Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs - Österreich - ILO
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Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 1010 Wien Satz: Peter Sachartschenko Coverfoto: © Maksim Šmeljov - Fotolia.com Druck: Digitales Druckzentrum BMUKK © Wien, 2012 Bezugsadresse: christine.gschirtz@bmukk.gv.at
Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Internationale Perspektiven auf (Aus-)Bildungsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Bildungsarmut, Ausgrenzungsgefährdung und Schulabbruch als zentrale Herausforderungen im Bildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4 Statistische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 5 Strategischer Rahmen zur Vermeidung von Schul- und Ausbildungsabbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6 Schulische Qualitätssicherung im Kontext von Schulabbruchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 7 Maßnahmen zur Verhinderung von Schulpflichtverletzung und zur Vermeidung von Schulabsentismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8 Chancengerechte und kompensatorische Bildung – ein Ausblick . . . . . . . . 55 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Hilfreiche Links zu Dokumenten der EU und anderen internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3
1 Einleitung 1 Der Prävention des frühzeitigen Schulabbruchs wird in den letzten Jahren zuneh- mend mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Schul- und Ausbildungsabbrüche sind vor allem dank der internationalen Bemühungen seitens der Europäischen Kommission, aber auch der OECD, ein bildungspolitisch relevantes Thema im österreichischen Bildungsdiskurs geworden. So wurden in den letzten Jahren auf nationaler Ebene die Anstrengungen verstärkt, Schul- und Ausbildungsabbrüche1 breiter als bisher zu thematisieren und geeignete Wege und Maßnahmen zu finden, diese zu verringern. Dazu gehören eine gezielte Förderung durch individualisiertes Lehren und Lernen, eine verbesserte Bildungsberatung und Berufsinformation sowie effizientere psycho- soziale Unterstützungssysteme, aber auch Bemühungen um Veränderung der Einstel- lungen von Lehrer/innen zu ausgrenzungsgefährdeten Jugendlichen. Das konkrete Empowerment der Jugendlichen in Bezug auf Selbstwertgefühl, Bildungsaspiration, Lern- und Leistungsmotivation steht dabei im Zentrum der Bemühungen. Neben den Arbeiten der EU zur Sensibilisierung der österreichischen Akteure ist der im Rahmen von thematischen Länderprüfungen verfasste Hintergrundbericht der OECD zu Schulabbruch ein wichtiger Meilenstein im nationalen Diskurs. Mit der OECD Publikation Equity und Quality in Education: Supporting Disadvantaged Stu- dents and Schools wird Schulabbruch („School Failure“) in den Kontext von Fragen der Chancengerechtigkeit und der Qualitätssicherung schulischen Lernens und Leh- rens gestellt.2 „Overcoming School Failure“ heißt für Österreich vor allem, sich mit Fragen der Bildungsbenachteiligung sowie des Zusammenhangs zwischen sozioöko- nomischen Hintergründen und Schulleistungen bzw. erreichten Schulabschlüssen auseinanderzusetzen. Die OECD hat dazu ein Zehn-Schritte-Programm vorgelegt, um in den Mitgliedsländern der OECD eine faire, inklusive und chancengerechte Bil- dung für alle zu ermöglichen.3 Der von der EU-Kommission vorgeschlagene strategische Rahmen mit den drei Säu- len Prävention, Intervention und Kompensation gab den ausschlaggebenden Impuls, die bis dato in Österreich entwickelten und umgesetzten ESL-Maßnahmen genauer auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit hin zu analysieren. Ein zentrales Ergebnis der entsprechenden Diskussionen ist es daher, noch mehr als bisher in präventive Maßnahmen zu investieren, um die Kosten im kompensatorischen Bereich zu senken. Österreich hat auch mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds zahlreiche erfolgrei- che Projekte zur Verhinderung von ESL umgesetzt. Die Erfahrung bei der Umset- © auremar - Fotolia.com 1 Schul- und Ausbildungsabbrüche werden nachfolgend mit ESL (Early School Leaving) abgekürzt. 2 Vgl. dazu die Zusammenfassung auf www.oecd.org/edu/preschoolandschool/49478474.pdf, Septem- ber 2012 3 Siehe dazu: www.oecd.org/edu/preschoolandschool/nomorefailurestenstepstoequityineducation. htm 5
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs zung von zeitlich begrenzten Pilotprojekten zeigt, dass es flächendeckende Angebote braucht, von denen alle betroffenen Jugendlichen profitieren. Daraus entstand der Wunsch, eine österreichweite Unterstützungsstruktur zu entwickeln, die mit dem „Jugendcoaching“ – einer Maßnahme des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Un- terricht, Kunst und Kultur – ab 2013 flächendeckend in Österreich umgesetzt wird. Mit dem Jugendcoaching als zentralem Bestandteil der österreichischen Strategie ge- gen Schulabbruch und Ausgrenzungsgefährdung wird vor allem auf Prävention sowie auf frühzeitige Intervention gesetzt und die Zusammenarbeit zwischen Schulen, in- ner- und außerschulischen Beratungssystemen intensiviert. Ausgrenzungsgefährdung und Bildungsbenachteiligung stellen, wie die Forschung zeigt, längerfristige und komplexe Prozesse in der individuellen Bildungslaufbahn dar, die mit einem (Aus-)Bildungsabbruch einen folgenreichen Einschnitt erfahren. Die mit dem Bildungsabbruch verbundenen Konsequenzen sind jungen Menschen häufig nicht bewusst. Umso mehr bedarf es neben der Sensibilisierung der handeln- den Akteure einer gezielten Aufklärung der Jugendlichen über Folgen von Schul- und Ausbildungsabbrüchen. Damit Bildungsbiografien gelingen und entsprechende Bildungsabschlüsse erreicht werden, braucht es die Zusammenarbeit und Unterstützung vieler Institutionen so- wie Menschen aus unterschiedlichen Professionen. Vor allem Lehrer/innen und Aus- bildner/innen sollen noch stärker als bisher dafür sensibilisiert werden, Verantwor- tung für erfolgreiche Bildungslaufbahnen zu übernehmen, um Abbrüche soweit wie möglich zu verhindern. In der nationalen Strategie zum lebensbegleitenden Lernen aus dem Jahr 2011, die zwi- schen den vier thematisch verantwortlichen Ministerien (Unterrichts-, Sozial-, Wirt- schafts- und Wissenschaftsministerium) gemeinsam ausgearbeitet wurde, setzt sich die Republik Österreich das Ziel, Schulabbrüche laut EU 2020 Kernziel deutlich bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Dieses Ziel wird in der ESL-Strategie mit dem Schwerpunkt auf Prävention und auf zielgruppenspezifische Interventionen weiterverfolgt. Passend zu den Bemühungen um Senkung der Schulabbrecherquote wird im Rah- men der wirkungsorientierten Steuerung im BMUKK die Erhöhung des Bildungs- niveaus unter Berücksichtigung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit ange- strebt. Dieses Ziel wird mit den Indikatoren Abschlussquote in der Sekundarstufe II, Anteil der Jugendlichen, die sich im Schuljahr nach Erfüllung der Schulpflicht in einer weiteren Ausbildung befinden, und der Quote der Aufstiegsberechtigten gemessen. In Bezug auf die Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit werden die Indikatoren An- zahl der Personen, die einen Pflichtschulabschluss nachgeholt haben, und Anteil der Schüler/innen in geschlechtsuntypischen Schulformen (10. Schulstufe) überprüft. Die wirkungsorientierte Steuerung verknüpft die Formulierung von Wirkungszielen mit konkreten Maßnahmen und entsprechenden Budgetzuteilungen, um im Sinne einer wirkungsorientierten Haushaltsführung die Effizienz von Maßnahmen im Bildungs- bereich zu erhöhen. Die vorliegende Strategie wurde unter der Federführung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur und unter Mitwirkung des Bundesministeriums für 6
1 Einleitung Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie der Sozialpartner erarbeitet. Als nationale Strategie soll sie dazu beitragen, die Vernetzung und Kooperation relevanter Institutionen und Stakeholder zu fördern, Lehrende und Schulleiter/innen in der Weiterentwicklung von Schule und Unterricht zu unterstützen sowie die entsprechende Unterstützung durch andere Professionen voranzutreiben. Die Strategie soll die bereits vorhande- 1 nen Maßnahmen, Initiativen und Erfahrungen bündeln und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass eine stärker akkordierte Vorgehensweise notwendig ist, um Angebote für alle betroffenen Schüler/innen zu setzen. Es wird daher versucht, die aktuellen Maßnahmen und Aktivitäten im Bereich ESL zu bündeln und die drei strategischen Säulen der Prävention, Intervention und Kompensation unter ein gemeinsames Dach zu stellen. Dieses Dach soll strukturelle, also systemverändernde, als auch stand- ortspezifische Maßnahmen mit personenzentrierten Beratungsansätzen zu einem Ganzen verbinden, sodass sichtbare Effekte in der Vermeidung von Bildungsbenach- teiligung und Schulabbruch eintreten. 7
2 Internationale Perspektiven auf (Aus-)Bildungsabbruch Die europäische Zusammenarbeit im Bildungsbereich unterstützt die Mitgliedstaa- ten bei der Umsetzung von nationalen bildungspolitischen Maßnahmen. Die EU-Bil- dungszusammenarbeit ist von den Prinzipien der Freiwilligkeit und des Austauschs geprägt. Der Mehrwehrt in der europäischen Bildungszusammenarbeit liegt im Aus- tausch von Erfahrungen bei der Umsetzung bildungspolitischer Vorhaben. Europäische Zusammenarbeit im Bildungsbereich bis 2020 – Education and Training 2020 Die bildungspolitischen Prioritäten bis 2020 wurden von den europäischen Bildungs- minister/innen im Mai 2009 beschlossen. Der strategische Rahmen für die Zusam- menarbeit im Bildungsbereich bis 2020 (ET 2020) legt vier Ziele und sieben europä- ische Benchmarks zur Überprüfung der Fortschritte fest. Eines der Ziele ist es, dass möglichst viele Lernende in der Europäischen Union ihre allgemeine und berufliche Ausbildung abschließen: Bis 2020 sollte der Anteil frühzeitiger Schul- und Ausbil- dungsabgänger weniger als 10 % betragen. Dieses Ziel wurde 2010 von den Staats- und Regierungschefs in die Europa 2020-Strategie aufgenommen. Europa 2020-Strategie für Wachstum und Beschäftigung Die Europa 2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum soll es Europa ermöglichen, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Dafür wurden fünf Kernziele in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Forschung & Entwicklung, Armutsverminderung und Klima festgelegt. Mit dem Kernziel Bildung soll das Bil- dungsniveau verbessert werden, wobei insbesondere angestrebt wird, die Schulab- brecherquote auf unter 10 % zu senken und den Anteil der 30- bis 34-Jährigen, die ein Hochschulstudium abgeschlossen haben oder über einen gleichwertigen Abschluss verfügen, auf mindestens 40 % zu erhöhen. Im Mai 2011 nahm der Rat die Empfehlung für politische Strategien zur Senkung der Schulabbrecherquote an. Darin wurde identifiziert, dass die Ursachen für frühzeiti- ges Schulabbrechen auf individueller, bildungspolitischer und sozioökonomischer Ebene liegen und diese auf allen Ebenen gemeinsam von relevanten Stakeholder und Politikbereichen bekämpft werden müssen. Kinder aus sozioökonomisch benachtei- ligten Familien oder aus solchen mit geringem Bildungshintergrund sind besonders häufig von Schul- und Ausbildungsabbruch betroffen. Umfassende Maßnahmen zur © Peter Atkins - Fotolia.com Reduktion des frühzeitigen Schulabbruchs sollten dabei auf die drei Bereiche Präven- tion, Intervention und Kompensation abzielen. Die Mitgliedstaaten wurden daher aufgefordert, die Hauptfaktoren, die zu frühzeitigem Schul- und Ausbildungsabbruch führen, zu identifizieren, bis 2012 umfassende nationale Strategien auszuarbeiten und sicherzustellen, dass die Strategien besonders auf Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien abzielen. 8
Wesentlicher Aspekt der Fokussierung auf die fünf Kernziele der Europa 2020-Strate- gie besteht in der verstärkten politischen Verbindlichkeit dieser Strategie. Im Rahmen des Europäischen Semesters gibt die Kommission jährlich Empfehlungen an die Mit- gliedstaaten. Österreich wurde 2011 und 2012 empfohlen, Maßnahmen zu ergreifen und weiterzuentwickeln, um das Kernziel Bildung zu erreichen und die Chancenge- rechtigkeit im Bildungssystem zu erhöhen und dadurch eine Steigerung der Bildungs- ergebnisse zu erreichen. Die Kommission überprüft regelmäßig die Fortschritte der 2 Mitgliedstaaten. Außerdem tragen die Maßnahmen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung dazu bei, dass die Ziele in anderen Bereichen wie die Erhöhung der Beschäftigungsquoten, die Förderung von Forschung und Entwicklung und die Verringerung der Armut erreicht werden. Offene Methode der Koordinierung – thematische Arbeitsgruppen Die Mitgliedstaaten arbeiten gemeinsam mit der Europäischen Kommission auf frei- williger Basis im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung zusammen, um die Umsetzung der bildungspolitischen Ziele durch gegenseitigen Austausch von Best Practice- und Peer Learning-Erfahrungen sowie von Best Practice-Beispielen zu unterstützen. In thematischen Arbeitsgruppen setzen sich Expertinnen und Exper- ten mit Fragestellungen zur allgemeinen und beruflichen Bildung, Hochschul- und Erwachsenenbildung sowie mit Fragen der Bildungsfinanzierung auseinander. Seit 2011 arbeitet eine thematische Arbeitsgruppe zum Thema ESL. Ziel der Arbeitsgrup- pe ist es, Expertise und gute Praxis im Bereich ESL auszutauschen und von anderen EU-Mitgliedstaaten in strukturierter Weise zu lernen. Europäischer Sozialfonds (ESF) und EU-Programm für Lebenslanges Lernen (LLP) Die Bekämpfung des Schulabbruches bildet in der aktuellen ESF-Programmpla- nungsperiode 2007-2013 einen wichtigen Schwerpunkt im Bereich der Schulprojek- te. Die „Bekämpfung von Benachteiligungen“ steht inhaltlich im Fokus der Vorhaben im ESF im BMUKK. Nähere Beschreibungen der laufenden ESF-Projekte finden sich im fünften Kapitel. Das EU-Programm für Lebenslanges Lernen leistet durch die Unterstützung von Projekten, Netzwerken und Fortbildungsmaßnahmen einen Beitrag zur Prävention von frühzeitigem Schulabbruch. Das zukünftige EU-Programm für Bildung, Jugend und Sport 2014–2020 spiegelt die Schwerpunkte der Europa 2020-Strategie wider. Im Rahmen der Unterstützung von politischen Reformmaßnahmen wird sich das zukünftige Programm auf die wichtigsten politischen Themen konzentrieren – dazu zählt die Reduktion von Schul- und Ausbildungsabbrüchen. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Die OECD leistet mit ihren umfassenden Daten- und Informationssammlungen so- wie deren Verbreitung einen wesentlichen Beitrag zu bildungspolitischen Debatten. Der ökonomische Nutzen von Bildung für den Einzelnen und die Gesellschaft so- wie Chancengleichheit im Bildungssystem stehen im Mittelpunkt der bildungspoliti- 9
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs schen Arbeit der OECD. Die OECD veröffentlicht jährlich den Bericht „Education at a Glance“ – eine Sammlung mit grundlegenden Daten zu den Bildungssystemen der OECD-Länder. Mit den Studien „No more Failures: Ten Steps to Equity in Educa- tion“ (2007) und „Equity and Quality in Education“ (2011) benennt die OECD Maß- nahmen, die dabei helfen könnten, die Zahl der Schulabbrecher/innen zu senken, Klassenwiederholungen zu reduzieren sowie das Wirtschaftswachstum durch Chan- cengerechtigkeit im Bildungsbereich zu fördern. 10
3 Bildungsarmut, Ausgrenzungsgefährdung und Schulabbruch als zentrale Herausforderungen im Bildungssystem 1 3 Österreich steht wie viele andere Mitgliedsländer der EU vor der Herausforderung, Bildungsbenachteiligung bzw. Bildungsarmut, (Aus-)Bildungsabbruch und die damit verbundene Ausgrenzungsgefährdung junger Menschen noch stärker als bisher zu ver- meiden. Im Zuge internationaler Leistungsvergleichsstudien wurden entsprechende Risikogruppen für Österreich identifiziert: Vor allem Jugendliche aus bildungsfernen und sozioökonomisch schwachen Milieus sind gefährdet, ihre Schullaufbahn bzw. Ausbildung vorzeitig abzubrechen.4 Von Schulabbrecher/innen (Early School Leavers) spricht man, wenn junge Men- schen über keinen Sekundarstufen-II-Abschluss bzw. Lehrabschluss verfügen und sich nicht in Ausbildung befinden. Schulabbrecher/innen stellen eine sehr hetero- gene Gruppe mit unterschiedlichen Bildungserfahrungen, sozialen Hintergründen sowie unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielen dar. So gelten sowohl Jugendliche, die zwischen 18 und 24 Jahren über keinen Hauptschulabschluss verfügen, als auch Schüler/innen, die kurz vor Erreichung des Lehrabschlusses oder der Matura ihren Ausbildungsweg abbrechen, im Sinne der EU-Definition als Early School Leavers. Bildungsbenachteiligung, Schulabbruch und Bildungsarmut stehen in einem kau- salen Zusammenhang. Bildungsarmut zeigt sich in den beiden Dimensionen Zerti- fikatsarmut und Kompetenzarmut, wobei sich die EU-Benchmark zu Early School Leaving auf erstere bezieht. Unter Zertifikatsarmut wird hier das Nicht-Erreichen eines Sekundarstufen-II-Abschlusses oder eines gleichwertigen Abschlusses einer Berufsausbildung (z.B. Lehre) verstanden. Diese Definition entspricht der Definition der Schulabbruchsquote laut EU-Benchmark. Von Kompetenzarmut spricht man, wenn – entsprechend den PISA-Kompetenzstu- fen – nur die unter dem Durchschnitt liegenden Kompetenzen im Bereich Lesen, Mathematik oder Naturwissenschaft erreicht werden. Bildungsbenachteiligung führt zur manifesten Bildungsarmut, wenn Schul- und Aus- bildungswege frühzeitig und ohne entsprechenden Abschluss beendet werden. Prin- zipiell ist diese Bildungsarmut über kompensatorische Bildungsangebote für (junge) Erwachsene wieder aufhebbar. Expert/innen weisen auf die Notwendigkeit hin, be- reits frühzeitig die Entstehung von Bildungsbenachteiligung zu verhindern und mit effizienten Maßnahmen in der Familie, im Bereich der Elementarbildung, in der Be- rufs- und Bildungsberatung, an Schnittstellen im Schulsystem und in der inner- und © wrangler - Fotolia.com außerschulischen psychosozialen Beratung anzusetzen.5 4 Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel IV 5 Vgl. dazu auch Steiner 2009a 11
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Schul- und Ausbildungsabbruch: ein komplexes Phänomen Schul- bzw. Ausbildungsabbrüche werden von Expert/innen nicht als singuläre Ereig- nisse in der Lebens- und Ausbildungsbiographie eines jungen Menschen betrachtet, sondern stellen vielmehr längerfristige Phänomene dar, die im konkreten Schulab- bruch kulminieren. Länger andauernde negative Erfahrungen innerhalb der eigenen Lernbiographie, Probleme mit den schulischen Leistungsanforderungen als auch mit dem System Schule selbst (oder mit der Peergroup) tragen wesentlich dazu bei, dass Schulabschlüsse über den Pflichtschulabschluss hinaus nicht angestrebt oder erreicht werden. Ebenso spielen fehlende bzw. dysfunktionale familiäre und psychosoziale Unterstützungsstrukturen eine wichtige Rolle beim Phänomen Schulabbruch. Ausbildungsabbrüche stellen ein vielschichtiges Phänomen dar. In ihnen zeigt sich eine Überlappung von individuellen Leistungs- und Motivationsfaktoren mit (meist fehlender) familiärer bzw. außerschulischer Unterstützung sowie mit schulischen bzw. strukturellen Faktoren. In der Ursachenforschung und -behebung wird da- her versucht, auf allen Ebenen – konkret bei der Mikro- (Individuum), der Meso- (Schule, Peers und Familie) sowie der Makroebene (Gesellschaft, Schulsystem und Arbeitsmarkt) – gleichzeitig anzusetzen. Die Verantwortung für Schul- und Ausbil- dungsabbruch alleine auf das Individuum und/oder dessen Familie bzw. auf die so- zioökonomische Herkunft zurückzuführen, wird der Komplexität des Phänomens Schulabbruch also nicht gerecht. Ebenso wenig kann dem System Schule die alleinige Verantwortung beim Misslingen von Bildungsbiographien übertragen werden. Viel- mehr sind die Anerkennung und Klärung der Komplexität der miteinander interagie- renden Faktoren und die damit notwendigerweise einhergehende Zusammenarbeit der Systeme Familie, Schule, Jugendwohlfahrt sowie verschiedener Beratungsein- richtungen notwendig. Als relevante Größe im Umgang mit dem Thema Schulabbruch zeigen sich professio- nelle Haltungen, d.h. inwieweit sich Schulen bzw. Lehrende für den Schulerfolg bzw. den Abschluss eines Ausbildungsweges verant- wortlich fühlen. Schulerfolg wird meist als indivi- duelle Leistung der Jugendlichen und deren Eltern eingestuft und kaum als Erfolg der Schule gesehen, dementsprechend werden Misserfolge ebenfalls den Lernenden und nicht der Institution bzw. den Lehrenden zugeschrieben. Damit besteht die Ge- fahr, die Bildungsinstitutionen vorschnell aus ihrer © Karola Warsinsky - Fotolia.com Verantwortung zu entlassen und die jungen Men- schen mit ihren negativen Bildungserfahrungen al- leine zu lassen. Im Zusammenhang mit Fragen auf der Makroe- bene wurde von EU- und OECD-Bildungsexpert/ innen wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die 12
3 Bildungsarmut, Ausgrenzungsgefährdung und S chulabbruch hohe Selektivität des österreichischen Schulsystems negativ auf Bildungslaufbahnen auswirkt.6 An den Übergangsstellen im Bildungssystem treten Abbrüche bzw. auch Fehlentscheidungen hinsichtlich der Bildungslaufbahn häufiger auf. Zudem hängt der Bildungserfolg in Österreich stärker als in anderen Ländern vom sozioökonomischen Milieu ab, was zur Folge hat, dass höhere Bildungsabschlüsse in sozioökonomisch benachteiligten Milieus schwieriger zu erreichen sind. Bildungsbenachteiligung und Bildungsarmut als permanente 3 Ausgrenzungsgefährdung Tatsache ist, dass die Phänomene Bildungsarmut und Schulabbruch nicht nur ein individuelles Problem darstellen, sondern gesellschaftliche, soziale, arbeitsmarktpo- litische bis hin zu demokratiepolitischen Implikationen haben. Eine geringe Ausbil- dung bzw. fehlende Schulabschlüsse bergen langfristig nicht nur die Gefahr erhöhter bzw. verlängerter Arbeitslosigkeit in sich, sondern zeigen auch Auswirkungen auf den individuellen Gesundheitszustand, auf die Weiterbildungsmotivation, die Lebenszu- friedenheit insgesamt sowie auf die gesellschaftliche Partizipations- und Demokra- tiefähigkeit. Die Bekämpfung von Ausgrenzungsgefährdung junger Menschen zielt darauf, dass diese nicht von höherwertigen Bildungswegen ausgeschlossen werden und durch die Sicherung vielseitiger Bildungszugänge die Partizipation am ökonomi- schen, sozialen und kulturellen Wohlstand Österreichs garantiert wird. 6 Vgl. u.a. OECD 2010, 25f und ec.europa.eu/europe2020/pdf/nd/swd2012_austria_de.pdf S.7, S.24, insb. S 21-23 13
4 Statistische Daten Die Erhebung und Berechnung der Daten zu den Early School Leavers in Österreich basiert auf den Vorgaben der EU in Bezug auf die Benchmark. Die österreichischen Daten erhebt die Statistik Austria in der quartalsweise durchgeführten und EU-weit harmonisierten Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung und berechnet laut folgender Definition einen Jahresdurchschnitt. Berechnet wird dabei der Anteil der 18- bis 24-jährigen Personen, die höchstens einen Bildungsabschluss der Sekundarstufe I er- reicht haben (ISCED1, 2 oder 3C kurz) und die zum Zeitpunkt der Befragung in den letzten 4 Wochen an keiner Aus- oder Weiterbildung teilnahmen, an der entsprechen- den Altersgruppe.7 Das nachfolgende Diagramm (Abb. 1) zeigt eine Verlaufsstatistik von 2000 – 2011. Seit 2009 wird die 9 % Marke jährlich unterschritten, in den Jahren 2010 und 2011 betrug der Wert jeweils 8,3 %, wobei dieser Trend auf das Sinken des Anteils der weiblichen Schul- und Ausbildungsabbrecher zurückgeführt werden kann. Österreich befindet sich damit bereits deutlich unter der von der EU vorgegebenen 10 % Benchmark, sowie unter dem Mittelwert aller EU-Mitgliedstaaten. Diese Entwicklung zeigt, dass viele der ergriffenen Maßnahmen bereits erfolgreich sind, jedoch noch mehr auf ziel- gruppenspezifische Bedürfnisse der ausgrenzungsgefährdeten Jugendlichen einge- gangen werden muss. Abb. 1: Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL) im EU-Vergleich, 2000–2011, nach Geschlecht 20% 17,6% 17,2% 17,0% 16,6% 16,1% 15,8% 15,5% 15,1% 14,9% 14,4% 14,1% 15% 13,5% 11,4% 10,7% 10,7% 10,2% 10,2% 10,7% 10,4% 9,8% 9,6% 10,0% 10% 10,2% 10,2% 10,1% 9,5% 9,5% 10,1% 8,9% 9,7% 9,0% 9,1% 9,8% 9,8% 8,4% 8,8% 9,6% 8,7% 9,7% 8,3% 8,3% 8,8% 8,7% 8,7% 8,3% 8,5% 8,2% 7,8% 5% 2000 2001 2002 2003 2004*) 2005 2006*) 2007 2008 2009 2010 2011 * Zeitreihenbruch EU-Durchschnitt Insgesamt Frauen Männer Quelle: STATISTIK AUSTRIA © Maksim Šmeljov - Fotolia.com 7 Siehe EUROSTAT: epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/sdi/files/t2020-40_tsdsc410_Ear- ly_leavers_from_education_DM.PDF 14
Abb. 2: Verteilung des ESL-Risikos nach soziodemographischen Merkmalen in Österreich 20118 8 7 6 RISIKOFAKTOREN 5 4 3 2 1 4 0 2. Generation Stadt beschäftigt Nichterwerb Österreich mittel weiblich Land ALO Migrant/in männlich hoch niedrig Geschlecht Wohnort AM-Status-Eltern Herkunft Elternbildung Quelle: Mario Steiner (2012): Early School Leaving & Drop-out A Challenge for Education and Society, Vortrag im Rahmen der Abschlusskonferenz zum Comenius-Projekt „Stay on Track“ am 31.5.2012, Wien. Anmerkung: Personen haben dann einen Migrationshintergrund, wenn beide Elternteile im Ausland geboren sind. Dabei wird weiters zwischen der 1. Generation (Definition: Die Person ist selbst und beide Elternteile sind im Ausland geboren) und der 2. Generation unterschieden (Definition: Person ist selbst im Inland, beide Elternteile sind aber im Ausland geboren). Das Risiko, zu der Gruppe der ESL zu zählen, ist in der Bevölkerung sehr ungleich verteilt. Besonders gefährdet sind Jugendliche, deren Eltern über ein niedriges Bil- dungsniveau (max. Pflichtschulabschluss) verfügen oder die im Ausland geboren wurden. Jedoch auch Jugendliche, deren Eltern im Ausland geboren wurden oder ar- beitslos sind, zeigen eine erhöhte Gefährdung (siehe Abb. 2). Jugendliche und junge Erwachsene in der Stadt sind einem fast doppelt so großen Risiko ausgesetzt, Early School Leavers zu werden, als ihre Alterskolleg/innen, die auf dem Land wohnen. Da sich nach der Herkunft sowie der Bildung der Eltern die größten Ungleichheiten zeigen, werden diese Merkmale anhand der Abbildungen 3 und 4 im Detail darge- stellt.9 © Kurhan - Fotolia.com 8 Lesebeispiel: Jugendliche, deren Eltern über niedrige Bildung verfügen, sind einem siebenfach er- höhten Risiko des frühzeitigen Schul- oder Ausbildungsabbruchs im Vergleich zu jenen Jugendlichen ausgesetzt, deren Eltern einen hohen Bildungsabschluss besitzen. 9 Vgl. dazu auch Steiner 2009b, S. 14 15
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Abb. 3: F rühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL), 2009, nach höchster abgeschlossener Schulbildung der Eltern 100% 90% 80% 70% 74,5% 60% 94,2% 96,6% 50% 40% 30% 20% 25,5% 10% 3,4% 5,8% 0% Pflichtschule weiterführende Schule weiterführende Schule ohne Matura mit Matura Quelle: STATISTIK AUSTRIA ESL keine ESL Der Anteil der ESL an der Gruppe von Jugendlichen, deren Eltern einen niedrigen Bildungsstatus aufweisen, beträgt 25,5%. An der Gruppe der Jugendlichen, deren El- tern eine Schule mit Matura absolviert haben, beträgt dieser Anteil jedoch lediglich 3,4%. Jugendliche und junge Erwachsene, deren Eltern als höchste abgeschlossene Bildung einen Pflichtschulabschluss erreicht haben, sind demnach einem 7,5 fach er- höhten Risiko ausgesetzt, frühzeitige Abbrecher zu werden, im Vergleich zu jenen Personen, deren Eltern eine weiterführende Schule mit Matura besucht haben. Abb. 4: F rühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL), 2008–2011, nach Migrationshintergrund 30% 25,6% 25% 23,4% 24,8% 21,4% 20,6% 20% 20,2% 15% 16,2% 15,0% 10,1% 10% 8,7% 8,3% 8,3% 6,3% 5,3% 5,2% 5,7% 5% 2008 2009 2010 2011 Gesamt Ohne Migrationshintergrund Erste Generation Zweite Generation Quelle: STATISTIK AUSTRIA 16
4 Statistische Daten Trotz der deutlich höheren Niveaus der Anteile der ESL an den Gruppen von Jugend- lichen mit Migrationshintergrund der ersten und zweiten Generation zeigt sich seit 2008 ein sinkender Trend in beiden genannten Gruppen. Dies ist jedoch auch unter dem Aspekt zu sehen, dass sich verschlechternde Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt tendenziell positiv auf die Quote an ESL auswirken.10 Die zwei in den Abbildungen 3 und 4 betrachteten Merkmale sind nicht unabhängig voneinander. Trotzdem konnten, nach Bereinigungen ihrer Interaktion anhand eines statistischen Modells, die Relevanz der zwei Merkmale sowie die von ihnen ausge- 4 henden Effekte belegt werden.11 Da sich der ESL-Indikator auf die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen bezieht und die Teilhabe am Bildungssystem abbildet, soll an dieser Stelle ergänzend auf den In- dikator der NEET-Jugendlichen (not in education, employment and training) ein- gegangen werden. Eine Person wird als NEET bezeichnet, wenn sie in den letzten vier Wochen vor dem Befragungszeitpunkt an keiner Aus- oder Weiterbildung teil- genommen hat und nicht erwerbstätig ist.12 Im Unterschied zu den ESL bildet dieser Indikator daher zusätzlich zur Teilhabe am Bildungssystem auch die Teilhabe am Er- werbssystem ab.13 Die Datenbasis für die beiden Indikatoren ist indes dieselbe (siehe Ausführungen zu ESL-Indikator oben). Er kann für unterschiedliche Altersgruppen berechnet werden. Die weiteren Tabellen stellen die Gruppe der 15- bis 19-Jährigen NEET nach Geschlecht (Tab. 1) und nach Migrationshintergrund (Tab. 2) und die Gruppe der 20- bis 24-Jährigen NEET ebenfalls nach Geschlecht und Migrations- hintergrund (Tab. 3 und 4) dar. Abb. 5 und Abb. 6 stellen Vergleiche zwischen den Altersgruppen der 15- bis 19-Jährigen und den 20- bis 24-Jährigen NEET nach Ge- schlecht (Abb. 5) und Migrationshintergrund (Abb. 6) an. Tabelle 1: 15- bis 19-jährige Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Jahr 2011, nach Geschlecht Geschlecht absolut in % Gesamt 25.200 5,3 weiblich 11.900 5,0 männlich 13.300 5,6 Der Anteil von Personen an der entsprechenden Altersgruppe in der Bevölkerung, die weder beschäftigt sind noch sich in Aus- oder Weiterbildung befinden. Bevölkerung in Privathaushalten ohne Präsenz- und Zivildiener. – Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. © Kurhan - Fotolia.com 10 Vgl. Steiner 2009a 11 Vgl. Steiner 2009b 12 Siehe EUROSTAT: epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/edat_esms.htm 13 Vgl. Bacher/Tamesberger 2011 17
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Tabelle 2: 1 5- bis 19-jährige Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Jahr 2011, nach Migrationshintergrund Migrationshintergrund absolut in % Gesamt 25.200 5,3 mit Migrationshintergrund 8.200 9,4 ohne Migrationshintergrund 17.000 4,4 Die Anzahl von Personen der entsprechenden Altersgruppe in der Bevölkerung, die weder beschäftigt sind noch sich in Aus- oder Weiterbildung befinden. Bevölkerung in Privathaushalten ohne Präsenz- und Zivildiener. – Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept. Von Personen mit Migrationshintergrund wurden beide Elternteile im Ausland geboren, wobei Angehörige der ersten Generation selbst im Ausland gebo- ren wurden und Personen der zweiten Generation in Österreich zur Welt gekommen sind. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. Tabelle 3: 2 0- bis 24-jährige Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Jahr 2011, nach Geschlecht Geschlecht absolut in % Gesamt 43.200 8,5 weiblich 23.300 9,0 männlich 19.900 7,9 Der Anteil an Personen der entsprechenden Altersgruppe in der Bevölkerung, die weder beschäftigt sind noch sich in Aus- oder Weiterbildung befinden. Bevölkerung in Privathaushalten ohne Präsenz- und Zivildiener. – Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. Tabelle 4: 2 0- bis 24-jährige Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Jahr 2011, nach Migrationshintergrund Migrationshintergrund absolut in % Gesamt 43.200 8,5 mit Migrationshintergrund 16.700 16,5 ohne Migrationshintergrund 26.500 6,5 Die Anzahl von Personen der entsprechenden Altersgruppe in der Bevölkerung, die weder beschäftigt sind noch sich in Aus- oder Weiterbildung befinden. Bevölkerung in Privathaushalten ohne Präsenz- und Zivildiener. – Erwerbstätigkeit nach ILO-Konzept. Von Personen mit Migrationshintergrund wurden beide Elternteile im Ausland geboren, wobei Angehörige der ersten Generation selbst im Ausland gebo- ren wurden und Personen der zweiten Generation in Österreich zur Welt gekommen sind. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. 18
4 Statistische Daten Abb. 5: Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Vergleich der 15- bis 19- und 20- bis 24-Jährigen, nach Geschlecht 20% 18% 16% 14% 12% 10% 8% 4 6% 8,5% 9,0% 4% 7,9% 5,3% 5,0% 5,6% 2% 0% Gesamt weiblich männlich Quelle: STATISTIK AUSTRIA 15- bis 19-Jährige 20- bis 24-Jährige Es zeigt sich, dass das NEET-Risiko mit zunehmendem Alter steigt. Während weib- liche Jugendliche eine geringere Wahrscheinlichkeit in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen als ihre männlichen Alterskollegen aufweisen, dreht sich diese Wahr- scheinlichkeit in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen zu ihren Ungunsten um. Abb. 6: Nichterwerbstätige, die nicht in Aus- oder Weiterbildung sind (NEET), Vergleich der 15- bis 19- und 20- bis 24-Jährigen, nach Migrationshintergrund 20% 18% 16% 14% 12% 10% 8% 16,5% 6% 8,5% 9,4% 4% 6,5% 5,3% 4,4% 2% 0% Gesamt mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund Quelle: STATISTIK AUSTRIA 15- bis 19-Jährige 20- bis 24-Jährige Im Vergleich der Altersgruppen nach Migrationshintergrund ist ersichtlich, dass das NEET-Risiko mit zunehmendem Alter steigt. Eine besonders hohe Wahrscheinlich- keit den NEET-Status zu erfüllen, weisen Jugendliche mit Migrationshintergrund in beiden Altersgruppen auf. © Kurhan - Fotolia.com 19
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Tabelle 5: F rühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL) im EU-Vergleich, Jahre 2000–2011, nach Geschlecht, in % Jahr 2000 2001 2002 2003 2004* 2005 2006* 2007 2008 2009 2010 2011 Gesamt 10,2 10,2 9,5 9,0 9,5 9,1 9,8 10,7 10,1 8,7 8,3 8,3 weiblich 10,7 10,7 10,2 9,8 8,8 8,7 9,7 10,1 9,8 8,9 8,2 7,8 männlich 9,6 9,7 8,7 8,3 10,2 9,6 10,0 11,4 10,4 8,5 8,4 8,8 EU-Durchschnitt 17,6 17,2 17,0 16,6 16,1 15,8 15,5 15,1 15,1 14,4 14,1 13,5 Der Anteil der 18- bis 24-jährigen Jugendlichen, die keinen Schulabschluss der Sekundarstufe II erreicht haben und sich aktuell nicht in Ausbildung befinden. *) – Zeitreihenbruch Quelle: STATISTIK AUSTRIA, EUROSTAT Tabelle 6: F rühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL), Jahr 2009, nach höchster abgeschlossener Schulbildung der Eltern, absolut höchste abgeschlossenen Bildung der Eltern absolut Pflichtschule weiterführende Schule weiterführende Schule ohne Matura mit Matura Gesamt 75.024 339.171 230.483 keine ESL 55.907 376.132 222.707 ESL 19.117 23.039 7.775 Gemessen wird die Anzahl der 18- bis 24-jährigen Jugendlichen, die keinen Schulabschluss der Sekun- darstufe II erreicht haben und sich aktuell nicht in Ausbildung befinden, nach der höchsten abgeschlos- senen Bildung ihrer Eltern. Werte mit weniger als hochgerechnet 14.000 Personen sind sehr stark zu- fallsbehaftet. Quelle: Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung Ad-hoc-Modul „Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt“, 2. Quartal 2009. Tabelle 7: F rühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL), Jahr 2009, nach höchster abgeschlossener Schulbildung der Eltern, in % höchste abgeschlossenen Bildung der Eltern absolut Pflichtschule weiterführende Schule weiterführende Schule ohne Matura mit Matura Gesamt 100,0 100,0 100,0 keine ESL 74,5 94,2 96,6 ESL 25,5 5,8 3,4 Gemessen wird die Anzahl der 18- bis 24-jährigen Jugendlichen, die keinen Schulabschluss der Sekun- darstufe II erreicht haben und sich aktuell nicht in Ausbildung befinden, nach der höchsten abgeschlos- senen Bildung ihrer Eltern. Quelle: Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung Ad-hoc-Modul „Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt“, 2. Quartal 2009. 20
4 Statistische Daten Tabelle 8: Frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger/innen (ESL), nach Migrationshintergrund, in % Jahr Migrationshintergrund 2008 2009 2010 2011 Gesamt 10,1 8,7 8,3 8,3 ohne Migrationshintergrund 6,3 5,3 5,2 5,7 Erste Generation 25,6 23,4 21,4 20,6 Zweite Generation 24,8 20,2 16,2 15,0 4 Der Anteil der 18- bis 24-jährigen Jugendlichen, die keinen Schulabschluss der Sekundarstufe II erreicht haben und sich aktuell nicht in Ausbildung befinden. Von Personen mit Migrationshintergrund wurden beide Elternteile im Ausland geboren, wobei Angehörige der ersten Generation selbst im Ausland gebo- ren wurden und Personen der zweiten Generation in Österreich zur Welt gekommen sind. Quelle: STATISTIK AUSTRIA Fazit Der Indikator zu ESL zeigt, dass sich Schul- und Ausbildungsabbruch in Österreich im Vergleich mit den europäischen Mitgliedstaaten auf einem niedrigen Niveau bewegt und der Trend der letzten Jahre leichte Verbesserungen gebracht hat. Die hier dar- gestellten Indikatoren zeigen jedoch auch, dass das Risiko mangelnder Teilhabe am Bildungssystem sehr ungleich nach bestimmten Merkmalen verteilt ist. So sind vor allem Jugendliche aus schwachem sozioökonomischem Milieu, geringer Bildungs aspiration und anderen Erstsprachen besonders gefährdet. © Kurhan - Fotolia.com 21
5 Strategischer Rahmen zur Vermeidung von Schul- und Ausbildungsabbrüchen Als Dach der Strategie zur Vermeidung von Schul- und Ausbildungsabbrüchen fun- gieren die Strukturmaßnahmen, die seitens des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur in den letzten Jahren in die Wege geleitet wurden. Dazu zählen vor allem • der flächendeckende Ausbau der Neuen Mittelschule: Mit der Neuen Mittel- schule (NMS) wird erstmals seit 50 Jahren in Österreich ein neuer Schultyp flä- chendeckend ins Regelschulwesen übernommen. Die Neue Mittelschule ist eine Leistungsschule für 10- bis 14-Jährige, in der eine neue Lehr- und Lernkultur umgesetzt wird. Differenzierung und Individuelle Förderung sowie Kompetenz orientierung stehen im Mittelpunkt der pädagogischen Ausrichtung der NMS. Bis zum Schuljahr 2015/16 sollen alle ersten Klassen an Hauptschulen umgestellt wer- den, der vollständige Ausbau wird im Schuljahr 2018/19 erreicht. • die Einführung der standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Dip- lomprüfung: Mit der Einführung der Neuen Reifeprüfung werden einheitliche Grundkompetenzen und gleiche Rahmenbedingungen für alle Schüler/innen geschaffen. Im Schuljahr 2014/15 wird die neue Reifeprüfung flächendeckend zum ersten Mal an allen allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) stattfinden, 2015/16 wird die neue Reife- und Diplomprüfung an allen berufsbildenden höhe- ren Schulen (BHS) durchgeführt. • der Ausbau der schulischen Tagesbetreuung: Bis 2015/16 werden die derzeit bestehenden Plätze auf 160.000 für die schulische Tagesbetreuung ausgeweitet. Inklusive der Hortplätze werden dann 210.000 Plätze zur Verfügung stehen, was eine Verdoppelung des Angebots darstellt. Die Gemeinden sind als Schulerhalter wichtigste Partner des Bundes bei der schulischen Tagesbetreuung. • die Implementierung der Bildungsstandards: Mit den 2009 gesetzlich veranker- ten Bildungsstandards in Deutsch, Mathematik und Englisch soll eine langfristige pädagogische Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung an den Schulstandor- ten sichergestellt werden. Sie sind ein wichtiges Instrument zur Weiterentwick- lung des Unterrichts und fördern die Grundkompetenzen der Schüler/innen. Wertschätzendes Feedback auf Basis der Bildungsstandards wird damit zum Mo- © Radosław Brzozo - Fotolia.com tor der Schulentwicklung. • die Einführung der Neuen Oberstufe mit Kompetenzmodulen: Bei der Oberstu- fe Neu stehen Individualisierung und gezielte Förderung im Zentrum. Sie schafft eine neue Lehr- und Lernkultur innerhalb eines leistungsorientierten Bildungs- systems in Österreich. Das Kurssystem der Oberstufe Neu geht auf die Interessen und Begabungen von Schüler/innen ein und stellt Grundkompetenzen sicher. Die semesterweise Lehrstoffverteilung in Kompetenzmodulen bewirkt eine Verdich- 22
tung des Lern- und Arbeitsklimas und schafft einen besseren Überblick über etwa- ige Lerndefizite. Ab dem Schuljahr 2013/14 werden die Schulen schrittweise auf das neue System umgestellt, ab 2017/18 gilt das Modell für alle Schulen ab der 10. Schulstufe. Im Kontext von Schulabbruchsvermeidung sind weiters die Bemühungen im Bereich der Qualitätsentwicklung und -sicherung sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Schulwesen zu nennen. Im allgemeinbildenden Schulwesen werden seit Herbst 2012 analog zur bereits länger bestehenden QualitätsInitiative BerufsBil- dung (QIBB) verstärkt Orientierungs- und Unterstützungsangebote für Qualitätsent- wicklung und Qualitätssicherung angeboten.14 5 In den folgenden Ausführungen finden sich Bezüge zur Strategie zum lebensbeglei- tenden Lernen in Österreich, anschließend wird das der Strategie zugrundeliegende strategische Dreieck erläutert, das wiederum in den Strategierahmen mit den drei Säulen Prävention, Intervention und Kompensation eingebettet ist. Dieser Strate- gierahmen basiert auf Vorarbeiten der Europäischen Kommission (Policy Framework on Early School Leaving). Des Weiteren sind die im Kapitel 5.3 erläuterten Leitlinien und Ziele für die strategischen Maßnahmen orientierungsgebend für die im strate- gischen Dreieck angesprochenen Ebenen System – Schule – Schüler/innen. Als Ziele wurden die Vermeidung von Bildungsarmut, die Optimierung von Bildungswegen und die Hebung von Bildungsabschlüssen formuliert. Im Rahmen der in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen ist es für Österreich ein wichtiges Anliegen, personenzentrierte Ansätze – also auf das konkrete Individuum zielende Maßnahmen – in der Reduktion von ESL zu verfolgen. Expert/innen sind sich darin einig, dass sich erst durch das Ineinandergreifen von umfassenden Struk- turmaßnahmen im Bildungsbereich, gezielten Qualitätssicherungsmaßnahmen an Schulen sowie durch den Ausbau professioneller Beratungsstrukturen die Situation schulabbruchsgefährdeter junger Menschen signifikant verbessern wird. 5.1 Relevanz der Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich für die Reduktion frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabbruchs Im Jahr 2011 wurde die von vier federführenden Ministerien unterzeichnete Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich beschlossen. Insgesamt 10 Aktionslini- en definieren Ziele und Maßnahmen für die Bildungspolitik der kommenden Jahre. Innerhalb dieser Ziele wird die deutliche Senkung der Schulabbrecherquote laut EU- 2020-Benchmark angesprochen. Ebenso thematisiert wird die Senkung des Anteils der 15- bis 24-Jährigen, die sich weder in Beschäftigung noch in Ausbildung befinden (NEET – not in education, employment or training). Die Fortschritte in den einzel- nen Bereichen werden jährlich in Form eines Berichts erhoben und dem Minister- rat vorgelegt. Vor allem die Aktionslinie 2 – Grundbildung und Chancengerechtigkeit im Schul- und Erstausbildungswesen und die Aktionslinie 4 – Ausbau von alternativen Übergangssystemen ins Berufsleben für Jugendliche – beziehen sich explizit auf die He- rausforderungen im Bereich des frühzeitigen Schulabbruchs.15 14 Vgl. dazu Kapitel 6 „Schulische Qualitätssicherung im Kontext von Schulabbruchsvermeidung“ 15 Vgl. Republik Österreich 2011, S 18–27 23
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Als für die ESL-Strategie relevante Zielsetzungen listet die Aktionslinie 2 der LLL- Strategie folgende auf: „Die Zahl der Klassenwiederholungen und der SchulabbrecherInnen wird durch verbes- serte Förderung der Jugendlichen, durch Modularisierung von Bildungswegen sowie ver- besserte Beratungs- und Coachingstrukturen deutlich reduziert. Die Tätigkeitsfelder an den Schulen werden für begleitende Berufe geöffnet (Bildungsbe- ratung, Sozialarbeit, Coaching, Mentoring, Gesundheitsberufe, Kultur, …).“ Innerhalb der Aktionslinie 2 beziehen sich zwei der zehn Maßnahmen ausdrücklich auf die Prävention von Schulabbruch und Bildungsarmut: „Ausweitung bedarfsgerechter Förderungen für Risikogruppen und Stärkung präventiver Ansätze durch Flexibilisierung der Ressourcenverwendung […] Etablierung von Coaching- und Mentoring-Programmen für spezielle Ziel- und Risiko- gruppen und Verankerung multiprofessioneller Teams in der Sekundarstufe 1 und 2 ge- mäß dem jeweiligen Bedarf “ Auch in der Aktionslinie 4 sind einige Ziele angeführt, die Schulabbruch entgegen- wirken sollen: „Die abgebenden und aufnehmenden (Bildungs-) Einrichtungen am Übergang zu wei- terführender Bildung verfügen über flexible Organisationsformen, um möglichst vielen Jugendlichen trotz unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten den Abschluss der Ausbil- dung zu ermöglichen und so Drop-outs vorbeugen zu können. [ … ] Ein besonderes Augenmerk wird auf „Bildungsverweigerer“ gerichtet, die – ihrer aktu- ellen Lebensphase entsprechend – niederschwellig in das Weiterbildungssystem integriert werden sollen. [ … ] Bildungssicherheitsnetze fangen je nach Bedarf mögliche Drop-outs auf und begleiten sie zum jeweiligen Abschluss, motivieren zur nächst höheren Ausbildungsstufe und/oder un- terstützen die Integration in den Arbeitsmarkt.“ Dazugehörig werden einige Maßnahmen genannt, um die aufgelisteten Ziele zu er- reichen: „Etablierung einer umfassenden Bildungs- und Berufsorientierung durch multiprofessi- onelle Teams (LehrerInnen, Schulpsychologie, externe ExpertInnen) in allen Schulen ab der 6. Schulstufe, wobei Umfang und Ausgestaltung verbindlich geregelt sind. [ … ] In Kooperation der zuständigen Institutionen werden Maßnahmen zur nachhaltigen In- tegration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt durchgeführt. Ein umfassendes System, das von präventiven Coachingstrukturen bis hin zu Vollzeitangeboten reicht, wird etabliert. [ … ] Gezielte Förderung österreichweit anerkannter Verfahren für eine nachhaltige Qualitäts- sicherung im Bereich der anbieterneutralen Bildungsberatung und Berufsorientierung“ Die angesprochenen Maßnahmen werden im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz initiierten und vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur unterstützten Jugendcoachings, dessen österreich- weiter Ausbau mit 2013/14 vollzogen wird, umgesetzt. Ein Fokus wird mittelfristig auf die Stärkung multiprofessioneller Teams gelegt, d.h. dass die Zusammenarbeit zwischen Jugendcoaches, Beratungssystemen in der Schule (Beratungslehrer/innen, Berufsorientierungslehrer/innen, Schulpsycholog/innen) und externen Institutionen (z.B. Jugendwohlfahrt, Sozialarbeit, Suchtpräventionsstellen etc.) gestärkt werden soll. 24
5 Strategischer Rahmen zur Vermeidung von Schul- und Ausbildungsabbrüchen Auch in anderen Aktionslinien finden sich Maßnahmen, die direkt oder indirekt zur Verwirklichung der Ziele der ESL-Strategie beitragen können. Eine Übersicht wurde seitens der federführenden Ressorts in Form einer komplexen Matrix und einer ent- sprechenden Datenbank erstellt. Ab 2012 nehmen eigens eingerichtete Handlungsfeldgruppen ihre Arbeit auf, um die Zusammenarbeit der Akteure im Rahmen der einzelnen Aktionslinien zu stärken und die Strategie weiterzuentwickeln. Da unter der Federführung des BMASK die Akti- onslinie 4 als eines der ersten Themengebiete erschlossen wird, ist das Thema ESL von Beginn an in diesem Prozess repräsentiert. 5 5.2 Strategisches Dreieck: Maßnahmen auf Systemebene, auf Schulstandortebene und auf Ebene der Person Die Verhinderung von frühzeitigem Schul- und Ausbildungsabbruch ist in dem stra- tegischen Dreieck System – Schule – Person mit den jeweiligen Handlungsfeldern verortet: Es wird davon ausgegangen, dass es erst durch das Ineinandergreifen (schul) systembezogener, schul(standort)bezogener (=organisationsbezogener) und personen- bezogener Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion von Abbrüchen kommt. Hier werden die systemisch-strukturellen, schulstandortspezifischen und die auf Individu- en zielenden Maßnahmen sowohl als qualitätssichernde und qualitätsverbessernde als auch als präventive Ansätze aufgefasst. Um das erfolgreiche Ineinandergreifen der drei genannten Handlungsfelder System – Schule – Person zu gewährleisten, bedarf es der Abstimmung der Maßnahmen auf den jeweiligen Ebenen Bund, Länder und Bildungsregionen. Die verantwortlichen Ministerien sowie Forscher/innen, Sozial- partner u.a. versuchen daher gemeinsam, die Akteur/innen auf der jeweiligen Ebene – Bildungspolitik, Schulaufsicht, Schulleiter/innen und Lehrende sowie inner- und außerschulisch Beratende – zu sensibilisieren, die bisherigen Aktivitäten auf ihre Ef- fektivität hin zu prüfen und bei Bedarf entsprechend zu verbessern. Wie aus der Abb. 7 hervorgeht, wirken im strategischen Dreieck und damit auf die Handlungsfelder System – Schule – Person die nationale und internationale Bildungs- politik (EU, OECD), die Anforderungen des Arbeitsmarktes sowie die Erkenntnisse der Forschung auf die dort zu treffenden Entscheidungen und Prioritätensetzungen ein. Wichtige Stakeholder und Kooperationspartner/innen für die Bereitstellung au- ßerschulischer Angebote am Übergang Schule – Beruf sind der Bund, die Länder, die Kommunen, die Sozialpartner, das Arbeitsmarktservice sowie regionale Institu- tionen. Ohne diese Stakeholder wäre die Umsetzung der Strategie in den jeweiligen Bereichen Prävention, Intervention und Kompensation nicht möglich. Die Umset- zung einer Strategie zur Verhinderung von Schulabbruch mit ihren Zielen der Ver- meidung von Bildungsarmut, der Optimierung von Bildungswegen und der Hebung von Bildungsabschlüssen wird damit zu einem gesellschaftlichen Auftrag, der neben © Christian Schwier - Fotolia.com den Schulen als zentrale Akteure die genannten Stakeholder braucht. Das strategische Dreieck System – Schule – Person ist wiederum auf der Hintergrund- folie des Strategischen Rahmens (entsprechend dem policy framework der EU, Abb. 8) zu lesen. Durch diesen strategischen Rahmen werden die Maßnahmen in die Dimensionen Prävention, Intervention und Kompensation unterteilt, wobei die Grenzen zwischen diesen teilweise verschwimmen und umfassende Maßnahmen 25
Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs wie z.B. das Jugendcoaching und das Lehrlingscoaching sowohl als Präventions- als auch als Interventionsmaßnahme eingestuft werden können. Die Aufteilung in die genannten Dimensionen dient vor allem dazu, mehr Klarheit hinsichtlich ihres zeit- lichen und strukturellen Ineinandergreifens zu bekommen. Die Prävention zielt auf die Gesamtpopulation der Schüler/innen, die Intervention auf eine identifizierte Risikogruppe und die Kompensation auf jene, deren Risiken durch fehlende Kom- petenzen bzw. Bildungsabschlüsse am höchsten sind und die spezielle Angebote zum Ausgleich vorhandener Defizite benötigen. Abb. 7: Überblick über die Strategie zur Verhinderung von (Aus-)Bildungsabbruch mit ihren drei Handlungsfeldern System – Schule – Person auf der Hintergrundfolie der drei Säulen Prävention, Intervention und Kompensation Strategie zur Verhinderung von (Aus-)Bildungsabbruch Bildungsarmut vermeiden – Bildungswege optimieren – Bildungsabschlüsse heben Nationale und internationale Bildungspolitik (EU, OECD) Kompensation Prävention Maßnahmen auf Außerschulische Steuerungsebene (System) Beratungsangebote Strukturmaßnahmen am Übergang Schule – Beruf Ressourcenzuteilung Bund, Länder, Zielsetzungen Kommunen Sozialpartner, AMS Anforderungen des Forschung Arbeitsmarktes Personenbezogene Maßnahmen Organisationsbezogene (Schüler/innen) Maßnahmen (Schule) IBOBB, Jugendcoaching, Qualitätsmanagement: SQA, QIBB Lehrlingscoaching, Sozialarbeit Professionalisierung der Lehrkräfte Unterrichts- und Schulentwicklung Intervention 26
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