Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte

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Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
Zirkuläre Wirtschaft
Herausforderungen und Chancen
für den Industriestandort
Deutschland
Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
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Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Vorwort                                                                                05
Konzept der Zirkulären Wirtschaft                                                      06
Potenziale der Zirkulären Wirtschaft
für den Industriestandort Deutschland                                                  16
Befähigung der Zirkulären Wirtschaft –
Herausforderungen und Best Practices                                                   24
Implikationen für Unternehmen und Politik                                              39
Ansprechpartner                                                                        42

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Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
Zirkuläre Wirtschaft wird
     künftig einen zentralen
     Bestandteil der erfolgreichen
     Unternehmensführung
     darstellen.

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Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Vorwort
Wie lassen sich Wachstum und Ressour-           ausgerichtete Unternehmensstrategien.
cenverbrauch entkoppeln? Und wie kann es        Die Transformation muss allerdings immer
gelingen, bisher lineare Geschäftsmodelle       die industrielle Wettbewerbsfähigkeit des
weiterzuentwickeln? Mit diesen zentralen        Standorts Deutschland berücksichtigen. In
Fragen beschäftigt sich das Konzept der         diesem Prozess steckt ein enormes Poten-
Zirkulären Wirtschaft und gewinnt immer         zial, Deutschland zum globalen Leitanbieter
stärker an Bedeutung in Politik und Wirt-       neuer Technologien zu entwickeln, die eine
schaft. Es ist zentral für künftige Unterneh-   wirtschaftliche Wiederverwertung von Roh-           Holger Lösch
menstrategien und zudem Kernelement             stoffen ermöglichen und die Abhängigkeit            Stellv. Hauptgeschäftsführer BDI
des Green Deal der Europäischen Union.          von Importen reduzieren.
Zirkuläre Wirtschaft kann einen wichtigen
Beitrag zum effizienten Einsatz von Res-        Neben den Voraussetzungen, die die Wirt-
sourcen und zur Bekämpfung des Klima-           schaft mit dem Aufbau von entsprechen-
wandels leisten. Damit ist aber auch klar,      den zirkulären Ökosystemen schaffen kann,
dass dieses Modell nicht national isoliert      hängt der Erfolg aber auch entscheidend
betrachtet werden kann. Schließlich beein-      von den geeigneten politischen Rahmen-
flussen globale Lieferketten und Absatz-        bedingungen ab. Auch hier wird ein natio-
märkte die Chancen, einen möglichst             naler Rahmen nicht ausreichen. Mit dem
geschlossenen Kreislauf herzustellen.           Green Deal hat die EU einen großen Schritt          Dr. Thomas Schiller
                                                getan und in ihrem Aktionsplan „Circular            Managing Partner Clients & Industries,
In dieser Studie betrachten wir die Chan-       Economy“ zahlreiche konkrete Instrumente            Deloitte
cen und Herausforderungen der Zirku-            vorgeschlagen. Es wird darauf ankommen,
lären Wirtschaft und zeigen innovative          die angekündigten Maßnahmen einem Rea-
Anwendungsbeispiele, die als Best Practice      litätscheck zu unterziehen: Sie sollten einen
dienen können. Wie in vielen komplexen          selbsttragenden Sekundärrohstoffmarkt
Modellen gibt es nicht die eine Lösung, die     im EU-Binnenmarkt ermöglichen und die
wie eine Blaupause weltweit in allen Indus-     Dynamik der technologischen Entwicklung
trien angewendet werden kann und zum            nutzbar machen. Ein Schlüssel dafür ist
gewünschten Ergebnis führt. Auch in der         Technologieoffenheit.
Zirkulären Wirtschaft gibt es Zielkonflikte
und Interdependenzen, die austariert wer-       Unser Dank gilt den Expertinnen und
den müssen.                                     Experten aus Verbänden und Unterneh-
                                                men, die uns im Rahmen dieser Studie
Makroökonomisch führt die Zirkuläre Wirt-       unterstützt haben. Wir hoffen, dass wir
schaft zu einer höheren Wertschöpfung           damit einen Impuls in Richtung Zirkuläre
und mehr Beschäftigung im Inland. Eine          Wirtschaft geben können.
zentrale Rolle spielen hier Innovationen
in den Geschäftsmodellen und darauf

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Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
Konzept der
Zirkulären Wirtschaft
Die Idee einer Zirkulären Wirtschaft („Circular Economy“)
gewinnt in Politik und Wirtschaft an Dynamik. Sie ist eine der
Säulen des Green Deal der Europäischen Union und ein wich-
tiger Ansatz für Ressourceneffizienz und die Bekämpfung des
Klimawandels. Insofern wird sich der Trend Richtung Zirkuläre
Wirtschaft in den nächsten Jahren weiter verstärken – in
Deutschland und Europa, aber auch weltweit.

Welche Anforderungen gilt es dabei zu         Substitution importierter durch recycelte
managen? Welche wirtschaftlichen Gestal-      Rohstoffe trägt gleichzeitig zur globalen
tungsmöglichkeiten entwickeln sich dar-       Einsparung von CO2-Emissionen bei. Auf
aus? Die vorliegende Studie beleuchtet        der unternehmerischen Ebene entstehen
die Potenziale und Herausforderungen          durch eine stärker zirkuläre Wirtschaft
zu diesem Thema. Letztere ergeben sich        neue Innovations- und Geschäftsfelder.
zum einen aus den technologischen             Die Studie gibt einen Ausblick auf entspre-
Grenzen der Zirkularität, zum anderen         chende Geschäftsmodelle und beleuchtet
aus der Frage nach der Wirtschaftlichkeit.    Entwicklungspotenziale entlang der Wert-
Die Transformation in Richtung Zirkuläre      schöpfungskette. Die makroökonomischen
Wirtschaft wird nur dann gelingen, wenn       Effekte werden mithilfe einer modellbasier-
sie in Einklang mit der industriellen Wett-   ten Simulation auf Grundlage von Experte-
bewerbsfähigkeit des Standorts Deutsch-       neinschätzungen zur Substituierbarkeit der
land gebracht wird. Makroökonomisch           wichtigsten Primär- durch Sekundärroh-
eröffnet sie Chancen für eine höhere Wert-    stoffe aufgezeigt.
schöpfung und mehr Beschäftigung. Die

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Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

CO2

                                                                                         07
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse        • Die Realisierung des makroökonomi-
im Überblick:                                   schen Potenzials erfordert sowohl tech-
• Eine stärker zirkuläre Wirtschaft hat         nologische Innovationen als auch Neu-
  positive Effekte auf die Wertschöpfung        entwicklungen in den unternehmerischen
  und Beschäftigung in Deutschland. Wir         Geschäftsmodellen. Die Innovationsfä-
  schätzen, dass bis 2030 eine zusätzliche      higkeit Deutschlands im technologischen
  Bruttowertschöpfung von 12 Milliarden         Bereich ist im europäischen Vergleich
  Euro pro Jahr erreichbar ist sowie ein        hoch, im globalen Vergleich ist der
  Beschäftigungszuwachs von 177.000             Abstand zu der Spitzengruppe allerdings
  Arbeitsplätzen. Damit einher geht eine        groß. Auf unternehmerischer Ebene hat
  verringerte Importabhängigkeit bei wich-      die Zirkuläre Wirtschaft je nach Branche,
  tigen Rohstoffen und Materialien.             Geschäftsmodell und Material unter-
                                                schiedliche Ausprägungen; es zeigt sich
• Die Umwelteffekte durch Einsparungen          aber in der Praxis eine Vielzahl von inno-
  von Rohstoffen sind ebenfalls beträcht-       vativen Ansätzen.
  lich. Dadurch ergeben sich positive
  Effekte auf den Ausstoß von Treibhaus-      • Die Herausforderungen, vor denen
  gasen. Wir schätzen, dass insgesamt           Unternehmen stehen, betreffen das klare
  5,5 Millionen Tonnen dieser Emissionen        Verständnis der Zirkulären Wirtschaft,
  pro Jahr eingespart werden können. Aller-     die Abkehr vom linearen Geschäftsmo-
  dings steht den Einsparungen entlang          dell, Materialrückflüsse, den Aufbau von
  der globalen Lieferketten ein erhöhter        zirkulären Ökosystemen, die Rolle von
  Ausstoß in Deutschland gegenüber, der         CO2-Preisen, Digitalisierung und Finan-
  durch die inländische Wiederaufberei-         zierungsmöglichkeiten der Zirkulären
  tung von sekundären Rohstoffen ent-           Wirtschaft sowie das Management von
  steht, welche die Importe ersetzt.            Zielkonflikten.

                       Die Transformation hin zu
                       einer Zirkulären Wirtschaft hat
                       einen positiven Einfluss auf die
                       nationale Wertschöpfung und
                       Beschäftigung sowie auf die
                       globalen Emissionen.

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Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

                                        CO2

Erfordernisse der Zirkulären                  Recyclingrohstoffen (Sekundärrohstoffen)           Lebensdauer, Wiederverwendung und
Wirtschaft                                    substituiert werden. Zum anderen sollen            Recycling ausgelegt. Die Nutzung sollte
Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das   sich die Nutzungsdauer von Produkten und           möglichst effizient sein, beispielsweise
sich in manchen Branchen gerade erst ent-     damit ihre Lebensdauer verlängern. Die             durch Sharing-Economy-Ansätze. Am Ende
wickelt und noch in vielen Details weiter-    Zirkuläre Wirtschaft geht deutlich über die        ihrer Lebensdauer sollten die Produkte
gedacht wird. Eine akademische Studie hat     Kreislaufwirtschaft hinaus, die sich auf den       wiederverwendet oder nachgerüstet
kürzlich 114 verschiedene Definitionen der    Aspekt des Recyclings konzentriert. Statt-         beziehungsweise möglichst einfach in den
Zirkulären Wirtschaft analysiert.1 Im Kern    dessen nimmt sie den gesamten Lebenszy-            (Roh-)Stoffkreislauf zurückgeführt werden
geht es um ein neues Modell, das den line-    klus von Rohstoffen und Produkten in den           können. Damit erfordert der Weg in eine
aren Ansatz in der Produktion und im Ver-     Blick. In einer perfekten Zirkulären Wirt-         Zirkuläre Wirtschaft ein daran angepasstes
brauch ersetzt, also um eine Abkehr von       schaft würden alle Abfälle, Abwässer und           Design von Produkt- und Dienstleistungs-
der einmaligen Nutzung und anschließen-       Materialien in geschlossenen Stoffkreis-           systemen.
den Entsorgung von Gütern mit entspre-        läufen verbleiben. Dies dürfte aufgrund
chend hohem Ressourceneinsatz. In einer       der unvermeidlichen technologischen und            In einer schematischen Darstellung
linearen Wirtschaft steigt der Ressour-       stofflichen Beschränkungen auf systemim-           umfasst die Zirkuläre Wirtschaft sechs
cenverbrauch parallel zum Wachstum. Im        manente Grenzen allerdings ein unerreich-          Phasen entlang des Produktlebenszyklus
Gegensatz dazu ist die Grundidee der Zir-     bares Ziel bleiben und nur näherungsweise          beziehungsweise des Wertschöpfungskrei-
kulären Wirtschaft, das Wirtschaftswachs-     realisierbar sein.                                 ses (siehe Abbildung 1).
tum vom Verbrauch primärer Ressourcen
(Rohstoffe, Brennstoffe und Biomaterialien)   Der Fokus auf den gesamten Lebenszyklus
zu entkoppeln. Die Produktion verbraucht      erfordert einen neuen Ansatz für dessen
deutlich weniger Primärrohstoffe und          wesentliche Stufen – Design, Produktion,
schont damit die natürlichen Ressourcen.      Nutzung und Wiederverwendung von Pro-
                                              dukten. In einer Zirkulären Wirtschaft wer-
Die Zirkuläre Wirtschaft verfolgt mehrere     den Produkte – und damit die Rohstoffe –
Ziele. Zum einen soll der Anteil verwende-    idealerweise bereits bei ihrer Planung
ter Primärrohstoffe sinken, indem diese mit   und Konstruktion für eine möglichst lange

                                                                                                                                                09
Abb. 1 – Schematische Darstellung der Zirkulären Wirtschaft

 Rohstoffeinsatz                                           Produkt-
                                                          design

                                 Weiter- und                                 Herstellung
                                 Wiederver-                                  und
                                 wendung                                     Distribution

                                        Sammlung                      Nutzung

                                                            Stoffverluste

1. Rohstoffeinsatz                                            5. Sammlung
    Möglichst geringer Einsatz von primären Rohstoffen             Sortierung und Zuführung zu einer (roh-)
    (und Energie) (zum Beispiel Substitution von Primär-           stofflichen Wiederverwendung (zum
    durch Sekundärmetalle, Einsatz von biogenen Roh-               Beispiel Textilrecycling, Recycling von
    stoffen oder erneuerbaren Energien)                            PET-Flaschen oder Rücknahme von Elek-
                                                                   tronikgeräten)
2. Produktdesign
    Berücksichtigung der Langlebigkeit, Wiederaufbe-           6. W
                                                                   eiter- und Wiederverwendung
    reitung, Reparierbarkeit und Abfallvermeidung bei             (Wieder-)Einspeisung in den Wirtschafts-
    Design und Konstruktion eines Produktes (zum                  kreislauf (zum Beispiel Einschmelzen von
    Beispiel Elektronikgeräte mit leicht austauschbaren           gemischten Kunststoffabfällen zu neuen
    Akkus oder Leichtbau)                                         Kunststoffrohstoffen oder Batterie-
                                                                  recycling)
3. Herstellung und Distribution
   Optimierung der Material- (und Energie-)Effizienz bei       7. Stoffverluste
   Herstellung, Lagerung und Transport (zum Beispiel               Ausschleusung von Reststoffen, deren
   Mehrwegverpackungen oder Online-Portale, die                    Recycling technisch nicht möglich oder
   Distributionslogistik inklusive klimaneutraler Bereit-          ökonomisch nicht sinnvoll ist
    stellung multimodal optimieren)
                                                               Die Wertschöpfungskreise der Zirkulären
4. N
    utzung                                                    Wirtschaft können lokal oder regionen-
   Fokus auf längere und häufigere Nutzung der Pro-            übergreifend ausgestaltet werden. Für
   dukte (zum Beispiel Car-Sharing in der Automobilin-         unterschiedliche Stoffströme und Produkte
   dustrie oder „das zweite Leben“ von Antriebsbatte-          sind auch unterschiedlich große Wert-
   rien als stationäre Energiespeicher)                        schöpfungskreise in einem zirkulären Sys-
                                                               tem notwendig beziehungsweise sinnvoll.

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Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Zirkuläre Wirtschaft und die Nachfrage          Abb. 2 – Globale Ressourcenextraktion (Gt)2 von 1970 bis 2020. Hochrechnung der
nach Rohstoffen                                 Daten von 2017 bis 2020
Der weltweite Rohstoffverbrauch und seine
vielfältigen Implikationen für Umwelt, Ver-      100
sorgungssicherheit und Lieferketten gehö-
ren zu den Haupttreibern der Zirkulären           90
Wirtschaft. Gleichzeitig verstärken die tech-
nologischen Entwicklungen in der Mobilität,       80
bei der Dekarbonisierung energieintensiver
                                                  70
Industrien und die fortschreitende Digitali-
sierung die Nachfrage unter anderem nach
                                                  60
Batteriemetallen, Seltenen Erden, Kupfer,
Aluminium und Silizium.
                                                 50

In den letzten 50 Jahren ist der weltweite
                                                  40
Ressourcenbedarf stetig gestiegen und hat
sich von 25 auf über 100 Milliarden Tonnen
                                                  30
pro Jahr vervierfacht (siehe Abbildung 2).
Das Wachstum der Weltwirtschaft spiegelt          20
sich damit im Rohstoffverbrauch noch
deutlicher wider als im Energieverbrauch.         10
Prognosen gehen davon aus, dass sich der
globale Rohstoffbedarf bei unveränderten           0
Rahmenbedingungen bis 2050 im Vergleich                1970    1975     1980     1985     1990     1995     2000     2005      2010     2015     2020
zum Jahr 2000 verdreifachen wird.3

Bei den genutzten Ressourcen handelt es
sich zu 40 Prozent um fossile oder biogene
Brennstoffe und zu 60 Prozent um mine-          Abb. 3 – Globale Ressourcenextraktion (Gt).4 Hochrechnung der Daten
ralische oder organische Rohstoffe (siehe       von 2017 bis 2020
Abbildung 3).
                                                120%
Bisher wird nur ein eher kleiner Teil der
Ressourcen wiederverwendet und in wirt-                            8,9%
schaftliche Kreisläufe zurückgeführt. In        100%
Deutschland sind es im Durchschnitt
12 Prozent, in Europa sowie weltweit liegt      80%
                                                                   52,1%
die Wiederverwertungsquote bei
9 Prozent. Dementsprechend werden
damit heute 91 Prozent der Rohstoffe            60%
direkt aus der Erde entnommen. Je nach
                                                                   10,4%
Rohstoffart sind die heutigen Recycling-        40%                                               Sekundärrohstoffe/zirkulierte Rohstoffe
quoten sehr unterschiedlich. Metalle lassen                        15,5%                          Nicht-metallische Mineralien
sich beispielsweise sehr viel leichter wie-                                                        (Sand, Kies, Ton, etc.)
derverwenden als Polymere.5                     20%                                               Metalle
                                                                   25,2%                          Fossile Brennstoffe
                                                 0%                                              Biomasse

                                                                                                                                                     11
Weg in Richtung Zirkuläre Wirtschaft           Gleichzeitig ändern sich die politischen
Die Zirkuläre Wirtschaft verspricht in mehr-   Rahmenbedingungen, um eine Zirkuläre
facher Hinsicht Vorteile.                      Wirtschaft zu fördern, sowohl auf deut-
                                               scher wie auch auf europäischer Ebene
• Ökonomisch lassen sich die Rohstoff-         (siehe Exkurs). Abbildung 4 zeigt zudem mit
  nachfrage decken und die Importab-           einer Auswahl von europäischen und inter-
  hängigkeit verringern. Wenn weniger          nationalen Regularien die stetig steigenden
  Rohstoffe importiert, dafür aber Sekun-      Anforderungen an Unternehmen auf.
  därrohstoffe lokal aufbereitet werden,
  steigt die inländische Bruttowertschöp-
  fung. Damit einher geht allerdings eine
  Verringerung der Wirtschaftsleistung in
  den bisherigen Lieferländern.                Die Zirkuläre Wirtschaft
• Ökologisch führt dies zu einem geringe-
  ren Ressourceneinsatz und zu potenziell
  geringeren Emissionen. Dabei ist zu
                                               birgt ökonomische und
  beachten, dass auch Transporte und
  Rezyklierungsprozesse Energie und teil-
  weise neue Rohstoffe wie Additive und
                                               ökologische Vorteile und
  Zusatzstoffe benötigen. Das steigende
  Umweltbewusstsein der Konsumenten
  begünstigt die Entwicklung der Zirkulären
                                               eröffnet neue Innovations-
  Wirtschaft.

• Neue Innovationsmöglichkeiten, die
                                               möglichkeiten.
  durch die Zirkuläre Wirtschaft eröffnet
  werden, bieten Raum für neue Geschäfts-
  modelle. Die zunehmende Digitalisierung
  der Lieferketten und der Logistik kann
  beispielsweise das Abfallmanagement
  optimieren, während Predictive Ana-
  lytics Schwachstellen in der Lieferkette
  erkennen und den Ressourceneinsatz
  minimieren kann. In diesem Bereich weist
  Deutschland eine hohe Innovationsfähig-
  keit auf, wie Kapitel 2 zeigt.

12
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Exkurs
Der europäische Rechtsrahmen rund            innerhalb von drei Jahren umgesetzt wer-
um die Zirkuläre Wirtschaft                  den sollen. Der Aktionsplan setzt ambi-
Bislang gibt es weder in Deutschland         tionierte Ziele für das Recycling und die
noch auf EU-Ebene einen vollumfängli-        Verringerung der Deponierungsquoten,
chen institutionellen Rahmen, der eine       allerdings weniger für den Primärroh-
Zirkuläre Wirtschaft regulatorisch unter-    stoffbedarf. Das wäre der nächste Schritt,
stützt. Als zentraler Pfeiler des European   um den europäischen Materialfußab-
Green Deal und der EU-Taxonomie wird         druck zu senken.6
die Zirkuläre Wirtschaft in den nächsten
Jahren vorangetrieben. Der momentane         EU-Taxonomie-Verordnung (2020)
Rahmen umfasst folgende Elemente:            Die EU-Taxonomie-Verordnung 2020/852
                                             definiert erstmals auf europäischer
EU Green Deal                                Ebene, welche Wirtschaftsaktivitäten
Die Weiterentwicklung der europäischen       als ökologisch nachhaltig gelten. Diese
Circular Economy ist eine zentrale Säule     müssen einen signifikanten Beitrag zu
des Green Deal der Europäischen Kom-         einem der sechs definierten Umweltziele
mission mit dem übergeordneten Ziel,         leisten. Eines davon ist der „Übergang
Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.      zu einer Kreislaufwirtschaft“. Ökologisch
Erste Gesetzesvorschläge umfassen die        nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten sollten
Verringerung der Abfalldeponierung           demnach eine Reduktion des Verbrauchs
und die Verbesserung der Wiederver-          natürlicher Ressourcen berücksichtigen –
wertbarkeit von Abfallströmen. Mehrere       sei es durch die Produktgestaltung, eine
EU-Richtlinien setzen den Rahmen für die     geeignete Materialauswahl oder erleich-
Bereiche Verpackungsabfälle, Abfallde-       terte Demontage.
ponien, Elektro- und Elektronik-Altgeräte,
Altfahrzeuge und Batterien. Deutschland      EU-Ökodesign-Richtlinie (2009)
hat die EU-Richtlinien bereits in nationa-   Die EU-Richtlinie 2009/125/EG enthält
les Recht umgesetzt. Der Schwerpunkt         Mindestanforderungen an das umwelt-
liegt auf den Bereichen Kunststoffe und      gerechte Design energieverbrauchs-
Verpackungsabfälle.                          relevanter Produkte. Neben höherer
                                             Energieeffizienz rückt das Produktdesign
Aktionsplan Circular Economy (2015,          (Reparierbarkeit, Langlebigkeit, Nach-
erneuert 2020)                               rüstbarkeit und Rezyklierbarkeit) in den
2020 hat die Europäische Kommission          Fokus. Die Richtlinie wird durch das Ener-
einen neuen Aktionsplan für die Circular     gieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz
Economy vorgestellt. Dieser umfasst sie-     (EVPG) in deutsches Recht umgesetzt.
ben Handlungsfelder mit 35 Maßnahmen         Das erklärte Ziel ist, Energieverbrauch,
für den gesamten Lebenszyklus von Pro-       Materialaufwand und Umweltbelastung
dukten (darunter legislative Maßnahmen,      zu reduzieren.
Verschärfungen bestehender Gesetze,
Mindeststandards und Zielvorgaben), die

                                                                                                                                               13
Abb. 4 – Darstellung regulatorischer Anforderungen im Zeitraum 2009 bis 2022

                                                10/2009
                              EU – Ökodesign-Richtlinie
            Mindestanforderungen an das umweltgerechte
               Produktdesign energieverbrauchsrelevanter
                                               Produkte              09/2011
                                                                     EU – Roadmap to a Resource Efficient Europe
                                                                     Vorschläge für Maßnahmen zur Steigerung der
                                                                     Ressourcenproduktivität und für ein ressourcen-
                                                                     effizientes und nachhaltiges Wachstum

                                               12/2015
            EU – Erster Aktionsplan Circular Economy
          Maßnahmen zur Förderung der Abfallvermeidung
                               und des Kreislaufprinzips

                                                  01/2018            01/2018
                     China – Operation National Sword                Südkorea – Framework Act on Resource Circulation
                    Einführung von Importrestriktionen für           Ansprüche an Zirkularität im Abfallmanagement, u.a.
                                        Abfallmaterialien            durch Recyclingquoten und ein Zertifizierungssystem für
                                                                     Rezyklate

                                                                     11/2018
                                                                     Australien – National Waste Policy
                                                                     Anforderungen an das Abfallmanagement und Aufstel-
                                                01/2019              lung einer Abfallhierarchie
                   Deutschland – Verpackungsgesetz
            Umsetzung der Produzentenverantwortung für
                            Hersteller von Verpackungen

                                                  03/2019            03/2019
                             Indien – Waste Import Ban               EU – Single Use Plastics Directive
                    Einführung von Importrestriktionen für           Verbot der Herstellung von Einwegprodukten aus
                                        Abfallmaterialien            Kunststoff

                                                 01/2020
                             China – Plastiktüten-Verbot
     Verbot von Plastiktüten und anderen Einwegprodukten
                      aus Kunststoff in Läden großer Städte           03/2020
                                                                     EU – Aktionsplan Circular Economy
                                                                     (Legislative) Maßnahmen zur Steigerung der
                                                                     Kreislauffähigkeit im gesamten Lebenszyklus von
                                                                     Produkten
                                                 Heute

                                                                     01/2022
                                                                     EU – Taxonomie-Verordnung
                                                                     „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ als eines der
                                                                     sechs definierten Umweltziele, zu welchen ökologisch
                                                                     nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten beitragen müssen

14
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Die Transformation in Richtung Zirkuläre          Rückgewinnungszyklus zu Materialei-                  Automobil erläutert. Eine Antriebsbat-
Wirtschaft stellt die Unternehmen vor             genschaftsverlusten und womöglich zu                 terie hat zwar geringere Emissionen in
allem in folgenden Bereichen vor Heraus-          einer Anreicherung von unerwünschten                 der Nutzungsphase, aber einen höheren
forderungen.                                      Begleitprodukten. Die verbesserte Leis-              Energie- und Rohstoffeinsatz in der Her-
                                                  tung eines Produktes geht in vielen Fällen           stellung. Synthetische Kraftstoffe haben
• Wettbewerbsfähigkeit: Die Umstellung            einher mit einer zunehmenden Rohstoff-               zwar einen geringeren Emissions- und
  von Produktionsabläufen, die Einfüh-            komplexität im Produktdesign. Die Zer-               Rohstofffußabdruck in der Herstellung,
  rung neuer Materialien und potenziell           legbarkeit oder Rückführbarkeit dieser               da Abfall-CO2 als Rohstoff verwendet
  höhere Preise für Sekundärrohstoffe             Produkte in ihre Ausgangsmaterialien                 wird, aber benötigen sehr viel Energie zur
  sind mit steigenden Kosten verbunden.           wird dadurch häufig erschwert.                       Herstellung. Bio-Kraftstoffe besitzen zwar
  Aktuell sind viele zirkuläre Produkte noch                                                           einen CO2-Bonus bei ihrer Herstellung
  nicht wettbewerbsfähig, da Primär- im          • Regulatorisch: Der regulatorische Rah-              aus nachwachsenden Rohstoffen, den
  Vergleich zu Sekundärrohstoffen häufig           men ändert sich: Steigende CO2-Preise               sie aber häufig durch ein schlechteres
  günstiger sind. Zudem erfordert die              (EU-ETS) und regulatorisch geförderte               Emissionsverhalten bei der Verbren-
  Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmo-            grüne Investitionen können perspekti-               nung, einen hohen Einsatz von landwirt-
  delle hohe initiale Investitionen. Dies          visch bessere Wettbewerbsbedingungen                schaftlicher Nutzfläche und durch lange
  führt zu höheren Preisen für den Endkun-         für die Zirkuläre Wirtschaft schaffen.              Transportwege teils wieder verlieren. Es
  den und erschwert somit die Akzeptanz            Allerdings gibt es auch regulatorische              gilt also immer, die Energie- und Roh-
  solcher Produkte.7 Ein weiteres Hindernis        Hemmnisse, die einer Korrektur bedür-               stoffeffizienz und die Relation zwischen
  ist die mangelnde Finanzierung bezie-            fen – sei es im Abfallrecht, beim Einsatz           Energie- und Rohstoffeinsatz mit den
  hungsweise sind fehlende Anreize zur             von Chemikalien oder beim Nachprodu-                unerwünschten Emissionen in Luft, Was-
  Finanzierung zirkulärer Geschäftsmo-             zieren von Ersatzteilen. Hinzu kommen               ser, Boden und anderen Umwelt- und
  delle, sowohl im öffentlichen als auch im        regulatorische Zielkonflikte. Die aus               Gesellschaftseffekten abzuwägen.
  privaten Sektor.8                                nachvollziehbaren Gründen strengen
                                                   Hygienevorschriften für Lebensmittelver-          Trotz dieser Herausforderungen ist es
• Technologisch-physikalische                      packungen unterstützen beispielsweise             nicht nur dringend geboten, sondern auch
  Grenzen: Die Aufbereitung von Sekun-             nicht das gleichzeitige Bestreben, den            langfristig vielversprechend, das Potenzial
  därrohstoffen kann höhere wirtschaft-            Einsatz von Sekundärrohstoffen zu erhö-           der Zirkulären Wirtschaft zu heben. Eine
  liche und gegebenenfalls sogar höhere            hen. Eine vergleichsweise hohe Besteu-            Vielzahl bereits existierender Geschäfts-
  energetische Aufwände verursachen                erung von Arbeit im Gegensatz zum Ein-            modelle und sonstiger Innovationen kann
  als die Primärrohstoffgewinnung. Es gilt         satz neuer Rohstoffe führt besonders in           diese Entwicklung beschleunigen. Das
  daher, im Einzelfall zwischen Energie- und       Deutschland zu hohen Kosten für die bis-          folgende Kapitel setzt sich mit der Position
  Materialeinsatz einerseits und Rück-             lang häufig arbeitsintensiven Geschäfts-          Deutschlands in der Zirkulären Wirtschaft
  gewinnung aus niedrig konzentrierten             modelle der Zirkulären Wirtschaft. Das ist        auseinander und schätzt das Potenzial
  Stoffströmen andererseits abzuwägen.             beispielsweise in der Wiederaufbereitung          ab, das sich makroökonomisch aus einem
  Zudem sind viele in Deutschland gefer-           von Produkten der Fall.                           höheren Maß an Zirkularität ergibt.
  tigte Produkte für den weltweiten Export
  bestimmt, was die Schließung von Stoff-        • Zielkonflikte: Die Ziele der Zirkulären
  kreisläufen erschwert. All dies stellt viele     Wirtschaft, nämlich eine höhere Stoffin-
  Produktionszweige vor Zielkonflikte. Auch        tensität, eine bessere stoffliche Nutzung
  fehlen häufig Standards und Normen               und Wiederverwertung, sind häufig
  für die Qualitäts- und Materialeigen-            kongruent mit den Zielen einer höhe-
  schaften der Sekundärrohstoffe, um die           ren Energieeffizienz und dem Einsatz
  gewünschten Leistungseigenschaften               erneuerbarer Energien. Allerdings kön-
  der Rezyklate zu garantieren. Bei einigen        nen sich auch Konflikte zwischen diesen
  Materialien, wie beispielsweise Papier           und weiteren umweltpolitischen Zielen
  oder Kunststoffen, führt jeder zusätzliche       ergeben. Diese seien kurz am Beispiel

                                                                                                                                                    15
Potenziale der
Zirkulären Wirtschaft für
den Industriestandort                                                                  CO

Deutschland
Die Zirkuläre Wirtschaft steht noch am Anfang. Entsprechend
liegen Abschätzungen zu ihren volkswirtschaftlichen Effekten
erst in Ansätzen vor. Ein klareres Bild entsteht mithilfe
der für diese Studie durchgeführten makroökonomischen
Potenzialanalysen, die die Auswirkungen auf Wertschöpfung,
Beschäftigung, Importabhängigkeit, Ressourcenverbrauch
und Treibhausgase in den Fokus nehmen. Diese Analyse setzt
methodisch auf zwei Grundlagen auf.

In einem ersten Schritt wurden ausge-      ermittelten Werte wurden in einem zwei-
wählte Experten9 aus Verbänden und         ten Schritt in ein globales makroökonomi-
Unternehmen mittels eines Online-          sches Input-Output-Modell eingespeist,
Surveys befragt, wie hoch sie das Sub-     um zu simulieren, welche makroökonomi-
stitutionspotenzial der wichtigsten        schen Effekte, aber auch welche Effekte
Primärrohstoffe durch rezyklierte Sekun-   auf Rohstoffverbräuche und Emissionen
därrohstoffe bis 2030 einschätzen. Die     zu erwarten sind.

16
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

O2

                                                                                            17
Vorgehensweise und Annahmen der                • Der Fokus der Analyse liegt auf der Subs-     von Sekundärrohstoffen. Dies liegt an tech-
makroökonomischen Potenzialanalyse               titution von Primär- durch Sekundärroh-       nologischen, aber auch an den ökonomi-
• Die Input-Output-Rechnung ist ein Teil         stoffe und berücksichtigt keine weiteren      schen Grenzen der Substituierbarkeit.
  der volkswirtschaftlichen Gesamtrech-          Aspekte der Zirkulären Wirtschaft, insbe-
  nung. Sie stellt die Verflechtung der          sondere geringeren Materialeinsatz und        Um ein realistisches Bild der Möglichkeiten
  Sektoren einer Volkswirtschaft (163 in         längere Lebensdauer.                          der Substituierbarkeit in einer längerfris-
  diesem Modell) in monetären Einheiten                                                        tigen Perspektive zu erhalten, haben die
  dar und erlaubt die Analyse von Wechsel-     • Modellannahmen: gleiche Preise für            befragten Verbandsexperten eine untere
  wirkungen zwischen Sektoren sowohl im          jeweilige Primär- und Sekundärrohstoffe,      und eine obere Grenze der Substituierbar-
  In- als auch im Ausland.                       Substitution der verringerten Importe         keit für die einzelnen Rohstoffe bis 2030
                                                 durch in Deutschland recycelte Sekun-         angegeben. Da der Fokus auf dem Potenzial
• Für die vorliegende Input-Output-Analyse       därrohstoffe.10                               der Zirkulären Wirtschaft liegt, basieren
  wurde den Experteneinschätzungen                                                             die Schätzungen des makroökonomischen
  folgend das Einsatzverhältnis der Sekto-     Experteneinschätzung zur Substituier-           Potenzials auf dem Durchschnitt der oberen
  ren für Primär- und Sekundärrohstoffe        barkeit von Rohstoffen                          Grenze. Abbildung 5 zeigt die heutige statis-
  variiert. Grundlage dafür war ein erwei-     Im Rahmen der Studie werden zehn Roh-           tische Substitutionsquote für die einzelnen
  tertes Input-Output-Modell (EXIOBASE).       stoffe betrachtet, die für den Großteil des     Rohstoffe, also das Verhältnis der sekun-
  Weitergehend wurden die Emissionen auf       durch die Produktion in Deutschland indu-       dären Rohstoffe zum gesamten Rohstoffver-
  sektoraler Ebene ebenfalls mittels des       zierten Rohstoffverbrauchs verantwortlich       brauch, sowie die obere Grenze der mög-
  EXIOBASE-Modells ermittelt.                  sind. Dazu gehören Stahl, Blei, Kupfer, Alu-    lichen Substituierbarkeit bis 2030 laut der
                                               minium, sonstige Nichteisenmetalle, Papier,     Expertenschätzung. Demnach könnte bis
                                               Glas, Kunststoffe, Baustoffe und Holz. Offen-   2030 die Substitutionsquote beispielsweise
                                               sichtlich unterscheidet sich die Möglichkeit    bei Stahl von 44 auf 58 Prozent steigen und
                                               erheblich, diese durch Sekundärrohstoffe        bei Aluminium von 53 auf 72 Prozent.
                                               zu ersetzen, ebenso wie der heutige Einsatz

Abb. 5 – Einsatzquoten von Sekundärrohstoffen in Deutschland (in Prozent)11.
Wesentliche Stoffarten heute und im Szenario 2030

     Stahl        Blei        Kupfer         Alumi-        Nicht-        Papier         Glas     Kunststoffe Baustoffe              Holz
                                             nium          eisen

80                 83                                                      83

70                 75                                                      75
                                               72

60
                                                             62
                                                                                         60
      58
50                              53             53            53
                                                                                                                                    48
40    44                                                                                 45
                                42
                                                                                                                     38
                                                                                                       36
30
                                                                                                                                    33

20

10                                                                                                     14            13

 0

              Status quo    Potenzial 2030
18
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Abb. 6 – Makroökonomische Effekte einer stärker Zirkulären Wirtschaft in
Deutschland (Nettoeffekt)12

    +177 Tsd. bis 2030
                          +12 Mrd. € pro Jahr

        +106 Tsd.
                               +7 Mrd. €

        +71 Tsd.               +5 Mrd. €

                                                           Indirekter Effekt
                                                            Direkter Effekt
     Beschäftigung       Bruttowertschöpfung

Makroökonomische Chancen der                    Die erhöhte Wertschöpfung in Deutsch-
Zirkulären Wirtschaft für Deutschland           land hat auch Effekte auf die inländische
Die volkswirtschaftlichen Effekte, die          Beschäftigung. Die Umstellung würde zu
eine solche Umstellung nach sich zieht,         rund 180.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen
sind substanziell (siehe Abbildung 6). Die      in Deutschland führen. Auch hier müssen
Bruttowertschöpfung in der deutschen            direkte und indirekte Effekte unterschie-
Wirtschaft würde um circa 12 Milliarden         den werden. Letztere haben sogar einen
Euro steigen. Dabei müssen direkte und          größeren Anteil.
indirekte Effekte unterschieden werden.
Erstere betragen fünf Milliarden Euro und       Sowohl bei der Bruttowertschöpfung als
umfassen die erhöhte Wertschöpfung in           auch bei der Beschäftigung handelt es
den Recyclingindustrien. Die indirekten         sich um Nettoeffekte für Deutschland.
Effekte betragen sieben Milliarden Euro         Eventuell wegfallende Wertschöpfung und
und beziehen sich auf vor- und nachge-          Beschäftigung, die sich durch die Verschie-
lagerte Branchen, wie zum Beispiel den          bung von Importen hin zu Aufbereitung
Einfluss einer erhöhten Nachfrage nach          ergeben, sind berücksichtigt. Der Effekt
Transportdienstleistungen. Die Effekte auf      wäre sogar noch höher, wenn sogenannte
die Bruttowertschöpfung sind dabei nicht        induzierte Effekte berücksichtigt werden,
einmalig, sondern fallen jedes Jahr aufs        die die zusätzliche Kaufkraft der neuen
Neue an. Schließlich werden Importe per-        Beschäftigung einbeziehen.
manent ersetzt.

                                                                                                                                                  19
Abb. 7 – Importquoten von Primärrohstoffen in Deutschland nach Stoffströmen heute und im Szenario 203013

100%
            -7 PP

          86%

 80%            79%
                        -18 PP       -10 PP
                                                  -19 PP
                       68%          68%
                                                 66%
                                                              -21 PP
 60%                                      58%
                                                             56%
                             50%
                                                       47%
                                                                          -11 PP

 40%                                                                     38%
                                                                   35%

                                                                               27%
                                                                                      -14 PP
 20%                                                                                                  -7 PP
                                                                                     22%                          -5 PP
                                                                                                    12%                       -4 PP
                                                                                            8%                  7%
                                                                                                          5%                5%
                                                                                                                     2%          1%
     0%
           Sonstige Aluminium         Kupfer       Glas         Blei       Stahl        Holz          Papier    Baustoffe   Kunststoff
          Nichteisen-
            metalle

             Heute        Szenario 2030

Gleichzeitig wird die deutsche Wirtschaft       Insofern sind die makroökonomischen            hergestellt wird und insgesamt weniger
je nach dem Substitutionspotenzial der          Effekte insgesamt positiv, eine stärker        Rohstoffimporte benötigt werden. Dies
einzelnen Rohstoffe weniger importabhän-        zirkuläre Wirtschaft steigert Wertschöp-       hat auch positive Auswirkungen auf den
gig. Dieser Effekt ist bei einigen Rohstoffen   fung und Beschäftigung und senkt die           Rohstoffverbrauch und den Ausstoß von
erheblich. Für Aluminium, Glas und Blei         Importabhängigkeit. Letzteres ändert           Treibhausgasen insgesamt.
sinkt die Importabhängigkeit jeweils um         nichts daran, dass weiterhin Rohstoffe
circa 20 Prozentpunkte.14 Bei Rohstoffen        importiert werden müssen. Eine völlige
wie Holz, Papier, Baustoffen und Kunst-         Entkopplung von Wirtschaftswachstum
stoffen, bei denen die Importe eine ver-        und Ressourcen ist angesichts der techno-
gleichsweise geringe Rolle spielen, kann        logischen Grenzen in absehbarer Zukunft
die Abhängigkeit auf die Hälfte reduziert       nicht möglich. Allerdings werden die Roh-
werden, in manchen Fällen sogar um mehr         stoffe besser und mehrfach verwertet,
als zwei Drittel (siehe Abbildung 7).           sodass ein höherer Anteil in Deutschland

20
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Ökologische Effekte einer stärker              der Effekt auf den Ausstoß von Treibhaus-
zirkulären Wirtschaft                          gasen. Weniger Rohstoffimporte bedeuten
Eine höhere Wiederverwendung sekun-            in der Regel auch weniger CO2-Emissionen,
därer Ressourcen verringert den primä-         die unter anderem durch den Abbau und
ren Ressourcenverbrauch und die damit          den Transport der Rohstoffe entstehen.
verbundenen Importe. Auch diese Effekte        Eine Zirkuläre Wirtschaft kann damit die
lassen sich mit der Input-Output-Analyse       Treibhausgasemissionen merklich senken.
abbilden. Dabei wird ein beträchtlicher        Die Nettoeinsparung in diesem Modell
jährlicher Rückgang deutlich. Abbildung 8      beträgt 5,5 Millionen Tonnen CO2e pro
zeigt, dass der Ressourcenverbrauch je         Jahr.15
nach Rohstoffgruppe zwischen 8,7 Millio-
nen Tonnen (Metallerze) und 1 Million Ton-
nen (Holz) abnimmt. Genauso wichtig ist

Abb. 8 – Verminderter Primärrohstoffbedarf und Emissionsminderung durch eine
Zirkuläre Wirtschaft in Deutschland (pro Jahr)16

-9      -8,7 Mio. t

-8

-7

-6
                                                                           -5,5 Mio. t CO2e

-5                       -4,7 Mio. t

-4                                        -3,9 Mio. t

-3

-2

                                                           -1 Mio. t
-1

 0
        Metallerze    Nichtmetallische      Fossile          Holz           Greenhouse
                         Mineralien      Energieträger                         Gases

                                                                                                                                                 21
In einer rein nationalen Betrachtung hat        blick auf die Treibhausgasemissionen            Potenzial in der Transformation zur
die positive Netto-Treibhausgasbilanz           sehen wir damit einen positiven Netto-          Zirkulären Wirtschaft steckt. Wie diese
allerdings auch eine Kehrseite (siehe           Gesamteffekt. Die Senkung der Treibhaus-        Transformation gelingen kann und welche
Abbildung 9). Die Einsparungen kommen           gasemissionen ist im globalen Kontext           Herausforderungen sich für Unternehmen
in der gesamten Lieferkette zustande, bei-      deutlich höher als die zusätzlichen Emissi-     dabei ergeben, wird im folgenden Kapitel
spielsweise, indem weniger Metallerze oder      onen in Deutschland. Für die Betrachtung        aufgezeigt.
Mineralien im Ausland abgebaut und nach         rein nationaler Klimaziele stellt sich dieser
Deutschland gebracht werden. In diesem          Zusammenhang allerdings als nachteilig
Modell beträgt dieser Effekt 14,4 Millionen     für die Landesbilanz dar. Für die globale
Tonnen CO2e. In Deutschland finden aber         Emissionsbilanz zeigt sich jedoch ein enor-
durch die stärker zirkuläre Wirtschaft          mer positiver Effekt.
mehr Recycling und Aufbereitung statt,
womit die Treibhausgasemissionen um             Die Ergebnisse des makroökonomischen
fast 9 Millionen Tonnen steigen. Im Hin-        Modells zeigen bereits, welch enormes

Abb. 9 – Umwelteffekte einer stärker zirkulären Wirtschaft pro Jahr nach Region:
Treibhausgase17

                                                                                                    +8,9 Mio. t CO2e

                                   -14,4 Mio. t CO2e

                                                             -5,5 Mio. t CO2e

15                        10                           5                           0                          5                      10

     Deutschland     Ausland       Nettoeffekt

22
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Die Zirkuläre Wirtschaft
führt zu positiven
Wertschöpfungs- und
Beschäftigungseffekten für
den Standort Deutschland.

                                                                                                  23
Befähigung der
Zirkulären Wirtschaft –
Herausforderungen und
Best Practices
Technologische und unternehmerische Innovationen sind
ein zentraler Hebel dafür, die Komplexität der Zirkulären
Wirtschaft beherrschbar zu machen und diese im Markt
einzuführen. Zum einen geht es um neuartige Technologien,
zum anderen sind Innovationen in den Organisationen
beziehungsweise in ihren Geschäftsmodellen notwendig.
Beide Felder sind Voraussetzung dafür, dass Unternehmen
die Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Zirkularität
erfolgreich meistern und die Transformation gelingt.

24
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

                                                                                       25
Zirkuläre Innovationsfähigkeit                Abb. 10 – Anzahl der Patente im Zusammenhang mit Recycling und Sekundär-
Deutschlands                                  rohstoffen im internationalen Vergleich (Summe 2000–2016)20
Im Bereich der technologischen Innovation
ist die Wettbewerbs- und Innovationsfä-
higkeit des Industriestandorts Deutsch-                       China                                               30.353
lands hoch.18 Im europäischen Vergleich ist
Deutschland bei den Patentanmeldungen                         Japan                               16.419
im Bereich Recycling und Sekundärstoffe
mit mehr als einem Drittel der europäischen               Südkorea                        8.559
Patente führend (siehe Abbildung 10).19
Allerdings müssen zwei Einschränkungen            Vereinigte Staaten             2.571
gemacht werden. Zum einen hat die Dyna-
mik der deutschen Patentanmeldungen
                                                       Deutschland           1.752
nachgelassen. Zum anderen zeigt das
globale Bild, dass die asiatischen Volks-
                                                         Frankreich        663
wirtschaften bei der Anzahl der Patente
führend sind. China, Japan und Südkorea
haben hier einen großen Vorsprung.            Vereinigtes Königreich       360

Die technologischen Voraussetzungen des                                0                 10.000     20.000    30.000
Industriestandorts Deutschland sind damit
für die Transformation zur Zirkulären Wirt-
schaft gegeben, wenn auch diese im globa-
len Vergleich noch ausbaufähig sind.

26
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Ziel der Zirkulären Wirtschaft ist es, den     Bedarfs sind typische Beispiele für Pro-
Einsatz von Primärrohstoffen zu minimie-       dukte, die nach ihrer Nutzung kaum noch
ren. Das gelingt nur, wenn man die einge-      stofflich aufgefangen und wiederverwertet
setzten Rohstoffe möglichst unbegrenzt         werden können. Lediglich Klärschlämme
im Kreis führt und Stoffverluste vermeidet.    und Filterstäube eignen sich gegebenen-
Letzteres bedeutet, dass man möglichst         falls noch für eine stoffliche Verwertung
keine Stoffe verbrennen oder deponie-          (zum Beispiel Phosphorrückgewinnung aus
ren oder gar unkontrolliert in die Umwelt      Klärschlamm).
abgeben sollte, da diese ansonsten unwie-
derbringlich verloren sind und durch neue      Somit wird aufgrund von Wirtschafts-
Primärrohstoffe ersetzt werden müssen.         wachstum und Stoffverlusten durch
                                               Abwasser und Abgase auch in einer Zirku-
Man wird ein zirkuläres Wirtschaftssystem      lären Wirtschaft weiterhin der Einsatz eines
jedoch nie vollständig schließen können        spezifischen Anteils (15–50 Prozent je nach
und vor allem erfordern Wirtschafts- und       Stoff und Anwendung)21 an Primärrohstof-
Konsumwachstum weiterhin einen ent-            fen notwendig sein.
sprechenden Einsatz primärer Rohstoffe.
Einen Ausweg weisen könnten hier neue          Um den primären Rohstoffeinsatz im
Nutzungskonzepte, digitale Substitute          Rahmen einer Zirkulären Wirtschaft zu
oder sonstige Alternativen. Zu beachten        verringern, bieten sich drei grundsätzliche
ist ferner, dass manche Stoffe wie Beton       Produktdesign- und/oder Geschäftsmodell-
und Stahl enorm lange Verweilzeiten in der     innovationshebel an:
Anwendung haben können. Daher kann
auch dieser Speichereffekt weiterhin den       1. S
                                                   toffintensität und/oder Stoffeinsatz in
Einsatz von Primärrohstoffen erforderlich         der Produktion reduzieren
machen.
                                               2. S
                                                   toffnutzung durch höhere Langlebigkeit
Der wesentliche Grund, warum Rohstoffe            und/oder Nutzenintensität maximieren
verloren gehen, ist vor allem dort gegeben,
wo die Produkte nach der Nutzung nicht         3. S
                                                   toffe nach der Produktnutzungsphase
mehr als feste Werk-, Roh- oder Abfallstoffe      wiederverwerten
aufgefangen werden können, sondern
mehr oder weniger unkontrolliert in Abwäs-     Die Schlüssel zu einer erfolgreichen Zirkulä-
sern oder Abgasen den Stoffkreislauf           ren Wirtschaft sind ein zirkuläres Produkt-
verlassen. Wasch- und Reinigungsmittel,        design und/oder ein innovatives Geschäfts-
Kosmetika, Pflegeprodukte, Toilettenartikel,   modell, welches die Anforderungen an
Arzneimittel, Futter- oder Lebensmittelzu-     Nutzung, Herstellung und Distribution
satzstoffe, Dünge- oder Pflanzenschutzmit-     sowie Sammlung und Wiederverwertung
tel und viele andere Produkte des täglichen    berücksichtigt und gesamthaft optimiert.

Innovative Geschäftsmodelle und
zirkuläres Produktdesign sind
zentrale Faktoren, um eine Zirkuläre
Wirtschaft zu befähigen.
                                                                                                                                                  27
1. Stoffintensität und/oder Stoffeinsatz        wurde, hat einen großen Einfluss auf die         Anforderungen an Mobilität, Wohnen,
in der Produktion reduzieren                    Ressourcenintensität. So kann schon durch        Kommunikation, Ernährung und Gesund-
Die Stoffintensität, das heißt den spezi-       die Verfahrens- und Lieferantenauswahl           heit und damit auch an die Produkte und
fischen Rohstoffeinsatz zu reduzieren,          häufig eine deutlich verbesserte Rohstoff-       Dienstleistungen, die sie konsumieren.
ist eine sehr direkte und wirksame Maß-         effizienz realisiert werden.
nahme. Leichtbau ist ein typisches Beispiel,                                                     Vielversprechend ist hier das intensivere
wie der Material- und in der Regel auch         Bei den sekundären Rohstoffen gilt es aber       Nutzen von Produkten, indem man sie mit
der Energieeinsatz deutlich reduziert und       immer, die Gesamteffizienz im Auge zu            Gleichgesinnten teilt (zum Beispiel Car-
häufig dabei auch die Leistung in der Nut-      behalten. Theoretisch sind kleine, lokale        Sharing) oder Produkte mit einem Mehr-
zungsphase noch erhöht werden können.           Produktkreisläufe vorzuziehen, in denen          fachnutzen konstruiert. Dieser Mehrfach-
Das gilt besonders für mobile Anwendun-         die werkstofflichen Eigenschaften mög-           nutzen kann gleichzeitig oder gestaffelt
gen (zum Beispiel Fahrzeugbau, Laptops,         lichst einfach erhalten bleiben. In der Praxis   vorliegen. Ein Beispiel hierfür sind Antriebs-
Sportgeräte) und bewegte Produktteile           ist das aber häufig schwierig zu erreichen,      batterien für Elektrofahrzeuge. Neben
(zum Beispiel Windräder, Haushaltsgeräte,       weil Sammel-, Trenn- und Sortierprozesse         ihrem Hauptnutzen im Antrieb von Fahr-
Medizintechnik, Verpackungen, kompakte          zu aufwendig, räumliche Entfernungen             zeugen können sie in einer weiteren Nut-
Konsumgüter).                                   zu groß sind und eine kritische Masse an         zungsphase als Energiespeicher für lokale
                                                Sekundärrohstoffen nicht erreicht werden         Energieerzeugung oder Spitzenlastpuffer in
Eine weitere, sehr direkt wirkende Maß-         kann.                                            einem smarten Stromgrid dienen.
nahme ist das Vermeiden oder zumindest
Reduzieren von Produktionsabfällen, zum         2. Stoffnutzung durch höhere Langle-             3. Stoffe nach endgültigem Gebrauch
Beispiel durch 3D-Druck statt klassischen       bigkeit und/oder Nutzenintensität                wiederverwerten
materialabtragenden Verfahren. Wenn das         maximieren                                       Nach der Nutzungsphase geht es vor allem
aufgrund von Stückzahl, Produktgröße            Höhere Langlebigkeit ist der naheliegende        um eine stoffliche Wiederverwertung. Ziel
oder aus anderen Gründen nicht möglich          Aspekt, um die Nutzungsphase von Pro-            ist es, die werkstofflichen Eigenschaften
ist, sollten die Produktionsabfälle wieder      dukten zu verlängern, den Zeitpunkt für          des Produkts bzw. seiner Komponenten so
möglichst direkt in die Produktion zurück-      einen Produktneukauf nach hinten zu              weit wie möglich und sinnvoll zu erhalten
geführt werden (zum Beispiel Wiederver-         verschieben und so auch den Stoffeinsatz         (zum Beispiel Sekundärmetalle, Glas, Papier
wendung von Carbonfasern bei der Fahr-          zu reduzieren. Das lässt sich vor allem          und Pappe, gemischte oder sortierte
zeugherstellung). Hier ist meist auch eine      durch den Einsatz haltbarerer Materialien        Kunststoffe = Regranulate wie bei Recycling
hohe stoffliche Homogenität gegeben.            und Produktkonstruktionen erreichen und          von PET-Flaschen).
                                                durch eine leichtere Reparier- und Aus-
Bei der Auswahl des Stoffeinsatzes und          tauschbarkeit von defekten Teilen unter-         In vielen Fällen ist das aber nicht möglich
der Lieferanten sollte man auch die Res-        stützen. Dem Einwand, dass dann zuneh-           oder nicht sinnvoll, dann kommt ein roh-
sourceneffizienz des zugekauften Stoffes        mend veraltete Produkte in Gebrauch sind,        stoffliches Recycling zum Einsatz, wobei
und des Lieferanten im Blick behalten und       lässt sich dadurch begegnen, dass man            man durch Hydrolyse oder Solvolyse die
bewerten. Neben der grundsätzlichen             eine „Updatebarkeit“ auf den aktuellen           Monomerstruktur erhält (zum Beispiel
Unterscheidung zwischen primären und            Stand der Technik vorsieht, gegebenen-           Polyamid 6 und Glasfaserrecycling) oder
sekundären Rohstoffen gilt es, weitere          falls auch digital (zum Beispiel „Over the       durch Hydrierung oder Vergasung wieder
Unterschiede je nach Lieferquelle und           Air“-Updates und Dienste von Mobilitäts-         Chemierohstoffe für neue Kunststoffe
Lieferant zu beachten. Wie bei den sehr         anbietern).                                      gewinnt (zum Beispiel Chemcycling).
unterschiedlichen Treibhausgasfußabdrü-
cken sind auch die Rohstoffeinsätze häufig      Teils ist aber auch das Interesse der Her-       Falls sich auch dies nicht als sinnvoll
sehr verschieden. Ob Lithium bergmän-           steller und der Kunden an langlebigen Pro-       erweist, ist die stoffliche Abfallverwertung
nisch in China oder in Australien abgebaut      dukten gering. Ein Grund hierfür ist, dass       eine weitere Option, die Stoffe im Kreislauf
wird oder aus Salaren (Salzwüsten) in           sich materielle Bedürfnisse mit der Zeit ver-    zu halten (zum Beispiel Abfallpyrolyse und
Lateinamerika stammt, ob ein Titandio-          ändern und Produkte nicht nur die Grund-         grüner Wasserstoff). Aus grünem Synthe-
xid-Weißpigment je nach Ausgangserz nach        bedürfnisse, sondern auch gesellschaftli-        segas kann man dann direkt oder über
dem Sulfat- oder Chloridverfahren herge-        che Stellung, Ansprüche und vor allem das        grünes Methanol wieder Chemierohstoffe
stellt wird oder ob ein Kunststoff aus Kohle,   jeweilige Alter widerspiegeln. 20-, 40- oder     herstellen.
Erdöl, Erdgas oder Biomasse hergestellt         60-Jährige haben heute unterschiedliche

28
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Innovation in zirkulären Geschäfts-
modellen
Um das makroökonomische Potenzial der
Zirkulären Wirtschaft zu heben, braucht es
eine Produktdesign- und/oder Geschäfts-
modellinnovation, die grundsätzlich die
Herstellung und Distribution, die Nutzung
sowie die Sammlung und Wiederverwer-
tung von (Roh-)Stoffen auf den Prüfstand
stellt (siehe Abbildung 11).

Abb. 11 – Zirkuläre Wirtschaft und Produktlebenszyklus (schematisch)

                                                        Nutzung

                                             Stoffnutzung                                                   Stoffverluste
                                             · Langlebigkeit                                               · Energetische Verwertung
                                               (haltbar, reparierbar, updatebar)                           · Beseitigung/Deponierung
     Kunden                                  · Nutzenintensität                                            · Unkontrollierter Verbleib
                                               (Mehrfach- oder Zweitnutzen)                                  in Umwelt

                                                  Produktdesign/
                                                  Geschäftsmodell

                                     Herstellung/                        Sammlung/
                                     Distribution                     Wiederverwertung

                              Stoffintensität und -einsatz         Stoffliche Wiederverwertung
                              · Materialbedarf                   · Werkstofflich
                              · Produktionsabfälle               · Rohstofflich
                              · Einsatz sekundärer/              · Stoffliche Abfallverwertung
  Unternehmen                   zirkulärer Einsatzstoffe

                                   Primärrohstoffe

   Lieferanten

   Verringerung durch Zirkuläre Wirtschaft

                                                                                                                                              29
Ein ganz wesentlicher Treiber ist der         es zu vermeiden und die entsprechenden      vor, in dem die Aktivitäten beschrieben
Aktionsplan der Europäischen Union zur        Stoffströme in hochwertige Sekundärres-     sind, die wesentlich zu einer Zirkulären
Umsetzung der Zirkulären Wirtschaft. Er ist   sourcen umzuwandeln. Funktionierende        Wirtschaft beitragen können. Dafür wur-
Bestandteil des Green Deal und beabsich-      Sekundärrohstoffmärkte sollen aufgebaut,    den neun „Rs“ definiert, von denen zwei
tigt u. a. die Einschränkung des einmaligen   Abfallexporte außerhalb der EU minimiert    Drittel die Nutzung der Produkte betreffen
Gebrauchs (zum Beispiel Single-Use Plastic    und illegale Exporte bekämpft werden. Die   (siehe Abbildung 12).
und Überverpackungsverbote). Abfälle gilt     EU schlägt ein System mit 14 Kategorien

Abb. 12 – EU-Kategorisierungssystem für eine Zirkuläre Wirtschaft22

     1

Nutzung                                                                                                                       1
R2 Rethink
Intensivierung der Produktnutzung (z.B. durch Product-as-a-                                                               Nutzung
Service, Wiedernutzung und Sharing-Modelle oder mittels der
Markteinführung multifunktionaler Produkte).
R4 Reuse
Die Wiederbenutzung eines Produktes, das sich in noch gutem
Zustand befindet und seine ursprüngliche Funktion erfüllt (und
kein Abfallprodukt ist), für denselben Grund, für den es
ursprünglich gedacht war.
R5 Repair
Reparatur und Wartung von defekten Produkten, damit diese ihre
ursprüngliche Funktion wieder erfüllen können.                                                                     Produktdesign/
R6 Refurbish
                                                                                                                   Geschäftsmodell
Wiederherstellen eines Produktes auf einen Stand, der
Up-to-Date ist (bzgl. eines bestimmten Qualitätslevels).
                                                                                           3
R7 Remanufacture
Nutzung von Einzelteilen eines verworfenen Produkts für neue
                                                                                     Herstellung/
Produkte mit derselben Funktion (um diese in einen neuwertigen
                                                                                     Distribution
Zustand zu versetzen).
R8 Repurpose
Nutzung eines nicht mehr benötigten Produkts oder seiner
Einzelteile für neue Produkte mit anderen Funktionen.

30
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland

Die stoffliche Abfall- oder Rückstandsver-     Zirkuläres Produktdesign- und/oder zir-
wertung wurde explizit unter R9 als Teil der   kuläre Geschäftsmodellinnovation sollten
Zirkulären Wirtschaft zur Schließung von       Stoffintensität und -einsatz, -nutzung und
Stoffströmen einbezogen. Dadurch ist die       -wiederverwertung abwägen und optimie-
große Menge an Haus- und Industriemüll         ren. Die folgenden Beispiele illustrieren
jetzt explizit als stoffliche Sekundärroh-     existierende zirkuläre Strategien.
stoffquelle akzeptiert.

                                                  2

                                               Sammlung/Wiederverwertung
                                               R9 Recycle
                                               Wiedererlangen von Materialien aus Abfallprodukten, die zu
                                               neuen Produkten, Materialien oder Substanzen aufgearbeitet
                                               werden, um entweder dem ursprünglichen Nutzen zu entspre-
                                               chen oder einem anderen. Es beinhaltet die Wiederaufarbeitung
                                               von organischen Materialien, berücksichtigt jedoch keine
                                               Energierückgewinnung oder die Weiterverarbeitung von Materia-
                                               lien, die als Brennstoffe oder für Verfüllungen genutzt werden.

            2                                     3

      Sammlung/                                Herstellung/Distribution
        Wieder-                                R1 Refuse
      verwertung                               Ein Produkt überflüssig machen, indem seine Funktion eingestellt
                                               wird oder selbige mittels eines anderen Produkts oder Services
                                               angeboten wird (zum Beispiel digital).
                                               R3 Reduce
                                               Steigerung der Effizienz eines Produkts oder Materials, indem
                                               weniger natürliche Ressourcen aufgebracht werden müssen.

                                                                                                                                                 31
R9       Recycle

     Apple – iPhone 12                          materialien bestehen aus Faserstoffen,
     Industrie: Consumer Products/              davon sind 73 Prozent Sekundärma-
     Hard- und Softwareentwicklung              terialien. Um den Ressourceneinsatz
                                                weiter zu verringern, setzt Apple
     Auf dem Weg zur Klimaneutralität stellt    Technologielösungen ein. Mittels des
     Apple seine Produkte zunehmend             Recycling-Programms „Apple Trade In“,
     aus Sekundärmaterialien her. Bei-          bei dem Kunden ihre Altgeräte in Zah-
     spielsweise stammen 99 Prozent des         lung oder zum Recycling geben können,
     im iPhone 12 verarbeiteten Wolframs        setzt Apple unter Verwendung eines
     sowie 98 Prozent der verwendeten sel-      Demontage-Roboters auf innovative
     tenen Erden aus recycelten Materialien.    Technologien. Mit dessen Hilfe gelingt
     Zudem werden 35 Prozent der ver-           es, hochwertige Materialien wie Seltene
     wendeten Kunststoffe aus Sekundär-         Erden und Wolfram wiederzuerlangen
     materialien gewonnen. Recycling spielt     und diese zurück in den Produktions-
     genauso bei der Produktdistribution        prozess zu bringen.
     eine Rolle: 93 Prozent der Verpackungs-

                   Quelle: https://www.apple.com/environment/pdf/products/iphone/iPhone_12_PER_Oct2020.pdf

 R9      Recycle

     Audi – Aluminium Closed Loop               Die Zulieferer benötigen für die Her-
     Industrie: Automotive                      stellung der Aluminiumbleche weniger
                                                Primäraluminium. Außerdem fallen bei
     2017 initiierte Audi den sogenannten       der Produktion von sekundärem Alumi-
     „Aluminium Closed Loop“. Mit dem Kon-      nium weniger CO2-Emissionen an. Der
     zept führt das Automotive-Unterneh-        gesamte Energieaufwand sinkt dadurch
     men den Werkstoff in einem Recycling-      erheblich. Auch werden die Zulieferer
     ­kreislauf. Anfallende Materialausson-     resilienter gegenüber Marktschwankun-
      derungen können so sortenrein an die      gen. Der Aluminiumkreislauf ist derzeit in
      Lieferanten zurückgegeben werden,         sieben Baureihen integriert.
      um aus den rezyklierten Materialien
      hochwertiges sekundäres Aluminium zu
      produzieren.

                   Quelle: Experteninterview sowie
                            https://www.volkswagenag.com/de/news/2020/06/Aluminium_Closed_Loop.html

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