ISSUE_10 AGILITÄT - HEITGER CONSULTING

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ISSUE_10 AGILITÄT - HEITGER CONSULTING
Issue_10
Agilität
ISSUE_10 AGILITÄT - HEITGER CONSULTING
Editorial                                      Issue_10                Heitger
                                               Agilität                Consulting

Agilität

From Fragile to Agile
Ohne das entstandene Leid und die verursachten Schäden verharmlosen zu wollen,
lassen sich aus der Hochwasserkatastrophe des Junis wertvolle Schlüsse ziehen. Das
Hochwasser und viel mehr noch seine Folgen sind das Resultat des Aufeinandertref-
fens eines chaotischen Umfelds und starrer Strukturen. Extremereignisse, wie die den
Überflutungen vorausgegangenen Niederschlagsmengen, lassen sich nie letztgültig
vorhersehen – weder im Zeitpunkt, noch in der Vehemenz ihres Auftretens. Die vor-
handenen Strukturen – Flussregulierungen, Staudämme, versiegelte Flächen – konnten
dieser Wassermassen nicht Herr werden. Unregulierte Flüsse sind dagegen viel dyna-
mischer in ihrer Anpassung an die Wassermassen. Sie bilden Schleifen und schaffen
so begrenzte Überflutungsareale. Dieses dynamische Umfeld bietet so vor allem jenen
Tieren und Pflanzen Lebensraum, denen es am besten gelingt, die Risiken dieses
Umfelds zu minimieren und zugleich die Chancen am raschesten zu erkennen und zu
ergreifen.

Man kann Unvorhersehbares eben nicht vorhersehen. Man kann aber Strukturen schaf-
fen, die es erlauben, schneller als bisher auf Chancen oder Gefahren zu reagieren. Das
ist eben nicht nur eine defensive Strategie, um potentielle Verluste gering zu halten.
Auch kann das Momentum einer Situation so schneller erfasst und genutzt werden.
Der Schlüssel dazu: Agilität. Sowohl in turbulenten Krisenzeiten, als auch beim Zupacken,
wenn ungeahnte Chancen auftauchen, sorgt sie für mehr Handlungsfähigkeit. Man
muss sie zwar nicht neu erfinden, aber es ist an der Zeit, sie neu zu entdecken. Wenn
man die richtigen Lehren aus den Turbulenzen der zurückliegenden Jahre gezogen hat,
dann kommt man nicht umhin, Agilität mehr denn je einen zentralen Stellenwert zuzu-
weisen. Wir laden Sie herzlich dazu ein, mit uns gemeinsam zu erkunden, was Agilität
im Kleinen wie im Großen meinen könnte.

Ihre Barbara Heitger und das Heitger Consulting Team

3  Strategie A Strategy to Change – Strategiearbeit und Agilität
8  Wandel „Life is Not a Rollercoaster“ – Es ist viel chaotischer
13 Wandel Scrum – Agile Methode
16 Führung WYSIWYG: What You See Is Where You Go! –
   Kommunikation als Schlüssel zu agiler Führung
18 Führung Wie die Bilder laufen lernen – Zu Besuch im Animationsstudio
23 Pioniere Video: „Agile-Change“ – Was ist das?

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A Strategy to Change –
Strategiearbeit und Agilität

A
                  llein schon die Begrifflichkei-   kontinuierliche Verbesserung passieren zu
                  ten scheinen schwer mitei-        lassen und Innovationsfähigkeit zu stabilisie-
                  nander vereinbar. Strategie       ren. Agilität braucht Selbstorganisation und
                  meint längerfristig geplan-       Erproben sowie eine klare Verankerung der
                  te Verhaltensweisen zum           Kernidentität.
                  Erreichen definierter Ziele.
Gerade jene Aspekte der Planbarkeit und             Man muss das Rad nicht neu erfinden, nur
Langfristigkeit scheinen nur schwer mit dem         anders einsetzen
Konzept Agilität, das mehr an Spontaneität,         Was ist neu an Agilität? Konzepte lernender
Beweglichkeit und Opportunität denken               Organisationen oder Methoden zur Prozess-
lässt, vereinbar.                                   optimierung wie KANBAN beinhalten viele
Doch die Entwicklungen der jüngsten Zeit            der Elemente, die Agilität beansprucht. Aber
werfen Fragen auf, die in ihrer Komplexität         die Sache scheint nun einen neuen Dreh
und Dynamik ihre Schatten auch auf Unter-           zu bekommen. Was macht das Agilitäts-
nehmen und ihr Umfeld werfen. Was pas-              Konzept jetzt anders und so attraktiv? Aus
siert mit Europa, was mit der Union? Welche         unserer Sicht vor allem, dass die Dynamik,
Entwicklungsrichtung nimmt die Globalisie-          in der Unternehmen sich bewähren, volatil,
rung? Wie wirkt sich die Krise der Politik und      unsicher, komplex und vieldeutig ist. Unter-
des Kapitalismus auf das Entstehen neuer            nehmen werden umfassender und intensiver
Werte in Organisationen aus?                        als bisher durch die gestiegenen Ansprüche
Wenn man eine Lehre aus den Turbulenzen             an Agilität gefordert. Viel mehr als bisher
der letzten Jahre ziehen kann, dann dass            geht es darum, Agilität als inhärente DNA in
man schneller und kontinuierlich zentrale           Strategie, Organisation, Führung und bei den
Fragen stellen und jeweils geeignete Ant-           Mitarbeiter_Innen zu verankern. Methoden
worten finden muss, um den nächsten bes-            wie Scrum tragen diese in sich und dieser
seren Schritt zu tun: Wir wissen also eher,         Entwicklung Rechnung. Es geht dabei auch
was besser ist als jetzt. Zu wissen was „das        um ein bewusstes Öffnen und Schließen
Richtige“ ist, ist nicht mehr möglich. Agilität     von Unternehmensgrenzen und -strukturen.
wird so Teil der Unternehmensstrategie und          Wohin solche Prozesse führen, ist selten be-
der Strategieentwicklung selbst. Sie meint          reits vorab erkennbar. Wie der Schmetterling
damit vor allem die kollektive Fähigkeit im         aussehen wird, wenn er geschlüpft ist, lässt
Unternehmen, schnell und sensitiv Trends            sich eben selten bereits am Kokon erahnen.
und Entwicklungen wahrzunehmen, flexibel            Damit ist auch mehr Mut gefragt, sich sorg-
und wirksam marktgerechte Antworten zu              fältig und achtsam auf neue Prototypen und
geben – eben im Sinne des nächsten bes-             Formen der Selbstorganisation einzulassen.
seren Schritts („Responsiveness“). Es geht          Für klassische Strategiearbeit stellt das ein an-
auch darum, Agilität in Führung und Struktur        spruchsvolles Unterfangen dar, gilt es doch,
der Unternehmen selbst zu etablieren, um            den Strategieprozess zu öffnen, in kürzeren

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A Strategy to Change

Zyklen oder kontinuierlich Strategiearbeit zu      2) Von Produkte und Services designen zu
leisten und die Ergebnisse strategischer Pilots    Kundenerfahrungen designen:
iterativ einzubauen.                               Individualisierte Produkte/Services samt
Als erste Erkenntnis kann also gelten, dass        entsprechender Beratung und Betreuung.
sich auch die Verpuppung – der Weg von             Konsument_Innen werden zu co-creativen,
der Idee zur Strategie und ihrer Umsetzung –       co-innovativen Klient_Innen. Erfolgreiche
selber im Wandel befindet. Co-Creation wird        Unternehmen designen Kundenerfahrungen
ein immer wichtigerer Aspekt in der Strate-        und müssen also ganz nah an oder besser in
giearbeit. Sie stellt eine Provokation dar, sie    die Welt der Kunden eintauchen.
ist eine immense Herausforderung für be-
stehende Arbeitspraxen in Strategieabteilun-       3) Von Hierarchien zu „Communities“:
gen. Es fällt nicht immer leicht zu entschei-      Gleichrangig – unabhängig von Titel und Er-
den, in welche Richtung Hebel umgelegt             fahrungshorizont – werden in kollaborieren-
werden müssen: von Schließen auf Öffnen            den Gemeinschaften Lösungen für komplexe
und von Hüten auf Teilen, oder zurück? Noch        Fragestellungen entwickelt: bereichs- und
schwieriger ist es schließlich, Vertrauen in die   ebenenübergreifend, oft auch in Gemein-
verantwortungsvolle Nutzung gemeinsam              schaften (d. h. mehr/anders als Teams) mit
erstellter Ergebnisse zu gewinnen.                 Externen.
Co-Creation per se ist aber ein Prozess,
der Vertrauen braucht: Mitarbeiter_Innen           4) Von Entscheiden und Umsetzen zu
müssen darauf vertrauen können, dass es            Co-Creation:
Führungskräften damit wirklich ernst ist.          In Diskursen auf Augenhöhe (als „peers“)
Das braucht eine klare Zielrichtung, ein           fallen Idee, Planung und Umsetzung zusam-
klares Bekenntnis und auch die nötigen             men – nicht umsonst gewinnt „Design Thin-
Ressourcen und Spielregeln, um auch Fehler         king“ als Ansatz der Diagnose und Idee des
machen zu können – und nicht zuletzt Dia-          schnellen Erprobens – ganz eng und zeitnah
logbereitschaft. Im agilen Strategieprozess        miteinander verwoben – an Bedeutung.
bedeutet Co-Creation das Mitwirken von
Mitarbeiter_Innen (nah am Markt oder an            5) Von geschlossener F&E zu Open Innovation:
für die Strategie wichtiger Expertise), von        Das Teilen von Wissen und der Rechte an
Kund_Innen und Wertschöpfungspartnern.             geistigem Eigentum mit Kund_Innen, Part-
Die Frage wessen Perspektiven in diesen            ner_Innen oder der Allgemeinheit ist nicht
Prozess wann und wie Eingang finden, muss          altruistisch, sondern steigert vielfach Wert-
stets aufs Neue beantwortet werden.                schöpfungspotentiale. Offene Plattformen
                                                   werden vermehrt für neue Ideen, Weiterent-
Next Generation Enterprise                         wicklungen, Verknüpfungen, etc. genutzt.
Wie sieht das Unternehmen der Zukunft
aus, für das agile Strategiearbeit sinnvoll ist?   6) Von Personen managen zu Talente-
Was zeichnet ein solches „Next-Generation          Communities nutzen:
Enterprise“ (NGE) aus? Es sind vor allem die       Kooperation mit Expert_Innen und High-
folgenden Trends und Spannungsfelder, die          Potentials ist überall und jederzeit in unter-
die Entwicklung solcher Unternehmen be-            schiedlichsten Formen möglich (Bsp. Social-
schäftigen und ein Nachdenken über Agilität        Work-Plattform „Jovoto“).
anstoßen.
                                                   7) Von multinational zu global:
1) Von wertschöpfenden Einzelunternehmen           „Think and act global“:
zu wertschöpfenden Netzwerken:                     Ressourcen, Kompetenzen, Talente. Tech-
Fortschreitende Spezialisierung der Unter-         nische Voraussetzungen lassen Arbeit und
nehmen (Kerngeschäft) erzeugt intensive Ko-        Zusammenarbeit global werden – was prägt
operation in Netzwerken von Unternehmen.           dann die Kultur (wenn nicht mit eigener

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A Strategy to Change

Kultur weltweit tätig dann „multidomestic“)?    Wirtschaftslogik hinaus wieder mehr in ihrer
Wie gut gelingt es, Strategie und Steuerung     gesellschaftlichen Verantwortung gefragt.
global auszurichten – mit welchen Transak-
tions- und Komplexitätskosten?                  Anhaltspunkte zur Umsetzung
                                                Strategiearbeit braucht daher anspruchs-
8) Von Undurchsichtigkeit zu Transparenz:       volle – flexible und robuste – Dialogfor-
Nicht nur die Kund_Innen werden gläsern –       mate und Netzwerkfähigkeit, um die oben
auch die Unternehmen selber. Wer der            angeführten Dynamiken angemessen ernst
Wertschöpfung konsequent Werte beistellt,       zu nehmen. Simple, einfache Regeln für
hat nichts zu verstecken. Web 2.0 kann alles,   das „Wie“ beim Umgang mit Komplexität
was ein Unternehmen tut blitzartig weltweit     helfen, eine kollektive Ausrichtung und ein
bekannt machen und nicht steuerbare Reak-       gemeinsames Verständnis über die Kern-
tionen erzeugen.                                identität des Unternehmens sicherzustellen.
                                                Es braucht Antworten auf die Fragen: „Wer
9) Vom Wissensmanagement zu kollektiver         sind wir? Was tun wir? Für wen? Wofür gibt
Intelligenz:                                    es uns? Was sind unsere Ziele?“. Die flexible
Abgeschottete und spezialisierte Wissens-       Konkretisierung braucht Vertrauen, kollektive
produktion wird zu einer lebendigen Basis       Arbeitsfähigkeit und die oben skizzierten
kollektiver Intelligenz – mit Anteilen inner-   neuen Arbeitsformate neben und ergänzend
halb und außerhalb des Unternehmens. Wie        zu, manchmal auch anstatt, klassischer Stra-
gelingt es, eigenes Wissen zu schützen, wo      tegiearbeit der Expert_Innen. Die Strategie-
macht Teilen und Öffnen Sinn?                   umsetzung erfordert aber Disziplin und – das
                                                ist neu – permanente Kommunikation. Dis-
10) Von krisenrobust zu agil und resilient:     ziplin meint auch Rituale, die Abstimmung
Defensive Unternehmensmechanismen               institutionalisieren, Geleistetes visualisieren
werden um proaktives, schnelles Agieren er-     und so für alle klar ersichtlich die Gesamt-
gänzt. Dafür braucht es einen hohen Grad an     situation markieren. Diese Funktion ist wohl
Selbstorganisation (Lernen von Schwärmen)       einer der wichtigsten gemeinsamen Nenner
bei klarer gemeinsamer Ausrichtung.             unterschiedlicher agiler Methoden. Perma-
                                                nente Kommunikation, um den kontinuierli-
11) Von besser durch schneller und mehr zu      chen Strategie- und Umsetzungsprozess, die
besser durch cleverer:                          ja jetzt miteinander verwoben Hand in Hand
Im Tagesgeschäft müssen Formate gefunden        gehen, optimal aufeinander zu beziehen.
werden, die die vorhandenen Ressourcen          Mit seiner effizienten Interaktions- und seiner
passgenau nutzen. Je nach Situationsbe-         starken Umsetzungsorientierung kann etwa
darf gibt es kollaborative Formate und ein      Scrum eine hilfreiche Methode sein. Die
definiertes Kontingent an Zeit, Raum und        Methode spielt dabei mit dem Paradoxon
weiteren Ressourcen zur Reflexion (statt        von Freiheit und Begrenzung und liefert eine
eines puren Aktionismus und endlos langer       Balance: Sowohl die totale Freiheit, wie die
Analyseschleifen).                              totale Begrenzung sind lähmend (siehe Arti-
                                                kel „Wandel“, Seite 8 ff.).
12) Von Fokus nur auf Wirtschaftslogik zu
Kernidentität im Kontext:                       Agilität und Muße
Ein Wertewandel in Richtung Nachhaltig-         Hohes Tempo, operative Hektik, Inflation von
keit, Verantwortung und Anerkennung des         Projekten erzeugen einen Sog. Wir beob-
Eingebettetseins in ein größeres Ganzes         achten, dass sich Unternehmen extrem viel
wird Entscheidungsstrukturen beeinflussen.      vornehmen: Ehrgeiziges Wachstum (um
Arbeit und Leben werden fluider ineinander-     Investoren zufrieden zu stellen) trifft auf
greifen. Unternehmen kehren in die Mitte        anspruchsvolle Effizienz- (um wettbewerbs-
der Gesellschaft zurück und sind über die       fähig zu bleiben) und Innovationsziele (um

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A Strategy to Change, 7+4 mit Robert Simons

auch technologisch an der Spitze zu sein).        höhere Resilienz auf und gerät daher nicht
An welchen Schrauben kann dann noch               so schnell in Gefahr, aus der Anstrengung in
gedreht werden, welche Gestaltungsspiel-          mutlose Überanstrengung zu geraten. Doch
räume bleiben? Ab wann und wo wird Über-          Agilität und der Einsatz agiler Methoden
anspannung durch hohe Ziele zu „Kaputtma-         alleine sind keine Garantie, Erschöpfung und
chen“? Wie lange lässt sich ein Marathon im       Überanstrengung zu vermeiden. Das ist so
Sprint-Tempo bewältigen?                          als würde man behaupten, ein neues Paar
Der Druck steigt und führt zu Überanstren-        Laufschuhe mache es unmöglich je wieder
gung, Müdigkeit, Erschöpfung und schließ-         Muskelkater zu bekommen.
lich einem Burnout von Organisationen.            Agile Methoden selbst können Abläufe mar-
Um das zu vermeiden, muss der Wechsel             kant beschleunigen sowie wirksamer und
von Spannung und Lösung der Spannung              befriedigender gestalten. Gute agile Metho-
in der Strategie inhaltlich mitgedacht wer-       den bauen aber selbst auch Kontrollmecha-
den. Eine solche Strategie stellt spezifische     nismen ein, um innezuhalten (Spannung –
Anforderungen: Organisation und Führung           Entspannung). Agilität braucht Zonen für
müssen in Richtung mehr Resilienz und Agi-        „schöpferische Muße“ und ein „Runterkom-
lität entwickelt werden. Unsere These: Ein        men“ und muss es erlauben, gemeinsam
agiles und robustes Unternehmen weist eine        wieder Abstand zu gewinnen.

7+4 mit Robert Simons

Was wie eine plagiierte Glücksspielvariante klingt, ist in Wirklichkeit das genaue Gegenteil.
Die sieben Fragen1 und vier Leitsätze2 nach Robert Simons von der Harvard Business School
sollen dazu beitragen, aus erfolgreicher strategischer Steuerung und agiler Strategiearbeit
im dynamischen bis chaotischen Umfeld eben kein Glücksspiel werden zu lassen. Unter dem
Stichwort „Stress-Test Your Strategy“ stellt Simons folgende Fragen:

1. Wer ist Ihre wichtigste Kundengruppe?
Sammeln Sie alle möglichen Ressourcen dafür, um die Erwartungen dieser Kundengruppe zu
verstehen, zu befriedigen und zu übertreffen.

2. Nach welchen Werten priorisieren Sie, wenn es um Shareholder, Mitarbeiter_Innen
und Kund_Innen geht?
Schaffen Sie Klarheit darüber, wer bei schwierigen Trade-Offs Priorität genießt, damit Sie bei
Zielkonflikten entscheiden können.

3. Was sind die wichtigsten Leistungsvariablen, die über Ihren Erfolg entscheiden?
Effektive Führung konzentriert sich nur auf jene Variablen, die darüber Aufschluss geben,
woran die Umsetzung ihrer Strategie am ehesten scheitern könnte.

4. Welche Grenzen setzt Ihre Strategie dem Handeln Ihrer Mitarbeiter_Innen?
Wenn es um Sicherheit geht, ist es besser, Mitarbeiter_Innen zu sagen, was sie tun sollen;
wenn Innovation im Vordergrund steht, was sie nicht tun sollen. Das schafft Freiraum für
Kreativität in definierten Grenzen.

5. Wie erzeugen Sie schöpferische Spannung?
Eine zentrale Aufgabe von Führung ist es, den externen Druck der Märkte auch im Unterneh-
men spürbar zu machen und in einen Sog zu übersetzen, der Energie und Kräfte bündelt.

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7+4 mit Robert Simons

6. Wie selbstverständlich ist es Ihren Mitarbeitern, gut zusammenzuarbeiten
und einander zu unterstützen?
Um Commitment zwischen den Mitarbeiter_Innen sicherzustellen, braucht es Stolz auf ihre
Arbeit und ihre Leistung, Identifikation mit der Gruppe, Vertrauen und Fairness – also das Ent-
wickeln und Pflegen von „Communites of Practice“ und Netzwerken mit belastbaren Arbeits-
beziehungen.

7. Welche strategischen Unsicherheiten halten Sie auch nachts wach?
Strategien bauen auf Annahmen auf, die irgendwann nicht mehr stimmen. Beobachten Sie
daher stets, ob die Grundannahmen, auf denen Ihre Strategie beruht, noch zutreffen.

Simons definiert vier einfache Elemente, die es für eine erfolgreiche strategische
Steuerung braucht:

1. Geteilte Glaubenssysteme befähigen und ermutigen Mitarbeiter, nach neuen Möglich-
keiten zu suchen und einen Rahmen dafür zu haben. Sie vermitteln Grundwerte und geben
Orientierung im Hinblick auf den Zweck des Unternehmens.

2. Etablierte Spielregeln und Standards (Governance) helfen, Risiken für das Unternehmen
und die Mitarbeiter_Innen in ihren Entscheidungen zu minimieren. Wer sie verletzt, hat mit
klaren Konsequenzen zu rechnen.

3. Diagnostische Steuerungssysteme definieren kritische Erfolgsfaktoren, um die Leistung
des Unternehmens abschätzen zu können (klassisches Controlling hat häufig viel zu viele
und nicht priorisierte Variablen).

4. Interaktive Steuerungssysteme ermöglichen es Führungskräften, Tendenzen auszuma-
chen, die sich noch nicht sofort in Zahlen manifestieren: Das heißt, schwachen Signalen
aus der Peripherie proaktiv zu begegnen (so wie oben beschrieben – Dialogformate mit
Stakeholdern zum jeweiligen Thema).

1
    Simons, Robert: Stress-Test Your Strategy: The 7 Questions to Ask. In: Harvard Business Review, Ausgabe November 2010, Boston.
2
    Simons, Robert: Control in an Age of Empowerment. In: Harvard Business Review, Ausgabe März/April 1995, Boston.

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                        „Life is Not a Rollercoaster” –
                        Es ist viel chaotischer

                        I
                             m Sommer des Jahres 2000 trällerte der       Kann es gelingen, Veränderungsvorhaben in
                             irische Barde Ronan Keating verträumt-       der VUCA-Welt auf Schiene zu bringen? Das
                             verliebt „Life is a Rollercoaster“. Mit      Akronym steht für Volatilität, Unsicherheit,
                             Blick auf die turbulenten Nullerjahre        Komplexität und Ambiguität. Die Intensität
                             könnte man ihm prophetische Qualitäten       des Wandels in den Unternehmen ist ja selbst
                             unterstellen. „Hey baby, you really got      wieder Spiegel der gerade stattfindenden ge-
                        me flying tonight / Hey sugar, you almost got     sellschaftlichen evolutionären Transformation.
                        us punched in a fight.” Von den kalt/warm-
                        Wechselbädern jener Phase können auch             Der Wandel des Wandels
                        viele Führungskräfte ein Lied singen. Wirk-       Nachdem die „Aufräumarbeiten“ nach der
                        lich geeignet ist die Metapher des Songtitels     Finanzkrise weitgehend abgeschlossen sind,
                        zur Beschreibung der aktuellen Situation          geht es mittlerweile nicht mehr so sehr um
                        jedoch nicht: Selbst eine Achterbahn fährt        Krisenmanagement. Im Moment geht es
                        trotz aller „Ups and Downs“ nicht nur wie auf,    vor allem darum, sich an dieses komplexe
                        sondern wirklich auf Schienen, folgt einer klar   und teilweise chaotische Umfeld anzupas-
                        vorgegebenen Strecke.                             sen (vgl. Snowden/Boone 20071) und neue
                                                                          Antworten auf die Herausforderungen des
                                                                          Wandels zu finden. Justierungen betreffen
Agilitäts-Selbstcheck                                                     nunmehr gleichermaßen Kosteneffizienz,
                                                                          Wachstum, Innovation, Reorganisation.
Mit nachfolgendem Test fällt es leichter einzuschätzen, ob Ihre           „Nun ist Change selber im Umbruch“, schrie-
Organisation vom Einsatz agiler Methoden profitieren kann und             ben wir in Issue_8. Das scheint sich immer
ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der Selbsttest dauert          mehr zu bewahrheiten. „Moving Target“
ca. 15 Minuten und gibt die Möglichkeit einer ersten Standortbe-          oder „Work in Progress“ werden zum Slogan
stimmung zum Thema Agilität Ihres Unternehmens oder Unter-                vieler Change-Vorhaben, je mehr sich Initia-
nehmensbereiches. Der Selbsttest ist in drei Module (A bis C)             tiven und Veränderungen überlappen und
unterteilt. In Modul A wird die Agilität im eigenen Unternehmen           beschleunigen.
(Unternehmensbereich) ermittelt. In Modul B wird der Bedarf für
den Einsatz von agilen Managementmethoden festgestellt. Dabei             Robustheit allein reicht nicht
wird in B1 der Bedarf im Tagesgeschäft und in B2 der Bedarf im            Eines Tages soll der japanische Arzt Akiyama
Projekteinsatz ausgewiesen. Abschließend geht es in Modul C um            Shirobei im Tempel Dazai-Tenjin Bäume im
die Ermittlung der notwendigen Voraussetzungen Ihres Unterneh-            Schneesturm beobachtet haben. Er bemerk-
mens (Unternehmensbereiches) im Hinblick auf den Einsatz von              te, dass viele Äste unter der Last der Schnee-
agilen Managementmethoden.                                                massen brachen. Die Weiden schienen das
Geben Sie im nachfolgenden Selbsttest bei den aufgeführten                Schneetreiben aber gut zu überstehen – ihre
Aussagen jeweils den Grad Ihrer Zustimmung an: 3 Punkte für               Äste waren flexibel und gaben nach, der
Zustimmung, 2 Punkte für teilweise Zustimmung, einen Punkt bei            Schnee glitt zu Boden. Von dieser Betrach-
Nicht-Zustimmung. Danach summieren Sie Ihre Punkte.                       tung inspiriert soll Shirobei das Prinzip „Ju“ –

                                                                          Seite 8
Wandel                                           Issue_10                 Heitger
                                                                         Agilität                 Consulting
                        „Life is Not a Rollercoaster“

A – Die Agilität im eigenen Unternehmen bzw.                             nenz des Wandels voraus, die Bereitschaft
Unternehmensbereich                                                      für Veränderung aufrecht zu erhalten. Gleich-
1. Ein hoher Anteil an initiierten Aktivitäten bzw. Projekten wird       zeitig stellen sich nunmehr verstärkt Fragen
erfolgreich abgeschlossen.                                               zum Stabilitäts- (auch Business Continuity)
2. Unsere Aktivitäten bzw. Projekte unterliegen einer großen             und Grenzmanagement: Wo liegen die Gren-
Wandlung.                                                                zen des Wandels in Verbindung mit jenen
3. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben die notwendige       der Organisation? Wer wird wann wie in den
Kompetenz zur Lösung von unerwarteten Anforderungen.                     Wandel einbezogen? (Daher auch: Wen lässt
4. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben den Entschei-        man damit in Ruhe?) Wie wirkt das alles im
dungsspielraum zur selbsttätigen Lösung von unerwarteten Anfor-          System? Wo schafft man Raum für Agilität
derungen.                                                                und wie viel? Agilität bedeutet auch, etwas im
5. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte haben einen einfa-         Prozess des Wandels für flexible Anpassun-
chen und schnellen Zugang zu allen formellen und informellen             gen offen zu halten. Was soll jedenfalls stabil
Informationen.                                                           bleiben? Was wird als volatil eingeschätzt
6. Unser tägliches Umfeld im Markt ist volatil und dadurch ständi-       und braucht daher besondere Achtsamkeit?
gen Schwankungen und Änderungen unterworfen.                             Wie kann man Raum und Zeitfenster schaf-
7. Das Unternehmen besitzt mit sehr gut vernetzten Führungskräf-         fen, um diese Fragen zu beantworten, wenn
ten und Mitarbeiter_Innen gute Sensoren in den jeweiligen Ziel-          der Change-Druck im Alltag so hoch ist?
märkten.                                                                 Gerade wenn klassische Hierarchien durch
8. Die Mitarbeiter_Innen inkl. Führungskräfte kennen die eigenen         Co-Creation und heterarchische Steuerung
„key earning drivers“.                                                   herausgefordert werden, tauchen im operati-
                                                                         ven Bereich auch ganz neue Fragen auf: Wer
Ist die Summe höher als 16, ist die Agilität in Ihrem Unternehmen        steuert? Wer hat Entscheidungs- und Defini-
(Unternehmensbereich) stark ausgeprägt. Es reagiert rasch auf            tionsmacht über die gemeinsame Wirklich-
notwendige Änderungen. Änderungen erzeugen keine Irritationen            keit – über Zahlen, KPIs, Markteinschätzun-
in der Belegschaft. Liegt das Ergebnis höher als 8, befindet sich Ihr    gen? Um Agilität zu erreichen, braucht es die
Unternehmen auf dem Weg in Richtung einer agilen Organisation.           richtigen Antworten auf diese Fragen und
Ergebnisse unter 8 deuten darauf hin, dass Ihr Unternehmen (Unter-       den Mut, sich ihnen zu stellen, zum Expe-
nehmensbereich) starr organisiert und/oder stark formalisiert ist,       riment und zum Fehlermachen. Für Verän-
sowie auf notwendige Änderungen langsam reagiert.                        derungsexpert_Innen sind das keine neuen,
                                                                         aber pointierter zu bearbeitende Fragen.

                        sanft, flexibel – in den Kampfsport eingeführt   Mapping Change – What Change?
                        haben. Im Namen und im Judo selber, hat          Diese Entwicklungen erfordern eine weitere
                        sich diese Lektion bewahrt und bewahrheitet.     Ausdifferenzierung von Change-Konzepten,
                        Widerstandsfähigkeit ist demnach mehr als        um der Vielfalt und Dynamik unterschiedli-
                        bloße Robustheit. Resilienz erfordert auch       cher Change-Ziele in Architektur, Design und
                        aktive Elemente – Agilität. Den Bäumen haben     Gestaltung der Change-Phasen gerecht zu
                        Menschen und Unternehmen eine entschei-          werden. Eine Change-Landkarte kann helfen,
                        dende Fähigkeit voraus: Wir bewegen uns          die probaten Mittel zu finden, um die unter-
                        und andere. Wenn es brennt, können wir           schiedlichen Change-Vorhaben angemessen
                        davon laufen, Hindernissen ausweichen und        zu gestalten und umzusetzen.
                        bei einem Gewitter Unterschlupf suchen, uns      Die horizontale Achse beschreibt die Innen-
                        aber auch zugleich rasch in chancenreiche        relation, die wahrgenommene Verände-
                        Positionen bewegen!                              rungsfähigkeit und Transformationsbereit-
                                                                         schaft des Systems. Die zentrale Ressource
                        (Wieviel) Agilität verankern                     dabei ist die Change-Management-Kompe-
                        Was ändert sich für Wandel, wenn es um           tenz der involvierten Personen und der Orga-
                        Agilität geht? Einerseits setzt es die Perma-    nisation als Ganzer. Wie sehr ist dieses Ver-

                                                                         Seite 9
Wandel                                                      Issue_10                Heitger
                                                            Agilität                Consulting
„Life is Not a Rollercoaster“

änderungsvermögen verankert? Wo braucht                     Im Kontext von Agilität gibt sie Orientie-
das Unternehmen direktive Steuerung dazu?                   rung, in welche Richtung sich ein Change-
Wo gilt es, indirekt über Anreize und Kontext               Vorhaben auf der Landkarte verschiebt
zu steuern (Selbstorganisation)?                            oder anders positioniert werden kann – je
Die vertikale Achse gibt das Ausmaß des be-                 nach Situationsdynamik. Die Landkarte ist
nötigten oder angestrebten Change wieder                    also auch ein heuristisches Instrument: Sie
(evolutionär bis tiefgreifend). Für die Initiato-           leitet Reflexion an. Sie dient der Standort-
ren und Verantwortlichen von Veränderung                    bestimmung und Neuorientierung. Sie hilft,
ist die Karte ein nützliches Instrument:                    diese zu explizieren, ihre Verwendung und
• Sie macht unterschiedliche Einschätzun-                   Interpretation ist selbst Instrument und ein
gen geplanter Projekte auf der Landkarte in                 Ausdruck von Agilität.
einer sehr frühen Phase deutlich. Dadurch
hilft sie, notwendige Diskussion über Diag-                 Wandel muss sitzen
nose, Ziele und Konsequenzen für Architek-                  Letzter Punkt gewinnt vor allem im Kontext
tur und Steuerung anzuregen. Nicht zuletzt                  von Agilität an Bedeutung. Agile Change-
schafft sie eine gemeinsame Ausrichtung.                    Management Methoden sind ein Einschnitt
• Sie hilft zu konkretisieren, welche                       in das Funktionieren von klassischen Organi-
Change-Management-Interventionen (Archi-                    sationen. Dieser ist aber nicht immer not-
tektur, Rollen, Prozesse) jeweils am besten                 wendig. Manchmal führen auch herkömmli-
passen und welche Steuerungsstrategien in                   che Methoden zum gewünschten Erfolg. Oft
welcher Phase die größten Erfolgschancen                    reicht es auch, agile Formate wie Scrum in
haben („top down“ versus „bottom up“ Inter-                 bereits bestehende Organisationsformen zu
ventionen bzw. direktive versus Kontext- und                integrieren. Unser Senior Berater Manfred
Anreizsteuerung)                                            Brandstätter liefert auf seinem Blog „Orga-
                                                            nisationsgestalter.de“ mit der „Case Study“

Change-Landkarte
Treiber, Ziele, Prioritäten und Gestaltungsstrategien

Vgl. Heitger/Doujak, Managing Cuts and New Growth (2013)2

                                                            Seite 10
Wandel                                            Issue_10                 Heitger
                                                                         Agilität                 Consulting
                       „Life is Not a Rollercoaster“

B1 – Bedarf an agilen Managementmethoden im Tagesgeschäft                Existierende Erfahrungen mit autonomen
1. Das Management Ihrer Unternehmensaktivitäten ist komplex              Teams, die nach benötigten Skills zusam-
und kompliziert.                                                         mengestellt wurden, bilden erfolgsverspre-
2. Der Bedarf an schneller Reaktion auf Kunden_Innenanfragen im          chende Voraussetzungen. Schlussendlich
Kerngeschäft ist steigend.                                               braucht es aber auch Mitarbeiter_Innen,
3. Die Zufriedenheit der internen und externen Kund_Innen Ihrer          deren zeitliche Ressourcen eine Teilnahme
Produkte bzw. Services sinkt.                                            an solchen Projekten erlauben.
4. Die Anzahl der Änderungen in der Ablauf- und Aufbauorgani-
sation steigen tendenziell an.                                           Segel setzen und starten
5. Die Anzahl von internen Projekten steigt tendenziell an.              Ein schrittweises, iteratives Vorgehen, durch-
                                                                         dachtes Unternehmertum in hoher Vernet-
Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler     zung und die nötige Change-Kompetenz in
Methoden im Tagesgeschäft ausgeprägt. In diesem Fall empfehlen           einem heterogenen Team – ein Segelboot
sich ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchfüh-        und seine Crew sind ein gutes Beispiel dafür.
rung entsprechender Trainings. Liegt das Ergebnis höher als 5, ist       Wind und Wetter, Gewässer mit Untiefen
für den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben.            und Klippen sind Synonym für chaotische
Bei Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein       Systeme und verunmöglichen es, einen di-
Bedarf für den Einsatz von agilen Managementmethoden im Tages-           rekten Kurs zu setzen, zumindest dann, wenn
geschäft Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs).                      man schnell an sein Ziel gelangen will. Oft
                                                                         ist es nötig zu kreuzen, Wenden und Halsen
B2 – Bedarf an agilen Managementmethoden für Projektvorhaben             zu setzen. Die Möglichkeit sein Ziel direkt an-
1. Die Erfolgsrate von Aktivitäten und Projekten ist rückläufig.         zusteuern, ist oft nicht gegeben. Man muss
2. Die Komplexität der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt              gemeinsam Schritt für Schritt opportune
tendenziell.                                                             Gelegenheiten erkennen, Flauten umsegeln.
3. Die Anzahl der Projektvorhaben (Aktivitäten) steigt tendenziell.      Nicht zuletzt braucht es auch den Mut, die
4. Unsere abgeschlossenen Aktivitäten und Projekte besitzen eine         Segel zu setzen, ansonsten wird man sich
durchschnittliche Änderungsrate von mehr als 30%.                        seinem Ziel nicht nähern.
5. Die durchschnittliche Anzahl an Mitarbeiter_Innen in meinen           Nötig ist also ein iteratives Vorgehen und
Vorhaben (Projekten und Aktivitäten) steigt tendenziell.                 Achtsamkeit – also Frühwarnsysteme und
                                                                         eine rasche Analyse und Umsetzung dieser
Ist das Ergebnis höher als 10, ist der Bedarf für den Einsatz agiler     Informationen durch schnelle dezentrale
Methoden in Projekten ausgeprägt. In diesem Fall empfehlen sich          Entscheidungen. Agilität ist stark von der
ein schneller Einstieg mit agilen Methoden und die Durchführung          Initiative von Menschen – Führung und
entsprechender Trainings. Liegt das Ergebnis höher als 5, ist für        Mitarbeiter_Innen – und ihren Fähigkeiten,
den Einsatz agiler Methoden ein möglicher Bedarf gegeben. Bei            ihrem Wissen und ihrer Erfahrung, sowie
Ergebnissen unter 5, besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Be-       ihrem schnellen Zugang zu Informationen
darf für den Einsatz von agilen Managementmethoden in Projekten          abhängig.
Ihres Unternehmens (Unternehmensbereichs).
                                                                         „Talk the Walk“
                                                                         Wie kann man die Integration dieser Schrit-
                       eines Telekommunikationsunternehmens ein          te, die auf direktem Weg oder eben über
                       recht einprägsames Beispiel dafür.3               Umwege in Richtung Ziel führen, bewerkstel-
                       Es darf aber nicht vergessen werden, dass         ligen? Mittels Formaten, die den roten Faden
                       agile Methoden wie Scrum voraussetzungs-          – den Sinn und „das Wohin“ – sicherstellen
                       reich sind. Selbst wenn es sinnvoll ist, sie      und den Dialog dazu gestalten. Es braucht
                       einzusetzen, ist zu klären, ob die existierende   Kommunikation, die es erlaubt, Fragen nach
                       Kultur und Struktur ihre Umsetzung so ohne        Sinn und Zugehörigkeit auszuhandeln. Wenn
                       weiteres erlaubt. Sie brauchen Vertrauen          in der Kommunikation früher die Maxime
                       genauso wie eine ausgeprägte Fehlerkultur.        „Walk the talk“ (umsetzen, was man zuvor

                                                                         Seite 11
Wandel                                          Issue_10                                        Heitger
                                                                       Agilität                                        Consulting
                       „Life is Not a Rollercoaster“

                                                                       gesagt hat) galt, dreht sich dies heute um. Es
C – Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Managementme-
                                                                       gilt „Talk the walk“: Veränderung muss kom-
thoden für Tagesgeschäft bzw. Projektvorhaben
                                                                       muniziert werden. Gerade in heterarchischen
1. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs existiert eine
                                                                       Strukturen ist es unerlässlich zu erklären,
hohe Vertrauenskultur.
                                                                       was man gerade tut und warum. Sinn kann
2. ... und es existiert eine ausgeprägt offene Fehlerkultur.
                                                                       nur im Teilen und „Mit-teilen“ entstehen.
3. In der Organisation Ihres Verantwortungsbereichs besteht eine
Verbindlichkeit zu autonomen Teams.
                                                                        „Wir steigen in denselben Fluss und doch
4. Das jeweilige Projektteam (Fachteam) wird nach den notwendi-
                                                                       nicht in denselben, wir sind es und wir sind
gen Fähigkeiten und Begabungen individuell zusammengestellt.
                                                                       es nicht“, besagt eines der wenigen Frag-
5. In Ihrer Organisation existiert Knowhow bzw. Erfahrung im Einsatz
                                                                       mente, die von Heraklits Lehren erhalten ge-
von agilen Managementmethoden.
                                                                       blieben sind4. Darum geht es bei Wandel im
6. Ihre Mitarbeiter_Innen weisen eine hohe Projektverfügbarkeit auf.
                                                                       agilen Unternehmen: Eine Kernidentität, zu
                                                                       der man sich und die vielen kleinen Schritte
Ist das Ergebnis höher als 12, sind die Voraussetzungen für den
                                                                       in Bezug setzen kann. Das ist die Aufgabe,
Einsatz von agilen Methoden in Ihrem Unternehmen ausgeprägt
                                                                       die der großen gemeinsamen Erzählung
vorhanden. Liegt das Ergebnis höher als 6, liegt eine bedingte
                                                                       eines Unternehmens zukommt: seiner
Voraussetzung in Ihrem Unternehmen vor. Haben Sie darüber
                                                                       Geschichte, seinen Figuren, seinen Erfolgen
hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen Metho-
                                                                       und vielleicht auch seinen überwundenen
den (siehe Pkt. B und/oder C), so sollten Sie dabei notwendige
                                                                       Niederlagen. Es braucht aber auch eine klar
Bewusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation mittel-
                                                                       formulierte Change-Botschaft, die keine
fristig aufbauen. Ein Ergebnis unter 6 bedeutet geringe bis keine
                                                                       Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterfan-
Voraussetzungen für den Einsatz von agilen Methoden. Haben Sie
                                                                       gens aufkommen lässt, sehr wohl aber Platz
darüber hinaus aber einen hohen Bedarf im Einsatz von agilen
                                                                       für Dialog und Kritik schafft.
Methoden (siehe Pkt. B und/oder C), deutet dies darauf hin, dass
Sie ehest möglich eine Verbesserung diesbezüglich mittels Be-          1
                                                                         Snowden, David J. / Boone, Mary E.: A Leader‘s Framework for Decision Making,

wusstseinsbildung und Ausbildung in der Organisation in Rich-          Harvard Business Review, 11/2007.
                                                                       2
                                                                         Heitger, Barbara / Doujak, Alexander: Managing Cuts and New Growth: an Innovative

tung Agilität herbeiführen sollten.                                    Approach to Change Management. 2nd Edition. Wien: Goldegg Verlag, 2013.
                                                                       3
                                                                         http://organisationsgestalter.blogspot.co.at/
                                                                       4
                                                                         Fragment 49a DK vgl. Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker - Fragmente und Quellenbericht.
                                                                       Stuttgart: Kröner, 2008.

                                                                       Seite 12
Wandel                                           Issue_10                Heitger
                                                 Agilität                Consulting

Scrum –
Agile Methode

S
              crum (engl. Gedränge) ist eine     • Scrum Master: Er oder sie steht dem
              Projektmanagementmethode,          Team als „Support“ zur Seite, sollte nicht
              die sich im Kontext der Soft-      mit der Rolle als Product Owner kombiniert
              wareentwicklung entwickelt,        werden, kann aber in Scrum-erfahrenen
              jedoch viele Anleihen aus der      Organisationen durchaus Teil des Teams
              „Lean Production“ bzw. aus         sein. Zu seinen oder ihren Aufgabenberei-
dem „Lean Management“ nimmt. Mittlerwei-         chen zählen:
le greifen auch Unternehmen aus anderen          – Führt das gesamte Scrum-Projekt mit
Branchen auf diese Methode zurück. Dazu          Blick auf Einhaltung der wenigen, jedoch
zählen Unternehmen im Medienbereich, in          sehr effektiven Scrum-Regeln (ist daher
der Biotechnologie und in der Automo-            mehr ein „Zeremonienmeister“ als Projektlei-
bilbranche. Scrum lässt sich aber nicht          ter).
nur im Projekt- sondern auch im Change-          – Sorgt für Transparenz während der
Management einsetzen. Als Ziel gilt unter        gesamten Entwicklung und hilft Verbesse-
anderem die ständige Weiterentwicklung der       rungspotentiale zu erkennen.
Perspektiven, Erkenntnisse und Erfahrungen       – Sicherstellung der Produktivität des
aller Beteiligen: Mitarbeiter_Innen, aber auch   Teams durch die Herstellung optimaler
Partner_Innen und Kund_Innen stehen dabei        Arbeitsbedingungen.
im Mittelpunkt.                                  – Obsorge dafür, dass der Product Owner
                                                 die Selbstorganisationsprozesse des Teams
In Scrum-Prozessen sind vor allem drei Rol-      nicht stört.
len wesentlich:                                  – Ist in Initialprojekten, der Einführung von
• Product Owner: Diese/r legt Ziele fest,        Scrum in bestehende Projektorganisationen
die das Team erreichen muss und stellt           zusätzlich als Change-Agent tätig. In dieser
das Budget zur Verfügung. Zu ihren/seinen        Rolle geht es darum, gemeinsam mit dem
Aufgaben zählen die Priorisierung der ein-       Management die für Scrum notwendigen
zelnen Product-Backlog-Elemente und die          Voraussetzungen zu schaffen und Product
Festlegung der nächsten abzuarbeitenden          Owner und Team auf ihre Rollen vorzuberei-
Schritte: Aus diesen kann das Team nun eine      ten und zu unterstützen.
Auswahl für den nächsten Sprint treffen.
• Team: Basierend auf seiner Expertise           Der Product Owner ist hauptverantwortlich
schätzt das Team den Aufwand für die Um-         für das Product Backlog: Es enthält die An-
setzung der einzelnen Backlog-Elemente (zu       forderungen des zu entwickelnden Produkts
erledigende Aufgaben) ab. Das Team arbei-        oder des zu bewerkstelligenden Change.
tet selbstorganisiert im Rahmen des Sprints      Die Product Backlog-Elemente werden als
(stabiles Zeitfenster) und kann selbst ent-      Funktionsbeschreibungen in Form soge-
scheiden, wie viele Elemente des Backlogs        nannter User Stories ausformuliert. In diesen
in diesem Sprint umgesetzt werden müssen.        wird mit wenigen Worten die jeweilige

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Wandel                                          Issue_10                Heitger
                                                Agilität                Consulting
Scrum

Funktionalität aus Sicht der Nutzer_Innen       werden nur so viele Aufgaben eingeplant,
beschrieben. Gleichzeitig werden darin          wie das Team an Kapazität (= Arbeitstage ×
die dafür notwendigen Akzeptanzkriterien        Anzahl an Teammitgliedern × Tagesarbeits-
definiert. Das macht Scrum interessant für      zeit) aufweisen kann.
die Anwendung als Projektmanagement-
methode in anderen Branchen. Aber auch          Der Sprint bezeichnet die Umsetzung einer
für die „agile“ Adaptierung traditioneller      Iteration: Im Projektmanagement dauert ein
Management Werkzeuge, wie z.B. jenen des        Sprint gewöhnlich zehn bis dreißig, bei Ver-
Change-Managements. Vor jedem Sprint            wendung in Change-Management-Projekten,
werden die Elemente des Product Backlogs        erfahrungsgemäß vierzehn Arbeitstage.
neu bewertet und priorisiert, dabei kön-        Im Daily Scrum, einem täglichen, maximal
nen bestehende Elemente entfernt sowie          fünfzehn-minütigen Meeting, tauschen sich
neue hinzugefügt werden. Hoch priorisierte      die Teammitglieder über ihre Fortschrit-
„Features“ werden vom Team im Aufwand           te, nächsten Arbeitsschritte und etwaigen
geschätzt und in den Sprint Backlog über-       Probleme aus – sehr strukturiert, notwendige
nommen.                                         Absprachen finden außerhalb des Meetings
                                                zwischen den nötigen Beteiligten statt. Erle-
Im Sprintplanning Meeting definiert der Pro-    digte Aufgaben werden im Sprint-Backlog
duct Owner das Sprintziel. Daran orientiert     und am Scrum-Board aktualisiert sowie im
sich das Team und sucht sich eigenständig       Burndown-Chart eingetragen. Das Scrum-
jene Arbeitsschritte aus dem Product Back-      Board, oftmals eine einfache Pinnwand, ist
log (zumeist die am höchsten priorisierten)     in Form einer Tabelle aufgebaut: Die Zeilen
heraus, die dem Ziel des kommenden Sprints      beinhalten die einzelnen Backlog-Items und
entsprechen, und nimmt sie damit in den         daraus resultierende Aufgaben. Die Spalten
Sprint Backlog auf. In einem nächsten Schritt   geben Aufschluss über deren Status: Tasks
bricht das Team die Arbeitsschritte auf klei-   offen, in Arbeit, erledigt, abgeschlossen
nere Aufgaben (sollten nicht mehr als zwei      und abgenommen. Mit dem Burndown-
Arbeitstage erfordern) herunter. Diese werden   Chart wird die aktuelle Gesamtsituation
im Sprint Backlog festgehalten, das so alle     des Projektes visualisiert, indem die noch
Aufgaben enthält, um die Ziele des Sprints      verbleibenden Tätigkeiten den noch offenen
umzusetzen. Bei der Planung des Sprints         Tasks gegenübergestellt werden. Etwaige

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Wandel                                         Issue_10               Heitger
                                               Agilität               Consulting
Scrum

Probleme werden in das Impediment-             In der Retrospektive steht der Ablauf des
Backlog eingetragen, um vom Team und           Sprints im Mittelpunkt: Verlauf der Arbeit,
dem Scrum Master bearbeitet zu werden.         positive Erfahrungen, Verbesserungsmög-
                                               lichkeiten und auch Hindernisse. Alle dabei
Nach einer abgeschlossenen Sprintphase         der Organisation zugeordneten Themen wer-
werden zwei Meetings abgehalten: Im            den vom Team aufgenommen und fließen
Review wird das Sprint-Ergebnis vom            in die Organisation des neuen Sprints ein.
Product Owner – eventuell auch gemeinsam       Die Retrospektive wird vom Scrum Master
mit den Kund_Innen – anhand der Akzep-         moderiert. Das Team agiert auch hier selbst-
tanzkriterien der User Stories geprüft und     verantwortlich.
abgenommen. Der Product Owner prüft,
ob das Sprint-Ergebnis den Anforderungen
entspricht. Eventuelle Änderungen, die wäh-
rend eines Sprints aus Sicht der Kund_Innen
bzw. des Product Owners oder aber auch
durch das Team notiert werden, werden im
Product Backlog dokumentiert und vor der
nächsten Sprintplanung besprochen und
priorisiert (d. h. während des Sprints keine
Änderungen des aktuellen Sprintplanes als
Schutz für die intensive Arbeit des Teams
mit Fokus auf die Umsetzung der dann aktu-
ellen User Story der Kund_Innen).

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Führung                                         Issue_10                Heitger
                                                Agilität                Consulting

WYSIWYG: What You See Is
Where You Go! – Kommuni-
kation als Schlüssel zu agiler
Führung

F
            ür die wenigsten Führungskräf-      räumen. Um in der Metapher zu bleiben: das
            te besteht die Möglichkeit, auf     Rote Meer zu teilen.
            einen Berg zu laufen und sich von
            höchster Stelle Anweisungen in      Der Star ist die Mannschaft?
            Form von in Stein gemeißelten       Fußballspieler wie Beckenbauer, Netzer,
            immerwährend gültigen Regeln        Effenberg oder auch Herzog waren oft der
zu holen. Hätte Moses diesen Trumpf nicht       entscheidende Faktor für den Erfolg ihrer
im Ärmel gehabt, hätte er wohl andere           Mannschaften, weshalb ihnen auf und neben
Strategien entwickeln müssen, um sein Volk      dem Platz große Freiheiten zugestanden
trotz aller unberechenbaren Gefahren ins        wurden. Fußball heute funktioniert anders.
Gelobte Land zu führen. Immerhin hatte er       „Top-Mannschaften zeichnen sich nicht
ein Ziel vor Augen. Noch besser sind natür-     mehr durch einen überragenden Akteur
lich vier oder noch mehr Augen, um Gefah-       aus, sondern verteilen die spielerische Last
ren auszumachen. Es erleichtert eine per-       auf mehrere Schultern. Das Paradebeispiel
manente gemeinsame Anpassung an sich            hierfür ist natürlich der FC Barcelona, bei
verändernde Handlungskontexte. Führung          dem jeder einzelne Spieler den Unterschied
wird heute mehr denn je zu einer Gemein-        ausmachen kann.“1 Berti Vogts sollte spät
schaftsleistung. Um es auf eine zugespitzte     aber doch recht behalten: „Der Star ist die
These zu bringen: „Community organizing         Mannschaft.“
replaces management.“ – Leadership, Füh-        Die aktuell erfolgreichsten Mannschaften
rung wird dadurch aber wichtiger denn je        sind jene, die sich als Kollektive am intelli-
und erfindet sich in manchen Dimensionen        gentesten bewegen. Das erfordert natürlich
neu – eben zum Beispiel als Architekt und       permanente Aufmerksamkeit und vor allem
Designer für „Communities“, die Ressource       geübte, selbstverständliche Abstimmung der
für Agilität sind.                              einzelnen Akteure, schnelles Abwägen von
Moses wäre in so einer Konstellation alles      Spielsituationen und Handlungsoptionen hin
andere als überflüssig gewesen. Seine Rolle     auf ihre Chancen und Risiken mit blitzartiger
wäre aber komplexer geworden. Mit Sicher-       Umsetzung. Selbst wenn gegnerische Mann-
heit hätte er neue methodische Kompeten-        schaften versuchen, eingeübte Spielzüge
zen erlernen müssen. Etwa die Fähigkeit         und Muster gegen eine Mannschaft zu wen-
neuartige Organisationsdesigns zu kreieren,     den, sind es gerade diese Mannschaften, die
die Co-Creation, Aushandlungsprozessen          sich selbst aus solchen Situationen befreien
und heterarchischer Steuerung Raum ge-          können. Jeder nimmt wahr und bewegt sich
ben, wo diese erforderlich sind. Vielleicht     in einem abgesteckten Areal, muss dies aber
ähnlicher der Rolle des Scrum-Masters (siehe    in Bezug zum großen Ganzen tun. Das erfor-
Scrum, Seite 13 ff.), der weniger lenkt, als    dert Disziplin, Vertrauen, Achtsamkeit und
vielmehr versucht, dem Scrum-Team zu            eine hohe physische und kognitive Agilität.
dienen und Hindernisse aus dem Weg zu           Die veränderte Organisation auf dem Platz

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Führung                                           Issue_10                                        Heitger
                                                  Agilität                                        Consulting
WYSIWYG: What You See Is Where You Go!

hat sich auch auf jene abseits des Platzes        exploration and exploitation is a primary
ausgewirkt: „Mittlerweile sind daher Mann-        factor in system survival and prosperity.”3
schaftsgremien wichtiger als der Kapitän. Es      Führung bewegt sich mehr denn je im Span-
wird versucht, nicht nur die Last des Spielauf-   nungsfeld von „Sense“ und „Sensibility“.
baus, sondern auch die Führung der Mann-          Wann müssen Prozesse geschlossen, wann
schaft auf mehrere Schultern zu verteilen.“2      geöffnet werden? Wann müssen Vorhaben
Führung ist immer ein sozialer Prozess. Neu       be- und wann entschleunigt werden? Es
ist aber, auf dem Platz und abseits von ihm,      braucht ein feines Sensorium und eine aus-
der Community-Gedanke. Steigende Anfor-           geprägte Intuition für auch kleinste Abwei-
derung und die Notwendigkeit zu dichterer         chungen, um diese Fragen beantworten zu
Vernetzung machen Führung vermehrt zu             können – Führung braucht ein Navigations-
einer Community-Leistung der Umsetzer.            system für die Unternehmenssteuerung, ein
                                                  Radar um Entscheidungen präzise auszurich-
Kommunikation als Schlüsselspieler                ten (siehe auch Artikel Strategie: 11 Trends
Essentiell ist aber nicht nur, ein Kollektiv      der Unternehmensentwicklung des „Next
von Spieler_Innen zu haben, das miteinan-         Generation Enterprise“, Seite 4 f.), um den
der kommuniziert. Schlussendlich ist es der       Radar für Entscheidungen gut auszurichten.
Trainer_Innenstab, der mit der Mannschaft         Und Führung braucht Investment in sich
arbeitet und versucht, diese auf unvorberei-      selbst – in die Führungsmannschaft – vor
tete Situationen vorzubereiten. Eine routi-       allem was das Zusammenwirken der Füh-
nierte Abwicklung des regulären Trainings-        rungsebenen anlangt.
betriebs und der taktischen Analyse reicht
aber auf Dauer nicht aus. Die erfolgreichsten     Ein Bild sagt mehr als …
Mannschaften der letzten Jahre waren jene,        Das Akronym WYSIWYG – What You See
die schnell neuartige Spielsysteme entdeckt,      Is What You Get – meint ursprünglich ein
analysiert und adaptiert haben. Dazu braucht      simples, aber in den frühen Achtzigern re-
es auch den Blick über den eigenen Trainings-     volutionäres Darstellungsprinzip. Im Kontext
platz und -alltag hinaus.                         von agiler Führung könnte man dagegen
Dabei gibt es natürliche viele unterschied-       eine andere Bedeutung von WYSIWYG
liche Varianten, um kollektives Lernen zu         behaupten: „What You See, Is Where You
gestalten: Während der „Wödmasta“, Ernst          Go!“ und zugleich „Where You Go, Is What
Happel, vor allem auf spielerische Elemen-        You See!“ Nur selten ist bereits am Beginn
te bei der Taktikschulung setzte, wählten         eines Projekts ersichtlich, was an seinem
Trainer wie Johan Cruyff kommunikativere          Ende stehen muss, um spezifische Vorgaben
Ansätze. Beide waren extrem erfolgreich.          zu erfüllen. Was man sieht, ist noch nicht,
Für Cruyff spricht aber auch noch, dass viele     was man am Ende bekommen wird, sondern
seiner Spieler durch seinen Zugang wie-           wo man gemeinsam hinwill. Die gemeinsa-
derum selbst in die Lage versetzt wurden,         me Geschichte zu erzählen, die den vielen
Teams zu trainieren.                              Episoden agilen Handelns Sinn gibt, ist eine
                                                  wesentliche Führungsaufgabe. Dabei spielt
Bildführung und Führungsbilder –                  Visualisierung eine große Rolle.
Führung 2.0?
                                                  1
                                                   http://spielverlagerung.de/2011/08/22/kommunikation-statt-leadership/
Auch im Kontext von Scrum gilt die von            2
                                                   ebenda
                                                   March, G. James: Exploration and Exploitation in Organizational Learning. Organization
Organisationstheoretiker James G. March
                                                  3

                                                  Science, 1991.

ausgegebene Devise, Führung müsse eine
Balance zwischen dem optimalen Nutzen
von Bewährtem – „Exploit“ – und der Ent-
wicklung von Neuem – „Explore“ – finden:
„Maintaining appropriate balance between

                                                  Seite 17
Führung                                          Issue_10                Heitger
                                                 Agilität                Consulting

Wie die Bilder laufen
lernen – Zu Besuch im
Animationsstudio

D
               er Einsatz von Visualisierungs-   feste Requirements: Es gibt zum Beispiel
               tools ist zwar eine innovative,   Dinge wie die Lesbarkeit, d. h. verstehe ich,
               aber keine neuartige Idee. In     ganz objektiv betrachtet, in jeder Szene
               Animationsstudios ist Visuali-    was passiert? Im Entstehungsprozess eines
               sierung zugleich Produktions-     Films gibt es aber auch Aspekte, bei denen
               mittel als auch Führungsinstru-   die Zielsetzung am Anfang nicht klar ist:
ment. Sie hilft kollektive, kreative Prozesse    Geist, Anspruch, die emotionale Ebene sind
in einem oft unvorhersehbaren und hoch           im Anfang viel schwieriger festzulegen.
komplexen Umfeld anzuleiten, um von ein
paar Ideen ausgehend zu einem am Beginn          Wie geht man dann mit dieser Unsicherheit
noch unbekannten, aber schlussendlich            um, bzw. wie bleibt man offen genug, um
überzeugenden Ergebnis zu gelangen. Klaus        Fehlentwicklungen schnell korrigieren zu
Fekesa, Geschäftsführer von Friendly Fire        können?
und Jakob Schuh, Mitbegründer von Studio         Fekesa Es geht ganz zentral um Abstim-
SOI, berichten uns von ihren Erfahrungen         mung, darum einen Prozess am Laufen zu
in der Animationsfilmbranche. Dabei wird         halten und Optimierungen vorzunehmen.
deutlich, dass ihre Arbeit mit der Führung       Jeder kommuniziert ja anders, schätzt
von komplexen Veränderungsinitiativen in         Dinge anders ein, weshalb es auch nötig ist,
Unternehmen durchaus vergleichbar ist. Das       Kontrollmechanismen einzuschieben, die
Gespräch führten Manfred Brandstätter und        eine erfolgreiche und fristgerechte Umset-
Matthias Pöll.                                   zung des Projekts gewährleisten. Bei dieser
                                                 spielen Geschmacksfragen eine große Rolle,
Im agilen Projektmanagement ist es oft           unterschiedliche Interpretationsmöglichkei-
nicht möglich, Ziele letztgültig zu defi-        ten. Daher ist es wichtig, die Änderungster-
nieren. Bei Methoden wie Scrum werden            mine so festzulegen, dass die Änderungen
zum Beispiel Spezifikationen nicht mehr          noch leicht vorgenommen werden können.
im Detail niedergeschrieben. Die einzelnen       Wenn wir schon alles animiert haben und
Teammitglieder bekommen Vorgaben und             dem Kunden ein Detail nicht gefällt, ist es
zugleich Freiraum, um Aufgaben zu erfüllen.      zu spät. Es gibt also so etwas wie einen
Während dieser Sprints werden die Teams          „Point of no return“. Alle Änderungen, die
nicht in ihrer Arbeit gestört. Sind diese        hinter diesem liegen, sind mit erheblichen
abgeschlossen, werden die Ergebnisse             Mehrkosten verbunden.
evaluiert. So kommt man Schritt für Schritt
dem Endprodukt näher. Sind das Aspekte,          Schuh Es muss diese Möglichkeiten für
die auch auf Ihre Arbeit zutreffen?              Änderungen geben, denn das Geschich-
Schuh Ich sehe auf den ersten Blick zwei         tenerzählen ist eine Gleichung mit vielen
Parallelen zu unserer Arbeit. Auf der einen      Unbekannten, die erst nach und nach gelöst
Seite haben wir bei der Filmproduktion sehr      werden können. Man möchte möglichst

                                                 Seite 18
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