Jedes Alter gut gestalten - lautstark. Magazin
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01 2021 DEIN MITGLIEDERMAGAZIN LEBENSPHASEN Jedes Alter gut gestalten CORONA-PANDEMIE DIGITALISIERUNG GRUNDSCHULE GEW NRW fordert Konzepte Technostress bei Vorgehen und Inhalte zu für aktuelles Schuljahr Lehrkräften nimmt zu neuen Lehrplänen in der Kritik
Wissenswertes für die Arbeit in der Schule nds-verlag.de Foto: iStock.com / TARIK KIZILKAYA, Illustration: slidesgo / Freepik.com Das geballte Wissen unserer Personalrät*innen gibtʼs in den GEW-Broschüren und -Flyern beispielsweise zu den Themen Mehrarbeit, Digitalisierung in Zeiten von Corona, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Arbeitsplatz Schule. Die Beiträge basieren auf der jahrzehntelangen Erfahrung aus der Personalratsarbeit vor Ort, bieten verständliche Erklärungen, nützliche Tipps und verweisen auf relevante Rechtsquellen.
Lebensphasen – Jedes Alter gut gestalten Das wertvollste im Leben ist die Zeit – Leben heißt, mit der Zeit richtig umzugehen. Bruce Lee Quelle: zitatezumnachdenken.com 03
Foto: David Pereiras / shutterstock.com Lebensphasen – Jedes Alter gut gestalten Vor welchen Herausforderungen stehen junge Menschen heute? Wie können Leben und Beruf in Einklang gebracht werden? Was bedeutet es heute, alt zu werden oder alt zu sein? Und wie lässt sich der Ruhestand gestalten? Antworten auf diese Fragen sind nicht leicht und meistens individuell – die neue lautstark. nimmt alle Lebensphasen in den Blick und liefert Inspiration.
VERSTEHEN Z U S A M M E N H A LT E N Gesellschaft und Verantwortung Arbeitsplatz und Solidarität 08 Potenziale, Verluste und 28 Altern bei der Arbeit, überzogene Erwartungen arbeiten beim Altern Älterwerden heute Vereinbarkeit von Lebens- und Berufszeit 12 Fünf Fragen an das eigene Älterwerden 30 Schieflage im System Eine Auseinandersetzung Jüngeres Lehrer*innenzimmer mit der Zukunft und drohender Personalmangel 13 Akteure im Jetzt 32 Drahtseilakt mit vielen Chancen Kindheit und Jugend Altersgemischte Familien- im Wandel der Zeit gruppen in der Kita 16 Wer bringt sich wie in unsere 36 Prozedere und Inhalte lassen Gesellschaft ein? zu wünschen übrig Politisches und ehrenamtliches Neue Lehrpläne an Grundschulen Engagement 38 Rückkehr in Schule braucht 17 Baustelle Schulaufsicht endlich verlässliche Konzepte Öffentliche Debatte nötig Kommentar zur Corona-Lage 40 Technostress bei Lehrkräften INSPIRIEREN Herausforderung digitaler Ideen und Impulse Unterricht 42 Lösungsansätze bei digitalem 20 Von alten Hasen lernen Stress im Distanzunterricht Coachingkonzept für neue GEW NRW unterstützt Lehrkräfte Personalräte 22 Gesichter der GEW NRW EINMISCHEN Aktiv in der Gewerkschaft Politik und Veränderung in jedem Alter 24 Wir geben keine Ruhe! 45 Kürzer lernen. Länger arbeiten. Senior*innenarbeit in Ferngesteuerte Bildungspolitik der GEW NRW 46 Jung, engagiert, nicht ernst genommen? Nachwuchs in der Politik 06 Kleine Pause 18 Leser*innenpost 43 Ausschreibung Gewerkschaftstag 50 Ich bin die GEW NRW! 51 Ausblick & Impressum
Kleine Pause SAV E T H E DAT E! 03/ 03/2 1 GE M EI NSAM STARK GEGEN ANTIFEMI NI SMUS – L ANDESFR AUENKONFERENZ Hauptreferat → Kampagnengestaltung und Einsatz von Dr. Heike Mauer, Netzwerk Frauen- und Social Media in der feministischen Arbeit Geschlechterforschung NRW: → Von weiblichen Formen, Sternchen und Antifeminismus heute. Eine Einführung Sprachhandeln – gendersensible Sprache Workshops im Kontext von Schule und Bildung → Antifeminismus in Bildungskontexten: Wann und wo? Bestandsaufnahme und Handlungs- Onlinekonferenz für eingeladene Delegierte möglichkeiten und Gastdelegierte, 3. März 2021, ab 08.30 Uhr LESEPETER IM FEBRUAR FÜR DAS JUGENDBUC H: SANKT I RGE NDWAS Tamara Bach Mock-up: Eka Restu D. Putra Carlsen Verlag, 2020, 128 Seiten, ab 14 Jahren Klassenfahrten sind für alle beteiligten Personen eine Besonder- heit im Schulalltag. Der aussagekräftige Titel des Buches von Tamara Bach deutet an, dass die Rahmenbedingungen solcher Reisen eigentlich unwichtig sind. Was zählt, sind die gemeinsamen Erlebnisse. Sie werden aus Sicht der Jugendlichen in einem aus- gefallenen Protokollstil kommentiert. Preis: 13 Euro Nur 5.900 Euro an Grundmitteln erhielten die öffentlichen Hochschulen in NRW 2018 für Lehre und Forschung je Studierende*n. Damit bleibt NRW im Ländervergleich Schlusslicht. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7.300 Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt, Bildungsfinanzbericht 2020 06
VERSTEHEN Gesellschaft und Verantwortung „Der Alternsprozess ist gestaltbar und dabei von historischen, gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen beeinflusst.“ P R O F. D R . A N D R E A S K R U S E & P R O F. D R . H A N S -W E R N E R WA H L Forscher der Universität Heidelberg 07 – 17 / Lebensphasen – Jedes Alter gut gestalten
Älterwerden heute Potenziale, Verluste und überzogene Erwartungen Wie steht es um das Älterwerden in unserer Gesellschaft? Und welche Merkmale zeichnen das Altern aus? Die Professoren Andreas Kruse und Hans-Werner Wahl geben Antworten auf diese Fragen und zeigen, dass der Alternsprozess gestaltbar ist. Das höhere Lebensalter ist heute eine facettenreiche Le- Empirische Befunde unterstützen bensphase und keinesfalls automatisch die schlechteste im Potenziale des Älterwerdens gesamten Lebensverlauf. Die Unterschiede zwischen älteren Kognitive Entwicklung im Alter wird heute oft mithilfe des Menschen sind riesig und verbieten jegliche Rede von „den Al- sogenannten Zwei-Komponenten-Modells der Intelligenz em- ten“ oder gar „unseren Alten“. Potenziale und Grenzerfahrungen pirisch untersucht, das eine mechanische (fluide Intelligenz) machen gleichermaßen menschliches Altern aus. Überzogene und eine pragmatische Komponente (kristalline Intelligenz) Erwartungen gibt es an jedes Alter. Die Auseinandersetzung unterscheidet (siehe Tabelle Seite 10). mit diesen lohnt sich. Auf der einen Seite ist heute aufgrund von Längsschnittdaten Potenziale des heutigen Alterns: klar nachgewiesen, dass sich die mechanische Komponente etwa bis zum 30. Lebensjahr zu ihrem Maximum aufbaut und danach Da geht noch viel immer stärker abnimmt. Doch zwei gute Nachrichten folgen auf Hand aufs Herz: Wer von uns ist nicht schon selbst von dem Fuße: Diese „Abbauprozesse“ sind bis ins Alter von 70 bis negativen Altersstereotypen im eigenen Kopf überrascht wor- 80 Jahren meist im Alltagsleben sehr gut auszugleichen, machen den. Plötzlich sind sie da und schlagen zu: „Kann das nicht mal also keine gravierenden Verhaltensveränderungen notwendig. schneller gehen da vorne mit dem älteren Herrn am Bankauto- Die pragmatische Komponente bleibt zudem im Gegensatz zur maten?“ Altersstereotype bezeichnen (über-)generalisierende mechanischen bis ans Lebensende im Mittel relativ stabil. Vorstellungen über die Gruppe älterer Menschen, die häufig auch Soziale Beziehungen sind offensichtlich in jeder Lebensphase von älteren Menschen für sich selbst übernommen werden. Die von großer Bedeutung für Zufriedenheit, das Erleben von Vertrau- gute Nachricht lautet dennoch, dass der Anteil älterer Menschen, en, Zärtlichkeit und Intimität. Ein wesentlicher Befund ist hier, der auch Gewinne im Alter sieht, in den letzten Jahrzehnten dass soziale Beziehungen auch im späten Leben gut funktionieren empirisch nachweisbar zugenommen hat. Die weniger gute sowie erstaunlich aktiv und zielgerichtet gestaltet werden. Dank Nachricht: Negative Sichtweisen des Alters haben gleichzeitig der sogenannten Sozioemotionalen Selektivitätstheorie wissen nur wenig abgenommen. wir heute, dass, je älter wir werden, uns emotionsbezogene Ziele >> 08 Verstehen / Thema
immer wichtiger werden. Alte Menschen optimieren Versorgungselemente wird dazu beigetragen, das regelrecht ihr soziales Netzwerk im Hinblick auf den Auftreten von Krankheiten beziehungsweise deren Erhalt solch persönlich bedeutsamer Kontakte. Die Verschlimmerung und schließlich eine Pflegebedürf- weniger gute Nachricht ist dennoch, dass sich etwa tigkeit zu vermeiden. Die Potenziale der Geriatrie jede siebte Frau und etwa jeder zehnte Mann über wie auch der Rehabilitation und der rehabilitativen 80 Jahre in Deutschland als einsam beschreibt, was Pflege dürfen hier keinesfalls unterschätzt werden. aber nur wenig über den Häufigkeitswerten jüngerer Wachsen in Grenzsituationen ist möglich Altersgruppen liegt. In Bezug auf das Wohlbefinden zeigen Studien Und doch nimmt im neunten, vor allem im zehn- sehr übereinstimmend, dass es bis ins hohe Alter ten Lebensjahrzehnt der Grad an körperlicher, nicht erstaunlich stabil bleibt. Ältere Menschen schaffen es selten auch an kognitiver Vulnerabilität zu. Mehr ziemlich gut, auch angesichts von sich einstellenden und mehr gesundheitliche Grenzsituationen bilden Verlusten ein hohes Maß an Zufriedenheit mit dem sich aus, deren innere Verarbeitung und äußere eigenen Leben zu bewahren. Allerdings scheint es Bewältigung mit hohen Anforderungen sowohl an immer schwerer zu werden, ein hohes Maß an Zufrie- den alten Menschen selbst als auch an seine An- denheit auch im sehr hohen Alter aufrechtzuerhalten. gehörigen und das Versorgungssystem verbunden sind. Es ist bedeutsam, dass unsere Gesellschaft diese Grenzen und Verlusterfahrungen: Verletzlichkeit als Teil der Conditio humana deutet Da geht immer noch was und jene Menschen, die mit dieser Verletzlichkeit konfrontiert sind, nicht abwertet (diskriminiert). Dies Das Alter aus einer Entwicklungs- und Verände- wäre auch deswegen hochproblematisch, weil damit rungsperspektive zu begreifen, wie in den voran- a) die seelisch-geistigen Entwicklungspotenziale des gehenden Abschnitten geschehen, bildet dann eine Menschen auch in Phasen erhöhter Verletzlichkeit besondere wissenschaftliche und praktische Heraus- vernachlässigt würden und zudem b) die Möglich- forderung, wenn die Verletzlichkeit des Individuums keiten produktiver Anpassung des Menschen an die mehr und mehr in das Zentrum tritt. Wenn von Ver- gegebene Situation ungenutzt blieben. letzlichkeit gesprochen wird, dann ist damit noch Ad a): Gerontologische Forschung zeigt auf, wie sehr nicht das Auftreten, sondern nur das erhöhte Risiko es Menschen gelingen kann, auch in Grenzsituationen von Erkrankungen beziehungsweise von Gebrech- zu „reifen“, das heißt zu neuen Verarbeitungs- und lichkeit gemeint. Fundierter Prävention, Diagnostik Bewältigungsformen zu finden sowie neue seelisch- und Therapie sowie Rehabilitation kommt gerade geistige und existenzielle Entwicklungsperspektiven hier eine herausragende Rolle zu. Denn durch diese zu erarbeiten und umzusetzen. Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz: Unterscheidung zwischen Mechanik und Pragmatik der Intelligenz Mechanik Pragmatik Wichtige Prozesse Basale Informationsverarbeitung: Verarbei- Erlerntes Wissen: Lese- und Schreibfähigkeit, tungsgeschwindigkeit, -genauigkeit, Koordina- Ausbildung, alltägliches Problemlösen, selbst- tion elementarer Verarbeitungsprozesse bezogenes Wissen, Lebensführung Inhaltsgebundenheit Inhaltsarm Inhaltsreich Genetisch-biologisch oder Stark genetisch bestimmt und auf biolo- Stark erfahrungsabhängig und umwelt- umweltbezogen gischem Substrat aufbauend informiert 10 Verstehen / Thema
Auch das Lebensende ist ein gestaltbarer Teil des Älterwerdens Und auch im Angesicht des herannahenden Todes können Menschen – trotz aller Belastungen – zu er- weiterten Verantwortungsbezügen finden (Memento- L I T E R AT U R T I P P S mori-Struktur des Erlebens und Verhaltens): Die Andreas Kruse, Hans-Werner Wahl erlebte und praktizierte Sorge gilt nun nicht mehr Zukunft Altern. Individuelle und gesellschaftliche oder primär einem selbst, sondern auch anderen Weichenstellungen. Menschen, so zum Beispiel Angehörigen nachfolgen- Heidelberg, 2010. der Generationen. Deutlich wird hier die Plastizität der Psyche beziehungsweise deren (dynamisch zu Deutscher Bundestag interpretierende) Resilienz. Achter Bericht zur Lage der älteren Generation Ad b): Gerade in Phasen bleibender Einschrän- in der Bundesrepublik Deutschland: Ältere kungen der Selbstständigkeit stellt sich die Aufgabe, Menschen und Digitalisierung – und Stellung- Wohnumwelten und Teilhabestrukturen zu schaffen, nahme der Bundesregierung. Drucksache 19/21650 vom 13. August 2020, Berlin. die diese Einschränkungen zu kompensieren ver- mögen. Hier kommt der digitalen Technologie wie Laura L. Carstensen auch digital vermittelten Teilhabeangeboten große The Influence of a Sense of Time on Human Bedeutung zu. Vielen alten Menschen gelingt es, Development. diese Innovation zu nutzen sowie den Verhaltens- in: Science 30, 2006, S. 1913-1915. doi:10.1126/science.1127488. und Handlungsradius erkennbar zu erweitern: ein Beispiel für Verhaltens- und kognitive Plastizität. Überzogene Erwartungen an Altern und „Jungbleiben“: Alternsprozess: Muss da was gehen? Es geht um Gestaltung Aufgrund von Längsschnittstudien wissen wir Der Alternsprozess ist gestaltbar und wird dabei heute, dass positivere Sichtweisen des eigenen Äl- von historischen, gesellschaftlichen und sozialen terwerdens und auch ein subjektiv jüngeres Alter Rahmenbedingungen beeinflusst. In dem Maße, in längerfristig mit weniger Krankheiten und Funktions- dem Menschen in einer entwicklungsförderlichen, einbußen, besserer kognitiver Leistung und sogar mit teilhabefreundlichen und anregenden Umwelt leben, einer im statistischen Mittel höheren Lebensdauer sind Bedingungen für eine aktive, vom Individuum einhergehen. Die Potenziale des Älterwerdens zum selbst ausgehende Gestaltung von Entwicklung gege- Klingen zu bringen, setzt positive Sichtweisen gegen- ben; dies gilt ausdrücklich auch für die Lebensphase über dem eigenen Älterwerden voraus! Aber: Sollen Alter. Ein Gestaltungspotenzial, das in medialen wir uns nun alle jünger fühlen? Wir haben da unsere Darstellungen des Alters sowie im gesellschaftlichen Zweifel, denn man kann dies auch als Ablehnung des Diskurs zu Altern ausdrücklich zu betonen ist. // eigenen Älterwerdens, gewissermaßen als Altersdis- Prof. Dr. Andreas Kruse kriminierung (ageism), verstehen. Wir sehen aber Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg auch etwas durchaus Positives in derartigen Fragen, denn eigene Standortbestimmungen sind gefordert: Prof. Dr. Hans-Werner Wahl Übernehme ich einfach kritiklos für mich selbst, dass Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg und sich jünger zu fühlen etwas Gutes für mich ist? Wir Abteilung für Psychologische Alternsforschung, raten zu bewusster Auseinandersetzung mit der- Psychologisches Institut, Universität Heidelberg artigen Fragen des Älterwerdens. 11
Eine Auseinandersetzung mit der Zukunft Fünf Fragen an das eigene Älterwerden Was ist heute gutes Altern? Fest steht, dass die Erfahrungs- und Erlebens- möglichkeiten des Älterwerdens noch nie so reichhaltig waren wie heute. 1 Kann ich mich auf das Älterwerden freuen? 4 Wenn wir uns all die Dinge vor Augen Muss ich im Alter aktiv sein? führen, die weiterhin im höheren Alter möglich sind, so entsteht ein facetten- Aktivitäten müssen zu den eigenen reiches Bild, in dem auch Verluste die Lebenszielen passen und was ist schon Farbgebung deutlich bestimmen, aber Passivität? Ein gutes Buch, ein gutes nicht dominieren. JA. // Gespräch, das Nachdenken über das eigene Leben, die Welt mit Aufmerksam- keit an sich vorüberziehen zu lassen – 2 Bin ich meines Alterns Schmied*in? Bei vielen Älteren sind heute die mate- das alles können sehr anregende Aktivi- täten sein. NEIN. // riellen, gesundheitlichen und geistigen 5 Voraussetzungen für das „Schmieden“ Soll ich vorausdenken an das, was das des eigenen Älterwerdens gut, aber Al- Älterwerden noch bringen könnte? tern ohne kaum beeinflussbare Verluste ist nicht denkbar. JEIN. // Warum sich nicht frühzeitig über die beste Behandlung von Demenz küm- mern? Warum nicht auch an die Gestal- 3 Kann ich meine Gesundheit spät im Leben mitgestalten? tung des Lebensendes denken? Solche Vorausschau kann das Gefühl des Alle heute verfügbare Längsschnitt- bewussten Alterns anreichern. JA. // evidenz zeigt, dass Verhalten und die Vermeidung von ungesunden Lebens- stilen direkt mit Gesundheit und damit Prof. Dr. Andreas Kruse auch der Bewahrung der eigenen Selbst- Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg ständigkeit zusammenhängen. JA. // Prof. Dr. Hans-Werner Wahl Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg und Abteilung für Psychologische Alternsforschung, Psychologisches Institut, Universität Heidelberg 12 Verstehen / Thema
Kindheit und Jugend im Wandel der Zeit Akteure im Jetzt Wie und wodurch lassen sich die heutige Kindheit und Jugend definieren? Und vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen Heranwachsende und warum? Sozialisationsforscher Baris Ertugrul gibt Antworten auf diese Fragen. Generationsdiagnosen sind bekanntlich ein de- Möglicherweise ist gerade diese Veränderungsdyna- likates Unterfangen. Sie lassen wissenschaftlichen mik der Umwelt das Signum, dass das Aufwachsen Erkenntnissen oft allzu starke feuilletonistische einer gegenwärtigen Generation auf verschiedenen Züge angedeihen. Zu versuchen, ein vielgestalti- Ebenen (Krisen, Digitalität, Politik) bestimmt – und ges Phänomen auf einen bestimmten Punkt hin im Bildungsbereich im Umgang damit auf Sicht ge- auszurichten, verlangt, sehr viel Heterogenität zu fahren wird. verneinen. Das wird nicht einfacher mit Blick auf Krisen die aktuelle Forschung. Denn jüngst war die Jugend- forschung wieder damit beschäftigt, die flexiblen Ins kollektive Gedächtnis werden sich die ersten Grenzen ihres Gegenstands neu zu (ver-)messen – beiden Dekaden dieses Jahrtausends womöglich mit dem Ergebnis, dass er eben vielgestaltig und als Krisenjahre ablagern. Ein Ende dieses Zustands mitunter entgrenzt ist. scheint nicht in Sicht. Wirtschaft, Migration, Demo- Der Preis solcher beabsichtigten Pointierungen kratie, Ökologie – all diese Bereiche sind von Krisen erscheint also sehr hoch. Daher ist die Beschreibung betroffen und werden demnach auch entsprechend einer Generation über den Umweg der Beschreibung im öffentlichen Diskurs behandelt. Zudem haben ihrer Bedingungen eine Möglichkeit, einige Kenn- sie vielerorts – das heißt global – krisenhafte Wir- zeichen freizulegen, die sich strukturell für eine kungen erzielt. bestimmte Generation manifestieren. Die Bedingun- Die 20-jährige Krisenerfahrung, die Beschallung gen des Aufwachsens in den vergangenen zwei Jahr- mit und das Erleben von Krisen geht nicht an Heran- zehnten erscheinen demnach transformationswütig. wachsenden vorbei. Sie sind Teil dieser Welterfahrung. >> 13
Foto: Ehimetalor Akhere Unuabona / unsplash.com Und sie sensibilisieren sie für Gesellschaft, Ordnun- insbesondere Semantiken des Sozialverlusts und der gen und ihre (Un-)Möglichkeiten. Die Corona-Krise digitalen Überformung bemüht. Als „digitale Einwan- wirkt dabei wie ein historischer Höhepunkt: Wenn derer“ möge sich noch eine letzte Elterngeneration Alltagsroutinen verändert werden, wird sichtbar, echauffieren, in deren Kindheit der gesellige Spiel- in welchen Konstruktionen wir leben, und welchen platz oder Park bestimmender war als YouTube oder Zwang sie ausüben. Und dies bewirkt auch bei Her- TikTok. Hier zeigt die Forschung zur Corona-Krise, anwachsenden, nicht nur theoretisch, sondern quasi wie die JuCo-Studie und andere aktuelle Studien, gesellschaftsnatürlich neue Perspektiven auf Selbst- dass soziale Plattformen, digitale Echokammern und verständlichkeiten zu kultivieren. Kommunikationskanäle den analogen Vergesellschaf- tungsdrang zwar abfedern, keinesfalls aber ablösen. Digitalität Politik Wurde der Prozess der Digitalisierung anfangs Aufwachsen im vergangenen Jahrzehnt bedeutet, mit Aufbruchsstimmung und Ermöglichungsden- einer autoritär-populistischen Politik kaum ent- ken verbunden, so stehen heute unter anderem Be- weichen zu können. Aufgefallen im hiesigen Raum schreibungen wie Unbehagen und Unsicherheit im sind alternative Ideologeme, entlang von Euro- und Vordergrund. Das hat mit dem paradoxen Umstand zu Migrationskritik, angereichert unter anderem mit tun, dass wir sehr viel mehr wissen und im gleichen Geschichtsrevisionismus und einer Rückbesinnung Maße auch das Unwissen über unsere digitale Praxis auf alte Rollenvorstellungen. Das sind umkämpfte und ihre Folgen steigt. Themen, die im gesellschaftlich-politischen Diskurs In Diskussionen rund um das Thema Digitalisie- weiterhin zur Disposition stehen werden. rung und Umgang mit digitalen Medien wird Kindern Jugendliche dagegen bildeten in der medialen und Jugendlichen dabei stets eine besondere Rolle Stilisierung weithin ein liberales Gegengewicht. Be- zugewiesen. Hierbei werden für das Kindesalter wegung wie Fridays for Future stehen emblematisch 14 Verstehen / Thema
für eine ökologisch gestaltungswillige Jugend, die die Reproduktion von Ungleichheit bleibt stabil Welt „besser“ machen will. Die letzte Shell Jugend- Bei allem dargestellten Wandel muss – und das studie zeigte gleichwohl, dass Jugendliche populisti- nicht zuletzt – notiert werden, dass wir sehr stabile schen Haltungen nicht abgeneigt sind. Zwischen der Momente und Muster haben. Die Reproduktion von Generation Greta und der Generation Populismus Ungleichheit, das wird beständig in neueren Unter- formieren sich Kräfte, ebenso wie über ihre Ränder suchungen aktualisiert, bleibt mindestens stabil – mit hinaus. Jugendliche sind nicht nur revolutionsbereit, immensen, wenn auch veränderten Konsequenzen sondern auch regressionsorientiert – zwischen die- für das subjektive Erleben von Kindheit und Jugend. sen Polen liegt ein weites Feld, das in Bewegung ist. Gegenwärtig gehört die Corona-Krise zu den größten Zukunftsbildung? die Ungleichheit verstärkenden Momenten. Menschen, Die großen und komplexen Veränderungsschübe die sozial-vulnerabel sind und ohnehin in einer Art sorgen noch gegenwärtig – bei Jung und Alt – sicht- Dauerkrise leben, erfahren die Corona-Krise als be- bar für Ambivalenzen und Irritationen. Es braucht sondere Belastung; für Schüler*innen kommt der ein „wertiges Rüstzeug“, um die gesellschaftlichen Distanzunterricht dazu. Besonders spannend wird Zumutungen auszuhalten und die daraus resultie- zu beobachten sein, ob und in welcher Weise junge renden Veränderungen auf Basis der Demokratie politische Kräfte das Thema der sozialen Ungleichheit mitzugestalten. Von hier aus ist der Sprung zu Be- für sich entdecken. Also jene, die gerade am Anfang griffen wie Bildung nicht groß. Schule, in der Bildung des bewussten Prozesses der Verteilung von Lebens- „geschehen“ soll, erscheint besonders (heraus-)ge- chancen und Karriereentwicklung stehen. fordert, einen konstruktiven Umgang mit Krisen und Der verbindende Erfahrungszusammenhang jener ihren Diskursen, mit Digitalisierung und politischer frappierenden Transformationen ebnet Generations- Persönlichkeitsbildung zu ermöglichen. Und so muss fragen in Gesellschaftsfragen ein. In diese Diagno- gefragt werden: Sehen wir Schule handlungsfähig? sen gehen dann auch generische Überlegungen von Und mehr noch: Ist sie es? Ist- und Idealzustand ein. Hier geht es demnach um Schule erschien in der Vergangenheit keinesfalls normative Vorstellungen, also um die Frage, was sein als verlässlicher Partner, um auf soziale Krisen und soll. Dass dieser der Geruch einer generationalen Umbrüche zu reagieren. Sie hat sich als Zauberformel Ordnung anhaftet, in der die Erwachsenenperspektive kaum bewährt und hat stattdessen sehr viel bewahrt. mehr gilt als die der Jüngeren, ist in der Forschung Ungleichheitsreproduktion ist hier nicht erst seit der ein bekanntes Datum. In der Pandemie aktualisierte PISA-Studie das wohl bekannteste Beispiel. Dass der sich der Umstand des Auskühlens der Mitbestimmung Umgang mit Digitalisierung in Schulen aus verschie- eindrucksvoll. Das Plädoyer hierfür wäre, ebenjene denen Gründen unzureichend ist, weiß man auch als Akteure im Jetzt und nicht nur als Handelnde in nicht erst seit Corona. Die Gründe dafür liegen sehr der Zukunft zu sehen. Das kann der Fluchtpunkt sein, häufig nicht innerhalb der Bildungseinrichtungen, um den man sich politisch und institutionell anders sondern bei ihren politischen Gestalter*innen. Und formiert, damit Generation X, Y, Z oder Greta das dennoch: als Sozialisationskontext, in dem Heran- Rüstzeug garantiert werden kann, einzugreifen. // wachsende den größten Teil ihrer Vergesellschaftung erfahren, vermittelt Schule Zukunft. Was muss erfüllt Baris Ertugrul sein, dass wir jenen Ort imstande sehen, Menschen- wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Prävention bildung im emphatischen Sinne zu betreiben, neben und Intervention im Kindes- und Jugendalter an der Univer- Wissen auch Persönlichkeit anzuregen, auf einer sität Bielefeld und am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Ebene, in der Bildung nicht Lernen ist? In Zeiten von Zusammenhalt. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der empirischen Forschung und Theoriebildung zu Sozialisa- Kompetenz-, Vergleichs- und Output-Orientierung tion und Gesellschaftsanalyse. tritt realschulisch der Aspekt der Menschenbildung als abschattiertes Thema auf. 15
Politisches und ehrenamtliches Engagement Wer bringt sich wie in unsere Gesellschaft ein? Veränderung der Engagementquoten 1990 bis 2017 Digitales Engagement* gibt es in allen Altergruppen Bevölkerung bundesweit ab 17 Jahren 14- bis 19-Jährige 33 % 17 % 52 % +16,5 % gesamt 25- bis 29-Jährige 15 % 24 % 40 % 35- bis 39-Jährige +69,6 % +71,8 % 19 % 27 % 48 % Rentner*innen Schüler*innen 45- bis 49-Jährige 17 % 31 % 50 % 55- bis 59-Jährige 17 % 27 % 45 % 65- bis 69-Jährige 17% 25 % 44 % über 75-Jährige 18 % 8% 26 % Online-Engagement (mindestens überwiegend) Online-Engagement (nur teilweise) Engagement vor Ort Quelle: Katrin Matuschek und Valerie Lange: Engagement im digitalen Quelle: Luise Burkhardt und Jürgen Schupp, Wachsendes ehrenamtliches ZeitalterTrends, Chancen und Herausforderungen, 2018. Engagement: Generation der 68er häufiger auch nach dem Renteneintritt aktiv, DIW Wochenbericht, 42/2919. *D as kann beispielsweise das Erstellen von Inhalten auf digitalen Plattformen sowie von Online-Petitionen sein sowie Kommunikation, Lehre und Beratung via Internet. 54,5 % 70,2 % Wahlbeteiligung Landtagswahl NRW 2017 Wahlbeteiligung 18- bis 21-Jährige Wahlbeteiligung 60- bis 70-Jährige Quelle: Information und Technik Nordrhein-Westfalen, Landtagswahl 2017: Ergebnisse nach Alter und Geschlecht in Nordrhein-Westfalen. 16 Verstehen / Thema
Öffentliche Debatte nötig Baustelle Schulaufsicht Die Neustrukturierung der Schulaufsicht in NRW ist dringend not- wendig. CDU und FDP wollen die Reform noch vor der Landtagswahl 2022 abschließen. Die GEW NRW nennt Themen, bei denen sie den größten Handlungsbedarf sieht. Spätestens seit Jörg Bogumil, Reiner M. Fahlbusch und Hans- → eine Gleichsinnigkeit in der Orientierung und im fachlichen Jürgen Kuhn im Juli 2016 das Gutachten Weiterentwicklung der Agieren zu erlangen, die sich an zentralen Richtgrößen aus- Schulverwaltung des Landes NRW im Auftrag des nordrhein- richten, wie sie für das Schulwesen gelten, zum Beispiel Re- westfälischen Finanzministeriums vorgelegt hatten, nahm die ferenzrahmen Schulqualität, interne und externe Evaluation. Fachdiskussion – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen → auf eine berufsvorbereitende und berufsbegleitende Aus- und – über eine Reform der Schulaufsicht in NRW wieder Fahrt auf. Fortbildung für Schulaufsichtsbeamt*innen hinzuwirken. Die Gutachter sollten untersuchen, wie die Schulaufsicht mit → „Backoffices“ zur Ökonomisierung vieler Arbeitsfelder einzu- dem Ziel einer Effizienzsteigerung weiterentwickelt werden fordern. kann – unter der Nebenbedingung, dass „durch das Gutachten → ein ausgewogenes Maß an systemischer Beratung und Unter- keine Stellenmehrbedarfe in der Verwaltung begründet werden, stützung sowie eines effektiven Controllings zur Begleitung die nicht durch Umschichtungen gedeckt werden können, und eigenverantwortlicher Schulen anzustreben. insgesamt keine Mehrkosten entstehen“. Schwierige Prämisse! → ein durchdachtes und zukunftsfähiges Personalkonzept für das Projektgruppe soll Prozess vorantreiben Zusammenspiel hauptamtlicher Schulaufsichtsbeamt*innen und pädagogischer Mitarbeiter*innen zu entwickeln. Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP findet sich im Kapitel → Rolle und Funktion der pädagogischen Mitarbeiter*innen und Gute Bedingungen für unsere Lehrkräfte der lapidare Satz: „Die Fachberater*innen in der Schulaufsicht zu schärfen und sie Schulaufsicht wird weiterentwickelt.“ Nach der Regierungsüber- zu einem systemischen Element einer tragfähigen Personal- nahme wurde im Januar 2019 eine Projektgruppe gebildet, um den struktur werden zu lassen. Prozess zur Weiterentwicklung der Schulaufsicht zu intensivieren. Themen im Arbeitsprozess lauten: Aufgaben und Rollenverständ- Oftmals erfolgt eine unzulässige Verkürzung der Reformdis- nis der Schulaufsicht, Struktur der unteren Schulaufsicht, Obere kussion auf die Frage der Struktur der Schulaufsicht. Klar ist aber Schulaufsicht, Personalbemessung und Personalentwicklung. in jedem Fall, dass die 2007 von CDU und FDP aus sachfremden Gründen eingeführte Trennung von Fach- und Dienstaufsicht GEW NRW benennt Reformbedarfe für die Haupt- und die Förderschulen korrigiert werden muss. // Für die GEW NRW ist im Reformprozess entscheidend, Michael Schulte → eine stringente Klärung der Aufgaben und Rollen in schulauf- Geschäftsführer der GEW NRW sichtlichen Handlungsfeldern einzufordern. → ein Zuständigkeitskonzept zu entwickeln, das den arbeits- und zeitintensiven Querschnittaufgaben wie Inklusion, Integration und Fortbildung, Rechnung trägt. → ein angemessenes und funktionales Maß an Zentralisierung G EW sowie Regionalisierung der Schulaufsichtsstruktur einzufordern. Gebt bei der Wahl zur Schulaufsicht im Frühjahr 2021 Kanditat*innen von GEW und ver.di Eure Stimme! gew-nrw.de NRW 17
Leser*innenpost DA G M A R B R A N D T KARL H. GÜNTHER Ich bin 63 Jahre alt und hatte das Glück, dass meine Eltern (bei- [...] Leider umgeht die Redaktion die Auseinandersetzung mit den de selbstständig) mir schon vor 47 Jahren gesagt haben: Was? versteckten Barrieren in Schule, Berufsausbildung und Berufsaus- Erzieherin? Da bist du ja immer auf einen Mann angewiesen. übung […] Dann hätte auch die Chance bestanden, eine Diskussion Das mit dem Weniger-Verdienen und Noch-weniger-Rente-Be- mit Behinderten zu Kontroversen (zum Beispiel Förderschule oder kommen weiß frau also schon sehr lange. Toll, dass Sie dieses Regelschule, Berufsausbildung in Schule/ Berufsförderungswerk Thema angesprochen haben. Sonst wird ja immer nur auf die oder Betrieb) im Zusammenhang mit der Inklusion zu initiieren. bösen Männer geschimpft. Persönlich habe ich mich gegen die Die aus Fürsorge entstandenen Sonderstrukturen stehen häufig Wirtschaft und für die Grundschule entschieden und das war gut der selbstbestimmten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen so. Aber beschweren, dass ich woanders mehr verdienen würde, mit Behinderungen entgegen und widersprechen damit dem auf die Idee käme ich nicht. Inklusionsverständnis der UN-Behindertenrechtskonvention. zu lautstark. 07/2020: Wenn es im Leben später eng wird […] Trotzdem kann man die Fürsorgegedanken auch heute noch hinter vielen Regelungen entdecken, die Behinderte in die passive Rolle von Leistungsempfänger*innen zwängen, die mit einem J Ü R G E N K RU S E Leben am Existenzminimum zufrieden sein sollten. Gerade in Corona-Zeiten, [...] ist es um so befremdlicher für Behinderte für Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie steht die GEW in NRW selbst die Folgen unverschuldeter Nachteile mit eigenem Einkommen zu den Inhalten dieses Artikels? Sind das die Gerechtigkeitsaspekte und Vermögen aufzukommen. [...] für eine Gewerkschaft angesichts der ökologischen Vielfach- zu lautstark. 07/2020: Barrieren im Alltag katastrophe (unter anderem: bedrohliches Artensterben und sich beschleunigende Klimakatastrophe ...)? Steckt hinter dem Artikel nicht eine verhängnisvolle neoliberale Sicht der Rolle des Staates und des Individuums? Nach Jahrzehnten der Privatisierung der J E N S K AU L I S C H Gemeingüter und eines zunehmenden Abbaus des Sozialstaates Dann fangt doch auch mal mit der Einforderung von Gerechtig- (auch gegen den Willen aufgeklärter Teile der Gewerkschafts- keit an. Ich denke da insbesondere an gleichen Lohn für gleiche bewegung) gibt es für die GEW eine „soziale Marktwirtschaft“, in Arbeit. Da wird vonseiten der GEW nicht genügend Druck auf- der die Bildungspolitik nun ihre Rolle einnehmen soll, damit der gebaut, um die institutionellen Ungerechtigkeiten in den Lehrer- Einzelne „Arbeitsmarkterfolge“ verbuchen kann? Dazu passt dann zimmern aufzuheben. ja auch das Foto, das eben nicht die Fähigkeiten repräsentiert, die zu lautstark. 07/2020: Für Gerechtigkeit müssen alle sorgen Menschen angesichts der ökologischen Krisen und der bevorste- henden Automatisierungswelle brauchen. Haben Sie sich einmal die politischen und forschungstheoretischen Schwerpunkte des ifo Instituts angesehen? Vielleicht wäre es besser, wir würden uns zeitnah um die Diskussion zu einer Postwachstumsgesellschaft […] bemühen! [...] zu lautstark. 07/2020: Gleiche Chancen? Je früher, desto besser! Mail uns deine Meinung! leserbrief@lautstark-magazin 18
INSPIRIEREN Ideen und Impulse Anzahl junger Delegierter hat sich auf unserem Gewerkschaftstag 2019 im Vergleich zu 2016 von 8 % auf 16 % erhöht. Dieses Ergebnis wurde durch die Aktion „1+1 – Zusammen zum Gewerkschaftstag“ erzielt, mit der die GEW NRW den Generationenwechsel fördert. 19 – 26 / Lebensphasen – Jedes Alter gut gestalten
Coachingkonzept für neue Personalräte Von alten Hasen lernen Personalratswahlen bieten immer auch eine Chance des Generationen- wechsels innerhalb der Gewerkschaftsarbeit. Doch viele junge Kolleg*innen fühlen sich der wichtigen Aufgabe nicht gewachsen. Die GEW NRW erarbeitet derzeit ein Coachingkonzept für die Personalräte im Schulbe- reich, um den „Neuen“ mehr Unterstützung zu bieten. Bei der Personalratswahl im Bereich Schule im vergange- Die Entscheidung, Personalrät*in zu werden, falle vie- nen Herbst wurden einige neue Mitglieder gewählt, darunter len jüngeren Kolleg*innen allerdings schwer, weiß Lea Grundschullehrerin Lea Becker. Sie hatte zunächst über eine Becker. „Da gibt es Zweifel, ob man der Aufgabe gewachsen ist.“ Freundin mehr über die Tätigkeiten des Personalrats erfah- Sie selbst hatte diese Bedenken nicht: „Ich habe mich gefreut, ren, den sie selbst schon bei Versetzungsanträgen zurate ge- dass ich neben der Schule noch etwas anderes machen kann. Ich zogen hatte. Vor vier Jahren übernahm sie vertretungsweise organisiere gerne und beschäftige mich damit, wie man etwas Aufgaben in dem Gremium und konnte so schon ein bisschen verändern oder verbessern kann.“ Personalratsluft schnuppern. Für die Wahlen 2020 ließ sie sich Personalräteschulungen bieten Unterstützung schließlich als Kandidatin auf die Wahlliste der GEW NRW für den Personalrat Grundschule im Oberbergischen Kreis setzen – Gerade zu Beginn der Tätigkeit bestehe für die neuen Mitglie- mit Erfolg, wie das Ergebnis zeigt. Mit 34 Jahren ist sie nun der des Personalrats die Gefahr, „ins kalte Wasser“ geschmissen eines der jüngsten Mitglieder in ihrem Personalrat und Teil zu werden, erklärt Volker Maibaum. Mit diesem Problem sehen eines Generationenwechsels. sich alle neu gewählten Personalrät*innen, egal ob jung oder alt, konfrontiert. Wie groß die Herausforderung beim Einstieg Beschäftigtenspektrum im Personalrat abbilden in den Personalrat ist, hänge weniger vom Alter ab, so Volker Nicht jedes neue Personalratsmitglied ist automatisch jün- Maibaum. Die Frage sei viel mehr, welche schulische Erfahrung ger als die anderen Mitglieder. Doch bei der letzten Wahl sei es Kolleg*innen über den Lehrerrat oder andere Gremien in den erklärtes Ziel gewesen, mehr junge GEW-Mitglieder im Perso- Personalrat einbringen und wie die Kolleg*innen in der GEW nalrat unterzubringen. Damit möchte die GEW NRW möglichst verankert sind. das gesamte Spektrum der Beschäftigten auch im Personalrat Den „Neuen“ bietet ein GEW-internes modulares Schulungs- selbst repräsentieren. Dazu gehöre neben Geschlecht, Migra- programm beispielsweise zum Thema „Neu im Personalrat“ tionshintergrund und fachlicher Profession auch das Alter. Orientierung und Unterstützung. Diese Erfahrung hat auch Lea „Heute sind die Kolleginnen und Kollegen teilweise 25, wenn Becker gemacht. Sie lobt das Programm: „Dabei konnten viele sie an einer Schule anfangen“, berichtet Volker Maibaum, der Fragen, die uns ,Neue‘ betreffen, geklärt werden. Außerdem hat erst mit 43 Jahren in den Schuldienst kam und zwölf Jahre lang es den Austausch untereinander gefördert.“ Weitere interne für die GEW im Personalrat aktiv war. „Das muss sich in den Schulungen für „die Neuen“ behandeln rechtliche Grundlagen Personalräten widerspiegeln. Diese Kolleginnen und Kollegen zum Personalvertretungsrecht, zum Beamt*innenrecht und zum bringen ganz andere Sichtweisen mit, wenn sie sich beispiels- Arbeitsrecht. Diese Themen werden auch anhand von praktischen weise in der Familiengründung befinden.“ Einzelfällen behandelt und von erfahrenen Personalrät*innen 20 Inspirieren / Thema
sowie juristischen Referent*innen vermittelt. All diese internen Schulungen bieten eine wichtige Grundlage für den Einstieg in die Personalratsarbeit, erklärt Volker Maibaum: „Dort geht es um die gesetzlichen Arbeitsgrundlagen und Rahmenbedingungen.“ Es gebe aber auch Punkte, mit denen man sich intensiver befassen müsse. „Wenn es aber um die konkreten Fragen der Kolleginnen und Kollegen geht, hilft – überspitzt gesagt – der Gesetzestext alleine nicht weiter.“ Manchmal komme also der Austausch über Alltagserfahrungen in der Personalratsarbeit zu kurz. Neues Coachingkonzept für mehr Austausch Foto: Emanuel Heine Diese Lücke könnte ein Coachingkonzept füllen, das Volker Maibaum angeregt hat. Ein wichtiger Teil dieses Konzepts sieht vor, den individuellen Fragen der neuen Personalrät*innen mehr Raum zu geben. Über das Coaching soll eine Gesprächsgruppe geschaffen werden, die von einem erfahrenen Personalrats- VOLKER MAIBAUM mitglied „moderiert“ wird. Den neuen Personalrät*innen – unabhängig vom Alter – soll dabei unter anderem vermittelt war viele Jahre Personalrat und möchte werden, welche Rolle sie in der alltäglichen Personalratsarbeit die „Neuen“ im Gremium unterstützen. einnehmen müssen und auch was das mit der GEW zu tun hat. „Die Personalrät*innen sind teilweise auch so was wie eine ‚Telefonseelsorge‘ für ihre Kolleg*innen“, so Volker Maibaum. Generationenwechsel sollte nach und nach erfolgen Das Konzept müsse jetzt innerhalb der Gewerkschaft auf den Prüfstand gestellt werden, beschreibt Volker Maibaum den weiteren Weg. In einer ersten Videokonferenz der neuen Per- sonalratsmitglieder sei der Entwurf bereits gut angekommen, berichtet Lea Becker. Sie sieht das Konzept sehr positiv: „Von wem kann man denn besser lernen als von den ‚alten Hasen‘?“ Zudem sei es wichtig, dass der Generationenwechsel stückweise erfolge, damit in den Personalräten eine Mischung aus jüngeren und älteren Kolleg*innen erhalten bleibe, findet die 34-Jährige. Beide Seiten würden so bestmöglich voneinander profitieren. Volker Maibaum sieht es ähnlich: „Personalräte leben immer auch von der Erfahrung und die alten Hasen sollen kein Herr- schaftswissen bunkern, sondern teilen.“ Berufseinsteiger*innen sollten deshalb versuchen, sich zuvor schon im Lehrerrat oder Foto: Lina Somemr ähnlichen Gremien, vor allem in der Gewerkschaft, zu engagie- ren. Außerdem setze ein Generationenwechsel im Personalrat voraus, dass es zuvor einen Generationenwechsel innerhalb der GEW selbst geben müsse, betont das langjährige Gewerk- schaftsmitglied. // LEA BECKER David Peters freier Journalist ist mit 34 Jahren eine der jüngsten Personalrätinnen der GEW NRW. 21
Gesichter der GEW NRW – Aktiv in der Gewerkschaft in jedem Alter 1993 Carolin Hohmann ist im Leitungsteam 1950 Theodor Wahl-Aust ist Ruheständler und in der jungen GEW in Münster. der Kommission „GEW NRW stärken“. 1957 Elisabeth Keim ist Sonderpädao- 1999 Julia Nüßmann studiert gin in der Grundschule. Deutsch und Latein auf Lehramt. 1959 Cordula Bahn ist Vorsitzende 2001 Marvin Strick ist Erzieher in Aus- 1973 Marion Appold ist Grundschullehrerin und im Bezirkspersonalrat in Münster. bildung und Betriebsratskandidat. in der Schwerbehindertenvertretung. 1977 Susanne Boland ist im Hauptpersonalrat für 1972 Michael Ladeur ist Mitglied im Personalrat für Förderschulen und Schulen für Kranke. Gesamt-, Sekundar- und PRIMUS-Schulen. 1978 Florian Beer ist in der Kommis- 1958 Karin Distler ist Personalrätin sion Generationenwechsel. und seit 32 Jahren GEW-Mitglied. 1945 Jürgen Gottmann ist aktiver 1986 Jana Koch ist stellvertretende Vorsitzende 1981 Hanna Tuszynski ist im Leitungs- 1975 Hakan Varol ist Personalrat für Ge- Rechtsschützer. der GEW-Oberberg und im Bezirk Köln. team Fachgruppe Gymnasium. samt-, Sekundar- und PRIMUS-Schulen. 22 Inspirieren / Thema
Fotos: Silvia Bins, Fotostudios Barth GmbH, Das mechanische Auge, Annette Etges, Sabine Klöckner, Roger Koerner, Sebastian Petermann, David Peters, Michael Rasch, Beate Sonnenschein, Alex Waltke, Thomas Willemsen, Alena Wischolek und Privat. 1963 Reiner Hohl ist Schulleiter und im 1990 Pia Rojahn ist Promovendin und arbeitet in der Hauptpersonalrat Gymnasium. Lehrkräftebilung. 1986 Andreas Dietrich ist Realschul- 1969 Kerstin Salchow ist lehrer, Lehrerrat und Personalrat. Personalrätin in Köln. 1955 Helmut Robertz betreut die 1962 Karola Brukamp-Mahn ist 1990 Linda Engels ist Expertin für 1954 Michael Backhaus hat einen schul- Internetseite der GEW-Wesel. Förderschullehrerin und Personalrätin. Frühkindliche Bildung. politischen Stammtisch gegründet. 1971 Karsten Haarmann ist Berufskolleglehrer und 1963 Friederike Deeg ist im Leitungsteam im Referat Arbeits- und Gesundheitsschutz. der GEW-Oberhausen. 1949 Renate Aust genießt den Ruhestand. 1941 Regina von Oppenkowski 1966 Karin Wamba ist im Bezirkspersonalrat Müns- 1996 Lenny Liebig ist Vorsitzender der 1981 Sebastian Jensen ist Gesamtschul- genießt den Ruhestand. ter und Kassiererin bei der GEW-Warendorf. DGB-Stadtjugend Münster. lehrer in Detmold und Personalrat. 23
Senior*innenarbeit in der GEW NRW Wir geben keine Ruhe! Auch nach 40 Jahren anstrengender beruflicher Tätigkeit wollen Menschen ihr Leben aktiv gestalten und suchen dafür die Gemeinschaft Gleichgesinnter. Im Interview haben die Vorsitzenden des Ausschusses für Ruheständler*innen der GEW NRW mit uns darüber gesprochen, warum Engagement auch im Rentenalter wichtig bleibt und was die GEW NRW Senior*innen bietet. Was treibt euch an, nach vielen Jahren auch noch gelten kann. Der Ruhestand auch und gerade während der Corona- ehrenamtlicher Arbeit in der GEW gefällt mir gut, aber ich habe festge- Krise – kann es sehr dringend sein, dass NRW im Ruhestand noch weiter aktiv stellt, dass im politischen Raum die viele die Forderungen von DGB und für die Gewerkschaft zu sein? Rentenpolitik Probleme und Fragen ver.di unterstützen, damit der politische Annegret Caspers: Im Stadtverband aufwirft, zum Beispiel die Kostenfrage. Druck erhöht wird. Die Angebote der Essen habe ich jahrelang die Fachgrup- Und wer, wenn nicht wir selbst, sollte GEW sind vielfältig, aber lückenhaft. In pe Grundschule geleitet und an den sich da einmischen? Also habe ich mich manchen Stadt- und Kreisverbänden Vorstandssitzungen teilgenommen. wieder engagiert, um die Interessen gibt es zahlreiche Angebote für Se- Anneliese Bader hat zu jener Zeit die der Ruheständler*innen lautstark zu nior*innen, in anderen gar nichts. Vor Ruheständler*innen im Stadtverband vertreten! Das geht nicht ohne ehren- Corona haben wir uns im Kreis Wesel betreut. Auf einer Feier habe ich im amtliche Arbeit und auch nicht ohne monatlich zu zwei Stammtischen ge- Scherz zu Anneliese gesagt: „Wenn du Engagement an verantwortlicher Stelle. troffen; regelmäßige kulturelle Angebo- die Arbeit nicht mehr machen willst, te wahrgenommen, vom Museums- bis Warum sollten Mitglieder auch im übernehme ich deine Aufgaben.“ So zum Theaterbesuch, sowie gemeinsa- Ruhestand in der GEW NRW bleiben? fing es an. me Kaffeerunden und einmal im Jahr Franz Woestmann: In den 40 Jahren, Franz Woestmann: Die Gewerkschaft einen Restaurantbesuch organisiert. in denen ich gewerkschaftlich aktiv kann ein wichtiges Forum sein, sich zu Auch politische Veranstaltungen ha- war, wollte ich immer meine berufliche betätigen, Kontakte zu erhalten oder ben wir angeregt. Voraussetzung: Die Situation verbessern, indem ich mich neue zu knüpfen, Interessen zu for- Senior*innen müssen im Stadtverband mit Kolleg*innen zusammenschloss, mulieren und nach draußen zu tragen. aktiv werden! die das Gleiche anstrebten. Und so habe Wenn wir uns zum Beispiel die Misere Annegret Caspers: Die GEW bietet auch ich mich gefragt, ob das im Ruhestand der Pflegeheime vor Augen führen – im Ruhestand Rechtsschutz und an 24 Inspirieren / Thema
erstrittenen Erhöhungen der Alters- Franz Woestmann: Für die Klärung ma- schaftliche Teilhabe der Senior*innen bezüge durch Tarifkämpfe partizipieren terieller und rechtlicher Fragen gibt es vor Ort, und sich auch für den Frieden wir ebenfalls. Außerdem bin ich der ein recht umfangreiches Fortbildungs- sowie in Bündnissen und Netzwerken Meinung, dass man eine Solidargemein- angebot. Hilfreich sind Seminare, die gegen Rechts engagieren. schaft, der man jahrelang angehört, auf die neue Lebensphase vorbereiten Welche Angebote macht der Ausschuss auch im Ruhestand unterstützen soll. und die die GEW anbietet. für Ruheständler*innen den Pensio- Wichtig ist natürlich auch die Wahl Wie bereitet die GEW NRW ihre när*innen in der GEW NRW? von Obleuten der Senior*innen in den Mitglieder auf den Ruhestand vor? Was Annegret Caspers: Wir organisieren Untergliederungen, die eine Vertretung könnte da noch verbessert werden? jedes Jahr eine eineinhalbtägige Veran- der Ruheständler*innen im Vorstand Annegret Caspers: Bei letzterem Punkt gewährleisten. Wir brauchen die vie- staltung mit interessanten Themen wie ist noch viel Luft nach oben. Zur Vor- len langjährigen Funktionär*innen in Beihilfe, richtig Vererben, Bewegung bereitung auf den Ruhestand erstel- der Ruhestandsarbeit. Und sie sollten im Alter, Neue Medien, Verhalten im len wir gerade einen Brief, der an alle nicht nur Kaffeekränzchen organisie- Pflegefall, Mitwirkung. Aber nicht nur 60-jährigen Kolleg*innen verschickt ren, sondern aktiv die Interessen der die Themen sind für die Kolleg*innen werden soll – gemeinsam mit der Neu- Ruheständler*innen vertreten, bei- wichtig, sondern auch der Austausch auflage unseres Flyers Willkommen im spielsweise bei den Themen wie Pfle- beim Zusammensein am Abend oder Ruhestand. genotstand und politische und gesell- in den Pausen. >> ANNEGRET CASPERS 71 Jahre, ehemals Leiterin einer Grundschule in Essen in einem „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“, Mitglied der ÖPR in Essen SAVE THE DATE Für alle, die sich vorausschauend Foto: Alexander Schneider mit dem Thema Ruhestand be- fassen möchten, bietet die GEW NRW Fortbildungen an. → 19. und 20. März 2021: Vorsorge treffen – bereits in jungen Jahren → 23. und 24. April 2021: Wege in den Ruhestand Infos & Anmeldung www.gew-nrw.de/fortbildungen 25
FRANZ WOESTMANN 72 Jahre, seit 48 Jahren aktives Mitglied der GEW, ehemals Vorsitzender des Ortsverbands Dinslaken/ Hünxe/Voerde, Mitglied im Leitungsteam des Bezirksausschusses Düsseldorf, Leiter von Referat C (Schulrecht, Bildungsfinanzierung und -statistik) sowie Listenführer und Vorsitzender des Bezirks- Foto: Gisela Sachse-Diemer personalrats Düsseldorf für Gesamtschulen Meldet euch bei Der Obleutetag, einmal im Jahr, ist ein dem Antrag, einen lokalen Ausschuss Fragen und Anregungen: wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, für Ruheständler*innen gründen zu annegret.caspers@gew-nrw.de weil wir dort nach den Bedürfnissen wollen, an den Vorstand des Stadt- be- franz-josef.woestmann@gew-nrw.de für Veranstaltungen und deren Themen ziehungsweise Kreisverbandes wenden fragen. Wir versuchen dann, die ent- oder das Thema auf die Tagesordnung sprechenden Referent*innen zu finden. der Jahreshauptversammlung setzen Broschüre der GEW NRW Für 2020 war ein landesweiter Seni- lassen. Eines der Gründungsmitglieder Willkommen im Ruhestand or*innentag geplant, er fiel wie alle sollte bereit sein, im Vorstand mit- tinyurl.com/gew-ruhestand anderen Veranstaltungen Covid-19 zum zuarbeiten; mindestens ein Mitglied Opfer, auch die geplante Reise nach sollte gegenüber dem Landesverband Lille. Das ist schade, denn für diese als Obfrau*mann firmieren. Reisen meldeten sich auch Kolleg*in- Gibt es vor Ort Senior*innenarbeit, nen an, die nicht an unseren anderen kann man sich an den Vorstand wenden Veranstaltungen teilnehmen. und um Adressen der entsprechenden Ansprechpartner*innen bitten oder Und was können Interessierte tun, darum, zu Veranstaltungen eingeladen um sich aktiv einzubringen? zu werden. Franz Woestmann: Da gibt es verschie- Annegret Caspers: Wer Interesse an der dene Möglichkeiten. Gibt es noch keine Mitarbeit im Ausschuss für Ruheständ- Senior*innenarbeit im Stadt- bezie- ler*innen oder Ideen für Aktivitäten hat, hungsweise Kreisverband, kann man kann sich bei mir oder Franz melden. // sich mit einem oder mehreren Inter- essierten zusammentun und sich mit Die Fragen stellte Fritz Junkers. 26 Inspirieren / Thema
Z U S A M M E N H A LT E N Arbeitsplatz und Solidarität „Während wir arbeiten, altern wir. Die Arbeit verändert sich, aber genauso verändern wir uns.“ MAIKE FINNERN Vorsitzende der GEW NRW 27 – 42 / Lebensphasen – Jedes Alter gut gestalten
Vereinbarkeit von Lebens- und Berufszeit Altern bei der Arbeit, arbeiten beim Altern Ob Berufseinstieg, Familiengründung oder Berufsausstieg – die verschiedenen Lebensphasen Foto: Alena Wiescholek von Arbeitnehmer*innen erfordern eine flexiblere Gestaltung des Arbeitslebens. Das Thema der Vereinbarkeit von Leben und Beruf und die zent- rale Frage nach Lösungsansätzen rücken zunehmend in den Fokus. Wer heute 15 Jahre alt ist, muss durchschnittlich 38,7 Jahre arbeiten, bevor sie*er in Rente gehen kann. Die wenigsten Menschen fangen heute so jung an zu arbeiten, insofern be- deutet das nicht zugleich, dass der Durchschnitt der Menschen mit 53,7 Jahren aus dem Berufsleben ausscheidet. In Anbe- tracht dessen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei 81 Jahren liegt, zeigt sich rein quantitativ die große Bedeutung, die Arbeit über unsere Lebenszeit hinweg einnimmt. Während wir arbeiten, altern wir. Die Arbeit verändert sich, aber genauso verändern wir uns. Jede Lebensphase erfordert andere Berufszeiten Aus diesem Grund ist es wichtig, Arbeit und Alter(n) zusam- men zu betrachten. Verschiedene Lebensphasen wie Berufswahl, Berufseinstieg, Familiengründung, Karriere oder Berufsausstieg stellen unterschiedliche Anforderungen an die Arbeitszeit. Vor diesem Hintergrund ist es nötig, die Zeitsouveränität der Be- schäftigten zu stärken, dazu gehören neben der Diskussion um Lebensarbeitszeitkonten auch Homeoffice-Regelungen. Das darf 28 Zusammenhalten / Thema
aber auf keinen Fall bedeuten, dass das aktuelle Arbeitsgesetz müssen sinnvoll und individuell gestaltet werden. Auch hier geht aufgeweicht wird, wie es zum Teil diskutiert wird. es um Arbeitszeit. Eine Ermäßigung für den Berufseinstieg ist Die Möglichkeit, im Berufsleben eine gewisse Souveränität genauso notwendig wie die Altersermäßigung ohne Kürzung der über die Arbeitszeit zu haben, ist ein wesentlicher Punkt zur Bezüge in den Schulen. Das Sabbatjahr ist eine gute Variante, Attraktivitätssteigerung von Berufsfeldern. Zudem ist es ein Teilzeit individuell zu gestalten – bei in der Summe gleichen wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Bezügen. Die Bedürfnisse der Beschäftigten sind gänzlich unter- zur Trennung von Beruflichem und Privatem. Je nach Lebens- schiedlich, gerade deshalb braucht es generelle Spielräume, um lage sind Wünsche an die eigene Arbeitszeit jedoch gänzlich Arbeit und die Lebenssituation zu vereinbaren, ohne zwingend verschieden: Während des Berufseinstiegs ist die Trennung Gehalts- oder Pensions-/Renteneinbußen zu haben. zwischen Arbeits- und Privatleben eventuell noch nicht wichtig, Die Frage nach der Vereinbarkeit von Leben und Arbeit ist weil vorher sowieso der Schreibtisch und die Studienunterlagen ein zentrales gewerkschaftliches Thema, das zukünftig noch immer im Schlafzimmer standen. Bei der Familiengründung kann an Bedeutung gewinnen wird. Deshalb müssen wir hier einen sich das gänzlich verschieben. Die Zeit mit Lebenspartner*in und breiten Diskurs über Grenzen und Anforderungen im Sinne der Kind gewinnt an Bedeutung, da sind Anrufe von Kolleg*innen Arbeitnehmer*innen führen. Dabei ist eins klar: Ein weiteres und des Arbeitgebers kurz nach Feierabend genauso lästig wie Verschieben des Rentenalters nach hinten lehnen wir Gewerk- Arbeitszeiten, die beispielsweise mit den Abholzeiten der Kita schaften ab! // kollidieren. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Arbeitszeit Maike Finnern an die verschiedenen Lebensphasen der Arbeitnehmer*innen Vorsitzende der GEW NRW anzupassen. Zugegeben: Das erscheint im pädagogischen und sozialen Berufsfeld einigermaßen schwierig, aber auch hier ist es nötig und möglich. Möglichkeiten für mehr Flexibilität Ideen und Forderungen gibt es genug: Weg mit der 41-Stun- den-Woche, Senkung der Unterrichtsverpflichtung, festgelegte Erholungszeiten ohne Korrekturen und Vorbereitungen und vieles mehr. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit zum Beginn eines Halbjahres BERUFSLEBEN UND ALTER zu reduzieren oder aufzustocken, Entlastung von Verwaltungsauf- Das Thema Alter spielt im Berufsleben nicht gaben und auch die Frage nach Überstunden und dem Abbau eben- nur bei der Arbeitszeit eine Rolle. Auch die dieser muss angegangen werden. Das sind nur einige Maßnahmen Diskriminierung verschiedener Altersgruppen für den Bereich Schule, aber auch in den Kindertagesstätten, oder die leistungsorientierte Berücksichtigung den Hochschulen und der Weiterbildung müssen individuelle von Erfahrungszeiten bei der Besoldung sind Einlassungen möglich sein. Dort, wo die Arbeit nicht flexibler Themen, die diskutiert werden müssen. gestaltet werden kann – etwa durch Vorgaben wegen Öffnungs- zeiten –, sollten Möglichkeiten geschaffen werden, dennoch auf Weitere Infos gibt es hier: persönliche Bedürfnisse einzugehen. Arbeitszeitkonten könnten Antidiskriminierungsstelle des Bundes hier ein zentrales Instrument sein. Mit der Möglichkeit, auf tinyurl.com/altersdiskriminierung individuelle Zeitwünsche einzugehen, kann die Arbeitszeit der jeweiligen Lebenssituation angepasst werden – das brauchen Erfahrungszeiten DGB Rechtsschutz GmbH alle Altersgruppen. Das schafft Zufriedenheit und reduziert tinyurl.com/erfahrungszeiten Belastungen und Sorgen. Übergänge sinnvoll und individuell gestalten Dabei darf nicht vergessen werden, dass Übergänge aktiv ge- staltet werden müssen. Der (Wieder-)Einstieg in den Beruf, aber insbesondere auch der Ausstieg aus dem Erwerbsleben stellen besondere Herausforderungen an die Arbeitszeit. Diese Phasen 29
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