Warum es sich lohnt, die anderen Partner zu verstehen
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Management Innovationsgeist oder Scheuklappen? – Wie steht es denn konkret mit der Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen? Warum es sich lohnt, die anderen Partner zu verstehen Die digitale Transformation im Schweizer Gesundheitswesen kommt nur schleppend voran. Was ist der Grund dafür und weshalb werden etablierte und erfolgreiche Konzepte und Lösungen aus dem Ausland oder aus anderen Branchen nicht einfach übernommen oder adaptiert? Die Bertelsmann Stiftung hat 2018 einen inter- Lösungen sind vielschichtig. Unser föderales Corona-Pandemie und dem damit verbundenen nationalen Vergleich zum Thema «SmartHealth- System behindert die Durchsetzung und Umset- Lockdown ans Tageslicht getreten sind, über- Systems» durchgeführt und in diesem Rahmen zung von Standards, und auch die Teilregulie- rascht deshalb nicht: Der Offline-Zugang zu den einen Digital-Health-Index je Land definiert. Die rungen im Gesundheitswesen erschweren einen Leistungen wurde abrupt erschwert oder gar Schweiz belegte in diesem Benchmarking Platz Fortschritt. Die Rahmenbedingungen, Strukturen verunmöglicht. 14 von insgesamt 17 untersuchten Ländern. Und und die damit verbundene Komplexität im schaut man sich die Pressemitteilungen und Schweizer Gesundheitswesen sind massgebli- Digitalisierung ist in unserem Verständnis nicht Diskussionen der vergangenen Monate an, so che Gründe, wieso erfolgreiche Modelle aus dem mit Automatisierung, also dem Einsatz von Infor- haben wir in der Zwischenzeit wenig wett Ausland oder anderen Branchen nur bedingt matikmitteln zur elektronischen Abbildung von gemacht: Faxübermittlungen, Papierdokumen- übernommen werden können. Die Helvetisie- analogen und bereits heute bestehenden Pro- tationen und Doppelerfassungen prägen weiter- rung etablierter Konzepte und Lösungen ist zeit- zessen, gleichzusetzen. hin den Alltag der klinisch tätigen Personen. Die aufwändig und nicht in jedem Fall mit vertret- Einführung des elektronischen Patientendossi- barem Aufwand durchführbar. Digitalisierung ist weit mehr, eine Transformation ers verzögert sich um mehr als ein Jahr, und auf verschiedenen Ebenen. Bestehende Prozes- auch bei der elektronischen Identität haben wir Ausserdem schien bis anhin auch die zwingen- se und Arbeitsweisen werden mit Unterstützung keine Fortschritte erzielt. de Notwendigkeit für die Digitalisierung zu feh- von Informatikmitteln verändert und verbessert. len. Weshalb ein System verändern, in dem der Mit neuen Technologien und Instrumenten wer- Vielschichtige Problematik Offline-Zugang – ein extrem dichtes Netz von den über Unternehmensgrenzen hinweg neue Ärzten, Apotheken, Spitälern – für jeden Men- Angebote und Geschäftsmodelle geschaffen, die Die Gründe für den tiefen Digitalisierungsstand schen gleich um die Hausecke zur Verfügung ihren Beitrag zur Qualitätsverbesserung oder und die schleppende Etablierung von digitalen steht? Dass die Defizite ausgerechnet mit der Effizienzsteigerung leisten. Häufig fallen mit der Digitalisierung Aufgaben ersatzlos weg, neue kommen dazu oder die Aufgaben werden durch andere Prozessbeteiligte wahrgenommen. Mit der Digitalisierung können beispielsweise Patienten stärker in den Behandlungsprozess involviert und aktiv in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden. Veränderung von Prozessen kann Kosten senken und Behandlungsqualität erhöhen Digitalisierung wird oft fälschlicherweise mit Stellenabbau und in der Folge mit Kostenein- sparungen gleichgesetzt. Nehmen wir die kor- rekte Definition, dann handelt es sich um eine Vielzahl fundamental neuer Möglichkeiten und damit um Veränderungen von Prozessen, was Kosteneinsparungen generieren kann, aber nicht zwingend muss. In vielen Fällen kann dank Digi- talisierung eine Verbesserung der Qualität oder Sicherheit in der Behandlung erreicht werden, 132 clinicum 3-21
Management was bei nachgelagerten Prozessen oder für das Gesamtsystem mit Kosteneinsparungen einher- geht. Dass der Nutzen dabei nicht zwangsläufig bei der realisierenden Stelle entsteht, ist eine grosse strukturelle Herausforderung und führt leider dazu, dass übergreifende Digitalisierungs- projekte oft nicht angegangen werden. Wie machen es andere? Interessant sind Vergleiche zwischen den Indus- trien: Weshalb ist beispielsweise die Banken- branche viel weiter in ihrer digitalen Transfor- mation als das Gesundheitswesen? Wir können heute ohne eine Bank überhaupt zu betreten ein Konto eröffnen, Zahlungen durchführen und weitere Dienstleistungen digital in Anspruch nehmen. Interessant sind aber auch Vergleiche innerhalb der gleichen Branche, wie im Bereich «Health»: Sind die Krankenversicherer weiter Otto Bitterli, Inhaber bi-digital Anna Hitz, Partnerin Health bei der Indema AG fortgeschritten als Spitäler, Apotheken oder die und Präsidentin IG eHealth Hausärzte? Die Krankenversicherer wie auch die Banken- jährlich im Durchschnitt etwa 7 % der Versicher- portal oder mit der Möglichkeit, Rechnungen branche stehen im direkten Kundenwettbewerb. ten die obligatorische Grundversicherung. Das bequem via Mobile online einzusenden, erreicht Demgegenüber können die Spitäler auf eine sich sind bei einer Kasse mit einer Million Versicher- werden. Die unkomplizierte und papierlose kaum verändernde Einweisungspraxis der Haus- ten jährlich 70 000 Versicherte. Nachvollziehbar, Abwicklung sämtlicher Geschäfte zwischen Ver- ärzte setzen, und auch die Hausärzte selbst dass die Krankenkassen alles versuchen, die sicherten und Krankenversicherung wird von sehen sich kaum mit Konkurrenzfragen ausein- bestehenden, aber auch neue, junge Kunden mit den Kunden gefordert und geschätzt. Es können andergesetzt, weil –verallgemeinert gesprochen zusätzlichen Dienstleistungen und Angeboten auch weitergehende Angebote an Apps sein, wie – die Nachfrage das Angebot übersteigt. Bei den zu halten und zu gewinnen. Das kann mit Mitteln, beispielsweise das «Zählen von Schritten», Apps Krankenkassen wechseln gemäss Comparis wie mit einem gut funktionierenden Kunden- für die «Selbstdiagnostik» oder «digitale Coa- ching Angebote», welche die Kunden begeistern. Und so rücken die Krankenversicherer über die Digitalisierung auch immer mehr in medizinisch geprägte Angebote vor, was vor 10 oder 20 Jah- ren noch undenkbar gewesen wäre. Welche Rolle spielen Strategie und Operation? Die ungleichen Geschwindigkeiten im Zusam- menhang mit der Digitalisierung liegen teilweise auch in den unterschiedlichen Voraussetzungen von Industrien. Ein ganz wesentlicher Punkt ist dabei die verschiedenartige Gewichtung von Strategie und Operation. Es gibt Industrien, in denen sich das Top-Management zu 90 % mit operativen und zu 10 % mit strategischen, pro- jektbezogenen Themen auseinandersetzt. In anderen Industrien ist das gerade umgekehrt. Und um bei den Krankenversicherern und den Spitälern zu bleiben: Die historisch grossen Datenmengen der Krankenversicherer haben dazu geführt, dass diese im Vergleich zu den Spitälern über ganz andere IT-Ressourcen ver- fügen und damit dem technologischen Wandel viel direkter gegenüberstehen. Grosse Daten- mengen würden auch den Spitälern zur Verfü- gung stehen, aber Daten-Silos und fehlende clinicum 3-21 133
Management übergreifende Datennutzung verhindern die digitales Geschäftsmodell eines Krankenversi- und durchgängig digitale Angebote bereitzu- zweckmässige Verwendung dieser Daten. cherers und war gezwungen, sich mit dessen stellen. Sei es im B2C- wie auch im B2B-Bereich. Bedeutung für den bisherigen Geschäftsbetrieb Marktplatzsysteme und Kooperationen nehmen Zudem: Die Investitionen in den Datenaustausch im Einzelnen auseinanderzusetzen. stetig zu und werden aktiver genutzt. Die digi- zwischen den unterschiedlichen Playern im tale Kompetenz in der Bevölkerung steigt, Gesundheitswesen wurden schwergewichtig Fazit genauso auch die Forderung nach guten und seitens der Krankenversicherer gepusht und geeigneten Lösungen. getätigt. Damit existieren Standards, die bei- Unternehmen haben unterschiedliche Bedürf- spielsweise einen elektronischen Austausch nisse, Ziele und Voraussetzungen. Das erklärt, Wir sind überzeugt davon, dass mit der Digitali- ermöglichen. weshalb teilweise beträchtliche Unterschiede sierung die Qualität und Sicherheit der Behand- im Reifegrad der Digitalisierung zwischen den lungen und damit letztlich unser ganzes Gesund- «Bereits im Jahr 2014 haben wir eine Roadmap einzelnen Industrien und den Akteuren inner- heitssystem verbessert werden kann. Noch und eine Projektportfolio-Abstimmung für die halb der Industrie bestehen. Die Krankenver- stehen wir in vielen Bereichen am Anfang, aber Umsetzung der Digitalisierungsstrategie erarbei- sicherungen beispielsweise haben es verstan- wir haben in der Schweiz das Wissen und die tet», erinnert sich Otto Bitterli, ehemaliger CEO den, die Kunden über die Digitalisierung in den erforderlichen Ressourcen, um die Transforma- der Sanitas Versicherung. Der Verwaltungsrat der Mittelpunkt zu stellen, während das bei vielen tion vom Industrie- ins digitale Zeitalter zu Trends voll- und Sanitas Versicherung machte damals die finan- Akteuren im Gesundheitswesen leider noch ziehen. Ein entscheidender Faktor zum Erfolg zielle Vorgabe, dass mindestens 10 % aller Aus- immer nicht ganz angekommen ist. Der Kunde spielt dabei das Management und insbesondere Mac gaben in die Digitalisierung der Unternehmung ist aber zentral bei der Digitalisierung, mit ihm der Wille zur Veränderung und Zusammenarbeit fliessen müssten. Bitterli gibt aber mit einem steht und fällt der Erfolg von Lösungen. Use in der Führungsebene einer jeden Organisation. Schmunzeln zu, dass die Geschäftsleitung diese Cases und Nutzenversprechen müssen immer Vorgabe seinerzeit etwas grosszügig auslegte aus der Optik des Mehrwertes für die Kunden und auch einige Projekte umsetzte, die nicht sehr betrachtet werden. Nur dann sind sie erfolgreich viel mit Digitalisierung zu tun hatten. Die strate- und nachhaltig. gische Vorgabe habe allerdings über die Zeit und Weitere Informationen 25. und 26. März 2020 vor allem in der Denkweise der Geschäftslei- tungsmitglieder gleichwohl ihre Wirkung gezeigt: Es liegt bei den Akteuren im Gesundheitswesen, sich gemeinsam und zum Nutzen der Patien- www.indema.ch KKL Luzern Die Sanitas erarbeitete damals ein vollständig tinnen und Patienten zusammenzuschliessen www.bi-digital.ch Informationen und Anmeldung trendtage-gesundheit.ch Corona:l 1.digital Sprungbrettl TGL202 zu mehrl Nadja Christof A. Kristian Monika Kronenberger SaveConsultant, Senior the Date Meier Ärztlicher Direktor und Schneider Spitaldirektor/CEO Tröger Leitende Ärztin, Innovation?!l HealthcareDENMARK Stv. Spitaldirektor, Spitalzentrum Biel Viva Luzern 16. September 2021 Universitätsspital Basel 12.30 bis 18.15 Uhr www.trendtage-gesundheit.ch 134 clinicum 3-21
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