Kartellrechtliche Entwicklungen in Europa und Deutschland - Competition Outlook 2022
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NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Vorwort In unserem Competition Outlook fasst die Noerr Antitrust & Competition Group für Sie die wichtigsten kartell-, fusionskontroll- und beihilferechtlichen Entwicklungen in Europa und Deutschland aus 2021 zusammen – dem Leitsatz folgend: „Learn from the past, plan for the future“. Ferner werfen wir insbesondere einen Blick auf die Frage, auf welche Entwicklungen Unternehmen 2022 vorbereitet sein sollten. In unserem Ausblick legen wir den Fokus auf die relevanten Kernthemen, von denen wir erwarten, dass sie eine wichtige Rolle in diesen Rechtsgebieten sowie im Bereich der Investitionskontrolle spielen werden. Unser Rückblick auf das Jahr 2021 befasst sich dabei u.a. mit der kartellrechtlichen Einordnung sog. enger Bestpreisklauseln durch den Bundesgerichtshof ("BGH") und ihren Folgen für die Praxis, dem gestiegenen Sanktionsrisiko beim sog. Gun Jumping und der Stärkung der Rechte von Kartell- geschädigten in Kartellschadensersatzprozessen. Unser Blick auf das anstehende Jahr zeigt, dass die großen Gegenwarts- und Zukunftsthemen unserer Zeit ihren Niederschlag auch im Kartellrecht finden werden: Welche Auswirkungen wird unsere neue Realität infolge der Covid-19-Pandemie zeitigen? Wie und mit wie viel Regulierung den grünen und digitalen Wandel gestalten? Trotz der anhaltenden Covid-19-Pandemie ist (wieder) mit verschärften Ermittlungsmaßnahmen durch Kartellbehörden zu rechnen und entsprechende Compliance-Programme von Unternehmen ge- winnen erneut an Bedeutung. Erleichterungen im Bereich der Fusionskontrolle sind für sog. Sanierungs- fusionen weiterhin nicht zu erwarten. Abzusehen sind jedoch auf EU-Ebene Änderungen im Bereich des Vertriebskartellrechts durch die anstehende Neufassung der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung und Implikationen für das kartellrechtliche Missbrauchsverbot durch den Digital Markets Act. Darüber hinaus sind schon jetzt – auch und gerade wegen der Covid-19-Pandemie – eine Renaissance und weiter zunehmende Bedeutung des Beihilferechts zu erkennen. Hinzu tritt, dass auch die Investitionskontrolle und die damit einhergehenden Notifizierungspflichten angesichts der jüngsten Gesetzesverschärfungen für das Transaktionsgeschäft immer wichtiger werden. 2 3
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Inhalt Vorwort ....................................................................................................................................................................................... 3 Rückblick: Wesentliche Entwicklungen aus 2021 . . ......................................................................................................... 7 Ausblick: Was 2022 zu erwarten ist .................................................................................................................................... 25 1. Kartellverbot . . ..................................................................................................................................................................... 8 1. Kartellverbot . . ..................................................................................................................................................................... 26 Kommission verhängt Geldbußen gegen VW und BMW wegen Absprachen Verschärfung von Ermittlungsmaßnahmen gegen beschuldigte Unternehmen . . ............................................. 27 über technische Entwicklungen . . ................................................................................................................................... 9 Weiter zunehmende Bedeutung von Compliance-Programmen . . ......................................................................... 28 Bundesgerichtshof erklärt auch enge Bestpreisklauseln für unzulässig . . ......................................................... 10 Nachhaltigkeit und Kartellrecht . . ................................................................................................................................... 29 2. Missbrauchsverbot ........................................................................................................................................................... 11 2. Missbrauchsverbot ........................................................................................................................................................... 30 Google unterliegt im Streit um Google Shopping ..................................................................................................... 12 Europäische Richter befassen sich weiter mit Google ............................................................................................. 31 3. Fusionskontrolle ................................................................................................................................................................ 13 3. Fusionskontrolle ................................................................................................................................................................ 33 Untersagung eines Zusammenschlusses nach § 36 Abs. 1 GWB bei Verstärkung einer Covid-Pandemie – neue Sanierungsfusionen in Sicht? ........................................................................................... 34 marktbeherrschenden Stellung: SIEC-Test hat keine eigenständige Bedeutung . . ........................................... 14 Gun Jumping im Fokus der Wettbewerbsbehörden .. ................................................................................................ 15 4. Rechtsetzung ...................................................................................................................................................................... 35 Vertriebskartellrecht – die Neufassung der Vertikal-GVO ...................................................................................... 36 4. Kartellschadensersatz .. ................................................................................................................................................... 16 Online-Plattformen im Fokus – DMA und DSA auf der Zielgeraden .................................................................... 37 Zulässige Schadenspauschale bewirkt Beweislastumkehr bei Kartellschadensersatzklagen .. ................... 17 Ampel-Koalition und Kartellrecht – Was plant die neue Bundesregierung? ..................................................... 38 EuGH stärkt die Rechte von Kartellgeschädigten bei Schadensersatzklagen ................................................... 18 5. Beihilferecht ....................................................................................................................................................................... 39 5. Sektoruntersuchungen .................................................................................................................................................... 19 Zunehmende Bedeutung des Europäischen Beihilferechts .. .................................................................................. 40 Sektoruntersuchung IoT - Siri, Alexa, Google Assistant im Fadenkreuz ............................................................. 20 Vorläufige Erkenntnisse der Sektoruntersuchung zur Ladesäuleninfrastruktur – Bundeskartellamt fordert mehr Wettbewerb ............................................................................................................. 21 6. Foreign Direct Investment Control ............................................................................................................................... 41 Dealbreaker Investitionskontrolle – neue Fallgruppen der Außenwirtschaftsverordnung . . ........................... 42 6. Beihilferecht ....................................................................................................................................................................... 22 Unternehmen aus Drittstaaten, beware: EU will ausländische Subventionen stärker überprüfen . . ............ 23 Ihre Ansprechpartner ............................................................................................................................................................. 44 4 5
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Rückblick: Wesentliche Entwicklungen aus 2021 6 7
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Kommission verhängt Geldbußen gegen VW Lang erwartete Entscheidungen auf europäischer und BMW wegen Absprachen über technische und nationaler Ebene Entwicklungen Dr. Sascha M. Giller, Maître en droit Associate Langjährige Verfahren von besonderem Interesse Auf europäischer Ebene sorgte vor allem eine für die Rechtspraxis zur Anwendung des Kartellverbots von der Kommission verhängte Geldbuße gegen Peter Stauber, LL.M. haben 2021 ihren Abschluss gefunden. Pkw-Hersteller für Aufsehen. Denn zum ersten Mal Partner überhaupt hat die Kommission einen Verstoß gegen Der BGH hat in Sachen booking.com insbeson- das Kartellverbot durch eine Beschränkung der tech- dere klargestellt, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV auch auf nischen Entwicklung (Abgasreinigungstechnologien) Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 stellte die Euro- Die Zusammenarbeit zwischen den Pkw-Her- enge Bestpreisklauseln anwendbar ist. In der Vor- festgestellt. päische Kommission fest, dass die BMW AG, Unter- stellern beschränkte sich nicht auf die vorgenannten instanz war das OLG Düsseldorf noch davon ausge- nehmen der Volkswagen Gruppe (Volkswagen, Audi, Themen. Im Hinblick auf die weiteren Bereiche der gangen, dass enge Bestpreisklauseln als notwendige Porsche) sowie die Daimler AG ihr Marktverhalten in Zusammenarbeit stellte die Kommission jedoch fest, Nebenabreden zu den Vermittlungsverträgen mit den Bezug auf die in Pkw mit Dieselmotoren eingesetzte dass diese den Wettbewerb nicht beschränkten. Teile Hotelunternehmen nicht vom Kartellverbot erfasst Systeme zur Abgasreinigung abgestimmt haben. Mit der Kooperation wurden sogar als wettbewerbsför- sind. dieser Koordinierung verstießen die Unternehmen dernd angesehen, wie beispielsweise die Standardi- gegen das europäische Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 sierung der AdBlue-Einfüllstutzen, die Ausarbeitung AEUV). Deshalb verhängte die Kommission eine Geld- eines Lastenheftes mit Mindest-Qualitätsanforde- buße von 502,4 Mio. Euro gegen die Volkswagen Grup- rungen für Systemteile oder die Erörterung von Qua- pe und von 372,8 Mio. Euro gegen BMW. Da Daimler litätsstandards für AdBlue und einer angemessenen das erste Unternehmen war, das die Absprachen Infrastruktur für die AdBlue-Versorgung. gegenüber der Kommission aufdeckte, wurde ihr als Kronzeugin eine Geldbuße erlassen. Dieser Fall zeigt erneut, dass bei der Koopera- Nach den Feststellungen der Kommission koor- tion zwischen Wettbewerbern Vorsicht geboten ist. dinierten die Pkw-Hersteller zwischen 25. Juni 2009 Wenn jedoch der Wettbewerb nicht beeinträchtigt und 1. Oktober 2014 die Größen ihrer AdBlue-Tanks oder vielmehr sogar gefördert wird, steht das Kar- sowie die Reichweiten zwischen zwei Nachfüllungen. tellverbot einer Kooperation nicht entgegen. In An- Ferner tauschten sie sich über angenommene durch- betracht des Bußgeldrisikos empfiehlt es sich drin- schnittliche AdBlue-Verbrauchswerte aus. Hierdurch gend, jedes Kooperationsvorhaben vorab eingehend wurde der Wettbewerb über diese Produkteigen- auf seine kartellrechtliche Zulässigkeit zu prüfen. schaften und somit zugleich bei der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Abgasreinigung für neue Diesel-Pkw beschränkt. 1. KARTELLVERBOT 8 9
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Bundesgerichtshof erklärt auch enge Bestpreisklauseln für unzulässig Dr. Jochen Christoph Hegener, LL.M. Associate Seit geraumer Zeit stehen die Geschäftsmodelle Im Jahr 2021 fand mit der Bestätigung der Dr. Fabian Badtke, LL.M. Dr. Sascha M. Giller, Dr. Lorenz W. Jarass Prof. Dr. Karsten Metzlaff der großen Unternehmen der Tech-Branche im Zu- Kommissionsentscheidung in der Sache „Google Partner Maître en droit Senior Associate Partner sammenhang mit dem kartellrechtlichen Verbot des Shopping“ durch das Gericht der Europäischen Uni- Associate Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung on außerdem einer der wichtigsten Präzedenzfälle im Fokus der Kartellbehörden und der Gesetzgeber. für die Regulierung von Plattformgeschäftsmodellen Auch die enge Bestpreisklausel der Hotel- Praxistipp: Unternehmen sollten vereinbarte Best- Auch das Jahr 2021 war insoweit keine Ausnahme. ein (vorläufiges) Ende. Abgesehen von der (über-) buchungsplattform booking.com verstößt gegen das preisklauseln, insbesondere im Rahmen von Platt- langen Dauer des Verfahrens zeigt dieses Urteil des Kartellverbot (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2021 – formen, auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin überprü- So versuchte etwa der deutsche Gesetzgeber im Gerichts der Europäischen Union ("EuG"), dass die KVR 54/20). fen. Bestpreisklauseln können bei Marktanteilen von Zuge der 10. GWB-Novelle mit spezifischen Regelun- bestehenden kartellrechtlichen Normen Teil einer unter 30 % voraussichtlich auch nach Inkrafttreten gen die besonderen Herausforderungen zu adressie- umfassenderen Regulierung von Plattform-Märkten Nach der engen Bestpreisklauel durften Hotels der neuen Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung ren, die sich aufgrund der Marktmacht dieser Unter- sein sollten. ihre Zimmer auf der eigenen Webseite nicht zu nied- am 1. Juni 2022 vom Kartellverbot freigestellt sein. nehmen durch ihre Tätigkeit als Plattformen stellen. rigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten Eine Ausnahme ist derzeit jedoch für weite Best- als auf der Plattform von booking.com. Hingegen preisklauseln vorgesehen, die es auf einer Plattform Darüber hinaus sind auch eine Reihe weiterer, konnten die Hotelzimmer auf anderen Online-Re- vertreibenden Anbietern untersagen, die maßgebli- derzeit noch laufender Gesetzgebungsvorhaben in servierungsportalen (Verbot der weiten Bestpreis- chen Waren oder Dienstleistungen auf anderen Platt- diesem Zusammenhang prägend für die öffentliche klausel) oder, vorausgesetzt es erfolgte dafür keine formen günstiger anzubieten. Wahrnehmung des Kartellrechts. Dies gilt zuvörderst Werbung oder Veröffentlichung online, auch „offline“ für das europäische Gesetzgebungsverfahren für den günstiger angeboten werden. Digital Markets Act, das sich ebenfalls gerade auf die als „Gatekeeper“ bezeichneten Plattformen und de- Der BGH verwarf diese enge Bestpreisklausel: ren besondere Stellung bezieht. Selbst in den USA, Sie beschränke die gebundenen Hotels spürbar im wo viele der Tech-Unternehmen ihren Sitz haben und Preiswettbewerb sowohl mit booking.com selbst (in- wo sie in der Vergangenheit eher zurückhaltend re- trabrand) als auch mit anderen Hotels (interbrand). guliert wurden, gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Ein etwaiges Trittbrettfahrerproblem, wonach Hotel- Bestrebungen, die Marktmacht eben jener Unter- gäste zwar das Hotel über booking.com finden, aber nehmen zu begrenzen und ungewollte Auswirkungen aufgrund günstigerer Preise auf der hoteleigenen der „Tech Economy“ auf wirtschaftlicher, aber auch Webseite buchen, führe zu keiner anderen Beurtei- gesellschaftlicher Ebene zu verhindern. lung: Effizienzvorteile der engen Bestpreisklausel für den Wettbewerb seien nicht erkennbar, weil die mit der engen Bestpreisklausel verbundene Be- schränkung des Preiswettbewerbs zu schwer wiege. Außerdem sei ein dauerhafter und wirtschaftlich er- folgreicher Plattformbetrieb auch ohne Vereinbarung enger Bestpreisklauseln möglich, weil booking.com seit der Aussetzung der engen Bestpreisklauel 2016 kontinuierlich gewachsen sei. Aufgrund der hohen Marktanteile von booking.com komme auch keine 2. MISSBRAUCHSVERBOT Freistellung nach der Vertikal-Gruppenfreistellungs- verordnung in Betracht. 10 11
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Google unterliegt im Streit um Google Shopping Weitreichende Entwicklungen in der deutschen und europäischen Fusionskontrolle Dr. Sascha M. Giller, Dr. Jens Peter Schmidt Maître en droit Partner Associate In Deutschland hob der Gesetzgeber die Umsätze Bis zur gerichtlichen Klärung verbleibt für Sarah Blazek, E.MA Dr. Jochen Christoph Hegener, Prof. Dr. Karsten Metzlaff der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, zahlreiche Transaktionen ein hohes Maß an Unsi- Associated Partner LL.M. Partner ab denen eine Anmeldepflicht besteht, signifikant an. cherheit und Komplexität, das die M&A-Praxis ab- Associate Dies führte zu einem erfreulichen Rückgang der beim bilden muss. Gleiches gilt für die von Luxemburg Bundeskartellamt angemeldeten Transaktionen um erstinstanzlich bestätigten Ausführungen zum Voll- Erwähnenswert war im Rahmen des Miss- Diese – häufig als „self-preferencing“ oder ca. 30 %. zugsverbot bezüglich bestimmter Kaufvertragsklau- brauchsverbots im vergangenen Jahr in erster Linie Selbstbevorzugung bezeichnete – Praxis von Google seln und Integrationsmaßnahmen. die Entscheidung des EuG zum Preisvergleichsdienst hielten die Kommission und nun auch das EuG für Auf EU-Ebene sendete Brüssel dagegen gegen- Google Shopping. Hierin bestätigte das EuG eine von einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stel- teilige Signale und riskiert die einheitliche und vor- In materieller Hinsicht stellte der BGH erst- der Europäischen Kommission im Jahr 2017 verhäng- lung. Das Urteil stellt – trotz der Möglichkeit eines hersehbare Anwendung eines etablierten Zustän- mals die Untersagungsvoraussetzungen gemäß te Geldbuße von 2,41 Mrd. Euro. Rechtsmittels durch Google – einen wichtigen Sieg für digkeits- und Verweisungsmechanismus zwischen § 36 Abs. 1 GWB wegen Verstärkung einer markt- die Kommission dar und dürfte auch als Bestärkung Mitgliedsstaaten und Kommission. Während früher beherrschenden Stellung klar und etablierte dabei Die Entscheidung des EuG bestätigte die Euro- von Bemühungen zahlreicher Wettbewerbsbehörden Mitgliedsstaaten nur solche Transaktionen an die einen strengen Maßstab für die deutsche Fusions- päische Kommission („Kommission“) in ihrer Ansicht, und Gesetzgeber zur zunehmenden Regulierung der Kommission verweisen konnten, die national hätten kontrolle. dass Google seine marktbeherrschende Stellung auf Geschäftspraktiken der großen Digitalunternehmen angemeldet werden müssen, soll nach einem Leitfa- dem Markt für allgemeine Suchdienste missbraucht zu werten sein. den der Kommission eine Verweisung nunmehr auch habe, um unzulässigerweise seinen Preisvergleichs- ohne nationale Anmeldepflicht möglich sein. dienst Google Shopping gegenüber dem Wettbewerb zu bevorzugen. Konkret habe Google jedenfalls ab Das Vorhaben Illlumina/Grail (M.10188) illus- 2008 seine Marktmacht auf dem Markt für allge- triert die Aktualität dieser Praxis. Das in keinem meine Internetsuchdienste im EWR genutzt, um bei Mitgliedsstaat anmeldepflichtige Vorhaben wurde produktbezogenen Suchen mit dem Suchdienst von von Frankreich an die Kommission verwiesen. Es Google die zu Google Shopping gehörenden Ergeb- folgten ein vertieftes Prüfverfahren durch die Kom- nisse in bevorzugter Position auf der Ergebnisseite mission und verfahrensrechtliche Streitigkeiten, mit anzuzeigen. Diese erschienen entweder weit oben denen auch das Gericht der Europäischen Union in der Ergebnisliste oder in hervorgehobenen Käst- (Rs. T-227/21) befasst ist. Im Vorhaben Facebook/ chen rechts neben den Suchergebnissen. Gleichzei- Kustomer (M.10262) machte das Bundeskartellamt tig habe Google seine Algorithmen so gestaltet, dass seine Ablehnung der Kommissionspraxis deutlich. die relevantesten, auf andere Preisvergleichsdienste verweisenden Ergebnisse bestenfalls auf Seite 4 der Resultate angezeigt wurden. Der Verkehr auf der Google-Shopping-Seite habe sich durch diese Praxis in manchen Ländern um den Faktor 45 erhöht, wäh- rend der Verkehr auf den Seiten von Wettbewerbern um bis zu 92 % eingebrochen sei. 3. FUSIONSKONTROLLE 12 13
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Untersagung eines Zusammenschlusses nach § 36 Abs. 1 GWB bei Verstärkung einer Gun Jumping im Fokus der Wettbewerbsbehörden marktbeherrschenden Stellung: SIEC-Test hat keine eigenständige Bedeutung Sarah Blazek, E.MA Dr. Sascha M. Giller, Dr. Jens Peter Schmidt Associated Partner Maître en droit Partner Associate Dr. Kathrin Westermann Partner Weltweit drohen Unternehmen hohe Bußgel- Um nicht Gefahr zu laufen, dass vor Vollzug Ge- In einem Beschluss vom 12. Januar 2021 (KVR Beachtlich ist diese Entscheidung deswegen, der, wenn fusionskontrollrechtlich anmeldepflichtige schäftsvorgänge dem Einfluss des Käufers unterlie- 34/20 – CTS Eventim/Four Artists) hat der BGH erst- weil der deutsche Gesetzgeber den Wortlaut der Transaktionen nicht notifiziert und/oder vor Freigabe gen, die nicht für den Werterhalt des Zielunterneh- mals nach der Einführung des sog. SIEC-Tests in das Untersagungsvoraussetzungen dem europäischen vollzogen werden. mens für erforderlich erachtet werden, ist bei der deutsche Recht im Juli 2015 darüber entschieden, ob Recht angepasst hatte. Jedenfalls die Europäische Formulierung entsprechender SPA-Klauseln größte das Kriterium der erheblichen Wettbewerbsbehinde- Kommission lässt in der Regel eine nicht spürbare Dies hat das Gericht der Europäischen Union Vorsicht geboten. Denn schon die bloße Möglichkeit rung eine eigenständige Prüfung erfordert, wenn der Verstärkung für eine Untersagung nicht ausreichen. („EuG“) für vertraglich vereinbarte Pre-Closing Cov- des kontrollierenden Einflusses ab Signing reicht Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stel- Der BGH hält dem entgegen, der Gesetzgeber habe enants (Werterhaltungsklauseln) und bestimmte aus. Unabhängig davon kann ein Informationsaus- lung verstärkt. Der BGH hat dies verneint. durch die Gesetzesänderung ausdrücklich nicht die Verhaltensweisen der Parteien zwischen Signing und tausch zwischen Käufer und Verkäufer einen Verstoß nationale Entscheidungspraxis ändern und auch die Closing aufgezeigt und damit das bislang höchste darstellen, wodurch weitere Risiken für die Integra- Danach behindert jeder Zusammenschluss den Eingriffsbefugnisse der deutschen Fusionskontrol- Bußgeld der Europäischen Kommission wegen „Gun tionsplanung berücksichtigt werden müssen. Wettbewerb erheblich und ist zu untersagen, durch le nicht begrenzen, sondern erweitern wollen. Der Jumpings“ (über 120 Mio. Euro) im Wesentlichen be- den eine bestehende Marktbeherrschung verstärkt SIEC-Test sollte nämlich Fallkonstellationen erfas- stätigt (Urteil in der Rs. T-425/18 – Altice Europe/ oder begründet wird. Der BGH hält zudem an der sen, die mit den Begriffen der Entstehung oder Ver- Kommission). Ein und dasselbe Verhalten kann dabei bisherigen Praxis fest, nach der eine marktbeherr- stärkung einer marktbeherrschenden Stellung nicht sowohl wegen Verstoßes gegen die Anmeldepflicht schende Position auch verstärkt werden kann, wenn ohne Weiteres gelöst werden können (komplexe Oli- als auch gegen das Vollzugsverbot geahndet werden. die Verstärkung weder spürbar noch gar erheblich gopolsachverhalte und nicht koordiniertes bzw. uni- ist. Vielmehr reiche es aus, wenn der noch bestehen- laterales Verhalten). Das EuG hat die in Verkaufsverträgen geregel- de oder potenzielle Wettbewerb nur geringfügig (z.B. ten fließenden Grenzen zwischen erlaubtem Wert- durch einen – vertikalen – „Marktanteilszuwachs“ erhalt und unzulässiger Möglichkeit eines kontrol- von nur 1 %) beeinträchtigt werde. Dies gelte jeden- lierenden Einflusses präzisiert. Drei Kategorien von falls dann, wenn (z.B. aufgrund von Netzwerkeffek- in der Transaktionspraxis immer wieder diskutierten ten) ungünstige Bedingungen für nachstoßenden Einflussrechten erachtete das EuG als zu weit ge- Wettbewerb herrschen. fasst, da sie innerhalb des normalen Geschäftsgangs („ordinary course of business“) lagen und für den Schutz legitimer Werterhaltungsinteressen nicht er- forderlich waren: > Ernennung und Abberufung von Führungskräften > Gestaltung der Preispolitik und der Geschäftsbe- dingungen > Möglichkeit, verschiedene Verträge abzuschließen, zu beenden oder zu modifizieren, wobei verhältnis- mäßig niedrige monetäre Schwellenwerte vorgese- hen waren 14 15
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Zulässige Schadenspauschale bewirkt Beweis- lastumkehr bei Kartellschadensersatzklagen Johanna Krauskopf, LL.M. Dr. Henner Schläfke Associate Partner Nachdem der BGH in mehreren Entscheidungen Allerdings kann ein Schaden der Höhe nach aus zuletzt eine umfassendere tatrichterliche Gesamtwür- pauschalisierten Schadensersatzklauseln folgen. Der Dr. Fabian Badtke, LL.M. Immo Schuler, LL.M. digung in Kartellschadensersatzprozessen angemahnt BGH erklärte solche Klauseln für zulässig Partner Senior Associate hatte, ist eine intensive Debatte um die Art der Schaden- (KZR 63/18 – Schienenkartell VI). Bei einer Pauscha- schätzung entstanden. lisierung von bis zu 15 % der Abrechnungssumme liege keine unangemessene Benachteiligung im Sinne Die Bezifferung eines Schadens im Rahmen von 2. Dem Vertragspartner muss der Nachweis eines Das LG Dortmund (Az. 8 O 115/14 (Kart)) und von § 307 BGB vor. Kartellschadensersatzklagen stellt den Kläger häu- niedrigeren Schadens gestattet sein. Die Anfor- das OLG Celle (Az. 13 U 120/16 (Kart)) unternahmen fig vor Schwierigkeiten. Im Schienenkartell-VI-Urteil derungen an den Nachweis eines niedrigeren erste Versuche in der freien Schätzung des Scha- Zunehmend befasst sich die Rechtsprechung stärkte der BGH im Februar 2021 die Rechte von Kar- Schadens entsprechen den Anforderungen, die dens, im Wesentlichen basierend auf einer Gesamt- mit den in den §§ 33g, 89b GWB verankerten Heraus- tellgeschädigten und erklärte pauschalisierte Kartell- an den Geschädigten zum Nachweis eines Scha- schau von Sachverhaltsaspekten unter Verzicht auf gabe- und Auskunftsansprüchen. Dass diese für alle schadensersatzklauseln in AGB für zulässig. dens gestellt werden, sofern keine Schadens- ökonometrische Berechnungen. Dies bleibt jedoch nach dem 26. Dezember 2016 eingeleiteten Rechts- pauschale existiert. die Ausnahme: Die Mehrzahl der Gerichte beauf- streite unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung Der BGH stellte allerdings zwei wesentliche tragt Gerichtsgutachter mit der Erstellung ökono- des Anspruchs Anwendung finden, hat der Gesetzge- Voraussetzungen für die Wirksamkeit solcher Klau- Praxistipp: Unternehmen sollten bestehende Ein- metrischer Gutachten. Erste Gutachten haben dabei ber mit der 10. GWB-Novelle klargestellt. seln auf: kaufsverträge prüfen und ggf. um eine pauschale teils, z.B. im Zuckerkartell, Schäden festgestellt, 1. Die Höhe der Schadenspauschale darf „den Kartellschadensersatzklausel ergänzen bzw. bei teils aber auch Privatgutachten von Klägern als un- Auf europäischer Ebene prägte der Europäische nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu er- neuen Verträgen eine solche aufnehmen. Eine wirk- tauglich verworfen. Gerichtshof ("EuGH") das Kartellschadensersatz- wartenden Schaden“ nicht übersteigen. Damit same Klausel führt zu einer Umkehr der Darlegungs- recht insbesondere durch sein Urteil in der Rechts- eine in AGB verankerte Schadenspauschaule und Beweislast. Der Vertragspartner muss dann dar- Auch der BGH hat in seinem zweiten Urteil zum sache Sumal (C-882/19) zur Haftung von Tochter- den Vertragspartner nicht unangemessen be- legen und ggf. beweisen, dass der Schaden geringer Lkw-Fall (KZR 19/20) betont, dass Privatgutachten gesellschaften für Kartellverstöße ihrer Mütter und nachteiligt, muss sie so gestaltet sein, dass ist als der in der Klausel festgelegte pauschalisierte als relevantes Indiz im Rahmen der Gesamtwürdi- im Volvo-Urteil (Rs. C-30/20) zu Fragen der örtlichen eine „Unter- und eine Überkompensation des Betrag. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich am pau- gung nach § 287 ZPO zu berücksichtigen sind. Erneut Zuständigkeit. Schadens gleichermaßen wahrscheinlich“ ist. schalisierten Betrag festhalten lassen. betonte der Kartellsenat auch, dass aus der tatsäch- Die Schadenspauschale muss sich daher an lichen Vermutung einer kartellbedingten Preiserhö- der branchentypischen Schadenshöhe bemes- hung keine Beweislastumkehr folge. sen. Fehlt es aber an empirischen Erkenntnis- sen für eine branchentypische Schadenshö- he, genügt eine Bezugnahme auf ökonomisch fundierte allgemeine Aussagen kartellbeding- ter Preisaufschläge. Auf Grundlage aktueller Metastudien (z.B. der Oxera-Studie) sieht der BGH kartellrechtliche Schadenspauschalen in Höhe von 5 % bis 15 % als angemessen an. 4. KARTELLSCHADENSERSATZ 16 17
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR EuGH stärkt die Rechte von Kartellgeschädigten bei Schadensersatzklagen Immo Schuler, LL.M. Senior Associate Sektoruntersuchungen dienen der Europäischen In der Praxis spielen Sektoruntersuchungen Johanna Krauskopf, LL.M. Sebastian Wrobel, LL.M. Kommission und dem Bundeskartellamt dazu, die nach anfänglicher Zurückhaltung seitens der Wett- Associate Associate Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in einem bewerbsbehörden mittlerweile eine erhebliche Rol- Wirtschaftszweig zu untersuchen und zu analysieren. le. So führten die Europäische Kommission und das Voraussetzung für die Durchführung einer Sektorun- Bundeskartellamt Sektoruntersuchungen u.a. be- Der EuGH hat 2021 in zwei wegweisenden Urtei- Zum anderen hat der EuGH mit dem Urteil in der tersuchung ist lediglich, dass „starre Preise oder an- reits in den Bereichen „E-Commerce“, „Roaming“, len erneut die Relevanz des sog. „Private Enforce- Rechtssache Sumal (C-882/19) die kartellrechtliche dere Umstände“ vermuten lassen, dass der Wettbe- „Zement und Transportbeton“, „Kraftstoffe“ oder ment“ für die wirksame Durchsetzung des europäi- Schadensersatzhaftung im Konzern erheblich aus- werb möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht auch „Milch“ durch (Übersichten der bisherigen schen Kartellrechts betont. geweitet, indem unter bestimmten Voraussetzungen ist. Die Untersuchung richtet sich folglich nicht gegen Sektoruntersuchungen der Europäischen Kommis- neben der bekannten Haftung einer Mutter- für ihre ein einzelnes Unternehmen, sondern dient der Über- sion und des Bundeskartellamtes finden Sie hier und Zum einen lieferte der EuGH Orientierungshilfe Tochtergesellschaft auch eine umgekehrte Haftung prüfung der gesamten Wettbewerbsstrukturen eines hier). bei der Klärung von Zuständigkeitsfragen in Kartell- möglich ist. Nach dem Konzept der wirtschaftlichen Wirtschaftssektors. Die Ermittlungsbefugnisse der schadensersatzverfahren, indem das Gericht fest- Einheit kann demnach eine Tochtergesellschaft für Wettbewerbsbehörden, insbesondere Auskunftsersu- Gegenwärtig führen die Europäische Kommis- stellte, dass Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ein wettbewerbswidriges Verhalten ihrer Mutter- chen, sind entsprechend breit angelegt. sion und das Bundeskartellamt Sektoruntersuchun- („EuGVVO“) nicht nur die internationale, sondern gesellschaft haften, wenn (i) die Unternehmen auf- gen zum „Internet der Dinge“ (Internet of Things) auch die örtliche Zuständigkeit regelt (Urteil in der grund wirtschaftlicher, organisatorischer und recht- Abhängig von den Ergebnissen können die Wett- bzw. zur „Bereitstellung und Vermarktung öffentlich Rs. C-30/20 – Volvo). Der EuGH konretisierte dabei, licher Bindungen miteinander verbunden sind und bewerbsbehörden im Anschluss an die Sektorunter- zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeu- dass der Erfolgsort im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO (ii) zwischen dem Kartellrechtsverstoß der Mutter- suchung zum Beispiel konkrete Ermittlungen gegen ge“ durch. Zwischenberichte hierzu wurden im Juli der Ort ist, an dem der Geschädigte die von den gesellschaft und der Tätigkeit der Tochtergesell- einzelne Unternehmen einleiten oder Empfehlungen bzw. Oktober 2021 veröffentlicht. Kartellabsprachen betroffenen Gegenstände unmit- schaft ein konkreter Zusammenhang besteht – zum für die Politik abgeben. Bereits die Durchführung telbar oder mittelbar erworben hat. Dies setzt den Beispiel über eine Tätigkeit im selben Produktmarkt. einer Sektoruntersuchung kann Unternehmen des Erwerb nur in einem einzigen Gerichtsbezirk voraus, Ob sich aus dem Gesamthaftungskonzept des EuGH betroffenen Sektors dazu veranlassen, ihr Verhalten andernfalls richtet sich die Zuständigkeit nach dem auch eine Haftung von Schwestergesellschaften zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Sitz des Klägers. Den Mitgliedsstaaten ist es jedoch herleiten lässt, wird abzuwarten sein. weiterhin unbenommen, die Zuständigkeit vor einem spezialisierten Gericht zu bündeln. 5. SEKTORUNTERSUCHUNGEN 18 19
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Vorläufige Erkenntnisse der Sektoruntersuchung Sektoruntersuchung IoT – Siri, Alexa, Google zur Ladesäuleninfrastruktur – Bundeskartellamt Assistant im Fadenkreuz fordert mehr Wettbewerb Sarah Blazek, E.MA Markus Brösamle Immo Schuler, LL.M. Peter Stauber, LL.M. Associated Partner Senior Associate Senior Associate Partner Die Sektoruntersuchung zum Internet der Dinge Siri, Alexa, Google Assistant im Blick: All- Das Bundeskartellamt führt gegenwärtig eine Als wichtiges Mittel für die Entwicklung funk- (Internet of Things – „IoT“) für Verbraucher in der EU round(er)-Sprachassistenten kristallisierten sich als Sektoruntersuchung zur Wettbewerbslage bei der tionierender Marktstrukturen benennt das Bundes- ist Teil der Digitalstrategie der Europäischen Kom- wesentliche Akteure heraus. Als Benutzerschnitt- Ladesäuleninfrastruktur durch und hat hierzu am kartellamt die öffentliche Ausschreibung geeigneter mission („Kommission“). Sie fügt sich in eine Reihe stelle, über die Verbraucher mit verschiedenen in- 12. Oktober 2021 einen Zwischenbericht veröffentlicht Flächen. Andernfalls drohe die Entstehung regio- weiterer Digitalmaßnahmen ein, da sich sowohl die telligenten Geräten und IoT-Diensten interagierten, (vgl. hier). nal marktmächtiger Betreiber, wodurch das Risiko Kommission als auch die nationalen Wettbewerbs- käme ihnen eine Gatekeeperfunktion zu. Wettbe- marktabschottender Behinderungsstrategien steigt. behörden zunehmend im Digitalbereich aufstellen, werbliche Bedenken beträfen etwa die einseitige Ziel der Untersuchung ist es, bereits in der aktuel- Gegenwärtig ist das Bundeskartellamt aber der Auf- um den Wettbewerb erforderlichenfalls wirksam(er) Kontrolle der Anbieter über Interoperabilitäts- und len Marktphase des Infrastrukturaufbaus mögliche fassung, dass die bestehenden kartellrechtlichen schützen zu können. Integrationsprozesse, Ausschließlichkeits- und Wettbewerbsprobleme zu identifizieren. Hierzu prüft Eingriffsmöglichkeiten ausreichen, um auf miss- Kopplungspraktiken sowie Vorteile beim Zugang zu das Bundeskartellamt die Wettbewerbslage auf drei bräuchliche Verhaltensweisen angemessen reagie- Im Juli 2021 hat die Kommission einen Zwi- Daten. Zugleich weise der Markt hohe Marktzutritts- Wertschöpfungsstufen: ren zu können. Regulatorische Eingriffe seien daher schenbericht über die ersten Ergebnisse der laufen- schranken auf, da Sprachassistenten in der Entwick- 1. Angebot geeigneter Flächen für öffentlich zu- nicht erforderlich. den Sektoruntersuchung zum IoT veröffentlicht. Ziel lung sehr teuer seien. gängliche Ladesäulen, der Kommission ist es, ein genaueres Verständnis 2. Betrieb öffentlich zugänglicher Ladesäulen und Endgültige Ermittlungsergebnisse wird das der Branche, der Trends, der Wettbewerbssituation Der Abschlussbericht wird in der ersten Jahres- 3. Vertrieb von Ladestrom bzw. das Angebot von Bundeskartellamt nach vollständiger Auswertung und potenzieller Wettbewerbsprobleme zu erlan- hälfte 2022 erwartet. Die Erkenntnisse der Unter- Mobilitätsdienstleistungen. der gewonnenen Daten veröffentlichen. gen. Dazu hat sie Informationen von über 200 (inter- suchung können etwa zu konkreten Ermittlungsver- nationalen) Unternehmen aller Größen im Bereich fahren gegen bestimmte Unternehmen führen oder Den bisherigen Erkenntnissen zufolge befinden IoT gesammelt. Untersucht wurden insbesondere im Rahmen gesetzlicher Vorhaben Berücksichtigung sich die Produkt- und Dienstleistungsmärkte noch in die Segmente Sprachassistenten, intelligente Haus- finden. Es bleibt spannend. der Entwicklung. Gleiches gilt folglich für die Stel- haltsgeräte (wie Kühlschränke, Waschmaschinen), lung der Marktteilnehmer. Dies wird bei der Prüfung tragbare Geräte (z.B. Fitness-Tracker) und IoT-Dien- von Marktmacht zu berücksichtigen sein. Das Bun- ste für Verbraucher (z.B. Carsharing-Dienste oder deskartellamt betont ferner, dass die staatliche För- Dienste für kreative Inhalte wie Spotify). derung eines schnellen und flächendeckenden Auf- baus der Infrastruktur diskriminierungsfrei erfolgen muss. Kritisch werden Pläne beurteilt, wonach der Staat das Betriebsrisiko für Ladesäulen ganz oder teilweise übernehmen und die Preisgestaltungsfrei- heit der Anbieter beschränken könnte. 20 21
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Unternehmen aus Drittstaaten, beware: EU will ausländische Subventionen stärker überprüfen Sarah Blazek, E.MA Dr. Jens Peter Schmidt Giovanna Ventura Associated Partner Partner Legal Advisor In der EU werden die Zeiten für ausländische In- Dieser Vorschlag wird derzeit im Europäischen vestoren härter. Da Investitionen ausländischer Un- Parlament und im Rat diskutiert. Der Ausschuss für ternehmen, einschließlich staatlicher Unternehmen, internationalen Handel (INTA) ist dabei federführend in der EU in den letzten Jahren rapide zugenommen im Parlament. Im Oktober fand dort eine erste De- haben, sind die politischen Entscheidungsträger in batte über den Text statt. Der Berichterstatter, Herr der EU skeptisch geworden, dass die bestehenden Hansen (EVP-Fraktion), betonte zusammen mit an- Instrumente für staatliche Beihilfen, Kartell-/Fusions- deren Mitgliedern des Parlaments die Notwendig- kontrolle, Beschaffung und die handelspolitischen keit, sich auf die Anmeldeschwellen zu konzentrie- Schutzinstrumente ausreichen, um die (empfunde- ren. Diese sollten im Vergleich zum Vorschlag der nen) Verzerrungen durch Subventionen von Nicht-EU- Kommission weiter abgesenkt werden. Sobald das Ländern zu bekämpfen. Europäische Parlament und der Rat ihre eigenen Positionen festgelegt haben, werden die interins- Die Kommission hat daher im Mai 2021 einen titutionellen Verhandlungen über den endgültigen Verordnungsvorschlag veröffentlicht, der sie mit Text beginnen. Zur Verabschiedung muss die vorge- drei neuen Regulierungsinstrumenten ausstattet: schlagene Verordnung sowohl vom Rat als auch vom (i) ein meldebasiertes Untersuchungsinstrument für Europäischen Parlament gebilligt werden. Es wird bestimmte Transaktionen; (ii) ein meldebasiertes erwartet, dass sie bis Ende 2022 formell angenom- Untersuchungsinstrument für Angebote bei großen men wird und ab Mitte 2023 in Kraft tritt. öffentlichen Aufträgen und (iii) ein allgemeines Un- tersuchungsinstrument. 6. BEIHILFERECHT 22 23
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Ausblick: Was 2022 zu erwarten ist 24 25
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Verschärfung von Ermittlungsmaßnahmen gegen beschuldigte Unternehmen Dr. Alexander Birnstiel, LL.M. Dr. Jochen Christoph Hegener, Dr. Raphael Reims, LL.M. Partner LL.M. Associate Associate Das Kartellverbot ist einer der Eckpfeiler des Insbesondere in Deutschland hat die 10. GWB- deutschen wie auch des europäischen Kartellrechts. Novelle von Anfang 2021 weitreichende, wenn auch Dr. Alexander Birnstiel, LL.M. Dr. Jochen Christoph Hegener, Dr. Raphael Reims, LL.M. Es ist zu erwarten, dass es auch im Jahr 2022 wie- öffentlich weniger beachtete Neuerungen mit sich Partner LL.M. Associate der eine zentrale Rolle bei der Tätigkeit der Wettbe- gebracht, deren Relevanz in vollem Umfang erst im Associate werbsbehörden einnehmen wird. Zwar standen in der Rahmen von ersten unter den neuen Regelungen öffentlichen Diskussion der jüngeren Vergangenheit durchgeführten und abgeschlossenen Bußgeldver- Zunächst ist mit einer Intensivierung von Ermitt- Von umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen vielfach Themen im Zusammenhang mit digitalen fahren hervortreten werden. Hiermit dürfte im Jahr lungsmaßnahmen zu rechnen, die infolge der Covid- betroffene oder jedenfalls bedrohte Unternehmen Geschäftsmodellen und dem Missbrauch von Markt- 2022 nunmehr durchaus schon zu rechnen sein. Dies 19-Pandemie zum Teil einen spürbaren Rückgang sollten daher im Einzelfall sehr genau erwägen, ob macht durch die immer kritischer betrachteten „Gate- gilt insbesondere für die Verschärfung von Ermitt- erfuhren. Das gilt insbesondere für Durchsuchungen sie – statt die erwähnten Ermittlungsmaßnahmen keeper“ im Vordergrund. Gleichwohl entwickeln sich lungsbefugnissen der deutschen Kartellbehörden, von Geschäftsräumen von Unternehmen, die im Ver- schlicht zu erdulden – als Kronzeuge oder jedenfalls auch Anwendung und Durchsetzung des Kartellver- die verschiedene neue und überarbeitete Mittel zur dacht stehen, gegen das Kartellverbot zu verstoßen proaktiv und verstärkt kooperierend auftreten soll- bots konstant weiter. Aufdeckung und Verfolgung von Kartellen an die Hand (sogenannte „Dawn Raids“). Das Bundeskartellamt ten. Das Kronzeugenprogramm des Bundeskartell- bekommen haben. Darüber hinaus dürften auch ers- führte ausweislich seines Jahresberichts im Jahr amts erfuhr im Rahmen der 10. GWB-Novelle durch te Bußgeldentscheidungen ergehen, in denen etwa 2020 außergewöhnlich wenige, nämlich konkret le- die erstmalige Verankerung im Gesetz eine Auf- die neue „Compliance-Defense“ eine Rolle spielen diglich zwei Dawn Raids durch. Es ist jedenfalls nach wertung. Darauf aufsetzend überarbeitete das Bun- kann. Schließlich ist auch damit zu rechnen, dass das einem Abklingen der Pandemie damit zu rechnen, deskartellamt im August 2021 seine Leitlinien zum Jahr 2022 mehr Klarheit zu der Frage schafft, inwie- dass das Bundeskartellamt wie auch die Europäische Kronzeugenprogramm. Auch unter diesen Regelun- weit Nachhaltigkeitsaspekte bei der Anwendung des Kommission das Mittel der Dawn Raids wieder ver- gen gilt aber nach wie vor, dass ein Kronzeugenan- Kartellverbots zu berücksichtigen sind. mehrt zur Anwendung bringen werden. Aus beiden trag insbesondere dann näher in Betracht gezogen Behörden sind entsprechende Absichtsbekundungen werden sollte, wenn sich der Verdacht der Kartellbe- zu vernehmen. hörden aus Unternehmenssicht nicht von der Hand weisen lässt und sich die Verteidigung gegen die Jedenfalls die Ermittlungen des Bundeskartell- Vorwürfe als eher schwierig darstellt. amts werden zudem aufgrund einiger im Zuge der 10. GWB-Novelle Anfang 2021 erweiterter Ermitt- lungsbefugnisse für Unternehmen eingriffsintensi- ver werden. So gibt es bei Dawn Raids der deutschen Kartellbehörden nunmehr etwa, wie schon zuvor im EU-Recht, eine bußgeldbewehrte Mitwirkungspflicht für Mitarbeiter des Unternehmens. Daneben wer- den Unternehmen nun erstmals u.U. umfangreiche schriftliche Auskunftsverlangen von deutschen Kar- tellbehörden zum fraglichen Sachverhalt beantwor- ten müssen. 1. KARTELLVERBOT 26 27
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Weiter zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Kartellrecht Compliance-Programmen Dr. Alexander Birnstiel, LL.M. Dr. Jochen Christoph Hegener, Dr. Raphael Reims, LL.M. Markus Brösamle Dr. Lucas Gasser Dr. Lorenz W. Jarass Partner LL.M. Associate Senior Associate Senior Associate Senior Associate Associate Des Weiteren sollten Unternehmen aber auch Compliance-Programme sind darüber hinaus ESG-Kriterien (für Environmental, Social, Gover- Häufig wird eine Wettbewerbsbeschränkung präventive Maßnahmen im Blick behalten. Hierzu bei einem Antrag auf vorzeitige Löschung einer Ein- nance) und Nachhaltigkeitsinitiativen sind in den letz- aber gegeben sein, sodass es auf die Frage der Ein- gehören insbesondere kartellrechtliche Compliance- tragung aus dem Wettbewerbsregister darzulegen. ten Jahren in allen Branchen in den Fokus gerückt. zelfreistellung vom Kartellverbot ankommt. Dazu ist Programme, die in Zukunft weiter an Bedeutung ge- In dieses Register werden unter anderem Kartell- Nachhaltigkeitsaspekte werden damit auch zu Wett- vor allem erforderlich, dass die Kooperation Effizi- winnen dürften. Seit der 10. GWB-Novelle ist das bußgelder eingetragen. Öffentliche Auftraggeber bewerbsparametern. Gleichzeitig versuchen Unter- enzgewinne hervorbringt, an der die Verbraucher an- Bundeskartellamt nämlich angehalten, bei der Buß- müssen das Register bei größeren Vergabeverfahren nehmen vermehrt, Kooperationen miteinander einzu- gemessen beteiligt werden. Ob und inwieweit Nach- geldzumessung angemessene und wirksame Vorkeh- abfragen und sodann nach Maßgabe vergaberechtli- gehen, um Nachhaltigkeitsziele mit vereinten Kräften haltigkeitsaspekte überhaupt als Effizienzgewinne rungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Kartell- cher Vorschriften entscheiden, ob ein Unternehmen zu erreichen. Inwiefern das Kartellrecht solchen Ko- anerkannt werden, ist derzeit aber noch ungeklärt rechtsverstößen zu berücksichtigen. Hiernach können etwa von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen operationen im Weg steht oder welchen Beitrag es zu und bedarf deshalb einer eingehenden Prüfung im Compliance-Programme also nicht nur Verstöße ver- werden sollte. einer „Green Economy“ leisten kann, sind bisher noch Einzelfall. hindern, sondern im Falle eines Verstoßes auch zur nicht allgemein geklärte Fragen. Minderung des Bußgeldes führen. Diese sogenannte Für die Zukunft bleibt somit festzuhalten, dass 2022 bringt insofern hoffentlich mehr Klarheit: „Compliance-Defense“ kann sogar für Sachverhalte die Folgen fehlender oder mangelhafter Compliance- Koordiniertes Verhalten von Unternehmen – Die Europäische Kommission hat bereits angekün- vor ihrer Normierung Anwendung finden. Programme für betroffene Unternehmen teuer wer- insbesondere von Wettbewerbern – ist anhand des digt, bei der aktuellen Überarbeitung ihrer zahl- den können. Ein sorgfältig entwickeltes und den Kartellverbots zu prüfen. Auch koordiniertes Ver- reichen Leitlinien auch auf Nachhaltigkeitsaspekte Das Bundeskartellamt hat unter anderem auf individuellen Bedürfnissen des Unternehmens an- halten im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte kann einzugehen. Ebenso sieht der „Ampel-Koalitionsver- diese neuen Regelungen mit überarbeiteten Leit- gepasstes, aktuelles Programm ist deshalb jedem damit prinzipiell einen Kartellrechtsverstoß begrün- trag“ vor, u.a. die Themen Nachhaltigkeit sowie so- linien zur Bußgeldzumessung reagiert. Nach diesen Unternehmen umso mehr zu empfehlen. den. Weder der Green Deal noch andere Regelungen ziale Gerechtigkeit unter wettbewerblichen Gesichts- Leitlinien hängen die konkreten Anforderungen eines sehen einen „Freifahrtschein“ vor. Ob eine Koope- punkten aufzugreifen. Daneben sollten Unternehmen berücksichtigungsfähigen Compliance-Programms ration zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen den im Zweifelsfall direkt auf die Kartellbehörden zuge- insbesondere von der Art, Größe und Organisation Wettbewerb tatsächlich beschränkt, muss daher in hen, um die kartellrechtliche Zulässigkeit von Nach- eines Unternehmens ab. Es gilt also hiernach vor jedem Einzelfall eingehend geprüft werden. Möglich haltigkeitskooperationen im Einzelfall gemeinsam zu allem, dass Unternehmen ein auf das konkrete Un- ist, dass einzelne dahingehende Vereinbarungen bei klären. Insofern wäre es begrüßenswert, wenn die ternehmen und dessen kartellrechtliche Risiken ab- einer notwendigen Gesamtbetrachtung (langfristig) Kartellbehörden das Ergebnis solcher Konsultatio- gestimmtes Compliance-Programm entwickeln müs- auch positive Wirkung auf den Wettbewerb zeigen nen zukünftig veröffentlichen würden. sen. Der Streit mit dem Bundeskartellamt über das, und schon daher zulässig sind. was ein Compliance-Programm angemessen und wirksam macht, ist dabei sicherlich vorprogrammiert. 28 29
NOERR_COMPETITION OUTLOOK 2022 COMPETITION OUTLOOK 2022_NOERR Missbrauchsverbot im digitalen Zeitalter Europäische Richter befassen sich weiter mit Google Dr. Fabian Badtke, LL.M. Dr. Sascha M. Giller, Dr. Lorenz W. Jarass Johanna Krauskopf, LL.M. Partner Maître en droit Senior Associate Associate Associate Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler vier großen US-amerikanischen digitalen Techno- Ebene wird das Thema Missbrauchsverbot auch in logieunternehmen (Google, Apple, Facebook [Meta], Dr. Till Steinvorth diesem Jahr im Fokus des Kartellrechts stehen. Amazon) eingeleitet. Es bleibt mit Spannung abzu- Partner warten, wie stark die Behörde bei etwaigen Verstö- Hintergrund dessen sind in Deutschland die ßen durchgreifen wird. mit der 10. GWB-Novelle eingeführten bedeutenden Nachdem die Europäische Kommission gegen Da Android unter einer Open-Source-Lizenz Neuerungen zur Modernisierung des Kartellrechts Als Rechtsmittel gegen §-19a-Verfügungen Google und die Muttergesellschaft Alphabet in den steht, kann es grundsätzlich von jedem Unternehmen im digitalen Zeitalter. Als zentrale Vorschrift fungiert steht der direkte Weg zum BGH zur Verfügung. Diese Jahren 2017, 2018 und 2019 je eine Geldbuße in Mil- frei genutzt werden. Nach den Feststellungen der der Eingriffstatbestand des § 19a GWB, der dem Bun- Rechtswegverkürzung wird mit der notwendigen Ver- liardenhöhe verhängt hatte, hatten Google und Al- Kommission hatte Google allerdings verschiedene deskartellamt ein effektiveres Eingreifen, insbeson- fahrensbeschleunigung, die bei digitalen Geschäfts- phabet gegen die jeweiligen Beschlüsse vor dem EuG Maßnahmen ergriffen, damit auf allen Android-Gerä- dere gegen große Digitalkonzerne, erlaubt. modellen geboten ist, begründet. geklagt. Auch 2022 werden sich die europäischen ten die Anwendungen (Apps) Google-Suche und der Richter wieder mit diesen Klagen beschäftigen: Google-eigene Browser (Chrome) vorinstalliert wer- Die neue Missbrauchsbekämpfungsvorschrift Auf europäischer Ebene wird neben den laufen- den. So konnten z.B. die Hersteller der Geräte den sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst muss den Missbrauchsverfahren gegen Google und Apple App-Store von Google (Play Store) nur bei gleichzei- das Bundeskartellamt prüfen, ob das betreffende mit Spannung zu beobachten sein, ob der Digital Google Shopping tiger Vorinstallation der genannten Apps lizenzieren. Unternehmen eine „überragende marktübergreifen- Markets Act, dessen Inkraftreten im Laufe des Jah- Außerdem leistete Google an einige große Hersteller de Bedeutung für den Wettbewerb“ hat, um dann im res 2022 erwartet wird, eine ähnliche Dynamik wie Die Geldbuße aus dem Jahr 2017 (in Höhe von und an einige Mobilfunknetzbetreiber Zahlungen, zweiten Schritt bestimmte missbräuchliche Verhal- die Einführung des § 19a GWB mit sich bringen wird. 2,42 Mrd. Euro) betraf den Preisvergleichsdienst wenn diese ausschließlich die App Google-Suche tensweisen verbieten zu können. Google Shopping. Google wurde vorgeworfen, es be- auf ihren Geräten vorinstallierten. Zugleich unter- vorzuge seinen Dienst im Vergleich zu konkurrieren- nahm Google Maßnahmen, um die Entwicklung al- Das Bundeskartellamt hat bereits in den ersten den Preisvergleichsdiensten bei der Darstellung der ternativer Android-Versionen (sog. Android-Forks) zu sechs Monaten nach Inkrafttreten der Novelle von Suchergebnisse in der allgemeinen Google-Suche verhindern. dem neuen Missbrauchsinstrument Gebrauch ge- (insbesondere durch eine privilegierte Positionie- macht und Verfahren auf der ersten Stufe gegen alle rung und Präsentation). Mit Urteil vom 10. November Mit diesen Maßnahmen sollte nach Ansicht der 2021 (Rechtssache T-612/17) hat das EuG die Geld- Kommission sichergestellt werden, dass der Internet- buße der Kommission bestätigt. Google kann das Traffic auf den Android-Geräten über die Google- Urteil des EuG vor dem Europäischen Gerichtshof Suchmaschine läuft, mit der Google den Großteil ("EuGH") anfechten. Falls dies geschieht – was ange- seiner Einnahmen erzielt. Dies verstoße jedoch wie- sichts der Bedeutung der Sache für das Geschäfts- derum gegen das Verbot in Artikel 102 AEUV. Denn modell von Google kaum überraschen würde –, wird erstens beherrsche Google drei der hier betroffenen sich ab 2022 auch der EuGH damit beschäftigen, wie Märkte: den Markt für allgemeine Internet-Such- die Praxis der Selbstbevorzugung kartellrechtlich zu dienste, den Markt für lizenzpflichtige Betriebssys- bewerten ist. teme für intelligente Mobilgeräte (Smartphones und Tablets) und den Markt für Android-App-Stores. Und zweitens werde Google nicht der Verantwortung ge- Google Android recht, die es als marktbeherrschendes Unternehmen für den Wettbewerb trage. Konkret sah die Kommis- Gegenstand der Geldbuße von 2018 (in Höhe von sion hier drei verschiedene Formen des Behinde- 2. MISSBRAUCHSVERBOT 4,34 Mrd. Euro) war das Android-Betriebssystem für rungsmissbrauchs verwirklicht: intelligente Mobilgeräte (Smartphones und Tablets), 1. unzulässige Kopplung des Google Play Store 30 31 das unter der Führung von Google entwickelt wird. mit den Apps Google-Suche und Google Chrome,
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