitspraxen in Strategieabteilun- 3) Von Hierarchien zu „Communities“: gen. Es fällt nicht immer leicht zu entschei- Gleichrangig – unabhängig von Titel und Er- den, in welche Richtung Hebel umgelegt fahrungshorizont – werden in kollaborieren- werden müssen: von Schließen auf Öffnen den Gemeinschaften Lösungen für komplexe und von Hüten auf Teilen, oder zurück? Noch Fragestellungen entwickelt: bereichs- und schwieriger ist es schließlich, Vertrauen in die ebenenübergreifend, oft auch in Gemein- verantwortungsvolle Nutzung gemeinsam schaften (d. h. mehr/anders als Teams) mit erstellter Ergebnisse zu gewinnen. Externen. Co-Creation per se ist aber ein Prozess, der Vertrauen braucht: Mitarbeiter_Innen 4) Von Entscheiden und Umsetzen zu müssen darauf vertrauen können, dass es Co-Creation: Führungskräften damit wirklich ernst ist. In Diskursen auf Augenhöhe (als „peers“) Das braucht eine klare Zielrichtung, ein fallen Idee, Planung und Umsetzung zusam- klares Bekenntnis und auch die nötigen men – nicht umsonst gewinnt „Design Thin- Ressourcen und Spielregeln, um auch Fehler king“ als Ansatz der Diagnose und Idee des machen zu können – und nicht zuletzt Dia- schnellen Erprobens – ganz eng und zeitnah logbereitschaft. Im agilen Strategieprozess miteinander verwoben – an Bedeutung. bedeutet Co-Creation das Mitwirken von Mitarbeiter_Innen (nah am Markt oder an 5) Von geschlossener F&E zu Open Innovation: für die Strategie wichtiger Expertise), von Das Teilen von Wissen und der Rechte an Kund_Innen und Wertschöpfungspartnern. geistigem Eigentum mit Kund_Innen, Part- Die Frage wessen Perspektiven in diesen ner_Innen oder der Allgemeinheit ist nicht Prozess wann und wie Eingang finden, muss altruistisch, sondern steigert vielfach Wert- stets aufs Neue beantwortet werden. schöpfungspotentiale. Offene Plattformen werden vermehrt für neue Ideen, Weiterent- Next Generation Enterprise wicklungen, Verknüpfungen, etc. genutzt. Wie sieht das Unternehmen der Zukunft aus, für das agile Strategiearbeit sinnvoll ist? 6) Von Personen managen zu Talente- Was zeichnet ein solches „Next-Generation Communities nutzen: Enterprise“ (NGE) aus? Es sind vor allem die Kooperation mit Expert_Innen und High- folgenden Trends und Spannungsfelder, die Potentials ist überall und jederzeit in unter- die Entwicklung solcher Unternehmen be- schiedlichsten Formen möglich (Bsp. Social- schäftigen und ein Nachdenken über Agilität Work-Plattform „Jovoto“). anstoßen. 7) Von multinational zu global: 1) Von wertschöpfenden Einzelunternehmen „Think and act global“: zu wertschöpfenden Netzwerken: Ressourcen, Kompetenzen, Talente. Tech- Fortschreitende Spezialisierung der Unter- nische Voraussetzungen lassen Arbeit und nehmen (Kerngeschäft) erzeugt intensive Ko- Zusammenarbeit global werden – was prägt operation in Netzwerken von Unternehmen. dann die Kultur (wenn nicht mit eigener Seite 4
Strategie Issue_10 Heitger Agilität Consulting A Strategy to Change Kultur weltweit tätig dann „multidomestic“)? Wirtschaftslogik hinaus wieder mehr in ihrer Wie gut gelingt es, Strategie und Steuerung gesellschaftlichen Verantwortung gefragt. global auszurichten – mit welchen Transak- tions- und Komplexitätskosten? Anhaltspunkte zur Umsetzung Strategiearbeit braucht daher anspruchs- 8) Von Undurchsichtigkeit zu Transparenz: volle – flexible und robuste – Dialogfor- Nicht nur die Kund_Innen werden gläsern – mate und Netzwerkfähigkeit, um die oben auch die Unternehmen selber. Wer der angeführten Dynamiken angemessen ernst Wertschöpfung konsequent Werte beistellt, zu nehmen. Simple, einfache Regeln für hat nichts zu verstecken. Web 2.0 kann alles, das „Wie“ beim Umgang mit Komplexität was ein Unternehmen tut blitzartig weltweit helfen, eine kollektive Ausrichtung und ein bekannt machen und nicht steuerbare Reak- gemeinsames Verständnis über die Kern- tionen erzeugen. identität des Unternehmens sicherzustellen. Es braucht Antworten auf die Fragen: „Wer 9) Vom Wissensmanagement zu kollektiver sind wir? Was tun wir? Für wen? Wofür gibt Intelligenz: es uns? Was sind unsere Ziele?“. Die flexible Abgeschottete und spezialisierte Wissens- Konkretisierung braucht Vertrauen, kollektive produktion wird zu einer lebendigen Basis Arbeitsfähigkeit und die oben skizzierten kollektiver Intelligenz – mit Anteilen inner- neuen Arbeitsformate neben und ergänzend halb und außerhalb des Unternehmens. Wie zu, manchmal auch anstatt, klassischer Stra- gelingt es, eigenes Wissen zu schützen, wo tegiearbeit der Expert_Innen. Die Strategie- macht Teilen und Öffnen Sinn? umsetzung erfordert aber Disziplin und – das ist neu – permanente Kommunikation. Dis- 10) Von krisenrobust zu agil und resilient: ziplin meint auch Rituale, die Abstimmung Defensive Unternehmensmechanismen institutionalisieren, Geleistetes visualisieren werden um proaktives, schnelles Agieren er- und so für alle klar ersichtlich die Gesamt- gänzt. Dafür braucht es einen hohen Grad an situation markieren. Diese Funktion ist wohl Selbstorganisation (Lernen von Schwärmen) einer der wichtigsten gemeinsamen Nenner bei klarer gemeinsamer Ausrichtung. unterschiedlicher agiler Methoden. Perma- nente Kommunikation, um den kontinuierli- 11) Von besser durch schneller und mehr zu chen Strategie- und Umsetzungsprozess, die besser durch cleverer: ja jetzt miteinander verwoben Hand in Hand Im Tagesgeschäft müssen Formate gefunden gehen, optimal aufeinander zu beziehen. werden, die die vorhandenen Ressourcen Mit seiner effizienten Interaktions- und seiner passgenau nutzen. Je nach Situationsbe- starken Umsetzungsorientierung kann etwa darf gibt es kollaborative Formate und ein Scrum eine hilfreiche Methode sein. Die definiertes Kontingent an Zeit, Raum und Methode spielt dabei mit dem Paradoxon weiteren Ressourcen zur Reflexion (statt von Freiheit und Begrenzung und liefert eine eines puren Aktionismus und endlos langer Balance: Sowohl die totale Freiheit, wie die Analyseschleifen). totale Begrenzung sind lähmend (siehe Arti- kel „Wandel“, Seite 8 ff.). 12) Von Fokus nur auf Wirtschaftslogik zu Kernidentität im Kontext: Agilität und Muße Ein Wertewandel in Richtung Nachhaltig- Hohes Tempo, operative Hektik, Inflation von keit, Verantwortung und Anerkennung des Projekten erzeugen einen Sog. Wir beob- Eingebettetseins in ein größeres Ganzes achten, dass sich Unternehmen extrem viel wird Entscheidungsstrukturen beeinflussen. vornehmen: Ehrgeiziges Wachstum (um Arbeit und Leben werden fluider ineinander- Investoren zufrieden zu stellen) trifft auf greifen. Unternehmen kehren in die Mitte anspruchsvolle Effizienz- (um wettbewerbs- der Gesellschaft zurück und sind über die fähig zu bleiben) und Innovationsziele (um Seite 5
Strategie Issue_10 Heitger Agilität Consulting A Strategy to Change, 7+4 mit Robert Simons auch technologisch an der Spitze zu sein). höhere Resilienz auf und gerät daher nicht An welchen Schrauben kann dann noch so schnell in Gefahr, aus der Anstrengung in gedreht werden, welche Gestaltungsspiel- mutlose Überanstrengung zu geraten. Doch räume bleiben? Ab wann und wo wird Über- Agilität und der Einsatz agiler Methoden anspannung durch hohe Ziele zu „Kaputtma- alleine sind keine Garantie, Erschöpfung und chen“? Wie lange lässt sich ein Marathon im Überanstrengung zu vermeiden. Das ist so Sprint-Tempo bewältigen? als würde man behaupten, ein neues Paar Der Druck steigt und führt zu Überanstren- Laufschuhe mache es unmöglich je wieder gung, Müdigkeit, Erschöpfung und schließ- Muskelkater zu bekommen. lich einem Burnout von Organisationen. Agile Methoden selbst können Abläufe mar- Um das zu vermeiden, muss der Wechsel kant beschleunigen sowie wirksamer und von Spannung und Lösung der Spannung befriedigender gestalten. Gute agile Metho- in der Strategie inhaltlich mitgedacht wer- den bauen aber selbst auch Kontrollmecha- den. Eine solche Strategie stellt spezifische nismen ein, um innezuhalten (Spannung – Anforderungen: Organisation und Führung Entspannung). Agilität braucht Zonen für müssen in Richtung mehr Resilienz und Agi- „schöpferische Muße“ und ein „Runterkom- lität entwickelt werden. Unsere These: Ein men“ und muss es erlauben, gemeinsam agiles und robustes Unternehmen weist eine wieder Abstand zu gewinnen. 7+4 mit Robert Simons Was wie eine plagiierte Glücksspielvariante klingt, ist in Wirklichkeit das genaue Gegenteil. Die sieben Fragen1 und vier Leitsätze2 nach Robert Simons von der Harvard Business School sollen dazu beitragen, aus erfolgreicher strategischer Steuerung und agiler Strategiearbeit im dynamischen bis chaotischen Umfeld eben kein Glücksspiel werden zu lassen. Unter dem Stichwort „Stress-Test Your Strategy“ stellt Simons folgende Fragen: 1. Wer ist Ihre wichtigste Kundengruppe? Sammeln Sie alle möglichen Ressourcen dafür, um die Erwartungen dieser Kundengruppe zu verstehen, zu befriedigen und zu übertreffen. 2. Nach welchen Werten priorisieren Sie, wenn es um Shareholder, Mitarbeiter_Innen und Kund_Innen geht? Schaffen Sie Klarheit darüber, wer bei schwierigen Trade-Offs Priorität genießt, damit Sie bei Zielkonflikten entscheiden können. 3. Was sind die wichtigsten Leistungsvariablen, die über Ihren Erfolg entscheiden? Effektive Führung konzentriert sich nur auf jene Variablen, die darüber Aufschluss geben, woran die Umsetzung ihrer Strategie am ehesten scheitern könnte. 4. Welche Grenzen setzt Ihre Strategie dem Handeln Ihrer Mitarbeiter_Innen? Wenn es um Sicherheit geht, ist es besser, Mitarbeiter_Innen zu sagen, was sie tun sollen; wenn Innovation im Vordergrund steht, was sie nicht tun sollen. Das schafft Freiraum für Kreativität in definierten Grenzen. 5. Wie erzeugen Sie schöpferische Spannung? Eine zentrale Aufgabe von Führung ist es, den externen Druck der Märkte auch im Unterneh- men spürbar zu machen und in einen Sog zu übersetzen, der Energie und Kräfte bündelt. Seite 6
Strategie Issue_10 Heitger Agilität Consulting 7+4 mit Robert Simons 6. Wie selbstverständlich ist es Ihren Mitarbeitern, gut zusammenzuarbeiten und einander zu unterstützen? Um Commitment zwischen den Mitarbeiter_Innen sicherzustellen, braucht es Stolz auf ihre Arbeit und ihre Leistung, Identifikation mit der Gruppe, Vertrauen und Fairness – also das Ent- wickeln und Pflegen von „Communites of Practice“ und Netzwerken mit belastbaren Arbeits- beziehungen. 7. Welche strategischen Unsicherheiten halten Sie auch nachts wach? Strategien bauen auf Annahmen auf, die irgendwann nicht mehr stimmen. Beobachten Sie daher stets, ob die Grundannahmen, auf denen Ihre Strategie beruht, noch zutreffen. Simons definiert vier einfache Elemente, die es für eine erfolgreiche strategische Steuerung braucht: 1. Geteilte Glaubenssysteme befähigen und ermutigen Mitarbeiter, nach neuen Möglich- keiten zu suchen und einen Rahmen dafür zu haben. Sie vermitteln Grundwerte und geben Orientierung im Hinblick auf den Zweck des Unternehmens. 2. Etablierte Spielregeln und Standards (Governance) helfen, Risiken für das Unternehmen und die Mitarbeiter_Innen in ihren Entscheidungen zu minimieren. Wer sie verletzt, hat mit klaren Konsequenzen zu rechnen. 3. Diagnostische Steuerungssysteme definieren kritische Erfolgsfaktoren, um die Leistung des Unternehmens abschätzen zu können (klassisches Controlling hat häufig viel zu viele und nicht priorisierte Variablen). 4. Interaktive Steuerungssysteme ermöglichen es Führungskräften, Tendenzen auszuma- chen, die sich noch nicht sofort in Zahlen manifestieren: Das heißt, schwachen Signalen aus der Peripherie proaktiv zu begegnen (so wie oben beschrieben – Dialogformate mit Stakeholdern zum jeweiligen Thema). 1 Simons, Robert: Stress-Test Your Strategy: The 7 Questions to Ask. In: Harvard Business Review, Ausgabe November 2010, Boston. 2 Simons, Robert: Control in an Age of Empowerment. In: Harvard Business Review, Ausgabe März/April 1995, Boston. Seite 7
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting „Life is Not a Rollercoaster” – Es ist viel chaotischer I m Sommer des Jahres 2000 trällerte der Kann es gelingen, Veränderungsvorhaben in irische Barde Ronan Keating verträumt- der VUCA-Welt auf Schiene zu bringen? Das verliebt „Life is a Rollercoaster“. Mit Akronym steht für Volatilität, Unsicherheit, Blick auf die turbulenten Nullerjahre Komplexität und Ambiguität. Die Intensität könnte man ihm prophetische Qualitäten des Wandels in den Unternehmen ist ja selbst unterstellen. „Hey baby, you really got wieder Spiegel der gerade stattfindenden ge- me flying tonight / Hey sugar, you almost got sellschaftlichen evolutionären Transformation. us punched in a fight.” Von den kalt/warm- Wechselbädern jener Phase können auch Der Wandel des Wandels viele Führungskräfte ein Lied singen. Wirk- Nachdem die „Aufräumarbeiten“ nach der lich geeignet ist die Metapher des Songtitels Finanzkrise weitgehend abgeschlossen sind, zur Beschreibung der aktuellen Situation geht es mittlerweile nicht mehr so sehr um jedoch nicht: Selbst eine Achterbahn fährt Krisenmanagement. Im Moment geht es trotz aller „Ups and Downs“ nicht nur wie auf, vor allem darum, sich an dieses komplexe sondern wirklich auf Schienen, folgt einer klar und teilweise chaotische Umfeld anzupas- vorgegebenen Strecke. sen (vgl. Snowden/Boone 20071) und neue Antworten auf die Herausforderungen des Wandels zu finden. Justierungen betreffen Agilitäts-Selbstcheck nunmehr gleichermaßen Kosteneffizienz, Wachstum, Innovation, Reorganisation. Mit nachfolgendem Test fällt es leichter einzuschätzen, ob Ihre „Nun ist Change selber im Umbruch“, schrie- Organisation vom Einsatz agiler Methoden profitieren kann und ben wir in Issue_8. Das scheint sich immer ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der Selbsttest dauert mehr zu bewahrheiten. „Moving Target“ ca. 15 Minuten und gibt die Möglichkeit einer ersten Standortbe- oder „Work in Progress“ werden zum Slogan stimmung zum Thema Agilität Ihres Unternehmens oder Unter- vieler Change-Vorhaben, je mehr sich Initia- nehmensbereiches. Der Selbsttest ist in drei Module (A bis C) tiven und Veränderungen überlappen und unterteilt. In Modul A wird die Agilität im eigenen Unternehmen beschleunigen. (Unternehmensbereich) ermittelt. In Modul B wird der Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden festgestellt. Dabei Robustheit allein reicht nicht wird in B1 der Bedarf im Tagesgeschäft und in B2 der Bedarf im Eines Tages soll der japanische Arzt Akiyama Projekteinsatz ausgewiesen. Abschließend geht es in Modul C um Shirobei im Tempel Dazai-Tenjin Bäume im die Ermittlung der notwendigen Voraussetzungen Ihres Unterneh- Schneesturm beobachtet haben. Er bemerk- mens (Unternehmensbereiches) im Hinblick auf den Einsatz von te, dass viele Äste unter der Last der Schnee- agilen Managementmethoden. massen brachen. Die Weiden schienen das Geben Sie im nachfolgenden Selbsttest bei den aufgeführten Schneetreiben aber gut zu überstehen – ihre Aussagen jeweils den Grad Ihrer Zustimmung an: 3 Punkte für Äste waren flexibel und gaben nach, der Zustimmung, 2 Punkte für teilweise Zustimmung, einen Punkt bei Schnee glitt zu Boden. Von dieser Betrach- Nicht-Zustimmung. Danach summieren Sie Ihre Punkte. tung inspiriert soll Shirobei das Prinzip „Ju“ – Seite 8
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting „Life is Not a Rollercoaster“ A – Die Agilität im eigenen Unternehmen bzw. nenz des Wandels voraus, die Bereitschaft Unternehmensbereich für Veränderung aufrecht zu erhalten. Gleich- 1. Ein hoher Anteil an initiierten Aktivitäten bzw. Projekten wird zeitig stellen sich nunmehr verstärkt Fragen erfolgreich abgeschlossen. zum Stabilitäts- (auch Business Continuity) 2. Unsere Aktivitäten bzw. Projekte unterliegen einer großen und Grenzmanagement: Wo liegen die Gren- Wandlung. zen des Wandels in Verbindung mit jenen 3. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben die notwendige der Organisation? Wer wird wann wie in den Kompetenz zur Lösung von unerwarteten Anforderungen. Wandel einbezogen? (Daher auch: Wen lässt 4. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben den Entschei- man damit in Ruhe?) Wie wirkt das alles im dungsspielraum zur selbsttätigen Lösung von unerwarteten Anfor- System? Wo schafft man Raum für Agilität derungen. und wie viel? Agilität bedeutet auch, etwas im 5. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben einen einfa- Prozess des Wandels für flexible Anpassun- chen und schnellen Zugang zu allen formellen und informellen gen offen zu halten. Was soll jedenfalls stabil Informationen. bleiben? Was wird als volatil eingeschätzt 6. Unser tägliches Umfeld im Markt ist volatil und dadurch ständi- und braucht daher besondere Achtsamkeit? gen Schwankungen und Änderungen unterworfen. Wie kann man Raum und Zeitfenster schaf- 7. Das Unternehmen besitzt mit sehr gut vernetzten Führungskräf- fen, um diese Fragen zu beantworten, wenn ten und Mitarbeiter_Innen gute Sensoren in den jeweiligen Ziel- der Change-Druck im Alltag so hoch ist? märkten. Gerade wenn klassische Hierarchien durch 8. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte kennen die eigenen Co-Creation und heterarchische Steuerung „key earning drivers“. herausgefordert werden, tauchen im operati- ven Bereich auch ganz neue Fragen auf: Wer Ist die Summe höher als 16, ist die Agilität in Ihrem Unternehmen steuert? Wer hat Entscheidungs- und Defini- (Unternehmensbereich) stark ausgeprägt. Es reagiert rasch auf tionsmacht über die gemeinsame Wirklich- notwendige Änderungen. Änderungen erzeugen keine Irritationen keit – über Zahlen, KPIs, Markteinschätzun- in der Belegschaft. Liegt das Ergebnis höher als 8, befindet sich Ihr gen? Um Agilität zu erreichen, braucht es die Unternehmen auf dem Weg in Richtung einer agilen Organisation. richtigen Antworten auf diese Fragen und Ergebnisse unter 8 deuten darauf hin, dass Ihr Unternehmen (Unter- den Mut, sich ihnen zu stellen, zum Expe- nehmensbereich) starr organisiert und/oder stark formalisiert ist, riment und zum Fehlermachen. Für Verän- sowie auf notwendige Änderungen langsam reagiert. derungsexpert_Innen sind das keine neuen, aber pointierter zu bearbeitende Fragen. sanft, flexibel – in den Kampfsport eingeführt Mapping Change – What Change? haben. Im Namen und im Judo selber, hat Diese Entwicklungen erfordern eine weitere sich diese Lektion bewahrt und bewahrheitet. Ausdifferenzierung von Change-Konzepten, Widerstandsfähigkeit ist demnach mehr als um der Vielfalt und Dynamik unterschiedli- bloße Robustheit. Resilienz erfordert auch cher Change-Ziele in Architektur, Design und aktive Elemente – Agilität. Den Bäumen haben Gestaltung der Change-Phasen gerecht zu Menschen und Unternehmen eine entschei- werden. Eine Change-Landkarte kann helfen, dende Fähigkeit voraus: Wir bewegen uns die probaten Mittel zu finden, um die unter- und andere. Wenn es brennt, können wir schiedlichen Change-Vorhaben angemessen davon laufen, Hindernissen ausweichen und zu gestalten und umzusetzen. bei einem Gewitter Unterschlupf suchen, uns Die horizontale Achse beschreibt die Innen- aber auch zugleich rasch in chancenreiche relation, die wahrgenommene Verände- Positionen bewegen! rungsfähigkeit und Transformationsbereit- schaft des Systems. Die zentrale Ressource (Wieviel) Agilität verankern dabei ist die Change-Management-Kompe- Was ändert sich für Wandel, wenn es um tenz der involvierten Personen und der Orga- Agilität geht? Einerseits setzt es die Perma- nisation als Ganzer. Wie sehr ist dieses Ver- Seite 9
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting „Life is Not a Rollercoaster“ änderungsvermögen verankert? Wo braucht Im Kontext von Agilität gibt sie Orientie- das Unternehmen direktive Steuerung dazu? rung, in welche Richtung sich ein Change- Wo gilt es, indirekt über Anreize und Kontext Vorhaben auf der Landkarte verschiebt zu steuern (Selbstorganisation)? oder anders positioniert werden kann – je Die vertikale Achse gibt das Ausmaß des be- nach Situationsdynamik. Die Landkarte ist nötigten oder angestrebten Change wieder also auch ein heuristisches Instrument: Sie (evolutionär bis tiefgreifend). Für die Initiato- leitet Reflexion an. Sie dient der Standort- ren und Verantwortlichen von Veränderung bestimmung und Neuorientierung. Sie hilft, ist die Karte ein nützliches Instrument: diese zu explizieren, ihre Verwendung und • Sie macht unterschiedliche Einschätzun- Interpretation ist selbst Instrument und ein gen geplanter Projekte auf der Landkarte in Ausdruck von Agilität. einer sehr frühen Phase deutlich. Dadurch hilft sie, notwendige Diskussion über Diag- Wandel muss sitzen nose, Ziele und Konsequenzen für Architek- Letzter Punkt gewinnt vor allem im Kontext tur und Steuerung anzuregen. Nicht zuletzt von Agilität an Bedeutung. Agile Change- schafft sie eine gemeinsame Ausrichtung. Management Methoden sind ein Einschnitt • Sie hilft zu konkretisieren, welche in das Funktionieren von klassischen Organi- Change-Management-Interventionen (Archi- sationen. Dieser ist aber nicht immer not- tektur, Rollen, Prozesse) jeweils am besten wendig. Manchmal führen auch herkömmli- passen und welche Steuerungsstrategien in che Methoden zum gewünschten Erfolg. Oft welcher Phase die größten Erfolgschancen reicht es auch, agile Formate wie Scrum in haben („top down“ versus „bottom up“ Inter- bereits bestehende Organisationsformen zu ventionen bzw. direktive versus Kontext- und integrieren. Unser Senior Berater Manfred Anreizsteuerung) Brandstätter liefert auf seinem Blog „Orga- nisationsgestalter.de“ mit der „Case Study“ Change-Landkarte Treiber, Ziele, Prioritäten und Gestaltungsstrategien Vgl. Heitger/Doujak, Managing Cuts and New Growth (2013)2 Seite 10
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting „Life is Not a Rollercoaster“ B1 – Bedarf an agilen Managementmethoden im Tagesgeschäft Existierende Erfahrungen mit autonomen 1. Das Management Ihrer Unternehmensaktivitäten ist komplex Teams, die nach benötigten Skills zusam- und kompliziert. mengestellt wurden, bilden erfolgsverspre- 2. Der Bedarf an schneller Reaktion auf Kunden_Innenanfragen im chende Voraussetzungen. Schlussendlich Kerngeschäft ist steigend. braucht es aber auch Mitarbeiter_Innen, 3. Die Zufriedenheit der internen und externen Kund_Innen Ihrer deren zeitliche Ressourcen eine Teilnahme Produkte bzw. Services sinkt. an solchen Projekten erlauben. 4. Die Anzahl der Änderungen in der Ablauf- und Aufbauorgani- sation steigen tendenziell an. Segel setzen und starten 5. Die Anzahl von internen Projekten steigt tendenziell an. Ein schrittweises, iteratives Vorgehen, durch- dachtes Unternehmertum in hoher Vernet- Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler zung und die nötige Change-Kompetenz in Methoden im Tagesgeschäft ausgeprägt. In diesem Fall empfehlen einem heterogenen Team – ein Segelboot sich ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchfüh- und seine Crew sind ein gutes Beispiel dafür. rung entsprechender Trainings. Liegt das Ergebnis höher als 5, ist Wind und Wetter, Gewässer mit Untiefen für den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben. und Klippen sind Synonym für chaotische Bei Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Systeme und verunmöglichen es, einen di- Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden im Tages- rekten Kurs zu setzen, zumindest dann, wenn geschäft Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs). man schnell an sein Ziel gelangen will. Oft ist es nötig zu kreuzen, Wenden und Halsen B2 – Bedarf an agilen Managementmethoden für Projektvorhaben zu setzen. Die Möglichkeit sein Ziel direkt an- 1. Die Erfolgsrate von Aktivitäten und Projekten ist rückläufig. zusteuern, ist oft nicht gegeben. Man muss 2. Die Komplexität der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt gemeinsam Schritt für Schritt opportune tendenziell. Gelegenheiten erkennen, Flauten umsegeln. 3. Die Anzahl der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt tendenziell. Nicht zuletzt braucht es auch den Mut, die 4. Unsere abgeschlossenen Aktivitäten und Projekte besitzen eine Segel zu setzen, ansonsten wird man sich durchschnittliche Änderungsrate von mehr als 30%. seinem Ziel nicht nähern. 5. Die durchschnittliche Anzahl an Mitarbeiter_Innen in meinen Nötig ist also ein iteratives Vorgehen und Vorhaben (Projekten und Aktivitäten) steigt tendenziell. Achtsamkeit – also Frühwarnsysteme und eine rasche Analyse und Umsetzung dieser Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler Informationen durch schnelle dezentrale Methoden in Projekten ausgeprägt. In diesem Fall empfehlen sich Entscheidungen. Agilität ist stark von der ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchführung Initiative von Menschen – Führung und entsprechender Trainings. Liegt das Ergebnis höher als 5, ist für Mitarbeiter_Innen – und ihren Fähigkeiten, den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben. Bei ihrem Wissen und ihrer Erfahrung, sowie Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Be- ihrem schnellen Zugang zu Informationen darf für den Einsatz von agilen Managementmethoden in Projekten abhängig. Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs). „Talk the Walk“ Wie kann man die Integration dieser Schrit- eines Telekommunikationsunternehmens ein te, die auf direktem Weg oder eben über recht einprägsames Beispiel dafür.3 Umwege in Richtung Ziel führen, bewerkstel- Es darf aber nicht vergessen werden, dass ligen? Mittels Formaten, die den roten Faden agile Methoden wie Scrum voraussetzungs- – den Sinn und „das Wohin“ – sicherstellen reich sind. Selbst wenn es sinnvoll ist, sie und den Dialog dazu gestalten. Es braucht einzusetzen, ist zu klären, ob die existierende Kommunikation, die es erlaubt, Fragen nach Kultur und Struktur ihre Umsetzung so ohne Sinn und Zugehörigkeit auszuhandeln. Wenn weiteres erlaubt. Sie brauchen Vertrauen in der Kommunikation früher die Maxime genauso wie eine ausgeprägte Fehlerkultur. „Walk the talk“ (umsetzen, was man zuvor Seite 11
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting „Life is Not a Rollercoaster“ gesagt hat) galt, dreht sich dies heute um. Es C – Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Managementme- gilt „Talk the walk“: Veränderung muss kom- thoden für Tagesgeschäft bzw. Projektvorhaben muniziert werden. Gerade in heterarchischen 1. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs existiert eine Strukturen ist es unerlässlich zu erklären, hohe Vertrauenskultur. was man gerade tut und warum. Sinn kann 2. ... und es existiert eine ausgeprägt offene Fehlerkultur. nur im Teilen und „Mit-teilen“ entstehen. 3. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs besteht eine Verbindlichkeit zu autonomen Teams. „Wir steigen in denselben Fluss und doch 4. Das jeweilige Projektteam (Fachteam) wird nach den notwendi- nicht in denselben, wir sind es und wir sind gen Fähigkeiten und Begabungen individuell zusammengestellt. es nicht“, besagt eines der wenigen Frag- 5. In Ihrer Organisation existiert Knowhow bzw. Erfahrung im Einsatz mente, die von Heraklits Lehren erhalten ge- von agilen Managementmethoden. blieben sind4. Darum geht es bei Wandel im 6. Ihre Mitarbeiter_Innen weisen eine hohe Projektverfügbarkeit auf. agilen Unternehmen: Eine Kernidentität, zu der man sich und die vielen kleinen Schritte Ist das Ergebnis höher als 12, sind die Voraussetzungen für den in Bezug setzen kann. Das ist die Aufgabe, Einsatz von agilen Methoden in Ihrem Unternehmen ausgeprägt die der großen gemeinsamen Erzählung vorhanden. Liegt das Ergebnis höher als 6, liegt eine bedingte eines Unternehmens zukommt: seiner Voraussetzung in Ihrem Unternehmen vor. Haben Sie darüber Geschichte, seinen Figuren, seinen Erfolgen hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen Metho- und vielleicht auch seinen überwundenen den (siehe Pkt. B und/oder C), so sollten Sie dabei notwendige Niederlagen. Es braucht aber auch eine klar Bewusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation mittel- formulierte Change-Botschaft, die keine fristig aufbauen. Ein Ergebnis unter 6 bedeutet geringe bis keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterfan- Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Methoden. Haben Sie gens aufkommen lässt, sehr wohl aber Platz darüber hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen für Dialog und Kritik schafft. Methoden (siehe Pkt. B und/oder C), deutet dies darauf hin, dass Sie ehest möglich eine Verbesserung diesbezüglich mittels Be- 1 Snowden, David J. / Boone, Mary E.: A Leader‘s Framework for Decision Making, wusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation in Rich- Harvard Business Review, 11/2007. 2 Heitger, Barbara / Doujak, Alexander: Managing Cuts and New Growth: an Innovative tung Agilität herbeiführen sollten. Approach to Change Management. 2nd Edition. Wien: Goldegg Verlag, 2013. 3 http://organisationsgestalter.blogspot.co.at/ 4 Fragment 49a DK vgl. Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker - Fragmente und Quellenbericht. Stuttgart: Kröner, 2008. Seite 12
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting Scrum – Agile Methode S crum (engl. Gedränge) ist eine • Scrum Master: Er oder sie steht dem Projektmanagementmethode, Team als „Support“ zur Seite, sollte nicht die sich im Kontext der Soft- mit der Rolle als Product Owner kombiniert wareentwicklung entwickelt, werden, kann aber in Scrum-erfahrenen jedoch viele Anleihen aus der Organisationen durchaus Teil des Teams „Lean Production“ bzw. aus sein. Zu seinen oder ihren Aufgabenberei- dem „Lean Management“ nimmt. Mittlerwei- chen zählen: le greifen auch Unternehmen aus anderen – Führt das gesamte Scrum-Projekt mit Branchen auf diese Methode zurück. Dazu Blick auf Einhaltung der wenigen, jedoch zählen Unternehmen im Medienbereich, in sehr effektiven Scrum-Regeln (ist daher der Biotechnologie und in der Automo- mehr ein „Zeremonienmeister“ als Projektlei- bilbranche. Scrum lässt sich aber nicht ter). nur im Projekt- sondern auch im Change- – Sorgt für Transparenz während der Management einsetzen. Als Ziel gilt unter gesamten Entwicklung und hilft Verbesse- anderem die ständige Weiterentwicklung der rungspotentiale zu erkennen. Perspektiven, Erkenntnisse und Erfahrungen – Sicherstellung der Produktivität des aller Beteiligen: Mitarbeiter_Innen, aber auch Teams durch die Herstellung optimaler Partner_Innen und Kund_Innen stehen dabei Arbeitsbedingungen. im Mittelpunkt. – Obsorge dafür, dass der Product Owner die Selbstorganisationsprozesse des Teams In Scrum-Prozessen sind vor allem drei Rol- nicht stört. len wesentlich: – Ist in Initialprojekten, der Einführung von • Product Owner: Diese/r legt Ziele fest, Scrum in bestehende Projektorganisationen die das Team erreichen muss und stellt zusätzlich als Change-Agent tätig. In dieser das Budget zur Verfügung. Zu ihren/seinen Rolle geht es darum, gemeinsam mit dem Aufgaben zählen die Priorisierung der ein- Management die für Scrum notwendigen zelnen Product-Backlog-Elemente und die Voraussetzungen zu schaffen und Product Festlegung der nächsten abzuarbeitenden Owner und Team auf ihre Rollen vorzuberei- Schritte: Aus diesen kann das Team nun eine ten und zu unterstützen. Auswahl für den nächsten Sprint treffen. • Team: Basierend auf seiner Expertise Der Product Owner ist hauptverantwortlich schätzt das Team den Aufwand für die Um- für das Product Backlog: Es enthält die An- setzung der einzelnen Backlog-Elemente (zu forderungen des zu entwickelnden Produkts erledigende Aufgaben) ab. Das Team arbei- oder des zu bewerkstelligenden Change. tet selbstorganisiert im Rahmen des Sprints Die Product Backlog-Elemente werden als (stabiles Zeitfenster) und kann selbst ent- Funktionsbeschreibungen in Form soge- scheiden, wie viele Elemente des Backlogs nannter User Stories ausformuliert. In diesen in diesem Sprint umgesetzt werden müssen. wird mit wenigen Worten die jeweilige Seite 13
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting Scrum Funktionalität aus Sicht der Nutzer_Innen werden nur so viele Aufgaben eingeplant, beschrieben. Gleichzeitig werden darin wie das Team an Kapazität (= Arbeitstage × die dafür notwendigen Akzeptanzkriterien Anzahl an Teammitgliedern × Tagesarbeits- definiert. Das macht Scrum interessant für zeit) aufweisen kann. die Anwendung als Projektmanagement- methode in anderen Branchen. Aber auch Der Sprint bezeichnet die Umsetzung einer für die „agile“ Adaptierung traditioneller Iteration: Im Projektmanagement dauert ein Management Werkzeuge, wie z.B. jenen des Sprint gewöhnlich zehn bis dreißig, bei Ver- Change-Managements. Vor jedem Sprint wendung in Change-Management-Projekten, werden die Elemente des Product Backlogs erfahrungsgemäß vierzehn Arbeitstage. neu bewertet und priorisiert, dabei kön- Im Daily Scrum, einem täglichen, maximal nen bestehende Elemente entfernt sowie fünfzehn-minütigen Meeting, tauschen sich neue hinzugefügt werden. Hoch priorisierte die Teammitglieder über ihre Fortschrit- „Features“ werden vom Team im Aufwand te, nächsten Arbeitsschritte und etwaigen geschätzt und in den Sprint Backlog über- Probleme aus – sehr strukturiert, notwendige nommen. Absprachen finden außerhalb des Meetings zwischen den nötigen Beteiligten statt. Erle- Im Sprintplanning Meeting definiert der Pro- digte Aufgaben werden im Sprint-Backlog duct Owner das Sprintziel. Daran orientiert und am Scrum-Board aktualisiert sowie im sich das Team und sucht sich eigenständig Burndown-Chart eingetragen. Das Scrum- jene Arbeitsschritte aus dem Product Back- Board, oftmals eine einfache Pinnwand, ist log (zumeist die am höchsten priorisierten) in Form einer Tabelle aufgebaut: Die Zeilen heraus, die dem Ziel des kommenden Sprints beinhalten die einzelnen Backlog-Items und entsprechen, und nimmt sie damit in den daraus resultierende Aufgaben. Die Spalten Sprint Backlog auf. In einem nächsten Schritt geben Aufschluss über deren Status: Tasks bricht das Team die Arbeitsschritte auf klei- offen, in Arbeit, erledigt, abgeschlossen nere Aufgaben (sollten nicht mehr als zwei und abgenommen. Mit dem Burndown- Arbeitstage erfordern) herunter. Diese werden Chart wird die aktuelle Gesamtsituation im Sprint Backlog festgehalten, das so alle des Projektes visualisiert, indem die noch Aufgaben enthält, um die Ziele des Sprints verbleibenden Tätigkeiten den noch offenen umzusetzen. Bei der Planung des Sprints Tasks gegenübergestellt werden. Etwaige Seite 14
Wandel Issue_10 Heitger Agilität Consulting Scrum Probleme werden in das Impediment- In der Retrospektive steht der Ablauf des Backlog eingetragen, um vom Team und Sprints im Mittelpunkt: Verlauf der Arbeit, dem Scrum Master bearbeitet zu werden. positive Erfahrungen, Verbesserungsmög- lichkeiten und auch Hindernisse. Alle dabei Nach einer abgeschlossenen Sprintphase der Organisation zugeordneten Themen wer- werden zwei Meetings abgehalten: Im den vom Team aufgenommen und fließen Review wird das Sprint-Ergebnis vom in die Organisation des neuen Sprints ein. Product Owner – eventuell auch gemeinsam Die Retrospektive wird vom Scrum Master mit den Kund_Innen – anhand der Akzep- moderiert. Das Team agiert auch hier selbst- tanzkriterien der User Stories geprüft und verantwortlich. abgenommen. Der Product Owner prüft, ob das Sprint-Ergebnis den Anforderungen entspricht. Eventuelle Änderungen, die wäh- rend eines Sprints aus Sicht der Kund_Innen bzw. des Product Owners oder aber auch durch das Team notiert werden, werden im Product Backlog dokumentiert und vor der nächsten Sprintplanung besprochen und priorisiert (d. h. während des Sprints keine Änderungen des aktuellen Sprintplanes als Schutz für die intensive Arbeit des Teams mit Fokus auf die Umsetzung der dann aktu- ellen User Story der Kund_Innen). Seite 15
Führung Issue_10 Heitger Agilität Consulting WYSIWYG: What You See Is Where You Go! – Kommuni- kation als Schlüssel zu agiler Führung F ür die wenigsten Führungskräf- räumen. Um in der Metapher zu bleiben: das te besteht die Möglichkeit, auf Rote Meer zu teilen. einen Berg zu laufen und sich von höchster Stelle Anweisungen in Der Star ist die Mannschaft? Form von in Stein gemeißelten Fußballspieler wie Beckenbauer, Netzer, immerwährend gültigen Regeln Effenberg oder auch Herzog waren oft der zu holen. Hätte Moses diesen Trumpf nicht entscheidende Faktor für den Erfolg ihrer im Ärmel gehabt, hätte er wohl andere Mannschaften, weshalb ihnen auf und neben Strategien entwickeln müssen, um sein Volk dem Platz große Freiheiten zugestanden trotz aller unberechenbaren Gefahren ins wurden. Fußball heute funktioniert anders. Gelobte Land zu führen. Immerhin hatte er „Top-Mannschaften zeichnen sich nicht ein Ziel vor Augen. Noch besser sind natür- mehr durch einen überragenden Akteur lich vier oder noch mehr Augen, um Gefah- aus, sondern verteilen die spielerische Last ren auszumachen. Es erleichtert eine per- auf mehrere Schultern. Das Paradebeispiel manente gemeinsame Anpassung an sich hierfür ist natürlich der FC Barcelona, bei verändernde Handlungskontexte. Führung dem jeder einzelne Spieler den Unterschied wird heute mehr denn je zu einer Gemein- ausmachen kann.“1 Berti Vogts sollte spät schaftsleistung. Um es auf eine zugespitzte aber doch recht behalten: „Der Star ist die These zu bringen: „Community organizing Mannschaft.“ replaces management.“ – Leadership, Füh- Die aktuell erfolgreichsten Mannschaften rung wird dadurch aber wichtiger denn je sind jene, die sich als Kollektive am intelli- und erfindet sich in manchen Dimensionen gentesten bewegen. Das erfordert natürlich neu – eben zum Beispiel als Architekt und permanente Aufmerksamkeit und vor allem Designer für „Communities“, die Ressource geübte, selbstverständliche Abstimmung der für Agilität sind. einzelnen Akteure, schnelles Abwägen von Moses wäre in so einer Konstellation alles Spielsituationen und Handlungsoptionen hin andere als überflüssig gewesen. Seine Rolle auf ihre Chancen und Risiken mit blitzartiger wäre aber komplexer geworden. Mit Sicher- Umsetzung. Selbst wenn gegnerische Mann- heit hätte er neue methodische Kompeten- schaften versuchen, eingeübte Spielzüge zen erlernen müssen. Etwa die Fähigkeit und Muster gegen eine Mannschaft zu wen- neuartige Organisationsdesigns zu kreieren, den, sind es gerade diese Mannschaften, die die Co-Creation, Aushandlungsprozessen sich selbst aus solchen Situationen befreien und heterarchischer Steuerung Raum ge- können. Jeder nimmt wahr und bewegt sich ben, wo diese erforderlich sind. Vielleicht in einem abgesteckten Areal, muss dies aber ähnlicher der Rolle des Scrum-Masters (siehe in Bezug zum großen Ganzen tun. Das erfor- Scrum, Seite 13 ff.), der weniger lenkt, als dert Disziplin, Vertrauen, Achtsamkeit und vielmehr versucht, dem Scrum-Team zu eine hohe physische und kognitive Agilität. dienen und Hindernisse aus dem Weg zu Die veränderte Organisation auf dem Platz Seite 16
Führung Issue_10 Heitger Agilität Consulting WYSIWYG: What You See Is Where You Go! hat sich auch auf jene abseits des Platzes exploration and exploitation is a primary ausgewirkt: „Mittlerweile sind daher Mann- factor in system survival and prosperity.”3 schaftsgremien wichtiger als der Kapitän. Es Führung bewegt sich mehr denn je im Span- wird versucht, nicht nur die Last des Spielauf- nungsfeld von „Sense“ und „Sensibility“. baus, sondern auch die Führung der Mann- Wann müssen Prozesse geschlossen, wann schaft auf mehrere Schultern zu verteilen.“2 geöffnet werden? Wann müssen Vorhaben Führung ist immer ein sozialer Prozess. Neu be- und wann entschleunigt werden? Es ist aber, auf dem Platz und abseits von ihm, braucht ein feines Sensorium und eine aus- der Community-Gedanke. Steigende Anfor- geprägte Intuition für auch kleinste Abwei- derung und die Notwendigkeit zu dichterer chungen, um diese Fragen beantworten zu Vernetzung machen Führung vermehrt zu können – Führung braucht ein Navigations- einer Community-Leistung der Umsetzer. system für die Unternehmenssteuerung, ein Radar um Entscheidungen präzise auszurich- Kommunikation als Schlüsselspieler ten (siehe auch Artikel Strategie: 11 Trends Essentiell ist aber nicht nur, ein Kollektiv der Unternehmensentwicklung des „Next von Spieler_Innen zu haben, das miteinan- Generation Enterprise“, Seite 4 f.), um den der kommuniziert. Schlussendlich ist es der Radar für Entscheidungen gut auszurichten. Trainer_Innenstab, der mit der Mannschaft Und Führung braucht Investment in sich arbeitet und versucht, diese auf unvorberei- selbst – in die Führungsmannschaft – vor tete Situationen vorzubereiten. Eine routi- allem was das Zusammenwirken der Füh- nierte Abwicklung des regulären Trainings- rungsebenen anlangt. betriebs und der taktischen Analyse reicht aber auf Dauer nicht aus. Die erfolgreichsten Ein Bild sagt mehr als … Mannschaften der letzten Jahre waren jene, Das Akronym WYSIWYG – What You See die schnell neuartige Spielsysteme entdeckt, Is What You Get – meint ursprünglich ein analysiert und adaptiert haben. Dazu braucht simples, aber in den frühen Achtzigern re- es auch den Blick über den eigenen Trainings- volutionäres Darstellungsprinzip. Im Kontext platz und -alltag hinaus. von agiler Führung könnte man dagegen Dabei gibt es natürliche viele unterschied- eine andere Bedeutung von WYSIWYG liche Varianten, um kollektives Lernen zu behaupten: „What You See, Is Where You gestalten: Während der „Wödmasta“, Ernst Go!“ und zugleich „Where You Go, Is What Happel, vor allem auf spielerische Elemen- You See!“ Nur selten ist bereits am Beginn te bei der Taktikschulung setzte, wählten eines Projekts ersichtlich, was an seinem Trainer wie Johan Cruyff kommunikativere Ende stehen muss, um spezifische Vorgaben Ansätze. Beide waren extrem erfolgreich. zu erfüllen. Was man sieht, ist noch nicht, Für Cruyff spricht aber auch noch, dass viele was man am Ende bekommen wird, sondern seiner Spieler durch seinen Zugang wie- wo man gemeinsam hinwill. Die gemeinsa- derum selbst in die Lage versetzt wurden, me Geschichte zu erzählen, die den vielen Teams zu trainieren. Episoden agilen Handelns Sinn gibt, ist eine wesentliche Führungsaufgabe. Dabei spielt Bildführung und Führungsbilder – Visualisierung eine große Rolle. Führung 2.0? 1 http://spielverlagerung.de/2011/08/22/kommunikation-statt-leadership/ Auch im Kontext von Scrum gilt die von 2 ebenda March, G. James: Exploration and Exploitation in Organizational Learning. Organization Organisationstheoretiker James G. March 3 Science, 1991. ausgegebene Devise, Führung müsse eine Balance zwischen dem optimalen Nutzen von Bewährtem – „Exploit“ – und der Ent- wicklung von Neuem – „Explore“ – finden: „Maintaining appropriate balance between Seite 17
Führung Issue_10 Heitger Agilität Consulting Wie die Bilder laufen lernen – Zu Besuch im Animationsstudio D er Einsatz von Visualisierungs- feste Requirements: Es gibt zum Beispiel tools ist zwar eine innovative, Dinge wie die Lesbarkeit, d. h. verstehe ich, aber keine neuartige Idee. In ganz objektiv betrachtet, in jeder Szene Animationsstudios ist Visuali- was passiert? Im Entstehungsprozess eines sierung zugleich Produktions- Films gibt es aber auch Aspekte, bei denen mittel als auch Führungsinstru- die Zielsetzung am Anfang nicht klar ist: ment. Sie hilft kollektive, kreative Prozesse Geist, Anspruch, die emotionale Ebene sind in einem oft unvorhersehbaren und hoch im Anfang viel schwieriger festzulegen. komplexen Umfeld anzuleiten, um von ein paar Ideen ausgehend zu einem am Beginn Wie geht man dann mit dieser Unsicherheit noch unbekannten, aber schlussendlich um, bzw. wie bleibt man offen genug, um überzeugenden Ergebnis zu gelangen. Klaus Fehlentwicklungen schnell korrigieren zu Fekesa, Geschäftsführer von Friendly Fire können? und Jakob Schuh, Mitbegründer von Studio Fekesa Es geht ganz zentral um Abstim- SOI, berichten uns von ihren Erfahrungen mung, darum einen Prozess am Laufen zu in der Animationsfilmbranche. Dabei wird halten und Optimierungen vorzunehmen. deutlich, dass ihre Arbeit mit der Führung Jeder kommuniziert ja anders, schätzt von komplexen Veränderungsinitiativen in Dinge anders ein, weshalb es auch nötig ist, Unternehmen durchaus vergleichbar ist. Das Kontrollmechanismen einzuschieben, die Gespräch führten Manfred Brandstätter und eine erfolgreiche und fristgerechte Umset- Matthias Pöll. zung des Projekts gewährleisten. Bei dieser spielen Geschmacksfragen eine große Rolle, Im agilen Projektmanagement ist es oft unterschiedliche Interpretationsmöglichkei- nicht möglich, Ziele letztgültig zu defi- ten. Daher ist es wichtig, die Änderungster- nieren. Bei Methoden wie Scrum werden mine so festzulegen, dass die Änderungen zum Beispiel Spezifikationen nicht mehr noch leicht vorgenommen werden können. im Detail niedergeschrieben. Die einzelnen Wenn wir schon alles animiert haben und Teammitglieder bekommen Vorgaben und dem Kunden ein Detail nicht gefällt, ist es zugleich Freiraum, um Aufgaben zu erfüllen. zu spät. Es gibt also so etwas wie einen Während dieser Sprints werden die Teams „Point of no return“. Alle Änderungen, die nicht in ihrer Arbeit gestört. Sind diese hinter diesem liegen, sind mit erheblichen abgeschlossen, werden die Ergebnisse Mehrkosten verbunden. evaluiert. So kommt man Schritt für Schritt dem Endprodukt näher. Sind das Aspekte, Schuh Es muss diese Möglichkeiten für die auch auf Ihre Arbeit zutreffen? Änderungen geben, denn das Geschich- Schuh Ich sehe auf den ersten Blick zwei tenerzählen ist eine Gleichung mit vielen Parallelen zu unserer Arbeit. Auf der einen Unbekannten, die erst nach und nach gelöst Seite haben wir bei der Filmproduktion sehr werden können. Man möchte möglichst Seite 18
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