ESSAY WETTBEWERB 6. Juni 2018 - St. Galler Handelstag
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Editorial RE-INVENTING RETAIL Disruptive Veränderungen gibt es nicht erst seit der Neuzeit, son- dern sie waren schon immer Teil des wirtschaftlichen Umfelds. An- getrieben von der Neugierde, haben es schlaue Köpfe immer wie- der geschafft, den Status-Quo zu hinterfragen und grundlegend zu verändern – sei dies in der Art wie produziert wird, wie wir konsumie- ren oder wie wir Leben. In der Vergangenheit ist es den Handelsunternehmen meist gelun- gen, die Disruption zu erkennen. Dennoch haben es die meisten nicht geschafft, ihre Strukturen zeitnah auf die neuen Gegebenheiten anzupassen. Nur wenigen etablierten Unternehmen gelingt es, sich den Herausforderungen einer Disruption erfolgreich zu stellen. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Handelstag der Universität St. Gallen 2018 mit der ‘Disruptiven Geschäftsmodelltransformation’. Das Konzept ‘Einkaufszentrum’ befindet sich an einem kritischen Wendepunkt. Während in Nordamerika ein grosses Sterben der Malls herrscht, werden in anderen Teilen der Welt fleissig neue Zen- tren eröffnet. Die zunehmende Digitalisierung setzt dem stationären Handel immer stärker zu. Was heisst das für das Einkaufszentrum? Handelt es sich hierbei um ein Auslaufmodell oder bieten sich neue Chancen für das offline Ein- kaufserlebnis?» Prof. Dr. Thomas Rudolph Direktor IRM-HSG, Forschungszentrum für Handelsmanagement, Universität St.Gallen
Herzliche Gratulation! SHOPPING MALL – ZUKUNFTS- ODER AUSLAUFMODELL? Der Essaypreis des St. Galler Handelstags 2018 zeichnet Autoren aus, die sich wissenschaftlich fundiert und mit Freude am eigenen Urteil Gedanken zur Zukunft der Shopping Mall machen. Erwartet die Konsumenten dort die Shopper Experience der Zukunft oder ist das Mall-Konzept ein Auslaufmodell? Die drei ausgezeichnete Essays, so unterschiedlich sie in ihrer Anla- ge sind, werfen alle einen kritischen Blick auf den Status Quo und zeigen gleichzeitig Ansätze auf, Einkaufszenter zukunftssicher zu machen. Der Autor des Gewinner-Essays, Christian Omlin, plädiert für funkti- onale Attraktivität; für einen Ort, an dem «ich als Kunde alle meine ToDo’s erledigen kann.» Schafft es ein Einkaufscenter zudem, «gesamtheitliche und auf die Customer Experience fokussierte Konzepte» (Moritz Tischer) mit «bedachter Ruhe» (Marius Specht) zu verbinden - dann bleibt es ein Modell auch für die Zukunft! Dr. Gerald Müller 03 Managing Director, Boost Group AG
Gewinner CHRISTIAN OMLIN Masterstudent Universität St. Gallen Christian Omlin studiert «Management, Organisation und Kultur» an der Universität St. Gallen. Zur Zeit schreibt er an seiner Masterar- beit und absolviert ein Praktikum in der Strategie-Abteilung der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat in Zürich. Mit seinem kritischen und pointierten Essay «Weniger Welle, mehr Sackmes- ser» voller s pannender Ansätze, hat er es geschafft, die Jury zu überzeugen und den Essay-Wettbewerb zu gewinnen.
WENIGER WELLE, MEHR SACKMESSER Einkaufszentren – Shopper Experience der Zukunft oder Auslaufmodell? Das Älteste und das Neuste trennen nur gerade sieben Kilometer Luftlinie und doch ganze 50 Jahre Konsumgeschichte – das Shop- ping-Center Schönbühl bei Luzern und die kürzlich eröffnete Mall of Switzerland in Ebikon. Beide sind auf ihre Art Pioniere ihrer Zeit: Schönbühl als erstes Shopping-Center hierzulande brachte mit der Eröffnung 1967 einen Hauch American Way of Life in die Schweiz. Ge- plant nach amerikanischem Vorbild, lud eine dazumal revolutionäre Indoor-Ladenkette mit 12 Geschäften zum Flanieren ein (Ineichen, 2017). 50 Jahre später will die neue Mall of Switzerland ihrerseits die Schweiz mit Indoor-Surfen revolutionieren: So entsteht «auf rund 1`200 Quadratmetern im Freizeitgebäude ein Surfangebot der Super- lative» (Mall of Switzerland, 2018). Die Innovation des neuen «Surfer Hot-Spots» ist die erste freistehende Indoor-Surfwelle der Schweiz – das Entertainment-Herzstück soll «jedes (Surfer-) Herz höher schla- gen» lassen, so die Intention gemäss Pressemitteilung der Betreiber (Mall of Switzerland, 2018). Ja, das Shopping-Center Schönbühl und die Mall of Switzerland sind Pioniere – und beide sind auf ihre Art von gestern: Im Schönbühl ist es der Standort. Das erste Shopping-Center wurde etwas peripher in ei- nem Wohnquartier erbaut. Es verfügt über keinen Autobahnabschluss und ist heute – nur für Einheimische auffindbar – verkehrstechnisch buchstäblich im Abseits. Im Fall der Mall of Switzerland ist es das Bu- siness-Modell, das sich am Prinzip Hoffnung orientiert. Die Schweiz mitsamt dem Einzugsgebiet Zentralschweiz hat seit Jahren die höchste Pro-Kopf-Ladenfläche Europas – heisst: Marktübersättigung (Hochreutener, 2014). Die Experten sind entsprechend skeptisch, auch bezüglich der florierenden Online-Konkurrenz und dem preis- günstigen nahen Ausland (Martel, 2017). Die 25 grössten Shop- ping-Center des Landes verzeichneten in den letzten sechs Jahren einen Rückgang beim Umsatz von mehr als einer Milliarde (SRF, 2017). Kurz, das Wachstum und der Profit des einen Centers geschieht je- 05 weils auf Kosten der Konkurrenten (Martel, 2017). Diesem garstigen
Marktumfeld zum Trotz gilt bei der Mall of Switzerland: Das Freizeitan- gebot wird es dann schon irgendwie richten. Hierfür stehen grosszü- gige 25% der Gesamtfläche bereit (Martel, 2017). Das wirft die Frage auf: Kann ein Entertainment-Mantel also die ersehnte Lösung für das Shopping-Center der Zukunft sein? Entertainment ist Standard Shopping mit Entertainment und Erlebnis zu verbinden, gilt als Trend, ist aber alles andere als neu. Bereits Victor Gruen, der geistige «Vater» der Shopping Mall-Idee, skizzierte für die amerikanische Nachkriegs- zeit eine Shopping-Welt, die mehr als das reine Einkaufen beinhalte- te: «It is our belief that there is much need for actual shopping centers – market places that are also centers of community and cultural acti- vity» (Gruen, 1948, zit. in Hardwick, 2015, S. 1). Gruens Konzepte sahen alternative Flächen mit Skulpturenparks, Begegnungszonen, Strei- chelzoos und Veranstaltungssälen vor (Ineichen, 2017). Gruens Vision ist heute in Schweizer Shopping-Centern verschiedentlich umge- setzt. Der Streichelzoo im Sihlcity-Kinderparadies ist zwar nur mit le- bensgrossen Plüschtieren ausstaffiert (vgl. Minicity, k.D.), doch in den aktuell 197 Schweizer Shopping-Centern (Stoffel 2018, S. 13) gehören Freizeit und Unterhaltung zum Offline-Einkauf dazu. Sei es das Eisfeld im Winter oder die Grossleinwand im WM-Sommer, ein Hallenbad oder temporäre Ausstellungen: Erlebnis-Entertainment ist bereits fixe Realität vieler Schweizer Einkaufszentren. Das integrierte Kino stellt längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar, sondern ist bei neueren Bauten «schon fast Standard» (Martel, 2017). Hinzu kommt: Bei Enter- tainment stehen Shopping-Center im Wettbewerb mit anderen An- bietern. So konkurriert beispielsweise das Erlebnisbad im Shop- ping-Center Westside mit acht Frei- und Hallenbädern der Stadt Bern in unmittelbarer urbaner Nähe (Bigler, 2018). Wo man hinschaut: Frei- zeitangebote sind schweizweit bereits perfekt ausgebaut und schnell erreichbar. Wer trotz dieser Dichte auffallen und Besucher anziehen will, muss sich also laufend mehr einfallen lassen. Masse versus Nische Auffallen heisst: Verrücktes wagen. Wie die Indoor-Surfwelle in Ebikon. Das Entertainment-Prunkstück dümpelt derzeit vor sich hin und hat bis heute noch keinen Tropfen Wasser und keinen Surfer ge- sehen, doch bereits den ersten Besitzerwechsel hinter sich (Heer, 2018). Aber eigentlich ist das egal, denn es stellt sich nur eine Frage: 06 Wen kümmerts?
Wer – ausser ein paar Surf-Cracks – wartet denn auf so eine Welle? Es fällt schwer, sich Herr und Frau Durchschnitts-Schweizer plötzlich beim wöchentlichen Indoor-Surfen vorzustellen. Natürlich ist auch das Erfolgsszenario möglich. Doch auch das ist gefährlich. Denn erfolgreiches Entertainment wird schonungslos kopiert, wie der aktuelle Kino-Standard offenbart. Ist das Entertainment hingegen zu verrückt, erfreut das die Nische, aber nicht die Masse. Und man verfehlt die Chance, einen echten Frequenzbringer zu erzeugen. Solche Frequenzbringer für die Shoppingcenter der Zukunft müssen stabil, massentauglich und relevant sein. Macht es für Shop- ping-Center Sinn, im Hamsterrad des Entertainment-Wettbewerbs weiter zu strampeln? Langeweile kommt bei jeder Unterhaltung frü- her oder später auf – aber Nutzen bleibt attraktiv. Wie wäre es, das Problem deshalb grundsätzlich anders zu denken: Weg von noch mehr Entertainment und hin zu den Bedürfnissen der Menschen. Mit dem Ansatz, die Shopping-Besucher durch Nützlich- keit zu bestechen. Kurz, aus dem Supermarkt der Zukunft ein Schweizer Sackmesser zu machen. Die neue Nützlichkeit könnte konkret so aussehen, wie der folgende 6-Punkte-Plan skizziert: 1. Leerflächen als Coworking Spaces Hiesige Shopping-Center könnten leerstehende Ladenflächen zu temporären Coworking Spaces umgestalten. Eine Umnutzung die funktioniert, wie erste Beispiele in Amerika und Asien zeigen (Char- dukian, 2018). Denn hierzulande nimmt die Zahl der Coworking Spa- ces wegen der anhaltend hohen Nachfrage laufend zu (Auf der Maur, 2017, S.8). Gleichzeitig ist gemäss dem Shopping-Center Marktreport 2017 in den kommenden Jahren mit einem Ladenflä- chen-Leerstand von bis zu 25% zu rechnen (Stoffel, 2017, S. 52). Die Nutzer solcher temporären Coworking Spaces würden von einer gu- ten Verkehrsanbindung, langen Öffnungszeiten und Einkaufs- sowie Verpflegungsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe profitieren. 2. Notfall-Walk-In Praxis für Nicht-Notfälle Immer mehr Personen ohne Hausarzt suchen die Notfall-Stationen der Spitäler auf – gemäss Beobachter-Recherchen oftmals wegen Bagatellen (Maier & Müller, 2015). Die traditionelle Hausarzt-Bezie- hung wird zunehmend durch den Instant-Arztbesuch abgelöst. So hat sich beispielsweise die Anzahl von behandelten Patienten in der 07 Notfall-Abteilung des Universitätsspitals Zürich zwischen 1996 bis
2016 verdoppelt (Aschwanden, 2017), was wiederum die Kosten explodieren lässt. Um diesem neue Patientenverhalten zu entspre- chen, entstehen laufend neue Permanence-Praxen an gut frequen- tierten Orten, wie beispielsweise das «Arzthaus» am Bahnhof Zug (Benedetti, 2017). Shopping-Center wären. Standort prädestiniert: Mit einer Walk-In Praxis liessen sich Shopping und Arztbesuch – im Bagatellnotfall, zu Kontrollen oder zum Impfen – speditiv und kostengünstig kombinieren. Bereits gibt es erste ähnliche Beispiele in der Schweiz: So eröffnete das Einkaufszentrum Glatt in Zusam- menarbeit mit dem Kantonsspital Winterthur im vergangenen Jahr ein Fachärztezentrum, in dem neben Sprechstunden sogar kleinere Eingriffe möglich sind (Medinside, 2017). Dies ist jedoch keine Walk- In Praxis – Patienten werden den 28 Spezialisten vorab zugewiesen (Medinside, 2017). 3. Paketstation und Abhol-Station mit Ankleideraum Das angepasste Konsumverhalten und der florierende Online-Han- del führten in der jüngsten Vergangenheit wiederholt zu Rekorden bei den Paket-Abwicklungen auf Seiten der Post (Bühlmann, 2018). Dies erhöht den Bedarf an Zugangspunkten für den Konsumenten – neue Abholstationen entstehen (Post, k.D.). Hier bietet sich eine Chance für Shopping-Center, um als kundenfreundlicher HUB zwischen Online- und Offline-Handel zu fungieren: Mit Post- Paketstationen in Shopping-Centern, die zusätzlich mit Ankleide räumen ausgestattet sind. Der Zentrums-Besucher könnte in den Ankleideräumen seine Online-Einkäufe bequem anprobieren und ungewünschte Stücke gegebenenfalls direkt retournieren. Und beim anschliessenden Flanieren durch die anliegenden Shops besteht die Chance, dass er seine Online-Einkäufe mit spontanen Offline-Einkäufen kombiniert. 4. Regionaler One-Stop-Shop der öffentlichen Hand Ob Wohnsitzbestätigung, Steuerauszug oder andere Anliegen – der persönliche Gang an verschiedene Schalter ist in den meisten Gemeinden – je nach Situation – nötig. Das New Public Manage- ment-Konzept des One-Stop-Shops versucht diese Praxis kunden- freundlicher zu gestalten und kombiniert alle kommunalen Ämter an einer zentralen Anlaufstelle (Schedler & Proeller, 2011, S. 131). Die- ses Konzept liesse sich je nach Region direkt in Shopping-Centern anwenden: An einem regionalen One-Stop-Shop im Shopping- 08 Center könnten Personen aus der Region ihre Anliegen platzieren.
Die Gemeinden wären gemeinsam mit einem multifunktionalen Regio-Schalter präsent. Die Kunden würden zudem von den ver- gleichsweise längeren Öffnungszeiten profitieren und könnten sich so den Gang zur Gemeindeverwaltung ersparen. 5. Öl- und Reifenwechsel statt nur Parkieren Gemäss Googles Berechnungen verbringen Besucher durchschnitt- lich zwischen 45 Minuten und 2.5 Stunden in der Mall of Switzerland (Google, k. D.). Das Auto steht während dessen unbenutzt auf dem Parkplatz – diese Zeit könnte auch für gewisse Service-Leistungen genutzt werden. In Zusammenarbeit mit Garagen könnten gewisse Parkplätze umfunktioniert werden, sodass das Auto während dem Einkauf vom Fachmann gewartet wird und danach aufgefrischt zur Abfahrt bereitsteht. 6. Dachterrassen für kleine Ferien und neue Perspektiven Und wenn doch ein bisschen Entertainment, dann das: Öffnet die Dächer für alle Time-Out-Bedürftigen. Denn auf vielen Shop- ping-Centern ohne Solaranlagen oder Dach-Parkplätzen liegt das Land auf dem Dach quasi brach. In den Städten wären grosse Dachterrassen auf Shopping-Centern willkommene Ausweichplätze zu den überfüllten Grünflächen. Und auf dem Land wäre die Aussicht auf Berge und Natur Erholung pur. Alle sechs Vorschläge haben eines gemeinsam: Sie liefern keinen Service, um des Service‘ willen. Sondern richten sich nach den Bedürfnissen der Shopping-Center-Besucher. Mit diesem Aus- gangspunkt lassen sich Dienstleistungen gestalten, die gefragt sind. Den Schweizer Shopping-Centern bietet sich so die Chance, für reale Lebendbedingungen Hand zur Lösung zu bieten. Und als ganzheitlicher Nutzbringer in Erscheinung zu treten: Die Mall der Zukunft wird zum Ort, an dem ich als Kunde alle meine ToDos erle- digen kann. Heisst konkret: Weniger Welle, mehr Sackmesser. Das schafft funktionale Attraktivität und macht den Unterschied. Die Pa- ketstation mit Ankleideraum mag weniger verrückt und geradezu langweilig im Vergleich zur ersten Schweizer Indoor-Surfwelle da- herkommen. Aber sie bringt mit, auf was es den Kunden letztlich ankommt: Effektiven Mehrwert. 09
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2 . Rang MORITZ TISCHER Doktorand Universität Mannheim 12
IT’S ALL ABOUT EXPERIENCE Customer Experience Management als Ansatzpunkt zur Differenzierung für das Einkaufszentrum von morgen Einleitung Die weltweite Konjunktur ist im Aufschwung (IMF 2018) und die Urbanisierung ein global beobachtbares Phänomen (GSH 2018). Trotz allem weißen der Einzelhandel und insbesondere große Shop- ping-Malls nicht die Umsatzentwicklungen der Onlinekonkurrenz auf, sind teilweise gar rückläufig (z. B. EHI 2018a; Happel 2014; Ohanian 2017; RegioDaten Research 2016). Die Fragen, die sich des- halb stellen sind (1), warum schaffen es große Shopping-Malls trotz positiver Rahmenbedingungen nicht die Kundenbedürfnisse zu befriedigen und (2), wie müssen zukünftig Konzepte für Einkaufs- zentren ausgestaltet sein, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu sein? Die Customer Experience Ökonomie Die Mehrwertgenerierung für den Konsumenten im Handel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einem massiven Wandel unterzo- gen (siehe Abbildung 1). Waren nach dem Zweiten Weltkrieg haupt- sächlich die Produktqualität und der Produktpreis Basis der Kauf- entscheidung und somit der Kaufstättenwahl, traten durch die zunehmende Globalisierung des Warenhandels Anfang der 70er Jahre zusätzlich die Breite und Tiefe des Produktportfolios für den Kunden in den Vordergrund der Kaufentscheidung. Eine für den Kunden steigende Auswahlmöglichkeit an Einzelhändlern und Pro- dukten lässt Ende der Achtziger Jahre dann die Relevanz von Add- on Services (z. B. Wartungs-/Reparaturservices, Kundenkarten etc.) wichtiger werden. Seit Anfang der Zweitausender Jahre und we- sentlich durch Unternehmen der New Economy getrieben, steht für den Kunden heute das gesamtheitliche Erlebnis, die sog. «Experi- ence» im Vordergrund der Kaufstättenwahl (vgl. Banken 2007; Blank 2004; EHI 2018b; HDE 2017). Der Wettbewerbsvorteil, der sich aus 13 einer ganzheitlichen Ausrichtung aller Geschäftsprozesse an dem
Kundenerfahrungsmanagement ergibt, zeigt sich eindrucksvoll an den heute fünf wertvollsten Unternehmen der Welt: Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook sind allesamt Digitale Natives, in dessen Kern-DNA und alltäglichem Handeln der Fokus auf die2 Customer Experience tief verankert ist (EY 2017). Microsoft, Amazon und Facebook sind allesamt Digitale Natives, in dessen Kern- DNA und alltäglichem Handeln der Fokus auf die Customer Experience tief verankert Abbildung 1: Differenzierungsvorteil im Einzelhandel über den ist (EY 2017). Zeitverlauf Abbildung 1: Differenzierungsvorteil im Einzelhandel über den Zeitverlauf Das Konzepte der Customer Experience Das Konzepte der Customer Experience In der Literatur wird die Customer Experience als ganzheitliches und multidimensionales Konstrukt verstanden, welches die sen- In der Literatur wird die Customer Experience als ganzheitliches und sorischen, affektiven, kognitiven, physischen und sozialen Erfah- multidimensionales Konstrukt verstanden, welches die sensorischen, affektiven, rungen eines Kunden mit einem Produkt, einer Marke oder einem kognitiven, physischen und sozialen Erfahrungen eines Kunden mit einem Produkt, Unternehmen über die gesamte Kundenreise (Customer Journey) einer Marke oder einem Unternehmen über die gesamte Kundenreise (Customer hinweg umfasst (Lemon & Verhoef 2016). Die Customer Journey Journey) hinweg umfasst (Lemon & Verhoef 2016). Die Customer Journey beinhaltet beinhaltet dabei alle direkten und indirekten Kundenkontakt dabei alle direkten und indirekten Kundenkontaktpunkte (Touchpoints), die ein Kunde punkte (Touchpoints), die ein Kunde in den einzelnen Zyklen der in den einzelnen Zyklen der Kaufphasen – Vorkauf, Kauf, Nachkauf – durchläuft Kaufphasen – Vorkauf, Kauf, Nachkauf – durchläuft (Lemke et al. (Lemke et al. 2011). Gesetzte Referenzwerte und Vergangenheitserfahrungen des 2011). beeinflussen Kunden Gesetzte das Referenzwerte wahrgenommeneund Vergangenheitserfahrungen Erlebnis, weshalb die Erzeugung von des Kunden positiven beeinflussen Kundenerfahrungen das wahrgenommene ein aktives Customer ExperienceErlebnis, Management weshalb die Erzeugung von positiven Kundenerfahrungen ein aktives erfordert (Homburg et al. 2017). Dies beinhaltet eine kundenzentrierte Ausrichtung Customer Experience Management erfordert (Homburg et al. 2017). Dies beinhaltet eine kundenzentrierte Ausrichtung aller 14 Unternehmensaktivitäten sowie die Einnahme einer Outside-In-
Perspektive: «You have to start with the customer experience and work back toward the technology – not the other way round» - Steve Jobs. Megatrends als Chance der Customer Mall Experience Aktuell aufkommende gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen, auch Megatrends genannt, führen zu nachhaltigen Veränderungen unserer Lebensweise. So leben beispielsweise auf- grund der fortschreitenden Urbanisierung heute erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land (Zukunftsinstitute 2018). Diese Entwicklung bildet auf den ersten Blick eine ideale Grundlage für zukünftige Shopping-Malls in Ballungszentren. Gleichwohl sind die Kosten (z. B. Mietkosten, Personalkosten etc.) sowie die Konkurrenz durch den Einzel- und Onlinehandel in diesen Regionen besonders hoch. Um sich zukünftig nachhaltig vom Wettbewerb differenzieren zu können, gilt es des- halb die für Shoppingcenter relevantesten Megatrends zu identifi- zieren und diese im Sinne einer optimalen Customer Experience auszugestalten. Im Folgenden werden deshalb die für Mall-Betrei- ber fünf wichtigsten Megatrends - Seamless Commerce, Data Era, Attention Economy, Individualisierung und Sustainability - aufgegrif- fen und die jeweils aus den einzelnen Megatrends resultierenden Erfolgschancen identifiziert (In Anlehnung an Trend Book 2018 – Das Zukunftslexikon der wichtigsten Trendbegriffe, TRENDONE GmbH). Die einzelnen Megatrends und die dazugehörigen Subtrends sind dabei nicht autark auszugestalten, sondern gilt es vielmehr die gegenseitige Abhängigkeit zu verstehen und zu berücksichtigen. Seamless Commerce Auf Pinterest ein Produkt entdecken, stationär im Handel testen, bei Amazon online bestellen, zur Abholstation schicken lassen, und im Anschluss die Erfahrungen auf Facebook teilen - dies ist in der heutigen Zeit keine ungewöhnliche Customer Journey. Die Grenzen zwischen E-Commerce und stationärem Handel verschwinden zunehmend. Für Mall-Betreiber ergeben sich hieraus drei wesentli- che Erfolgschancen. 1 Omnichannel Management: Kunden möchten sich heute nicht auf einen Informations- oder Vertriebskanal beschränken, sondern vielmehr mehrere Kanäle parallel nutzen. Für Mall-Betreiber gilt es 15 deshalb über alle Kanäle hinweg mit möglichst vielen eigenen
Touchpoints vertreten zu sein, um eine nahtlose Customer Experi- ence zu ermöglichen. Dies umfasst für Mall-Betreiber neben klassi- schen stationären auch online Touchpoints. Mall-Betreiber müssen deshalb zukünftig auch eine verstärkte Onlinepräsenz besitzen. Dies kann beispielsweise neben Social-Media-Aktivitäten auch eine eigene App, einen Onlineshop oder die Zusammenarbeit mit loka- len oder überregionalen Influencern umfassen. Des Weiteren müs- sen Mall-Betreiber Leistungen anbieten, die On- und Offlinekanäle miteinander verknüpfen (Bricks & Clicks). Dies beinhaltet beispiels- weise die Möglichkeit Produkte online bestellen zu können und sich diese in die entsprechende Mall liefern zu lassen, um keine Ver- sandkosten zu bezahlen. Aber auch Produkte stationär zurückge- ben, Produkte per QR-Code stationär zu bestellen, oder in der Mall gekaufte Produkte sich gebündelt nach Hause senden lassen zu können. 2 Ökosystem Management: Die Zahl der möglichen Kanäle und Kundenkontaktpunkte steigt rasant (Lemon & Verhoef 2016). Anbie- ter stellt dies vor eine besondere Herausforderung, da die Customer Experience sich nicht aus autarken Kundenerlebnissen, sondern aus der Summe der individuellen Kundenkontaktpunkte zusammen- setzt. Für Mall-Betreiber ist es deshalb besonders relevant, dass Einkaufszentren als ganzheitliche Ökosysteme verstanden und ent- sprechend gemanagt werden. Die gesamtheitliche Kundenerfah- rung eines Einkaufcenters setzt sich schließlich aus den individuel- len Kundenkontaktpunkten der jeweiligen Shops, Restaurants, Filialen etc. innerhalb der Mall zusammen. Dies bedeutet, dass ein- zelne Anbieter innerhalb eines Centers nicht autark agieren dürfen, sondern zentrale Kommunikationskanäle und Leistungen übergrei- fend genutzt und angeboten werden müssen. Dies beinhaltet bei- spielsweise in einer Mall angebotene Rabatt- oder B onusprogramme, umfasst aber auch das einheitliche Auftreten und Servicelevel von Mitarbeitern und Dienstleistern. 3 Mobile Management: Das Allzweckwerkzeug Smartphone ist für viele Menschen längst ein treuer Alltagsbegleiter. Das Marktfor- schungsinstitute Tecmark hat ermittelt, dass Personen ihr Smart- phone durchschnittlich über drei Stunden pro Tag nutzen und es dazu über 220 mal in die Hand nehmen (Tecmark, 2017). Für Mall- Betreiber bietet dieses Verhalten eine gute Ausgangslage um On- 16 und Offlinewelt miteinander zu verknüpfen und dadurch zu einer
nahtlosen Customer Experience beizutragen. Gleichzeitig kann das Smartphone in einer Mall unterstützend und als zentrales Herzstück zur Steuerung des Ökosystems «Mall» herangezogen werden. Das mallweite Anbieten von Mobile-Payment, bietet dem Kunden beispielsweise die Möglichkeit Kaufvorgänge unkompliziert und transparent durchzuführen. Die Nutzung von NFC-Technologie oder Barcodescans können dafür die Grundlage bieten. Die Übermittlung von Push-Up-Nachrichten innerhalb der Mall kann gleichzeitig zur Kapazitäts- und Absatzoptimierung herangezogen werden. Durch spielerische mobile Elemente (Gamification) können zudem Anreize für Kunden geschaffen werden, neue Bereiche und Geschäfte in einer Mall für sich zu entdecken. Attention Economy Die Zahl an auf den Kunden einwirkenden Informationen ist in den letz- ten Jahren exponentiell gestiegen – es existiert eine Reizüberflutung und klassische Webebotschaften von Einzelhändlern gehen verloren (Absatzwirtschaft, 2015). Für die Customer Experience von Mall-Betrei- bern ergeben sich hieraus zwei wesentliche Erfolgschancen. 1 Participation Management: Klassische Werbung weicht der Geschichte und Werbebotschaften dem Dialog, Kunden wollen heute mitbestimmen und Einfluss nehmen. Kunden müssen des- halb von Mall-Betreibern in ihre Aktivitäten und Entscheidungen eingebunden werden. Dies kann beispielsweise durch die (Online-) Abstimmung von Kunden über die Eröffnung von temporären Pop- Up-Stores, oder die Durchführung von Events wie einem Tischtennis- turnier oder einem Konzert innerhalb des Einkaufszentrums erfolgen. 2 Experiental Management: Das Kundenerlebnis mit allen fünf Sinnen ist ein zentraler Vorteil des stationären Einzelhandels gegen- über dem Onlinehandel und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies umfasst beispielsweise das storespezifische Abspielen von Musik (hören), die Möglichkeit Produkte vor Ort zu verköstigen (schme- cken), den Einsatz von Duftmarketing (riechen), die Möglichkeit Pro- dukte vor Ort testen zu können (fühlen), oder den Einsatz von Virtual Reality um Umgebungen wie Urlaubsregionen zu simulieren (sehen). Individualisierung Globalisierung und die digitale Vernetzung haben die Möglichkeiten 17 der Selbstverwirklichung in den letzten Jahre vervielfacht. Auf der
Suche nach Individualität haben vor allem junge Menschen heute immer stärker das Bedürfnis, sich von ihren Mitmenschen abzugren- zen – auch durch den Konsum. Für die Customer Experience von Mall-Betreibern ergeben sich hieraus zwei zentrale Erfolgschancen. 1 Lifestyle Management: Der individuelle Lebensstil ist ein Vehikel zur Sicherung der eigenen Identität. Immer mehr Menschen versu- chen ihrem Lebensstil durch eine spezielle Lebensweise in Subkul- turen Geltung zu verleihen, sei es die Gruppe der Menschen, die sich dazu entschließen als Singles in einem Einpersonenhaushalt zu leben, oder die Gruppe der Menschen, die sich auf eine gesunde und bewusste Lebensweise fokussieren. Für Mall-Betreiber erge- ben sich somit neue Märkte rund um individuelle Geschmäcker und Lebensweisen. Mall-Betreiber müssen durch ihr Produktportfolio aber auch ihre Kundenansprache versuchen die individuellen Lebenswelten ihrer Zielgruppen zu adressieren. Dies kann beispiels weise durch wechselnde Pop-Up-Stores geschehen, die durch ihr Konzept gezielt die Bedürfnisse einzelner Subkulturen adressieren und gleichzeitig durch ihren temporär limitierten Charakter das kun- denseitige Gefühl der Individualität unterstützen. 2 Personal-Design Management: Die eigene Schokolade, die selbst gestalteten Sneakers oder Spielzeug nach den eigenen Vor- stellungen gestalten. Die Kreation und der Besitz hochindividuali- sierter Produkte wird zunehmend zum neuen Statussymbol und verschafft dem Individuum ein Gefühl der gelebten Einzigartigkeit. Für diese Individualität sind Kunden bereit einen deutlich höheren Preis zu bezahlen (KPMG, 2017). Mall-Betreiber müssen deshalb die- se Chance nutzen und für den Kunden Möglichkeiten der Produktin- dividualisierung schaffen. Dies kann durch modulare Geschäftskon- zepte erfolgen, die es dem Kunden ermöglichen sich ein Produkt nach den individuellen Bedürfnissen aus einzelnen Bestanteilen zusammenzustellen, wie das eigene Müsli oder den eigenen Tee. Aber auch durch Konzepte die eine Modifikation von Produkten nach individuellen Kundenwünschen ermöglichen, wie die individu- elle Gestaltung von Fashionprodukten oder der Einsatz von 3-D-Dru- ckern für die Erstellung von Kaffeedosen oder Handyhüllen. Sustainability Im Duden wird Nachhaltigkeit als ein Prinzip beschrieben, nach dem 18 nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, rege-
nerieren, zukünftig wieder bereitgestellt werden kann. Dieses Dogma der Nachhaltigkeit boomt wie nie zuvor – Nachhaltigkeit ist heute ästhetisch, genussorientiert und macht Spaß. Begriffe wie Umweltfreundlichkeit, Regionalität, Saisonalität oder Fairness prä- gen die Werbung. Für die Optimierung der Customer Experience von Mall-Betreibern ergeben sich hieraus zwei zentrale Erfolgs- chancen. 1 Alternativ Management: Ob Sojawürstchen, Eier aus pflanzli- chen Zutaten oder Algen aus dem Bio-Drucker, alternative Ernäh- rungsformen wie der Veganismus sind zwischenzeitlich fester Be- standteil unserer Gesellschaft und finden immer stärkeren Anklang. Konsumenten sind zunehmen für Themen wie Tierschutz oder Lebensmittelknappheit sensibilisiert. Mall-Betreiber müssen deshalb Bestandteile ihres Produkt- und Serviceportfolios aber auch ihrer Kommunikationsstrategie auf diese Entwicklung ausrichten. So kön- nen beispielsweise Produkte aus einem eigenen Urban Gardining Projekt in der Mall vertrieben werden oder Restaurantkonzepte ent- wickelt werden die ausschließlich Gerichte aus alternativen Produk- ten verkaufen. 2 Ethical Management: Kaufentscheidungen avancieren zum Statussymbol. Der bewusste Konsum entwickelt sich zum Abgren- zungsmerkmal. Ein nach moralischen Gesichtspunkten vertretbarer Konsum soll ohne großen Aufwand ermöglicht werden. Mall-Betrei- ber müssen deshalb den ethischen Konsum bewusst durch einzel- ne Maßnahmen adressieren, indem beispielsweise die CO2-Bilanz eines Shoppingcenters durch eigene Solarpanels, die Auslieferung von Bestellungen per Elektrofahrzeugen oder Recyclingmöglich- keiten für Elektroprodukte reduziert wird. Gerade der Aspekt der CO2-Bilanz ist ein wesentlicher Vorteil des stationären Handels gegenüber der Onlinekonkurrenz, welchen es öffentlichkeitswirk- sam zu adressieren gilt. Data Era In einer digitalen Welt werden Daten zu einem wichtigen Wettbe- werbsvorteil. Ob durch Kundenkarten, Smartphones oder Geräten des IoT, die Zahl der erzeugten Daten steigt exponentiell. Die intelli- gente Nutzung dieser Daten ist dabei eine der zentralen Herausfor- derungen des 21. Jahrhunderts. Für Mall-Betreiber ergeben sich 19 hieraus zwei zentrale Erfolgschancen.
1 Touchpoint Management: Kunden wünschen auf ihre individu- ellen Bedürfnisse und Lebenssituation zugeschnittene Touchpoints. Trotzdem werden 59 Prozent der durch den Einzelhandel stationär durchgeführten Werbemaßnahmen vom Kunden als irrelevant empfunden (Jarrah, 2017). Durch Sensoren und mit dem Internet verbundenen Geräten hinterlassen Kunden einen virtuellen Ab- druck ihres Selbst. Diese Puzzleteile gilt es für Mall-Betreiber zu- sammenzufügen und daraus kundenspezifische Touchpoints zu er- zeugen. Dies kann beispielsweise durch die Identifikation des Kunden im Shoppingcenter geschehen, um die Werbeansprache auf digitalen Billboards geschlechtsspezifisch zu gestalten. Eine weitere Möglichkeit ist die Identifikation von Kunden durch mobile Endgeräte, um dem Kunden den Bedürfnissen entsprechende An- gebote Zuhause oder vor Ort per Push-Up-Nachricht zu übermit- teln. Diese Kundenidentifikation kann auch herangezogen werden, um dem Kunden in der Mall über digitale Preistags der individuellen Zahlungsbereitschaft entsprechende Preise auszugeben. 2 Business Process Management: Kunden wünschen sich neben Komfort heute auch Flexibilität und Tempo beim Einkauf. Letztere beiden Punkte kann der Onlinehandel dem Kunden bieten. Der stationäre Einzelhandel dagegen hat häufig mit Aspekten wie lan- gen Warteschlangen und für den Kunden undurchsichtigen Pro- duktplatzierungen zu kämpfen (Jarrah, 2017). Also jenen Faktoren, die einen schnellen und flexiblen Einkauf hemmen. Für Mall-Betrei- ber ist es deshalb eine Notwendigkeit, Daten auch im stationären Handel zur Prozessoptimierung heranzuziehen, um die Customer Experience zu erhöhen. So kann beispielsweise die Erfassung von Besucherströmen genutzt werden, um die ideale Platzierung von Regalen zu ermitteln, oder um Wartezeiten für den Kunden zu opti- mieren, indem Besucherströme gesteuert oder Wartezeiten für Re- staurants, Kassen oder den Bankbesuch digital angezeigt werden. Auch ist es unabdingbar, dass auf Daten basierende Technologien im Einzelhandel zum Einsatz kommen und nicht darauf gewartet wird, bis ursprüngliche Pure Player mit Konzepten wie Amazon Go dem klassischen Einzelhandel aufzeigen wie stationäres Einkaufen im 21. Jahrhundert eigentlich aussehen sollte. 20
Den Kunden Verstehen – Customer Journey Mapping zur Optimie- rung der Mall Experience Eine Optimierung der Customer Experience ist nur dann möglich, wenn der Kunde und die Gründe seines Handelns verstanden wer- den (siehe Abbildung 2). 10 Abbildung 2: Customer Journey Mapping der Mall Experience Beispielhaftes Customer Journey Mapping Eine geeignete Methode um Kundenbedürfnisse zu verstehen ist es Prozesse aus der Kundenperspektive über alle Touchpoints vom Erstkontakt bis zum Verkaufsabschluss und darüber hinaus zu durchlaufen und grafisch darzustellen (Customer Journey Mapping). Durch Kundenbefragungen, Fokusgruppen, Tiefeninterviews oder der Analyse von Kundendaten können zusätzliche Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Touchpoints innerhalb der Customer Journey besonders wichtig für den Kunden sind (Moments of Truth). Die erlebte Wahrnehmung und Relevanz der Touchpoints gilt es aufzugreifen und vor dem Hintergrund der identifizierten Megatrends für eine Optimierung der Mall 21
Eine Optimierung der Customer Experience ist nur dann möglich, wenn der Kunde und die Gründe seines Handelns verstanden werden (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Customer Journey Mapping der Mall Experience Segment: Geschäftstätige Alter: 25-55 Jahre Geschlecht: Gemischt Einkaufstag: Werktags Einkaufszeit: 11:30 – 14:00 Uhr Fokus des Einkaufs: Effektivität und Effizienz Beispielhaftes Customer Journey Mapping Eine geeignete Methode um Kundenbedürfnisse zu verstehen ist es Prozesse aus der Kundenperspektive über alle Touchpoints vom Erstkontakt bis zum Verkaufsabschluss und darüber hinaus zu durchlaufen und grafisch darzustellen (Customer Journey Mapping). Durch Kundenbefragungen, Fokusgruppen, Tiefeninterviews oder der Analyse von Kundendaten können zusätzliche Erkenntnisse da- rüber gewonnen werden, welche Touchpoints innerhalb der Custo- mer Journey besonders wichtig für den Kunden sind (Moments of Truth). Die erlebte Wahrnehmung und Relevanz der Touchpoints gilt es aufzugreifen und vor dem Hintergrund der identifizierten Megat- rends für eine Optimierung der Mall Experience heranzuziehen. Da- bei ist es wichtig das Customer Journey Mapping nicht aggregiert über alle Kunden, sondern segmentspezifisch durchzuführen. Kun- denbedürfnisse und die daraus abgeleitete ideale Customer Expe- rience sind nämlich nicht homogen, sondern unterscheiden sich 22 wesentlich zwischen einzelnen Segmenten. Als Beispiel sei ein Kun-
de erwähnt, der in unmittelbarer Umgebung zur Mall arbeitet und die Mall in seiner Mittagspause aufsucht um zu essen und um mög- lichst viele Besorgungen zu erledigen. Die ideale Customer Experi- ence ist hier wesentlich auf eine effektive und effiziente Abwicklung des Besuchs fokussiert. Für einen Kunden, der im ländlichen Ein- zugsgebiet der Mall wohnt und diese am Wochenende besucht, sind die Kundenbedürfnisse dagegen völlig andere. Das gesamt- heitliche Unterhaltungs- und Einkaufserlebnis stehen für den Kun- den hier im Vordergrund und sollte entsprechend adressiert werden. Zusammenfassung Um Einkaufszentren gegenüber dem Onlinehandel und anderen Einzelhändlern nachhaltig wettbewerbsfähig aufzustellen, gilt es auf Basis aufkommender gesellschaftlicher Entwicklungen (Megat- rends) gesamtheitliche und auf die Customer Experience fokussier- te Konzepte zu entwickeln. Grundvoraussetzung ist die Einnahme einer kundenzentrierten Outside-In-Perspektive aller Unterneh- mensaktivitäten. Ein auf Kundensegmenten basiertes Customer Journey Mapping kann hierbei helfen, den Kunden und dessen Be- dürfnisse besser zu verstehen und bildet den Ausgangspunkt einer systematischen Optimierung der Mall Experience. 23
Quellen: Absatzwirtschaft (2015): Die Studien der Woche: Werbewirkung, Budgeter- höhung und Internetnutzung, verfügbar unter: http://www.absatzwirtschaft. de/die-studien-der-woche-werbewirkung-budgeterhoehung-und-internet- nutzung-62831/, abgerufen am 10.04.2018. Banken, Ralf (2007): Die quantitative Entwicklung des bundesdeutschen Einzelhandels 1949-2000, verfügbar unter: https://histat.gesis.org/histat/de/project/download/954E550F8FD- 24FEA5C5172B84B 024E5D, abgerufen am: 04.04.2018. Blank, Oliver (2004): Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland – Der Beitrag des Gebietsmarketings zur Verwirklichung einzelhandelsbezogener Ziele der Raumordnungspolitik, Springer Fachmedien, Wiesbaden. EHI (2018a): Shopping-Center-Report, verfügbar unter: http://www. shopping-center-report.de/#/information, abgerufen am: 04.04.2018. EHI (2018b): Shopping-Center: Neuer Anstrich und mehr Service, verfügbar unter: https://www.ehi.org/de/pressemitteilungen/shopping-center-neu- er-anstrich-und-mehr-service/, abgerufen am: 10.04.2018 EY (2017): Marktkapitalisierung 2017, verfügbar unter: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-marktkapitalisierung-de- zember-2017-top-300/$FILE/ey-marktkapitalisierung-dezem- ber-2017-top-300.pdf, abgerufen am: 16.03.2018. GSH (2018): GHSL city centres database, verfügbar unter: http://ghsl.jrc.ec.europa.eu/ccdb2016Overview.php, abgerufen am: 15.03.2018. Happel, Stephan (2014): Einkaufszentren in der Krise, verfügbar unter: https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/shopping-center-einkaufszent- ren-in-der-krise/9804602.html, abgerufen am: 25.03.2018. HDE (2017): HDE-Zahlenspiegel 2017, verfügbar unter: https://www.einzelhandel.de/publikationen-hde/zahlenspiegel, abgerufen: 10.02.2018. Homburg, Christian, Danijel Jozić, and Christina Kuehnl (2017): Customer experience management: toward implementing an evolving marketing concept, Journal of the Academy of Marketing Science, Volume 45, Issue 3, S. 377-401. IMF (2018): World Economic Outlook Update January, verfügabr unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197039/umfrage/veraende- rung-des-weltweiten-bruttoinlandsprodukts/, abgerufen am: 13.03.2018. 24
Jarrah, Katherina (2017): Studie: Stationärer Handel sorgt für frustrierte Verbrauche, verfügbar unter: https://www.capgemini.com/de-de/news/ studie-stationaerer-handel-sorgt-fuer-frustrierte-verbraucher/, abgerufen am 10.04.2018. KPMG (2017): Consumer Barometer Ausgabe 2/2017 - Thema: Jetzt wollen alle personalisierte Produkte, verfügbar unter: https://home.kpmg.com/de/de/home/themen/2017/06/consumerbarome- ter-2-2017-produktindividualisierung.html, abgerufen am: 26.03.2018. Lemke, Fred, Moira Clark, and Hugh Wilson (2011): Customer experience quality: an exploration in business and consumer contexts using repertory grid technique, Journal of the Academy of Marketing Science, Volume 39, Issue 6, S. 846-869. Lemon, Katherine N. and Peter C. Verhoef (2016): Understanding Customer Experience Throughout the Customer Journey, Journal of Marketing, Volume 80, Issue 6, S. 69-96. Ohanian, Mathias (2017): Shopping-Center verlieren halbe Milliarde Umsatz, verfügbar unter: https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/shop- ping-center-verlieren-halbe-milliarde-umsatz-1396281, abgerufen am: 16.03.2018 RegioDaten Research (2016): Europa: Shopping Center Industrie schrumpft auf ein Drittel, verfügbar unter: http://www.regiodata.eu/de/news/1018-euro- pa-shopping-center-industrie-schrumpft-auf-ein-drittel, abgerufen am: 25.03.2018. Tecmark (2017): Tecmark survey finds average user picks up their smartphone 221 times a day, verfügbar unter: http://www.tecmark.co.uk/smartphone-usa- ge-data-uk-2014/, abgerufen am. 01.04.2018. Zukunftsinstitute (2018): Megatrend Urbanisierung, verfügbar unter: https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-urbanisierung/, abgerufen am: 03.04.2018. 25
3 . Rang MARIUS SPECHT Bachelorstudent Zeppelin Universität 26
«FRAU MAYER, WIE GEHT ES IHNEN?» Ein Essay über die Zukunft des Einkaufszentrums Frau Mayer, wie geht es Ihnen? Diese Frage kann mir auch ein Algorithmus stellen. Herr Specht, wie geht es Ihnen heute? Der feine Unterschied zwischen Maschine und Mensch ist aber: Der Mensch kann in der Tat an meinem Befinden interessiert sein. Die Maschine nicht, niemals. Wozu auch? Einkaufen im Jahr 2018 hat sich enorm gewandelt. Der Einzelhandel hat nicht nur mit der zunehmenden Online-Konkurrenz, Billig produkten aus Fernost oder dem immer schneller werdenden Warenfluss zu kämpfen – er kämpft auch maßgeblich um seine wahre DNA und damit seine wahre Existenz. Welche DNA? Welche Existenz? Als meine Großmutter meiner Cousine ihr übergroßes Zalando- Paket überreicht, da sie den Tag über nicht zu Hause war, stellt mei- ne Oma eine simple wie absolut zutreffende Frage: «Sag mal Kind, macht denn Einkaufen so überhaupt Spaß?» Meine Cousine lächelt und verweist auf die mangelnde Zeit, die man nur hat, dass samstags die Innenstädte doch immer so voll sind und die Preise online sowieso viel günstiger sind. Dieser Moment verdeutlicht wie Generationen über das Thema «Einkaufen» nach- denken. Oma war bedrückt als sie hörte, dass der Karstadt in der Innenstadt zum Ende des Monats schließen wird. Zu wenige Kun- den, zu wenig Umsatz. Das blanke Summenspiel des Controllings, dass dieser Standort nicht mehr «rentabel» sei. Mit einem Minus vor der Endsumme geht eine weitere Kaufhaus-Instanz, wenn auch nur eine Niederlassung, seinem sicheren Ende entgegen und wird Wochen später, leer und unbeleuchtet als nacktes Kaufhaus in der Innenstadt zurückbleiben. Oma fühlte mit den lieben Mitarbeiterin- nen, die doch jeden Tag so fleißig dort standen und so herzlich und umsorgend die Kundschaft bedienten. Besonders schön war es doch auch, den persönlichen Austausch zu pflegen. Ins Kaufhaus, also zum Beispiel zu Karstadt, ist man nicht eben rein und schnell wieder rausgegangen. Nein, es war ein allwöchentliches, festes gar 27 schönes Ereignis auf welches man sich freute. Das Kaufhaus fun-
gierte als sozialgesellschaftlicher Katalysator, als ein Treffpunkt, welcher ungezwungen und dennoch elegant war. Er ermöglichte eine beiläufige Plauderei für welche man sich nicht zwingend verab- reden musste, sie war ja beiläufig, und dennoch erwünscht wie erfüllend. Eigentlich total im Interesse der an Zeit ermangelnden heutigen Gesellschaft. Man konnte sich über die neusten Waren zur neuen Saison erfreuen und sich darüber austauschen. Und selbst wenn man nichts kaufte war es ein Gefühl der Inklusion, der gefühl- ten Teilhabe an Gesellschaft, Konsum und Kultur. Das alte Kaufhaus funktionierte vor allem durch Menschlichkeit, durch eine Emotion die nicht zu rekonstruieren ist. Entweder es gibt sie oder es gibt sie nicht. Was also kann die DNA eines Kaufhauses tatsächlich sein? Es steckt weit mehr dahinter. Die Dubai Mall ist mit ihren 350.000 qm Verkaufsfläche eines der absolut größten Einkaufszentren der Welt. Es bietet reichlich Beschäftigung für einen ganzen Tag. Es soll Menschen geben, die nur für das Shopping in die Wüstenmetropole reisen, dabei sind die Preise gar nicht so günstig wie alle immer vermuten. Auch hier fungiert die 2008 eröffnete Konsumkathedrale als sozial-gesell- schaftlicher Katalysator, allerdings nach anderem Muster und völlig anderen Rahmenbedingungen. Zum einen ist die Mall eine Notwen- digkeit. Im Hochsommer brennen auf die Wüstenstadt bis zu 50 Grad Celsius herunter. An einem öffentlichen Leben auf den Straßen ist da frühestens zum späten Abend zu denken. So ermöglicht die Mall geradezu erst ei- nen bürgerlichen Ort der Begegnung, eben unter einem Glasdach bei angenehmen Temperaturen. Das andere ist das Verlangen der Bevölkerung nach Konsum, Enter- tainment und Spaß. Dubai ist so unwirklich, dass man spätestens, wenn man den Rückflug antritt und in der Heimat wieder landet tatsächlich anfängt zu reflektieren wo man da gerade war. Die Dubai Mall trägt allein von ihrer Konstruktion und Aufmachung her ihren Teil dazu bei. In den Fußböden spiegeln sich die Einkaufstaschen, Kinder tollen umher, Promoter verteilen Flyer für Helikopterflüge oder neue Apartments in ebenso herzlosen Wohngegenden und lausche Jingle-Musik umgibt einen wohlumsorgt, als solle es einem hier wirklich gut gehen. Mit der Zeit fängt man an diese Angebote wie Helikopterflüge, Luxusapartments oder Ferrari-Vermietung zu akzeptieren, ja gar scheinbares Interesse aufzubringen. Man liest 28 dann eben genauer, dass das Mieten eines Ferraris ab 120 US-Dollar
die Stunde möglich ist. Man geht in sich und weiß doch eigentlich, dass es verrückt ist. Der in die Hand gedrückte Hochglanzprospekt lässt einen tatsächlich, und sei es nur für Sekunden die Überlegung anstrengen, wieso denn nicht eine Wohnung in Dubai kaufen? Wie- so nicht einmal die Stadt aus dem Helikopter heraus betrachten? Es beginnt die Identifizierung mit dem Waren- und Dienstleistungsan- gebot. Das interessante hier: es ist völlig anonym. An mir hat nie- mand Interesse. Die Promoter, die Verkäuferinnen und Verkäufer umwerben mich und ich sehe ihnen an, dass sie durch mich durch- blicken. Sie registrieren mich als Kunden, nicht als Menschen. Man würde mir hier alles, wirklich alles verkaufen wollen, ganz egal wer ich bin und wo ich herkomme. Da mir anzusehen ist, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Zentraleuropa stammen muss, ist es umso verlockender meine Mitbringseltüte mit Sachen zu stopfen, die ich nur hier, hier in Dubai, so faszinierend und besonders ansehe. Liegt der Hochglanzprospekt erst einmal auf meinem Wohnzim- mertisch zwischen ein paar Brotkrümeln und einem getrockneten Abdruck eines Weinglases auf dem Tisch, verliert all das an Wert und an Bedeutung. Was bleibt? Ein glitzernder Prospekt. Man fühlt sich nicht wahrgenommen, nichts ist persönlich, nichts war jemals persönlich. Diese Stadt und diese Mall haben nichts was einen emotional bindet. Sobald ich den Laden verlasse betreten fünf neue Menschen diesen Ort und ersetzen mich. Was bleibt von mir, dem Kunden? Kann nicht auch ich als Kunde dem Laden etwas zurückgeben? Was bleibt ist die Ersetzbarkeit, der Fakt, dass selbst ich, das Zielobjekt des Konsums beliebig ersetzbar bin. Wo liegt die Wurzel dieser Entwicklung? Wir bewerten heutzutage alles. Dieses Verfahren hat sich in den letzten Jahren, nur um es an dieser Stelle erwähnt zu haben, ebenso auf unser privates Leben übertragen. Wir werden überall nach unse- rer Meinung und unserem Empfinden gefragt – meist zur Sicherung der Servicequalität, so nimmt man an. Dies ist zu einem gewissen Grad richtig und auch sinnvoll, doch eben nur zu einem gewissen Grad. Wenn der mündige Konsument, von welchem ich hier ausge- he, jedoch die Maschinerie und blanke Effizienz des Bewertungssys- tems am Konsumenten erkennt und hinterfragt, so muss ihm klar- werden, dass er dem System des optimierten Konsums nur dient. Er liefert die Daten, die das Produkt oder die Dienstleistung noch bes- ser machen sollen, und das freiwillig. Aber das ist nur die halbe 29 Wahrheit. In Wahrheit fördere und verbessere ich als Konsument ein
System, welches den Menschen als solches immer weiter in den Hintergrund rückt und so in einer Masse anonymisieren und ver- schwinden lässt. Der Konsument sollte sich daran gewöhnen, dass er nicht mehr wie zu Oma’s Zeiten bei regelmäßigem Besuch des Ladengeschäfts auch tatsächlich mit dem Namen angesprochen wird. Denn das System der Konsumoptimierung hat es nicht zum Zwecke den Menschen und seine tatsächlichen Bedürfnisse & Wünsche zu befriedigen. Es dient sich rein selbst. Wer kann helfen – der Mensch selbst. Fragen Sie sich lieber: Was braucht ein guter Verkäufer? Die Zukunft des Kaufhauses, und davon bin ich überzeugt, wird nicht von der Technik entschieden werden, sondern von den Men- schen die dort arbeiten. Das Kaufhaus, und das ist die große mar- kante Stärke, ist die menschliche Plattform des Konsums, zu wel- cher wir immer wieder zurückkehren werden. Denn wir bleiben Menschen. Nichts ersetzt die emphatische Kompetenz einer guten Verkäuferin oder eines guten Verkäufers. Die Technik ersetzt in ab- sehbarer Zeit nicht den Menschen und dessen empathischen Fähig- keiten, und wir sollten froh darum sein. Um die Zukunft des Kauf- hauses zu skizzieren, muss man nach den geeigneten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für einen guten Ver- käufer Fragen – nicht wie man die Waren platziert, Düfte versprüht oder Produkte richtig ausleuchtet. An dieser Stelle könnten nun beeindruckende Zahlen und Fakten bezüglich dieser Hypothese stehen, welche mich in meiner Argu- mentation stützen würden. Doch ich möchte niemanden mit Zah- lenwerk langweilen. Ich frage lieber direkt: Wie wollen Sie in Zukunft bedient werden? Die Frage kann rein theoretisch jeder für sich selbst beantworten. Jeder hat ein Gespür dafür wie zumindest er selbst gerne behan- delt, begrüßt, beraten und verabschiedet werden will. Genau das ist das eigentlich interessante bei der Frage nach der Zukunft des Kaufhauses – was sagt der Kunde zu den Bedingungen, zu welchen er behandelt werden möchte? Dies führt unweigerlich dazu, dass das Kaufhaus, da es eben ein physisch begehbarer Ort mit Öff- nungszeiten, realen Geräuschen, Düften und Geschmäckern ist zum Knotenpunkt der eigenen Sinneswahrnehmung werden kann. Hier 30 laufen die Fäden wortwörtlich zusammen. Dass was Amazon & Co. in
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