Educational Briefing 2021 - Digitale Räume gemeinsam gestalten: wie Demokratiebildung online gelingen kann - Schwarzkopf-Stiftung
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Educational Briefing 2021 Digitale Räume gemeinsam gestalten: wie Demokratiebildung online gelingen kann
Inhalt 3 Einleitung 5 Digitale Inklusion und demokratische Bildung für junge Menschen: niemanden zurücklassen Dr. Alicja Pawluczuk 10 Herausforderungen und Chancen für die Peer Education im digitalen Raum Ema Gonçalves & Henrique Rosário 13 Die Assemblies of Solidarity von Understanding Europe Belgien: Ein Gespräch mit der Koordinator*in Daniela Toutpati 16 Digital Citizenship: die Vermittlung von digitalen Rechten und Pflichten nach dem Peer-Education-Ansatz Kansu Ekin Tanca 19 Forschungsbasierte Bildung gegen Desinformation Dr. Thomas Nygren 23 Fake News verstehen – Einblicke in die Entstehung und Folgen von Falschinformationen Malik Eminoglu 26 Understanding Europe 27 Impressum → Glossar Ein Glossar gibt es auf unserer Webseite 2
Einleitung haben und vor allem strukturell benachteiligte junge Menschen nicht immer über die Ressourcen verfügen, um an digitaler Bildung teilzunehmen. Als ein Netzwerk, das inklusive und diversitätssensible, nichtformale Bil- dung stärken möchte, verstehen wir es deshalb als unsere Aufgabe, unser digitales Bildungsangebot kritisch zu hinterfragen. Was genau sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Bildung? Welche Tools funk- tionieren für die meisten jungen Menschen? Wie können wir unsere digitalen Workshops partizipativ gestalten? Und was sind Tipps und Tricks für Pädagog*innen, die noch unerfahren mit digitalen Bildungsformaten sind? Der erste Teil dieses Educational Briefings b eschäftigt sich mit genau diesen Fragen und gibt Einblicke in erste Erkenntnisse aus unserer Bildungsarbeit. Alicja Pawluzcuk, ICTD-Forschungsstipendiatin an der Uni Digitale Tools und Kommunikationsmittel spielen im versität der Vereinten Nationen, erörtert die (mangelnde) Leben der meisten jungen Menschen eine große Rolle, digitale Inklusion in Europa und Ungleichheiten beim insbesondere seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Zugang zum Internet und zu digitalen Tools. Sie gibt Von heute auf morgen mussten Schulen schließen, Tipps, wie man diesen Ungleichheiten begegnen und Jugendarbeit und viele soziale Aktivitäten konnten nicht sie gemeinsam mit jungen Menschen adressieren kann. mehr persönlich stattfinden. Auch im Understanding Unsere Netzwerkmitglieder Ema Gonçalves und Henrique Europe Netzwerk war schnell klar, dass wir unsere Akti- Rosário von Understanding Europe Portugal berichten, vitäten digitalisieren müssen, um jungen Menschen auch was sie bei der Leitung von Workshops im digitalen Raum während der Pandemie einen Raum für Austausch, Dis- gelernt haben. Sie ermutigen Pädagog*innen, die viel- kussion und gemeinsames Lernen bieten zu können. Im fältigen Funktionen digitaler Anwendungen zu n utzen, Frühjahr 2020 begann deshalb ein tolles Team von Peer- um die Lernerfahrungen junger Menschen zu v erbessern. Trainer*innen mit der Entwicklung eines digitalen EU- Weitere Einblicke in digitale Beteiligungsformate b ietet Kompakt-Kurses. Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres ein Interview mit Daniela Toutpati, Koordinatorin waren digitale Schulungen, Treffen und Workshops zur von Understanding Europe Belgien. Ihr Bericht über die neuen Normalität im Netzwerk geworden. beiden digitalen Assemblies of Solidarity gibt Einblicke in die Herausforderungen und Chancen, die mit Neue Formen der Zusammenarbeit im digitalen Raum der Durchführung solcher Formate verbunden sind. bieten großartige Möglichkeiten für Bildungsprojekte, werfen aber gleichzeitig viele Fragen auf. So verdeutlichen Darüber nachzudenken, wie digitale Formate gestaltet neue Studien, in denen die Auswirkungen der Pandemie und zugänglich gemacht werden können, ist der auf den Bildungsbereich analysiert werden, dass Un- erste Schritt zu einer inklusiveren digitalen Bildung und gleichheiten durch den Onlineunterricht zugenommen Beteiligung. Genauso wichtig ist es jedoch, dass junge 3
Menschen über Kompetenzen und Wissen verfügen, um Bildungsansatzes und die Vermittlung von Fähigkeiten sich in der Onlinewelt zurechtzufinden und aktiv zu betei- zur Faktenüberprüfung wie eine „Impfung“ gegen Fehl ligen. Dabei sind Fähigkeiten wie z. B. die Einordnung informationen wirken können. Malik Eminoglu von und Prüfung von Informationen, Formen und Regeln der Understanding Europe Deutschland berichtet von s einen Interaktion oder die Reaktion auf Hatespeech in s ozialen Erfahrungen mit der Durchführung von Workshops zu Medien von großer Bedeutung. Im zweiten Teil dieser Fake News. Er betont dabei, wie wichtig es ist, sichere Publikation geht es deshalb darum, wie junge Menschen Räume zu schaffen und eine Vielzahl von Methoden dabei unterstützt werden können, sich diese Fähigkeiten anzuwenden, um digitale Formate interaktiv und inklusiv anzueignen und wie wichtig ein sicherer Raum zum zu gestalten. Austausch, zur Reflexion und zur Diskussion dafür ist. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Bereich Der Artikel von Kansu Ekin Tanca, Digital Europe Fellow, der formalen und nichtformalen Bildung haben uns gibt eine Einführung in das Konzept der Digital Citizen alle kalt erwischt. Es ist wichtig, dass wir uns jetzt die Zeit ship und in dessen Vermittlung an junge Menschen. Dabei nehmen, digitale Bildungsansätze kritisch zu diskutieren hebt die Autorin die Bedeutung von Peer-Trainer*innen und zu verbessern. hervor, die jungen Menschen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen besonders gut vermitteln können, warum Wir hoffen, dass dieses Educational Briefing dieses Thema für sie wichtig ist. Wie junge Menschen interessante Einblicke und Denkanstöße dazu bietet, Fehlinformationen erkennen und mit ihnen umgehen und wünschen viel Spaß beim Lesen! können, steht im Mittelpunkt des Artikels von Thomas Nygren, außerordentlicher Professor an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Uppsala. Auf der Grundlage umfangreicher F orschungsarbeiten argumentiert er, dass die Nutzung eines spielerischen Dieses Educational Briefing ist eine Publikation von Understanding Europe, ein Projekt der Schwarzkopf- Stiftung Junges Europa, gefördert von der Stiftung Mercator. Das transnationale Bildungsnetzwerk möchte jungen Menschen in Europa eine Stimme geben und stärkt dafür ihre demokratischen Kom- petenzen. Wir möchten uns herzlich bei der Stiftung Mercator für die Unterstützung des Projektes und dieser Publikation bedanken. 4
Digitale Inklusion und demokratische Bildung für junge Menschen: niemanden zurücklassen DR. ALICJA PAWLUCZUK Einleitung Im Jahr 2020 kam das Bildungsgeschehen zum Erliegen. Der Einsatz digitaler Technologien in Bildungskontexten Die Coronapandemie zerrüttete die L ernumgebungen hat mich jedoch auch vor Herausforderungen gestellt. junger Menschen und die Art und Weise, wie sie auf Dazu gehörten unter anderem Probleme in Bezug auf die Wissen zugriffen, Wissen schufen und wie sie mit Gleich- Sicherheit der Jugendlichen, digitale Fähigkeiten (oder altrigen interagierten. Um während der Lockdowns deren Fehlen), Lernschwierigkeiten und/oder die Verfüg weiterhin ihre Aufgaben zu erfüllen, blieb Pädagog*innen barkeit von Endgeräten und Internetverbindungen. nichts anderes übrig, als auf digitale Umgebungen aus All diese Faktoren musste ich bei dem Entwurf und der zuweichen. Für einige bedeutete das, digitale Techno Durchführung digitaler Bildungsinitiativen berück logien von Grund auf zu lernen. Für andere bedeutete es, sichtigen. Als sich immer neue Herausforderungen und ihre digitale Jugendarbeit zu intensivieren. Aus dem Möglichkeiten in meiner Bildungspraxis auftaten, fing Stillstand heraus musste sich Bildung neu erfinden – und ich an, mir Fragen zu stellen: Sind alle Jugendlichen mit die europäischen Pädagog*innen mit ihr. an Bord, wenn es um den Einsatz digitaler Techno- logien in der B ildung geht? Falls nicht, wie kann ich dafür Als Pädagogin (und Forscherin zum Thema nichtformale sorgen? Ist es möglich, digital basierte Bildungskon- digitale Bildung) setze ich selbst seit über einem Jahr texte inklusiv zu gestalten? Diesen Fragen möchte ich in zehnt digitale Technologien ein – und ich kann sagen: diesem Artikel nachgehen und dabei Pädagog*innen, Es war und ist ein holpriger Weg des Lernens. Über die die ihre Bildungspraxis inklusiv gestalten möchten, einige Jahre hinweg habe ich Freude und Begeisterung im Zu- Tipps an die Hand geben. sammenhang mit den positiven Effekten digitaler Technologien auf das Lernen und die Selbstentwicklung von Schüler*innen erlebt. Es war inspirierend zu sehen, wie sich junge Menschen digitale Technologien zu eigen Digitale Jugendteilhabe: gemacht haben, um ihre Rechte als Bürger*innen aus- die komplexe Verflechtung von zuüben und sich für die Belange der Umgebungen und Ermächtigung und Entmachtung Gemeinschaften, in denen sie leben, einzusetzen. Vom Einsatz digitalen Storytellings mithilfe von Smartphone- Bei Jugendbeteiligung geht es um die Weitergabe von Apps, um auf die örtlichen Probleme mit Messergewalt Macht an jüngere Generationen in einer sinnvollen hinzuweisen, bis hin zur Mitwirkung an der Erstellung Art und Weise. In Europa reicht Jugendteilhabe vom von O nline-Bildungsmaterialien zum Thema Gleich Spendensammeln für einen örtlichen Skatepark bis zur stellung war jedes Projekt eine Möglichkeit für mich, von Beeinflussung internationaler Politik. Unabhängig von jungen Menschen zu lernen und zu beobachten, wie ihrer konkreten Zielsetzung haben partizipative Jugend- sie voneinander lernen. projekte häufig eines gemeinsam: Sie wollen junge Menschen darin unterstützen, ihre Handlungsfähigkeit zu entdecken und aufrechtzuerhalten. Mit der großen Anzahl von Menschen, die daran beteiligt sind, kann Jugendteilhabe auch als eine komplexe Verflechtung 5
von Interaktionen gesehen werden, in der unterschied Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass digitale liche Akteur*innen (z. B. Pädagog*innen, Politiker*innen, Teilhabe für Jugendliche auch entmachtende Effekte Jugendliche) zusammen auf ein gemeinsames Ziel hin haben kann. Während einige Aspekte digitaler Techno arbeiten: die gemeinschaftliche Schaffung einer inklusi- logien dazu beitragen können, den Meinungen und veren, gerechteren und demokratischeren Gesellschaft. Stimmen junger Leute größere Reichweite zu verschaf- fen (z. B. Onlinekampagnen), können andere (z. B. Aus- Wie in ihren herkömmlichen Formen ist auch digitale wahl durch Algorithmen) sie falsch darstellen oder zum Jugendteilhabe keine starre Übung, sondern eine dyna Schweigen bringen. Digitale Jugendteilhabe (oder deren mische, antwortende und sich ständig weiterentwickelnde Fehlen) kann durch intersektionale Faktoren wie soziale Praxis. Digitale Jugendteilhabe kann als P rozess ver Klasse, race, Ethnizität, Gender und/oder B ehinderung standen werden, in dem junge Menschen digitale Techno beeinflusst werden. Zu den Barrieren in der digitalen Teil- logien (z. B. Smartphones, soziale Medien) nutzen, um habe in Bezug auf Behinderung können fehlende Unter- jeweils an ihrer Gesellschaft teilzuhaben. Diese digitale titel in Videos für gehörlose junge Menschen, das Feh- Teilhabe kann sowohl offline (z. B. Programmier-Work- len von Vergrößerungsmöglichkeiten für Text und Bilder shops, digitale Fotografie) als auch online (z. B. die oder das Fehlen gesprochener Beschreibungen für junge Nutzung von Smartphones, um ihre Meinungen zu teilen) Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zählen1. Junge stattfinden. Es gibt formale Arten der digitalen Teil- Menschen aus Familien mit geringen Einkommen sind habe von Jugendlichen (z. B. E-Voting) und auch solche, auch der Gefahr DIGITALER BENACHTEILIGUNG 2 aus- die h äufig als weniger formal angesehen werden, wie gesetzt. Für eine gut informierte und bedeutungsvolle beispielsweise Online-Tanzwettbewerbe. Beide sind für digitale Jugendteilhabe müssen Jugendliche außerdem die Entwicklung junger Menschen gleichermaßen von über ausreichende digitale Kompetenzen verfügen und Bedeutung. über die Fähigkeit, ihre Menschenrechte sowohl offline wie auch online auszuüben3. Durch den Einsatz digitaler Technologien können Jugend- liche ihre demokratischen Fähigkeiten wie Ambiguitäts toleranz, Wertschätzung von Diversität, Selbstwirksamkeit DIGITAL BENACHTEILIGUNG (das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit), auch digitale Ausgrenzung Flexibilität, Empathie, die Fähigkeit zuzuhören und ein genannt, bezieht sich auf die kritisches Verständnis der Welt entwickeln. I nsbesondere Situation, in der Teile der Bevöl durch digitales Peer-Lernen können junge Menschen kerung keinen Zugang zu an der Schaffung sozialer Räume und G emeinschaften, geeigneten Geräten und Inter- in denen ähnliche Interessen und Erfahrungen geteilt netverbindungen und/oder werden, mitwirken (und tun dies auch). Zu Beispielen hier- unzureichende digitale Fähig- für zählen eine Peer-Learning-Integrationsplattform keiten haben. für benachteiligte Jugendliche und Geflüchtete an S chulen oder ein partizipatives, jugendzentriertes Medienprojekt, das die Perspektive junger Menschen in Bezug auf Medien fokussiert. Sinnvolle digitale Teilhabeprojekte für Jugendliche können sie zu einer verbesserten Selbst wirksamkeit und Handlungsfähigkeit führen. 1 Laura Lundy et al., „Two clicks forward and one click back: Report on children with disabilities in the digital environment“, Council of Europe (2019). 2 Sara Ayllón, Halla Holmarsdottir, Samuel Lado, „digitally deprived children in Europe“, DigiGen – Working paper series, 3 (2021). 3 See, for example, this article on the recommendations of the UN Committee on the Rights of the Child on the rights of children online. 6
Digitale Inklusivität und Bildung in Europa Nicht alle jungen Menschen können gleichermaßen von können, wo Menschen und ihre Fähigkeiten in Bezug auf digitalen Technologien profitieren. Eine Schätzung aus digitalen Zugang und Werkzeuge stehen. Diese Tipps sind dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass mehr als in keiner Weise vollumfänglich oder in Stein gemeißelt, fünfzehn Prozent der Jugendlichen über unzureichende und es ist wichtig, sich ihrer Begrenztheit bewusst zu digitale Fähigkeiten verfügen. Auch in der Qualität der sein. Betrachtet sie als Referenzpunkte, die angepasst, digitalen Teilhabe junger Menschen gibt es in Europa anders zusammengesetzt und in verschiedenen sozio- große Unterschiede. 5,3 Prozent der Kinder in Europa ökonomischen und kulturellen Umgebungen neu einge- sind digital benachteiligt, d. h., sie leben in einem setzt werden können. Am wichtigsten ist, dass es nicht Haushalt, der sich keinen Computer leisten kann. In um die richtige Umsetzung dieser Tipps geht, sondern Bezug auf digitale Benachteiligung gibt es frappierende darum, sie auf spielerische und der Situation angepasste Unterschiede: In Island sind nur etwa 0,4 Prozent der Weise einzusetzen. Mit anderen Worten: experimentiert, Kinder von digitaler Benachteiligung betroffen, während spielt, lernt mit – und wenn nötig, scheitert! es in Rumänien und Bulgarien 23,1 beziehungsweise 20,8 Prozent sind4. Auch das Niveau der digitalen Kompetenz ist in Europa unterschiedlich. So verfügen Was sind Hindernisse für eine in Ländern wie Estland, Litauen und den Niederlanden gleichberechtigte und effektive 93 Prozent der Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren Teilhabe online? über grundlegende digitale Fähigkeiten, während es in Rumänien nur 56 Prozent der jungen Menschen sind. Soziokulturelle Barrieren Noch immer gibt es Gebiete in Europa, in denen bis zu Infografik der UNDP Istanbul Regional Hub „Civic Participation of Youth in a Digital World“ (2021), für zwanzig Prozent der Schüler*innen den Computer nicht 36 % für die Schule benutzen können5. Politische Barrieren die junge gesellschaftliche Akteur*innen aus Europa und Zentralasien befragt wurden. Diese digitalen Ungleichheiten können erhebliche Aus- 35 % wirkungen auf die Qualität von digital vermittelter Bildung haben. Wie der Aktionsplan für digitale B ildung Finanzielle Barrieren (2021 – 2027) der EU zeigt, hat uns die Pandemie vor Augen geführt, wie wichtig sinnvolle digitale Inklusion 35 % bei Pädagog*innen und Lernenden ist. Auf europäischer Ebene muss unbedingt sichergestellt werden, dass alle Digitale Barrieren und Bedrohungen Lernenden unabhängig von ihrem geografischen Stand- 32 % ort oder ihrem sozioökonomischen Status gleichberech- tigten Zugang zu digitaler Bildung haben. Logistische Barrieren Viele Aspekte der Strategien zur digitalen Teilhabe j unger 25 % Menschen entziehen sich zwar unserer Kontrolle, aber wir können versuchen, einige Bereiche in k leinerem Rechtliche Barrieren Rahmen inklusiver zu gestalten. Im Folgenden gebe ich 23 % einige Tipps, wie wir ein Verständnis dafür entwickeln Physische Barrieren und Bedrohungen 12 % 4 Sara Ayllón, Halla Holmarsdottir, Samuel Lado, „digitally deprived children in Europe“, DigiGen – Working paper series, 3 (2021). 5 European Commission, „2nd Survey of Schools: ICT in Education.“ (2019). 7
Inklusive digitale Bildung: auf welche Bereiche es ankommt TIPP BEZIEHE DIE JUGENDLICHEN BEI TIPP BEZIEHE DIE JUGENDLICHEN BEI 1 DER ABSCHÄTZUNG DES NIVEAUS 3 DER ABSCHÄTZUNG IHRER IHRES DIGITALEN ZUGANGS MIT EIN D IGITALEN KOMPETENZEN MIT EIN Zu Beginn müssen wir etwas über die digitalen Realitäten Als Pädagog*innen sollten wir versuchen herauszufinden, junger Menschen erfahren. Informationen über die Lern- ob und wie sich die digitalen Kompetenzen junger präferenzen der Jugendlichen, den Zugang zu digitalen Menschen unterscheiden. Dazu könnten wir eine partizi Geräten und/oder eine zuverlässige Internetverbindung pative Übung durchführen, bei der die Teilnehmenden sind entscheidend für die Gestaltung und Durchführung die Möglichkeit haben, über ihre vorhandenen Kompe von Lehrvorhaben. Da nicht zu erwarten ist, dass alle tenzen nachzudenken. Für junge Menschen können die Pädagog*innen über die Fähigkeiten und das Wissen ver- Ergebnisse der Übung als Grundlage für Peer-Learning- fügen, um das Niveau des digitalen Zugangs der Lernen- Aktivitäten dienen, die darauf abzielen, Lücken zu erken- den zu messen, schlage ich vor, dass diese Abschätzung nen und Wege zu finden, diese zu schließen. Päda- zu Anfang zusammen mit den Jugendlichen oder von gog*innen können daraus wichtige Informationen für die ihnen selbst durchgeführt wird: Was ist für sie beim Ein- Gestaltung und Durchführung der Lehraktivitäten ziehen. satz digitaler Technologien beim Lernen am spannends- Es bietet sich an, die Übung auf der Grundlage des Digital ten? Welche Probleme haben sie beim Einsatz digitaler Competence Framework for Educators (DigCompEdu) Technologien? Wenn sie alle Macht der Welt hätten, wie oder des Data Citizenship Framework zu entwickeln. würden sie diese Probleme lösen? TIPP GEHE AUF DIE LERNBEDARFE TIPP BERÜCKSICHTIGE DIE 4 DER JUNGEN MENSCHEN EIN 2 D IGITALEN BEDÜRFNISSE DER JUGENDLICHEN Sobald du Informationen über die digitalen Kompeten- zen junger Menschen und ihre Lernbedürfnisse gesam- Wenn wir darüber nachdenken, was sinnvoller digitaler melt hast, kannst du erkunden, wie du diese berücksich- Zugang bedeutet, müssen wir Faktoren wie den Zugang tigen und auf sie eingehen kannst. Mit vielen Bereichen zu digitalen Geräten, eine zuverlässige Internetverbin- digitaler Kompetenzen magst du dich zwar selbst nicht dung und barrierefreie Inhalte berücksichtigen. Als Päda- besonders gut auskennen, aber es kann sich anbieten, gog*innen können wir versuchen, jungen Menschen den Peer-Learning auszuprobieren oder Expert*innen mit Zugang zu digitalen Geräten (z. B. Computer, Tablets) zu digitalen Kompetenzen hinzuzuziehen. Außerdem ste- ermöglichen. Wir können in Erwägung ziehen, vorhan- hen Informations- und Lernmaterialien für digitale Kom- dene Geräte anzubieten oder über ein Leihsystem nach- petenzen zur Verfügung, beispielsweise die Unterrichts- denken (insbesondere für junge Menschen, die von digi- pläne von Media Smart, das Data and Privacy Toolkit von taler Ausgrenzung bedroht sind). Das Gleiche gilt für der LSE, das Data Detox Kit for Young People von Tactical den Internetzugang. Hier können wir einige realistische Tech oder die BILDUNGSMATERIALIEN zu Desinforma- Schritte in Betracht ziehen, um jungen Menschen eine tionen und Hate Speech von Understanding Europe. Internetverbindung und Zugang zu Lerninhalten inner- halb und außerhalb der Lernumgebung zu ermöglichen Alle Bildungsmaterialien sind hier frei (z. B. Prepaid-Karten, kostenloses WLAN vor Ort, Lern- verfügbar. Es ist zudem möglich, einen inhalte, die offline verfügbar sind). Sinnvollen digitalen Kurs zu digitalen Medien zu buchen, in Zugang zu ermöglichen, heißt auch zu prüfen, ob unsere dem unsere Trainer*innen mit jungen Lernaktivitäten unterschiedliche Sprach- und Lernbe- Menschen grundlegende Medienkompetenz dürfnisse sowie Behinderungen berücksichtigen. Zu den vermitteln. Weitere Informationen hier. Tipps für barrierefreie Lerninhalte gehört z. B. die Tran- skription von Audio- und Videomaterialien. 8
Fazit: Unzulänglichkeiten, Schuld gefühle und Versagen akzeptieren Wir sollten uns ehrlich eingestehen, dass digitale B ildung überfordernd sein kann. In meiner früheren Forschung habe ich herausgefunden, dass viele Pädagog*innen mit dem Einsatz digitaler Technologien in ihrer Praxis Pro bleme hatten6 . Ich habe herausgefunden, dass es Gefühle von Schuld, Scham und Versagensängste gibt, wenn digitale Technologien bei der Arbeit eingesetzt w erden. In vielerlei Hinsicht habe ich mich auch selbst in diesen Ergebnissen wiedergefunden. Was, wenn meine Fähig keiten nicht ausreichen? Was, wenn unser Projekt scheitert? Obwohl diese Fragen ihre Berechtigung haben, ist es wichtig, dass wir uns von ihnen nicht einschränken lassen. Da sich Lernkontexte auf unvorhersehbare Weise verändern, sollten wir uns bemühen, eine agile Denk- weise zu entwickeln und von und zusammen mit jungen Menschen zu lernen. → Mehr zum Thema Wer mehr über die Forschung und Leitlinien zu digitalen Technologien und über ihren praktischen Einsatz in der Bildung erfahren möchte, kann sich auch die Veröffentlichung Developing Digital Youth Work von der EU ansehen, in der auf die Chancen und Risiken der Digitalisierung für junge Menschen, die Jugend- arbeit und die Jugendpolitik eingegangen wird. Außerdem gibt es noch den Plan für digitale Bildung (2021–2027), eine politische Initiative der Europäischen Union (EU) zur Unterstützung einer zukunftsfähigen und effektiven Bildung im digitalen Zeitalter. Prak- tische Beispiele für den digitalen Wandel in der Jugendarbeit und bewährte Praktiken finden sich in den Flaggschiff-Projekten von SALTO-PI sowie auf der europäischen Plattform Digital Youth Work. Dr. Alicja Pawluczuk ist ICTD Research Fellow an der United Nations Über die Autorin Universität und strategische Beraterin zu der Definition der digitalen Transformation im EU-Jugendprogrammen bei SALTO PI. Ihre Forschungs- und Bildungspraxis konzentriert sich auf die digitale Jugendarbeit und die digitale Integration aus einer Jugend- und Geschlechterperspektive. Mit partizipatorischen, kritischen und multidisziplinären Ansätzen will sie die Machtdynamik untersuchen, die mit der digitalen Spaltung und der Datenkluft verbunden ist. 6 Alicja Pawluczuk et al., „Digital youth work: youth workers’ balancing act between digital innovation and digital literacy insecurity“, Information Research 24, no. 1 (2019). 9
Herausforderungen und Chancen für die Peer Education im digitalen Raum EMA GONÇALVES & HENRIQUE ROSÁRIO In den vergangenen anderthalb Jahren waren wir gezwungen, unser Leben zu verändern, vielleicht sogar mit dauerhafter Wirkung. Zugegeben, diese Veränderun- gen betrafen jede*n anders, aber vielleicht war es der Bildungssektor, der einen der größten Schläge einste- cken musste. Auch bei Understanding Europe fanden wir uns plötzlich nicht mehr in Klassenzimmern, sondern in digitalen Zoom-Räumen wieder. Peer Education online – wie war das eigentlich? Die digitale Welt kann das Lernen dynamischer machen All unsere WORKSHOPS und Möglichkeiten des Aus- DIGITALER EU-KOMPAKT-KURS tauschs auf einen Bildschirm zu übertragen, war nicht In Reaktion auf die Entwicklungen einfach und deshalb sind wir sind stolz darauf, vorweg der COVID-19-Pandemie schon mal sagen zu können: Es hat funktioniert! hat eine Arbeitsgruppe den EU-Kompakt-Kurs digitalisiert. Eine wichtige Erkenntnis dabei war, dass das volle Poten- zial digitaler Plattformen oft nicht ausgeschöpft wird. Mit Funktionen wie Handheben oder Livenotizen während Präsentationen kann man das Lernen sehr viel dynamischer gestalten. Als Einstieg/Ice-Breaker in unseren Workshops verwenden wir zum Beispiel eine Europakarte, auf der sich die Schüler*innen selbst posi- tionieren können. In einem Klassenzimmer würden sich die Schüler*innen wie auf einer Karte an eine bestimmte EUROPE IN 4 ECKEN Stelle begeben. Im digitalen Raum wanderten wir einfach Die „4-Ecken-Methode“ lässt auf einer digitalen Karte umher und benutzten virtuelle Schüler*innen in ein offenes, kon- Stecknadeln, um unsere Positionen zu markieren. Für die troverses Gespräch über unter- digitale Umsetzung von EUROPA IN 4 ECKEN nutzten schiedliche Themen kommen. wir die Tools „Handheben“ und „Reaktionen“ in Zoom. Mehr Informationen zu der Meth- In beiden Fällen haben wir die Erfahrung gemacht, dass ode und Beispiele können hier diese digitalen Möglichkeiten einige Schüler*innen runtergeladen werden. dazu brachten, sich wohler zu fühlen und sich stärker zu beteiligen. 10
Und noch etwas zum Thema Beteiligung: Wir glauben, dass eine der besten Methoden die gemeinsame Arbeit an einem einzigen Dokument ist, z. B. mit Miro, Jam- board, Mural oder Google Docs (das z. B. auch zur Erstel- lung dieses Textes verwendet wurde). Das gemeinsame Erstellen von Inhalten ist eine sehr einfache Methode, um das Verantwortungsgefühl der Teilnehmenden für den Prozess zu erhöhen und das Engagement der Schüler*in- nen zu steigern, und eignet sich deshalb bestens für GESCHICHTE DER Gruppenaktivitäten und Projekte. In unserem Workshop EU-INTEGRATION zur GESCHICHTE DER EU-INTEGRATION funktionierte Der Workshop zur Geschichte dies besonders gut, da sich die Schüler*innen online auf der EU-Integration ist Teil des den Geschichtskarten mit dem Cursor und der Tastatur EU-Kompakt-Kurses. Alle Zeit- frei bewegen und so viel zum Endergebnis beitragen strahlkarten, die für den Work- konnten, wie sie wollten. Mit anderen Worten: Die digitale shop verwendet werden können, Umstellung bringt eine Menge Freiheiten mit sich, da die können hier heruntergeladen Schüler*innen ihren Bildungsprozess oft besser und mit werden. einem praxisnahen Ansatz gestalten können. Demokratiebildung wirklich europäisch gestalten Ein weiterer großer Vorteil von Onlinekursen ist, dass Bildungsaktivitäten in welchem Land besser funktionie- geografische Barrieren wegfallen. Faktoren wie die Ent- ren. Ein solcher grenzüberschreitender Austausch ermög- fernung oder Zeitmangel werden damit deutlich ver- lichte es uns außerdem, unterschiedliche Lösungen und ringert, sodass nicht nur Schüler*innen, sondern auch Wege zur Bewältigung ähnlicher Probleme zu sehen. Die Expert*innen oft eher an einem digitalen Workshop teil- Tatsache, dass Trainer*innen aus verschiedenen Ländern nehmen können als an einem Workshop vor Ort. So ist es gemeinsam Kurse durchführen, ist daher etwas, das wir uns beispielsweise gelungen, zwei Mitglieder des Euro- auch dann beibehalten sollten, wenn die Kurse wieder in päischen Parlaments für eine digitale Sitzung zu gewin- Klassenzimmern stattfinden können. nen, was es den Schüler*innen ermöglicht hat, von ihren Einblicken und ihrem Fachwissen zu profitieren, sich mit ihnen auszutauschen und ihre eigenen Ideen und Zweifel zu formulieren. Die digitale Welt ermöglichte es Mitgliedern von Unders- tanding Europe Portugal auch, einen Crash-Kurs gemein- sam mit Understanding Europe Belgien durchzuführen, was eine großartige Erfahrung war, die sonst nicht mög- lich gewesen wäre. Wir tauschten dabei verschiedene Perspektiven auf unsere politischen Realitäten aus, ver- glichen die Geschichte unserer Länder sowie die aktu- elle Situation und Maßnahmen in Bezug auf COVID-19. Es war auch interessant zu sehen, welche Art von 11
Zusammengefasst Nichts kann die persönliche Interaktion zwischen Peer- Trainer*innen und Schüler*innen ersetzen. Masken und Bildschirme machen es schwer, die Körpersprache zu interpretieren. Wir alle haben erlebt, wie es in einem digi- talen Set-up an Verbindungen und Interaktionen man- gelt. Deshalb sind besonders hier gute digitale Pro- gramme und Plattformen sowie kommunikative und engagierte Trainer*innen gefragt. Der digitale Wandel betrifft uns alle. Wenn wir unser Bes- tes geben, seine Möglichkeiten zu nutzen und Probleme aktiv anzugehen, sind wir auch diejenigen, die am meis- ten davon profitieren werden. Ema Gonçalves ist 22, studiert Über die Autor*innen Internationale Beziehungen und hat TIPP EINE PERSÖNLICHE 1 ATMOSPHÄRE SCHAFFEN sich Understanding Europe letztes Jahr angeschlossen. Sie hofft, dass sie damit die gesellschaftliche und Es ist wichtig, dass die Schüler*innen möglichst viel inter- politische Beteiligung anderer jun- agieren und sich miteinander verbunden fühlen können. ger Menschen fördern kann, und Break-out-Rooms ermöglichen den Austausch in kleine- möchte versuchen, ihnen die EU, ren Gruppen und machen es oft einfacher, Inhalte und ihre Entscheidungen und die Funk- Erfahrungen zu teilen. Auch Ice-Breaker sind dafür immer tionsweise näherzubringen. Obwohl eine gute Möglichkeit! zwei Jahre Onlinelernen sie zer- mürbt haben, kann sie einige groß- TIPP DIGITALE WERKZEUGE 2 ERKUNDEN artige Vorteile darin erkennen – den ständigen Austausch von Gedanken findet sie dabei sehr wichtig! Wir können davon ausgehen, dass die digitale Arbeit im Bildungsbereich immer wichtiger werden wird – auch Henrique Rosário ist 19 Jahre nach der Coronapandemie. Es lohnt sich also auch in alt und Maschinenbaustudent Zukunft, nach neuen, teils skurrilen, aber eben vielleicht der Universität Porto. Bei Under- auch sehr nützlichen Tools Ausschau zu halten und diese standing Europe engagiert er sich zu erkunden. seit 2019, beim European Youth Parliament seit 2018. Obwohl er TIPP VORBEREITUNG sich für viele Bereiche interess- 3 ZÄHLT iert, ist er besonders motiviert, etwas über europäische Ange- Manchmal neigen wir dazu, so viele digitale Tools wie legenheiten zu lernen und das möglich zu nutzen. Dafür reicht dann aber entweder Bewusstsein dafür zu schärfen. die Zeit nicht, oder eine entsprechende Vorbereitung Er ist davon überzeugt, dass wir wird schwieriger. Es ist wichtig, eine Anwendung genau jetzt lernen müssen, das Beste zu kennen und mit ihr arbeiten zu können. Auf diese aus digitaler Bildungsarbeit her- Weise können alle Fragen und Zweifel der Lernenden auszuholen und weiterhin aktive beantwortet und ihnen Vertrauen in das Tool vermittelt Bürger*innen zu sein! werden. 12
Die Assemblies of Solidarity von Understanding Europe Belgien: Ein Gespräch mit der Koordinator*in Daniela Toutpati Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas der Solche partizipativen Veranstaltungen fi nden EU habt ihr in Zusammenarbeit mit der Initiative häufig in Präsenzformaten statt. Was ist im Citizens Take Over Europe zwei Assemblies of digitalen Raum anders? Solidarity (zu Deutsch etwa: Zusammenkünfte der Daniela Toutpati: Besonders war an beiden Assem- Solidarität) als Online-Veranstaltung organisiert. blies of Solidarity sicherlich, dass sie so leicht zugänglich Kannst du uns ein bisschen mehr über das Format waren. OnlineVeranstaltungen geben Teilnehmenden die erzählen? großartige Möglichkeit, auch von weit entfernten Orten Daniela Toutpati: Die beiden ASSEMBLIES OF auf der Welt aus teilzunehmen. In dieser Hinsicht sind S O LIDARITY, die Understanding Europe Belgien organi- sie sehr inklusiv und praktisch. Unsere Teilnehmenden siert hat, fanden am 23. und 25. Juni dieses Jahres statt. waren dann auch tatsächlich aus verschiedenen Ländern Wie du schon gesagt hast, haben wir beide erfolgreich zugeschaltet. Das hat die Debatte bereichert, weil Teilne- online abgehalten! Die erste Assembly war eine Debatte hmende aus unterschiedlichen Ländern oft auch unter- zu den Themen Umwelt und Klimawandel, in der zwei- schiedliche Meinungen und Perspektiven eingebracht ten wurden die Themen Demokratie und Grundrechte haben. Man geht schnell davon aus, dass eine diverse diskutiert. Bei beiden Veranstaltungen konnten die Teil- Gruppe schwieriger zu moderieren ist. In unserem Fall nehmenden Empfehlungen zu den jeweiligen Themen liefen die Diskussionen aber sehr reibungslos ab. Zu ausarbeiten, die dann auf der digitalen Plattform der Beginn der Sitzung haben wir einige Regeln für die Disk- Konferenz zur Zukunft Europas veröffentlicht wurden und ussion festgelegt und wir haben die Option der Plat- in die Debatten in den Bürgerforen der Konferenz eingin- tform genutzt, digital per Handzeichen aufzuzeigen. gen. Eine Empfehlung, die jeweils erarbeitet wurde, war Dadurch lief die Diskussion immer sehr organisiert und beispielsweise die Investition in lebenslange Bildung zu respektvoll ab, obwohl die Teilnehmenden nicht immer den Themen Klimaschutz und Antidiskriminierung. Die einer Meinung waren. Für mich war es deshalb sehr EU sollte ihre Mitgliedsstaaten darin unterstützen, solche schön, die Assemblies in diesem Format abzuhalten und Themen in die Lehrpläne aufzunehmen und Menschen allen, die daran interessierten waren, die Teilnahme zu von Kindheit an Wissen darüber vermitteln. ermöglichen. Das klingt sehr interessant. Ich könnte mir vor stellen, dass solche digitalen Veranstaltungen ASSEMBLIES OF S O LIDARITY auch einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Die Assemblies of Solidarity finden vor dem Hast du Herausforderungen solcher Art erfahren? Hintergrund der laufenden EU-Konferenz zur Zukunft Europas statt. Sie wurden von Daniela Toutpati: Bei Online-Veranstaltungen wie die- Citizens Take Over Europe initiiert und ver- sen ist es zwar unkompliziert teilzunehmen, aber sie sind folgen das Ziel, eine vielfältigere Gruppe häufig weniger interessant, besonders wenn sich schon von Bürger*innen und insbesondere junge vieles andere in den digitalen Raum verlagert hat. Wäh- Menschen in den Mittelpunkt der Diskus- rend einer Zeit wie der Corona-Pandemie mit all ihren sion über die Zukunft Europas zu stellen. Einschränkungen sind OnlineVeranstaltungen für viele Weitere Informationen gibt es hier. bereits langweilig geworden oder sie werden schlichtweg vergessen. Interessehalber habe ich die Teilnehmenden 13
nach ihrer Meinung dazu gefragt und alle empfanden Die Assemblies of Solidarity haben zum Ziel, es ähnlich. Beim zweiten Termin kamen beispielsweise Meinungen und Ideen von EUBürger*innen zu einige Personen erst sehr spät nach Beginn dazu, weil sie sammeln und die Debatte über die Visionen für die Veranstaltung vergessen hatten. Zudem hatten wir die Zukunft Europas zu fördern. Wie hat das in mit 15 Personen für den ersten Termin und mit 20 Perso- euren digitalen Assemblies funktioniert? nen für den zweiten gerechnet, es waren jedoch nur sie- Daniela Toutpati: Bei beiden Veranstaltungen habe ben beziehungsweise neun Personen anwesend. Bei der ich wahrgenommen, dass die Teilnehmenden sich für Planung solcher besonderer Veranstaltungen wie den die Meinungen der anderen und die Meinungen der Assemblies of Solidarity sollte man daher darauf achten, Expert*innen zum jeweiligen Thema interessiert haben. genügend Teilnehmende zu haben, ihnen ausreichend Wenn eine Person eine Frage aufgeworfen hat, haben Zeit zur Vorbereitung zu geben und die Situation an die die anderen reagiert, wenn sie sich für das Thema inter- Bedürfnisse der Gruppe anzupassen. essiert haben. Ich muss allerdings auch sagen, dass die Ausarbeitung der Empfehlungen sich als etwas schwie- Wie hast du darauf reagiert, dass die Gruppen so rig erwiesen hat, weil wir nur sehr wenig Zeit hatten und viel kleiner waren als erwartet? es für die Teilnehmenden eine Herausforderung war, voll- Daniela Toutpati: Obwohl es zunächst frustrierend und ständig ausgearbeitete Empfehlungen zu formulieren. demotivierend war, dass nur so wenige Teilnehmende Für zukünftige, ähnliche Formate würde ich überlegen, anwesend waren, würde ich trotzdem sagen, dass die den Fokus auf das Brainstorming und die Debatten zu beiden Assemblies ein Erfolg waren. Wir hatten einige legen. Und obwohl Expert*innen sehr hilfreich sind und Expert*innen zum Gespräch eingeladen und durch die es interessant ist, ihnen zuzuhören, würde ich sie nächs- geringere Gruppengröße konnten die Teilnehmenden tes Mal eher gegen Ende der Veranstaltung einplanen, jeweils mehr Fragen stellen, was sehr schön war. Es war damit die Teilnehmenden während des Brainstormings mit wenigen Personen auch sehr viel leichter, Empfeh- selbst die „Expert*innen“ sein können. lungen zu erarbeiten. Wenn die Gruppe also viel kleiner ist als erwartet, ist das kein Grund zur Sorge! Es ist oft Ein wenig ist es bereits angeklungen, aber hast du leichter, mit wenigen Personen zu arbeiten als mit einer noch weitere Tipps und Empfehlungen für andere großen Gruppe. junge Menschen in der PeerBildung, die ähnliche, digitale Partizipationsveranstaltungen durch führen möchten? Daniela Toutpati: Erstens: Sei realistisch! Achte immer darauf, genug Zeit für die Organisation der Veranstaltung zu haben. Es ist nie ideal, etwas unvorbereitet und kurz- fristig zu tun, und schon gar nicht in Online-Kontexten! Zweitens: Lade mehr Personen ein, als du tatsächlich erwartest, denn einige werden später doch nicht mehr teilnehmen können. Bitte mögliche Teilnehmende ehrlich zu sagen, wie wahrscheinlich ihre Teilnahme ist, und sage ihnen wie wichtig eine verlässliche Antwort für dich ist. Schicke Erinnerungen an die Veranstaltungen mit allen Zugangsinformationen. Sei ganz du selbst und handle so, dass du dich wohl- fühlst. Es ist wichtig, sich von Zeit zu Zeit selbst her- auszufordern, aber tue das erst, wenn du dich wirklich danach fühlst, besonders in einem Online-Kontext. 14
Achte außerdem darauf, dass immer eine weitere Per- Vielen Dank, Daniela. Das ist sicherlich sehr hilf son anwesend ist, die dich bei den technischen Aspekten reich für andere Personen, die im Bildungskontext der Plattform unterstützen kann. Es ist wirklich schwierig tätig sind! Gibt es noch etwas, das du unseren technische Fragen zu beantworten und gleichzeitig die Leser*innen mitgeben möchtest? Veranstaltung zu leiten! Einige Personen werden wahr- Daniela Toutpati: In unsicheren Zeiten wie diesen hat scheinlich Schwierigkeiten haben, der Veranstaltung bei- sich das Internet als unser bester Verbündeter erwie- zutreten. Für diesen Fall sollte jemand da sein, der ihnen sen. Es hat uns nicht nur ermöglicht, mit anderen in Kon- bei den einzelnen Schritten helfen kann. takt zu bleiben, sondern es hat uns bei Understanding Frage die Teilnehmenden stets, ob Sie die Inhalte ver- Europe auch geholfen, unseren Traum weiterzuverfol- standen haben. Stelle jedes Mal sicher, dass allen klar ist, gen: mehr über Europa und unsere Gesellschaft zu lernen was sie zu tun haben. Ich gebe immer eine kurze Zusam- und dieses Wissen an andere weiterzugeben. Die Konfe- menfassung dessen, was in der Diskussion gesagt wurde. renz zur Zukunft Europas der EU ist wirklich eine wunder- Und schließlich, ermuntere die Teilnehmenden zu so vie- bare Möglichkeit, unsere Gesellschaft zu verändern. In len Redebeiträgen wie möglich, aber verpflichte sie nie diesem Sinne möchte ich noch einmal allen couragierten, zu etwas, das sie nicht tun wollen. Das gilt sowohl für jungen Menschen da draußen Mut zusprechen, für Bil- Online-Kontexte als auch für Präsenzveranstaltungen. dung in unserer Gesellschaft zu kämpfen, denn wir sind in Versuche eine ausgewogene Leitungsrolle in der Diskus- der Lage noch rechtzeitig zu verändern, was daran nicht sion zu finden. Es ist die Rolle der Teilnehmenden, die funktioniert. Als Schlusswort möchte ich gern Steven Veranstaltung mit ihren Ideen zu füllen, du musst nur Van Hecke zitieren, einen geschätzten Professor an der den Prozess anleiten. Stelle Fragen wie „Was meinst du KU Leuven, dessen Worte bei unserer letzten Assembly dazu?“, „Möchte jemand, der bisher noch nichts gesagt mich inspiriert haben: „Lest, lernt, lehrt – immer wieder!“ hat, seine Gedanken zu dem Thema teilen?“, „Möchte („Read, learn, teach and repeat!“) Ich wünsche euch alles jemand hier noch etwas hinzufügen?“, „Stimmen alle mit Gute und hoffe, ihr werdet das Beste daraus machen. dem überein, was bisher gesagt wurde?“ etc. Daniela Toutpati ist eine 22-jährige Studentin im Master der Daniela Toutpati Erziehungswissenschaften an der VUB. Sie ist seit 2018 im Projekt Understanding Europe Belgien aktiv und koordiniert derzeit das Projekt. Daniela glaubt fest an die Kraft der nicht-formalen Bil- dung für den Wandel und setzt sich für Jugendaktivitäten ein. Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas hat sie zwei Assem- blies of Solidarity mit jungen Menschen in Belgien organisiert. 15
Digital Citizenship: die Vermittlung von digitalen Rechten und Pflichten nach dem Peer-Education-Ansatz KANSU EKIN TANCA Digital Citizenship kurz erklärt Das Konzept der DIGITAL CITIZENSHIP 7 beruht auf der Bisher wurde den CDCs und ihrer Anwendung in der digi- Annahme, dass wir nicht nur im analogen sondern auch talen Welt nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.10 im digitalen Raum demokratische Rechte und Pflichten Angesichts der zunehmenden Bedeutung und Aktivi- haben – also digitale Bürger*innen und damit aktive und täten in diesem Bereich ist es aber dringend notwendig, verantwortungsbewusste Mitglieder der digitalen Welt darüber nachzudenken, wie digitale Teilhabe und Selbst- sind. Zu einer Auseinandersetzung mit Digital Citizenship wirksamkeit online erreicht werden können. gehört nicht nur eine Diskussion ihrer Bedingungen, wie den gesicherten Zugang zu Internet und digitalen Tech- DIGITALE BÜRGER*INNEN nologien sowie digitale Kompetenzen, sondern auch eine • nutzen digitale Technologien regelmäßig kritische Reflexion über die Konsequenzen des (dauer- und effektiv haften) Offlineseins: Es muss über digitale Ungleichheit, • wissen die Chancen und Heraus die DIGITALE KLUFT und digitale Ausgrenzung gespro- forderungen des Internets zu schätzen, chen werden. • interagieren und kommunizieren verantwortungsbewusst und leisten Mit einem Fokus auf Selbstwirksamkeit und Beteiligung einen positiven Beitrag geht das Konzept der Digital Citizenship Hand in Hand • üben kritische digitale Kompetenzen aus, mit dem Referenzrahmen „Kompetenzen für eine demo- • kennen, schützen und respektieren ihr kratische Kultur“ (CDCs) des Europarats.8 Die CDCs wur- eigenen Online-Rechte den entwickelt, um „Einstellungen und Verhaltenswei- sen zu fördern, die den Dialog und die Zusammenarbeit, DIGITALE KLUFT die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mitteln und die Der Begriff „digitale Kluft“ bezieht sich auf aktive Teilnahme am öffentlichen Raum betonen“.9 Die in die Kluft zwischen Einzelpersonen, Haus- den CDCs genannten Werte, Einstellungen, Fähigkeiten, halten, Unternehmen und geografischen Kenntnisse und das kritische Verständnis gelten auch Gebieten auf unterschiedlichen sozio für den digitalen Raum und sind grundlegend, wenn wir ökonomischen Niveaus in Bezug auf ihre eine vielfältige und demokratische digitale Gesellschaft Möglichkeiten des Zugangs zu Informations- anstreben. und Kommunikationstechnologien (IKT) und ihrer Nutzung des Internets für eine Vielzahl von Aktivitäten. In OECD, https://stats.oecd.org/glossary/ detail.asp?ID=4719, zuletzt aufgerufen am 04.11.2021 7 Es wird bewusst der englische Begriff genutzt, da eine Übersetzung ins Deutsche nicht die verschiedenen Bedeutungen des Konzepts abdeckt (s. polis aktuell, 1/2020, S. 3). 8 Martyn Barrett et al.: „Competences for Democratic Culture - Living together as equals in culturally diverse democratic societies”, Council of Europe (2016). 9 Sjur Bergan, “About the project Competences for Democratic Culture and Intercultural Dialogue,” Council of Europe, last accessed 04.11.2021. 10 Janice Richardson and Elizabeth Milovidov, “Digital Citizenship Education Handbook,” Council of Europe (2019). 16
Digitale Teilhabe als ermächtigende und integrative Erfahrung Das Internet ist zunehmend zu einem integralen Bestand- Anschauungsmaterial, Karikaturen und faktengestützte teil unseres Lebens geworden, dabei macht jede*r Diagramme zur Verfügung stellen, um die Diskussion Nutzer*in eigene und andere Erfahrungen. Wenn man den darüber zu fördern und junge Menschen zu ermutigen, Begriff „digitale Teilhabe“ im weitesten Sinne betrachtet, ihre Perspektiven einzubringen und über Vorurteile oder gibt es viele mögliche Definitionen. Aus der Sicht eines An- falsche Vorstellungen im Internet zu sprechen. satzes, der auf Recht und Resilienz beruht, sind mit digitaler Teilhabe inklusive, engagierte, ermächtigende, Ausgehend von den Gedanken und Erfahrungen junger inspirierende und bereichernde Onlineerfahrungen Menschen kann dann eine Diskussion über die Auswir- gemeint, bei denen junge Menschen von ihren Rechten kungen digitaler Teilhabe im weiteren Sinne und auch im Gebrauch machen, von Möglichkeiten profitieren, Kontext der digitalen Bürgerschaft auf den Einzelnen und vor Risiken geschützt sind und Herausforderungen be die Gesellschaft geführt werden. wältigen können.11 Da relevante gemeinsame oder ähnliche Erfahrungen In Bildungskontexten können (Peer) Trainer*innen digi- Verbindungen zwischen jungen Menschen schaffen, tale Teilhabe als eine Möglichkeit benutzen, das Thema bietet sich für Diskussionen über Digital Citizenship der der digital Citizenship zu vertiefen. Dabei ist es die Ansatz der Peer Education an. Aufbauend auf den CDCs Aufgabe der Trainer*innen, einen g anzheitlichen Ansatz und der hier verfolgten Definition von Digital Citizen zu verfolgen, bei dem über Partizipation nicht nur ship ist es wichtig, dass die Trainer*innen hervorheben, gesprochen wird, sondern diese auch erfahrbar gemacht wie genau informierte, kompetente und verantwortungs wird. Dies setzt eine Offenheit gegenüber Gedanken bewusste Bürger*innen die Demokratie in digitalen und Erfahrungen junger Menschen voraus, die sich stark Räumen verbessern können. unterscheiden können. Es ist wichtig, j ungen Menschen einen Raum zu geben, in dem sie darüber nachdenken können, wie sie Informations- und Kommunikations technologien nutzen, online interagieren, digitale Medien konsumieren und selbst erstellen. Trainer*innen können Wie nutzen junge Aktivisten den digitalen Raum und Social-Media-Plattformen? Infografik der UNDP Istanbul Regional Hub „Civic für die junge gesellschaftliche Akteur*innen aus Participation of Youth in a Digital World“ (2021), Am häufigsten beworbenen Themenbereiche Europa und Zentralasien befragt wurden. 70 % 70 % 55 % 51 % Bis zu 70% stim- mten zu, dass Online- Aktivismus wichtige Bildung Menschenrechte und Aktivitäten für Themen sichtbarer soziale Gerechtigkeit junge Menschen macht 11 Stoilova, Mariya, Sonia Livingstone and Rana Khazbak, “Investigating Risks and Opportunities for Children in a Digital World: A rapid review of the evidence on children’s internet use and outcomes,” Innocenti Discussion Papers no. 2021-01, (Florence: UNICEF Office of Research – Innocenti, 2021). 17
Die Rolle von Peer-Trainer*innen in der Diskussion über Rechte und Pflichten im Internet Um die Selbstwirksamkeit junger Menschen zu fördern bedeuten, dass junge Menschen von der digitalen Welt und einen interaktiven Austausch anzuregen, spielt ausgeschlossen werden müssen, um sie zu „schützen“. der*die Peer Trainer*in in formellen und i nformellen Die Diskussion sollte vielmehr das Konzept der digitalen Lernkontexten eine wichtige Rolle. Rechte und Pflichten Bürgerschaft und damit eine Befähigung und Teilhabe im Internet werden dann verstanden, wenn junge junger Menschen in den Fokus stellen, anstatt Ausgren- Menschen die Möglichkeit haben, einzelne Punkte in zung und Selbstzensur zu verfolgen. Wenn man junge Bezug auf konkrete Beispiele und Situationen aus ihrem Menschen daran erinnert, dass sie selbst dazu beitragen täglichen Leben zu diskutieren. In Anbetracht dieses können, einen sicheren, integrativen, ermächtigenden Aspekts übernimmt der*die Trainer*in die Rolle eines und demokratischen digitalen Raum zu schaffen, kann Türöffners, der die Jugendlichen in das Thema einführt, dies ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken und sie sie zum Sprechen ermutigt, ihnen hilft, die Konzepte für die Navigation in unserer digitalen Welt stärken und mit ihrem Leben in Verbindung zu bringen, Fragen stellt, rüsten. Ideen fördert und sicherstellt, dass unterschiedliche Meinungen reflektiert und berücksichtig werden. Zusammengefasst Da der*die Trainer*in möglicherweise ähnliche E rfahrungen Für die meisten jungen Menschen sind die Offline- und gemacht hat, ist er*sie besser in der Lage, auf die von die Onlinewelt untrennbar miteinander verwoben. Die den jungen Menschen geäußerten Gedanken zu r eagieren Brücke zwischen diesen beiden Welten wird noch gebaut. und auf potenzielle Probleme und Sorgen einzugehen, Darüber nachzudenken, wie Rechte und Pflichten online ohne die digitale Welt als eine Dystopie darzustellen. gelten und umgesetzt werden können, bietet die Chance, auch online eine demokratische Kultur zu etablieren. Während der Diskussion sollte der*die Peer Trainer*in Risiken (z. B. Cybermobbing, Phishing) anerkennen und den Herausforderungen Raum geben, mit denen der dig- itale Raum konfrontiert ist (z. B. in Bezug auf digitale → Mehr zum Thema Sicherheit, Privatsphäre, Wohlbefinden). Es mag zwar naheliegend sein, soziale Medien, böswillige Akteure oder Nutzer*innen, die den digitalen Raum absichtlich Die Materialien zum Workshop „Digital Citizenship: schädigen, der Schaffung von Bedrohungen und Risiken Unsere Rechte und Pflichten im Internet“, entwickelt von im Internet zu beschuldigen. Dies sollte jedoch nicht Kansu Ekin Tanca, können hier heruntergeladen werden. Kansu Ekin Tanca interessiert sich für die Digital Citizenship und die Beteiligung Über die Autorin junger Menschen an der digitalen Welt. Ihren Master absolvierte sie am Centre International de Formation Européenne und hat sich dort aus einem rechtlichen Blickwinkel mit digitalen Kompetenzen von Kindern beschäftigt. Sie arbeitet ehrenamtlich als Redaktionsassistentin für das Journal of Media Literacy Education und ist derzeit als Bildungsleiterin für den Bildungsbereich der unabhängigen Fact-Checking-Organisation Teyit in der Türkei tätig, wo sie Bildungsprojekte leitet und Workshops zu kritischer digitaler Kompetenz, Fehlinformationen und Fact-Checking durchführt. Sie ist Fellow im Programm Digital Europe (2021) der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa und der Alfred Herrhausen Gesellschaft sowie Teil des Bildungsnetzwerks Understanding Europe. 18
Forschungsbasierte Bildung gegen Desinformation THOMAS NYGREN In unserer heutigen digitalen Welt haben wir Zugang zu Die Wichtigkeit, Hass und Lügen in den sozialen Medien Nachrichten aus allen Ecken der Welt. Dass sich Menschen auf nationaler und supranationaler Ebene zu bekämpfen, online treffen und an verschiedensten Aktionen be wird häufig betont. Neue Gesetze und die Bemühungen teiligen können, bietet ein großes Potenzial, Demokratie großer Internetkonzerne können Bürger*innen jedoch inklusiv und partizipativ zu gestalten. Menschen können nur unvollständig schützen – nicht zuletzt, weil automa- sich beispielsweise mit Freund*innen zusammen tisierte Faktenprüfungsprozesse Schwierigkeiten haben, schließen, um Aktionen zur Förderung von Menschen irreführende Informationen zu identifizieren. Alles zu rechten und ökologischer Nachhaltigkeit zu unterstützen. sperren, was auch nur unwahr erscheint, bedroht außer- Um dieses Potenzial auszunutzen, muss man sich jedoch dem die freie Meinungsäußerung. Zur Verteidigung der bewusst sein, dass der digitale Informationsfluss auch in Demokratie gehört deshalb auch, dass Bürger*innen in die Irre und zu Problemen führen kann. Vor zehn Jahren der Lage sind, ihre digitalen Nachrichten so auszuwählen, wurde das Internet hauptsächlich als demokratisches dass sie informiert und nicht desinformiert werden 15. Hilfsmittel angesehen, mit dem tyrannische Diktator*innen gestürzt werden könnten12 . Aktivist*innen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzten, konnten mithilfe der sozialen Medien ihre Kräfte vereinen und ihre Positionen damit wirkungsvoller vertreten, nicht zuletzt in geschlossenen Gesellschaften, in denen Männer in Machtpositionen Informationen durch Staatspropaganda kontrollierten. Seitdem werden diese Technologien jedoch zunehmend für das genaue Gegenteil verwendet. So werden sie bei- spielsweise eingesetzt, um Minderheiten und Anders- denkende zu unterdrücken oder zum Schweigen zu brin- gen. Desinformationskampagnen, die zum Ziel haben, Konflikte zu schüren und die Demokratie zu untergraben, bedrohen die Redefreiheit13. Diese Bedrohung ist über- all auf der Welt präsent, und sogar stabile europäische Demokratien müssen sich heutzutage gegen irrefüh- rende Informationen und Falschnachrichten in Form von Texten, Bildern und Videos zur Wehr setzen 14. 12 Zeynep Tufekci, „How social media took us from Tahrir Square to Donald Trump“. MIT Technology Review 14, no. 18. 13 European Political Strategy Centre, „Election interference in the digital age: Building resilience to cyber-enabled threats“. (Brussels: European Commision, 2018). 14 European Commission, Action plan against disinformation. Joint communication to the European parliament, the European council, the council, the European economic and social committee (2018). 15 Ibid. 19
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