JOURNAL - Bundesministerium für Bildung und Forschung
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Bildungsketten JOURNAL Den Übergangs- bereich erfolgreich gestalten Schwerpunktthema Übergänge in Ausbildung Individuelle Begleitung Wie eine strukturschwache Region junge Menschen in Ausbildung bringt Elterneinbindung Studie zur Rolle der Eltern bei der beruflichen Orientierung 5/2019
Sagen Sie uns Ihre Meinung! Die fünfte Ausgabe des Bildungsketten-Journals ist erschienen. • Wie gefällt Ihnen das neue Journal? • Was können wir noch besser machen? • Wo liegen wir genau richtig? • Welches Thema wünschen Sie sich für die nächste Ausgabe? Wir freuen uns auf Ihre Anregungen und Ihre Kritik. Schreiben Sie uns eine E-Mail an info@bildungsketten.de. Oder diskutieren Sie mit uns und anderen Leserinnen und Lesern in der Bildungsketten-Community auf www.ueberaus.de. Bildungsketten Impressum Herausgeber Bildnachweise Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Jan Zawadil, Reutlingen (Titel, S. 4, 12–17); überaus, Bundesinstitut Referat Innovationen in der beruflichen Bildung für Berufsbildung (S. 2); Initiative Bildungsketten, Patrice Kunte 53170 Bonn (S. 4 oben links); Industrieblick – Fotolia (S. 4, 7, 22 rechts); weer- achon – Fotolia (S. 9); Ellagrin – iStock (S. 11); Dr. Ulrich, privat (S. 21); Konzept und Redaktion sturti – iStock (S. 22, links, 23 Mitte); BartCo – iStock (S. 22, Mitte); Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) SolStock – iStock (S. 23, links); monkeybusinessimages – iStock Arbeitsbereich 4.4 „Stärkung der Berufsbildung, Bildungsketten“ (S. 23 rechts); Bundesarbeitsgemeinschaft Berufswahlpass, Mike Servicestelle Bildungsketten Auerbach (S. 4, 24); Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e. V., Carolin Jochum, Satiye Sarigöz, Michael Schulte (verantwortlich) Claus Carl Jakob (S. 4, 27); BIBB/BOP, Annegret Hultsch Photo Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn graphy (S. 4, 29); Michael Schulte, Servicestelle Bildungsketten (S. 4, Tel.: +49 228 107-1400, Fax: +49 228 107-2887 30–32); KAUSA, Thilo Schoch (S. 35); Drivepix – Fotolia (S. 36); E-Mail: info@bildungsketten.de Tempura – iStock (S. 4, 39) Internet: www.bildungsketten.de, www.bibb.de Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe (Seitenzahlen in Bestellungen Klammern): schriftlich an Neues aus der Servicestelle (S. 5): Michael Schulte, Servicestelle Publikationsversand der Bundesregierung Bildungsketten; Die Initiative (S. 6–7): Satiye Sarigöz, Servicestelle Postfach 48 10 09 Bildungsketten; Schwerpunktthema Übergänge in Ausbildung 18132 Rostock (S. 8–23): Gitta Schröder, freie Journalistin, Michael Schulte, Ser- E-Mail: publikationen@bundesregierung.de vicestelle Bildungsketten; Community (S. 24–25): Carolin Jochum, oder per Servicestelle Bildungsketten; Gute Praxis (S. 26–27): Carolin Jochum, Tel.: 030 18 272 272 1 Servicestelle Bildungsketten; Lexikon (S. 28–29): Carolin Kunert, Fax: 030 18 10 272 272 1 Programmstelle Berufsorientierung im Bundesinstitut für Berufs- Sie möchten regelmäßig über Neuigkeiten in der Initiative Bil- bildung (BIBB); Partner-Engagement (S. 30–32): André Grabinski, dungsketten informiert werden? Schreiben Sie uns eine E-Mail an Servicestelle Bildungsketten; Literatur (S. 33): Michael Schulte, info@bildungsketten.de. Sie erhalten dann unseren Newsletter. Servicestelle Bildungsketten; Pinnwand (S. 34–35): Carolin Jochum, Michael Schulte, Servicestelle Bildungsketten; Splitter (S. 36–37): ISSN 2196-1255 Michael Schulte, Servicestelle Bildungsketten; Letzte Seite Stand (S. 38–39): André Grabinski, Servicestelle Bildungsketten April 2019 Gestaltung Diese Publikation wird als Fachinformation des Bundesministeri- PRpetuum GmbH, München ums für Bildung und Forschung kostenlos herausgegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwer- Druck bung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden. Druck- und Verlagshaus Zarbock, Frankfurt am Main
V O R W O RT 3 Die Maßnahmen im Übergangsbereich von der Schule in die Ausbildung werden wir flexibler und praxisnäher gestalten. Damit junge Menschen ohne Umwege eine berufliche Ausbildung starten können. Liebe Leserin, lieber Leser, der Übergangsbereich zwischen Schule und Ausbildung erfüllt eine wichtige soziale Funk- tion für die Berufsausbildung in Deutschland: Er soll junge Menschen, die nach der allge- meinbildenden Schule noch keine Ausbildungsstelle gefunden haben, direkt und ohne Umwege auf eine Berufsausbildung vorbereiten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat es sich mit der Initiative Bildungs- ketten zum Ziel gesetzt, möglichst jedem ausbildungsinteressierten jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Dabei stimmen wir uns mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Bundesagentur für Arbeit und den Ländern ab. Gemeinsam haben wir bereits viel erreicht: Die berufliche Orientierung in Schulen wurde systematisch ausge- baut und Unterstützungsangebote während der Ausbildung wurden erweitert. Damit die Fördermaßnahmen besser ineinandergreifen und regional zielgerichteter wirken können, haben die Partner der Initiative Bildungsketten landesspezifische Vereinbarungen getroffen. Dadurch schaffen wir kohärentere Strukturen. Denn unser Ziel ist und bleibt es, die Jugend lichen bei ihrem individuellen Weg in ihre berufliche Welt zu unterstützen. Davon profitiert auch die Wirtschaft, indem der Fachkräftenachwuchs gesichert wird. Einige Länder reformieren aktuell den Übergangsbereich, um nach der Schulausbildung die Anschlüsse in eine vollqualifizierende Berufsausbildung zu verbessern. Ein Beispiel hierfür ist der Modellversuch im Land Baden-Württemberg, der die Neugestaltung des Übergangsbereichs zum Ziel hat. Damit soll mehr Schulabgängerinnen und Schulabgän- gern der direkte Übergang von der Schule in eine Ausbildung gelingen. Dieses Reformvor- haben stellen wir Ihnen als Schwerpunkt in dieser Ausgabe des Bildungsketten-Journals zum Thema Übergang Schule – Beruf vor. Die Bildungsketten-Evaluation „Erfolgreiche Übergänge in die betriebliche Ausbildung“, zu der Sie ab Seite 8 dieser Broschüre mehr erfahren, zeigt, dass noch Optimierungsbedarf in vielen Bereichen des Übergangs Schule – Beruf besteht. Das betrifft insbesondere die Koor dinierung und Planung der Maßnahmen von Bund und Ländern. Alle Länder engagieren sich für die berufliche Orientierung, im Übergangsbereich gibt es jedoch noch gemeinsa- men Handlungsbedarf. Wir möchten deshalb die Länder auch künftig dabei unterstützen, Konzepte und Fördermaßnahmen für einen gelingenden Übergang weiterzuentwickeln. Daher wollen der Bund und die Bundesagentur für Arbeit die Bildungsketten-Vereinbarun- gen mit den Ländern über das Jahr 2020 hinaus in neuen Verträgen fortführen. Ihr Bundesministerium für Bildung und Forschung
4 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL Inhalt 5 28 Neues aus der Lexikon Servicestelle Potenzialanalysen – Projekte aus den Wegbereiterinnen für Bildungsketten-Vereinba- eine erfolgreiche Berufs- rungen – Basisseminare orientierung für Berufseinstiegs- begleiterinnen und -begleiter 6 30 Die Initiative Partner-Engagement Weiterentwicklung Paul geht seinen Weg – der Initiative Auszubildende individuell Bildungsketten begleiten 8 NS PA PIE RE 33 SS IO Schwerpunktthema Literatur DIS KU LIC HE HA FT EN SC WI SS – ggebur th er stem ph Jun s | Maria Zöll alen Sy Berufsschule im dualen | Christo Übergänge in Ausbildung mer Hackel Magret Rey Monika im du onzepte | Milolaza Anita schule ,K Berufs Strukturen , Daten Den Übergangsbereich System/Inklusive Bildung erfolgreich gestalten in Deutschland 24 34 Community Pinnwand Berufswahlpass wird digital 36 Splitter 26 38 Gute Praxis Die letzte Seite Wege in Ausbildung: Eltern in die berufliche KAUSA Servicestellen Orientierung einbinden unterstützen Unterneh- men
N E U E S AU S D E R S E R V I C E S T E L L E 5 Projekte aus den Bildungsketten-Vereinbarungen Basisseminare für Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter NEUES AUS DER SERVICESTELLE insbesondere um die Förderinstrumente Berufsein stiegsbegleitung, Assistierte Ausbildung und die Initia- tive VerA zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen Die Servicestelle Bildungsketten im Bundesinstitut gehen. Eine weitere Veranstaltung widmet sich der in- für Berufsbildung (BIBB) unterstützt die beteiligten dividuellen Begleitung in Ganztagsschulen. Die Partner Akteurinnen und Akteure der Initiative Bildungs- der Initiative Bildungsketten führen darüber hinaus ketten im Jahr 2019 mit vielfältigen Angeboten Veranstaltungen für die Bildungspraxis zum Thema und Veranstaltungen. Integration in Ausbildung durch. Übersicht zu Maßnahmen für junge Geflüchtete In den Ländern existieren Steuerungsgruppen zu den Vereinbarungen der Initiative Bildungsketten ( siehe Ein aktuelles Arbeitspapier der Servicestelle Bildungs- auch S. 6–7). Ziel ist es, über Herausforderungen und ketten gibt einen Einblick in die Maßnahmen der Län- Meilensteine bei der Umsetzung der Vereinbarungen der zur beruflichen Orientierung und am Übergang regelmäßig zu beraten. Die Servicestelle Bildungsketten Schule – Beruf für junge Geflüchtete. Ziel ist es, die Ent- unterstützt als Mitglied der Steuerungsgruppen den wicklungen und Verschiebungen bei den Angeboten Bund und die Länder bei der Weiterentwicklung von sichtbar zu machen, neue Schwerpunkte zu identifizie- Fördermaßnahmen. ren und Herausforderungen zu benennen. Hierzu führte die Servicestelle Bildungsketten zwischen November Aus den Vereinbarungen mit den Ländern sind einzel- 2017 und März 2018 eine Abfrage durch, an der sich ne Projekte gestartet oder noch in Planung, die der 15 Bundesländer beteiligten. Die Angebote werden in Bund fördert. Beispiele: In Baden-Württemberg ver- folgende Phasen eingeteilt: Berufsorientierung, Über- mittelt das „Bildungsjahr für erwachsene Flüchtlinge“ gänge, Ausbildung und phasenübergreifende Ansätze. (BEF Alpha) Grundlagen für die Integration in Wirt- Die Servicestelle Bildungsketten plant ein Online-Dos- schaft und Gesellschaft. In Mecklenburg-Vorpommern sier zum Thema Geflüchtete, das Handlungsempfeh- beteiligen sich 21 Schulen an einem Modellvorhaben lungen für die Bildungspraxis geben soll. zur beruflichen Orientierung mit dem Ziel, den Über- gang Schule – Beruf nahtlos zu gestalten. In Bremen ist das „Sonderprogramm zur Berufsorientierung leis- tungsstarker Schülerinnen und Schüler“ geplant, das an der gymnasialen Oberstufe Projekte zu innovativen Ansätzen in der beruflichen Orientierung fördert. In Sachsen ist das Leuchtturmprojekt „Sachsenweites Netzwerk zur Gewinnung von Studienaussteigerinnen und Studienaussteigern für die berufliche Bildung im Mehr Infos Rahmen der Initiative Bildungsketten – Quickstart Sachsen“ gestartet, das alternative Qualifizierungswege • Landesspezifische Vereinbarungen zur in der beruflichen Bildung aufzeigt. beruflichen Orientierung und zum Übergang Schule – Beruf in der Initiative Neue Kohorte der Berufseinstiegsbegleitung Bildungsketten www.bildungsketten.de/ Im September 2018 startete die neue Kohorte von ge- strukturen-schaffen förderten Jugendlichen in der Berufseinstiegsbegleitung • Maßnahmen der Länder zur beruflichen (BerEb). Die Servicestelle Bildungsketten bietet 2019 Orientierung und am Übergang Schule – wieder Basisseminare für Berufseinstiegsbegleiterinnen Beruf für junge Geflüchtete und -begleiter an. Geplant sind zudem Bildungsketten- http://bit.ly/Gefluechtete Werkstätten zur Verzahnung unterschiedlicher Maß- • Aktuelle Veranstaltungen nahmen am Übergang Schule – Beruf. Dabei soll es www.bildungsketten.de/termine
6 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL Weiterentwicklung der Initiative Bildungsketten DIE INITIATIVE • die Entwicklung von dualisierten Angeboten, die abhängig von Ausbildungsreife, Schulmüdigkeit und strukturellen Bedingungen vor Ort unter- Bei der Weiterentwicklung der Initiative Bildungs- schiedlich stark ausgeprägt sein können; ketten streben die Partner den Umbau des Über- • die Strukturierung und Verzahnung berufsschuli- gangsbereichs zu einem anschlussfähigen und scher Maßnahmen mit SGB II/III-Maßnahmen; praxisnahen System an. Dabei stehen die Dualisie- • die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen Maß- rung und Vereinheitlichung von schulischen Maß nahmen; nahmen genauso im Fokus wie Unterstützungsleis- • die Gewinnung und Einbindung von Unterneh- tungen für Jugendliche und Unternehmen. men, z. B. zur Bereitstellung von qualifizierten Praktikumsplätzen. Damit Fördermaßnahmen besser ineinandergreifen Für ein durchlässiges, flexibles und praxisnahes Über- und wirken können, haben das Bundesministerium für gangssystem gibt es bereits vielversprechende Ansätze Bildung und Forschung, das Bundesministerium für wie die dualisierte Ausbildungsvorbereitung in Baden- Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für Arbeit Württemberg und Hamburg oder Schulversuche wie die mit den Ländern Vereinbarungen zur beruflichen Orien- Berufseinstiegsstufe (BEST) in Niedersachsen und die tierung und zum Übergang Schule – Beruf in der „Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung“ (BÜA) Initiative Bildungsketten abgeschlossen. Mit den bis in Hessen, die bei der Weiterentwicklung des Über herigen Vereinbarungen ist es gelungen, einen festen gangsbereichs zu einem System Orientierung bieten. Instrumentenkasten in der beruflichen Orientierung eingepasst in das jeweilige Landeskonzept zu etablie- Unterstützung in der Ausbildung ren. Handlungsbedarf besteht weiterhin im Übergangs- bereich und in der Ausbildung. Mit der Ausbildung junger Menschen sichern Unter nehmen ihren Fachkräftebedarf ab, gleichzeitig leisten Vom Übergangsbereich zum System sie einen hohen gesellschaftlichen Beitrag. Trotz einer besseren Angebot-Nachfrage-Relation gibt es jedoch Die Ergebnisse der Evaluation zur Initiative Bildungs- Versorgungs- und Besetzungsprobleme – je nach Beru- ketten ( siehe Schwerpunktthema Übergänge in Aus- fen und Regionen. Zugleich deutet eine sinkende Aus- bildung, ab S. 8) liefern Ansatzpunkte für eine breite bildungsquote den Rückzug von Unternehmen aus der und kohärentere Prozessgestaltung am Übergang Ausbildung an. Damit sich mehr Betriebe für die Aus- Schule – Beruf. Darauf aufbauend setzen sich die Part- bildung engagieren, benötigen insbesondere Kleinst-, ner der Initiative Bildungsketten künftig systematisch Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) mit den jeweiligen Strukturen in den Ländern ausein- Unterstützung bei der Gewinnung und Ausbildung ander, um transferfähige Ansätze zu entwickeln. junger Menschen. Schwerpunkte bilden dabei Mit dem Programm JOBSTARTER plus reagierte die • der Auf- bzw. Ausbau von länderspezifischen Struk- Bundesregierung auf den Unterstützungsbedarf. Aktu- turmodellen für ein Übergangssystem; ell begleiten 20 Projekte die KMU dabei, ihre Aus- und • der Aufbau einer systematischen Berufsorientie- Weiterbildung an die Anforderungen der Digitalisie- rung an Berufsschulen mit individuellen Förderan- rung anzupassen. sätzen in berufsschulischen Bildungsgängen sowie der Aufbau von Beratungsstellen; Gefördert werden in einer weiteren Förderlinie Projek- • die Etablierung und der Ausbau von regionalen te, die KMU mit dem Externen Ausbildungsmanage- Kooperationsstrukturen, z. B. rechtskreisübergrei- ment (EXAM) beraten und unterstützen. Die Aktivitä- fende Modelle wie Jugendberufsagenturen; ten umfassen auch die regionalen Übergangsbereiche. • der kontinuierliche Aufbau von Übergabestrukturen Hierzu zählen die Nachwuchswerbung in Schulen oder zwischen abgebender und aufnehmender Schule; die Initiierung von Schülerpraktika. Die regionalen
7 Projekte sollen eng mit der lokalen Wirtschaft sowie Berufliche Orientierung weiteren relevanten Akteuren der Berufsbildung und des Übergangsmanagements vor Ort zusammenarbei- Die Stärkung der beruflichen Bildung als Perspektive ten. Auch die Einbindung von Berufsschulen als Ko- auch für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien bildet operationspartner zur Verbesserung der Lernortkoope- einen neuen Schwerpunkt in der Initiative Bildungs- ration zwischen KMU und Berufsschulen ist möglich. ketten. Hierfür sollen modellhafte Ansätze ausgebaut, neu entwickelt und erprobt werden. Das BMBF hat Ziel ist eine stärkere Verzahnung und nachhaltige Ver- einen Förderaufruf zur beruflichen Orientierung an ankerung dieser Projekte wie auch anderer Angebote Gymnasien in der Sekundarstufe I gestartet. Ziel ist es, auf Bundes- und Landesebene in neuen Bund-Länder- kurzfristig praktische Erfahrungen zu generieren, die Vereinbarungen. Dies umfasst den Ausbau der Lernort- für ein umfassendes Konzept für die berufliche Orien- kooperationen wie auch die individuelle Unterstützung tierung im gymnasialen Bereich genutzt werden können. von Jugendlichen auf dem Weg zum erfolgreichen Aus- Darüber hinaus entwickeln in den nächsten Jahren bildungsabschluss. Bereits beschlossen ist der Ausbau mehrere Bundesländer unter der Federführung von der ehrenamtlichen Unterstützung von Jugendlichen Nordrhein-Westfalen einen digitalen Berufswahlpass durch die Initiative „Verhinderung von Ausbildungs- mit finanzieller Unterstützung des Bundes. abbrüchen“ (VerA). Zudem soll eine stärkere Nutzung und Bewerbung der Assistierten Ausbildung befördert Über die Fortsetzung des erfolgreichen bildungspoliti- und die Berufseinstiegsbegleitung nach Ende des schen Prozesses in der Initiative Bildungsketten besteht ESF-Bundesprogramms fortgesetzt werden. Konsens, zuletzt bekräftigt im Koalitionsvertrag zwi- schen CDU, CSU und SPD. Der Bund-Länder-Prozess Integration durch Ausbildung bietet mit den länderspezifischen Bildungsketten-Ver- einbarungen einen flexiblen Rahmen zum Aufbau und Die berufliche Integration junger Menschen mit Migra- Ausbau von kohärenten Strukturen am Übergang. tionshintergrund hat eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz. Bund und Länder planen in der Initiative Bildungsketten eine Systematisierung der Angebots- Mehr Infos vielfalt und den Transfer von guten Beispielen in die Regionen. Eine umfassende Beratungsstruktur bieten • Dualisierte Ausbildungsvorbereitung die drei landesweiten KAUSA Servicestellen in Bran- (AVdual) in Hamburg denburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen: Als regionale http://bit.ly/AvDual Informations- und Koordinierungsstellen sollen sie die • Flüchtlingsprojekte der Initiative Beratung von Unternehmerinnen und Unternehmern, Bildungsketten Jugendlichen und deren Eltern verbessern. In der Initia- http://bit.ly/BOP_Gefluechtete tive Bildungsketten sollen künftig weitere landesweite • Regionale Unterstützungsstrukturen Ansätze dieser Art unterstützt werden. für Unternehmen http://bit.ly/JS_EXAM
8 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL Den Übergangsbereich erfolgreich gestalten SCHWERPUNKTTHEMA der Evaluation untersuchten Regionen verfügt über ein ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG übergreifendes, schriftliches Konzept zum Übergangs- EVALUATION bereich. Etwa die Hälfte der Regionen sah dazu keine Notwendigkeit. Allerdings wurden Landesstrategien überwiegend positiv eingeschätzt, wenn regionale An- Der Übergang von der Schule in den Beruf muss passungen möglich waren. zum System werden – flexibel, anschlussfähig und praxisnah. Damit mehr Schulabgängerinnen und Dazu Dr. Ingo Böhringer, Leiter Referat Innovationen Schulabgänger den direkten Einstieg in eine Aus in der beruflichen Bildung, Bundesministerium für bildung schaffen, sollten Bund und Länder Strate- Bildung und Forschung: „Ein wichtiges Ergebnis der gien speziell für den Übergangsbereich entwickeln. Evaluation ist, dass die bisherigen systematischen An- Das zeigt eine Evaluation zu den Fördermaßnah- sätze im Übergangsbereich nicht ausreichen. Hier be- men in der Initiative Bildungsketten für das Bun- steht großes Potenzial für eine verstärkte Kooperation desministerium für Bildung und Forschung (BMBF). zwischen Bund, Ländern und der Bundesagentur für Für das Bildungsketten-Journal wird Baden-Würt- Arbeit. Der Bund wird die Länder in der Initiative Bil- temberg als Praxisbeispiel vorgestellt. Das Land dungsketten weiter darin unterstützen, Maßnahmen geht bei der Neugestaltung des Übergangsbereichs am Übergang von der Schule in den Beruf weiterzuent- mit gutem Beispiel voran. Junge Menschen mit wickeln.“ Förderbedarf werden dort individuell begleitet und verbringen vergleichsweise viel Zeit im Betriebs- Das Forscherteam analysierte den Einsatz und die praktikum. Das erzeugt die gewünschten Klebeef- Wechselwirkungen zentraler Förderinstrumente von fekte, die zu einem Ausbildungsplatz führen. Bund und Ländern am Übergang Schule – Beruf. 2017 befanden sich bundesweit 292.000 junge Menschen im Übergangsbereich. Sie haben die Möglichkeit, sich wei- Der Übergangsbereich zeichnet sich durch sehr unter- ter beruflich zu orientieren und auf eine Ausbildung schiedliche regionale Strukturen aus. Dabei sind die vorzubereiten. Eine weitere Option ist, den Schulab- meisten Länder konzeptionell weniger gut aufgestellt schluss nachzuholen oder die schulische Quali- als in der beruflichen Orientierung. Nur eine von 15 in fikation zu verbessern. Fallstudie zum Übergang Schule – Beruf in 15 Regionen Die Evaluation der Initiative „Abschluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss: Erfolgrei- che Übergänge in die betriebliche Ausbildung“ erstellten das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturfor- schung (ies) und das Zentrum für Evaluation und Politikberatung (ZEP). Für die qualitative Untersuchung führte das Forscherteam 15 regionale Fallstudien in Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nieder- sachsen und Thüringen durch. Ziel war es, alle relevanten Akteurinnen und Akteure einer Region zu den Struktu- ren am Übergang Schule – Beruf zu befragen. Dazu wurden Leitfadeninterviews geführt. Rund 270 Bildungsak- teurinnen und -akteure aus fünf Städten und zehn Landkreisen beteiligten sich an der Befragung, darunter die Kommune, die Arbeitsagentur, das Jobcenter, Kammern (IHK und HWK), Betriebe, Bildungsträger, allgemeinbil- dende sowie berufsbildende Schulen und Elternvertretungen. Die Studie lief von November 2016 bis Februar 2017. Den Auftrag gab die Servicestelle Bildungsketten im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) für das Bun- desministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
SCHWERPUNKTTHEMA: ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG 9 Praxisbeispiele und Lösungsansätze Wie sehen die regionalen Rahmenbedingungen aus? Welche Faktoren begünstigen einen direkten Übergang? Wo gibt es entsprechende Praxisbeispiele und Lösungs- ansätze? Diese Leitfragen beantworteten rund 270 Bil- Für eine verstärkte Koopera- dungsakteurinnen und -akteure ( siehe Kasten S. 8). tion von Bund und Ländern Das Meinungsbild der Befragten zum Übergangsbe- besteht insbesondere im reich bestätigt bereits bekannte Befunde in Bezug auf Übergangsbereich großes die Heterogenität regionaler Strukturen sowie eine gro- ße Bandbreite an Förderinstrumenten und die Intrans- Potenzial. parenz der Maßnahmen. Für die Mehrheit der befragten Dr. Ingo Böhringer, Referatsleiter Bildungsfachleute ist es wichtig, dass die individuellen im Bundesministerium für Bildung und Forschung Voraussetzungen der Jugendlichen entscheidend für eine Förderung sind. Der Zugang hängt jedoch oft von anderen Faktoren ab. Angebotsportfolio in der Region Diese Faktoren beeinflussen den Zugang zu Maßnahmen des Übergangsbereichs Der demografische Wandel führt dazu, dass die Angebo- te in den Regionen ausdünnen. Schulen wurden zusam- Schulpflicht mengelegt oder geschlossen. Bildungsträger mussten ihr Portfolio wegen sinkender Teilnehmerzahlen verrin- Die Auswahl der Maßnahmen wird stark bestimmt von gern und bieten weniger Berufsfelder an. Dadurch ver- der Schulpflicht der Teilnehmenden. In zwei untersuch- längern sich die Anfahrtswege für die Jugendlichen in ten Bundesländern mit einer längeren Schulpflicht ste- Flächenlandkreisen mit schwach ausgebautem öffent hen für noch schulpflichtige Jugendliche zunächst nur lichen Nahverkehr. Flächenlandkreise sind teilweise auf die Angebote der berufsbildenden Schulen zur Verfü- dezentrale Maßnahmen angewiesen, deshalb werden gung. manche Instrumente häufiger eingesetzt als andere.
10 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL Einsatz der Angebote Bildungsmonitoring Die Regionen setzen die Maßnahmen und Instrumente Etwa ein Drittel der befragten Regionen verfügt über quantitativ sehr unterschiedlich ein. Auch innerhalb ein etabliertes Bildungsmonitoring zur Maßnahmen- der einzelnen Länder unterscheidet sich die Verteilung. planung, das auch den Übergangsbereich einbezieht. In Instrumente wie der Berufswahlpass werden kaum für den anderen Regionen wird es entweder gerade aufge- Zugänge und Anschlüsse genutzt. Es fehlt eine fundierte baut oder existiert nicht. Datenbasis, auf deren Grundlage Entscheidungen für oder gegen bestimmte Instrumente getroffen werden. Strategien und Konzepte Transparenz der Angebote Eine Landes- bzw. regionale Strategie für den Übergang Schule – Beruf beeinflusst die Angebotsseite, die Infor- Es besteht kaum Transparenz über Angebotsstrukturen, mationspolitik und die Koordinationsprozesse. Die vor allem für Jugendliche und Eltern, aber auch für Länderstrategien und -konzepte sind im Vergleich zur Betriebe und Lehrkräfte. Die Meinungen reichen von beruflichen Orientierung für den Übergangsbereich „Dschungel“ über „Studium für sich“ bis hin zu einer kaum entwickelt. Die Regionen befürworten transpa- nicht nachvollziehbaren Gesamtstruktur. Gründe hier- rente und klare Rahmensetzungen des Landes beson- für sind die Vielzahl der Angebote, Angebotswechsel ders dann, wenn sie Raum zur Gestaltung lassen. In der und unverständliche Abkürzungen. In den meisten operativen Umsetzung vor Ort spielen die Landeskon- Regionen stehen keine systematischen Informationen zepte allerdings nicht überall eine Rolle. über die Übergangswege junger Menschen zur Verfü- gung. Hinzu kommt, dass keine Verknüpfung zwischen Abstimmung und Koordination schulischen Maßnahmen zur Berufsorientierung und Förderinstrumenten des Übergangsbereichs stattfindet. Netzwerk- und Kooperationsstrukturen existieren in sehr unterschiedlicher Ausprägung und Intensität, Positiv bewerteten die Bildungsakteurinnen und -akteure gehen häufig aber nicht über Informationsnetzwerke das Portfolio an Förderinstrumenten. Aus ihrer Sicht ist hinaus. Die Studie identifiziert sogar Regionen ohne für alle Zielgruppen zumindest theoretisch das passen- erkennbares Netzwerk. Nach Aussagen Befragter sind de Instrument dabei. Angebotslücken bestehen lediglich Ländervorgaben durchaus unterstützend und hand- bei psychisch kranken und schulmüden Jugendlichen. lungsleitend für den Aufbau lokaler Netzwerke ebenso Die Maßnahmen mit der höchsten Zustimmung sind wie Modellprojekte oder -programme (z. B. Lernen vor ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) und Einstiegsqua- Ort, Regionales Übergangsmanagement, Lernende Re- lifizierung (EQ), die als betriebs- und praxisnah gelten. gion). Teilweise schlafen gebildete Strukturen wieder Eher kritisch beurteilten die Befragten die Assistierte ein, sobald die Förderung wegfällt. Ausbildung (AsA), weil zum Beispiel die Vorteile für Be- triebe im Vergleich zu abH nicht bekannt sind. Einfluss der Initiative Bildungsketten Steuerung von Fördermaßnahmen des Die Länder profitieren nach eigener Aussage von der Zu- Übergangsbereichs sammenarbeit mit dem Bund und der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Initiative Bildungsketten. Der fachli- In den Regionen besteht eine große Heterogenität, che Austausch hat eine Reihe positiver Anstöße und Ent- wie Fördermaßnahmen am Übergang Schule – Beruf wicklungen gegeben. Die Umsetzung der Bund-Länder- gesteuert werden: BA-Vereinbarungen schreitet gut voran ( siehe auch S. 6). Nach Einschätzung der befragten Akteurinnen und Akteure hat die Kooperation zur Systematisierung und Verzahnung der beruflichen Orientierung geführt und erste Impulse für den Übergangsbereich durch Schärfung des Angebots und strukturiertere Vernetzung gegeben.
11 Regionen mit Strategien zum Übergang Schule – Der Übergangsbereich sollte „möglichst schlank und Beruf haben ähnliche Merkmale konzentriert auf das Notwendige“ ausgerichtet sein und an die Bedarfe der jungen Menschen anknüpfen. Was machen Regionen mit einer Strategie für den Eine individuelle Begleitung während der Ausbildung Übergangsbereich anders als Regionen ohne Hand- und im schulischen Übergangsbereich hat eine hohe lungskonzept? Ein zentraler Akteur kümmert sich um Bedeutung, um diese Ziele zu erreichen. das Thema Übergang Schule – Beruf und koordiniert die Vernetzung. Ein Bildungsmonitoring ist bereits in Das Land Baden-Württemberg berücksichtigt in sei- stalliert oder befindet sich im Aufbau. Es werden syste- nem Modellversuch zur Neugestaltung des Übergangs- matisch Informationen zu den Angeboten im Über- bereichs bereits viele der beschriebenen Aspekte. Die gangsbereich bereitgestellt. In Projekten zum Übergang 19-jährige Zeinab Breem aus Syrien fand über die Aus- Schule – Beruf wurden im Vorfeld verschiedene Ansätze bildungsvorbereitung dual (AVdual) einen Ausbildungs erprobt und entwickelt, zum Beispiel die kontinuier platz zur medizinischen Fachangestellten ( siehe auch liche individuelle Begleitung junger Menschen oder Praxisbeispiel S. 12). alternative Beschulungsformen für schulpflichtige Schul verweigerer. Die Akteurinnen und Akteure sitzen in einem funktionierenden Netzwerk, führen Fallbespre- chungen durch und lösen auch vermeintlich schwierige Mehr Infos Fälle. • Abschlussbericht der Studie „Abschluss Länder wünschen sich möglichst schlanken und Anschluss – Bildungsketten bis zum Übergangsbereich Ausbildungsabschluss: Erfolgreiche Über- gänge in die betriebliche Ausbildung“ Verbesserungsbedarf sehen die Befragten bei der Steue- https://bit.ly/2Psy9dO rung, Koordination und Maßnahmenplanung sowie beim Bildungsmonitoring. Die Länder wünschen sich • Datenbank Schulische Bildungsgänge einen „möglichst nahtlosen“ Übergang von der allge- der Länder im Übergangsbereich meinbildenden Schule in eine berufliche Ausbildung. https://bit.ly/2UnFzy3
12 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL
13 Sprungbrett ins Berufsleben – die Ausbildungsvorbereitung dual SCHWERPUNKTTHEMA ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG PRAXIS Zeinab Breem kam als Geflüchtete mit ihrer Fami lie im Juli 2015 aus Syrien nach Deutschland. In der Grafenbergschule in Schorndorf nahm sie am Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung dual – kurz AVdual – teil. Sie legte den Hauptschulabschluss ab, absolvierte Betriebspraktika und erhielt einen Ausbildungsplatz zur medizinischen Fachangestell ten. Ihr Beispiel zeigt: Das Land Baden-Württem berg sorgt mit seinem Modellversuch zur Neuge staltung des Übergangsbereichs für einen schnellen Zeinab Breem aus Syrien fand über die duale Ausbildungsvorberei- Übergang von der Schule ins Berufsleben und die tung eine Ausbildungsstelle in einer Arztpraxis. gezielte Unterstützung von Jugendlichen mit För- derbedarf. AVdual ist ein zentraler Bestandteil. Die junge Syrerin wusste ziemlich genau, was sie beruf- So lernte sie weiter Deutsch. Nachdem ihr erstes Prak- lich machen möchte. Eine Tätigkeit im medizinischen tikum ebenfalls gut verlaufen war, ging Zeinab auch Bereich sollte es sein. Als sich ihre Schwester den Ellen- für ihr zweites Blockpraktikum in die Chirurgische bogen brach und Zeinab sie in die Orthopädische Praxis. Sie war dort mittlerweile so beliebt, dass sie Chirurgie in Schorndorf brachte, ergriff sie die Chance: auch das in AVdual vorgesehene Tagespraktikum in der „Als ich da reinkam, dachte ich sofort – in so einer gro- Praxis anhängte, um im engen Kontakt mit dem Be- ßen, schönen Praxis würde ich gerne arbeiten“, erinnert trieb zu bleiben. Ende 2016 freute sie sich über einen sich die 19-Jährige. Da sie an der beruflichen Schule im guten Hauptschulabschluss mit einer glatten Zwei. Bildungsgang AVdual ohnehin einen Schwerpunkt auf den Gesundheitsbereich legte und im November 2016 So trat der für AVdual gewünschte Klebeeffekt bei Zei- ein Praktikum benötigte, fragte sie einfach an Ort und nab schließlich wirklich ein. Die Praxis bot ihr einen Stelle nach. Ausbildungsplatz an, obwohl die dortige Auszubilden- denstelle bereits vergeben war. „Wir haben für Zeinab „Als sich Zeinab damals nach dem Praktikum erkun- eine zusätzliche Stelle geschaffen, weil sie es sich ver- digte, konnte sie nur sehr gebrochen Deutsch“, erzählt dient hatte“, sagt ihr heutiger Chef Dr. Müller-Eißfeldt. der Leiter der Praxis, Dr. Matthias Müller-Eißfeldt. „Aber ich fand ihren Mut und ihr Engagement so be- Übergangsbereich vereinheitlichen merkenswert, dass ich trotzdem sofort einwilligte.“ Das Ausbildungsbündnis Baden-Württemberg beschloss Das Gute an der AVdual-Klasse in der Grafenbergschule 2013 ein Eckpunktepapier, das eine tiefgreifende Re- in Schorndorf war, dass Zeinab dort nicht nur sehr form des Übergangs von der Schule in den Beruf vor- ausbildungsnah beschult wurde, sondern zudem die sah. Über ein Jahr lang hatten die Bündnispartner – Möglichkeit hatte, nach ihrer VABO-Klasse – Vorquali- Land, Kammern, Arbeitgeber, Gewerkschaften, die fizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne kommunalen Landesverbände und die Regionaldirek- Deutschkenntnisse – weiter intensiv Deutschunterricht tion der Bundesagentur für Arbeit – gemeinsam das zu erhalten. Außerdem besprach Zeinab mit ihrem Konzept für den landesweiten Modellversuch entwickelt. damaligen Klassenlehrer und AVdual-Lernberater Nor- Das Ziel: Mehr Schulabgängerinnen und Schulabgän- bert Hübsch jeden ihrer weiteren Schritte. ger sollten den direkten Einstieg in Ausbildung und
14 Von der Schule in den Beruf: Schulleiter Stefan Weißert (r.) und AVdual-Fachgruppenleiter Norbert Hübsch sorgen an der Grafenbergschule in Schorndorf dafür, dass die Schülerinnen und Schüler in AVdual möglichst schnell in Ausbildung kommen. Ihre Schule ist von Anfang an bei dem landes- weiten Modellversuch dabei. Beruf schaffen und Jugendliche mit Förderbedarf soll- ges Angebot an beruflichen Schulen für das erste ten passgenau unterstützt werden. Dazu verständigten Jahr einer Berufsausbildung erhalten. Ziel ist dabei sich die Partner auf die fünf folgenden Bausteine, die in immer die schnellstmögliche Integration in eine Modellregionen erprobt werden: reguläre betriebliche Ausbildung. • Systematische berufliche Orientierung: Die allge- • Regionales Übergangsmanagement (RÜM): Die meinbildenden Schulen sorgen auf Basis von Kom- Stadt- und Landkreise der Modellregionen richten petenzanalysen dafür, dass die Schülerinnen und ein RÜM ein und setzen das Landesvorhaben um. Schüler ein Bewusstsein für die eigenen beruflichen Sie vernetzen die relevanten Akteurinnen und Neigungen und Fähigkeiten entwickeln. Durch die Akteure des Übergangsbereichs, wie Schulträger, Einführung der Leitperspektive Berufliche Orientie- allgemeinbildende und berufliche Schulen, Arbeits- rung, des neuen Schulfachs Wirtschaft/Berufs- und agentur, Jobcenter, Wirtschaft und Gewerkschaften, Studienorientierung und einer neuen Verwaltungs- zu einer engen Zusammenarbeit. Die Abstimmung vorschrift wird die berufliche Orientierung erheblich der Akteurinnen und Akteure vor Ort erfolgt in einer verstärkt. regionalen Steuerungsgruppe. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau fördert Stellen • Ausbildungsvorbereitung dual (AVdual): Der neue für Koordinatorinnen und Koordinatoren im RÜM. ganztagsschulische, einjährige Bildungsgang an beruflichen Schulen richtet sich an junge Men- • Rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit: Kom- schen mit Förderbedarf (mit oder ohne Haupt- munen, Jobcenter, Agenturen für Arbeit sowie Trä- schulabschluss), die nach der allgemeinbildenden ger der Jugendhilfe stimmen ihre Leistungen nach Schule Unterstützung auf dem Weg in eine Berufs- Sozialgesetzbuch II, III und VIII für Jugendliche ausbildung brauchen. Durch das Ministerium für aufeinander ab. In jeder Modellregion gewährleistet Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Würt- ein Arbeitsbündnis Jugend und Beruf das Zusam- temberg werden AVdual-Begleitungen gefördert, menspiel der Institutionen. die die Jugendlichen unterstützen. Im Schuljahr 2014/2015 starteten die ersten vier Modell • Berufsqualifizierung dual (BQdual): Diejenigen regionen mit der Erprobung, ganz vorne mit dabei der Jugendlichen, die bereits beruflich orientiert sind, Rems-Murr-Kreis, zu dem die Stadt Schorndorf mit der aber trotz mehrfacher Bewerbungen keine Ausbil- Grafenbergschule gehört, in der Zeinab ihren Abschluss dungsstelle gefunden haben, können ein ganztägi- machte. Seitdem hat das Ministerium für Wirtschaft,
SCHWERPUNKTTHEMA: ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG 15 Wir haben für Zeinab eine zusätzliche Stelle geschaffen, weil sie es sich verdient hatte. Dr. Matthias Müller-Eißfeldt, Orthopädie Chirurgie Schorndorf Durch Praktika lernte Zeinab Breem früh die betriebliche Realität kennen. Die junge Frau machte schnell Fortschritte. Mit AVdual festigte sich ihr Wunsch, eine Tätigkeit im medizinischen Bereich auszuüben. triebe suchen dringend nach Fachkräften. Der Modell- versuch soll zunehmend auch junge Menschen mit Förderbedarf in eine Berufsausbildung bringen. Der Bildungsgang Ausbildungsvorbereitung dual, den Zeinab Breem erfolgreich durchlaufen hat, spielt dabei eine wichtige Rolle. Neue Form der Pädagogik eingeführt Für Schulleiter Stefan Weißert von der Grafenberg- schule in Schorndorf bedeutete die modellhafte Ein- führung von AVdual, dass seine Lehrerinnen und Lehrer seit dem Schuljahr 2014/2015 differenziert auf drei Bil- dungsniveaus unterrichten. Denn die bisherigen Bil- dungsgänge Berufsvorbereitungsjahr (BVJ bzw. VAB), das Berufseinstiegsjahr (BEJ) und das erste Jahr der zweijährigen Berufsfachschule (2BFS) werden nun in AVdual zusammengefasst. Die niveaudifferenzierten Lernangebote ermöglichen auch während des Schul- Arbeit und Wohnungsbau als Mittelgeber das Projekt jahres eine bedarfsgerechte Korrektur des Bildungszie- kontinuierlich ausgeweitet. Seit dem Schuljahr 2018/ les. Niveau A entspricht einem Hauptschulabschluss, 2019 beteiligen sich 20 Regionen; damit sitzt fast die Niveau B einem besseren Hauptschulabschluss und auf Hälfte der 44 Land- bzw. Stadtkreise bereits im Boot, Niveau C wird der mittlere Bildungsabschluss angestrebt. weitere sollen folgen. Dieser Bildungsauftrag, das so genannte niveaudiffe- renzierte und individualisierte Lernen, ist für Weißert Der Handlungsbedarf ist groß. In Baden-Württemberg ein wichtiger Ansatz von AVdual, um heterogene Ziel- münden viele Jugendliche in den Übergangsbereich gruppen im Übergangsbereich adäquat zu begleiten. ein. Im Jahr 2016 begannen rund 54.000 Schulabsolven- tinnen und Schulabsolventen nach der allgemeinbil- „Die Umstellung auf den Modellversuch erfordert eine denden Schule eine Maßnahme im Übergangsbereich, prozessual angelegte Fortbildung der Schulleitung und darunter auch zahlreiche junge Geflüchtete. Viele Be- der Lehrkräfte“, so Tanja Rieger. Sie koordiniert die
16 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL Engmaschige Förderung: Lernberater wie Norbert Hübsch unterstützen die Schülerinnen und Schüler am Übergang Schule – Beruf. Eine rasche Vermittlung in Ausbildung ist das Ziel. Zeinab Breem schildert ihre Eindrücke aus den Betriebspraktika. Konzeption des Bildungsgangs AVdual und das dazuge- ander so nahegekommen sein, dass die Jugendlichen hörige umfangreiche Unterstützungssystem im Minis- sich für einen Ausbildungsvertrag empfohlen haben – terium für Kultus, Jugend und Sport. Die Schulteams wie im Fall von Zeinab Breem. werden in drei bis fünf Tagen auf die Pädagogik der AV- dual vorbereitet: individualisiertes Lernen, um eine Die Aufnahme in AVdual läuft in der Grafenbergschule Durchlässigkeit in den Bildungszielen zu ermöglichen, folgendermaßen ab: „Im Februar kommen die Schüler sowie enge Lernberatung mit regelmäßigen Lern- und mit ihren Eltern zur Anmeldung zu uns“, erklärt AVdual- Zielvereinbarungen. Das Kultusministerium finanziert Fachgruppenleiter Norbert Hübsch. In dem etwa in der Einführungsphase über drei Jahre die Fortbildung. 20-minütigen Aufnahmegespräch wird das Zeugnis des Jugendlichen besprochen, die berufliche Vorstellung Die Grafenbergschule hat 2.770 Schülerinnen und abgeklärt und der Unterstützungsbedarf ermittelt, den Schüler, davon 2.100 in der dualen Ausbildung und ein junger Mensch hat, um den benötigten Praktikums rund 100 in AVdual. Mittlerweile schaffen es 70 Prozent platz zu organisieren. der Schülerinnen und Schüler an der Grafenbergschule in AVdual, mindestens ihren Hauptschulabschluss zu „Dabei mache ich sehr deutlich, dass es sich hier um machen. Darüber ist Weißert besonders glücklich, zu- kein Schnupperpraktikum mehr handelt, sondern um mal auch der Anteil zugewanderter Schülerinnen und ein Bewerberpraktikum“, sagt Hübsch, der den Jugend- Schüler an seiner Schule gestiegen ist. „Wir haben eine lichen den Ernst ihrer Entscheidung veranschaulichen große Bandbreite an Schülern. Da sind junge Menschen, möchte. „Es muss an diesem Punkt klar sein, wohin die die haben eine Schule noch nie von innen gesehen, bis Reise gehen soll und welchen Beruf der Schüler oder zu denjenigen, die bereits ein Studium in Syrien ange- die Schülerin anstrebt. Daraus ergibt sich natürlich fangen hatten. Das ist eine der großen Herausforderun- auch, welcher Praktikumsbetrieb am besten zu den gen, denen allen gerecht zu werden“, erklärt Weißert. Vorstellungen passt.“ Jugendliche früh mit betrieblicher Realität in AVdual-Begleiterinnen und -Begleiter Kontakt bringen unterstützen die Jugendlichen Zentraler Ansatz von AVdual ist, die Jugendlichen mög- Weiteres Element von AVdual ist eine engmaschige För- lichst rasch in Ausbildung zu vermitteln. Zu Beginn des derung: Damit das Betriebspraktikum seine Vorteile aus- Schuljahres werden in einer Orientierungsphase alle spielen kann, werden die Schülerinnen und Schüler Optionen für die Jugendlichen geprüft, auch eine direkte durch AVdual-Begleiterinnen und -Begleiter betreut. An Nachvermittlung in Ausbildung kann so gelingen. Durch der Grafenbergschule kümmern sich Patrick Dahm und umfangreiche Praxisphasen in Betrieben während des Monja Kircher um die 100 AVdual-Schülerinnen und Schuljahres sollen die jungen Menschen von Anfang an -Schüler. Die AVdual-Begleiterinnen und -Begleiter ar- die betriebliche Realität kennenlernen. AVdual kombi- beiten in der Regel – wie auch an der Grafenbergschule – niert den Unterricht der beruflichen Schule mit einem in einem interdisziplinären Team (AVdual-Team). Sie bis zu zehnwöchigen Betriebspraktikum. Am Ende der stimmen sich eng mit den Lehrkräften ab, ebenso mit Zeit sollen Schülerinnen und Schüler und Betriebe ein- den Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern und den
SCHWERPUNKTTHEMA: ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG 17 Fachkräften der Berufsberatung und den Akteurinnen von Beginn an. Für das Ausbildungsbündnis Baden- und Akteuren im Regionalen Übergangsmanagement. Württemberg war es sehr wichtig, dass die Stadt- und Angestellt sind die AVdual-Begleiterinnen und -Beglei- Landkreise eine regionale Verantwortungsgemein- ter bei den Stadt- und Landkreisen. Finanziell gefördert schaft bilden und alle Beteiligten an einen Tisch holen. wird die AVdual-Begleitung aus Mitteln des Ministeriums Dazu gibt es in jeder Modellregion eine regionale Steu- für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau; eine Kofinan- erungsgruppe, in der die zuständigen Abteilungen der zierung des regionalen Anteils aus Mitteln des Euro Land- bzw. Stadtkreisverwaltung, die beteiligten Schu- päischen Sozialfonds (ESF) ist möglich. Der Betreuungs- len, die staatliche Schulverwaltung sowie Kammern, schlüssel liegt bei etwa zwei Klassen pro AVdual-Beglei- Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Bundesagentur terin und -Begleiter. für Arbeit Mitglieder sind. Die Mitarbeitenden des regi- onalen Übergangsmanagements unterstützen den Aus- AVdual-Begleiterinnen und -Begleiter unterstützen die tausch zwischen den Akteuren, fördern die Vernetzung Jugendlichen mit Förderbedarf dabei, Betriebspraktika und koordinieren die Arbeitsschritte zur Umsetzung zu akquirieren, diese vorzubereiten, durchzuführen des Gesamtkonzeptes. und die vielfältigen Eindrücke systematisch zu reflek- tieren. Anschließend helfen sie, die Schülerinnen und Schüler in eine Ausbildung zu vermitteln. „Im laufen- den Schuljahr sind die Lehrkraft und die AVdual- Ich habe den Eindruck, Begleitung permanent nahe am Schüler dran“, so Schulleiter Weißert. dass man auf vieles zurück- greifen kann, weil die Türen Regionales Übergangsmanagement sorgt für klare Absprachen offen sind. Dorothé Herz, Projektleiterin Regionales Übergangs- Für den Rems-Murr-Kreis hält Dorothé Herz die Fäden management, Rems-Murr-Kreis zusammen. Sie ist im Landratsamt als Projektleiterin des RÜM beschäftigt und begleitet den Modellversuch Die Stadt- und Landkreise haben im Modellversuch zur Neugestal- tung des Übergangsbereichs eine wichtige Funktion. Sie sorgen vor Ort dafür, dass alle Beteiligten den Überblick behalten.
18 B i l d u n g s ke t t e n JOURNAL „Zur besseren Akquise von Praktikumsstellen haben Für Küpper ist es daher wichtig, dass die Schulen das wir eine Kooperation mit der IHK gegründet. Das be- Thema nachhaltig in den Berufsorientierungsprozess deutet, dass wir den rund 400 Schülerinnen und Schü- verankern. Und er findet es ratsam, dass die Berufsori- lern der am Modellversuch in unserem Landkreis be- entierungs- und Übergangspraxis in den Schulen einem teiligten beruflichen Schulen heute eine Datenbank qualitätsgesicherten Prozess unterzogen wird. „Schulen von über 800 Praktikumsplätzen anbieten können“, müssen sich klar zum Ziel bekennen, dass sie sich für erläutert Herz. den Übergang in Ausbildung und Beruf verantwortlich fühlen – als Teil ihres umfassenden Bildungsauftrags“, Neben der Bereitstellung von Praktika unterstützt das meint der Arbeitgeber-Geschäftsführer. „Wir versuchen RÜM bei der Nachvermittlung in Ausbildung zu Beginn in unseren Netzwerken SCHULEWIRTSCHAFT daher des Schuljahres und während der Orientierungsphase im auch, gemeinsam mit den Schulen an den Themen Bildungsgang AVdual. Es hilft mit, das Übergabeverfah- Schulentwicklung und Qualitätsentwicklung zu arbei- ren von der allgemeinbildenden Schule an die berufliche ten.“ Unterm Strich lobt Küpper das gut funktionieren- Schule weiterzuentwickeln. Es treibt den systematischen de Ausbildungsbündnis in Baden-Württemberg, in dem Ausbau von Maßnahmen der beruflichen Orientierung sich alle Partner gemeinsam darauf verständigen, was voran, wobei auch die Eltern einbezogen werden. Oft gilt jeder in seinem Verantwortungsbereich dafür tun kann, es auch, Unterstützungsangebote für Jugendliche in der um die Anliegen voranzubringen. Die Aufgabe des Region zu koordinieren, so Herz. Hierbei sollen transpa- Arbeitgeberverbandes Südwestmetall sieht Küpper bei- rente Strukturen und klare Absprachen erreicht werden. spielsweise darin, dank seiner regionalen Struktur den direkten Austausch mit den Personalverantwortlichen Für all diese Aufgaben hält das RÜM engen Kontakt zu der Betriebe zu pflegen. den beteiligten Institutionen und entwickelt bestehen- de Netzwerke weiter. Im Rems-Murr-Kreis kann Herz Erste Bilanz: AVdual zeigt Erfolge auf bereits eingespielte Strukturen zurückgreifen. So gab es zuvor schon das Vorgängerprogramm „Lernen Was hat sich konkret durch den reformierten Über- vor Ort“ (2009–2014) des Bundesministeriums für Bil- gangsbereich verbessert? Die Übergangsquote in Aus- dung und Forschung (BMBF), das den Aufbau eines bildung beträgt in AVdual als einjährigem Bildungs- kommunalen Bildungsmanagements zum Ziel hatte. gang rund 38 Prozent. Gegenüber den bisherigen berufsvorbereitenden Bildungsgängen eine deutliche „Ich habe den Eindruck, dass man auf vieles zurück- Verbesserung. Dies geht aus den begleitenden Monito- greifen kann, weil die Türen offen sind. Man kann ein- ringmaßnahmen im Modellversuch hervor. Durch das fach bei der Agentur anrufen, beim Jobcenter, beim Betriebspraktikum tritt zudem der gewünschte Klebe- staatlichen Schulamt. Wir sind alle eng miteinander effekt, die Vermittlung in Ausbildung, ein. 73 Prozent verzahnt“, so Herz. der Teilnehmenden, die einen Ausbildungsvertrag ab- schließen, kennen den Betrieb bereits aus ihrem AVdual- Arbeitgeberverband: Qualitätssicherung bei Praktikum. „Das ist ein wesentlicher Erfolg, der durch Übergangspraxis nötig die gezielten und gut vorbereiteten Praxisphasen er- reicht werden konnte“, sagt Rose Köpf-Schuler, Referats- Stefan Küpper, Geschäftsführer der Arbeitgeber Baden- leiterin Berufliche Ausbildung im Ministerium für Württemberg und des Arbeitgeberverbandes Südwest- Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württem- metall, stellt signifikante Unterschiede fest, wenn es berg. um den direkten Übergang von der Schule in den Beruf geht. Es gebe Schulen, die sehr viele Kontakte zu den Zudem werde von allen Seiten der Einsatz der AVdual- Betrieben pflegten, während andere Schulen das weni- Begleitungen gelobt: Die laufenden Kontakte zu den ger tun. „Aus unserer Wahrnehmung hat das sehr stark Betrieben, die direkte Verzahnung mit dem Team der damit zu tun, wie fokussiert eine Schule ihre Netzwerke Lehrkräfte an den Schulen und die enge Begleitung der mit außerschulischen Partnern pflegt.“ Jugendlichen seien wichtige Pluspunkte.
SCHWERPUNKTTHEMA: ÜBERGÄNGE IN AUSBILDUNG 19 Initiative Ausbildungsbotschafter und Bildungspartnerschaften Baden-Württemberg beschreitet neben der modellhaften Erprobung der Neugestaltung des Übergangsbereichs neue Wege, um Jugendlichen in puncto Berufsorientierung und beim Übergang entgegenzukommen. Zum Bei- spiel mithilfe von so genannten Ausbildungsbotschafterinnen und -botschaftern: Das sind Auszubildende, die fast gleichaltrigen Schülerinnen und Schülern aus ihrem Ausbildungsalltag berichten. Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) und der Handwerkstag (BWHT) unterstützen die Initiative. „Junge Auszubildende sind als Multiplikatoren besonders gut dafür geeignet, weil sie die verschiedenen Berufsbilder viel authentischer vermitteln können als die Beraterinnen und Berater bei den Kammern oder der Arbeitsagentur“, so Andrea Bosch, Geschäftsführerin Beruf und Qualifikation bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Die vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg finanzierte Initiative mit mehr als 4.300 Ausbildungsbotschaftern wird von einer Leitstelle koordiniert und von 25 Koordinatorinnen und Koordinatoren in den Kammern umgesetzt. Diese akquirieren nicht nur die Botschafterinnen und Botschafter, sondern sorgen auch dafür, dass diese mit einer Schulung auf ihre Einsätze vorbereitet werden. Die Initiative wur- de durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Wettbewerb „Innovatives Netzwerk 2018“ als eines der fünf besten regionalen Fachkräftenetzwerke Deutschlands ausgezeichnet. BWIHK und BWHT verfolgen mit den Bildungspartnerschaften einen weiteren Weg: Eine Schule hat dabei einen Partnerbetrieb, der regelmäßig an der Schule Veranstaltungen oder Projekte anbietet oder in das Unternehmen einlädt. Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern Einblicke in Arbeitswelt und Unternehmensalltag zu geben sowie die Vielfalt der Ausbildungsberufe und Alternativen zum Hochschulstudium aufzuzeigen. Aufgabe von BWIHK und BWHT ist, die Betriebe für Bildungspartnerschaften zu gewinnen und damit den Grundstein für eine enge, jahrelange Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft zu legen. „So können wir durch die Bildungspart- nerschaften und die Ausbildungsbotschafter schon in den Schulen wichtige Einblicke in die Berufswelt bieten“, erklärt Bosch. Die erste Vereinbarung des Landes Baden-Württemberg mit Kammern und Verbänden der Wirtschaft zur Einrich- tung von Bildungspartnerschaften wurde 2008 unterzeichnet und 2012 erneuert. Inzwischen haben rund 1.600 allgemeinbildende weiterführende Schulen eine Bildungspartnerschaft mit einem Unternehmen in ihrer Region abgeschlossen. Viele Schulen haben mehrere – einzelne bis zu 20 – Unternehmenspartner, mit denen sie auf fester vertraglicher Basis zusammenarbeiten. Insgesamt sind etwa 3.800 Unternehmen direkt an Kooperationen beteiligt. Claudia Prusik, Bereichsleiterin Berufseinstieg der Re- mit Hauptschulabschluss und mittlerem Bildungsab- gionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagen- schluss nach der Schule einschlagen. „Wir verfolgen tur für Arbeit, erkennt aber auch einen Zielkonflikt, der unsere Ziele konsequent weiter – neben der gezielten bei der Beschulung von Jugendlichen mit unterschied- Unterstützung förderbedürftiger Jugendlicher muss lichen (Bildungs-)Zielen entsteht. Und zwar dort, wo auch der direkte Übergang von der allgemeinbildenden der zweijährige Berufsfachschulzweig, der den Jugend- Schule in Ausbildung weiter gestärkt werden“, so Rose lichen den Weg zum mittleren Bildungsabschluss er- Köpf-Schuler. Die Daten der Verbleibserhebung böten möglicht, in AVdual einbezogen wird: „Einerseits gibt es die Chance, in den Modellregionen Entwicklungspro- Schüler, die einen höheren Schulabschluss anstreben, zesse anzustoßen, damit mehr Jugendliche als bisher und gleichzeitig Schüler, die möglichst direkt in Ausbil- den direkten Weg in eine Berufsausbildung finden. dung übergehen sollen.“ Dies gehe einher mit einem sehr niedrigen Praktikumsanteil bis hin zum wirklich Die Wirtschaft als Partner des Ausbildungsbündnisses dualen Ansatz – der eigentlich gedachten Form von AV- Baden-Württemberg begrüßt den Modellversuch. „Das dual. Wie erfolgreich dieser Ansatz sei, müsse für eine Handwerk sucht händeringend nach Auszubildenden. weitergehende Bewertung genau betrachtet werden. Wir sehen es positiv, wenn das Ziel verfolgt wird, den direkten Übergang in duale Ausbildung zu erreichen“, Zum Schuljahr 2016/17 führte das Land Baden-Würt- sagt Olaf Kierstein-Hartmann, Abteilungsleiter Bildungs- temberg eine Verbleibserhebung an allgemeinbilden- und Arbeitsmarktpolitik beim Baden-Württembergi- den Schulen der Modellregionen ein. Somit liegen für schen Handwerkstag (BWHT). „Daneben kommt der diese Regionen erstmals valide Daten darüber vor, wel- Verbesserung des Übergangsbereiches aus unserer chen beruflichen Weg die Schülerinnen und Schüler Sicht eine große Bedeutung zu. Positive Änderungen
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