KARNEVAL MACHT SCHULE - Ein Projekt des FESTAUSSCHUSS BONNER KARNEVAL e.V.

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KARNEVAL MACHT SCHULE - Ein Projekt des FESTAUSSCHUSS BONNER KARNEVAL e.V.
KARNEVAL MACHT SCHULE
Ein Projekt des FESTAUSSCHUSS BONNER KARNEVAL e.V.

Die Geschichte des Karneval:
Karneval ab dem 19. Jahrhundert
Französische Revolution                         Erlaubnis für „französische Bürger“
Die Französische Revolution (1789 - 1799),      Einschneidend im positiven Sinn war der
der Imperialismus Napoleons (1799 -             Friedensschluss 1801 von Luneville, durch
1815), die französischen Besatzungskriege       den das linke Rheinland dem französischen
gegen die deutschen Länder in dieser Zeit,      Staatsgebiet zugeteilt wurde. Den zu fran-
seit 1815, nach dem "Wiener Kongress", die      zösischen     Staatsbürgern     gewordenen
Eingliederung des Rheinlandes in Preußen        Rheinländern wurde nun das Karnevalfeiern
als preußische Rheinprovinz haben den           wieder erlaubt. Die Kölner Symbolfigur der
rheinischen Karneval stark beeinträchtigt -     Fastnacht, der Narr "Bellegeck", durfte wie-
beseitigen und auf Dauer unterdrücken           der auf den Straßen tanzen und mit ihm
konnten sie ihn nicht (Dietz, S. 61). "Mit      wurde der Straßenkarneval wieder zugelas-
den heranziehenden französischen Revolu-        sen. Auch in Bonn und Koblenz zeigten sich
tionstruppen ergriffen die letzten Kurfürsten   die Karnevalisten mit fantasievollen Masken
(insbesondere die der Rheinlande, d. Verf.)     auf Plätzen und Straßen sowie bei zahllosen
die Flucht. Von ihnen Übernahmen die fran-      Kostümbällen: der Nachholbedarf war of-
zösischen Soldaten nicht nur die Macht am       fensichtlich.
Rhein, sondern auch das Problem, wider-
spenstige rheinische Frohnaturen zu bändi-      Schon 1806 ein Wirtschaftsfaktor
gen." (Brog, S.32).                             Unter Napoleon wurde 1806 auch der Kar-
                                                neval als Wirtschaftsfaktor benutzt, denn es
Franzosen verbieten den Karneval                wurde ein Maskenballmonopol erlassen, mit
Im Jahr 1795 erließ der französische Stadt-     dem fiskalische Abgaben verbunden waren:
kommandant Daurier beispielsweise in Köln       der Staat kassierte vom Karnevalsvergnü-
ein totales Karnevalsverbot, vor allem aber     gen. Später musste dieses Monopol für
ein strenges Maskierverbot. 1797 wurden in      Gaststätten und Kneipen ohne Eintrittsgeld
Köln Fastnachtsgedichte (Verse) gegen das       gelockert werden, weil die Proteste der Wir-
französische Karnevalsverbot verfasst -         te und Bevölkerung sich durchsetzten. 1814
vielleicht die Vorläufer der späteren Bütten-   zogen die französischen Besatzungstruppen
reden.                                          ab.

In Bonn Streit um Karneval                      Auch Preußen verboten den Karneval
Wegen französischer Karnevalsverbote und        "Förderer" des rheinischen Karnevals von
Einschränkungen gab es auch in Bonn             Düsseldorf über Köln und Bonn bis Koblenz
Streitigkeiten und Gewaltaktionen zwischen      waren die Preußen nun wirklich nicht, eher
aktiven Karnevalisten und Besatzern (Brog,      war das Gegenteil der Fall (Müller, S. 85 -
S. 38 ff.). Die Karnevalsbegeisterten setz-     91). Das Fastnachtstreiben war ihnen un-
ten sich häufig gerade in den nächsten Jah-     bekannt und verdächtig, dennoch über-
ren über die Verbote hinweg, indem sie          nahmen sie von den Franzosen, mit dem
kostümiert die Säle und Straßen bevölker-       Karneval die staatlichen Einnahmen zu er-
ten. In den Jahren um 1799 wurden gerade        höhen. Der preußische König Friedrich Wil-
in Köln, Bonn und Koblenz in begrenztem         helm III. (1797 -1815) verbot generell aus
Umfang von der französischen Obrigkeit          Angst vor Konspiration und Aufruhr unter
Fastnachtsbälle zugelassen, weil deren er-      dem Versteck der Masken und Kostüme die
heblicher Erlös für die notdürftige Versor-     Karnevalsveranstaltungen. Nur in Orten
gung der Armen, verteilt durch die Stadt-       und Gebieten, in denen die Fastnacht eine
verwaltungen, genutzt wurde ("Wohltätig-        alte Tradition habe, könne sie unter stren-
keitsbüros").                                   ger Kontrolle der preußischen Obrigkeit ge-
                                                nehmigt werden.
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1824 Laetitia-Umzug in Bonn verboten           Versteckter politischer Spott
1824 wollten die Bonner einen traditionel-     Die Karnevalszeitungen der Gesellschaften
len Karnevalszug mit Laetitia als Göttin der   im Rheinland enthielten im ganzen 19.
Freude auf einem Schiffswagen durch die        Jahrhundert häufig versteckten politischen
Stadt ziehen lassen, aber die Anfrage um       und sozialen Spott. Da die Obrigkeit Kritik
Genehmigung beim preußischen König er-         nicht duldete, fielen Schriften und einzelne
hielt eine strikte Absage. In Düsseldorf und   persiflierende Beiträge nicht selten der
Köln waren dagegen im Jahr vorher Karne-       staatlichen Zensur zum Opfer (Brog, S. 87
valsumzüge unter strengen Auflagen ge-         ff.).
nehmigt worden. Der preußische Stadt-
kommandant in Köln, Baron von Cettritz,        Ab 1843 auch in Bonn erlaubt
hatte die Erlaubnis aufgrund des Arguments     Unter dem preußischen König Friedrich Wil-
bekommen, "unter Aufsicht sei der Karne-       helm IV. (1840 -1861) wurde das Karne-
val     ungeführlicher."   (Wolf/Engelhardt,   valsverbot weiter gelockert (in Bonn erst
S.20).                                         seit 1843 !), von den Karnevalisten auf der
                                               Straße wurde aber eine Art "Steuer", erho-
1823 erster Umzug des Festkomitees             ben, ein Zwangsalmosen für die Armenkas-
Am 10. Februar 1823 fand in Köln zum ers-      sen in den jeweiligen kommunalen Haushal-
ten Mal ein von einem zentralen Festkomi-      ten. Diese Steuer blieb etwa bis zur Jahr-
tee organisierter Rosenmontagszug statt.       hundertwende in Kraft. Einzelheiten zur
Er war das Ergebnis des Zusammenschlus-        Herausbildung und Entwicklung des Karne-
ses einiger karnevalsbegeisterter, promi-      valsgeschehens im Rheinland und in Bonn
nenter Kölner Bürger, die sich zum Ziel ge-    unter der preußischen Obrigkeit sind in den
setzt hatten, das Fastnachtsgeschehen in       Beiträgen "Rheinland und Karneval" und
den Sälen und auf den Straßen so zu re-        "Bonner Karneval" beschrieben.
formieren, dass es für alle Schichten der
Bürgerschaft, insbesondere aber zunächst       Uniformierte Garden und Corps
für die Oberschicht, die sich zeitweise zu-    Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts "inte-
rückgezogen hatte, attraktiv sein sollte.      grierten" und imitierten ironisch die Rhein-
Das weitere Ziel, mehr Geld aus den Karne-     länder sozusagen das frühere französische
valseinnahmen für die Bedürftigen der          und das damals unbeliebte preußische Mili-
Stadt aufzubringen, wurde allerdings ver-      tär im Karneval, indem man karnevalisti-
fehlt.                                         sche "Garden" und "Funken" aufstellte und
                                               sie als Karnevalisten mit alten Uniformimi-
Karneval wurde immer teuer                     taten ausstattete: veränderte Uniformteile,
In den nächsten Jahren wurde dieser Kar-       Dreispitz, Perücken mit Haarrollen und
neval immer prächtiger und kostspieliger,      Zopf, Militärgruß verkehrt: rechte Hand an
die Maskenbälle im "Gürzenich" wurden          die linke Schläfe.
immer teurer. Neben diesem Karneval der        Die Garden waren die karnevalistischen
Oberschicht und der Reichen entwickelte        Corpssoldaten, also Parodien auf die regu-
sich aber allmählich ein Karneval des bür-     lären militärischen Truppen, die Funken wa-
gerlichen Handwerks, des Handels und Ge-       ren eine Verspottung der früheren Stadt-
werbes sowie auch einer der eher "einfa-       wächter und -polizisten, also der kommuna-
chen Leute". Mehrere Karnevalskomitees,        len Ordnungshüter. In dieser Zeit entstan-
auch eines der "Mittelschicht", wetteiferten   den auch die Bräuche der öffentlichen Bi-
um die Mitte des 19. Jahrhunderts um die       waks auf den Marktplätzen, die Erstürmung
besten und preisgünstigsten Karnevalsver-      der Rathäuser und (wieder) die karnevalis-
anstaltungen und (wieder) um höhere            tisch-symbolische Umkehrung der Macht-
Spendensummen für die Armenbetreuung.          verhältnisse, von Regierenden und Unterta-
                                               nen, von "oben" und "unten".
1828 Karnevals-Komitee in Bonn
In Bonn wurde 1828 ein koordinierendes         Marketenderinnen und Mariechen
Karnevalskomitee gegründet. Im ganzen          Ebenfalls aus dieser Zeitperiode stammt die
Rheinland entwickelte sich seit den 30er       traditionelle weibliche Begleitfigur der kar-
und 40er Jahren der Karneval auch zu einer     nevalistischen "Truppen, die Marketenderin.
Touristenattraktion, was seinen Charakter      Sie wurde zunächst von einem Mann darge-
als Wirtschaftsfaktor verstärkte.              stellt und erinnert an die Händlerinnen, die
                                               in früheren Zeiten die Heere begleiteten
                                               und mit Waren aller Art versorgten.
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Politische Bedeutung des Karneval               „angepasster“ Karneval
In einigen historischen Perioden und Ereig-     In den Jahren nach dem gewonnenen Krieg
nissen hat der rheinische Karneval eine po-     Deutschlands gegen Frankreich 1870/71
litische Bedeutung gehabt. Seine positive       und nach der deutschen Reichsgründung
oder negative Rolle während der römischen       1871 geriet der rheinische Karneval vieler-
und französischen Besatzung des Rheinlan-       orts in ein nationalistisches, Preußen-
des und den politischen Implikationen der       freundliches Fahrwasser. Die distanzieren-
Einflussnahmen Preußens und des National-       de, obrigkeits-kritische und ironisierende
sozialismus sind weitgehend bekannt. In         Grundausrichtung sowie das Militärische
den deutschen demokratischen und natio-         und das Preußentum persiflierenden Akzen-
nalen Revolutionen gegen die autokrati-         te kamen den Fastnachtsbräuchen häufig
schen Regime 1830 und 1848/49 spielten          abhanden. Die Kölner Roten Funken waren
rheinische Karnevalisten partiell eine Rolle,   da als Spass-Militär eine rühmliche Aus-
übrigens erheblich beeinflusst von der Gro-     nahme (Brog, S. 181 - 201).
ßen Französischen Revolution 1789. Aber
jeweils hat der deutsche Obrigkeitsstaat        Ab 1914: kein Karneval mehr
gesiegt.                                        Mit Beginn des 1. Weltkriegs 1914 begann
                                                im Rheinland eine längere, auch durch
Prominent im Karneval: Klinkel in Bonn          staatliche Verbote, nahezu karnevalsfreie
Prominentes Beispiel für Bonn ist, dass der     Zeit, die auch noch einige Jahre nach
Bonner Theologieprofessor Gottfried Kinkel,     Kriegsende 1918 anhielt. Öffentliches Kar-
wie auch andere Professoren (bis in die         nevalstreiben fand nicht mehr statt. Erst ab
heutige Zeit: Prof. Lützeler), im Karneval      den Jahren 1924/25 lebte der ursprüngliche
aktiv gewesen war und Büttenreden gehal-        Saal- und Straßenkarneval wieder mehr
ten hatte, im Frühjahr 1848 "der Hauptred-      und mehr auf, bis er durch die schwere
ner der großen Revolutionsveranstaltung in      Wirtschaftskrise in Deutschland Anfang der
Bonn (war)“ (vgl. Brog, S. 111 ff.). In Wien    30er Jahre wieder stark beeinträchtigt wur-
war inzwischen Fürst Metternich gestürzt        de.
(einer der Hauptverantwortlichen für "Res-
tauration", antidemokratische Unterdrü-         Nazis misstrauten dem Karneval
ckung und Zensur, der Verf.) und in Preu-       Auch die Nationalsozialisten (1933 -1945)
ßen die Zensur aufgehoben worden.               misstrauten dem Karnevalstreiben zutiefst,
                                                befürchteten sie doch wie jede antidemo-
Kritik an Zensur des Karneval                   kratische Regierung und Obrigkeit hinter
„Mit der schwarz-rot-goldenen Fahne in der      den Masken und Kostümen, hinter dem
Hand bestieg Kinkel die Rathaustreppe (in       ausgelassenen Fastnachtfeiern Opposition,
Bonn), wo er eine flammende Rede hielt          Widerspruch, Insubordination, Aufstände
und dazu aufrief, die errungenen Freiheiten     und Verschwörungen, ja, auch bei den "Na-
mit starker Faust zu verteidigen." (Brog, S.    zis" kam dazu noch die Furcht, lächerlich
111). Damit kritisierte er auch die Zensur      gemacht zu werden, das "Schlimmste", was
bei Karnevalssitzungen, bei denen er selbst,    einer totalitaristischen, diktatorischen Herr-
um die Zensur zu überlisten, seine Bütten-      schaft geschehen kann. (Zum Thema Kar-
reden ohne schriftliches Manuskript gehal-      neval und Nationalsozialismus erscheint
ten hatte. Die Revolutions-Ereignisse von       2008/2009 neueste wissenschaftliche Lite-
1948 vermischten sich in dieser gleichzeiti-    ratur von Karl-Heinz Erdmann "Karneval
gen Karnevalssession mit dem Fastnachts-        Anfang der 1930er-Jahre in Bonn" in der
treiben im Rheinland, beeinträchtigten es in    Festschrift zu 75 Jahre Ehrengarde der
erheblichem Ausmaß (siehe für diese Zeit-       Stadt Bonn und 2009 von Marcus Leifeld in
spanne auch: Müller, S. 89).                    seiner Doktorarbeit (Dissertation) voraus-
                                                sichtlich unter dem Titel: "Der Kölner Kar-
Universität Bonn: Karnevals-Hochburg            neval im 'Dritten Reich' Eine Studie zum
Überhaupt war die Bonner Universität in der     zentralen Kölner Brauch zwischen Anpas-
Mitte des 19. Jahrhunderts eine Hochburg        sung, Gleichschaltung und oppositionellem
des Karnevals und gleichzeitig der Oppositi-    Verhalten" sowie ebenfalls von Leifeld 2009
on gegen den demokratiefeindlichen Obrig-       voraussichtlich im Münchner Verlag mit
keitsstaat. Die Bespitzelung der rheinischen    dem geplanten Titel "Karneval im 'Dritten
Karnevalisten und Strafaktionen gegen sie       Reich'".)
durch die preußische Staatsregierung bis
hin zu Todesurteilen blieben bestehen.
Nazis führen Frauen ein                         ren zunehmenden Einfluss im und die Do-
Vorgeschobene Gründe für Verbote von            minanz über den rheinischen Karneval. Das
Karnevalsaktivitäten waren leicht zu finden.    gilt auch für Bonn und Umgebung (siehe:
So untersagten die Nationalsozialisten be-      Brambor, Hans: Bonn Alaaf) und für den
reits 1935 die Darstellung der Marketende-      Koblenzer Raum. Schließlich wurde unter
rin durch einen Mann, weil das angeblich        dieser Politik der "Bund Deutscher Karne-
dem deutschen Mannestum widersprach             val" gegründet und "gleichgeschaltet".
und    der    Homosexualität      und    dem
Transvestitentum Vorschub leiste.               Opportunismus des Karnevals
Die Nationalsozialisten versuchten aber         Dennoch sollte bei der historischen Beur-
auch, sich bei den Karnevalisten anzubie-       teilung dieser Zeit und der handelnden Per-
dern, allerdings indem sie begannen, den        sonen das Gebot der Verhältnismäßigkeit
Karneval und die Karnevalsvereine in der        beachtet werden. Gewiss gab es bei etli-
NS-Organisation "Kraft durch Freude"            chen Karnevalisten des Rheinlandes Anpas-
(KdF), einer nationalsozialistischen, ideolo-   sung, Opportunismus und die Bereitschaft,
gisch orientierten Freizeit- und Tourismus-     sich unter der völkischen Ideologie "gleich-
organisation, "gleichzuschalten". KdF war       schalten" zu lassen. Aber es gab auch Wi-
eine Sonderorganisation der "Deutschen          derstand dagegen und diese Zeit betrug
Arbeitsfront", die nach dem Verbot der Ge-      nicht zwölf, sondern sechs Jahre: von 1933
werkschaften Arbeitgeber und Arbeitneh-         bis 1939 -eine relativ kurze Zeit im Ver-
mer unter dem Dach der Nationalsozialisten      gleich zur Jahrhunderte langen Entwick-
zwangsvereinigte.                               lungsgeschichte des Karnevals. Seit Kriegs-
                                                beginn 1939 gab es praktisch keinen Kar-
Karneval war kein Widerstand                    neval mehr. Dieses Urteil ist keine Ver-
Die Versuche nach dem Ende des National-        harmlosung, sondern ein Beitrag zur Objek-
sozialismus 1945 und in der Zeit der Bun-       tivierung von Geschehnissen, die dem Kar-
desrepublik Deutschland seit 1949, dem          neval des Rheinlandes, auch in Bonn, nicht
rheinischen Karneval eine Art Widerstand        "zur Ehre gereichen".
oder Opposition gegen das totalitäre Nazi-      Weitere Hinweise zu diesem Thema sind im
Regime zu unterstellen, sind nicht überzeu-     Kapitel "Rheinland und Karneval zu finden.
gend (Brog, S. 223 - 251). Den Nationalso-
zialisten gelang es überwiegend, den rhei-      Tanzmariechen
nischen Karneval zu vereinnahmen, teilwei-      Da die männliche Marketenderin von den
se ideologisch "gleichzuschalten", indem er     Nationalsozialisten verboten worden war,
bereits 1933 von der NSDAP (National-           schufen sich die gewitzten Karnevalisten ei-
Sozialistische Deutsche Arbeiter-Partei) auf    nen mehr als gleichwertigen "Ersatz": das
seine angeblich prägenden heidnisch-            Tanzmariechen, das in seiner weiblichen
"völkisch"-germanisch-atheistischen    Wur-     Uniform mit seinem Tanzoffizier akrobati-
zeln reduziert wurde. Karnevalistische Kritik   sche und graziöse Karnevalstänze aufführt.
an der NS-Obrigkeit wurde strikt untersagt.
Selbst die Zusammensetzung des Kölner
Rosenmontagszuges wurde von den Natio-          „Held Karneval“ wird „Prinz Karneval“
nalsozialisten vorgegeben.                      Aus dem "Held Karneval" im Rheinland des
Erste, kleine Anzeichen von Antisemitismus      19. Jahrhunderts wurde bald "Prinz Karne-
waren zu erkennen.                              val". Karnevalsprinzen und Prinzessinnen
                                                (in Bonn die "Bonna", in Koblenz die
„Gleichschaltung“ auch des Karneval             "Confluentia", in Düsseldorf die "Venetia")
Allerdings formierte sich 1935/36 auch öf-      und/oder "Dreigestirne", also Prinz, männli-
fentlicher Widerstand gegen diese politische    che oder weibliche "Jungfrau" (in Köln und
Vereinnahmung aus den Reihen der traditi-       in vielen Kölner Einflussgegenden) sowie
onellen Karnevalsvereine und -corps (z.B.       Bauer,     Narrenzepter    ("Pajaz")    und
in Köln: (allerdings zwiespältig) Thomas        Närrinnendiademe, Kostüme vielfältigster
Liessem, Präsident der Prinzengarde). Der       Art, Karnevalsmützen der Vereinsangehöri-
Widerstand hielt aber nicht an; die Verein-     gen (wahrscheinlich ein Narrenschiff sym-
nahmung       durch       den     völkischen-   bolisierend)   gehören    unbedingt    zum
antisemitischen Nationalsozialismus setzte      Karnevalfeiern.
sich durch.
Die nationalsozialistische "Kraft durch Freu-
de"-Organisation gewann in den 30er Jah-
1827: Narrenkappen der Vereine                 Rheinseite      viele     Frauen-Karnevals-
Diese Karnevalsmützen sollten schon An-        gesellschaften blühen und gedeihen, gewiss
fang des 19. Jahrhunderts ein einheitliches    eine Auswirkung der "alten", traditionellen
Bild der Karnevalisten bei Versammlungen       und grundlegenden Beueler Weiberfast-
gewährleisten: so bei den Kölner Repräsen-     nacht. Darüber wird in dem eigenen Kapitel
tanten des Karnevals, wenn sie sich zu Ver-    7 im einzelnen berichtet.
sammlungen trafen -als Vorläufer (zunächst
"Festordnendes Komitee" genannt) des           1991: Erste DamenKG in Köln
heutigen "Festkomitees Kölner Karneval".       Köln war und ist da sehr viel konservativer
Daraus entstanden die "Kappen"-Sitzungen.      und rückständiger: erst 1991 wurde die
Vorgeschlagen wurden die einheitlichen         erste Kölner Damen-Karnevalsgesellschaft
Karnevalsmützen 1827 ausgerechnet von          Colombina Colonia gegründet -unter den
einem preußischen Generalmajor: "Gleiche       misstrauischen Blicken der männlichen Köl-
Narren, gleiche Kappen".                       ner Karnevalsfunktionäre (Brog, S. 139 -
                                               164). Über Jahrzehnte und Jahrhunderte
„Begleitpersonal“ der Tollitäten               vorher hatten die rheinischen Frauen in
Karnevalistisches Begleitpersonal mit Präsi-   vielfältigen Formen und an allen möglichen
denten, Prinzenführern, Paginnen und Pa-       Orten kräftig und deftig Karneval gefeiert -
gen,     Karnevalisten  in   bunten    halb-   aber zumeist nicht in eigenen Karnevalsge-
militärischen Uniformen, Musikkapellen,        sellschaften und schon gar nicht in den
Karnevalsschlager und Marschmusik und          männlich-exklusiven Karnevalscorps.
vieles andere mehr hat sich seit dieser Zeit
bis heute als unverzichtbar für nahezu jede    Neuer Vereinskarneval nach 1945
Karnevalsveranstaltung     erwiesen,    aber   Nach 1945, als die Alliierten Besatzungs-
auch entwickelt und verändert.                 mächte in Westdeutschland - Amerikaner,
Das alles ist wesentlicher Bestandteil rhei-   Engländer und Franzosen - nach und nach
nischer Kultur und teilweise Kunst gewor-      ihre Vereins- und Versammlungsverbote lo-
den. Heute ist die Karnevals-"Session", die    ckerten und dann aufhoben, kam allmählich
"Fünfte Jahreszeit", selbstverständlicher      der ursprüngliche, unzensierte, kritische-
rheinischer Brauch im geregelten Jahresab-     politische und freiheitliche rheinische Kar-
lauf.                                          neval wieder zu seinem Recht. Auch der
                                               Karneval und etliche Karnevalisten mussten
Frauen im Karneval                             vorher "entnazifiziert" werden. 1953 wurde
Zur Geschichte des Karnevals gehört im         der Bund Deutscher Karneval neu gegrün-
Vereinskarneval die schwierige, wechselhaf-    det. Ein Großteil der nationalsozialistischen
te, späte Entwicklung des Frauenkarnevals.     Belastungen wurde verdrängt (Brog, S. 253
Während Frauen in der "Vorgeschichte"          - 270).
(siehe Einzelheiten in diesem Kapitel)         In den letzten Jahrzehnten und erst recht in
durchaus eine führende Rolle spielten, wur-    der heutigen Zeit ist es hoffentlich gemein-
de ihr Einfluss später, insbesondere seit      sames Selbstverständnis aller Karnevalsbe-
dem 19. Jahrhundert (preußische Vorbehal-      geisterten im Rheinland, dass Fastnachtfei-
te!) zurückgedrängt, als sich im Rheinland     ern in einer demokratischen Gesellschaft
die Karnevalscorps als "reine" Männerge-       und in einem demokratischen Staat nicht
sellschaften, mit Ausnahme der Marketen-       nur Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, Satire
derinnen und später der Tanzmariechen ,        und traditionelles Brauchtum ist, sondern
gründeten.                                     auch eine freiheitlich-kritische, und damit
                                               politische Funktion gegenüber jeder "Obrig-
Ab 1823 Damenkomitees                          keit" hat.
Erst später entstanden gerade maßgeblich
in Bonn etwa seit 193o "reine" Frauenkar-
nevalsgesellschaften, die "Damenkomitees"
(DK), zum Beispiel: DK Honigsmöhne
(1889), DK "Blau-Weiß Duisdorf von 1935,
DK Bönnsche Blömche, DK Bönnsche
Mädche, DK Lustige Bucheckern (1947), DK
Rot-Weiß Buschhoven, DK Süße Möhne und
insbesondere, ausnahmsweise schon früh-
zeitig, "Altes Beueler Damenkomitee 1824"
(!), wie generell auf der östlichen Bonner
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