Keine Angst vor der Digitalisierung! Zum Stand digitalisierter Arbeitsanforderungen in verschiedenen Industriebranchen und Tätigkeitsfeldern sowie ...
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Z. Arb. Wiss. https://doi.org/10.1007/s41449-020-00205-y WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE Keine Angst vor der Digitalisierung! Zum Stand digitalisierter Arbeitsanforderungen in verschiedenen Industriebranchen und Tätigkeitsfeldern sowie Zusammenhänge zwischen Belastung, Ressourcen und Beanspruchungsfolgen in Deutschland Christian Härtwig1,2 · Anna Sapronova2 © Der/die Autor(en) 2020 Zusammenfassung Ziel der Studie war es, den Stand der Digitalisierung in zwölf Industriebranchen in Deutschland zu untersuchen. In der Fragebogen-Erhebung unter 14.007 Beschäftigten zeigte sich, dass die Digitalisierung oft noch am Anfang steht und primär durch den Einsatz von IKT-Systemen geprägt ist. Unterschiede zwischen acht verschiedenen Blue- und White-Collar-Tä- tigkeitsfeldern fallen statistisch bedeutsamer aus als zwischen einzelnen Branchen in Hinblick auf die Nutzung digitaler Arbeitsmittel, Arbeitsanforderungen und Ressourcen. Überraschenderweise zeigt sich eine hohe Bereitschaft und Zuver- sicht der Beschäftigten, die Veränderungen der Digitalisierung zu bewältigen; Befürchtungen und Unsicherheiten spielen in der Breite der Belegschaften eine eher untergeordnete Rolle. Anhand eines Strukturgleichungsmodells werden Wirkzu- sammenhänge zwischen allgemeinen sowie digitalisierungsspezifischen Arbeitsanforderungen und Ressourcen, Aspekten der beruflich-sozialen Entkopplung und psychischen Beanspruchungsfolgen deutlich. Mögliche Ergänzungen theoretischer Modelle werden diskutiert sowie Anregungen für Forschung und betriebliche Praxis skizziert. Praktische Relevanz: In diesem Beitrag werden Ansätze zur Regulierung allgemeiner und digitalisierungsspezifischer Be- lastung sowie Stärkung arbeitsbezogener und persönlicher digitaler Ressourcen aufgezeigt. Dabei sollten Besonderheiten verschiedener Tätigkeitsfelder stärker berücksichtigt werden als Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen. Trotz grundsätzlich positiver Befunde wird vorgeschlagen, Tendenzen beruflich-sozialer Entkopplung frühzeitig entgegenzuwir- ken. Schlüsselwörter Digitalisierung · White Collar und Blue Collar Tätigkeitsfelder · Industriebranchen · Chemische Industrie · Digitale Selbstwirksamkeit · Unterschiedseffekte · Beruflich-soziale Entkopplung · Strukturgleichungsmodell Prof. Dr. Christian Härtwig christian.haertwig@fom.de 1 Institut für Wirtschaftspsychologie, FOM Hochschule für Ökonomie & Management gGmbH, Berlin, Deutschland 2 Goodwork GmbH, Berlin, Deutschland K
Z. Arb. Wiss. Don’t be afraid of digitization! On the status of digitized work requirements in different industrial sectors and fields of work as well as interactions between job demands, resources and strain reactions in Germany Abstract The aim of this study was to examine the status of digitization in twelve industrial sectors in Germany. Results of the questionnaire survey of 14,007 employees show that digitization is still in its infancy and is primarily characterized by the use of ICT systems. Regarding the use of digital work equipment, as well as job demands and resources, differences between eight blue- and white-collar jobs are statistically more relevant than differences between industrial sectors with regard to the use of digital work equipment, job demands and resources. Surprisingly, employees displayed high levels of willingness and confidence to cope with the changes in digitization; fears and uncertainties play a rather subordinate role in the breadth of the workforces. Structural equation modeling elucidated cause-effect relationships between general and digitization-specific job demands and resources as well as aspects of occupational-social decoupling and consequences of psychological stress. Potential expansions of existing theoretical models are discussed and suggestions for future research as well as operational practice are outlined. Practical Relevance: This article proposes starting points for the regulation of general and digitization-specific job demands as well as the strengthening of work-related and personal digital resources. The particularities of different fields of work should be taken into account more than supposed differences between industrial sectors. Despite these overall positive findings, the authors advise to counteract tendencies towards occupational-social decoupling at an early stage. Keywords Digitization · White Collar and Blue Collar jobs · Industrial sectors · Chemical industry · Digital self-efficacy · Difference effects · Occupational-social decoupling · Structural equation model 1 Einleitung Spezifische Studien zu Art und Umfang dieser Veränderun- gen fehlen allerdings bisher. Die Digitalisierung verändert die beruflichen Tätigkeiten Infolge der neuen Anforderungen und betrieblichen Re- und Rahmenbedingungen quer durch alle Branchen für eine strukturierungen wird angenommen, dass sich v. a. die psy- Großzahl von Beschäftigten (Hermeier et al. 2019). Auch chische Belastung, aber auch die resultierende Beanspru- in den Industriebranchen ergeben sich trotz bereits fort- chung und Beanspruchungsfolgen der Beschäftigten inten- geschritten-automatisierter Arbeitsprozesse zusätzliche und sivieren (Hasselmann et al. 2017); auch zunehmende Ent- ganz neue Anforderungen (Hämmerle et al. 2017; Priddat fremdung und Distanzierung der Beschäftigten zum bisher und West 2016). So sind in digitalisierten Arbeits- und vertrauten und sich schrittweise digitalisierenden Beruf und Produktionsprozessen Beschäftigte, Maschinen, Produkte Betrieb sowie zunehmende berufliche Unsicherheiten sind und Prozesse miteinander verknüpft und tauschen Infor- denkbar (Maier et al. 2017). Angenommen werden aber mationen in Echtzeit aus. Autonome Systeme kommunizie- auch positive Effekte im Sinne fortschreitender Persönlich- ren untereinander und führen selbstständig Koordinations- keitsförderlichkeit durch die Weiterentwicklung von Tä- und Entscheidungsprozesse durch. Mit neuer Sensorik und tigkeiten mit der Entwicklung neuer Motivations-, Wachs- Kommunikation entstehen neue Formen der Zusammenar- tums- und Leistungspotenziale. Es herrscht eine konstante beit zwischen Menschen und kollaborativen Robotersyste- Unsicherheit in Hinblick auf das Ausmaß und die Qualität men. Der Mensch entwickelt sich an vielen Stellen verstärkt dieser Veränderungen. So existieren unterschiedliche Be- hin zum Problemlöser, Entscheider und Innovator. funde zur Auswirkung einer arbeitsbezogenen Nutzung di- In öffentlichen Debatten wird daher diskutiert, welchen gitaler Informations- und Kommunikationstechnologien auf Effekt die Einführung dieser neuen digitalen Technologien psychische Gesundheit und Work-Life-Balance: Einerseits auf die Beschäftigten und die Arbeit selbst hat. In der ar- werden bessere Flexibilität und Vereinbarkeit von Berufs- beitswissenschaftlichen Literatur wird angenommen, dass und Privatleben (Leung 2011) angepriesen, andererseits ei- sich sowohl die Belastung wandelt (z. B. durch zunehmen- ne zunehmende psychische Irritation durch ständige Er- de Vernetzung, Arbeitsgeschwindigkeit und zeitlich-örtli- reichbarkeit und das Verschwimmen der Grenzen zwischen che Unabhängigkeit), als auch die Arbeitsgestaltung, Ar- von Berufs- und Privatleben kritisiert (Ninaus et al. 2015). beitsorganisation, Zusammenarbeit, Koordination und Füh- Arbeitsbezogene Faktoren können die Zusammenhänge so- rung bei arbeitenden Menschen, Gruppen und Organisatio- wohl positiv, als auch negativ wirken. In der vorliegenden nen sowie ganzen Branchen (Hirsch-Kreinsen et al. 2018). Studie möchten wir Faktoren untersuchen, die diesen Zu- sammenhang im Kontext der Digitalisierung erklären kön- K
Z. Arb. Wiss. nen, um in der Praxis negative Effekt von Digitalisierung (z. B. mit der Entwicklung und Förderung neuer Fähigkei- abzufedern und wirksame Ressourcen zu stärken. ten und Fertigkeiten) oder keine Veränderungen. Insgesamt Zudem stellt sich die Frage, welchen Einfluss allge- wird eine generelle Aufwertung von Tätigkeiten und Quali- meine berufliche Rahmenfaktoren auf die Belastung und fikationen im Zuge einer allgemeinen Informatisierung der Beanspruchung im Zuge der Digitalisierung haben. In Arbeit erwartet (vgl. Hirsch-Kreinsen et al. 2018). der Literatur werden sowohl Branchen-, als auch Tätig- Zur Eingrenzung der in dieser Studie zentralen Aspekte keitsunterschiede diskutiert – mitunter werden die beiden der Belastung und Auswirkung der Digitalisierung wird zu- Ebenen auch miteinander vermischt. Belastbare empirische nächst als theoretischer Rahmen das klassische Belastungs- Befunde z. B. für Unterschiede zwischen spezifischen In- Beanspruchungsmodell (Hackman und Oldham 1980) so- dustriebranchen zu den Entwicklungen der neuen Arbeits- wie das darauf aufbauende Job-Demands-Resources-Mo- welt sowie zum Effekt des Wandels auf die Beschäftigten dell von Bakker und Demerouti (2007, 2014) herangezo- fehlen allerdings (Absenger et al. 2016). Aufgrund der gen. Demnach nehmen sowohl Arbeitsanforderungen und geringen Anzahl von Studien, die Digitalisierung und ihre allgemeine Belastung, als auch Arbeits- und persönliche Einflüsse auf Arbeitnehmende systematisch untersuchen, Ressourcen sowie individuelle Voraussetzungen (z. B. Fä- wurde in der vorliegenden deutschlandweiten Studie Mo- higkeiten und Einstellungen) Einfluss auf die kurzfristige nitor Digitalisierung1 explorativ betrachtet, wie sich die Beanspruchung sowie auf längerfristige Beanspruchungs- Digitalisierung derzeit im beruflichen Alltag bei Beschäf- folgen wie Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftig- tigten darstellt. Es wurde untersucht, welche Technologien ten. Für diesen theoretischen Rahmen liegen in Hinblick genutzt werden, welche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Digitalisierung bereits einige Forschungsbefunde sich in verschiedenen Industriebranchen und Tätigkeits- vor, die im Folgenden kurz skizziert werden: feldern zeigen und inwiefern es hier Unterschiede gibt. Für die klassische Betrachtung von Belastung und Be- Anhand von Daten der Chemiebranche wurde untersucht, anspruchung bzw. Beanspruchungsfolgen ist zunächst zu welche Zusammenhänge und Wirkfaktoren zum Verständ- berücksichtigen, mit welchen digitalen Technologien die nis der Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungs-Konstella- Beschäftigten arbeiten und mit welchen weiteren Belas- tionen in digitalen Kontexten beitragen. Die gewonnenen tungsaspekten diese einhergehen. Anhand einer Studie des Erkenntnisse sollen dazu beitragen, relevante Einfluss- BMAS (2016) konnte gezeigt werden, dass ein Großteil der faktoren und Wirkzusammenhänge zu identifizieren, um Befragten (83 %) bereits digitale Technologien (hier vor al- spezifische Unterstützungsmaßnahmen und abgestimm- lem i. S. von Informations- und Kommunikationstechnolo- te Hilfsprogramme für Betriebe im digitalen Wandel zu gien, kurz: IKT) am Arbeitsplatz nutzt, dabei aber deutliche entwickeln. Unterschiede zwischen Berufsgruppen sowie klare Zusam- menhänge zwischen Nutzungsgrad und Höhe des Ausbil- dungsniveaus zu finden sind. Im Zuge der Nutzung von 2 Theoretischer und empirischer IKT wird von einem höheren Arbeitstempo, höherem Zeit- Hintergrund druck (Atanasoff und Venable 2017) sowie längeren Ar- beitstagen berichtet (Sellberg und Susi 2014). Beschäftigte Die Digitalisierung ist ein zunehmendes und umfangreiches in neuen technisierten Arbeitsbedingungen würden auch ei- Phänomen im beruflichen Alltag und beeinflusst Unterneh- ne stärkere Arbeitsintensivierung, Arbeitsverdichtung sowie men, deren Beschäftigte und ihr Wohlbefinden bei der Ar- höhere Anforderungen bezüglich der Entscheidungsgewalt beit. Im Jahr 2018 schätzten knapp die Hälfte der Unter- und der arbeitsbezogenen Planung erleben (Kubicek et al. nehmen die Digitalisierung als sehr wichtig ein, zehn Pro- 2015). Der sog. „Technostress“ (auch „Techopressure“ bzw. zent mehr als im Jahr 2016 (BMWi 2018). Angesichts des „Telepressure“) beschreibt eine Art technologisch-mediale schnellen technologischen Fortschritts und der zunehmen- Überforderung, aktuell meist untersucht anhand intensiver den Integration von Digitalisierung in den Arbeitskontext IKT-Nutzung und dem gleichzeitig empfundenen Druck, zeigen Studien verschiedene Möglichkeiten und Auswir- sofort auf z. B. eingehende Nachrichten reagieren zu müs- kungen der Digitalisierung, die komplexe Wirkungen und sen (Grawitch et al. 2018). Allerdings würde dieser Effekt sowohl Vorteile, als auch Nachteile für die Beschäftigten auch durch interindividuelle Unterschiede, wie z. B. hohen und Betriebe mit sich bringen (Ninaus et al. 2015). Dis- Neurotizismus, niedrige Selbstkontrolle (Barber und San- kutiert werden verschiedene Entwicklungsrichtungen: eine tuzzi 2017) und hohe Arbeitssucht erklärt und assoziiert intensivierte Automatisierung und Digitalisierung der Tä- mit der Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, was wiede- tigkeiten, eine Aufwertung im Sinne neuer Anforderungen rum mit Stress und Burnout zusammenhängt. Demgegen- über stehen Studien, die sich auch mit positiven Zusammen- 1 Die Studie wurde unterstützt von der Stiftung Arbeit und Umwelt der hängen auseinandersetzen: So könnte die Digitalisierung IG BCE. bei niedrig qualifizierten Beschäftigten sowie Beschäftig- K
Z. Arb. Wiss. ten mit körperlich hoch belastenden Tätigkeiten zu einer erhöht (Dengler et al. 2018). Allerdings werden Verände- stärkeren körperlichen Entlastung führen als bei Höherqua- rungen am Arbeitsmarkt eher i. S. von Verschiebungen von lifizierten sowie Beschäftigten ohne körperlich belastende Arbeitsplätzen zwischen Berufen und Branchen diskutiert Tätigkeiten (BMAS 2016). Führungskräfte (Gerten et al. (Zika et al. 2018). Psychologisch interessant zu betrachten 2018) und mobil arbeitende Beschäftigte (Tarafdar 2018), ist dabei, inwieweit sich berufliche Unsicherheit, Distan- die hauptsächlich unterwegs arbeiten, würden von der IKT- zierung und soziale Isolation zeigen – und inwieweit diese Nutzung profitieren, da sie selbst bestimmen könnten, in Einfluss auf die psychische Gesundheit nehmen. So ist aus welcher Weise sie die IKT nutzen und dabei persönliche der Untersuchung unbefriedigender und ungesicherter Be- Prioritäten setzen können. Fortgeschrittene digitale Ferti- schäftigungsverhältnisse bekannt, dass sich diese genauso gungstechnologien könnten zudem auch eine positive, per- negativ wie Erwerblosigkeit auf die Gesundheit auswirken sönlichkeitsförderliche Wirkung haben, wenn diese gleich- (Dooley 2003; Mohr und Duresso 2012). zeitig z. B. mit intellektueller Stimulanz (Planung, Kon- Als wichtige zu berücksichtigende Variablen bei der Be- trolle und Problemlösung), erhöhtem Selbstmanagement, trachtung von beruflichen Anforderungen und der persönli- Engagement und Partizipation einhergehen (Bayo-Morio- chen Gesundheit und Motivation (Van der Doef und Maes nes et al. 2017). Generell ist die Studienlage über Stand 1998) gelten allgemein arbeitsbezogene und persönliche und Wirkung digitaler Technologien jedoch v. a. jenseits Ressourcen wie z. B. die Arbeitsgestaltung, persönliche Au- von IKT noch recht übersichtlich. Die skizzierten unter- tonomie und internale Kontrollüberzeugungen. Im Rahmen schiedlichen Anforderungen implizieren zudem, dass auch der Automatisierung zeigte sich, dass sich hoch automa- der berufliche Kontext (z. B. die Branche oder die Tätig- tisierte Systeme bei gleichzeitig geringem Einfluss (also keitsart) Unterschiede zwischen Beschäftigten in Hinblick dem Fehlen dieser Ressourcen) durchaus negativ auf die auf die digitale Belastung erklären könnte. In einer Stu- Beschäftigten auswirken (Jang et al. 2016). Auch die Per- die des BMWi wurden bei Vergleichen zwischen Finanz- spektiven der Beschäftigten spielen eine wichtige Rolle: und Dienstleistungsbranchen, der Gesundheitsbranche und Mit dem Konzept der „digitalen Selbstwirksamkeit“ be- dem Fahrzeugbau grobe deskriptive Unterschiede im Grad trachten wir ein Konstrukt, das in Anlehnung an die allge- der Digitalisierung beschrieben (BMWi 2018), jedoch kei- meine Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura 1982, 1997) ne weiteren inferenzstatistischen Unterscheidungen sowie die Wahrnehmung der eigenen digitalen Fähigkeiten sowie Differenzierungen zwischen einzelnen Tätigkeitsfeldern in- die Überzeugung der Bewältigung digitaler Anforderungen nerhalb oder zwischen den Branchen betrachtet. Die vorlie- umfasst (vgl. hierzu auch Moos und Azevedo 2009). Im gende Studie möchte diese Lücke schließen und neben dem Unterschied zu Studien, die umfassend und facettenreich Stand der Digitalisierung (im Sinne einer Belastung) besag- über das Konzept der allgemeinen Selbstwirksamkeitser- te Unterschiede in Hinblick auf ausgewählte Branchen und wartung als Ressource (Salanova et al. 2011; Shoji et al. Tätigkeitsfelder untersuchen. 2016; Ventura et al. 2015) und Erfolgsfaktor (Carter et al. Auch Überwachung und Austauschbarkeit sowie beruf- 2018; Maddux 2016) berichten, sind Studien zur Untersu- lich-soziale Entkopplung sind Aspekte, die derzeit im Zuge chung von Selbstwirksamkeit im digitalisierten Arbeitskon- der Digitalisierung kontrovers diskutiert werden. Formen text noch wenig verbreitet. der bewusst gesteuerten Überwachung sollen im Betrieb Schließlich ist im Kontext der Digitalisierung auch der der Steigerung der Produktivität/Leistung, Sicherheit, so- Effekt auf das Wohlbefinden und die Work-Life-Balance zialen Kontrolle sowie der Kreativität dienen (Martin und der Beschäftigten von Interesse. Im Kontext der Digitali- Freeman 2003), führen aber aufseiten der Beschäftigten sierung könnten Tablets und andere IKT-Mobilgeräte dazu häufig zu Unbehagen. Eine direkte Reaktion auf Überwa- beitragen, dass mobiles Arbeiten und Remote-Work sich chung (z. B. von E-Mails und Internetnutzung) ist häufig zunehmend verbreiten (Stawarz et al. 2013), was sich im die Änderung des Verhaltens am Arbeitsplatz (Stanton und Sinne von mehr zeitlicher und örtlicher Flexibilität von Be- Weiss 2000), beispielsweise sinkt „unproduktives“ Verhal- schäftigten einerseits durchaus positiv auf die Vereinbar- ten (wie z. B. Internetnutzung für private Zwecke während keit von beruflichen und privaten alltäglichen Anforderun- der Arbeitszeiten). Allerdings wirkt digitale Überwachung gen auswirken kann. Andererseits kann die häufige Nutzung auch negativ auf das subjektive Vertrauen der Beschäftig- von Smartphones und IKT für Arbeitszwecke in der Frei- ten zu ihrer Organisation und auf die wahrgenommene Ge- zeit sowie die ständige Verfügbarkeit (Ninaus et al. 2015) rechtigkeit der Überwachung (Alder et al. 2008). Hinzu und eine geringe Kontrolle über die Entgrenzung zwischen kommen Befürchtungen über die Austauschbarkeit von Be- Arbeit und Privatleben zu einer hohen kognitiven Irritation schäftigten durch digitale Systeme. So hat sich der Anteil (i. S. Nicht-Abschalten-Könnens) beitragen (Mellner 2016). der Beschäftigten in Berufen mit einem hohen Substituier- Dies kann zu einer Einschränkung der Work-Life-Balance barkeitspotenzial zwischen 2013 und 2016 bundesweit über führen, die hier als mittel- bis langfristige Beanspruchungs- alle Anforderungsniveaus und in fast allen Berufssegmenten folge verstanden wird (vgl. z. B. Rusch 2019), sich auf ein K
Z. Arb. Wiss. ausgeglichenes Verhältnis der verschiedenen Lebenssphä- bis 31.03.2019 statt, die Beantwortung des Online-Frage- ren in Berufs- und Privatleben bezieht (Hoff et al. 2005) und bogens nahm durchschnittlich etwa 15 min in Anspruch. die gleichmäßige Involviertheit und Zufriedenheit mit dem Sämtliche Daten wurden anonym erhoben und gespeichert, Bewältigen der jeweils in Beruf- und Privatleben assoziier- die Teilnahme an der Befragung war freiwillig, es wurden ten Rollen beinhaltet (Schobert 2007). Eine eingeschränk- keine Incentivierungen vorgenommen. te Work-Life-Balance kann somit als negative Konsequenz Insgesamt klickten 16.346 Beschäftigte den Link zur On- der Auswirkungen unterschiedlicher Stressoren und man- line-Befragung an. Nach der Datenbereinigung konnten für gelnder Ressourcen betrachtet werden. die Auswertung der Studie insgesamt 14.007 Befragte aus Es zeigt sich, dass bisher nur vereinzelte Studien zur 614 Betrieben, zwölf Industriebranchen und allen Bundes- Ausprägung und arbeitspsychologischen Zusammenhängen ländern berücksichtigt werden. Tab. 1 bietet einen Über- im Kontext der Digitalisierung existieren. Es stellt sich die blick über die Zusammensetzung des Samples. Ein Groß- Frage, was unter Digitalisierung der Arbeit in einzelnen In- teil der Befragten stammte aus westlichen und südlichen dustriebranchen und Tätigkeitsfelder derzeit zu verstehen Bundesländern (dabei allein 51,9 % aus Nordrhein-Westfa- ist, welche Unterschiede derzeit existieren und welche ar- len), aus nördlichen und östlichen Bundesländern nahmen beitspsychologischen Zusammenhänge erkennbar sind. Die vergleichsweise wenig Personen an der Befragung teil. Die vorliegende Studie verfolgt daher vor allem zunächst einen Stichprobe war zudem geprägt durch einen großen Anteil explorativen Weg und orientiert sich an folgenden For- von Befragten aus großen Betrieben ab 500 Mitarbeitenden schungsfragen: (MA): Mehr als ein Drittel der Befragten (36 %) stamm- te aus Betrieben mit mehr als 5000 Beschäftigten. Aus 1. Wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung in verschie- kleinen und mittelständischen Betrieben mit unter 500 MA denen Industriebranchen in Deutschland und inwieweit (KMU) stammten dagegen 23 % der Befragten. Aus insge- werden bereits bestimmte digitale Technologien genutzt? samt 50 Einzelbetrieben nahmen mehr als 50 Personen an 2. Wie wird die Digitalisierung von den Beschäftigten der Befragung teil, diese Betriebe stellten 76 % der Teilneh- wahrgenommen? Gibt es hierbei Unterschiede zwischen menden. Das Alter der Befragten betrug im Durchschnitt den Industriebranchen und auch zwischen verschiedenen 43,1 Jahre (SD = 12,0), der Frauenanteil lag insgesamt bei Tätigkeitsfeldern der Beschäftigten? 34 %, in der Pharmabranche war er mit 42 % am höchsten 3. Welche psychologischen Zusammenhänge und Wirkme- und im Zementbereich mit sechs Prozent am niedrigsten. chanismen finden sich bei den Beschäftigten im Zuge der Die acht voneinander abgegrenzten Tätigkeitsfelder verteil- Digitalisierung? ten sich breit: Verwaltung war mit 22 % der Befragten an- Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine deutsch- teilig am stärksten vertreten, gemeinsam mit Forschung & landweite Studie durchgeführt, Beschäftigte aus unter- Entwicklung, Leitung & Planung sowie IT machten diese schiedlichen Tätigkeitsfeldern befragt und für die Che- „White-Collar“-Bereiche 48 % der Befragten aus. Personen miebranche ein Strukturgleichungsmodell zur Analyse der aus den „Blue-Collar“-Tätigkeitsfeldern Produktion, Tech- komplexen Zusammenhänge erstellt. Gleichzeitig bildet die nik, Serviceleistung und Labor stellten zusammen 52 % Studie den Ausgangspunkt für Längsschnittanalysen, die in der Befragten. Das Gros der Befragten arbeitete unbefristet den Folgejahren anschließen sollen. (92 %) und in Vollzeit (89 %). Je nach Branche lagen größ- tenteils voll- bzw. teilkontinuierliche Schichtarbeit vor, nur in den Branchen Kautschuk, Kunststoff und Keramik wurde 3 Methodisches Vorgehen und mehrheitlich keine Schichtarbeit berichtet. Hervorzuheben Datengrundlage ist das relativ hohe Qualifikationsniveau der Befragten: Le- diglich 5 % der Befragten gaben an, über keinen oder nur Für die Analyse des aktuellen Status quo der Digitalisie- einen grundständigen Schulabschluss zu verfügen. rung wurden deutschlandweit Beschäftigte aus zwölf In- Der eigentliche Fragebogen bestand aus einer Vielzahl dustriebranchen und acht verschiedenen Tätigkeitsfeldern von Themen, arbeitspsychologischen Skalen sowie einigen untersucht (vgl. Tab. 1). Die Datenerhebung wurde als On- ergänzenden Einzel-Items. Im ersten Teil wurde die Nut- line-Befragung durchgeführt. Landesweit wurden mit Un- zung von 23 digitalen Technologien bei der eigenen Arbeit terstützung der „Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, erfragt, untergliedert in vier Bereiche; das Antwortformat Energie“ (IG BCE) Beschäftigte in ihren Betrieben via der angebotenen fünfstufigen Likertskala reichte von „nie“ Rundmail, Aushängen, Flyern, Infokarten und Betriebsver- bis „sehr oft“: sammlungen auf die Befragung hingewiesen. Dabei wurden Bereich 1 „Digitale Informations- und Kommunikations- ein URL-Link und QR-Code zur Website der Studie kom- technologien“: E-Mail, Intranet, internes soziales Netz- muniziert, auf der ein Link zum Start der Online-Befragung eingebettet war. Die Datenerhebung fand vom 01.02.2019 K
Z. Arb. Wiss. Tab. 1 Gesamtsample mit Rücklauf je Branche (n1), Bundesland (n2), Tätigkeitsfelder (% im Sample) Table 1 Total sample with response per sector (n1), federal state (n2), fields of work (% in sample) Branchen n1 n2 Tätigkeitsfelder Chemie 9627 Blue Collar Kunststoff 216 Produktion (16 %) Technik (16 %) Pharmazie 1515 Service (12 %) Kautschuk 120 Labor (8 %) Glas 107 Keramik 72 White Collar Verwaltung (22 %) Papier 527 F & E (14 %) Energie 330 IT (7 %) Bergbau 144 Leitung (6 %) Mineralöl 91 Zement 37 Sonstige 1064 Ohne 157 Gesamt 14.007 werk/Messenger System, Smartphone/Tablet-Computer, und diese dementsprechend in die Skalenliste aufgenom- Groupware, Videotelefonie und -konferenzen men. Bereich 2 „Digital aufbereitete Daten zu Endprodukten“: Bei der Datenauswertung wurden zunächst explorative ERP-Systeme für Daten zu betrieblichen Ressourcen, Faktorenanalysen der Items mit schiefwinkliger Rotation CRM-Systeme für Kundendaten, Daten zu Produktle- durchgeführt, da für die hier gewählten und empirisch be- benszyklen, digitale Verwaltungsprogramme zur Visua- reits belegten, aber ggfs. interkorrelierenden Dimensionen lisierung und Berichtslegung, Big Data i. S. komplexer eine strenge Orthogonalitätsannahme nicht notwendig er- Datenmengen und -analysen, Künstliche Intelligenz i. S. schien. Die Faktorenanalysen beinhalteten Voraussetzungs- selbstlernender „intelligenter“ Prozesse prüfung der Stichprobeneignung (KMO-Index), den Bart- Bereich 3 „Digitale Technologien für Produktion, In- lett-Test auf Sphärizität sowie Reliabilitätsprüfungen (In- standhaltung und Arbeitsvorbereitung“: Terminals mit terkorrelationen der Items und Cronbach’s Alpha), um die Echtzeitdaten, mobile Arbeitsmittel mit Echtzeitdaten, auszuwertenden Skalen zu verifizieren. Für die erstellten 3D-Drucker, modulare Anlagen mit sensorengesteuerten Skalen wurden anschließend Mittelwerte und Standardab- „intelligenten“ Robotern, Systeme mit Augmented bzw. weichungen berechnet sowie relative Häufigkeiten für die Virtual Reality, Datenbrillen als optische Hilfsgeräte mit Nutzung der verschiedenen digitalen Technologien. Da sich integrierten Display-Anzeigen im Zuge der Datenerhebung bei der soziodemografischen Bereich 4 „Personenbezogene Messsysteme“: Gesund- Analyse der Stichprobe gravierende Verzerrungseffekte hin- heits- bzw. Positions-Tracker, Smart Watch, Persönliche sichtlich der Rückläufe in einzelnen Branchen im Vergleich Schutzausrüstung (PSA) mit Messsensoren, Exoskelett zu den tatsächlichen Beschäftigtenzahlen des Statistischen Bundesamtes (2017) fanden, wurden die Daten aus unter- Anschließend wurden zu verschiedenen Themenberei- und überrepräsentierten Gruppen so gewichtet, dass deren chen der Studie entsprechende Skalen vorgelegt. Tab. 2 Verteilung innerhalb der Gesamtstichprobe der tatsächli- bietet einen Überblick über die Themenbereiche und Ska- chen prozentualen Verteilung in der Population entsprach. len sowie die jeweiligen Reliabilitäten und Iteminhalte – Somit konnte z. B. eine rücklaufbedingte überproportionale als Antwortformat wurde stets eine fünfstufige Likertska- Dominanz der Chemiebranche in der Gesamtstichprobe und la mit wechselnden verbalen Verankerungen angeboten. Da damit in den Ergebnissen der Studie vermieden werden. Für im Zuge der noch geringen Nutzung von Technologien der die Berechnungen innerhalb der Branchen und Tätigkeits- Bereiche 3 und 4 (vgl. deskriptive Befunde in Abb. 1) zu bereiche wurden aufgrund fehlender Vergleichswerte keine geringe Varianzen in den Daten vorlagen und die Vorausset- Gewichte verwendet. zungen für faktorenanalytische Untersuchungen sowie an- Für die Untersuchung von Unterschieden zwischen den schließende Skalenbildungen dort nicht erfüllt waren, wur- verschiedenen Branchen und zwischen den Tätigkeitsfel- den lediglich die Items der Bereiche 1 und 2 für weiter- dern wurden für jede Skala Varianzanalysen und Effekt- führende Analysen verwendet, zu Skalen zusammengefasst stärkeuntersuchungen durchgeführt. Auch Unterschiede in Hinblick auf Betriebsgröße (von KMU unter 500 bis Be- K
Z. Arb. Wiss. Tab. 2 Themen der Studie mit Skalen, Reliabilitäten und Iteminhalten Table 2 Themes of the study with scales, reliabilities and item contents Themen und Skalen rtt Iteminhalte a Nutzung digitaler Arbeitsmittel Digitale IKT 0,76 E-Mail, Intranet, soziale Netzwerke/Messenger Systeme, Smartphone/Tablet-Computer, Groupware, Videotelefonie Digital aufbereitete Daten zu 0,79 ERP, Produktlebenszyklus, Verwaltungsprogramme, CRM, Big Data, künstliche Intelligenz Endprodukten Digitale Arbeitsanforderungena Anforderungszunahme durch 0,85 Herausforderungen an Kompetenzen, hohe zeitliche Flexibilität, schneller und mehr arbeiten, Gleich- Digitale Systeme zeitigkeit mehrerer Aufgaben, anspruchsvollere Tätigkeiten Überwachung und Aus- 0,85 Gefühl der Leistungskontrolle durch Einsatz digitaler Technologien, der Überwachung durch Daten- tauschbarkeit sammeln, Austauschbarkeit, Abwertung als Fachkraft durch Einsatz digitaler Technologien Fremdbestimmung 0,72 Digitale Technologien übernehmen Planung meiner Aufgaben, treffen für mich Entscheidungen, ich brauche weniger Fähigkeiten Allgemeine Arbeitsanforderungenb Quantitative Belastung 0,80 Häufiger Zeitdruck, zu viel Arbeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen Qualitative Belastung 0,64 Zu schwierige Aufgaben, nicht genug ausgebildet Zeitliche Flexibilitätsanforde- 0,72 Stark schwankende tägliche Arbeitszeiten, nicht planbare Arbeitszeiten, notwendige Erreichbarkeit rungen in der Freizeit Beruflich-soziale Entkopplungc Berufliche Unsicherheit 0,73 Sorgen vor Jobverlust, schwieriger Jobperspektive bei Arbeitslosigkeit sowie ungewollter Versetzung auf andere Arbeitsstelle Berufliche Distanzierung 0,86 Beruf ist fremd geworden, zunehmende Distanz und Gleichgültigkeit sowie fehlende Identifikation mit der eigenen Tätigkeit Soziale Isolation 0,69 Persönlicher Austausch mit Kollegen fehlt, sozial nicht eingebunden, Einsamkeit Digitale Ressourcen Unterstützung & Erleichte- 0,79 Unterstützung bei Entscheidungen und Aufgabenplanung, Verfügbarkeit wichtiger Informationen, rung durch digitale Systemea Nutzung neuer Arbeitsformen, einfachere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben durch digitale Technologien Digitale Selbstwirksamkeitd 0,70 Überzeugung zum Schritthalten mit der Digitalisierung, Zutrauen zur Bewältigung digitaler Anforde- rungen, Umgang mit digitalen Technologien fällt leicht Allgemeine Ressourcen Entscheidungsspielraumb 0,91 Selbstständig viele Entscheidungen treffen, Initiative und eigenes Ermessen Vollständigkeitb 0,75 Arbeitsvorgänge von Anfang bis Ende, klares Arbeitsergebnis am Aufgabenende Informationsaustauschb 0,80 Immer alle notwendigen Infos verfügbar, geregelte Informationsweitergabe Veränderungsbereitschafte 0,82 Offenheit gegenüber persönlichem Mehrwert sowie Freude über sich ergebende Veränderungen am Arbeitsplatz Beanspruchungsfolgen Kognitive Irritationf 0,92 Zu Hause und im Urlaub an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken, schwer abschalten Work-Life-Balanceg 0,80 Zufriedenheit mit Balance zwischen Arbeit und Privatleben, gute Vereinbarkeit, Anforderungen glei- chermaßen gut bewältigen können a Eigenkonstruktion der Skalen b Skalen in Anlehnung an WDQ (Stegmann et al. 2010), SPA (Metz und Rothe 2017) sowie Härtwig und Sporbert (2013) c Skalen in Anlehnung an Heinzer und Reichenbach (2013) d In Anlehnung an Jerusalem und Schwarzer (1986) e In Anlehnung an Szebel (2015) f Mohr et al. (2007) g In Anlehnung an Syrek et al. (2011) sowie Härtwig und Sporbert (2013) triebe mit über 5000 Beschäftigten), Geschlecht, Alter und Entwicklung wurden die in der Faktorenanalyse extrahier- Bildungsabschluss wurden betrachtet, allerdings fielen sie ten latenten Dimensionen in das Strukturgleichungsmodell hier eher unsystematisch und gering aus, daher nahmen sie aufgenommen, um Zusammenhänge der unabhängigen und in dieser Studie keine zentrale Rolle ein. Um die komple- abhängigen Dimensionen untereinander zu analysieren. Bei xen Zusammenhänge der Skalen zu analysieren, wurde zu- der Berechnung wurden ausschließlich Daten von Beschäf- dem ein Strukturgleichungsmodell spezifiziert. Für dessen tigten der Chemie-Branche verwendet, da es sich erstens um K
Z. Arb. Wiss. 2. Digital aufbereitete 3. Digitale Technologien 4. Personenbezogene 1. Digitale IKT Daten zu Endprodukten für die Produktion Messsysteme 14 77 Terminals mit E-Mail ERP-Systeme 47 12 13 12 Echtzeitdaten 68 Gesundheits- 84 Tracker Remote Intranet 19 34 34 Produktzyklus 47 13 15 9 78 Positions- Control Tracker 82 Verwaltungs- Social Media 21 17 20 23 46 14 1410 3D-Drucker 93 programme SmartWatch 91 Smartphone / Advanced Tablet 36 10 15 29 Big Data 61 13 95 Robotic 94 PSA mit 97 Groupware 33 14 1715 CRM-Systeme 62 13 8 7 Virtual Reality 93 Sensoren Videotelefon 34 18 1614 Künstliche 88 7 Datenbrillen 98 Exoskelett 99 Intelligenz Nie Selten Gelegentlich Oft Sehr oft Abb. 1 Nutzung von Technologien der Digitalisierung (in Prozent der Beschäftigten) Fig. 1 Usage of digitization technologies (in percent of employees) die mit Abstand größte Teilgruppe im Sample handelte und gen als deutlich diverser. Auf entsprechende Unterschiede um zweitens unsystematisch auftretende Verzerrungseffekte zwischen Branchen und Tätigkeitsfeldern wird im Folge- zu reduzieren, die die Entwicklung und Prüfung eines kon- abschnitt eingegangen. Digital aufbereitete Daten zu End- vergierenden Modells verhindert hätten (vgl. Geiser 2011). produkten (Kat. 2) werden in der Breite weniger häufig Die Analysen wurden mit dem Programm MPlus 7.0 und genutzt als IKT (z. B. ERP-Systeme von insg. 25 % „(sehr) in R 3.5.1 mit dem Paket lavaan durchgeführt. Alle Ana- oft“). Anwendungen für Big Data und Künstliche Intelli- lysen wurden unter Verwendung des maximum-likelihood- genz, die stark im Fokus der aktuellen medialen Diskussi- Schätzers mit robusten Standardfehlern (MLR) umgesetzt. on stehen, werden von 61 bzw. 88 % „nie“ genutzt. Digitale Für die Analysen im Rahmen der Strukturgleichungsmodel- Technologien für die Produktion (Kat. 3, z. B. 3D-Drucker lierung wurde der FIML (full information maximum like- und Virtual Reality mit je 93 % „nie“) und personenbezoge- lihood)-Schätzer verwendet, der für die Schätzung der Mo- ne Messsysteme (Kat. 4, z. B. Gesundheits- oder Positions- dellparameter alle zur Verfügung stehenden Informationen Tracker mit 84 bzw. 82 % „nie“) finden bei nur wenigen heranzieht. Dieses Schätzverfahren ist bei zufälliger Ver- Beschäftigten Anwendung. teilung fehlender Werte der paarweisen oder listenweisen Eliminierung bei der Modellparameterschätzung vorzuzie- 4.2 Positive Bewertungen und hen (Schafer und Graham 2002). Tätigkeitsunterschiede in der digitalisierten Arbeit 4 Ergebnisse Der umfassendere zweite Teil der Studie befasste sich mit der Frage, inwieweit es Unterschiede zwischen den ver- 4.1 Status quo der Digitalisierung geprägt durch schiedenen Industriebranchen und Tätigkeitsfeldern der Be- IKT schäftigten in Hinblick auf die Nutzung digitaler Techno- logien sowie Arbeitsanforderungen und Ressourcen gibt. Der erste Teil der Studie befasste sich mit dem Status quo Hierfür wurden die bereits oben betrachtete Nutzung digita- der Digitalisierung im Sinne der tatsächlichen beruflichen ler Arbeitsmittel herangezogen, die digitalisierungsspezifi- Nutzung durch die Beschäftigten. schen und die allgemeinen Arbeitsanforderungen und Res- Abb. 1 fasst die Ergebnisse der Nutzungsabfrage zusam- sourcen, Aspekte der beruflich-sozialen Entkopplung so- men. Die deskriptive Analyse zeigt, dass digitalisierte Ar- wie psychische Beanspruchungsfolgen und Wohlbefinden. beit derzeit v. a. die Nutzung von digitalen IKT bedeutet, Tab. 3 bietet einen Überblick über die Ergebnisse, dabei da diese Technologien (Kat. 1) am häufigsten genutzt wer- wird für jede Skala der Range der zwölf Branchen (mit den. V. a. E-Mail werden bei 91 % der Beschäftigten „(sehr) Nennung der Branchen mit den beiden jeweils höchsten und oft“ und Intranet bei 68 % „(sehr) oft“ genutzt und sind da- niedrigsten Werten) sowie Unterschiedseffekte (η2B) berich- mit schon recht etabliert; bei den anderen IKT innerhalb tet, der Skalenmittelwert der gewichteten Gesamtstichprobe dieser Kategorie zeigt sich das Nutzungsspektrum dage- (Grand-Mean X) sowie der Mittelwerte-Range der darin K
Z. Arb. Wiss. Tab. 3 Range der Skalenmittelwerte sowie Unterschiedseffekte auf Ebene der Industriebranchen und der Tätigkeitsfelder Table 3 Range of scale means, difference effects on level of industrial sectors and on level of fields of work Themen und Skala X (SD) Industriebranchen (Range) η2B Tätigkeitsfelder (Range) η2T Nutzung digitaler Arbeitsmittel Digitale IKT 3,4 Pharma, Papier ... Glas, Zement 0,046 IT, Verwaltung ... Labor, Produktion 0,212 (0,94) (3,8–2,1) (4,3–2,8) Digital aufbereitete Daten 2,0 Keramik, Sonstige ... Mineralöl, Zement 0,009 IT, Leitung ... Labor, Technik 0,039 (0,87) (2,1–1,6) (2,4–1,7) Digitale Arbeitsanforderung Anforderungszunahme 2,7 Papier, Pharma ... Zement, Mineralöl 0,004 IT, Leitung ... Produktion, Labor 0,028 durch digitale Systeme (0,90) (2,8–2,2) (3,0–2,5) Überwachung & Aus- 2,5 Energie, Glas ... Kautschuk, Zement 0,003 Produktion, Service ... F & E, Lei- 0,018 tauschbarkeit (1,0) (2,6–2,2) tung (2,6–2,2) Fremdbestimmung 1,7 Glas, Papier ... Zement, Mineralöl 0,002 Service, Produktion ... Labor, F & E 0,011 (0,82) (1,9–1,5) (1,8–1,5) Allgemeine Arbeitsanforderungen Quantitative Belastung 3,5 Kautschuk, Papier ... Zement, Bergbau 0,005 Leitung, IT ... Produktion, Labor 0,014 (0,80) (3,6–3,2) (3,7–3,3) Qualitative Belastung 2,0 Zement, Glas ... Sonstige, Bergbau 0,002 Technik, IT ... Leitung, Labor 0,010 (0,85) (2,2–1,9) (2,1–1,9) Zeitliche Flexibilitätsanfor- 2,2 Papier, Mineralöl ... Keramik, Bergbau 0,006 Leitung, IT ... Labor, Produktion 0,035 derungen (0,92) (2,4–2,0) (2,6–2,0) Beruflich-soziale Entkopplung Berufliche Unsicherheit 2,3 Pharma, Zement ... Kautschuk, Mineralöl 0,004 IT, Service ... Technik, Leitung 0,011 (0,97) (2,4–1,8) (2,4–2,1) Berufliche Distanzierung 1,7 Pharma, Chemie ... Bergbau, Kautschuk 0,004 Produktion, IT ... F & E, Leitung 0,004 (0,76) (1,8–1,6) (1,8–1,6) Soziale Isolation 1,9 Zement, Mineralöl ... Keramik, Kau- 0,001 Produktion, Service ... Verwaltung 0,007 (0,74) tschuk F&E (2,2–1,8) (2,0–1,8) Digitale Ressourcen Unterstützung & Erleichte- 2,8 (0,96) Kautschuk, Pharma ... Glas, Zement 0,019 IT, Leitung ... Labor, Produktion 0,163 rung (3,2–2,2) (3,6–2,4) Digitale Selbstwirksamkeit 3,9 Kautschuk, Sonstige ... Energie, Zement 0,005 IT, Leitung ... Produktion, Service 0,018 (0,79) (4,0–3,7) (4,2–3,8) Allgemeine Arbeitsressourcen Entscheidungsspielraum 3,5 Kautschuk, Papier ... Pharma, Bergbau 0,005 Leitung, IT ... Labor, Produktion 0,049 (0,96) (3,9–3,4) (3,9–3,1) Vollständigkeit 3,9 Zement, Papier ... Kautschuk, Mineralöl 0,001 Labor, Technik ... Produktion, IT 0,022 (0,90) (4,1–3,7) (4,1–3,7) Informationsaustausch 2,9 Chemie, Sonstige ... Glas, Kunststoff 0,003 Labor, F & E ... IT, Technik 0,011 (0,82) (3,0–2,8) (3,1–2,8) Veränderungsbereitschaft 3,6 Kautschuk, Glas ... Zement, Energie 0,006 Leitung, IT ... Produktion, Technik 0,012 (0,80) (3,8–3,3) (3,7–3,4) Beanspruchungsfolgen Kognitive Irritation 2,5 Papier, Zement ... Glas, Bergbau 0,002 Leitung, IT ... Produktion, Labor 0,011 (1,1) (2,7–2,3) (2,7–2,2) Work-Life-Balance 3,6 Bergbau, Keramik ... Pharma, Mineralöl 0,002 F & E, Labor ... Service Produktion 0,008 (0,84) (3,7–3,3) (3,7–3,5) Zur Berechnung des Grand-Means (X ) wurden die Daten anhand der tatsächlichen Beschäftigtenanzahlen gewichtet. Das Antwortformat entsprach stets einer fünfstufigen Likertskala von 1 bis 5 mit wechselnden verbalen Verankerungen. Die Skalen sind so gepolt, dass hohe Werte für hohe Ausprägungen stehen. Markierter Wertebereich für Unterschiedseffekt η2: kein Effekt
Z. Arb. Wiss. voneinander differenzierten acht Tätigkeitsfelder mitsamt Zur Einordnung der Ergebnisse (und v. a. für Zusam- den dazugehörigen Unterschiedseffekten (η2T). Die Ergeb- menhangsuntersuchungen im unten folgende Strukturglei- nisse zeigen mehrerlei: chungsmodell) wurden auch allgemeine und eher digitali- Erstens wurde die Digitalisierung und die damit asso- sierungsunspezifische Belastungs- und Gestaltungsfaktoren ziierten Herausforderungen von den Befragten insgesamt der Arbeit untersucht. Hier zeigten sich sowohl leicht er- durchaus positiv eingeschätzt und weniger als Bedrohung höhte Werte in der „quantitativen Belastung“ (X = 3,5), gesehen, als es in Anbetracht der Diskussion möglicher als auch eher geringe und damit positive Werte in der „qua- Entwicklungsszenarien zu vermuten gewesen wäre (vgl. litativen Belastung“ (2,0) und in „zeitlichen Flexibilitäts- Hirsch-Kreinsen 2016). Dies zeigen zum einen die ins- anforderungen“ (2,2). Auch die klassischen Gestaltungs- gesamt eher niedrigen Ausprägungen der digitalisierungs- faktoren „Vollständigkeit“ (3,9) und „Entscheidungsspiel- spezifischen negativ assoziierten Konstrukte „Fremdbe- raum“ (3,5) waren eher positiv ausgeprägt, „Informations- stimmung“ (Grand Mean X = 1,7), „Überwachung“ (2,5) austausch“ (2,9) dagegen mäßig. In allen genannten Be- und die eher hoch ausgeprägte Ressource „Digitale Selbst- reichen zeigten sich gering bedeutsame Unterschiedseffek- wirksamkeit“ (3,9), als auch die niedrig ausgeprägte all- te zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern mit et- gemeine Berufliche Unsicherheit (2,3), Berufliche Distan- was höheren Werten in den White-Collar-Tätigkeiten, Bran- zierung (1,7) und Soziale Isolation (1,9). Eher ambivalent chenunterschiede waren demgegenüber nicht bedeutsam. bzw. mäßig bewertet wurden die Unterstützung und Er- leichterung (2,8) sowie die Anforderungszunahme durch 4.3 Zusammenspiel von Belastung, Ressourcen, digitale Systeme (2,7). Beruflich-sozialer Entkopplung und Gesundheit Zweitens zeigt sich, dass Unterschiede zwischen den in der Digitalisierung hier untersuchten Industriebranchen in Anbetracht niedri- ger Effektstärken η2B eher zu vernachlässigen sind. Dagegen Der dritte Teil der Studie beinhaltete die Entwicklung eines fallen auf Ebene der verschiedenen Tätigkeitsfelder Unter- Strukturgleichungsmodells (vgl. Abb. 2), um empirische schiedseffekte η2T stärker ins Gewicht. Bei den Branchen Zusammenhänge der digitalisierungsspezifischen und allge- zeigten sich lediglich bei der „Nutzung digitaler IKT-Sys- meinen Themenbereiche in der Chemiebranche darzustellen teme“ (η2B = 0,046) und der „Unterstützung und Erleichte- und gleichzeitig Gestaltungsimpulse für den betrieblichen rung durch digitale Systeme“ (0,019) gering bedeutsame Kontext abzuleiten. Das Modell weist in der Gesamtschau Unterschiedseffekte, denen zufolge in den Industriebberei- der Kennwerte einen akzeptablen bis guten Modellfit auf chen Kautschuk, Papier und Pharma jeweils höhere Werte (CFI = 0,92, RMSEA = 0,04, SRMR = 0,07, x2 = 15.421.010, erzielt wurden als bei Zement, Glas und Bergbau – die an- df = 973, p < 0,001), die abgebildeten standardisierten Fak- deren Branchen verteilten sich zwischen diesen Extrema torladungen waren für alle eingeschlossenen Dimensionen um den jeweiligen Grand-Mean. Deutlich prägnanter fielen statistisch signifikant und substanziell, Dimensionen ohne dagegen Unterschiedseffekte zwischen den einzelnen Tä- substanziellen Beitrag wurden nicht in das Modell integriert tigkeitsfeldern aus, vor allem bei der „Nutzung digitaler und daher nicht weiter aufgeführt. IKT“ (η2T = 0,212), der „Nutzung digital aufbereiteter Da- Das entwickelte Modell passt sich in den theoretischen ten“ (0,039), der „Unterstützung und Erleichterung“ (0,163) Rahmen der Studie des Job-Demands-Resources-Modell sowie der „Anforderungszunahme durch digitale Systeme“ (Bakker und Demerouti 2007, 2014) ein und ergänzt es (0,028). So offenbarte sich wiederholt eine gewisse Dualität sowohl um digitalisierungsspezifische Aspekte, als auch zwischen sog. White-Collar-Tätigkeitsfeldern (IT, Leitung um den als Stressor interpretierbaren Bereich der Beruf- & Planung, Verwaltung, Forschung & Entwicklung) und lich-sozialen Entkopplung. Im oberen und mittleren Teil Blue-Collar-Tätigkeitsfeldern (Produktion, Technik, Labor, des Modells (vgl. Abb. 2) zeigen sich Wirkzusammenhän- Serviceleistung): Beschäftigte mit vornehmlich planerisch- ge, die vergleichbar sind zu jenen des JDR-Modells: Die administrativen Büro-Tätigkeiten waren häufiger bzw. stär- digitalisierungsspezifischen und allgemeinen beruflichen ker mit den Nutzungsherausforderungen und Anforderungs- Anforderungen zeigen substanzielle Interkorrelationen und zunahmen der Digitalisierung konfrontiert als Beschäftigte wirken theoriekonform mit jeweils positiven standardi- in handwerklich-technischen Tätigkeiten, zeigten aber auch sierten β-Regressionskoeffizienten (0,09, 0,41, 0,22) auf etwas günstigere Werte bei der empfundenen „Überwa- die negativ konnotierte Beanspruchungsfolge „Kognitive chungen & Austauschbarkeit“ und den digitalisierungsspe- Irritation“ sowie mit negativen β (–0,40 und –0,11) auf zifischen Ressourcen. Demgegenüber ließen sich nur sehr die positive konnotierte Beanspruchungsfolge „Work-Life- geringe Unterschiedseffekte in den Skalen der Beanspru- Balance“. Gleichzeitig leisten die persönlichen Ressourcen chungsfolgen und der beruflich-sozialen Entkopplung er- (hier „Digitale Selbstwirksamkeit“) mit negativem β = –0,10 kennen – sowohl auf Ebene der Branchen, als auch auf einen Beitrag zur Erklärung der „Kognitiven Irritation“ Ebene der Tätigkeitsfelder. und die berufliche Ressource „Informationsaustausch“ mit K
Z. Arb. Wiss. Abb. 2 Strukturgleichungsmo- dell für die Chemie-Branche Fig. 2 Structural equation model for the chemical industry positivem β = 0,14 einen Beitrag zur Erklärung der Bean- werden in diesem Modell 38 % der Varianz der Variable spruchungsfolge „Work-Life-Balance“. Zudem zeigt sich, „Kognitive Irritation“ erklärt und 45 % der Variable „Work- dass die Ressource „Digitale Selbstwirksamkeit“ selbst Life-Balance“. Die „Berufliche Unsicherheit“ stellt sich in wieder durch die betriebliche „Unterstützung und Erleich- dieser Studie zudem als eine Art Verbindungsglied dar: terung durch digitale Systeme“ mit β = 0,62 erklärt wird Sie korreliert einerseits zu r = 0,62 stark positiv mit der (R2 = 0,13) – dies kann auch als Mediationseffekt inter- digitalisierungsrelevanten „Überwachung und Austausch- pretiert werden, der die Unterstützung digitaler Systeme barkeit“ und andererseits zu r = –0,38 mit der persönlichen bei der Reduzierung kognitiver Irritation über die Digitale Ressource „Allgemeine Veränderungsbereitschaft“. Somit Selbstwirksamkeit erklärt. Ergänzt wird das Modell nun zeigt sich, dass die Aspekte der sozialen Einbindung und um die als Stressoren interpretierbaren Aspekte der beruf- beruflichen Identität (wie bereits ganz allgemein im be- lich-sozialen Entkopplung, die sich aus den substanziell ruflichen Erleben) auch im Kontext der Digitalisierung miteinander interkorrelierenden Variablen „Berufliche Un- einen zu berücksichtigenden Beitrag zum Verständnis von sicherheit“, „Berufliche Distanzierung“ und „Soziale Iso- psychischen Beanspruchungsfolgen leisten. lation“ zusammensetzen; letztere wirken mit negativem β (–0,19 und –0,12) auf „Work-Life-Balance“. Insgesamt K
Z. Arb. Wiss. 5 Diskussion des methodischen Vorgehens zunächst etwas eingrenzen könnte. Jedoch konnten keine und der Ergebnisse systematischen Einflüsse der Branchenart identifiziert wer- den – zudem zeigten sich in der Studie insgesamt nur gerin- Die Digitalisierung ist Teil unseres Alltags und verändert ge bis keine Branchenunterschiede, sodass eine Anwendung Arbeitsprozesse und die Arbeitswelt, sodass sich Betriebe des Modells auch in anderen Bereichen diskutierbar ist. und Beschäftigte mit den damit einhergehenden Chancen Trotz dieser zu berücksichtigenden Einschränkungen und Herausforderungen auseinandersetzen müssen (Clauß wird deutlich, dass die Digitalisierung in Hinblick auf den und Verworn 2019). Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, Status quo bei der Breite der Beschäftigten noch am An- den Status quo sowie Anforderungen und Auswirkungen fang steht und sich eher auf die Nutzung digitaler IKT der Digitalisierung in zwölf Industriebranchen aus Sicht der sowie digital aufbereiteter Daten eingrenzen lässt. Dies be- Beschäftigten zu untersuchen, Unterschiede zwischen den stätigt Daten des Statistischen Bundesamtes, nach denen in Branchen sowie zwischen acht verschiedenen Tätigkeitsfel- Deutschland z. B. die E-Mail-Nutzung von 2000 bis 2018 dern zu analysieren und empirische Zusammenhänge und exponentiell gestiegen ist (Statistisches Bundesamt 2019). Wirkeinflüsse der erfassten Aspekte im Rahmen aktueller Dagegen werden jene digitalen Technologien, die häufig theoretischer Modelle zu ergründen. im Fokus der medialen Berichterstattung liegen und als Bei der Betrachtung der Ergebnisse sind zunächst ei- typische Beispiele der Digitalisierung in der Arbeitswelt nige Limitationen zu berücksichtigen: Zwar verhelfen die angeführt werden wie z. B. Big Data, Künstliche Intelli- thematische Fülle, die große Anzahl an Teilnehmenden und genz, 3D-Drucker, Virtual Reality, Tracking-Systeme und der differenzierte Querschnitt über zwölf Industriebranchen Exoskelette bisher tatsächlich eher noch sporadisch genutzt. und acht Tätigkeitsfelder sowie die Verknüpfung der Daten Bereits in einer Studie des BMWi wurden bei globaleren mithilfe des Strukturgleichungsmodells zu einer vielver- Vergleichen z. B. zwischen wissensintensiven Finanz- und sprechenden Datengrundlage, um fundierte Aussagen für Dienstleistungsbranchen, der Gesundheitsbranche und dem den anvisierten Geltungsbereich in den untersuchten Bran- Fahrzeugbau deskriptive Unterschiede im Grad der Digi- chen und Tätigkeitsfeldern zu treffen. Trotz der guten Da- talisierung beschrieben (BMWi 2018), inferenzstatistische tengrundlage sollten bei der Ergebnisinterpretation berück- Unterscheidungen sowie Differenzierungen zwischen ein- sichtigt werden, dass Verzerrungseffekte durch das gewähl- zelnen Tätigkeitsfeldern innerhalb der Branchen standen te Erhebungsmedium der Online-Befragung denkbar sind: dagegen weniger im Fokus. Auch zeigte sich eine gewisse Zugang und Affinität zu digitalen Technologien (immer- Vermischung der Dimensionen Branche und Tätigkeit. Die hin Hauptgegenstand der Studie) sowie deren Bedienung nun hier durchgeführte Studie zeigt dagegen, dass Unter- könnten die Wahrscheinlichkeit zur Teilnahme an der Befra- schiede zwischen den hier untersuchten Industriebranchen gung durchaus beeinflusst haben – eine parallele Befragung deutlich geringer ausfallen, als dies in Ansehung entspre- z. B. anhand klassischer Paper-Pencil-Fragebögen wäre also chender Publikationen zu vermuten gewesen wäre. Dies durchaus hilfreich gewesen. Auch sind Stichprobeneffekte erscheint durchaus plausibel, da sich Tätigkeiten vor allem denkbar: Zwar konnten Verzerrungen auf Ebene der Bran- an expliziten Berufen orientieren, die nach Lempert (2006) chen durch die beschriebenen Gewichtungen kompensiert als Inbegriff spezialisierter Anforderungen und Tätigkeiten werden, auf Ebene der Tätigkeitsfelder war dies wegen feh- zu verstehen sind, deren Ausübung die Ausbildung be- lender Vergleichsdaten jedoch nicht möglich. Zu diskutie- sonderer sensumotorischer und intellektueller Fähigkeiten ren ist auch, dass das Sample durch einen hohen Anteil von voraussetzt und zudem persönlichkeitsbildende Sozialisa- qualifizierten Beschäftigten aus (für die Prozessindustrie tionseffekte sowie eine erfahrungsbedingte Erweiterung durchaus typischen) großen Betrieben im Süden und Wes- des Wissens, Könnens und der Handlungsfähigkeit in An- ten des Landes sowie Personen mit unbefristeten Beschäf- sehung der jeweiligen Tätigkeit und Umwelt beinhalten. tigungsverhältnissen geprägt ist. Daher wären differenzier- Infolgedessen ähneln sich Angestellte spezifischer Berufe tere Untersuchungen von Beschäftigten in KMU lohnend, (z. B. in der Technik, Verwaltung, IT) auch über Branchen- ebenso von Personen mit fragileren Beschäftigungskonstel- grenzen hinweg eher als z. B. Angestellte verschiedener lationen sowie Personen mit niedrigerem Bildungshinter- Berufe innerhalb einer Branche (z. B. Chemie, Energie, grund. Auch ein Effekt durch die studienunterstützende Or- Pharmazie). In unserer Studie war bei Beschäftigten in sog. ganisation im Sinne induzierter sozial erwünschter Antwor- White-Collar-Tätigkeitsfeldern die Digitalisierung bereits ten der Befragten ist prinzipiell denkbar, ansonsten können präsenter als in Blue-Collar-Berufen, was sowohl die Nut- auch hier die üblichen Einschränkungen von Selbstberichts- zung der digitalen Arbeitsmittel und Anforderungszunahme daten diskutiert werden. Für das Strukturgleichungsmodell betrifft, als auch die wahrgenommene Unterstützung durch wurden aus methodischen Gründen ausschließlich Beschäf- digitale Systeme – berufspraktisch gehen diese Aspekte tigte der Chemiebranche herangezogen, um die Stabilität eng miteinander einher. Daher sollten Besonderheiten und des Modells sicherzustellen, was den Transfer der Befunde Unterschiede der Tätigkeitsfelder auch bei der Diskussion K
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