JAGD - AUERWILD Projektzwischenbericht SCHUTZWALD Verzerrte Darstellungen BIRKWILD Zählungen bestätigen Bestandeshoch GAMSWILD Entwicklung im ...

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VORARLBERGER

        JAGD
        MAGAZIN DER VORARLBERGER JÄGERSCHAFT
                JÄNNER & FEBRUAR 2021

    AUERWILD Projektzwischenbericht
   SCHUTZWALD Verzerrte Darstellungen
BIRKWILD Zählungen bestätigen Bestandeshoch
   GAMSWILD Entwicklung im Alpenraum
JAGD - AUERWILD Projektzwischenbericht SCHUTZWALD Verzerrte Darstellungen BIRKWILD Zählungen bestätigen Bestandeshoch GAMSWILD Entwicklung im ...
SEITE 12                                                                                         JÄNNER & FEBRUAR 2021 VORARLBERGER JAGD

              ZUR ENTWICKLUNG
              DER GAMSVORKOMMEN
              IM ALPENRAUM

       U
                nter dem Titel „Die Gams im           Wirksam für die Bestandesschwan-       wiederum in vielen Gebieten zu Kon-
                Alpenraum – wie weiter?“ or-       kungen sind in diesen Gebieten die        flikten mit der Forstwirtschaft führt.
                ganisierte der FUST-Tirol im       gezielte Bejagung und weitere Einfluss-       2) In den Zentralalpen sind die Be-
       November 2019 in Achenkirch/Tirol           faktoren wie Wetter, Konkurrenz (v.a.     stände weitgehend stabil, wobei es zu
       eine Gams-Expertentagung mit Teil-          Rotwild, Steinwild, Schafe, Ziegen),      kurzfristigen Bestandesschwankungen
       nehmern aus 5 Staaten des Alpenrau-         Krankheiten, Großkarnivore und zu-        durch Krankheiten, ungünstige Wet-
       mes (Österreich, Schweiz, Deutschland,      nehmende Freizeitaktivitäten. Dies        tergeschehnisse und durch das Jagd-
       Italien, Slowenien). Tagungsziel war,       sind Einschätzungen der Experten,         management kommt. Vor allem im
       eine möglichst objektive Einschätzung       landesweite verlässliche und interna-     Ostalpenraum sind manche Bestände
       der Gams-Entwicklung (Bestand, Vor-         tional vergleichbare Bestandesdaten       zuletzt rückläufig, da nach den Anstie-
       kommensgebiet) und deren Ursachen           fehlen fast überall. Auch die Daten aus   gen der Gamsbestände in vergangenen
       in den Alpen zu erhalten, um daraus         langfristigen Abschussstatistiken der     Jahrzehnten eine Bestandesreduktion
       Empfehlungen für ein artgerechtes und       Länder sind oft schlecht vergleichbar,    durch die Jagd das Ziel war. Damit ver-
       zukunftstaugliches Gams-Management          sagen wenig über tatsächliche Bestan-     sucht man die Fraßeinwirkungen im
       abzuleiten. Die Tagung war als Brücken-     desveränderungen aus und unterliegen      und die damit möglicherweise verbun-
       bau zwischen Wissenschaft und Praxis        methodischen Änderungen der Date-         denen Wildschäden am Wald gezielt
       gedacht. Aus den Vorträgen und Diskus-      nerfassung. Für einige Regionen sind      zu reduzieren bzw. Krankheiten durch
       sionen lässt sich folgendes Fazit ziehen    bessere Bestandesdaten vorhanden (re-     eine Verringerung der Bestandesdich-
       (detaillierte Informationen siehe http://   gelmäßiges Monitoring mit gleichblei-     te vorzubeugen. Eine Abnahme der
       www.fust.at/fachtagung-gams/).              bender Genauigkeit und Methodik).         Gamsbestände ist daher dort nicht als
           In den meisten Ländern des Ostal-       Trotz all dieser Problematiken lassen     umweltbedingte Abnahme zu sehen,
       penraums haben Gamsbestände und             sich für den Alpenraum folgende Ent-      sondern vielmehr als Erfolg einer in-
       Gamsverbreitung nach dem Zweiten            wicklungen        feststellen:            tensiveren Bejagung bzw. Übernutzung
       Weltkrieg deutlich zugenommen, in                                                     (wie in Tirol und St. Gallen) zu sehen. In
       den letzten beiden Jahrzehnten sind sie         1) In vielen Gebieten wurde eine      einigen schweizerischen Kantonen (St.
       meist weitgehend stabil geblieben und       Ausbreitung/Verlagerung der Gams in       Gallen, Thurgau und Zürich) hat man
       in einigen Gebieten haben sie im Ver-       tiefere Lagen (Wald, Weinberge) bis in    zum Zweck des Waldschutzes zudem
       gleich zum Höchststand wieder etwas         Talnähe beobachtet. Die Gams im Wald      den Luchs wieder angesiedelt.
       abgenommen.                                 ist somit keine Seltenheit mehr, was          3) In den österreichischen, italieni-
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VORARLBERGER JAGD JÄNNER & FEBRUAR 2021                                                                                               SEITE 13

        Gamsbestände zeigen
        im Alpenraum regional
        unterschiedliche
        Entwicklungen.
        Genaue Daten liegen
        zwar selten vor, aber
        die vorliegenden
        Informationen zeigen,
        dass die Bestände
        in höheren Lagen
        mancherorts rückläufig
        und in tieferen Lagen
        oft zunehmend sind.
        Auffallend ist zudem,
        dass die Gams vor
        allem in den Randalpen
        zunehmend neue                            Mancherorts werden die Gämsen da-               e) Positivbeispiele: Im Hinblick auf
        Gebiete besiedelt.                        durch potentiell zu einer gefährdeten       das Management wäre eine stärkere Ori-
        Foto: FUST - Tirol e.V.
                                                  Wildart. In Deutschland findet sich das     entierung an Positivbeispielen wichtig
                                                  Gamswild beispielsweise seit diesem         (zum Beispiel Gamsraum Hoher Tenn
                                                  Jahr auf der Vorwarnstufe der Roten Lis-    im Land Salzburg, Gamsräume Gam-
                                                  te. Dies ist rechtlich und landeskultu-     perdona, Rätikon und Hochmontafon
                                                  rell problematisch (EU-FFH-Richtlinie,      in Vorarlberg), wo Gamsbestände mit
                                                  nationale Gesetze). Bei der Gamsbeja-       artgerechter Sozialstruktur bei tragba-
                                                  gung ist mehr Vorsicht geboten als bis-     ren Verbissbelastungen des Jungwaldes
                                                  her oft üblich. Unbegründete weitere        in die Kulturlandschaft eingebunden
                                                  Bestandsreduktionen und ungünstige          werden konnten. Gams-Entwicklun-
                                                  Veränderungen der Sozialstruktur sind       gen erfolgen aufgrund komplexer
                                                  zu vermeiden.                               ökologischer Wechselwirkungen; die
                                                      b) Anpassung der Abschussplanzah-       Managementansätze von Forst-, Jagd-
                                                  len: Dort, wo sich die Gams vermehrt        und Naturschutzseite werden integral
                                                  in den Wald hin ausgebreitet hat, ist sie   aufeinander abgestimmt. Während in
                                                  nun weniger sichtbar bzw. erfassbar als     den meisten Ländern eine überwie-
                                                  oberhalb der Waldgrenze. Dort wo, die       gend sachliche Gesprächsbasis über
                                                  Gams vermehrt im Wald vorkommt,             den Umgang mit Gamswild und sei-
      schen, schweizerischen und französi-        könnte es passieren, dass es zu einer       nem Lebensraum besteht, gab es in
      schen Randalpen zeigt sich durchwegs        Unterschätzung des Gesamtbestandes          Bayern erhebliche Konfrontationen
      ein positiver Trend. Dort kommt es          kommt. Aufgrund der Bestandesschät-         zwischen Interessengruppen, auch auf
      zu einer Ausdehnung der besiedelten         zungen kann es leicht zu einer Schiefla-    politischer Ebene. Bayern war zuletzt
      Habitate, vor allem in tieferen Wald-       ge bei den Abschussplänen führen: In        kein gutes Beispiel für ganzheitliche,
      gebieten. Damit einher geht auch eine       höheren Lagen, den ehemaligen Kern-         konfliktarme Problemlösung; es domi-
      tendenzielle Zunahme der Bestandes-         gebieten, wird die Gams eher zu viel be-    nierten enge, sektorale Blickwinkel.
      zahlen, auch wenn belastbare und ver-       jagt, in jenen Gebieten, wo sie verstärkt   Effiziente und nachhaltige Lösungen
      gleichbare Daten oft fehlen. Trotzdem       im Wald vorkommt, eher zu wenig.            der Gamsproblematik wurden dadurch
      scheint es so zu sein, dass die Gams            c) Sicherung intakter Gamslebens-       erschwert.
      sich dort erfolgreich neue Lebensräu-       räume: Die jüngste Entwicklung der              f) Biotopkapazität: Im guten Team-
      me erobert. Lediglich im deutschen          Zunahme der Beunruhigung und akti-          work der Tagungsteilnehmer bestand
      Alpenraum lassen sich keine eindeuti-       ven Verdrängung aus diversen Gams-          anfangs teilweise ein unterschiedliches
      gen Aussagen dazu treffen, da vor allem     lebensräumen und die Entwicklun-            Begriffsverständnis zu „Biotopkapazi-
      dazu im bayerischen Alpenraum kon-          gen der Gamspopulationen (Anzahl            tät“, was manche Diskussion erschwer-
      krete Zahlen fehlen.                        Individuen, Sozialstruktur, Verteilung      te. Schließlich einigte man sich auf eine
         Zudem konnten im Rahmen der              der Tiere) untermauert, dass die Erhal-     Gliederung in zwei Grundtypen mit
      Tagung noch weitere, vor allem für          tung geeigneter, störungsarmer Gams-        unterschiedlichen Blickwinkeln: (1)
      das Management der Gams relevante           lebensräume bei der Landesplanung           Ökologisch-biologische Biotopkapazi-
      Aussagen getroffen werden:                  ernst genommen werden sollte (z.B.          tät aus Sicht der Wildtiere und (2) Scha-
         a) Problemfeld Forstwirtschaft –         wildökologische Raumplanung als Teil        densabhängige Biotopkapazität aus
      Gams: Durch Lebensraumveränderun-           der Landesraumplanung).                     Sicht der Menschen, v. a. Förster (Wild-
      gen im Alpenraum steigt in manchen              d) Monitoring: Ein alpenweit ver-       verbiss an Jungbäumen). Als besonders
      Regionen der Druck auf den Wald und         gleichbares Gams-Monitoring sollte          wichtig für ein integrales Wildtier- und
      übersteigt damit die landeskulturell        aufgebaut werden. Die Experten bedau-       Habitatmanagement wurde hervorge-
      tolerierbaren Verbissbelastungen an         erten die meist unbefriedigende Daten-      hoben, dass die beiden Typen der Bio-
      der Waldvegetation. Damit wird von          lage, es gibt nur wenige Gebiete mit gut    top-Tragfähigkeit im selben Gebiet je
      Seiten der Forstwirtschaft gefordert, die   fundiertem Langzeit-Monitoring der          nach Konstellation der ökologischen
      Bestände immer weiter abzusenken.           Gamsbestände.                               und sozioökonomischen Faktoren sehr
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                                    Die Gams hat in
                                   den vergangenen
                                        Jahrzehnten
                                         erfolgreich
                                    Lebensräume in
                                     tieferen Lagen
                                  erobert. Vor allem
                               im Wald ist sie keine
                                    Seltenheit mehr.
                                  Foto: FUST - Tirol
                                                 e.V.

       unterschiedliche      Wilddichte-Grenz-
       werte ergeben können. Je weiter diese
       beiden Kapazitätswerte auseinanderlie-
       gen, desto leichter können sich Proble-
       me ergeben.
           g) Wechselseitiges Problemverständ-
       nis: Die Art der Landnutzung durch den
       Menschen kann auftretende Probleme
       minimieren, wenn die Wirkungszu-
       sammenhänge allen maßgeblichen
       Akteuren ausreichend bekannt bzw.
       bewusst sind. Dies betrifft vor allem die
       Land- und Forstwirtschaft einschließ-
       lich der Schutzwalderhaltung, die Jagd,
       Tourismus und Freizeitaktivitäten, die
       Raumplanung und den Naturschutz.                 werden, sodass bestehende Probleme        eigentümern, Anliegern und Umwelt-
       Es besteht ein Nachholbedarf an wech-            leichter lösbar werden.                   verbänden. Die Ergebnisse der wis-
       selseitigem Problemverständnis und                  Insgesamt geht es der Gams im Al-      senschaftlichen Arbeiten werden der
       ganzheitlich ausgerichteten Problemlö-           penraum derzeit nicht schlecht, auch      Allgemeinheit zur Verfügung gestellt
       sungskonzepten.                                  wenn es in manchen Gebieten weniger       (Website: http://www.fust.at/).
           Die zentrale Schlussfolgerung aus            geworden sind als auf dem Höchststand
       der Tagung ist jene, dass der Dialog             vor etwa 20 bis 40 Jahren. Gleichzeitig   Priv.-Doz. Dr. Mag. Erich Tasser, EUR.AC
       zwischen allen Beteiligten fortzufüh-            kommen Gams heute in Gebieten vor,        research (IT)
       ren ist, vor allem auch mit jenen, die           wo es vor einigen Jahrzehnten noch        Univ. Prof. i. R. DI Dr. Friedrich Reimoser,
       Entscheidungsbefugnis haben. Verän-              keine gab. Darunter sind viele Wald-      Veterinärmedizinische Universität Wien,
       derte Ausgangslagen und Ziele sowie              gebiete mit der Gefahr der Entstehung     Universität für Bodenkultur Wien (AT)
       neue wissenschaftliche Erkenntnisse              von Wildschäden durch Gams. Auf die       Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Technische Uni-
       und Konzepte erfordern Umdenkungs-               Erhaltung geeigneter, ruhiger Gams-       versität Dresden (DE)
       prozesse und müssen auch in poli-                lebensräume ist zu achten, damit die      Dr. Hubertine Underberg-Ruder, FUST –
       tische Entscheidungen einfließen                 Gams in vitalen Beständen auf Dauer       Tirol e.V., Underberg AG (CH)
       können. Eine nachhaltige, möglichst              erhalten werden kann.                     WM Josef Stock, FUST – Tirol e.V. (AT)
       konfliktfreie Einbindung der Gams in                Der gemeinnützige Förderungsver-
       die Kulturlandschaft braucht eine gute           ein für Umweltstudien (FUST) mit Sitz
       Kooperation aller Interessengruppen,             in Achenkirch/Tirol widmet sich der
       die im Gamslebensraum aktiv sind                 alpinen Forschung. Schwerpunkte sind
       und die Gamspopulationen in ihrer                die Lösung von Umweltproblemen,
       Entwicklung und räumlichen Vertei-               die nachhaltige Nutzung natürlicher
       lung beeinflussen. Konfrontation und             Ressourcen und der Konnex zwischen
       „Feindbildpflege“ zwischen verschie-             Naturraum und Naturnutzern. Dies
       denen Lagern sind zu wenig. Auch gilt            geschieht in enger Zusammenarbeit
       es Abschied zu nehmen von der Durch-             mit Universitäten und Forschungs-
       setzung realitätsferner Ideologien, wie          einrichtungen, Behörden, Forst, Jagd
       sie seitens mancher Gruppen vertreten            und Landwirtschaft wie auch Grund-
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