Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule

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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick
Ausgabe Nr. 19 - Juli 2020

           Jacobs
                Stadt
Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick

                                          Editorial
                                                                                                                                     Jacobs Stadt
Liebe Leser*Innen,
erschwerte Bedingungen machen kreativ. Deshalb
ist die 19. Ausgabe der Schülerzeitung nun online
                                                       wichtig ist im Leben. Neue persönliche Konflikte
                                                       entstehen vielleicht, aber auch der Wille zur Versöh-
                                                                                                               Jacobs Schule
auf der Schulhomepage veröffentlicht.                  nung wird laut. Ungerechtigkeiten in den USA, aber
Bis März konnte die Redaktion sich noch regelmäßig     auch in Deutschland verschärfen sich und fordern        Wandel: Ein Projekt										S. 06
treffen und wir haben versucht, nachdem wir uns das    Aufmerksamkeit. Klimaschutz gelingt plötzlich wie
ehrgeizige Ziel gesetzt hatten, über möglichst viele   von selbst. Deutlich wird auch, dass man nicht al-
                                                                                                               Jazz is in the House!										S. 10
Schulveranstaltungen zu berichten, Jacobsblick noch    les selbst in der Hand hat, dass man es nicht alleine   Besuch aus Tres Cantos										S. 11
näher an das Schul- und Privatleben jedes einzelnen    schafft und dass es die Chance gibt, mit neuen Er-      Antisemitismus - Ein leider noch lange nicht abgeschlossenes Thema		 S. 14
Schülers heranzurücken. Auch in unserer Redakti-       kenntnissen die Krise zu verlassen. Ich persönlich.
on musste der Austausch online stattfinden wie in      Die Gemeinschaft.
fast allen anderen Bereichen. Da viele Veranstaltun-   Auch in der Redaktion hat sich die Zusammenset-

                                                                                                               Jacobs Stadt
gen ausgefallen sind und wir das Thema „Corona“        zung verändert, da wir einige neue Gesichter unter
als wichtig empfanden, haben wir drei Stellungnah-     anderem aus der Foto-AG willkommen heißen durf-
men zur Coronakrise als Gastbeitrag aufgenommen.       ten. Dies spiegelt sich auch in der Ausgabe wider, da
Denn von nun an gehört das Virus zu Jacobs Stadt       mehr Bilder vorhanden sind. Darüber hinaus haben
wie seine Geschichte, die Geschichte der Bewohner,     wir das Farbkonzept von Rot auf Türkis geändert.        Das Theaterstübchen - Ein Ort mit Wiedererkennungswert				  S. 18
Kultur und Umwelt. Doch auch in schwierigen Zei-       Dieses Jahr können wir leider die Schülerzeitung        „Nachfüllbar“ im Interview:
ten sollte es Freuden geben, weswegen wir Euch mit     nicht in der Hand halten und zum Mitnehmen an-
Buchempfehlungen für die Sommerferien ausstatten       bieten. Trotzdem hat die Redaktion wieder viel Zeit,
                                                                                                               „Jede Kippe auf dem Boden kostet 40 Liter Grundwasser.“				 S. 19
wollen.                                                Aufwand und Herzblut in die Artikel, Fotos und das      Kassel sehen - Eine Fotostrecke								S. 20
Die Pandemie zeigt Grenzen auf. Grenzen der Wis-       Layout gesteckt.                                        Auf dem Weg nach Kassel									S. 22
senschaft. Grenzen der Nationen und Staaten. Gren-     Die Redaktion wünscht Euch viel Freude beim Le-
zen, die längst geöffnet und nun wieder geschlossen    sen, Gesundheit und Durchhaltevermögen in diesen
                                                                                                               Gedenkkultur in Kassel										S. 23
wurden. Die Grenzpolitik weckt böse Erinnerungen       besonderen Zeiten!                                      Der CSD in Kassel - Eine Reportage								                  S. 25
und lässt an die DDR denken, die auch plötzlich Fa-
milien räumlich trennte. Die Pandemie zeigt, was

                                                                                                               Jacob zuhause
                                                                                                               Von Lockerungen und Maskenpflicht							S. 32
                                                                                                               Die Triage - Ein ethisches Dilemma								 S. 33
                                                                                                               Freiheit vs. Leben											S. 34

                                                                                                               Jacob bewertet
                                                                                                               Ein Besuch der Bad Hersfelder Festspiele							                      S. 40
                                                                                                               Nightflyers - Die Dunkelheit zwischen den Sternen					               S. 41
                                                                                                               Die Suche nach dem verlorengehenden Sinn						                       S. 42
                                                           Die jacobsblick-Redaktion 2020, Foto: Lara Likci    Hunger? Essen in unserer Umgebung							                             S. 44
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jacobsblick            jacobsblick

    Jacobs
              Schule

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jacobsblick                                                                                                                                                                                                                              jacobsblick

Wandel: Ein Projekt - Eine Rede der Schü-                                                                                          verschwenderischem Ausmaß, ohne sich wirklich mit den
                                                                                                                                   Konsequenzen auseinandergesetzt zu haben. Gerade aus
                                                                                                                                                                                                   ein Wandel des Bewusstseins, der „awareness“ gegenüber
                                                                                                                                                                                                   Problemen, die die Gesellschaft aktuell beschäftigen. Ein
                                                                                                                                   diesem Grund finden wir es großartig, wie eure Projekte         Wandel in unseren Köpfen, der nicht nur Bewusstsein
lersprecher zur Projektwoche                                                                                                       auch die Nachhaltigkeit im Alltag und für jeden anwendbar
                                                                                                                                   thematisieren. Es reicht eben nicht, dass wir uns auf dem
                                                                                                                                                                                                   schafft, sondern im besten Fall unser Bewusstsein um neue
                                                                                                                                                                                                   Aspekte und Ansatzpunkte erweitert.
von Marieke Eichstädt, Jonathan Heinemann und Sarah Lorenzana                                                                      Verzicht auf Strohhalme ausruhen, und meinen, unseren           Wir haben das Gefühl, dass besonders unsere Schule,
                                                                                                                                   ökologischen Fußabdruck ausgeglichen zu haben.                  die JGS, ein solches „Andersdenken“ beziehungsweise
                                                                                                                                   Aber nicht nur die ökologische Schiene, die der JGS ja gerne    bewusstes Denken anregt und aus diesem Grund kann man
„Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht,   Gerade in der heutigen Zeit, in der die ganze Welt verknüpft
                                                                                                                                   nachgesagt wird, ist vertreten:                                 fast behaupten, wir würden hier in einer „Blase“ (Bubble)
dass sie bleibt.“ (Erich Fried)                                    ist und uns der Zugang zu Informationen zu jeder Zeit
                                                                                                                                   Wir erleben durch die Globalisierung und der Verfügbarkeit      leben. Allerdings kann es dadurch sein, dass wir hier
„Herzlich Willkommen zur Eingangsveranstaltung der                 offen steht, wird uns in diesem Zuge eine ganz neue
                                                                                                                                   von allem zu jeder Zeit auch einen kulturellen Wandel, der      bestimmte Probleme gar nicht so akut wahrnehmen, wie sie
Projektwoche. Wir freuen uns, dass die Projektwoche                Verantwortung übertragen. Eine gesamtgesellschaftliche
                                                                                                                                   sich unter anderem in Lebensmitteln und unserer                 tatsächlich in unserer Gesellschaft vorliegen. Jetzt könnte
endlich beginnt. Wir sind dankbar dafür, dass ihr euch so          Verantwortung zum Wandel also. Rückführend auf das
                                                                                                                                   Art und Weise des Kochens zeigt. Gerichte aus aller Welt        man allerdings den Fehler begehen, von sich auf andere zu
viele tolle Projekte überlegt habt. Und wir sind stolz darauf,     anfängliche Zitat ergibt sich also, dass man nicht Angst vor
                                                                                                                                   kann man einfach zu Hause nachkochen und eine Ahnung            schließen, und denken, dass alle so handeln wie man selbst.
einigen Stimmen zeigen zu können, dass die Projektwoche            einem stattfindenden Wandel haben sollte, sondern Angst
                                                                                                                                   von der kulinarischen Seite unterschiedlicher Kulturen          Daher muss man sich genau das ins Bewusstsein rufen und
eben doch nicht nur ein Kaffeekränzchen ist.                       vor einem ausbleibenden Wandel, vor dem Stillstand.
                                                                                                                                   erlangen.                                                       sich darum bemühen eine Blase, ob sie denn existiert oder
Die diesjährige Projektwoche läuft unter dem Oberthema             Ein weiteres Zitat besagt: „Nichts ist so beständig, wie der
                                                                                                                                   Nicht zuletzt geht unsere Garderobe mit der Zeit (oder          nicht, zum „Platzen“ zu bringen. Durch das Platzen kann
„Wandel“ und da dieser Begriff sehr vielfältig füllbar ist,        Wandel.“ (Heraklit von Ephesus) Gemeint ist, dass das Leben
                                                                                                                                   auch in der Zeit zurück), sie ermöglicht Jedem und Jeder        sich gelebtes Bewusstsein auch auf andere übertragen und
würden wir euch gerne kurz erzählen, was wir uns bei der           aus Veränderung besteht und wir einem ständigen Wandel
                                                                                                                                   sich individuell auszudrücken. Manchmal sind Worte              sie ebenfalls zum Nachdenken anregen, die Wahrnehmung
Themenwahl gedacht haben und was wir uns darunter                  unterliegen, ob wir ihn wollen oder nicht. Daher müssen wir
                                                                                                                                   nicht angebracht oder auch einfach nicht genug, wenn es         auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.
vorstellen. Das zu Anfang verlesene Zitat stammt von Erich         ihn erkennen und mit geeigneten Mitteln in die Richtung
                                                                                                                                   darum geht, Gefühle und Situationen darzustellen. Damit         Also müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir
Fried. Es beschreibt das Thema Wandel und die damit                lenken, die uns richtig erscheint. Gerade unsere Generation,
                                                                                                                                   verbunden ist der Wandel von Kunst, Musik und Tanz und          die angesprochene Blase, im Kleinen und im Großen zum
verknüpften Probleme, auch auf die Gesellschaft bezogen,           die alle Möglichkeiten dazu hat, den Blick in die Zukunft zu
                                                                                                                                   die Art und Weise, sich damit in Verbindung zu setzen.          Platzen bringen, und Menschen an unseren Gedanken
und bringt es auf den Punkt.                                       wagen, sollte sich unbedingt dafür einsetzen. Sie sollte sich
                                                                                                                                   Wir haben Projekte, die den Wandel der Sprache und damit        teilhaben lassen.
„Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht,   Gedanken darüber machen, wie wir und auch zukünftige
                                                                                                                                   auch das Bewusstsein für Gendergerechtigkeit ansprechen,        Denn - wer hätte es gedacht, es folgt ein Zitat:
dass sie bleibt.“                                                  Generationen leben wollen. Ungeachtet dessen, was bisher
                                                                                                                                   ein sehr aktuelles Thema. Denn die Gleichbehandlung             „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten die viele kleine
Wir fanden das Zitat sehr ansprechend, weil uns direkt             durch andere unternommen oder auch nicht unternommen
                                                                                                                                   der Geschlechter in der Sprache ist für eine erfolgreiche       Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“
einige Punkte in Bezug auf das Thema Wandel in den Kopf            wurde, müssen wir uns für den Wandel entscheiden und uns
                                                                                                                                   Gleichstellung unerlässlich. Auch hier muss die Bereitschaft    (Afrikanisches Sprichwort)
gekommen sind, die auch kritische Sichtweisen beleuchten.          mit ihm auseinandersetzen. Wegschauen ist keine Option,
                                                                                                                                   in der Gesellschaft vorhanden sein, sich darauf einzulassen.    Genau dafür ist die Projektwoche eine super Gelegenheit:
Woran denken wir, wenn wir an das Thema Wandel denken?             denn betroffen sind wir alle.
                                                                                                                                   Weiter gibt es einige Projekte, die eine ganz andere Richtung   sich Gedanken zu machen, wie wir erreichen können, dass
Wandel ist ein sehr alltäglicher Begriff. Er fängt bei jedem/      Um exemplarisch einige Aspekte des Wandels zu nennen,
                                                                                                                                   von Wandel einschlagen:                                         Wandel beginnt beziehungsweise stattfindet. Wir wollen
jeder Einzelnen von uns an. Unser ganzes Leben unterliegt          mit denen sich auch Projekte in dieser Woche beschäftigen,
                                                                                                                                   Zum Beispiel                                                    mit einer solchen Möglichkeit, die durch die Projektwoche
einem ständigen Wandel, von der Geburt bis zum Tod.                sei beispielsweise der Wandel unserer Gesellschaft genannt,
                                                                                                                                   - im sportlichen Bereich das Jugger-spielen                     geschaffen wird, versuchen, auch einen Wandel bei euch
Viel wichtiger ist aber, dass wir im Laufe unseres Lebens          der sich im Umgang miteinander äußert. Dem einzelnen
                                                                                                                                   - beim kreativen Ausleben in der Handarbeit                     zu erreichen. Ein Wandel des Bewusstseins. Dieser kann
unsere Einstellungen und unser Bewusstsein immer wieder            Individuum wird immer mehr Beachtung geschenkt.
                                                                                                                                   - im Wandel des Erscheinungsbildes der Schule                   sich in jeder erdenklichen Art äußern. Denn wie bereits
wandeln und unsere Haltung kann in manchen Fällen                  Die Selbstverwirklichung und das Wohlfühlen in einer
                                                                                                                                   oder in anderen Projekten bei gesellschaftlichem                erwähnt, ist „Wandel“ ein sehr vielseitiges Thema. Durch
sogar eine 180-Grad-Wende erfahren. Solch einen Wandel             bestehenden Gesellschaft gewinnen mehr und mehr an
                                                                                                                                   Beisammensein                                                   die vielen Projekte kann sich jede und jeder nach ganz
vorzunehmen, kann unter Umständen lange dauern und                 Priorität.
                                                                                                                                   Vieles davon und bestimmt auch vieles mehr hat sich auch        eigenen Vorstellungen mit dem Thema befassen. Die
fordert Jede/n auf, sich darauf einzulassen.                       Gewissermaßen brandaktuell sei der Wandel in Klima und
                                                                                                                                   die letzte Schüler*innenvertretung gedacht, als sie das         Möglichkeiten sind kaum begrenzt.
Wandel im Kleinen kann zu Wandel im Großen führen                  Natur, der wider einiger Behauptungen anthropogen, also
                                                                                                                                   Thema Wandel für die Projektwoche ausgewählt hat. Es            Lasst uns in diesem Sinne gemeinsam etwas schaffen.“
und somit eine ganze Gesellschaft verändern, in jede               durch den Menschen verursacht wird, genannt. Bezogen auf
                                                                                                                                   ging damals um den beschleunigten Wandel, den wir heute
erdenkliche Richtung natürlich. Nur durch Wandel können            den Klimawandel, gegen den unsere Generation durch die
                                                                                                                                   erleben, wenn wir ihn mit dem der Generationen vor uns
wir voranschreiten und bleiben nicht auf der Stelle stehen.        Fridays For Future Bewegung bereits massiv vorzugehen
                                                                                                                                   vergleichen und den Umgang damit. Welchen Wandel
Nicht auf der Stelle stehen bleiben, genau das ist das             versucht, hängt dieser Wandel stark mit den Bedingungen
                                                                                                                                   wünschen wir uns sowohl gesellschaftlich, als auch politisch
Ausschlaggebende, denn uns ist gerade in Bezug auf das             von Nachhaltigkeit und Verzicht zusammen. Nachhaltigkeit
                                                                                                                                   und sozial?
Zitat aufgefallen, dass man gar nicht wollen kann, dass die        und Verzicht, diese beiden Punkte sind gleichzeitig auch
                                                                                                                                   Das Thema bietet sich besonders an, da es in der Schule
Welt so bleibt, wie sie gerade ist. Denn das würde bedeuten,       eines der angesprochenen Probleme in der Gesellschaft
                                                                                                                                   darum gehen sollte, sich Gedanken über bestimmte
nichts gegen Armut, Hunger, Krieg, Klimakatastrophen               bezüglich der „Wandelthematik“ .Viele Menschen haben
                                                                                                                                   Themen zu machen oder vielmehr, zu lernen, sich eine
und Naturzerstörung zu haben - zusammenfassend: nichts             das Gefühl, auf zu viel Luxus verzichten zu müssen. Luxus
                                                                                                                                   Meinung zu etwas zu bilden und diese auch gegenüber
gegen Ungerechtigkeit und Missstände zu unternehmen,               der mit dem Wohlstand, wie wir ihn aktuell auch in
                                                                                                                                   anderen zu vertreten. Angesprochen wird hier auch wieder
obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten.                    Deutschland haben, einhergeht. Daraufhin leben zu viele in
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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick   Projektwoche      Projektwoche                       jacobsblick

                             „Wandel heißt, sich von innen zu öffnen und
                             auch an andere zu denken, weil es nicht nur
                                einen selbst betrifft.” ~ Julia Schlegel

                                                        Fotos: Paula Franzke

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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick                                                                                                                                                                                           jacobsblick

Jazz is in the House! (13.02.2020)                                                                        Besuch aus Tres Cantos (04.03.-13.03.2020)
von Lara Bialecki                                                                                         von Paula Franzke

                                                     auch eine bemerkenswerte eigene Komposition vom      Wie bisher jedes Jahr fand Anfang März der Spa-
                                                     JGS-Tenorsaxophonisten Jonathan Dilger. „Dancing     nisch-Austausch an der Jacob-Grimm-Schule statt.
                                                     Ambler“ begeisterte mit vertrackten Rhythmen, die    Für eine Woche waren Schüler*innen aus dem Ort
                                                     dennoch gut ins Ohr gingen. Nachdem die Künst-       Tres Cantos, der in der Nähe von Madrid liegt, bei
                                                     ler ebenfalls unter donnerndem Applaus von der       uns in Kassel zu Gast.
                                                     Bühne gingen, stürmte die Mini-Big-Band der HSS      Ich habe mich ein wenig mit zwei der spanischen
                                                     die Bühne. Die Talente fingen am hinteren Ende der   Austauschschülerinnen und einer Gastgeberin von
                                                     Halle an zu spielen und bewegten sich musizierend    unserer Schule unterhalten, vor allem kulturelle Un-
                                                     an dem Publikum vorbei, das schon bei den ersten     terschiede, die während des Austausches auffielen,
                                                     Tönen in Applaus ausbrach. Das Ensemble spielte      kamen zur Sprache.
                                                     unter anderem “Satisfaction” von den Rolling Sto-    Ein Thema, das unsere Gäste erstaunlicherweise
                                                     nes und das Stück “25 or 6 to 4” von Chicago. Nach   besonders interessierte, waren Schuhe. Sie fragten
                                                     einer kurzen Pause gehörte die Bühne für den rest-   mich, warum wir unsere Schuhe zu Hause vor der
                                                     lichen Abend der Big Band der Jacob- Grimm-Schu-     Tür auszögen, und sie dann sogar draußen stehen
                                                                                                                                                                   Mauer umgeben sei. Ihnen war außerdem aufgefal-
                                                     le, die bereits zwei Wochen zuvor bei „Schulen in    ließen. Ob wir nicht befürchteten, jemand könnte
                                                                                                                                                                   len, dass man sich bei uns auch dann noch in den
Das Konzert begeisterte auf voller Länge, nicht nur Hessen musizieren“ hier zu hören war. Die Big Band    sie einfach mitnehmen? Eine Frage, die ich mir nie
                                                                                                                                                                   Unterricht setzen durfte, wenn man zu spät gekom-
die Jacob-Grimm-Schule zeigte wie erwartet eine überzeugte mit Liedern von den Beatles und ande-          gestellt habe, die mir jetzt jedoch durchaus gerecht-
                                                                                                                                                                   men war. Im Gegenzug bedauerten sie unser durch-
großartige Leistung, sondern auch die jüngeren ren Klassikern. Als die musikalische Unterstützung         fertigt erscheint.
                                                                                                                                                                   gehend schlechtes Wetter, was ich gut nachvollzie-
Schüler der Heinrich-Schütz-Schule. Diese began- durch Sänger dazu kam, rundete dies den Auftritt                                                                  hen kann.
nen mit der Bläserklasse der sechsten Klasse, viele perfekt ab. Der Abend war durch und durch gelun-                                                               Zum Abschluss des Gesprächs fragte ich sie noch,
der dortigen Talente hatten den Unterricht auf den gen und wurde am Ende mit Standing Ovations und                                                                 was die deutschen Austauschschüler in Tres Can-
jeweiligen Instrumenten erst vor 18 Monaten begon- lauten Zugabe-Wünschen gewürdigt.                                                                               tos besichtigen könnten, und ob es dort irgendwel-
nen. Die kleinen Künstler fingen mit Klassikern wie                                                                                                                che interessanten Orte gäbe. Meine uninformierte
“Fluch der Karibik” oder “Mambo No.5” an. Nach-                                                                                                                    Frage wurde mit Lachen der beiden Schülerinnen
dem die Gruppe mit tosendem Applaus verabschie-                                                                                                                    quittiert: Tres Cantos sei ein ziemlich kleiner Ort, in
det wurde, trat ein Jazz-Ensemble der JGS auf. Die                                                                                                                 dem es absolut nichts Interessantes zu sehen gäbe.
Jazz-Combo unter der Leitung von Gunther Fuhr                                                                                                                      Die beiden schwärmten mir stattdessen von Madrid
präsentierte Songs auf einem Niveau, mit dem sie                                                                                                                   mit seinen großen Plätzen vor.
auch genauso im Birdland in New York hätten gespielt                                                                                                               Leider wird es den Gegenbesuch vorerst nicht ge-
werden können, dem berühmten Jazzclub, benannt                                                                                                                     ben. Alle Fahrten, die für die nächsten Monate ge-
nach Charlie “Bird” Parker. Auch vor diesem Künst-                                                                                                                 plant waren, mussten aufgrund der Ausbreitung des
ler macht die Jazzcombo keinen Halt und spielte                                                           Ein Unterschied zwischen unseren Tagesabläufen
                                                                                                                                                                   Corona-Virus abgesagt werden. Um so erfreulicher,
das Stück “Ornithology”. Neben weiteren Klassikern                                                        offenbarte sich, als mir die Gastgeberin verriet, dass
                                                                                                                                                                   dass dieser Besuch noch stattfinden konnte!
wie “Come on come over” von Jaco Pastorius gab es                                                         es anfangs ein paar Momente der Verwirrung mit
                                                                                                          ihrer Austauschschülerin gab. Diese zeigte sich ver-
                                                                                                          wundert über die frühen Uhrzeiten, zu denen wir zu
                                                                                                          Abend essen, schlafen gehen und wieder aufzuste-
                                                                                                          hen pflegen.
                                                                                                          Ich fragte die Schülerinnen auch, was ihnen wäh-
                                                                                                          rend ihres Aufenthalts an unserer Schule gefallen
                                                                                                          hatte und was nicht. Sie bemerkten zum einen, dass
                                                                                                          wir einen schöneren Schulhof mit vielen Bäumen
                                                                                                          hätten, und zum anderen, die Freiheit jederzeit das
                                                                                                          Schulgelände verlassen zu können. In Spanien sei
                                                                         Fotos: Meeri Weiss               dies nicht möglich, da das Schulgelände von einer                             Fotos: Anouk Strache
10                                                                                                                                                                                                                     11
Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick   Jazzkonzert        Jazzkonzert                     jacobsblick

                             „Songs auf einem Niveau präsentiert, die
                            auch genauso im Birdland in New York ge-
                              spielt werden könnten!” ~ Lara Bialecki

                                                      Fotos: Meeri Weiss
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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
jacobsblick                                                                                                                                                                                         jacobsblick

Antisemitismus - Ein leider noch lange nicht ab-                                                                            Glaube
geschlossenes Thema (06.03.2020)                                                                                            von Julia Schlegel

von Tamara Brandau
                                                                                                                            Die Tür knallt
Stille. Wie gebannt verfolgen die Schüler der JGS am            bewegenden Geschichte fragt er die Schüler, wer denn jü-    Mir ist innerlich kalt
06.03.2020 die bewegende Lebensgeschichte des Rappers           dische Mitbürger in seinem Umfeld habe. Das ungefähre
                                                                                                                            Mittlerweile ist es schon April
Ben Salomo, der mit bürgerlichem Namen Jonathan Kal-            Ergebnis: 15%. Daraufhin fragt er nach typischen Gerüch-
manovich heißt. Ben Salomo erzählt aus seinem Leben. Er         ten und Klischees über Juden. Das erschreckende Ergeb-      Ich weiß noch nicht, was ich will
erzählt, dass er in Israel geboren wurde, im Alter von 3 Jah-   nis: Etwa 80% der Schüler kennen diese Gerüchte. Nach
ren mit seinen Eltern nach Berlin kam und dort anfangs          einer knappen Fragerunde beginnt er seinen Rapsong „Sie
unbeschwert seine Kindheit verbrachte. Erst im Alter von        sagen mir“ zu singen, welcher im letzten Jahr erschien.     Da ist jemand, der mich so liebt, wie ich bin
5 Jahren bemerkte er verwundert die Polizisten vor dem          Mit lautem Applaus und vielen Selfies wird der Künstler
jüdischen Kindergarten: Dies war seine erste Begegnung          am Ende von den Schülern verabschiedet. Doch seine Ver-     Ich fühle es genau
mit Polizisten vor einer jüdischen Einrichtung. Er erzählt      se hallen noch weiter in den Köpfen der Schülerschaft und   Ganz egal wie klein, wie ungesehen, wie grau
auch von seinem Großvater, dem im Alter von 13 Jahren           regen zum Nachdenken an:
die Zähne ausgeschlagen wurden, weil er Jude war. Dieser                          Doch sie sagen mir:                       Jemand, der sieht, was ist in mir drin
Großvater lebte mit seinem Zwillingsbruder zur Zeit des             „Gewöhn dich dran, wenn wieder Nazis mar-
Nationalsozialismus in einem rumänischen Ghetto. Sein                                    schier‘n
Zwillingsbruder starb verfrüht. Er starb zusammen mit                  Die Menschen jede Warnung ignorier‘n“                Doch in den dunkelsten Stunden bin ich mir nicht mehr sicher
40.000 weiteren Infizierten an Typhus.                              Sie sagen mir, „Gewöhn dich dran, wenn sich             Irgendwo ist da ein Stern und er leuchtet in mir, in anderen
                                                                            Migranten weiter radikalisier‘n
                                                                             Und den Hass multiplizier‘n“                   Er zeigt sich mir, doch ich sehe ihn nicht deutlicher
                                                                  Sie sagen mir, „Gewöhn dich dran!“, doch ich bin          Ich kann mir nicht entfliehen und habe diesen Willen nicht im Inneren
     Ein Ghetto ist ein abgetrennter Bereich, in dem                                   nicht bereit
     zur Zeit des Nationalsozialismus die Juden un-                      Ihre falsche Toleranz zu akzeptier‘n“
     ter katastrophalen Bedingungen leben mussten.                                                                          Ich hoffe, dabei würde ich gerne glauben
     Sie hatten dort weder Essen, Trinken noch me-
     dizinische Versorgung. Zudem mussten sie die                                                                           Ich schmunzele, dabei würde ich gerne lachen,
     Kosten für die Errichtung der Ghettos selbst                                                                           Und mit meiner Zuversicht mir selbst den Atem rauben,
     tragen.
                                                                                                                            Und über mein Leben mit eigener Kraft wachen

Seine erste Erfahrung mit Antisemitismus machte der
Rapper im Alter von 11 Jahren, als er von seinem dama-                                                                      Hoffen heißt, sich eine Hintertür offen zu halten,
ligen besten Freund an zwei Jugendliche verraten wurde.
                                                                                                                            Zweimal zu schauen und nur den Augen zu trauen
Auf deren Geheiß griff sein bester Freund ihn, den „klei-
nen Lauch“ – wie er sich selbst betitelt –, an. Er selbst,                                                                  Schon kommen die Sorgen und lassen meine Nacht grauen
der Streit über alles hasste, wehrte sich und schlug zu,
während ihn Mitleid für seinen Freund befiel. Er erzähl-
                                                                                                                            So gerne wäre ich jemand, hätte einen Platz und ließe Ruhe walten
te auch von dem Geburtstag einer damaligen Freundin.
Eine „ganz nette Party“ bis schließlich drei Typen ihn zu
sich riefen und ihn fragten, ob er die Hymne der Juden                                                                      Glauben heißt Vertrauen,
kenne. Plötzlich hielten sie ihm ein Feuerzeug unter die                                                                    Alles auf einen Stein zu bauen,
Nase, ließen Gas austreten und gaben ihm zu verstehen,
dass dies die Nationalhymne der Juden sei. Perplex verließ                                                                  Im Dunkeln mit dem Herzen sehen,
er die Party, während ihm Tränen in die Augen stiegen. Er                                                                   Sich bewusst blind machen, sich nicht umzudrehen
verstand nicht, wie Leute so hassen konnten. Nach dieser
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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
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              Stadt

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Jacobs Stadt - Jacob-Grimm-Schule
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Das Theaterstübchen - Ein Ort mit Wiedererken-                                                                              „Nachfüllbar“ im Interview: „Jede Kippe auf
nungswert                                                                                                                   dem Boden kostet 40 Liter Grundwasser.“
von Anouk Strache                                                                                                           von Marie Homberger

Schon auf der Treppe nach unten fällt auf, dieser Club        abhole, ist das Eis sofort gebrochen“. Mit „diesem Auto“      Mit der „Nachfüllbar“ eröffnete am 27.04.20 in der Wil-        ins Gespräch und bin dann mit in das Geschäft eingestie-
ist etwas Besonderes. Die gelben Wände sind voller Un-        meint er natürlich seinen 50er-Jahre-Cadillac.                helmshöher Allee ein plastikfreier Unverpackt-Laden.           gen.
terschriften. Jeder, der dort aufgetreten ist, hat sich mit   Seitdem das Theaterstübchen 1996 gegründet wurde, ent-        Vom Frühstücksmüsli bis zum Waschmittel findet man             Gab es auch negative Rückmeldungen?
schwarzem Edding auf diesen Wänden verewigt. In der           wickelte sich der Club mit seinem Besitzer Markus Knie-       hier alles, was das Herz begehrt. Wie Franziska und Sa-        Franzi: Natürlich, man hat immer negative Rückmeldun-
Ecke erstreckt sich eine Plastikpalme bis unter die Decke.    rim innerhalb von 24 Jahren und 3 Umzügen zu dem, was         mira, die beiden Inhaberinnen der „Nachfüllbar“, auf die       gen dabei. Zum Glück bekamen wir größtenteils positives
An der Kasse sitzt H. Er ist groß und schlank und erinnert    es heute noch ist: Ein renommierter Jazz- und Bluesclub,      Idee kamen, den privaten Verzicht von Plastikprodukten         Feedback. Gerade weil es in Kassel schon mal einen sol-
mit seiner Lederweste und den langen Haaren etwas an          der für seinen jährlichen Jazzfrühling bereits mehrere gut-   zu ihrem Beruf zu machen, und was man selbst dazu bei-         chen Laden gab, hat man schon mal Kommentare gehört,
einen Piraten. Allerdings an die Sorte Pirat, mit der man     dotierte Kulturpreise bekommen hat. Dabei wäre der Club       tragen kann, die Umwelt zu schützen, erzählen die beiden       wie „Warum sollte es denn dieses Mal klappen?“. Aber die
lachend und einen Tee trinkend an der Bar sitzt und über      fast kurze Zeit nach seiner Eröffnung, wegen unbezahlter      im Interview.                                                  Zeit hat sich einfach geändert, was auch das positive Feed-
die Politik und das Stadtgeschehen redet.                     GEMA Gebühren, wieder geschlossen worden. Doch                Welchen Beruf hattet ihr, bevor ihr die „Nachfüllbar“ eröff-   back zeigt.
Der Innenraum ist passend zum Treppenhaus gestaltet,          Freunde Knierims gründeten KAFKA (Kasseler Förder-            net habt?                                                      Gibt es eine Zielgruppe, die ihr bis jetzt besonders mit dem
nur etwas mehr Grün. Palmen und Lianen sind im ganzen         verein für Kulturarbeit e. V.) und konnten so die Zukunft     Franzi: Ich bin Köchin und habe vorher in der Gastro-          Laden erreicht?
Raum verteilt. Auch hier sind die ehemals orange-gelben       des Theaterstübchens sichern.                                 nomie gearbeitet, hatte also auch vorher schon etwas mit       Franzi: Nein, gar nicht! Zum Glück ist unsere Kundschaft
Wände dunkel geworden durch die vielen Unterschriften         Auch die wöchentliche Erwachsenen-Disco finanziert die        Lebensmitteln zu tun. Samira: Ich bin Barkeeperin, hatte       sehr unterschiedlich. Von Schülern, über Ehemännern,
der Musiker. Gegenüber der Bühne liegt eine Bar und ne-       ganzen Auftritte mit. Ebenfalls fest zum Programm gehört      also auch schon immer viel Kontakt mit Kunden, was ein         die von ihren Frauen hergeschickt werden, bis zu der älte-
ben den günstigen Getränken bekommt man dort noch             die lustige Truppe rund um ImproKS, einer Impro-Thea-         bisschen vergleichbar ist mit dem Einzelhandel, aber mit       ren Dame, die regelmäßig kommt und sich ihre Schokola-
Knobibrot und Brezeln.                                        tergruppe und die Soul Brothers um Thomas Stolkmann           der „Unverpackt-Branche“ hatte ich bisher nur als privater     de abwiegt, ist wirklich alles dabei.
                                                              alias Stolle, einem Kassler Urgestein und Bluesmusiker.       Nutzer Kontakt.                                                Ihr habt euren Laden mitten in der Corona Krise eröffnet.
                                                              Wer selbst gerne mal auf die Bühne möchte, kann sich          Seit wann beschäftigt ihr euch privat mit der Müllreduzie-     Hattet ihr trotzdem einen guten Start?
                                                              für die monatlichen Swing Sessions anmelden, bei denen        rung und wie lange denkt ihr schon über dieses Konzept         Samira: Auf die große Eröffnung mussten wir leider ver-
                                                              spontan Bands für einen Abend entstehen.                      nach?                                                          zichten, aber es war trotzdem ein super Tag. Wir dürfen
                                                              Aber auch vor der Bühne ist man in der Jordanstrasse          Samira: Da ich in einem Bio-Hotel meine Ausbildung ge-         im Moment auch nur sieben Leute in den Laden lassen,
                                                              immer willkommen, die Eintrittskarten kosten zwischen         macht habe, hat der Gedanke der Müllreduzierung bei mir        jedoch kommt der Laden super an und die Leute stehen,
                                                              5 und 30 Euro. Damit ist auch preislich für SchülerInnen      während der Ausbildung begonnen. Mir ist damals nega-          seitdem der Laden eröffnet hat, teilweise sogar draußen in
                                                              immer wieder etwas dabei.                                     tiv aufgefallen, dass die ganzen Produkte, die ja eigentlich   der Schlange. Wir können ja nicht sagen, wie es ohne Co-
                                                              Außerhalb der Auftritte von jüngeren Bands – wie Noriega      total hochwertig sind, trotzdem in Plastik verpackt wur-       rona gekommen wäre, aber auch so hatten wir eine sehr
                                                              Mind – fehlen dann trotzdem oft die jüngeren Besucher,        den. Dadurch kam bei mir der Gedanke auf, dass das auch        schöne, emotionale Eröffnung.
                                                              die der Club, gerade nach Corona, gut brauchen kann.          anders gehen muss. Also habe ich angefangen, Kleinigkei-       Was kann man als Schüler von euch lernen? Habt ihr Tipps
                                                              Wer also Lust hat unter Palmen zu Tanzen oder mit einem       ten in meinem privaten Leben umzustellen. Der typische         zur Plastikreduzierung oder einen guten Ratschlag?
                                                              „echten“ Piraten zu quatschen ist im Theaterstübchen im-      erste Schritt war auch bei mir die Umstellung von einer        Samira: Zum Anfangen sind bereits kleine Sachen super -
                                                              mer willkommen.                                               normalen, auf die Bambuszahnbürste. Verstärkt wurde der        einfach mal sein Pausenbrot von Zuhause mitnehmen, an-
Viele regionale und zum Teil auch noch unbekannte Mu-                                                                       Gedanke bei mir noch, als ich in Asien gewesen bin und         statt zum Bäcker zu rennen, oder sich seinen Kaffee in ei-
siker haben hier ihre ersten Auftritte. Doch auch Jazz und                                                                  die schlimmen Plastikverschmutzungen an den Stränden           nen wiederverwendbaren Becher füllen lassen. Gerade im
Blueskünstler von Weltrang wie Till Brönner, Big Daddy                                                                      gesehen habe. Danach kam mir auch schon die Idee, einen        Schulalltag kann man mit solchen Sachen schon schnell
Wilson und Klaus Doldinger erinnern sich gerne an ihre                                                                      Unverpackt-Laden in Kassel zu eröffnen. Franzi: Ich habe       etwas ändern. Franzi: Man kann nicht von jemandem er-
Auftritte in dem kleinen, gemütlichen Club im Keller.                                                                       in Hamburg angefangen, unverpackt einzukaufen. Gerade          warten, zu 100% auf Plastik zu verzichten. Wir haben uns
Wie man das schafft? Das funktioniert nur mit einem Her-                                                                    in der Bar wird viel zu viel Plastik weggeschmissen, ange-     jedoch zum Ziel gesetzt, unseren Kunden einen plastik-
zen, das für Jazz schlägt und etwas Verrücktheit; denn viel                                                                 fangen bei zum Beispiel den Strohhalmen. Danach habe           freien Gesamtalltag zu ermöglichen. Das heißt, bei uns
Geld bleibt nach einem Auftritt nicht für den Club übrig.                                                                   ich mich viel mit dem Thema auseinandergesetzt und             findet man alles, von der Zahnbürste bis zum abfüllbaren
Dass diese Merkmale nur zu gut auf den Besitzer zutreffen,                                                                  mich auch mit anderen Unverpackt-Ladenbesitzern in             Waschmittel. Jedoch ist jeder kleine Schritt wichtig. Seht
merkt man an einem Zitat von Markus Knierim: ,,Ich mag                                                                      Hamburg unterhalten. Ich habe mir zunächst die Aufgabe         es einfach nicht als Verzicht, sondern als Erweiterung und
dieses Zeitfenster der 50er und 60er Jahre und den Cool                                                                     gestellt, jeden Monat auf etwas zu verzichten. Als ich nach    denkt an die Zukunft. Man sollte bedenken, dass niemand
Jazz einfach. Und wenn ich die Künstler mit diesem Auto                              Fotos: Anouk Strache                   Kassel kam, lernte ich dann Samira kennen, kam mit ihr         perfekt ist, aber schon jeder kleine Schritt zählt.
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Kassel sehen - Eine Fotostrecke
von Meeri Weiss

     Heute geht alles so schnell.
     Jeden Tag wachen Wir auf und werden von neuen Informatio-
     nen überströmt.
     Wir ersticken an ihnen,
     Wir sehen nur die Oberfläche
     Wir schauen nicht mehr richtig hin. Unsere Wahrnehmung
     verschwimmt.
     Es wird zu viel für unser Auge,
     alles wird zu viel.
     So viele Farben und Wir erkennen sie noch kaum.
     Wir haben keine Kraft mehr, keine Lust, sie zu sehen.
     Stattdessen gehen Wir mit gesenktem Kopf durch die Straßen.
     Wir tragen unser Smartphone trotzdem in der Hand, immer
     abrufbereit.
     Wir versinken unter all dem Ballast.
     Wir verlernen unsere Sinne.
     Wir wollen es nicht mehr sehen.

     Wir sehen es nicht mehr.

                                                                                        Im Rahmen dieser Fotoreihe habe ich einige Orte beziehungs-
                                                                                        weise Ecken in Kassel fotografiert, um diese wertzuschätzen und
                                                                                        mit anderen zu teilen. Ich habe versucht, mich „bewusst umzu-
                                                                                        schauen“, während ich in Kassel unterwegs war. Mit diesen Fotos
                                                                                        soll kleinen oder auch großen Dingen ein Raum und Aufmerk-
                                                                                        samkeit geschenkt werden.

                                                                   Fotos: Meeri Weiss

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Auf dem Weg nach Kassel                                                                                              ßerung war in der DDR nicht immer gegeben. In der     Sich keine Sorgen darüber machen zu müssen, keine
                                                                                                                                                                           Arbeit zu finden oder was man mit dem Kind ma-
                                                                                                                     Öffentlichkeit war es folglich nicht möglich, seine of-
                                                                                                                     fene Meinung zu Politikern oder zum Staat frei aus-   chen soll, wenn man wieder arbeiten geht, wäre für
von Hanni Gramatzki                                                                                                  zudrücken. Zudem wurden sämtliche Medien vom          mich schon eine Last weniger, die ich auf meinen
                                                                                                                     Staat kontrolliert. Im Westen gab es diese staatliche Schultern tragen müsste. Was ich aber sagen kann,
Vor über 70 Jahren entstanden die BRD und die DDR.           zukommen. Ihnen gefiel das System der DDR nicht.        Kontrolle nicht und es herrschte Meinungsfreiheit.    ist, dass die Menschen die unterschiedlichsten Grün-
Häufig hört man, dass das Leben in der DDR nicht so          Das System gefiel bestimmt anderen Personen auch        Deutschland ist ein großes Land mit vielen schönen    de hatten, um von dort zu fliehen. Die Geschich-
schön gewesen sei. Alles sei geregelt und durchstruktu-      nicht gut. Mit wem bist du nach Kassel gekommen         Städten. Wieso habt ihr euch ausgerechnet dazu ent-   te meiner Mutter hat mir gezeigt, dass die Flucht
riert gewesen. Dazu komme die Kontrolle durch den Staat      und gab es in deinem Umfeld auch Personen denen es      schieden, nach Kassel zu ziehen?                      durchaus gelingen kann und man eine Chance hatte,
oder die Meinungsfreiheit, die es nicht gegeben habe. Vie-   so ergangen ist und die ebenso auswandern wollten?      Meine Mutter: Diese Entscheidung war nicht son-       sich ein neues Leben im Westen aufzubauen. Die ei-
le Menschen wollten dem entfliehen und haben probiert,       Meine Mutter: Ich bin zusammen mit meiner Mut-          derlich schwer zu treffen. Wir hatten damals Ver-     nen möchten die DDR und die anderen nicht.
in die BRD zu gelangen. Weitere Gründe für eine Flucht       ter, meinem Vater und meinem Bruder hierher ge-         wandte, die in Kassel lebten. Sie unterstützten uns inJeder ging anders mit seiner Meinung um. Aber ich
waren unter anderem, dass viele ihre Freunde und Familie     kommen. Aus meinem Umfeld blieben jedoch alle in        unserer neuen Heimat und durch sie bekamen wir        würde mir mit subjektiven Eindrücken von anderen
wiedersehen wollten, die im Westen lebten. Einige Men-       der DDR. Aber ich schließe nicht aus, dass es welche    auch relativ schnell eine Wohnung zum Leben.          kein endgültiges Urteil von ihr bilden wollen, da die-
schen arbeiteten oder studierten auch in der BRD und         gab, die auch auswandern wollten.                       Vielen Dank für diesen persönlichen Eindruck.         se niemals eine objektive Grundlage bieten können.
wurden so zunehmend an der Fortführung ihrer Tätigkeit       Wo hast du vorher gelebt und wann kamst du nach                                                               Meiner Meinung nach sollte man sich zunächst ei-
gehindert. Doch war das Leben in der DDR wirklich so         Kassel?                                                 Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich das nen eigenen Eindruck verschaffen, bevor man ein
schlimm? Und gibt es vielleicht auch andere Gründe die       Meine Mutter: Damals wohnten wir in einer Stadt         Leben in der DDR nicht schlecht anhört. Sowohl Urteil über etwas fällt. 31 Jahre nach dem Mauerfall
DDR zu verlassen? Doch wenn die Flucht gelingt? Wohin?       namens Ostritz, die in der Nähe der polnischen          der Osten als auch der Westen hatten ihre Vor- und ist es jedoch keinem von uns möglich, in der Zeit
Bezüglich dieses Themas habe ich meine Mutter inter-         Grenze lag und bekannt für das St. Marienthal Klos-     Nachteile. Doch ist das Leben dort nun schlecht zurückzureisen, sodass wir auf Zeitzeugen wie mei-
viewt. Sie wuchs damals in der DDR auf und erzählt nun,      ter ist. Als ich nach Kassel kam, war ich noch ein      oder doch ganz gut gewesen? Das was ich gehört ne Mutter auch in Zukunft angewiesen sein werden,
wie sie ihre Kindheit und Jugend dort wahrnahm, ob auch      Teenager, um genau zu sein 15 Jahre alt.                habe, hört sich für mich nicht schlecht an. Ich könn- um uns umfassend zu informieren.
sie schlechte Erinnerungen an diese Zeit hat und warum       Was hast du über Kassel gedacht, als du die ersten      te mir vorstellen, dass es eigentlich ganz schön war.
sie ausgerechnet nach Kassel kam.                            Tage hier gelebt hast?

                                                                                                                     Gedenkkultur in Kassel
Erstmal vielen Dank für deine Gesprächbereitschaft.          Meine Mutter: Es war eine Reizüberflutung. Den-
Was denkst du über die DDR und wie war dein Leben            noch fand ich die Stadt sehr schön. Sie war viel sau-
dort?                                                        berer als die damaligen Städte in der DDR. Da es
Meine Mutter: Als Kind fand ich die DDR nicht                dort so viele Kohlekraftwerke gab, war die Luft im-     von Julia Schlegel
schlecht. Meine Zeit dort war sehr schön. Ich war            mer sehr verstaubt und dreckig, sodass man diesen
immer viel mit meinen Freunden draußen unter-                Staub auch einatmet musste.                             Im Folgenden möchte ich einige Gedenkstätten in           für schreckliche Vertreibung zu finden und zu ver-
wegs und habe etwas unternommen. Man musste                  Konntest du Unterschiede zwischen dem Osten und         Kassel vorstellen und die Wahrnehmung durch die           stehen. Kunst hilft beim Erinnern und Ertragen. Sie
sich keine Sorgen machen, denn fast jeder hatte ei-          dem Westen feststellen beziehungsweise bemerken,        Bewohner im Hinblick auf eine gelingende Erinne-          ist auffälliger und lässt mehr Interpretationsfreiraum
nen Job. Es gab weniger Stress auf der Arbeit und es         nachdem du bereits einige Zeit in Kassel gelebt hat-    rungs- und Gedenkkultur reflektieren.                     als Text. Man sieht sie und oft versteht man nicht so-
herrschten kaum Konkurrenzkämpfe unter den Fir-              test?                                                    Aschrottbrunnen                                          fort. Kunst bringt Menschen zum Nachdenken, aber
men. Um die Kinder wurde sich viel mehr geküm-               Meine Mutter: Neben der Sauberkeit der Luft gab es      Der Aschrottbrunnen befindet sich direkt vor dem          es ist wie bei diesem Beispiel schwierig, den tieferen
mert. Es gab viele Freizeitaktivitäten für sie, wie zum      auch Unterschiede im Schulsystem. Im Osten war          Rathaus. Er wurde 1908 von Sigmund Aschrott, der          Sinn zu erkennen. Durch Befragungen fällt auf, dass
Beispiel Spielplätze oder Ferienlager. Zudem konn-           alles viel strenger. Früher musste immer ein Schü-      ein erfolgreicher Unternehmer aus einer deutsch-jü-       das Kunstwerk überhaupt nicht bemerkt wird und
te man nachts draußen unterwegs sein, ohne sich              ler nach vorne gehen und der Lehrerin auf Deutsch,      dischen Familie war und viele Gebäude im Vorderen         zudem nur eine geringe Kenntnis über seine Entste-
großartig Sorgen machen zu müssen. Jedoch hatte              Englisch und Russisch mitteilen, wer an dem Tag da      Westen und Fonds ermöglichte, gestiftet. Von 1905         hungsgeschichte vorzufinden ist. Deshalb kann die-
auch alles eine bestimmte Ordnung dort. Durch die            war und wer fehlte.                                     bis 1909 wurde der Brunnen erbaut. Er war mit einer       ses Mahnmal wohl als Negativbeispiel für eine gelin-
Planwirtschaft wurde alles geregelt. Jeder durfte eine       Auch die Produktion von Konsumgütern unter-             12 Meter hohen Sandsteinpyramide besetzt. 1939            gende Gedenkkultur gewertet werden.
bestimmte Menge an Produkten kaufen und es gab               schied sich stark durch die Planwirtschaft. Im Osten    wurde der Brunnen aufgrund von antisemitischen
fast gar nichts in der DDR. Es war zum Beispiel be-          hatte man beispielsweise Glück, wenn man keine 15       Ansichten als „Judenbrunnen“ bezeichnet und zer-
reits ein seltener Fall, einen Kugelschreiber zu besit-      Jahre auf ein bestelltes Auto warten musste. Zudem      stört. Im Zuge der documenta wurde der Brunnen
zen. Das war nicht immer schön.                              hingen in den Einkaufsläden immer Schilder, auf de-     allerdings 1987 als Mahnmal konzipiert und wieder
Was war der Hauptgrund, das du nach Kassel gekom-            nen stand: „ Jeder Kunde nur eine Packung“. In der      errichtet. Jedoch ist vielen Kasslern nicht bewusst,
men bist?                                                    BRD gab es viel mehr Produkte und man konnte so         dass es sich um einen Negativbrunnen (er befindet
Meine Mutter: Der Hauptgrund war eigentlich, dass            viel kaufen, wie man wollte. Insofern war der Kon-      sich also unter dem Boden) handelt. Da es keine
meine Eltern auswandern wollten, da ich erst ein             sumkomfort im Westen wesentlich höher.                  deutliche und einladende Gedenktafel gibt, ist es
Teenager war, blieb mir keine andere Wahl, als mit-          Aber auch die Möglichkeit zur freien Meinungsäu-        besonders für Touristen schwierig, dieses Symbol
22                                                                                                                                                                                                                                23
jacobsblick                                                                                                                                                                                         jacobsblick

 Gleis 13/14
Am Hauptbahnhof ist ein stillgelegtes Gleis zu fin-                                                         Der CSD Kassel - Eine Reportage
den. Die 1007 Namen der von dort Deportierten
sind zur Erinnerung eingraviert. 2015 wurde das 120
Meter lange Gleis eingeweiht. Es wurde ursprüng-
                                                                                                            (17.08.2019)
lich 1941 und 1942 zur Deportation genutzt. Schon                                                           Von Tamara Brandau
während der Fahrt starben schwächere Passagiere
durch die unmenschlichen Transportbedingungen.
                                                                                                            Morgens um halb zehn in Deutschland gönnen sich        wofür? Für ein Zeichen? Genau! Wir wollen ein Zei-
Im Gegensatz zum Aschrottbrunnen, der sich im
                                                                                                            viele Menschen erst einmal ein leckeres Knoppers,      chen für Toleranz und Akzeptanz setzen, da es viele
Stadtzentrum befindet, ist allein durch die Lage des
                                                                                                            so aber nicht meine beste Freundin Merle und ich.      Länder gibt, die Homosexualität etc. verfolgen. Zu-
Gleises ein gezielter Besuch nötig. Da man nicht ein-
                                                                                                            Während sie noch schlief, bereitete ich schon alles    dem wird in manchen Ländern sogar diskutiert, ob
fach beim Einkaufsbummel daran vorbei geht, bringt
                                                                                                            vor: Frühstück, Proviant für unterwegs, Regenbo-       man nicht wieder die Todesstrafe für Homosexuelle
man auch mehr Ruhe und Bereitschaft mit, sich auf
                                                                                                            genfahne einpacken und dann halt meine Merle           einführen sollte. Ich für meinen Teil bin froh, dass
ein Andenken einzulassen. Der Besucher findet zu-
                                                                                                            aufwecken. Diese hat nämlich am Donnerstag da-         ich in einer sehr toleranten Familie lebe und auch
dem schnell die Informationstafel mit einer klaren
                                                                                                            vor extra den weiten Weg von Hörstel (NRW) nach        ein sehr tolerantes Umfeld habe, das mich akzeptiert,
Botschaft: Wir wollen uns an ihre Namen erinnern.
                                                                                                            Kassel auf sich genommen. Aber wofür? Nur um           wie ich bin. Dieses Glück haben viele aber nicht, das
 Stolpersteine
                                                                                                            eine Freundin zu besuchen, obwohl diese eigentlich     Suizidrisiko bei homosexuellen Jugendlichen ist
In Kassel gibt es 270 Stolpersteine, die an das Schick-
                                                                                                            Schule hat? Mal abgesehen davon, dass ich zu die-      dreimal-, bei transsexuellen gar sechsmal so hoch.
sal verfolgter, ermordeter, deportierter und vertrie-
                                                                                                            sem Zeitpunkt krankgeschrieben war und niemals         Gegen 11:25 Uhr machten wir uns auf den Weg zur
bener Mitbürger in der Zeit des Nationalsozialis-
                                                                                                            den wunderbaren Unterricht dieser Schule verpas-       Bahn, die voll mit bunt angezogenen Menschen war.
mus erinnern. Der seit Mai 2012 bestehende Verein
                                                                                                            sen wollen würde, war sie natürlich nicht einfach so   Merle und ich fühlten uns mit der Regenbogenfahne
„Stolpersteine in Kassel e.V.“ finanziert diese Ge-
                                                                                                            nach Kassel gekommen, schließlich musste sie ca.       und meinem Regenbogenshirt leicht underdressed.
denktafeln, die überall in der Stadt zu finden sind.
                                                                                                            200 Kilometer hinter sich bringen. Merle kam wegen     Nachdem wir dann erfuhren, wo der CSD denn los-
Jeder kann selbst mitgestalten, pflegen oder die 120
                                                                                                            des CSDs nach Kassel.                                  gehe, liefen wir zum Kulturbahnhof. Überall bunte
Euro pro Stein mitfinanzieren. Es werden regelmä-
                                                                                                                                                                   Menschen, Drag Queens, Heterosexuelle, Cisgen-
ßig Treffen in Kassel organisiert, zu denen auch Zeit-
                                                                                                                                                                   dered, Allys und Merle und ich mittendrin.
zeugen anwesend sind. Dies schafft eine besondere
Nähe zu den Bewohnern der Stadt, denn liegt ein                                                               Aber, was zur Hölle ist denn ein CSD?
solcher Stein vor dem eigenen Haus oder auf dem                                                               Der Christopher Street Day ist ein Fest-, Ge-          Drag Queens: Drag ist eine Kunstform bei der
Weg, dann fühlt sich die Geschichte der Vertreibung                                                           denk- und Trauertag. Ein Gedenk- und Trau-             Männern sich als Frauen kleiden.
und Deportation ganz konkret und erfahrbar an.                                                                ertag an all die Menschen, die aufgrund von            Heterosexualität: Heterosexualität ist die sexu-
                                                                                                              Homosexualität, Transsexualität o.Ä. verfolgt,         elle Orientierung, bei der Romantik und sexu-
                                                                                                              gefoltert und/oder ermordet wurden.                    elles Begehren ausschließlich oder zumindest
                                                                                                              Der Grund für den Namen des Christopher                überwiegend für Personen des anderen Ge-
                                                                                                              Street Days ist, dass damals in der Christo-           schlechts empfunden werden.
                                                          Die Stolpersteine sollen an die Verbrechen          pher Street in New York die ersten Menschen            Cisgender: Menschen, die sich mit ihrem bio-
                                                          der Nazis erinnern und erzählen kurz die Ge-        für die Rechte der LGBTQ+ Community ge-                logischen Geschlecht identifizieren
                                                          schichte der Opfer. Meist befinden sie sich vor     kämpft haben. Dies geschah im Jahre 1970 als           Allies: Heterosexuelle Unterstützer der Com-
                                                          den ehemaligen Unterkünften der Personen.           Reaktion auf die polizeilichen Übergriffe auf          munity
                                                          Es gibt sie seit 1992. Sie wurden vom Künstler      Homosexuelle und Transgeschlechtliche im
                                                          Gunter Demnig erschaffen und sind in vielen         Jahre 1969.
                                                          europäischen Ländern auffindbar.
                                                                                                                                                                Um 12:00 Uhr ging es los. Ein bunt geschmückter
                                                                                                                                                                Laster mit den Veranstaltern fuhr voran und bespiel-
                                                                                                                                                                te uns mit lauter Musik, der wir und viele Menschen
                           Fotos: Julia Schlegel                                                            Warum sollten wir aber eine solche Veranstaltung folgten. Viele hatten ein „Free Hugs“- oder auch
                                                                                                            besuchen, wenn wir doch auch die Zeit und das Geld „Free Kiss“ - Schild um, schließlich ist die PRIDE ein
                                                                                                            dafür sparen könnten? Kassel ist nicht der einzige Fest der Liebe und kennt dabei kein Geschlecht. Zu-
                                                                                                            Ort, an dem der CSD veranstaltet wird, es gibt rund nächst liefen wir die Werner-Hilpert-Straße runter,
                                                                                                            54 deutsche Städte, in denen in diesem Jahr jeweils Richtung Lutherstraße. Dort legten wir eine kleine
                                                                                                            wieder eine Pride - Parade veranstaltet wird. Aber Pause ein und lauschten den Reden der Veranstalter,
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jacobsblick                                                                                                                                                                                           jacobsblick

bis es über den Scheidemannplatz Richtung Fünf-         kels 2 („AddOn“ des Transsexuellen Gesetzes; kurz          Und wie kann man bei der Organisation des nächs-    Bleibt Gesund!
fensterstraße weiterging und sich zahlreiche Gesprä-    TSG) am 1. Januar 1981 in Kraft trat und zuletzt erst      ten CSD helfen?                                     Hier noch ein paar Impressionen des CSDs 2019
che in der bunten Gruppe entfachten. Ab und zu          10/2017 verändert wurde.                                   Dazu trägt man sich bei einem CSD in eine Liste     (2020 wird voraussichtlich verschoben #dankeCo-
riefen die Veranstalter Sätze, die lautstark im Chor                                                               mit Name, Vorname und E-Mail-Adresse ein und        rona)
widerhallten. Da wir auf den Straßen liefen trafen                                                                 kommt in den Verteiler, genaueres weiß ich leider
uns immer wieder verstörte Blicke aus den Straßen-                                                                 nicht :(((((
                                                          Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wur-
bahnen, während am Straßenrand Passanten ste-
                                                          de im Jahre 1980 mit Wirkung ab 1. Januar
hen blieben und uns verwirrt musterten. Auch aus
                                                          1981 unter dem Titel „Gesetz über die Ände-
den Fenstern der Frankfurter Straße verfolgten uns
                                                          rung der Vornamen und die Feststellung der
neugierige Augen, denen Merle, ich und die bunte
                                                          Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fäl-
Masse fröhlich in ihren Bürogebäuden zuwinkten,
                                                          len“ (Transsexuellengesetz – TSG) verabschie-
während diese Bilder oder Videos von uns aufnah-
                                                          det. Es bezieht sich auf die sozialpsychologi-
men. Als wir auf der Höhe des Friedrichsplatzes wa-
                                                          sche Transsexualität.
ren, wurden wir von einem plötzlichen kurzen Re-
                                                          Es soll Menschen die Möglichkeit geben, recht-
genschauern überrascht. Zufällig traf ich genau dort
                                                          lich in der zu ihrer empfundenen Geschlechts-
einen alten Kumpel, von dem ich mich schon lange
                                                          identität passenden Geschlechtsrolle festgelegt
entfernt hatte. Ich umarmte ihn herzlich, was meine
                                                          zu werden, die von ihrem ursprünglich me-
damalige Freundin abschätzig kommentierte, wor-
                                                          dizinisch-formaljuristisch festgestellten Ge-
aufhin ich erwiderte, dass es ein Fest der Liebe sei
                                                          schlecht abweicht.
und sie ihre Hassrede unterlassen solle, Hass habe
auf der PRIDE nichts verloren! Als wir schließlich
den Königsplatz gegen 14:00 Uhr erreichten, plat-
zierte sich der große Wagen hinter dem Haltestel-       Genug zum CSD des letzten Jahres… Jetzt ist es na-
lenhäuschen und ein Banner mit dem Motto „Wir           türlich wichtig zu wissen, wo man sich informieren
wollen keine Grenzen!“ wurde gehisst. Zwei Politi-      kann, wo man sich mit Menschen treffen kann, die
ker (einer von der Linken, der andere von der SPD)      einen verstehen und auch, wo man sich für die Or-
hielten Ansprachen zum Thema Toleranz und Ak-           ganisation des CSDs eintragen kann.
zeptanz. Ihre Parteien hatten Stände aufgestellt, die   1. Die Trans*Beratung in der Motzstraße 1 in Kassel
mit Stickern, Fahnen, Kondomen und Gleitgel mit         veranstaltet öfters Treffen. Zurzeit steht sie Euch auf-
der Aufschrift „Für mehr Nahverkehr“ lockten. An        grund von Corona nur telefonisch zur Verfügung.
zwei weiteren Ständen konnte man sich Fahnen der        2. Die sogenannten „Queer and Young Kassel“
LGBTQ+ Community und Buttons, die man selbst            (Queer and Young Kassel bei Facebook, @queer_
gestalten konnte, mitnehmen. Mit Erstaunen nah-         and_young_kassel bei Instagram) bieten ebenfalls
men Merle und ich wahr, dass manche mit ihren El-       Gelegenheiten, sich unter jungen „queere“ Leute
tern und Großeltern gekommen waren – was meiner         zwischen 14 und 27 Jahren zu treffen und sich zu
Erfahrung nach ja eher ungewöhnlich war. Als ich        unterhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich
eine Mutter befragte, warum sie mitgekommen sei,        sicher in seiner Sexualität oder seinem Geschlecht
meinte sie nur: „Ich habe schon alles auf dieser Welt   ist, solange man queer ist – versteht sich. So heißt es
gesehen, da schockt mich sowas doch nicht mehr.“        auf der Facebookseite der Queer and Young Kassel
Meiner Meinung nach sollten viele Leute so denken,      Organisation:
da wir in der Geschichte bereits genug Hass und         „Wir bieten neben dem offenen Treff auch Beratung
Ausgrenzung erlebt haben.                               und Begleitung an, helfen bei der Therapeutensuche
Nachdem Merle und ich ein paar Buttons, Fahnen          und leiten weiter an andere Institutionen und Ko-
usw. gesammelt hatten, setzten wir uns vor den Wa-      operationspartner*innen wie die Aids-Hilfe Kassel
gen und lauschten den Rednern. Unter ihnen war          und Profamilia Kassel. Unser Team besteht inzwi-
auch eine Frau, die von ihrem Leidensweg vom            schen aus vier aktiven Teamer*innen und zwei Tea-
biologischen Mann zur biologischen Frau berich-         mer*innen, die für Beratungen zur Verfügung ste-
tete. Sie erzählte von Ausgrenzung und Intoleranz       hen. Vertreten sind wir im Regenbogennetzwerk
in ihren jungen Jahren und auch von der Ausgren-        Kassel, im CSD Verein Kassel und gestalten die
zung seitens der Politik, da die Änderung des Arti-     queere Filmreihe in Kassel mit.“                                                                                                 Fotos: Tamara Brandau
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jacobsblick   Projektwoche       Projektwoche                       jacobsblick

                             „Man ist erst alt, wenn man die Veränderun-
                             gen in seinem Leben nicht mehr akzeptieren
                                        kann.” ~ Chikara Hida

                                                        Fotos: Paula Franzke

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     Jacob
              zuhause

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Von Lockerungen und Masken                                                                                      Diese unvernünftige Umgangsweise der weniger
                                                                                                                benachteiligten Menschen würde Kant als unmora-
                                                                                                                                                                          Nein. Nein, ich kann nicht wollen, dass alle nach
                                                                                                                                                                          diesem Prinzip „Wenn ich nicht betroffen bin, muss
                                                                                                                lisch bezeichnen. Seine Ethik besagt, dass man nur        ich mich auch nicht an die Beschränkungen halten
von Isabell Vollmer                                                                                             nach derjenigen Maxime handeln soll, von der ich          und gefährde dadurch andere“ handeln. Diese Ant-
                                                                                                                zugleich wollen kann, dass sie ein allgemeines Ge-        wort vertrete auch ich, obgleich ich nun wollen wür-
Wie sich der Verlauf der Pandemie aufgrund des          der am Arbeitsplatz noch im Homeoffice arbeiten         setz werde. Nach dieser Formel müssten sich dieje-        de, dass diese Einstellung zu einem allgemeingülti-
Corona-Virus gestalten wird, bleibt immer noch un-      können, bekommen nun Kurzarbeitergeld. Diejeni-         nigen, die egoistisch handeln und sich nicht an die       gen Gesetz werde oder nicht – in Zeiten wie diesen
klar. Was jedoch offensichtlich erkennbar ist, dass     gen, die eh schon gerade so über die Runden gekom-      Regelungen halten, da sie und ihre Angehörigen            sollte man nicht egoistisch und nur auf sich bedacht
unsere Gesellschaft durch den vor 6 Wochen ausge-       men sind, leiden unter den Umständen und Folgen.        mutmaßlich nicht zur Risikogruppe gehören, die            handeln. Um die Lockerungen also ethisch vertreten
rufenen Lockdown mit verheerenden Folgen kon-           Es kristallisiert sich eine unzumutbare Lebenslage      Frage stellen: Kann ich im Fall, dass ich selbst zu ei-   zu können, muss man ausgearbeitete und bedachte
frontiert wird. Das öffentliche Leben wurde stark       heraus, die nicht von Dauer sein darf. Diesen Men-      ner Risikogruppe gehöre, wollen, dass andere, weni-       Vorkehrungen treffen, um zu versuchen, den Nach-
eingeschränkt und auf das Nötigste reduziert. Bei-      schen muss geholfen werden und dies geht nun mal        ger betroffene Gesellschaftsgruppen, sich unsolida-       teil der Risikogruppen auszugleichen.
spielsweise mussten Schulen und Geschäfte schlie-       nur über ein Maß an Lockerungen (vertiefend hier-       risch mir gegenüber verhalten? Kants Antwort wäre:
ßen, sodass zahlreiche Menschen ihren Beruf nicht       zu der Beitrag von Madita Bollenbach).

                                                                                                                Die Triage - Ein ethisches Dilemma
weiter ausführen konnten. Als Folge dessen kam          Dadurch stellt sich die Frage, wie wir mit den Lo-
es zu einem globalen Einbruch der Wirtschaft und        ckerungen umgehen und wie wir uns nun selbst
bereits jetzt leben über 10 Millionen Deutsche von      verhalten. In Zeiten wie diesen, müssen wir solida-
Kurzarbeitergeld. Dass der Staat begrenzte Mittel       risch handeln. Auch junge und generell weniger ge-      von Jasmin Iqbal
hat und sich diese Situation nicht dauerhaft leisten    fährdete Menschen müssen sich an die Regeln und
kann, liegt auf der Hand. Diese Krise nagt an uns al-   Kontaktbeschränkungen halten. Sie können nicht
len und so beschloss die Regierung, ab dem 20. April    einfach in den Supermarkt spazieren und beispiels-      Das Corona-Virus hat inzwischen alle Bereiche des         das meiste Leid vermieden werden. Daher müssten
Lockerungen zuzulassen, um das öffentliche Leben        weise den Mindestabstand nicht einhalten, weil sie      Lebens erreicht, dabei steht die Politik wie auch die     möglichst viele und vor allem möglichst systemrele-
schrittweise zur Normalität zurückzuführen. Doch        denken, dass ihnen das Virus nichts anhaben kann.       Gesellschaft nicht nur vor einem wirtschaftlichen         vanten Leben gerettet werden. Geht man beim Uti-
war dies die richtige Entscheidung? Ist es moralisch    Sie müssen sich zum Schutze der Schwächeren             und sozioökonomischen Problem, sondern auch               litarismus in die Tiefe, könnten jedoch auch andere
vertretbar, den Schutz und das Leben vor allem der      trotzdem an die Regeln halten. Aus diesem Grund         vor einem ethischen. Was passiert bei Ressour-            Ausschlusskriterien einbezogen werden, wie z.B. wie
schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft zu ris-     ist die neueingeführte Maskenpflicht durchaus sinn-     cenknappheit in Krankenhäusern? Wer darf leben            wertvoll der jeweilige Patient für das soziale oder
kieren?                                                 voll, denn wenn die gefährdeten Mitglieder unserer      und wer muss sterben, wenn nicht genug für alle da        wirtschaftliche Leben ist oder ob der Patient ein
Die derzeitigen Lockerungen basieren auf bloßen         Gesellschaft beim Einkaufen eine Maske zu ihrem         ist? Diesem ethischen Dilemma steht man bei Befas-        Kind oder schon hoch betagt ist etc.
Hypothesen, wie sich das Virus vermutlich weiter-       eigenen Schutze tragen, schützen sie nur die ande-      sung mit der Triage gegenüber.                            Kant hingegen würde anders argumentieren. Nach
entwickeln wird. Aufgrund dessen riskieren wir,         ren. Sie selbst können sich vor einer Infektion durch   In der Medizin werden Patienten, besonders in ei-         ihm dürfen Menschenleben nicht gegeneinander ab-
dass sich das Virus rasant weiter ausbreiten könnte     andere nicht schützen, denn dazu bedarf es auch ei-     ner Katastrophensituation, in Kategorien eingeteilt.      gewogen werden, weil jedes Leben gleich viel wert
und uns vor eine neue Infektionswelle stellt. In ei-    nes Mundschutzes des Gegenüberstehenden. Somit          Je nach schwere der Verletzung wird den Verletzten        ist. Selbst wenn ein systemrelevanter kranker Arzt
nem solchen Szenario könnte es zur Überforderung        müssen für eine Lockerung neue Vorkehrungen ge-         bzw. Kranken eine gewisse Dringlichkeit zugespro-         ein Beatmungsgerät braucht, aber ein Obdachloser
des Gesundheitssystems kommen, so dass Ärzte im         troffen werden, um gefährdete Personen – seien es       chen. Dieses Prinzip nennt man Triage. Das franzö-        dieses noch dringender benötigt, darf der Arzt –
Extremfall gezwungen wären, nur das Kriterium der       ältere Menschen der Risikogruppe oder auch jünge-       sische Wort, das übersetzt soviel wie Auslese bedeu-      auch wenn es auf den ersten Blick in so einer Notlage
medizinisch zu erwartenden Erfolgschance heran-         re Menschen mit Vorerkrankungen – zukünftig zu          tet, stammt aus dem Militär, als Ärzte, vor allem bei     sinnvoll erscheinen würde – dem Obdachlosen nicht
zuziehen (vertiefend hierzu der Beitrag von Jasmin      schützen.                                               Überbelegung der Lazarette, entscheiden mussten,          vorgezogen werden.
Iqbal). Ein Sozialdarwinist hätte an einer solchen                                                              welche Soldaten als erstes versorgt werden. Solange       Auswahlkriterien dürften nach Kant also nicht fest-
Entwicklung wahrscheinlich sogar Gefallen, denn                                                                 bei dieser Priorisierung, die weder nach Alter noch       gelegt werden. Die behandelnden Ärzte sind allen
nur die starken Individuen würden dieses Szenario                                                               nach sozialer Herkunft getroffen wird, sondern aus-       Patienten zu gleichem Maße verpflichtet. Kriterien,
überleben. Kant hingegen würde an dieser Stelle ein-                                                            schließlich nach Krankheitsbild bzw. Genesungs-           die aus Neigung entstehen bzw. einem höheren Nut-
wenden, dass Leben nicht gegeneinander abgewogen                                                                chancen, kein Leben diskriminiert wird, ist auch          zen dienen, würden den Menschen zum Mittel eines
werden dürfe. Jeder Mensch sei gleich viel wert und                                                             kein ethisches Problem zu erkennen. In Norditalien        anderen Zweckes als sich selbst machen. Das ist nach
so verdiene jeder Mensch eine Behandlung – egal                                                                 und Teilen von Frankreich und Spanien kam es auf          Kants kategorischem Imperativ moralisch nicht ver-
wie hoch die Erfolgschancen stünden.                                                                            Intensivstationen in Krankenhäusern zu einem Feh-         tretbar. Würde man es erlauben, den Menschen als
Ein an den Lockdown anknüpfendes Problem stellt                                                                 len an Ressourcen. Dort mussten Ärzte schließlich         Mittel zu missbrauchen, müsste man wollen können,
die Situation zuhause dar. Berufstätige Eltern, die                                                             entscheiden, welchem Patient eine Behandlung ge-          dass dieses Gesetz Allgemeingültigkeit erhält.
nun im Homeoffice arbeiten und kleine Kinder ha-                                                                währt wird und welchem nicht.                             Nach Kant wäre das Problem auf diese Weise also
ben, die nicht mehr betreut werden können, sind                                                                 Diese Frage kann aus verschieden Perspektiven be-         nicht zufriedenstellend lösbar. Die allgemeingülti-
maßlos überfordert. Die Menschen, die derzeit we-                                                               antwortet werden. Aus utilitaristischer Sicht, muss       gen Handlungsmaximen „Leben erhalten“ und „den

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