Juni 2021 02 - Schwerpunkt: Onkologische Rehabilitation - Erscheint vierteljährlich Jahrgang 41 - SAKK
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Juni 2021 02 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 41 SCHWEIZER KREBSBULLETIN BULLETIN SUISSE DU CANCER Réseau Hospitalier Neuchâtelois (RHNe) P. 133-136 Schwerpunkt: Onkologische Rehabilitation
BAND 41, JUNI 2021, AUFLAGE 3285, ISSN 2297-0703 INHALTSVERZEICHNIS Editorial KFS Krebsforschung Schweiz 87 OnkoReha in der Schweiz: Auf dem Weg zu bedarfsgerechter, 140 30 Jahre Stiftung Krebsforschung Schweiz (KFS) vielfältiger und synergistischer Versorgung und garantierter Stiftung Krebsforschung Schweiz hat über 1000 Prozess- und Behandlungs-Qualität Forschungsprojekte gefördert P. Lermen, F. Strasser 141 La fondation Recherche suisse contre le cancer (RSC) a 30 ans La fondation Recherche suisse contre le cancer a soutenu Pressespiegel plus de 1000 projets de recherche 89-93 Cancer in the media KLS Krebsliga Schweiz Krebs-Politik beleuchtet 142 Dialog für eine umweltbewusste Krebsprävention 94 Herausforderung Pandemie für Krebsbetroffene F. Suter F. Lenz 143 Dialogue pour une prévention du cancer consciente de Oncosuisse Forum l’environnement 96-97 Oncosuisse-Initiative: Zugang zu Krebsmedikamenten F. Suter D. Kohler 144 Eingabe von Forschungs- und Stipendiengesuchen 97-98 Initiative Oncosuisse: Accès aux médicaments contre le cancer Dépôt des demandes de subsides et de bourses D. Kohler 144 Weiterbildungen der Krebsliga Schweiz Formation continue de la Ligue suisse contre le cancer Schwerpunktthema: Onkologische Rehabilitation Peter Hans Hofschneider Professorship 101-104 Ambulante onkologische Rehabilitation 145 Prestigious professorship awarded at the Institute of M. Schmocker Oncology Research in Bellinzona 105-106 Die Rolle der Pflege in der ambulanten onkologischen SPOG Schweizerische Pädiatrische Rehabilitation Aargau – Interview mit Anita Gutiérrez Onkologie Gruppe I. Bachmann-Mettler 146-150 Inpatient Oncologic Rehabilitation for Children, 107-111 Ambulante OnkoReha: Erfahrungen aus dem Programm Adolescents and Young Adults in Switzerland der Krebsliga Zürich M. Otth, S. Denzler, S. Schmid, B. Setz, K. Scheinemann M.M. Berkhoff OPS Onkologiepflege Schweiz 112-116 Die onkologische Rehabilitation zur Wiedereingliederung 153-154 Onkologische Pflegesprechstunde: Leitfaden für die in den Alltag Entwicklung und Implementierung in der Praxis J. Perseus, N. Wyrsch, I. Bachmann-Mettler M. Sivanathan, I. Kaufmann-Molnàr 117-119 Über den Qualitätsbegriff und Standards in der 155 2021: Bildungsangebote + Netzwerke onkologischen Behandlungskette Formations continues P. Lermen Cooperative Groups 120-122 Cancer Navigation und Survivorship – individuelle, 156 European Thoracic Oncology Platform (ETOP) integrierte Versorgung H. Roschitzki-Voser N. Sperisen, R. Cardinaux-Fuchs, B. Schneider-Mörsch, S. Stoll, 157 IBCSG: News from SOFT and TEXT J. Haslbeck H. Roschitzki-Voser 123-125 Cancer Navigation et Survivorship – des soins individuels 158-159 IELSG42 clinical trial: The MATRix RICE regimen et intégrés dramatically improved survival for patients with CNS N. Sperisen, R. Cardinaux-Fuchs, B. Schneider-Mörsch, S. Stoll, involvement by lymphoma J. Haslbeck K. Cwynarski, A.J.M. Ferreri and E. Zucca 126-128 «In der Schweiz leben mehr als 370’000 Cancer-Survivors» Der seltene Fall – Interview mit Sarah Stoll 161-163 Lymphozytäre Ösophago-Gastritis bei einer Patientin S. Häusermann mit frühem triple-negativem Mammakarzinom als 129-131 Integration, Rehabilitation und Onkologie Nebenwirkung einer Kombinationstherapie mit F. Strasser Pembrolizumab und Strahlentherapie – ein Fallbericht A. Schollbach, K. Glatz, C. Keerl, A. Zippelius, M. Vetter Réseau Hospitalier Neuchâtelois (RHNe) 164-167 Multimetastatic angiosarcoma of an arteriovenous fistula: 133-136 Département d’Oncologie – Réseau Hospitalier Neuchâtelois a case report with a severe immune-related bleeding and A. Stern, B. De Bari an impressive response to nivolumab SAKK Schweizerische Arbeitsgemeinschaft A. Vuilleumier, K. Egervari, E. Fernandez für Klinische Krebsforschung 168-170 Exzellentes Tumoransprechen nach sequentieller 138 Chicago in the Mountains Kombinations-Immuncheckpoint-Inhibition und 138 Sign up now for the 15th Swiss PostASCO Regorafenib bei einem Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulären Karzinom 138 SAKK Training Course for CRC’s and CTN’s C.J. Ackermann, U. Güller, M. Joerger 138 SAKK Grants 139 SAKK Investigators’ Education 171 Autorenhinweise 139 Translational Urogenital Cancer Network Meeting & Award 2021 172 Agenda Schwerpunktthema Ausgabe Nr. 3/2021: Prostate Cancer Eingabetermine 2021 Nr. 3/2021: 12. Juli – Nr. 4/2021: 6. September Erscheinungsdaten 2021 Nr. 3/2021: Mitte September – Nr. 4/2021: Mitte November Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021
deso www.oncoconferences.ch Jetzt anmelden Onkologiepflege Fortbildung Kompetenz und Passion 2. – 3. September 2021, St. Gallen/Schweiz Neues Datum Palliative Care bei onkologischen Patienten Kompetenz und Passion 28. – 30. Oktober 2021, Kartause Ittingen/Schweiz © Staatskanzlei SG Save the Date 9. Interdisziplinäres Prostatakarzinom-Symposium 2. Dezember 2021, St. Gallen/Schweiz St. Gallen Oncology Conferences (SONK), Deutschsprachig-Europäische Schule für Onkologie (deso) c/o Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, Rorschacherstrasse 150, 9006 St. Gallen / Schweiz, info@oncoconferences.ch, www.oncoconferences.ch
EDITORIAL OnkoReha in Eine wachsende Zahl von krebsbetroffenen Menschen ist als Folge der Krebserkrankung der Schweiz: und/oder der immer effektiver werdenden Therapien mit verschiedensten Einschränkungen des ganzen Menschseins, oder anders ausgedrückt, Behinderungen oder Funktionsdefiziten Auf dem Weg zu konfrontiert. Oft können diese durch rehabilitative Therapien verbessert werden, oder «we- bedarfsgerechter, nigstens» mit einem selbstwirksameren Umgang, welcher die Lebensqualität steigert. Men- vielfältiger und schen können wieder lebendiger sein: dies ist das Ziel der Onkologischen Rehabilitation. synergistischer Die Inhalte der Onkologischen Rehabilitation und deren Anpassung an den individuellen Versorgung und Menschen (strukturierte versus modulare Programme) sind stark abhängig von der Reha- garantierter Indikation resp. den Funktionsdefiziten. Diese Heterogenität der Patientenkollektive (ex- emplarisch: von der post-kurativen Longterm-Survivor Reha zur palliativ-onkologischen Prozess- und Reha nahe am Lebensende) ist ein Grund für die aktuell noch schwache Evidenz für die Behandlungs- Wirksamkeit der Onkologischen Rehabilitation. Auch sind die Patient*Innen, die primär Qualität in einer ambulanten oder stationären Onkologischen Rehabilitation behandelt werden, in ihren Defiziten und Bedürfnissen äusserst unterschiedlich. Im Unterschied zu vielen an- deren Ländern, kennt die Schweiz zum Glück beide Angebote. Ein anderer Grund ist die (noch) unterschiedliche Qualität der Reha-Angebote, weshalb es Behandlungsempfehlun- gen für die Prozesse der Onkologischen Rehabilitation braucht. Sicherstellen der Qualität im Gesundheitswesen ist zudem eine Vorgabe des Bundes für die nächsten Jahre. Einige Artikel in diesem Heft (Berkhoff MM, Lermen P, Perseus S, Schmocker M et al., Wyrsch N, u.a.) gehen auf Inhalte, Patientenkollektive und Qualität ein. Die Wichtigkeit ambulanter Rehabilitation und von Spezialangeboten für ambulante Pa- tient*Innen werden in drei Artikeln (Berkhoff MM, Gutierrez A, Schmocker M et al.) beleuchtet und zwei Programme vertieft diskutiert. Sicher ein Meilenstein für die ambu- lante Onkologische Rehabilitation ist die nationale Studie, initiiert und geführt von der Krebsliga Schweiz (KLS): ein Beispiel der vielfältigen und substantiellen Unterstützung der KLS für die onkologische Rehabilitation. Im Vergleich zu anderen Rehabilitationsformen (wie z.B. der muskuloskelettalen Re- habilitation) spielen Pflegefachpersonen in der Onkologischen Rehabilitation eine beson- ders bedeutende Rolle. Dies passt gut zur bewährten Rolle der Onkologie-Pflege, bei der die kontinuierliche und vertraute Begleitung von krebsbetroffenen Menschen und deren Angehörigen in allen Behandlungspfaden der modernen Onkologie im Zentrum stehen. Artikel aus der ambulanten (s.o.) und stationären (Wyrsch N) Onko-Reha wie auch Spe- zialangebote durch Pflegeexpert*Innen (Sperisen N et al., Stoll S) beleuchten die Rolle von Pflegfachpersonen. Aktuell muss der Bedarf von krebsbetroffenen Menschen für rehabilitative Therapien als viel höher eingeschätzt werden als die tatsächlich durchgeführten Reha-Interventionen. Konsensus-basierte Indikationskriterien, Sensibilisierung von Onkologie-Fachpersonen und Patient*Innen sowie in der Qualität verbindliche ambulante und stationäre Ange- bote mit fairer Finanzierung sind wesentliche Schritte, um den Zugang verbessern zu können. Ebenso spielt wahrscheinlich eine gelebte Doppelkompetenz von Onkologie und Rehabilitation eine Rolle für die notwendige verstärkte Integration von rehabilitativen Therapien in die Behandlungspfade der Onkologie. Einige Artikel beleuchten diese Inte- gration und auch innovative Modelle (Lermen P, Sperisen et al., Stoll S, Strasser F). Die multiprofessionelle Fachgesellschaft oncoreha.ch lädt alle interessierten Fachpersonen zur Mitarbeit ein: punktuell bei Projekten, als Mitglied einer Arbeitsgruppe (AG Am- bulante OnkoReha, AG Forschung, AG Kommunikation, AG Qualität, AG Tarife) oder im Vorstand. Wir freuen uns auf Co-Kreativität. Peter Lermen PD Dr. med. Florian Strasser Berner Klinik Montana Cancer Fatigue und Survivorship Clinic peter.lermen@bernerklinik.ch cancerfatigueclinic@bluewin.ch Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021 87
HERAUSGEBER SCHWEIZER KREBS- BULLETIN SUISSE DU CANCER Redaktion Prof. Dr. Franco Cavalli, Koordination: Sabina Briner Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOSI), Ospedale Regionale di Bellinzona e Valli, 6501 Bellinzona Tel. 091 811 82 30, Fax 091 811 80 56, sabina.briner@sakk.ch SAKK Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung / Groupe Suisse de Recherche Clinique sur le Cancer Verantwortlich: Svetlana Strobel, SAKK, Effingerstrasse 33, 3008 Bern Tel. 031 508 41 80, Fax 031 508 41 42, svetlana.strobel@sakk.ch NICER Nationales Institut für Krebsepidemiologie und -registrierung / Institut National pour l’Epidémiologie et l’Enregistrement du Cancer Direktor: Dr. Ulrich Wagner, Foundation National Institute for Cancer Epidemiology and Registration (NICER) c/o Universität Zürich, Hirschengraben 82, 8001 Zürich, Tel. 044 634 53 74, Fax 044 634 54 44, contact@nicer.org SPOG Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe / Groupe d’Oncologie Pédiatrique Suisse Präsidentin: Dr. med. Katrin Scheinemann, Kantonsspital Aarau, Klinik für Kinder und Jugendliche, 5001 Aarau Tel. 062 838 49 13, Fax 062 838 49 93, katrin.scheinemann@ksa.ch KLS Krebsliga Schweiz / Ligue suisse contre le cancer Verantwortlich: Stefanie de Borba, KLS, Effingerstrasse 40, Postfach 8219, 3001 Bern Tel. 031 389 93 31, Fax 031 389 91 62, media@krebsliga.ch KFS Stiftung Krebsforschung Schweiz / Fondation Recherche suisse contre le cancer Verantwortlich: Dr. Rolf Marti, KFS, Effingerstrasse 40, Postfach 7021, 3001 Bern Tel. 031 389 91 45, Fax 031 389 91 62, rolf.marti@krebsforschung.ch ISREC / EPFL Institut Suisse de Recherche Expérimentale sur le Cancer / École Polytechnique Fédérale de Lausanne Responsable: Prof. Dr. Douglas Hanahan, ISREC-EPFL, Bâtiment SV, Station 19, 1015 Lausanne Tel. 021 693 06 57, Fax 021 693 06 60, dh@epfl.ch SASRO Scientific Association of Swiss Radiation Oncology President: Prof. Dr. med. Jean Bourhis, Service de Radio-Oncologie, Département d’Oncologie, Bureau BH10/918, Rue du Bugnon 46, 1011 Lausanne Tel. 021 314 46 66, Fax 021 314 46 01, jean.bourhis@chuv.ch Oncoreha.ch c/o Krebsliga Schweiz, Effingerstrasse 40, 3001 Bern, info@oncoreha.ch Co-Präsidenten: Med. pract. Peter Lermen, Verantwortlicher Internistisch-onkologische und Muskuloskelettale Rehabilitation, Berner Klinik Montana, Tel. 027 485 58 77, peter.lermen@bernerklinik.ch; PD Dr. Florian Strasser, Chefarzt Integrierte Onkologische Rehabilitation und Cancer Fatigue Clinic, Klinik Gais, Tel. 071 791 67 80, flo.strasser@bluewin.ch OPS Onkologiepflege Schweiz / Soins en Oncologie Suisse Verantwortlich: Irène Bachmann-Mettler, Geschäftsstelle Onkologiepflege Schweiz, Hirstigstrasse 13, 8451 Kleinandelfingen Tel. 052 301 21 89, Fax 052 317 39 80, info@onkologiepflege.ch, www.onkologiepflege.ch SGPO Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie / Société Suisse de Psycho-Oncologie SGPO Geschäftsstelle, c/o Medworld AG, Sennweidstrasse 46, 6312 Steinhausen Tel. 041 748 07 35, www.psycho-onkologie.ch SGMO Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie / Société Suisse d’Oncologie Médicale Verantwortlich: Prof. Dr. med. Arnaud Roth, SGMO, c/o Congrex Schweiz, Reinacherstrasse 131, 4053 Basel Tel. 061 690 92 11, info@sgmo.ch, www.sgmo.ch SGPath Schweizerische Gesellschaft für Pathologie / Société Suisse de Pathologie Verantwortlich: Prof. Dr. med. Chantal Pauli, Universitätsspital Zürich, Institut für Pathologie und Molekularpathologie, Rämistrasse 100, 8091 Zürich Tel. 044 255 39 44, chantal.pauli@usz.ch Folgende Firmen sind Mitglieder des SAKK Industriepools: PLATIN GOLD Exact Sciences International Sàrl MSD Merck Sharp & Dohme AG Bristol-Myers Squibb SA/Celgene AbbVie AG (Genomic Health Intl Sàrl) Myriad Genetics GmbH Eli Lilly (Suisse) SA Amgen Switzerland AG Gilead Sciences Switzerland Sàrl Pfizer AG Incyte Biosciences International Sárl Astellas Pharma AG GlaxoSmithKline AG/Tesaro Pierre Fabre Pharma AG Janssen-Cilag AG AstraZeneca AG IDEOGEN AG sanofi-aventis (schweiz) ag/ Roche Pharma (Schweiz) AG Bayer (Schweiz) AG IPSEN PHARMA GmbH Sanofi-Genzyme Takeda Pharma AG Boehringer Ingelheim (Schweiz) GmbH iQone Healthcare Switzerland Servier (Suisse) SA Daiichi Sankyo (Schweiz) AG Merck (Schweiz) AG Vifor AG 88 Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE Ein verhängnisvoller Irrtum Dabei hätte es für die Schweiz zu einem frühen Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, sich einen Die Schweiz gilt als Wissenschaftsnation. Ge- messen an ihrer Grösse gibt es hier überdurch- Impfstoffe rentieren nicht, sagte die Industrie. Zugang zu Impfstoff zu sichern. Schon im April schnittlich viele hochkarätige Wissenschafter. Der Markt wird es richten, dachte die Politik. 2020 informiert die Schweizer Firma Lonza den Das lässt sich mit Zahlen belegen. Egal ob man Wie das Pharma-Land Schweiz bei der Impf- Bundesrat über einen Vertragsabschluss mit der sich Hochschulrankings, die Zitierindizes von stoffentwicklung ins Abseits geriet. US-Firma Moderna. Der Basler Auftragshersteller Publikationen oder die Mittelausstattung von von Chemie- und Pharmaprodukten verpflich- Universitäten anschaut: Stets ist die Schweiz … im internationalen Vergleich auf den vorderen Die Schweiz hat mit Novartis und Roche zwei tet sich darin, Impfstoff der US-Biotechfirma in grosser Menge herzustellen. 80 Millionen Fran- Plätzen zu finden. Das wissen auch Politiker Weltkonzerne. Sie zählen zwar zu den weltweit zu schätzen. In ihren Sonntagsreden betonen wichtigsten Forschungsplätzen der Pharma- ken wird Lonza in den Aufbau der Kapazitäten stecken. Selbst für einen Konzern mit einem Jah- sie gerne, wie wettbewerbsfähig der Denk- und industrie, doch in der Bekämpfung der Pande- resgewinn von gut 800 Millionen Franken ist das Werkplatz Schweiz ist. mie spielen sie keine Rolle. Warum nicht? Wie konnten wir derart ins Abseits geraten und von kein Pappenstiel. Ob das Vorhaben klappt, weiss zu dem Zeitpunkt noch niemand. Die neuarti- Umso mehr erstaunt es, wie die Schweiz in den ausländischen Konzernen abhängig werden? ge Impfstofftechnologie wurde bis dahin nur in letzten Monaten durch die Corona-Pandemie Die Antwort ist eine Verkettung von Fehlein- kleinen Labors mit viel Handarbeit erprobt. Eine geschlittert ist. Dass die ersten Reaktionen im schätzungen, nicht nur von Managern, auch von Frühjahr letzten Jahres etwas kopflos waren, Politikern und Beamten. industrielle Produktion in grossem Stil hat noch kann man entschuldigen. Denn die Schnellig- niemand auf die Beine gestellt. Und ob der Wirk- Der Verzicht von Novartis auf eine eigene Impf- keit, mit der sich das aus China kommende stoff eine Zulassung erhalten würde, war auch stoffsparte war eine dieser Fehleinschätzungen. Virus über den gesamten Erdball ausbreitete, noch völlig offen. «Es war ein Risiko», sagt Ver- überraschte auch viele Experten. Sie folgte einer marktwirtschaftlichen Logik. waltungsratspräsident Albert Baehny. Die Branche ordnet strategische Entscheide der Kapitalrendite unter und orientiert sich an Doch auch in den Monaten darauf war das Ver- Die Landesregierung lässt die Möglichkeit, sich hältnis zwischen Wissenschaft und Politik nicht den Bedürfnissen von Patienten aus reichen mit einer frühen Bestellung bei Moderna eine Ländern. Novartis und Roche haben sich auf so, wie es sein sollte. Wo ein enger Schulter- frühe Lieferung zu sichern, verstreichen. Und schluss wünschenswert gewesen wäre, herrsch- medizinische Felder zurückgezogen, in denen auf die Idee, wie in den USA heimische Herstel- te Distanz und Misstrauen. Statt im Dialog die Zulassungshürden niedriger und die Preise höher sind als bei Impfstoffen. Krebs ist ein sol- ler direkt zu unterstützen, kommt man in Bern eine langfristige und faktenbasierte Strategie ches Gebiet oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. schon gar nicht. Erst im Sommer platziert das zur Eindämmung der Pandemie zu entwickeln, Bundesamt für Gesundheit eine Vorbestellung wurstelten sich der Bundesrat und die Kanto- Die zweite Fehleinschätzung wurde nicht in Ba- bei den Amerikanern, als sich schon sehr viel ne durch die Krise. Dabei hatte das Wort von sel getroffen, sondern in Bern. 2013 schloss die klarer abzeichnet, dass die neue Technologie Lobbyorganisationen oft stärkeres Gewicht als letzte Impfstofffabrik des Landes in Bümpliz. Zu funktionieren könnte. Doch dann muss sie sich die Stimme der hochgelobten Wissenschaft. lange war Berna Biotech kein Durchbruch mehr in eine Reihe mit anderen Bewerbern stellen… Ein Krisenmanagement, das diesen Namen ver- in der Forschung gelungen. Ihre Erfolge reichten dient, sieht anders aus. zurück auf eine Zeit, als Impfstoff mittels Hüh- Global betrachtet hat die Pandemie den gröss- nereiern gezüchtet wurde, die Hygienevorschrif- ten je da gewesenen Mitteleinsatz gegen eine Die ETH geht voran ten lasch waren und Tests an ein paar hundert Gesundheitskrise ausgelöst. Es ist ein Effort, Dabei wären die Voraussetzungen für ein konstruk- Probanden für die Zulassung genügten. den Regierungen, Hilfsorganisationen und die tives Miteinander durchaus gegeben. Denn mit der Gesundheitsindustrie gemeinsam leisten und Nationalen Covid-19-Science-Task-Force gibt es Kurz bevor die Lichter ausgingen, hatte die Ge- in der Schweiz ein Gremium, das breit aufgestellt schäftsleitung noch einmal beim Bund vorge- der nicht so schnell beendet sein wird. Rei- bungslos verläuft das nicht. Trotzdem scheint ist und gewissermassen die Stimme der Wissen- sprochen und einen ordnungspolitisch brisanten schaft verkörpert. Anders als in der Öffentlichkeit Vorschlag gemacht: Berna könnte doch für die sich ein neuer Modus Operandi zwischen Staa- ten und der Pharmaindustrie einzustellen. Die oft kolportiert, handelt es sich bei den rund 60 Bevölkerung Grippeimpfstoff produzieren. Alles Mitgliedern der Task-Force nicht nur um Epide- aus Bern heraus, die gesamte Produktionskette. Politik anerkennt, dass Versorgungssicherheit einen Preis hat und dass die öffentliche Hand miologen und Virologen. Auch Ökonomen, Ethiker Der Bund müsste aber die Abnahme garantieren. und Psychologen tragen auf freiwilliger Basis dazu Dann wäre die Schweiz im Fall einer Pandemie ihn bezahlen muss. Die neue Zusammenarbeit fordert Regierungen und Pharmaindustrie bei, in den regelmässig veröffentlichten «Policy autark, also unabhängig vom Ausland. gleichermassen. Die Kosten eines erneuten Briefs» möglichst alle wissenschaftlichen Aspekte Doch die Regierung winkte ab. «Der Aufbau Wegduckens wären aber noch höher… der Pandemie zu beleuchten. von nationalen Produktionskapazitäten aus- schliesslich im Hinblick auf eine inländische Bezeichnend ist, dass der Impuls zur Gründung NZZ am Sonntag, 14. Februar 2021 Versorgung während einer Pandemie wird als der Task-Force nicht aus der Politik kam. Sie nicht sinnvoll und als nicht machbar angese- ging vielmehr aus einer Initiative der ETH Zürich hen», schrieb der Bundesrat 2014 auf Anfrage und einiger Wissenschafter hervor, die über die eines Parlamentariers. Entwicklung besorgt waren. Im März letzten Jah- Die Wissenschaft wurde res wurde der Task-Force dann vom Bund das Damals wie heute gilt als Leitsatz der Regierung: Mandat erteilt, die Politik und die Behörden zu Der Markt soll es richten, die Politik will frei und zu lange ignoriert beraten… günstig einkaufen können. Doch Covid-19 zeigt: Im Pandemiefall schaut jeder Staat erst einmal In der Corona-Krise haben Bundesrat und Diese unverhohlene Wissenschaftsskepsis ver- für die eigene Bevölkerung. Selbst befreundete Covid-19-Task-Force monatelang aneinander kennt das Wesen der Wissenschaft. Wissen- Regierungen schlagen Türen zu und hebeln Markt- vorbeigeredet. Es brauchte erst eine zweite schaftliche Erkenntnisse sind selten in Stein kräfte aus. Die USA, die weltweit am meisten Impf- Welle, bis die Einsicht reifte: Es geht nur zu- gemeisselt. Sie verändern sich im Lichte neuer stoff herstellen, haben ein Exportverbot verfügt. sammen. Daten ständig. Dabei kann es passieren, dass Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021 89
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE sich die Wissenschaft irrt. Die wissenschaft- mente ernsthaft zu diskutieren. Wenn sich die Grenzen oder Oxfam sowie die Uno-Menschen- liche Methode stellt aber sicher, dass solche Wissenschaft aufdrängen muss, um gehört zu rechtskommission fordern von der Welthandels- Fehler erkannt und korrigiert werden. Was am werden, läuft definitiv etwas verkehrt. organisation (WTO) die temporäre Aussetzung Ende herauskommt, sind Aussagen, die mehr der Impfstoffpatente, damit mehr billige Dosen oder weniger verlässlich sind. So kann man Auf der anderen Seite müssen Wissenschaf- hergestellt werden können. In der Schweiz ha- heute zwar noch nicht endgültig sagen, ob ter an ihrer Kommunkation arbeiten. Niemand ben unter anderem Amnesty International und die erstmals in Grossbritannien nachgewiese- will ihnen einen Maulkorb verhängen. Wenn sie Public Eye den Bundesrat aufgefordert, sich ne Variante des Coronavirus um 35, 50 oder jedoch in einem Gremium wie der Task-Force dafür einzusetzen. um 70 Prozent ansteckender ist. Dass sie sich mitarbeiten, sollten sie dessen Empfehlungen schneller verbreitet als der Wildtyp, ist aller- auch nach aussen mittragen können. Sonst Der Pharmakonzern Astra Zeneca hat deshalb dings ziemlich sicher. Dass die Wissenschaft schadet das dem Ansehen der Wissenschaft. versprochen, während der Pandemie keinen solche Unsicherheiten benennt und in ihren Profit mit dem Impfstoff zu machen. Von der Empfehlungen berücksichtigt, ist kein Versagen, Zudem sollten die Forscher klarer kommunizie- Forderung, auf Gewinne zu verzichten, halten sondern eine ihrer grössten Stärken. ren, welche Konsequenzen ihre Empfehlungen Moderna, Biontech und Pfizer jedoch nichts. haben. Es genügt nicht, auf die gesundheits- «Man muss sehr fanatisch und radikal sein, um Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beteiligte politischen Folgen steigender Fallzahlen hinzu- so etwas gerade jetzt zu verlangen», sagte Pfizer- sich der Bundesrat nicht an diesem Bashing weisen. Wenn die Wissenschaft Massnahmen CEO Albert Bourla dem US-Magazin «Barron’s». der Wissenschaft. Aber viel zu lange hat er den zur Eindämmung der Pandemie empfiehlt, Die Impfungen seien das Verdienst der Firmen. direkten Kontakt zur Wissenschaft gemieden. muss sie aufzeigen, wie sich das auf die Ökono- Ansprechpartner für die Task-Force waren das mie, auf die Bildungschancen von Kindern und Das ist falsch. Zu diesem Schluss kommt die Bundesamt für Gesundheit oder der Krisenstab Jugendlichen oder auf das gesellschaftliche WOZ, nachdem sie mit verschiedenen Exper- des Bundesrates. So versandeten viele wichti- Miteinander auswirkt. Teilweise beherzigt das tInnen gesprochen, Studien, Datenbanken und ge Informationen. Verhältnisse wie in Deutsch- die Task-Force bereits. Es wäre aber bestimmt Geschäftsberichte durchforstet und bei den land, wo die Bundeskanzlerin regelmässig zum Firmen selbst nachgefragt hat. Erstens be- kein Fehler, wenn in zukünftigen Beratungsgre- Telefon greift und sich mit Forschern über die ruhen die Impfungen auf jahrzehntelanger öf- mien auch Politik- und Kommunikationswissen- Corona-Krise austauscht, waren in der Schweiz fentlich finanzierter Forschung. Zweitens haben schafter Platz fänden. bis vor kurzem undenkbar. Hier schaffte es der die Firmen letztes Jahr nochmals Milliarden an Bundesrat noch nicht einmal, Seite an Seite Finanzspritzen zur Entwicklung der Impfstoffe Neue Zürcher Zeitung, 17. Februar 2021 mit Vertretern der Task-Force an einer Medien- erhalten. Und drittens haben Regierungen welt- konferenz aufzutreten. Das führte unweigerlich weit den Firmen Absatzgarantien gegeben – be- zu dem Eindruck, die Politik und die Wissen- vor sie die jeweilige Wirksamkeit der Impfstoffe schaft hätten das Heu nicht auf der gleichen kannten… Bühne. Ein Stoff, der reich macht Besonders gross war die Entfremdung im Dass Moderna und Biontech ihre riesigen Pro- Pharmafirmen wehren sich gegen die Forde- fite vor allem durch die Privatisierung öffentlich Herbst letzten Jahres. Schon den gesamten rung, ihre Patente auf Coronaimpfstoffe auf- Sommer über waren die Fallzahlen exponen- finanzierter Forschung erzielen, ist das viel- zuheben. Die Entwicklung sei schliesslich ihr leichte stärkste Argument, das jene hundert tiell gestiegen. Dennoch hielt der Bundesrat an Verdienst. Doch das ist falsch. seiner Entscheidung fest, ab 1. Oktober wieder Regierungen und NGOs in der Hand haben, die Grossveranstaltungen mit mehr als tausend Zu- von der WTO nun die vorübergehende Ausset- Einige Pharmafirmen, die mit ihrem Corona- zung der Patente fordern: Von der Allgemein- schauern zuzulassen. Er setzte sich damit über impfstoff als Erste die Ziellinie zur Zulassung die Empfehlungen sowohl der Task-Force als heit finanzierte Forschung soll nicht Privaten, überquert haben, werden allein in diesem Jahr sondern der Allgemeinheit gehören. An der auch der kantonalen Gesundheitsdirektoren Milliarden kassieren. Zuvorderst die US-Bio- hinweg. letzten vorberatenden WTO-Sitzung hat jedoch tech-Firma Moderna, die ihren Impfstoff beim die Schweiz zusammen mit anderen Industrie- Die Folgen sind bekannt: Es kam zu einer zwei- Schweizer Unternehmen Lonza produzieren ländern die Forderung erfolgreich blockiert. Die ten Welle, die viel mehr Opfer forderte als die lässt; aber auch der US-Pharmagigant Pfizer in definitive Abstimmung erfolgt Anfang März. erste… Kooperation mit der deutschen Firma Biontech, die ihren Sitz in Mainz hat, «An der Goldgrube Diese Politik geht auf Kosten der Armen. Denn Weichen für morgen stellen 12». die Patente, die den Firmen riesige Profite brin- Das sind keine guten Voraussetzungen für die gen, führen gleichzeitig zu einer zu geringen Bewältigung zukünftiger Krisen. Niemand weiss, Die erwarteten Milliardengewinne liessen den Produktion von Impfdosen. Die knappen Dosen wie diese aussehen werden. Mit ziemlicher Si- Aktienkurs von Moderna seit Anfang 2020 von gehen an jene Länder, die am meisten bezah- cherheit dürfte zu ihrer Bewältigung erneut wis- rund 20 auf rund 180 US-Dollar katapultieren, len können. So haben sich viele reiche Länder senschaftliche Expertise gefragt sein. Es wäre womit laut Finanzplattform Bloomberg allein so viele Impfdosen gesichert, dass sie bis Ende deshalb gut, wenn man sich bereits heute über- CEO Stéphane Bancel bis Dezember 2020 Jahr die Bevölkerung mehrmals durchimpfen legte, wie man das Verhältnis zwischen Politik 4,8 Milliarden US-Dollar gewonnen hat. Auch könnten. und Wissenschaft verbessern könnte. Biontech-CEO Ugur Sahin machte 4 Milliarden vorwärts. Gleichzeitig werden gemäss einer Auswertung In angelsächsischen Ländern gibt es das Amt der NGO-Vereinigung The People’s Vaccine Al- des wissenschaftlichen Beraters. Wie die Bei- Dass mitten in einer riesigen Weltwirtschaftskri- liance siebzig ärmere Länder nur gerade zehn spiele USA und Grossbritannien zeigen, garan- se einige Milliarden kassieren, während arme Prozent der Menschen impfen können. Das tiert das allerdings noch nicht, dass ein Land Länder sich kaum genügend der teuren Impf- könnte Zehn-, vielleicht gar Hunderttausende besser durch eine Krise kommt. Was es braucht, dosen sichern können, stösst auf immer laute- Menschen das Leben kosten. ist die Bereitschaft der Politik, der Wissenschaft re Kritik. Gut hundert Regierungen, aber auch vertrauensvoll zu begegnen und deren Argu- nichtstaatliche Organisationen wie Ärzte ohne WOZ, 18. Februar 2021 90 Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE «Schuld ist das Virus, Zu spät. Anfang November wurden erstmals über 10 000 Fälle an einem Tag gezählt, re- Wir haben über die unterschätzte zweite Welle gesprochen. Woher wissen Sie, dass Sie die Si- nicht der Bundesrat agiert haben Sie erst im Dezember. tuation jetzt nicht auch unterschätzen? Das stimmt so nicht, wir hatten ja bereits im Wir wissen es nicht. In einer Pandemie gibt Alain Berset zieht Bilanz – Der Gesundheitsmi- Oktober nationale Verschärfungen beschlossen. es keine Gewissheiten. Ich verstehe, dass die nister über die Stimmung im Land, den Diktato- Zu Beginn der zweiten Welle war vor allem die Leute genug haben von der Unsicherheit. Aber ren-Vorwurf und 1 Jahr Regieren ohne Gewiss- Westschweiz betroffen. Die Kantone dort haben wir können es nicht ändern. Der Bundesrat ist heiten. weiterführende Massnahmen ergriffen – erfolg- überzeugt, dass es richtig ist, jetzt zu öffnen. reich, die Neuansteckungen gingen zurück. Als Schrittweise, vorsichtig, kontrolliert. … Herr Berset, vor einer Woche kündigten Sie der Rückgang im Dezember stockte, hat der Bund wieder übernommen. Auch weil die Fest- Hätten Sie den Mut, bei Bedarf auch wieder Öffnungsschritte im Monatsrhythmus an. Weil zu verschärfen? es Zeit brauche, um die Auswirkungen der tage vor der Tür standen, was hätte gefährlich werden können. Dazu kamen noch die anste- Wenn sich die Lage drastisch verschlechtert, Massnahmen zu beurteilen. Nun verkürzen wird der Bundesrat das neu beurteilen und ent- Sie auf drei Wochen. Sind Sie eingeknickt? ckenderen Virusvarianten. sprechend reagieren. Das gilt auch für den Fall, Alain Berset: Der Bundesrat betreibt keine dass sich die Situation schneller bessert. Dann Ideologie, sondern versucht, mit den richtigen Die Lage damals war vergleichbar mit der öffnen wir rascher. Massnahmen den bestmöglichen Weg zu be- in Österreich – und Österreich ging Anfang schreiten. Dabei wägt er ab und handelt nach November in den Lockdown. War es nie ein Glauben Sie ernsthaft, dass Sie Mehrheiten bestem Wissen und Gewissen. Mit dem verkürz- Thema, früher einzugreifen? finden, um angekündigte Lockerungen wieder ten Öffnungsrhythmus berücksichtigt er den Die Kantone haben gehandelt. Man darf nicht zurückzunehmen? breit geäusserten Wunsch, falls möglich etwas vergessen, dass die wirtschaftlichen und ge- Es geht nicht darum, wer welche Mehrheiten holt. schneller zu öffnen. Damit nehmen wir ein ge- sellschaftlichen Folgen solcher Entscheide Sondern darum, vernünftig zu entscheiden, was wisses Risiko in Kauf. Wir alle möchten wieder brutal sind. Der Bundesrat versucht während das Beste für das Land ist. Die Mitglieder des etwas mehr Möglichkeiten haben. dieser ganzen Krise, die Gesamtsituation in der Bundesrats bewältigen diese Krise gemeinsam, Schweiz im Auge zu behalten. So war es ihm ein auch wenn gewisse Kreise das nicht wahrhaben Die Gastronomie ist bitter enttäuscht. Haben grosses Anliegen, die Schulen offen zu halten. wollen. Nochmals: Ich glaube, dass die Aussich- Sie Verständnis dafür? Ziel des Bundesrats war immer, Leid zu verhin- ten nicht schlecht sind, trotz der neuen Virusva- Sehr! Die Wirtinnen und Wirte können – wie viele dern, das vom Virus und den nötigen Massnah- rianten und der nach wie vor hohen Fallzahlen. andere Bereiche – zurzeit nicht oder nicht voll men ausgeht. Wir haben die Impfung, wir testen viel mehr, und arbeiten. Das ist frustrierend. Schuld daran ist in wenigen Wochen wird uns das warme Wetter das Virus, nicht der Bundesrat. Die Wirte können Contact-Tracing-Datenbank, Impf-Anmelde- hoffentlich auch noch helfen. Und wenn weiter- nichts dafür, das Virus überträgt sich einfach system – so richtig funktioniert hat nichts. Im hin alle mitmachen und die Massnahmen um- leichter in geschlossenen Räumen und an Or- Grunde genommen sind wir ein Jahr nach der setzen, schaffen wir das – gemeinsam! ten, wo sich Menschen ohne Maske treffen. Zum Pandemie immer noch im Blindflug. Wieso Glück gibt es wirtschaftliche Unterstützung. kriegt Ihr BAG die Digitalisierung immer noch Blick, 25. Februar 2021 nicht auf die Reihe? Je länger die Krise dauert, umso rauer wird der Das ist ein sehr hartes Urteil. Wir verbessern Ton – besonders Ihnen gegenüber. Die SVP be- – wie alle Länder – die Datenlage ständig. Es zeichnet Sie als Diktator. Was sagen Sie dazu? Es ist schwierig für mich, das zu kommentieren. musste alles neu aufgebaut werden. Das nicht Mit günstigen Impfungen alles von Beginn weg klappt, ist normal. Vieles Das ist nicht unsere politische Kultur. Der Bun- läuft gut, ist aber kein öffentliches Thema. Eine könnte es bald vorbei sein desrat arbeitet zu siebt. Impf-Kampagne in diesem Ausmass führen wir zum ersten Mal durch. Auch so breites Testen Die meisten Pharmakonzerne halten sich be- Tonangebend im Corona-Dossier dürften aber deckt, wenn es um Geschäfte mit der Pandemie und Contact Tracing haben wir bis jetzt nie ma- Sie sein. geht. chen müssen! Aber ich gebe Ihnen recht: Unser Unsere Arbeitsweise ist bekannt. Wenn es um Land ist punkto Digitalisierung nicht dort, wo Gesundheitspolitik geht, mache ich dem Bun- Die Zurückhaltung ist verständlich, denn wer desrat Vorschläge. Dieser diskutiert und ent- es sein sollte – nicht nur im Gesundheitswesen. möchte schon als Profiteur gebrandmarkt wer- scheidet dann – und ändert oft, was ich vorg- Ich hoffe, wir lernen auch das aus dieser Krise den in einer Zeit, in der die Welt noch immer mit schlagen habe. Das funktoniert nicht erst seit und machen endlich vorwärts… der grössten Gesundheits- und Wirtschaftskrise 2020 so – sondern seit 170 Jahren. seit Jahrzehnten kämpft? Doch es gibt Aus- Mit Astrazeneca scheint es Probleme zu ge- nahmen. Die beiden amerikanischen Impfstoff- In der ausserordentlichen Lage hat der Bun- ben, gleichzeitig hört man Gutes über den hersteller Pfizer und Moderna lassen zumindest desrat durchregiert – und ist dafür kritisiert russischen Impfstoff Sputnik V. Wäre der was gegenüber Investoren keine Zweifel daran, dass worden. Haben Sie darum im Herbst die Zü- für uns? sie sich von der Pandemie milliardenschwere gel schleifen lassen? Wir prüfen alle Pisten. Voraussetzung ist aber, Einnahmen versprechen. Wir haben nicht «durchregiert». Wir standen dass die Hersteller ein Zulassungsgesuch bei immer im Austausch mit Kantonen, Parlament, Swissmedic stellen. Vergangene Woche posaunte der Chef von Mo- Parteien und Interessenvertretern. Zum Herbst: derna, Stéphane Bancel, in die Welt hinaus, es Jetzt behaupten viele, man habe die zweite Wel- Haben Sie Ihre zweite Impfdosis schon be- sei der Firma gelungen, für das laufende Jahr le vorhersehen müssen. Natürlich war klar, dass kommen? Ein Bundesratskollege von Ihnen, bis anhin Bestellungen im Wert von 18,4 Mrd. $ diese kommt. Es waren aber alle Länder über- Ueli Maurer, hat ja darauf verzichtet. zu akquirieren. Bereits Anfang Februar hatte der rascht von deren Stärke und dem frühen Zeit- Ich habe mir diese Frage gar nicht gestellt. Konkurrent Pfizer erklärt, bei seinem Impfstoff punkt. Als die Lage ausser Kontrolle zu geraten Wenn es heisst, man braucht bei dieser Imp- gegen Sars-CoV-2 im laufenden Jahr mit einem drohte, haben wir reagiert. fung zwei Dosen, dann richte ich mich danach. Umsatz von mindestens 15 Mrd. $ zu rechnen. Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021 91
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE Wie alle Anbieter von Covid-19-Impfungen ha- décentralisée de traitements contre le Covid-19 Emmanuel Macron devait officiellement lancer, ben Pfizer und Moderna zunächst darauf ver- et d’enrayer plus rapidement la pandémie. Plus jeudi 4 février, une stratégie nationale décen- zichtet, in Preisverhandlungen mit Regierungen de 100 pays soutiennent déjà la demande de nale (2021-2030) de lutte contre les cancers, das Maximum herauszuholen. Im Wissen dar- dérogation temporaire à certaines règles inter- financée à hauteur de 1,74 milliard d’euros sur um, dass die Nachfrage im ersten Jahr ohnehin nationales en matière de propriété intellectuelle 2021-2025. Soit 20% de plus que les trois riesig sein dürfte, boten sie vielmehr Hand zu soumise par l’Inde et l’Afrique du Sud à l’OMC. précédents plans cancer. Fait notable, la moitié moderaten Preisen. Zwei weitere bedeutende Toutefois, un groupe de pays - dont la Suisse - a de ce budget sera allouée à la recherche. Anbieter, AstraZeneca und Johnson & Johnson, jusqu’à présent rejeté une dérogation de l’Ac- erklärten sich sogar bereit, ihre Vakzine wäh- cord sur les ADPIC (accord sur les aspects des Chaque année, plus de 157 000 personnes rend der Pandemie zu nicht gewinnbringenden droits de propriété intellectuelle qui touchent au meurent d’un cancer en France. Au total, 3,8 Preisen abzugeben. commerce). Cet accord garantit aux entreprises millions de personnes vivent avec la maladie. pharmaceutiques des droits étendus de protec- Quatre nouveaux cancers sur dix seraient évi- Deutlich mehr dürften die Pharmafirmen für tables. Soit 153 000 nouveaux cancers par an tion de la propriété intellectuelle. ihre Impfstoffe verlangen, sobald dank sin- qui seraient prévenus, si la population adhé- kenden Fallzahlen die Pandemie zu einer Epi- rait aux programmes de dépistage organisé, demie heruntergestuft werden kann. Einen Vor- En amont d’une séance cruciale de négocia- tions à l’OMC, le 4 février, Amnesty Internatio- s’alimentait de façon équilibrée, pratiquait une geschmack darauf, wie teuer der Impfschutz in activité physique régulière. Zukunft werden könnte, gibt Pfizer. Die Firma nal et Public Eye demandent au Conseil fédéral weist darauf hin, dass für Vakzine in den USA de ne plus s’opposer à une dérogation tempo- raire aux règles internationales sur la propriété Améliorer les taux de survie normalerweise 150 oder 175 $ bezahlt wür- La nouvelle stratégie fixe trois objectifs chiffrés. den und nicht $ 19.50 pro Dosis wie zurzeit intellectuelle. Cette exception est essentielle Faire baisser de 60 000 cas par an le nombre für die Covid-19-Impfung. Der Konzern ist be- car elle permettrait à d’autres entreprises de de nouveaux cancers évitables d’ici à 2040. strebt, dank regelmässigen Nachimpfungen produire et distribuer des vaccins et des mé- Réaliser 1 million de dépistages supplémen- aus seiner nun erfolgreich erprobten Messen- dicaments contre le Covid-19 dans le monde taires chaque année d’ici à 2025. Et faire pas- ger-RNA-Technologie ein langfristiges Geschäft entier. Si la dérogation était acceptée, chaque ser de deux tiers à un tiers le taux de patients zu machen. Möglichst noch vor 2025 soll auch État membre de l’OMC pourrait décider, s’il le souffrant de séquelles cinq ans après le dia- eine jährliche Grippeimpfung auf dieser Basis souhaite, de ne pas tenir compte de la proprié- gnostic. A cela s’ajoute un quatrième objectif auf den Markt gebracht werden. té intellectuelle concernant les tests diagnos- non chiffré: améliorer les taux de survie à cinq tiques, les traitements ou les vaccins contre le ans des cancers de plus mauvais pronostic à Neue Zürcher Zeitung, 2. März 2021 Covid-19 tant que durera la pandémie. l’horizon 2030 − ces taux sont inférieurs à 33% pour sept localisations de cancers (pancréas, La dérogation permettrait un gain de temps œsophage, foie, poumon, système nerveux crucial, mais aussi une liberté d’action pour central, notamment). Propriété intellectuelle: démultiplier la production des moyens de lutte contre le Covid-19, répondant à des besoins Pour y parvenir, plusieurs axes sont privilégiés, une entrave au vaccin locaux ou régionaux non couverts actuellement. qui convergent avec ceux du plan européen an- Ainsi, une firme locale disposant du savoir-faire noncé le 3 février par Ursula von der Leyen. La La lutte contre le Covid-19 a fait un immense nécessaire serait autorisée à les produire sans Commission européenne allouera 4 milliards pas en avant, puisque les campagnes de vac- avoir à négocier longuement une licence. d’euros à ce plan, avec un soutien important à cination ont commencé dans plusieurs pays, la recherche et un effort contre les cancers des dont la Suisse. Les gouvernements et l’industrie pharma- enfants, adolescents et jeunes adultes. ceutique ont l’obligation de veiller à ce que Ces campagnes représentent une possibilité tous les pays partagent les bénéfices de la Premier axe de la stratégie nationale: améliorer tangible de mettre fin à cette pandémie. Tou- recherche scientifique et accèdent aux produits la prévention. A charge ici, pour la recherche, tefois, les pays riches, dont la Suisse, signent et traitements médicaux nécessaires pour lutter d’identifier les mécanismes psychosociaux des ententes bilatérales afin de garantir l’achat contre le Covid-19. d’adhésion aux messages de prévention, en de milliards de doses de vaccins pour leurs particulier chez les jeunes. Tabac et alcool populations. Le revers de la situation est que Soutenir la dérogation à l’Accord sur les ADPIC sont en ligne de mire: ils sont respectivement d’autres pays devront attendre plusieurs mois, voire années, avant d’obtenir un approvision- est une étape importante pour répondre à ces responsables de 45 000 et 16 000 décès par nement en vaccins. Dans la situation actuelle, obligations et in fine enrayer la pandémie! cancer chaque année. La nécessité de «miser près de 70 pays ne pourront pas vacciner plus sur tous les leviers» est mise en avant. «Priorité d’une personne sur dix cette année. La Tribune de Genève, 2 février 2021 absolue», la guerre contre le tabagisme affiche une ambition: parvenir à une «première géné- Ce «nationalisme vaccinal», que la production ration sans tabac» d’ici à 2032. mondiale insuffisante due aux monopoles exa- cerbe, mine les efforts globaux pour garantir Pour ce qui est de l’alcool, une expertise col- une disponibilité suffisante et une distribution Une nouvelle stratégie lective de l’Inserm sur la réduction des dom- équitable des vaccins au niveau mondial. C’est nationale pour faire reculer mages liés à sa consommation est attendue au premier semestre 2021. Elle devrait per- le fruit d’un système qui privilégie l’exclusivité de fabrication par de grands groupes pharma- le cancer mettre de «définir un programme national de ceutiques plutôt qu’une production décentrali- prévention du risque» lié à l’excès d’alcool. sée et multipliée. Doté de 1,74 milliard d’euros sur cinq ans, ce Parmi les leviers mobilisables: une régulation plan fixe l’objectif de prévenir et dépister da- de l’offre, une amélioration des messages de Déroger au régime actuel de propriété intel- vantage la maladie, qui cause 157 000 décès prévention. Toujours dans cet axe «prévention», lectuelle permettrait d’accélérer la production par an. la recherche sera mobilisée pour «mieux appré- 92 Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE hender les expositions [aux facteurs de risque en compte devrait devenir un critère de choix structuration à long terme d’un suivi person- environnementaux] et leurs effets», notamment «de même rang que l’efficacité thérapeutique». nalisé». Dès 2021, les cancers pédiatriques les effets «cocktail». Un effort particulier sera porté aux cancers feront l’objet d’un effort de recherche supplé- de l’enfant et des jeunes, qui guérissent plus mentaire via des appels à projets de l’Institut Les programmes de dépistage, par ailleurs, mais au prix, parfois, de troubles durables. En national du cancer (INCA), auxquels s’ajoute- seront renforcés. Chaque année en France, 9 matière de qualité de vie, par ailleurs, une sim- ront 5 millions d’euros sur ce thème reconduits millions de personnes participent à l’un des plification des démarches administratives, une par le ministère de la recherche. trois programmes de dépistage organisé (sein, limitation du reste à charge et une extension côlon et col de l’utérus). Le but est de porter du droit à l’oubli (sans plus de précision) sont Concernant l’effort de recherche, enfin, les in- ce nombre à 14 millions en 2025. La marge annoncées. vestissements du plan France médecine géno- de progrès est importante: 7 personnes sur mique seront poursuivis. Deux autres «thèmes 10 concernées par le dépistage du cancer du Troisième axe: lutter contre les cancers dont le majeurs» seront financés: les biothérapies et côlon, par exemple, ne le font pas. Autre enjeu: pronostic est mauvais. «Le diagnostic et l’orien- la santé numérique. De nouveaux programmes accentuer les recherches pour trouver de nou- tation rapides doivent être les pierres angu- de recherche «High Risk, High Gain» seront lan- veaux dépistages, notamment sur les cancers laires» du parcours de soins; des réseaux d’ex- cés par appels à projets, afin de favoriser les du poumon ou de la prostate. cellence seront mis en place. Avec une «priorité découvertes «disruptives». Le but est de favo- forte»: les cancers de l’enfant, de l’adolescent riser une médecine de précision, plus person- Deuxième axe: limiter les séquelles et amélio- et du jeune adulte. Pour améliorer les taux de nalisée. rer la qualité de vie. Un dispositif d’évaluation guérison et la qualité de vie, les efforts porte- des séquelles sera mis en place. Leur prise ront sur «les innovations thérapeutiques et la Le Monde, 5 février 2021 Screening is associated with lower mastectomy rates in eastern Switzerland beyond stage effects Herrmann C, Morant R, Walser E, Mousavi M, and Thürlimann B. Abstract Background A recent study found an influence of organized mammography screening programmes (MSPs) on geographical and temporal variation of mas- tectomy rates. We aimed to quantify the effect on the example of one of the cantonal programmes in Switzerland. Methods We used incidence data for the years 2010–2017 from the cancer registry of Eastern Switzerland. We included women with invasive-non- metastatic breast cancer (BC) in the screening age group 50–69-year-olds in the canton of St.Gallen. We compared mastectomy rates among cancer patients detected through the organised screening programme (MSP) vs. otherwise detected by stage. Results MSP-detected patients in St.Gallen presented with lower stages. 95% of MSP-detected had stages I-II vs 76% of Non-MSP-detected. Within all non-metastatic stage, tumour size and nodal status groups, MSP-detected patients had lower mastectomy rates, overall 10% vs 24% in 50–69-year-old non-participants. Their odds of receiving a mastectomy are about half of the Non-MSP-detected (OR = 0.48, p = 0.002). Conclusions Our study showed that MSPs have a positive effect on lowering mastectomy rates. Screening participants are significantly less likely to receive a mastectomy compared to non-participants, which must be attributed to additional factors than just lower stages. Lower mastectomy rates lead to a higher quality of life for many patients. BMC Cancer 21: 229, 2021 Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021 93
KREBS-POLITIK BELEUCHTET Herausforderung Pandemie für Krebsbetroffene Krebs und dessen Behandlung stellen für Betroffene terne Spannungen zur Folge haben konnte. Um die aktu- eine immense Herausforderung dar – während der elle Situation der Betroffenen zu verbessern, setzt sich die Coronapandemie ist für viele die psychische Belas- Krebsliga unter anderem für folgende Anliegen ein: tung noch grösser. Die Krebsliga unterstützt Krebs- • Rascher schweizweiter Zugang zum Impfstoff für betroffene und ihre Angehörigen mit verschiedenen Krebsbetroffene (gemäss Impfempfehlung des Bundes Beratungs- und Informationsangeboten. Wichtig ist gehören Personen mit einer Krebserkrankung unter aber auch der Einsatz für ihre Anliegen auf politi- aktiver Therapie oder mit einer bösartigen hämatolo- scher Ebene. gischen Erkrankung zur prioritären Impfgruppe) und ebenso für Angehörige und Personen die im gleichen Verschiedene Studien zeigen, dass Krebspatientinnen Haushalt leben. und -patienten bei einer Covid-19-Infektion ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Zu- • Breitgefächerte und adäquate psychologische Bera- dem haben sie im Vergleich zu infizierten Menschen ohne tungsangebote für Krebsbetroffene und Angehörige, Krebserkrankung eine höhere Sterbewahrscheinlich- ohne unnötige zeitliche Einschränkung sowie eine bes- keit. Nicht jede und jeder der Krebsbetroffenen ist aber sere Vergütungsregelung für ambulante telemedizini- gleich anfällig für eine Infektion mit dem Coronavirus sche psychologische Beratung. und gleich gefährdet für die Entwicklung eines schwe- • Sicherer Zugang zu allen notwendigen medizinischen ren Krankheitsverlaufs. Nebst der Art und dem Stand Untersuchungen und Eingriffen und Sensibilisierung der Therapie hängt das individuelle Risiko von weite- der Betroffenen für die Aufrechterhaltung ihrer Be- ren Faktoren ab, z.B. von der Art der Krebserkrankung, handlung. Ebenso sicherer Zugang zu Untersuchungen vom Alter und von allfälligen Begleiterkrankungen. im Rahmen der Früherkennung. Noch sind zu wenig Erfahrungen und Langzeitdaten zu Krebs- und Covid-19-Erkrankungen vorhanden. Im Sin- • Ermöglichung der Begleitung und Unterstützung von ne des Vorsorgeprinzips sollen Menschen mit oder nach Angehörigen während der Behandlung und insbeson- einer Krebserkrankung grundsätzlich vorsichtig sein. dere in palliativen Situationen. Entsprechend zählt sie das Bundesamt für Gesundheit • Bessere spezifische Information und Entlastungsange- in Zusammenhang mit den Coronavirus-Massnahmen bote für Krebsbetroffene und Angehörige. zu den sogenannten «besonders gefährdeten Personen». Krebsbetroffene sind daher darauf angewiesen, dass sich • Kulanz der Arbeitgeber in individuellen unsicheren ar- auch ihre Mitmenschen an die empfohlenen Schutzmass- beitsrechtlichen Situationen von besonders gefährdeten nahmen halten. Personen und ihren Angehörigen. Die Ängste und Unsicherheiten von Krebsbetroffenen Die Folgen der aktuell herausfordernden Situation werden haben während der Pandemie zugenommen. Die meis- in allen Lebensbereichen und auch gesundheitspolitisch ten kantonalen und regionalen Krebsligen sowie die Be- noch lange spürbar sein. Es ist zu wünschen, dass wir aus raterinnen des Krebstelefons spürten dies 2020 deutlich der Coronaviruspandemie die richtigen Lehren ziehen durch die höhere Inanspruchnahme der Beratungsange- für die künftige optimale Gesundheitsversorgung in der bote. Insbesondere der psychoonkologischen Beratung Schweiz. kommt zurzeit eine noch stärkere Bedeutung zu. Gerade im ersten Lockdown hatten sich viele Krebsbetroffene und Franziska Lenz Angehörige in die eigenen vier Wände zurückgezogen, Leiterin Public Affairs, Krebsliga Schweiz was Isolationsgefühle, Einsamkeit oder auch familienin- franziska.lenz@krebsliga.ch 94 Schweizer Krebsbulletin Nr. 2/2021
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