Zirkuläre Wirtschaft Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland - Deloitte
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Vorwort 05 Konzept der Zirkulären Wirtschaft 06 Potenziale der Zirkulären Wirtschaft für den Industriestandort Deutschland 16 Befähigung der Zirkulären Wirtschaft – Herausforderungen und Best Practices 24 Implikationen für Unternehmen und Politik 39 Ansprechpartner 42 03
Zirkuläre Wirtschaft wird künftig einen zentralen Bestandteil der erfolgreichen Unternehmensführung darstellen. 04
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Vorwort Wie lassen sich Wachstum und Ressour- ausgerichtete Unternehmensstrategien. cenverbrauch entkoppeln? Und wie kann es Die Transformation muss allerdings immer gelingen, bisher lineare Geschäftsmodelle die industrielle Wettbewerbsfähigkeit des weiterzuentwickeln? Mit diesen zentralen Standorts Deutschland berücksichtigen. In Fragen beschäftigt sich das Konzept der diesem Prozess steckt ein enormes Poten- Zirkulären Wirtschaft und gewinnt immer zial, Deutschland zum globalen Leitanbieter stärker an Bedeutung in Politik und Wirt- neuer Technologien zu entwickeln, die eine schaft. Es ist zentral für künftige Unterneh- wirtschaftliche Wiederverwertung von Roh- Holger Lösch menstrategien und zudem Kernelement stoffen ermöglichen und die Abhängigkeit Stellv. Hauptgeschäftsführer BDI des Green Deal der Europäischen Union. von Importen reduzieren. Zirkuläre Wirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zum effizienten Einsatz von Res- Neben den Voraussetzungen, die die Wirt- sourcen und zur Bekämpfung des Klima- schaft mit dem Aufbau von entsprechen- wandels leisten. Damit ist aber auch klar, den zirkulären Ökosystemen schaffen kann, dass dieses Modell nicht national isoliert hängt der Erfolg aber auch entscheidend betrachtet werden kann. Schließlich beein- von den geeigneten politischen Rahmen- flussen globale Lieferketten und Absatz- bedingungen ab. Auch hier wird ein natio- märkte die Chancen, einen möglichst naler Rahmen nicht ausreichen. Mit dem geschlossenen Kreislauf herzustellen. Green Deal hat die EU einen großen Schritt Dr. Thomas Schiller getan und in ihrem Aktionsplan „Circular Managing Partner Clients & Industries, In dieser Studie betrachten wir die Chan- Economy“ zahlreiche konkrete Instrumente Deloitte cen und Herausforderungen der Zirku- vorgeschlagen. Es wird darauf ankommen, lären Wirtschaft und zeigen innovative die angekündigten Maßnahmen einem Rea- Anwendungsbeispiele, die als Best Practice litätscheck zu unterziehen: Sie sollten einen dienen können. Wie in vielen komplexen selbsttragenden Sekundärrohstoffmarkt Modellen gibt es nicht die eine Lösung, die im EU-Binnenmarkt ermöglichen und die wie eine Blaupause weltweit in allen Indus- Dynamik der technologischen Entwicklung trien angewendet werden kann und zum nutzbar machen. Ein Schlüssel dafür ist gewünschten Ergebnis führt. Auch in der Technologieoffenheit. Zirkulären Wirtschaft gibt es Zielkonflikte und Interdependenzen, die austariert wer- Unser Dank gilt den Expertinnen und den müssen. Experten aus Verbänden und Unterneh- men, die uns im Rahmen dieser Studie Makroökonomisch führt die Zirkuläre Wirt- unterstützt haben. Wir hoffen, dass wir schaft zu einer höheren Wertschöpfung damit einen Impuls in Richtung Zirkuläre und mehr Beschäftigung im Inland. Eine Wirtschaft geben können. zentrale Rolle spielen hier Innovationen in den Geschäftsmodellen und darauf 05
Konzept der Zirkulären Wirtschaft Die Idee einer Zirkulären Wirtschaft („Circular Economy“) gewinnt in Politik und Wirtschaft an Dynamik. Sie ist eine der Säulen des Green Deal der Europäischen Union und ein wich- tiger Ansatz für Ressourceneffizienz und die Bekämpfung des Klimawandels. Insofern wird sich der Trend Richtung Zirkuläre Wirtschaft in den nächsten Jahren weiter verstärken – in Deutschland und Europa, aber auch weltweit. Welche Anforderungen gilt es dabei zu Substitution importierter durch recycelte managen? Welche wirtschaftlichen Gestal- Rohstoffe trägt gleichzeitig zur globalen tungsmöglichkeiten entwickeln sich dar- Einsparung von CO2-Emissionen bei. Auf aus? Die vorliegende Studie beleuchtet der unternehmerischen Ebene entstehen die Potenziale und Herausforderungen durch eine stärker zirkuläre Wirtschaft zu diesem Thema. Letztere ergeben sich neue Innovations- und Geschäftsfelder. zum einen aus den technologischen Die Studie gibt einen Ausblick auf entspre- Grenzen der Zirkularität, zum anderen chende Geschäftsmodelle und beleuchtet aus der Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Entwicklungspotenziale entlang der Wert- Die Transformation in Richtung Zirkuläre schöpfungskette. Die makroökonomischen Wirtschaft wird nur dann gelingen, wenn Effekte werden mithilfe einer modellbasier- sie in Einklang mit der industriellen Wett- ten Simulation auf Grundlage von Experte- bewerbsfähigkeit des Standorts Deutsch- neinschätzungen zur Substituierbarkeit der land gebracht wird. Makroökonomisch wichtigsten Primär- durch Sekundärroh- eröffnet sie Chancen für eine höhere Wert- stoffe aufgezeigt. schöpfung und mehr Beschäftigung. Die 06
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse • Die Realisierung des makroökonomi- im Überblick: schen Potenzials erfordert sowohl tech- • Eine stärker zirkuläre Wirtschaft hat nologische Innovationen als auch Neu- positive Effekte auf die Wertschöpfung entwicklungen in den unternehmerischen und Beschäftigung in Deutschland. Wir Geschäftsmodellen. Die Innovationsfä- schätzen, dass bis 2030 eine zusätzliche higkeit Deutschlands im technologischen Bruttowertschöpfung von 12 Milliarden Bereich ist im europäischen Vergleich Euro pro Jahr erreichbar ist sowie ein hoch, im globalen Vergleich ist der Beschäftigungszuwachs von 177.000 Abstand zu der Spitzengruppe allerdings Arbeitsplätzen. Damit einher geht eine groß. Auf unternehmerischer Ebene hat verringerte Importabhängigkeit bei wich- die Zirkuläre Wirtschaft je nach Branche, tigen Rohstoffen und Materialien. Geschäftsmodell und Material unter- schiedliche Ausprägungen; es zeigt sich • Die Umwelteffekte durch Einsparungen aber in der Praxis eine Vielzahl von inno- von Rohstoffen sind ebenfalls beträcht- vativen Ansätzen. lich. Dadurch ergeben sich positive Effekte auf den Ausstoß von Treibhaus- • Die Herausforderungen, vor denen gasen. Wir schätzen, dass insgesamt Unternehmen stehen, betreffen das klare 5,5 Millionen Tonnen dieser Emissionen Verständnis der Zirkulären Wirtschaft, pro Jahr eingespart werden können. Aller- die Abkehr vom linearen Geschäftsmo- dings steht den Einsparungen entlang dell, Materialrückflüsse, den Aufbau von der globalen Lieferketten ein erhöhter zirkulären Ökosystemen, die Rolle von Ausstoß in Deutschland gegenüber, der CO2-Preisen, Digitalisierung und Finan- durch die inländische Wiederaufberei- zierungsmöglichkeiten der Zirkulären tung von sekundären Rohstoffen ent- Wirtschaft sowie das Management von steht, welche die Importe ersetzt. Zielkonflikten. Die Transformation hin zu einer Zirkulären Wirtschaft hat einen positiven Einfluss auf die nationale Wertschöpfung und Beschäftigung sowie auf die globalen Emissionen. 08
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland CO2 Erfordernisse der Zirkulären Recyclingrohstoffen (Sekundärrohstoffen) Lebensdauer, Wiederverwendung und Wirtschaft substituiert werden. Zum anderen sollen Recycling ausgelegt. Die Nutzung sollte Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das sich die Nutzungsdauer von Produkten und möglichst effizient sein, beispielsweise sich in manchen Branchen gerade erst ent- damit ihre Lebensdauer verlängern. Die durch Sharing-Economy-Ansätze. Am Ende wickelt und noch in vielen Details weiter- Zirkuläre Wirtschaft geht deutlich über die ihrer Lebensdauer sollten die Produkte gedacht wird. Eine akademische Studie hat Kreislaufwirtschaft hinaus, die sich auf den wiederverwendet oder nachgerüstet kürzlich 114 verschiedene Definitionen der Aspekt des Recyclings konzentriert. Statt- beziehungsweise möglichst einfach in den Zirkulären Wirtschaft analysiert.1 Im Kern dessen nimmt sie den gesamten Lebenszy- (Roh-)Stoffkreislauf zurückgeführt werden geht es um ein neues Modell, das den line- klus von Rohstoffen und Produkten in den können. Damit erfordert der Weg in eine aren Ansatz in der Produktion und im Ver- Blick. In einer perfekten Zirkulären Wirt- Zirkuläre Wirtschaft ein daran angepasstes brauch ersetzt, also um eine Abkehr von schaft würden alle Abfälle, Abwässer und Design von Produkt- und Dienstleistungs- der einmaligen Nutzung und anschließen- Materialien in geschlossenen Stoffkreis- systemen. den Entsorgung von Gütern mit entspre- läufen verbleiben. Dies dürfte aufgrund chend hohem Ressourceneinsatz. In einer der unvermeidlichen technologischen und In einer schematischen Darstellung linearen Wirtschaft steigt der Ressour- stofflichen Beschränkungen auf systemim- umfasst die Zirkuläre Wirtschaft sechs cenverbrauch parallel zum Wachstum. Im manente Grenzen allerdings ein unerreich- Phasen entlang des Produktlebenszyklus Gegensatz dazu ist die Grundidee der Zir- bares Ziel bleiben und nur näherungsweise beziehungsweise des Wertschöpfungskrei- kulären Wirtschaft, das Wirtschaftswachs- realisierbar sein. ses (siehe Abbildung 1). tum vom Verbrauch primärer Ressourcen (Rohstoffe, Brennstoffe und Biomaterialien) Der Fokus auf den gesamten Lebenszyklus zu entkoppeln. Die Produktion verbraucht erfordert einen neuen Ansatz für dessen deutlich weniger Primärrohstoffe und wesentliche Stufen – Design, Produktion, schont damit die natürlichen Ressourcen. Nutzung und Wiederverwendung von Pro- dukten. In einer Zirkulären Wirtschaft wer- Die Zirkuläre Wirtschaft verfolgt mehrere den Produkte – und damit die Rohstoffe – Ziele. Zum einen soll der Anteil verwende- idealerweise bereits bei ihrer Planung ter Primärrohstoffe sinken, indem diese mit und Konstruktion für eine möglichst lange 09
Abb. 1 – Schematische Darstellung der Zirkulären Wirtschaft Rohstoffeinsatz Produkt- design Weiter- und Herstellung Wiederver- und wendung Distribution Sammlung Nutzung Stoffverluste 1. Rohstoffeinsatz 5. Sammlung Möglichst geringer Einsatz von primären Rohstoffen Sortierung und Zuführung zu einer (roh-) (und Energie) (zum Beispiel Substitution von Primär- stofflichen Wiederverwendung (zum durch Sekundärmetalle, Einsatz von biogenen Roh- Beispiel Textilrecycling, Recycling von stoffen oder erneuerbaren Energien) PET-Flaschen oder Rücknahme von Elek- tronikgeräten) 2. Produktdesign Berücksichtigung der Langlebigkeit, Wiederaufbe- 6. W eiter- und Wiederverwendung reitung, Reparierbarkeit und Abfallvermeidung bei (Wieder-)Einspeisung in den Wirtschafts- Design und Konstruktion eines Produktes (zum kreislauf (zum Beispiel Einschmelzen von Beispiel Elektronikgeräte mit leicht austauschbaren gemischten Kunststoffabfällen zu neuen Akkus oder Leichtbau) Kunststoffrohstoffen oder Batterie- recycling) 3. Herstellung und Distribution Optimierung der Material- (und Energie-)Effizienz bei 7. Stoffverluste Herstellung, Lagerung und Transport (zum Beispiel Ausschleusung von Reststoffen, deren Mehrwegverpackungen oder Online-Portale, die Recycling technisch nicht möglich oder Distributionslogistik inklusive klimaneutraler Bereit- ökonomisch nicht sinnvoll ist stellung multimodal optimieren) Die Wertschöpfungskreise der Zirkulären 4. N utzung Wirtschaft können lokal oder regionen- Fokus auf längere und häufigere Nutzung der Pro- übergreifend ausgestaltet werden. Für dukte (zum Beispiel Car-Sharing in der Automobilin- unterschiedliche Stoffströme und Produkte dustrie oder „das zweite Leben“ von Antriebsbatte- sind auch unterschiedlich große Wert- rien als stationäre Energiespeicher) schöpfungskreise in einem zirkulären Sys- tem notwendig beziehungsweise sinnvoll. 10
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Zirkuläre Wirtschaft und die Nachfrage Abb. 2 – Globale Ressourcenextraktion (Gt)2 von 1970 bis 2020. Hochrechnung der nach Rohstoffen Daten von 2017 bis 2020 Der weltweite Rohstoffverbrauch und seine vielfältigen Implikationen für Umwelt, Ver- 100 sorgungssicherheit und Lieferketten gehö- ren zu den Haupttreibern der Zirkulären 90 Wirtschaft. Gleichzeitig verstärken die tech- nologischen Entwicklungen in der Mobilität, 80 bei der Dekarbonisierung energieintensiver 70 Industrien und die fortschreitende Digitali- sierung die Nachfrage unter anderem nach 60 Batteriemetallen, Seltenen Erden, Kupfer, Aluminium und Silizium. 50 In den letzten 50 Jahren ist der weltweite 40 Ressourcenbedarf stetig gestiegen und hat sich von 25 auf über 100 Milliarden Tonnen 30 pro Jahr vervierfacht (siehe Abbildung 2). Das Wachstum der Weltwirtschaft spiegelt 20 sich damit im Rohstoffverbrauch noch deutlicher wider als im Energieverbrauch. 10 Prognosen gehen davon aus, dass sich der globale Rohstoffbedarf bei unveränderten 0 Rahmenbedingungen bis 2050 im Vergleich 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 zum Jahr 2000 verdreifachen wird.3 Bei den genutzten Ressourcen handelt es sich zu 40 Prozent um fossile oder biogene Brennstoffe und zu 60 Prozent um mine- Abb. 3 – Globale Ressourcenextraktion (Gt).4 Hochrechnung der Daten ralische oder organische Rohstoffe (siehe von 2017 bis 2020 Abbildung 3). 120% Bisher wird nur ein eher kleiner Teil der Ressourcen wiederverwendet und in wirt- 8,9% schaftliche Kreisläufe zurückgeführt. In 100% Deutschland sind es im Durchschnitt 12 Prozent, in Europa sowie weltweit liegt 80% 52,1% die Wiederverwertungsquote bei 9 Prozent. Dementsprechend werden damit heute 91 Prozent der Rohstoffe 60% direkt aus der Erde entnommen. Je nach 10,4% Rohstoffart sind die heutigen Recycling- 40% Sekundärrohstoffe/zirkulierte Rohstoffe quoten sehr unterschiedlich. Metalle lassen 15,5% Nicht-metallische Mineralien sich beispielsweise sehr viel leichter wie- (Sand, Kies, Ton, etc.) derverwenden als Polymere.5 20% Metalle 25,2% Fossile Brennstoffe 0% Biomasse 11
Weg in Richtung Zirkuläre Wirtschaft Gleichzeitig ändern sich die politischen Die Zirkuläre Wirtschaft verspricht in mehr- Rahmenbedingungen, um eine Zirkuläre facher Hinsicht Vorteile. Wirtschaft zu fördern, sowohl auf deut- scher wie auch auf europäischer Ebene • Ökonomisch lassen sich die Rohstoff- (siehe Exkurs). Abbildung 4 zeigt zudem mit nachfrage decken und die Importab- einer Auswahl von europäischen und inter- hängigkeit verringern. Wenn weniger nationalen Regularien die stetig steigenden Rohstoffe importiert, dafür aber Sekun- Anforderungen an Unternehmen auf. därrohstoffe lokal aufbereitet werden, steigt die inländische Bruttowertschöp- fung. Damit einher geht allerdings eine Verringerung der Wirtschaftsleistung in den bisherigen Lieferländern. Die Zirkuläre Wirtschaft • Ökologisch führt dies zu einem geringe- ren Ressourceneinsatz und zu potenziell geringeren Emissionen. Dabei ist zu birgt ökonomische und beachten, dass auch Transporte und Rezyklierungsprozesse Energie und teil- weise neue Rohstoffe wie Additive und ökologische Vorteile und Zusatzstoffe benötigen. Das steigende Umweltbewusstsein der Konsumenten begünstigt die Entwicklung der Zirkulären eröffnet neue Innovations- Wirtschaft. • Neue Innovationsmöglichkeiten, die möglichkeiten. durch die Zirkuläre Wirtschaft eröffnet werden, bieten Raum für neue Geschäfts- modelle. Die zunehmende Digitalisierung der Lieferketten und der Logistik kann beispielsweise das Abfallmanagement optimieren, während Predictive Ana- lytics Schwachstellen in der Lieferkette erkennen und den Ressourceneinsatz minimieren kann. In diesem Bereich weist Deutschland eine hohe Innovationsfähig- keit auf, wie Kapitel 2 zeigt. 12
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Exkurs Der europäische Rechtsrahmen rund innerhalb von drei Jahren umgesetzt wer- um die Zirkuläre Wirtschaft den sollen. Der Aktionsplan setzt ambi- Bislang gibt es weder in Deutschland tionierte Ziele für das Recycling und die noch auf EU-Ebene einen vollumfängli- Verringerung der Deponierungsquoten, chen institutionellen Rahmen, der eine allerdings weniger für den Primärroh- Zirkuläre Wirtschaft regulatorisch unter- stoffbedarf. Das wäre der nächste Schritt, stützt. Als zentraler Pfeiler des European um den europäischen Materialfußab- Green Deal und der EU-Taxonomie wird druck zu senken.6 die Zirkuläre Wirtschaft in den nächsten Jahren vorangetrieben. Der momentane EU-Taxonomie-Verordnung (2020) Rahmen umfasst folgende Elemente: Die EU-Taxonomie-Verordnung 2020/852 definiert erstmals auf europäischer EU Green Deal Ebene, welche Wirtschaftsaktivitäten Die Weiterentwicklung der europäischen als ökologisch nachhaltig gelten. Diese Circular Economy ist eine zentrale Säule müssen einen signifikanten Beitrag zu des Green Deal der Europäischen Kom- einem der sechs definierten Umweltziele mission mit dem übergeordneten Ziel, leisten. Eines davon ist der „Übergang Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. zu einer Kreislaufwirtschaft“. Ökologisch Erste Gesetzesvorschläge umfassen die nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten sollten Verringerung der Abfalldeponierung demnach eine Reduktion des Verbrauchs und die Verbesserung der Wiederver- natürlicher Ressourcen berücksichtigen – wertbarkeit von Abfallströmen. Mehrere sei es durch die Produktgestaltung, eine EU-Richtlinien setzen den Rahmen für die geeignete Materialauswahl oder erleich- Bereiche Verpackungsabfälle, Abfallde- terte Demontage. ponien, Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Altfahrzeuge und Batterien. Deutschland EU-Ökodesign-Richtlinie (2009) hat die EU-Richtlinien bereits in nationa- Die EU-Richtlinie 2009/125/EG enthält les Recht umgesetzt. Der Schwerpunkt Mindestanforderungen an das umwelt- liegt auf den Bereichen Kunststoffe und gerechte Design energieverbrauchs- Verpackungsabfälle. relevanter Produkte. Neben höherer Energieeffizienz rückt das Produktdesign Aktionsplan Circular Economy (2015, (Reparierbarkeit, Langlebigkeit, Nach- erneuert 2020) rüstbarkeit und Rezyklierbarkeit) in den 2020 hat die Europäische Kommission Fokus. Die Richtlinie wird durch das Ener- einen neuen Aktionsplan für die Circular gieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz Economy vorgestellt. Dieser umfasst sie- (EVPG) in deutsches Recht umgesetzt. ben Handlungsfelder mit 35 Maßnahmen Das erklärte Ziel ist, Energieverbrauch, für den gesamten Lebenszyklus von Pro- Materialaufwand und Umweltbelastung dukten (darunter legislative Maßnahmen, zu reduzieren. Verschärfungen bestehender Gesetze, Mindeststandards und Zielvorgaben), die 13
Abb. 4 – Darstellung regulatorischer Anforderungen im Zeitraum 2009 bis 2022 10/2009 EU – Ökodesign-Richtlinie Mindestanforderungen an das umweltgerechte Produktdesign energieverbrauchsrelevanter Produkte 09/2011 EU – Roadmap to a Resource Efficient Europe Vorschläge für Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenproduktivität und für ein ressourcen- effizientes und nachhaltiges Wachstum 12/2015 EU – Erster Aktionsplan Circular Economy Maßnahmen zur Förderung der Abfallvermeidung und des Kreislaufprinzips 01/2018 01/2018 China – Operation National Sword Südkorea – Framework Act on Resource Circulation Einführung von Importrestriktionen für Ansprüche an Zirkularität im Abfallmanagement, u.a. Abfallmaterialien durch Recyclingquoten und ein Zertifizierungssystem für Rezyklate 11/2018 Australien – National Waste Policy Anforderungen an das Abfallmanagement und Aufstel- 01/2019 lung einer Abfallhierarchie Deutschland – Verpackungsgesetz Umsetzung der Produzentenverantwortung für Hersteller von Verpackungen 03/2019 03/2019 Indien – Waste Import Ban EU – Single Use Plastics Directive Einführung von Importrestriktionen für Verbot der Herstellung von Einwegprodukten aus Abfallmaterialien Kunststoff 01/2020 China – Plastiktüten-Verbot Verbot von Plastiktüten und anderen Einwegprodukten aus Kunststoff in Läden großer Städte 03/2020 EU – Aktionsplan Circular Economy (Legislative) Maßnahmen zur Steigerung der Kreislauffähigkeit im gesamten Lebenszyklus von Produkten Heute 01/2022 EU – Taxonomie-Verordnung „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ als eines der sechs definierten Umweltziele, zu welchen ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten beitragen müssen 14
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Die Transformation in Richtung Zirkuläre Rückgewinnungszyklus zu Materialei- Automobil erläutert. Eine Antriebsbat- Wirtschaft stellt die Unternehmen vor genschaftsverlusten und womöglich zu terie hat zwar geringere Emissionen in allem in folgenden Bereichen vor Heraus- einer Anreicherung von unerwünschten der Nutzungsphase, aber einen höheren forderungen. Begleitprodukten. Die verbesserte Leis- Energie- und Rohstoffeinsatz in der Her- tung eines Produktes geht in vielen Fällen stellung. Synthetische Kraftstoffe haben • Wettbewerbsfähigkeit: Die Umstellung einher mit einer zunehmenden Rohstoff- zwar einen geringeren Emissions- und von Produktionsabläufen, die Einfüh- komplexität im Produktdesign. Die Zer- Rohstofffußabdruck in der Herstellung, rung neuer Materialien und potenziell legbarkeit oder Rückführbarkeit dieser da Abfall-CO2 als Rohstoff verwendet höhere Preise für Sekundärrohstoffe Produkte in ihre Ausgangsmaterialien wird, aber benötigen sehr viel Energie zur sind mit steigenden Kosten verbunden. wird dadurch häufig erschwert. Herstellung. Bio-Kraftstoffe besitzen zwar Aktuell sind viele zirkuläre Produkte noch einen CO2-Bonus bei ihrer Herstellung nicht wettbewerbsfähig, da Primär- im • Regulatorisch: Der regulatorische Rah- aus nachwachsenden Rohstoffen, den Vergleich zu Sekundärrohstoffen häufig men ändert sich: Steigende CO2-Preise sie aber häufig durch ein schlechteres günstiger sind. Zudem erfordert die (EU-ETS) und regulatorisch geförderte Emissionsverhalten bei der Verbren- Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmo- grüne Investitionen können perspekti- nung, einen hohen Einsatz von landwirt- delle hohe initiale Investitionen. Dies visch bessere Wettbewerbsbedingungen schaftlicher Nutzfläche und durch lange führt zu höheren Preisen für den Endkun- für die Zirkuläre Wirtschaft schaffen. Transportwege teils wieder verlieren. Es den und erschwert somit die Akzeptanz Allerdings gibt es auch regulatorische gilt also immer, die Energie- und Roh- solcher Produkte.7 Ein weiteres Hindernis Hemmnisse, die einer Korrektur bedür- stoffeffizienz und die Relation zwischen ist die mangelnde Finanzierung bezie- fen – sei es im Abfallrecht, beim Einsatz Energie- und Rohstoffeinsatz mit den hungsweise sind fehlende Anreize zur von Chemikalien oder beim Nachprodu- unerwünschten Emissionen in Luft, Was- Finanzierung zirkulärer Geschäftsmo- zieren von Ersatzteilen. Hinzu kommen ser, Boden und anderen Umwelt- und delle, sowohl im öffentlichen als auch im regulatorische Zielkonflikte. Die aus Gesellschaftseffekten abzuwägen. privaten Sektor.8 nachvollziehbaren Gründen strengen Hygienevorschriften für Lebensmittelver- Trotz dieser Herausforderungen ist es • Technologisch-physikalische packungen unterstützen beispielsweise nicht nur dringend geboten, sondern auch Grenzen: Die Aufbereitung von Sekun- nicht das gleichzeitige Bestreben, den langfristig vielversprechend, das Potenzial därrohstoffen kann höhere wirtschaft- Einsatz von Sekundärrohstoffen zu erhö- der Zirkulären Wirtschaft zu heben. Eine liche und gegebenenfalls sogar höhere hen. Eine vergleichsweise hohe Besteu- Vielzahl bereits existierender Geschäfts- energetische Aufwände verursachen erung von Arbeit im Gegensatz zum Ein- modelle und sonstiger Innovationen kann als die Primärrohstoffgewinnung. Es gilt satz neuer Rohstoffe führt besonders in diese Entwicklung beschleunigen. Das daher, im Einzelfall zwischen Energie- und Deutschland zu hohen Kosten für die bis- folgende Kapitel setzt sich mit der Position Materialeinsatz einerseits und Rück- lang häufig arbeitsintensiven Geschäfts- Deutschlands in der Zirkulären Wirtschaft gewinnung aus niedrig konzentrierten modelle der Zirkulären Wirtschaft. Das ist auseinander und schätzt das Potenzial Stoffströmen andererseits abzuwägen. beispielsweise in der Wiederaufbereitung ab, das sich makroökonomisch aus einem Zudem sind viele in Deutschland gefer- von Produkten der Fall. höheren Maß an Zirkularität ergibt. tigte Produkte für den weltweiten Export bestimmt, was die Schließung von Stoff- • Zielkonflikte: Die Ziele der Zirkulären kreisläufen erschwert. All dies stellt viele Wirtschaft, nämlich eine höhere Stoffin- Produktionszweige vor Zielkonflikte. Auch tensität, eine bessere stoffliche Nutzung fehlen häufig Standards und Normen und Wiederverwertung, sind häufig für die Qualitäts- und Materialeigen- kongruent mit den Zielen einer höhe- schaften der Sekundärrohstoffe, um die ren Energieeffizienz und dem Einsatz gewünschten Leistungseigenschaften erneuerbarer Energien. Allerdings kön- der Rezyklate zu garantieren. Bei einigen nen sich auch Konflikte zwischen diesen Materialien, wie beispielsweise Papier und weiteren umweltpolitischen Zielen oder Kunststoffen, führt jeder zusätzliche ergeben. Diese seien kurz am Beispiel 15
Potenziale der Zirkulären Wirtschaft für den Industriestandort CO Deutschland Die Zirkuläre Wirtschaft steht noch am Anfang. Entsprechend liegen Abschätzungen zu ihren volkswirtschaftlichen Effekten erst in Ansätzen vor. Ein klareres Bild entsteht mithilfe der für diese Studie durchgeführten makroökonomischen Potenzialanalysen, die die Auswirkungen auf Wertschöpfung, Beschäftigung, Importabhängigkeit, Ressourcenverbrauch und Treibhausgase in den Fokus nehmen. Diese Analyse setzt methodisch auf zwei Grundlagen auf. In einem ersten Schritt wurden ausge- ermittelten Werte wurden in einem zwei- wählte Experten9 aus Verbänden und ten Schritt in ein globales makroökonomi- Unternehmen mittels eines Online- sches Input-Output-Modell eingespeist, Surveys befragt, wie hoch sie das Sub- um zu simulieren, welche makroökonomi- stitutionspotenzial der wichtigsten schen Effekte, aber auch welche Effekte Primärrohstoffe durch rezyklierte Sekun- auf Rohstoffverbräuche und Emissionen därrohstoffe bis 2030 einschätzen. Die zu erwarten sind. 16
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland O2 17
Vorgehensweise und Annahmen der • Der Fokus der Analyse liegt auf der Subs- von Sekundärrohstoffen. Dies liegt an tech- makroökonomischen Potenzialanalyse titution von Primär- durch Sekundärroh- nologischen, aber auch an den ökonomi- • Die Input-Output-Rechnung ist ein Teil stoffe und berücksichtigt keine weiteren schen Grenzen der Substituierbarkeit. der volkswirtschaftlichen Gesamtrech- Aspekte der Zirkulären Wirtschaft, insbe- nung. Sie stellt die Verflechtung der sondere geringeren Materialeinsatz und Um ein realistisches Bild der Möglichkeiten Sektoren einer Volkswirtschaft (163 in längere Lebensdauer. der Substituierbarkeit in einer längerfris- diesem Modell) in monetären Einheiten tigen Perspektive zu erhalten, haben die dar und erlaubt die Analyse von Wechsel- • Modellannahmen: gleiche Preise für befragten Verbandsexperten eine untere wirkungen zwischen Sektoren sowohl im jeweilige Primär- und Sekundärrohstoffe, und eine obere Grenze der Substituierbar- In- als auch im Ausland. Substitution der verringerten Importe keit für die einzelnen Rohstoffe bis 2030 durch in Deutschland recycelte Sekun- angegeben. Da der Fokus auf dem Potenzial • Für die vorliegende Input-Output-Analyse därrohstoffe.10 der Zirkulären Wirtschaft liegt, basieren wurde den Experteneinschätzungen die Schätzungen des makroökonomischen folgend das Einsatzverhältnis der Sekto- Experteneinschätzung zur Substituier- Potenzials auf dem Durchschnitt der oberen ren für Primär- und Sekundärrohstoffe barkeit von Rohstoffen Grenze. Abbildung 5 zeigt die heutige statis- variiert. Grundlage dafür war ein erwei- Im Rahmen der Studie werden zehn Roh- tische Substitutionsquote für die einzelnen tertes Input-Output-Modell (EXIOBASE). stoffe betrachtet, die für den Großteil des Rohstoffe, also das Verhältnis der sekun- Weitergehend wurden die Emissionen auf durch die Produktion in Deutschland indu- dären Rohstoffe zum gesamten Rohstoffver- sektoraler Ebene ebenfalls mittels des zierten Rohstoffverbrauchs verantwortlich brauch, sowie die obere Grenze der mög- EXIOBASE-Modells ermittelt. sind. Dazu gehören Stahl, Blei, Kupfer, Alu- lichen Substituierbarkeit bis 2030 laut der minium, sonstige Nichteisenmetalle, Papier, Expertenschätzung. Demnach könnte bis Glas, Kunststoffe, Baustoffe und Holz. Offen- 2030 die Substitutionsquote beispielsweise sichtlich unterscheidet sich die Möglichkeit bei Stahl von 44 auf 58 Prozent steigen und erheblich, diese durch Sekundärrohstoffe bei Aluminium von 53 auf 72 Prozent. zu ersetzen, ebenso wie der heutige Einsatz Abb. 5 – Einsatzquoten von Sekundärrohstoffen in Deutschland (in Prozent)11. Wesentliche Stoffarten heute und im Szenario 2030 Stahl Blei Kupfer Alumi- Nicht- Papier Glas Kunststoffe Baustoffe Holz nium eisen 80 83 83 70 75 75 72 60 62 60 58 50 53 53 53 48 40 44 45 42 38 36 30 33 20 10 14 13 0 Status quo Potenzial 2030 18
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Abb. 6 – Makroökonomische Effekte einer stärker Zirkulären Wirtschaft in Deutschland (Nettoeffekt)12 +177 Tsd. bis 2030 +12 Mrd. € pro Jahr +106 Tsd. +7 Mrd. € +71 Tsd. +5 Mrd. € Indirekter Effekt Direkter Effekt Beschäftigung Bruttowertschöpfung Makroökonomische Chancen der Die erhöhte Wertschöpfung in Deutsch- Zirkulären Wirtschaft für Deutschland land hat auch Effekte auf die inländische Die volkswirtschaftlichen Effekte, die Beschäftigung. Die Umstellung würde zu eine solche Umstellung nach sich zieht, rund 180.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen sind substanziell (siehe Abbildung 6). Die in Deutschland führen. Auch hier müssen Bruttowertschöpfung in der deutschen direkte und indirekte Effekte unterschie- Wirtschaft würde um circa 12 Milliarden den werden. Letztere haben sogar einen Euro steigen. Dabei müssen direkte und größeren Anteil. indirekte Effekte unterschieden werden. Erstere betragen fünf Milliarden Euro und Sowohl bei der Bruttowertschöpfung als umfassen die erhöhte Wertschöpfung in auch bei der Beschäftigung handelt es den Recyclingindustrien. Die indirekten sich um Nettoeffekte für Deutschland. Effekte betragen sieben Milliarden Euro Eventuell wegfallende Wertschöpfung und und beziehen sich auf vor- und nachge- Beschäftigung, die sich durch die Verschie- lagerte Branchen, wie zum Beispiel den bung von Importen hin zu Aufbereitung Einfluss einer erhöhten Nachfrage nach ergeben, sind berücksichtigt. Der Effekt Transportdienstleistungen. Die Effekte auf wäre sogar noch höher, wenn sogenannte die Bruttowertschöpfung sind dabei nicht induzierte Effekte berücksichtigt werden, einmalig, sondern fallen jedes Jahr aufs die die zusätzliche Kaufkraft der neuen Neue an. Schließlich werden Importe per- Beschäftigung einbeziehen. manent ersetzt. 19
Abb. 7 – Importquoten von Primärrohstoffen in Deutschland nach Stoffströmen heute und im Szenario 203013 100% -7 PP 86% 80% 79% -18 PP -10 PP -19 PP 68% 68% 66% -21 PP 60% 58% 56% 50% 47% -11 PP 40% 38% 35% 27% -14 PP 20% -7 PP 22% -5 PP 12% -4 PP 8% 7% 5% 5% 2% 1% 0% Sonstige Aluminium Kupfer Glas Blei Stahl Holz Papier Baustoffe Kunststoff Nichteisen- metalle Heute Szenario 2030 Gleichzeitig wird die deutsche Wirtschaft Insofern sind die makroökonomischen hergestellt wird und insgesamt weniger je nach dem Substitutionspotenzial der Effekte insgesamt positiv, eine stärker Rohstoffimporte benötigt werden. Dies einzelnen Rohstoffe weniger importabhän- zirkuläre Wirtschaft steigert Wertschöp- hat auch positive Auswirkungen auf den gig. Dieser Effekt ist bei einigen Rohstoffen fung und Beschäftigung und senkt die Rohstoffverbrauch und den Ausstoß von erheblich. Für Aluminium, Glas und Blei Importabhängigkeit. Letzteres ändert Treibhausgasen insgesamt. sinkt die Importabhängigkeit jeweils um nichts daran, dass weiterhin Rohstoffe circa 20 Prozentpunkte.14 Bei Rohstoffen importiert werden müssen. Eine völlige wie Holz, Papier, Baustoffen und Kunst- Entkopplung von Wirtschaftswachstum stoffen, bei denen die Importe eine ver- und Ressourcen ist angesichts der techno- gleichsweise geringe Rolle spielen, kann logischen Grenzen in absehbarer Zukunft die Abhängigkeit auf die Hälfte reduziert nicht möglich. Allerdings werden die Roh- werden, in manchen Fällen sogar um mehr stoffe besser und mehrfach verwertet, als zwei Drittel (siehe Abbildung 7). sodass ein höherer Anteil in Deutschland 20
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Ökologische Effekte einer stärker der Effekt auf den Ausstoß von Treibhaus- zirkulären Wirtschaft gasen. Weniger Rohstoffimporte bedeuten Eine höhere Wiederverwendung sekun- in der Regel auch weniger CO2-Emissionen, därer Ressourcen verringert den primä- die unter anderem durch den Abbau und ren Ressourcenverbrauch und die damit den Transport der Rohstoffe entstehen. verbundenen Importe. Auch diese Effekte Eine Zirkuläre Wirtschaft kann damit die lassen sich mit der Input-Output-Analyse Treibhausgasemissionen merklich senken. abbilden. Dabei wird ein beträchtlicher Die Nettoeinsparung in diesem Modell jährlicher Rückgang deutlich. Abbildung 8 beträgt 5,5 Millionen Tonnen CO2e pro zeigt, dass der Ressourcenverbrauch je Jahr.15 nach Rohstoffgruppe zwischen 8,7 Millio- nen Tonnen (Metallerze) und 1 Million Ton- nen (Holz) abnimmt. Genauso wichtig ist Abb. 8 – Verminderter Primärrohstoffbedarf und Emissionsminderung durch eine Zirkuläre Wirtschaft in Deutschland (pro Jahr)16 -9 -8,7 Mio. t -8 -7 -6 -5,5 Mio. t CO2e -5 -4,7 Mio. t -4 -3,9 Mio. t -3 -2 -1 Mio. t -1 0 Metallerze Nichtmetallische Fossile Holz Greenhouse Mineralien Energieträger Gases 21
In einer rein nationalen Betrachtung hat blick auf die Treibhausgasemissionen Potenzial in der Transformation zur die positive Netto-Treibhausgasbilanz sehen wir damit einen positiven Netto- Zirkulären Wirtschaft steckt. Wie diese allerdings auch eine Kehrseite (siehe Gesamteffekt. Die Senkung der Treibhaus- Transformation gelingen kann und welche Abbildung 9). Die Einsparungen kommen gasemissionen ist im globalen Kontext Herausforderungen sich für Unternehmen in der gesamten Lieferkette zustande, bei- deutlich höher als die zusätzlichen Emissi- dabei ergeben, wird im folgenden Kapitel spielsweise, indem weniger Metallerze oder onen in Deutschland. Für die Betrachtung aufgezeigt. Mineralien im Ausland abgebaut und nach rein nationaler Klimaziele stellt sich dieser Deutschland gebracht werden. In diesem Zusammenhang allerdings als nachteilig Modell beträgt dieser Effekt 14,4 Millionen für die Landesbilanz dar. Für die globale Tonnen CO2e. In Deutschland finden aber Emissionsbilanz zeigt sich jedoch ein enor- durch die stärker zirkuläre Wirtschaft mer positiver Effekt. mehr Recycling und Aufbereitung statt, womit die Treibhausgasemissionen um Die Ergebnisse des makroökonomischen fast 9 Millionen Tonnen steigen. Im Hin- Modells zeigen bereits, welch enormes Abb. 9 – Umwelteffekte einer stärker zirkulären Wirtschaft pro Jahr nach Region: Treibhausgase17 +8,9 Mio. t CO2e -14,4 Mio. t CO2e -5,5 Mio. t CO2e 15 10 5 0 5 10 Deutschland Ausland Nettoeffekt 22
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Die Zirkuläre Wirtschaft führt zu positiven Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten für den Standort Deutschland. 23
Befähigung der Zirkulären Wirtschaft – Herausforderungen und Best Practices Technologische und unternehmerische Innovationen sind ein zentraler Hebel dafür, die Komplexität der Zirkulären Wirtschaft beherrschbar zu machen und diese im Markt einzuführen. Zum einen geht es um neuartige Technologien, zum anderen sind Innovationen in den Organisationen beziehungsweise in ihren Geschäftsmodellen notwendig. Beide Felder sind Voraussetzung dafür, dass Unternehmen die Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Zirkularität erfolgreich meistern und die Transformation gelingt. 24
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland 25
Zirkuläre Innovationsfähigkeit Abb. 10 – Anzahl der Patente im Zusammenhang mit Recycling und Sekundär- Deutschlands rohstoffen im internationalen Vergleich (Summe 2000–2016)20 Im Bereich der technologischen Innovation ist die Wettbewerbs- und Innovationsfä- higkeit des Industriestandorts Deutsch- China 30.353 lands hoch.18 Im europäischen Vergleich ist Deutschland bei den Patentanmeldungen Japan 16.419 im Bereich Recycling und Sekundärstoffe mit mehr als einem Drittel der europäischen Südkorea 8.559 Patente führend (siehe Abbildung 10).19 Allerdings müssen zwei Einschränkungen Vereinigte Staaten 2.571 gemacht werden. Zum einen hat die Dyna- mik der deutschen Patentanmeldungen Deutschland 1.752 nachgelassen. Zum anderen zeigt das globale Bild, dass die asiatischen Volks- Frankreich 663 wirtschaften bei der Anzahl der Patente führend sind. China, Japan und Südkorea haben hier einen großen Vorsprung. Vereinigtes Königreich 360 Die technologischen Voraussetzungen des 0 10.000 20.000 30.000 Industriestandorts Deutschland sind damit für die Transformation zur Zirkulären Wirt- schaft gegeben, wenn auch diese im globa- len Vergleich noch ausbaufähig sind. 26
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Ziel der Zirkulären Wirtschaft ist es, den Bedarfs sind typische Beispiele für Pro- Einsatz von Primärrohstoffen zu minimie- dukte, die nach ihrer Nutzung kaum noch ren. Das gelingt nur, wenn man die einge- stofflich aufgefangen und wiederverwertet setzten Rohstoffe möglichst unbegrenzt werden können. Lediglich Klärschlämme im Kreis führt und Stoffverluste vermeidet. und Filterstäube eignen sich gegebenen- Letzteres bedeutet, dass man möglichst falls noch für eine stoffliche Verwertung keine Stoffe verbrennen oder deponie- (zum Beispiel Phosphorrückgewinnung aus ren oder gar unkontrolliert in die Umwelt Klärschlamm). abgeben sollte, da diese ansonsten unwie- derbringlich verloren sind und durch neue Somit wird aufgrund von Wirtschafts- Primärrohstoffe ersetzt werden müssen. wachstum und Stoffverlusten durch Abwasser und Abgase auch in einer Zirku- Man wird ein zirkuläres Wirtschaftssystem lären Wirtschaft weiterhin der Einsatz eines jedoch nie vollständig schließen können spezifischen Anteils (15–50 Prozent je nach und vor allem erfordern Wirtschafts- und Stoff und Anwendung)21 an Primärrohstof- Konsumwachstum weiterhin einen ent- fen notwendig sein. sprechenden Einsatz primärer Rohstoffe. Einen Ausweg weisen könnten hier neue Um den primären Rohstoffeinsatz im Nutzungskonzepte, digitale Substitute Rahmen einer Zirkulären Wirtschaft zu oder sonstige Alternativen. Zu beachten verringern, bieten sich drei grundsätzliche ist ferner, dass manche Stoffe wie Beton Produktdesign- und/oder Geschäftsmodell- und Stahl enorm lange Verweilzeiten in der innovationshebel an: Anwendung haben können. Daher kann auch dieser Speichereffekt weiterhin den 1. S toffintensität und/oder Stoffeinsatz in Einsatz von Primärrohstoffen erforderlich der Produktion reduzieren machen. 2. S toffnutzung durch höhere Langlebigkeit Der wesentliche Grund, warum Rohstoffe und/oder Nutzenintensität maximieren verloren gehen, ist vor allem dort gegeben, wo die Produkte nach der Nutzung nicht 3. S toffe nach der Produktnutzungsphase mehr als feste Werk-, Roh- oder Abfallstoffe wiederverwerten aufgefangen werden können, sondern mehr oder weniger unkontrolliert in Abwäs- Die Schlüssel zu einer erfolgreichen Zirkulä- sern oder Abgasen den Stoffkreislauf ren Wirtschaft sind ein zirkuläres Produkt- verlassen. Wasch- und Reinigungsmittel, design und/oder ein innovatives Geschäfts- Kosmetika, Pflegeprodukte, Toilettenartikel, modell, welches die Anforderungen an Arzneimittel, Futter- oder Lebensmittelzu- Nutzung, Herstellung und Distribution satzstoffe, Dünge- oder Pflanzenschutzmit- sowie Sammlung und Wiederverwertung tel und viele andere Produkte des täglichen berücksichtigt und gesamthaft optimiert. Innovative Geschäftsmodelle und zirkuläres Produktdesign sind zentrale Faktoren, um eine Zirkuläre Wirtschaft zu befähigen. 27
1. Stoffintensität und/oder Stoffeinsatz wurde, hat einen großen Einfluss auf die Anforderungen an Mobilität, Wohnen, in der Produktion reduzieren Ressourcenintensität. So kann schon durch Kommunikation, Ernährung und Gesund- Die Stoffintensität, das heißt den spezi- die Verfahrens- und Lieferantenauswahl heit und damit auch an die Produkte und fischen Rohstoffeinsatz zu reduzieren, häufig eine deutlich verbesserte Rohstoff- Dienstleistungen, die sie konsumieren. ist eine sehr direkte und wirksame Maß- effizienz realisiert werden. nahme. Leichtbau ist ein typisches Beispiel, Vielversprechend ist hier das intensivere wie der Material- und in der Regel auch Bei den sekundären Rohstoffen gilt es aber Nutzen von Produkten, indem man sie mit der Energieeinsatz deutlich reduziert und immer, die Gesamteffizienz im Auge zu Gleichgesinnten teilt (zum Beispiel Car- häufig dabei auch die Leistung in der Nut- behalten. Theoretisch sind kleine, lokale Sharing) oder Produkte mit einem Mehr- zungsphase noch erhöht werden können. Produktkreisläufe vorzuziehen, in denen fachnutzen konstruiert. Dieser Mehrfach- Das gilt besonders für mobile Anwendun- die werkstofflichen Eigenschaften mög- nutzen kann gleichzeitig oder gestaffelt gen (zum Beispiel Fahrzeugbau, Laptops, lichst einfach erhalten bleiben. In der Praxis vorliegen. Ein Beispiel hierfür sind Antriebs- Sportgeräte) und bewegte Produktteile ist das aber häufig schwierig zu erreichen, batterien für Elektrofahrzeuge. Neben (zum Beispiel Windräder, Haushaltsgeräte, weil Sammel-, Trenn- und Sortierprozesse ihrem Hauptnutzen im Antrieb von Fahr- Medizintechnik, Verpackungen, kompakte zu aufwendig, räumliche Entfernungen zeugen können sie in einer weiteren Nut- Konsumgüter). zu groß sind und eine kritische Masse an zungsphase als Energiespeicher für lokale Sekundärrohstoffen nicht erreicht werden Energieerzeugung oder Spitzenlastpuffer in Eine weitere, sehr direkt wirkende Maß- kann. einem smarten Stromgrid dienen. nahme ist das Vermeiden oder zumindest Reduzieren von Produktionsabfällen, zum 2. Stoffnutzung durch höhere Langle- 3. Stoffe nach endgültigem Gebrauch Beispiel durch 3D-Druck statt klassischen bigkeit und/oder Nutzenintensität wiederverwerten materialabtragenden Verfahren. Wenn das maximieren Nach der Nutzungsphase geht es vor allem aufgrund von Stückzahl, Produktgröße Höhere Langlebigkeit ist der naheliegende um eine stoffliche Wiederverwertung. Ziel oder aus anderen Gründen nicht möglich Aspekt, um die Nutzungsphase von Pro- ist es, die werkstofflichen Eigenschaften ist, sollten die Produktionsabfälle wieder dukten zu verlängern, den Zeitpunkt für des Produkts bzw. seiner Komponenten so möglichst direkt in die Produktion zurück- einen Produktneukauf nach hinten zu weit wie möglich und sinnvoll zu erhalten geführt werden (zum Beispiel Wiederver- verschieben und so auch den Stoffeinsatz (zum Beispiel Sekundärmetalle, Glas, Papier wendung von Carbonfasern bei der Fahr- zu reduzieren. Das lässt sich vor allem und Pappe, gemischte oder sortierte zeugherstellung). Hier ist meist auch eine durch den Einsatz haltbarerer Materialien Kunststoffe = Regranulate wie bei Recycling hohe stoffliche Homogenität gegeben. und Produktkonstruktionen erreichen und von PET-Flaschen). durch eine leichtere Reparier- und Aus- Bei der Auswahl des Stoffeinsatzes und tauschbarkeit von defekten Teilen unter- In vielen Fällen ist das aber nicht möglich der Lieferanten sollte man auch die Res- stützen. Dem Einwand, dass dann zuneh- oder nicht sinnvoll, dann kommt ein roh- sourceneffizienz des zugekauften Stoffes mend veraltete Produkte in Gebrauch sind, stoffliches Recycling zum Einsatz, wobei und des Lieferanten im Blick behalten und lässt sich dadurch begegnen, dass man man durch Hydrolyse oder Solvolyse die bewerten. Neben der grundsätzlichen eine „Updatebarkeit“ auf den aktuellen Monomerstruktur erhält (zum Beispiel Unterscheidung zwischen primären und Stand der Technik vorsieht, gegebenen- Polyamid 6 und Glasfaserrecycling) oder sekundären Rohstoffen gilt es, weitere falls auch digital (zum Beispiel „Over the durch Hydrierung oder Vergasung wieder Unterschiede je nach Lieferquelle und Air“-Updates und Dienste von Mobilitäts- Chemierohstoffe für neue Kunststoffe Lieferant zu beachten. Wie bei den sehr anbietern). gewinnt (zum Beispiel Chemcycling). unterschiedlichen Treibhausgasfußabdrü- cken sind auch die Rohstoffeinsätze häufig Teils ist aber auch das Interesse der Her- Falls sich auch dies nicht als sinnvoll sehr verschieden. Ob Lithium bergmän- steller und der Kunden an langlebigen Pro- erweist, ist die stoffliche Abfallverwertung nisch in China oder in Australien abgebaut dukten gering. Ein Grund hierfür ist, dass eine weitere Option, die Stoffe im Kreislauf wird oder aus Salaren (Salzwüsten) in sich materielle Bedürfnisse mit der Zeit ver- zu halten (zum Beispiel Abfallpyrolyse und Lateinamerika stammt, ob ein Titandio- ändern und Produkte nicht nur die Grund- grüner Wasserstoff). Aus grünem Synthe- xid-Weißpigment je nach Ausgangserz nach bedürfnisse, sondern auch gesellschaftli- segas kann man dann direkt oder über dem Sulfat- oder Chloridverfahren herge- che Stellung, Ansprüche und vor allem das grünes Methanol wieder Chemierohstoffe stellt wird oder ob ein Kunststoff aus Kohle, jeweilige Alter widerspiegeln. 20-, 40- oder herstellen. Erdöl, Erdgas oder Biomasse hergestellt 60-Jährige haben heute unterschiedliche 28
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Innovation in zirkulären Geschäfts- modellen Um das makroökonomische Potenzial der Zirkulären Wirtschaft zu heben, braucht es eine Produktdesign- und/oder Geschäfts- modellinnovation, die grundsätzlich die Herstellung und Distribution, die Nutzung sowie die Sammlung und Wiederverwer- tung von (Roh-)Stoffen auf den Prüfstand stellt (siehe Abbildung 11). Abb. 11 – Zirkuläre Wirtschaft und Produktlebenszyklus (schematisch) Nutzung Stoffnutzung Stoffverluste · Langlebigkeit · Energetische Verwertung (haltbar, reparierbar, updatebar) · Beseitigung/Deponierung Kunden · Nutzenintensität · Unkontrollierter Verbleib (Mehrfach- oder Zweitnutzen) in Umwelt Produktdesign/ Geschäftsmodell Herstellung/ Sammlung/ Distribution Wiederverwertung Stoffintensität und -einsatz Stoffliche Wiederverwertung · Materialbedarf · Werkstofflich · Produktionsabfälle · Rohstofflich · Einsatz sekundärer/ · Stoffliche Abfallverwertung Unternehmen zirkulärer Einsatzstoffe Primärrohstoffe Lieferanten Verringerung durch Zirkuläre Wirtschaft 29
Ein ganz wesentlicher Treiber ist der es zu vermeiden und die entsprechenden vor, in dem die Aktivitäten beschrieben Aktionsplan der Europäischen Union zur Stoffströme in hochwertige Sekundärres- sind, die wesentlich zu einer Zirkulären Umsetzung der Zirkulären Wirtschaft. Er ist sourcen umzuwandeln. Funktionierende Wirtschaft beitragen können. Dafür wur- Bestandteil des Green Deal und beabsich- Sekundärrohstoffmärkte sollen aufgebaut, den neun „Rs“ definiert, von denen zwei tigt u. a. die Einschränkung des einmaligen Abfallexporte außerhalb der EU minimiert Drittel die Nutzung der Produkte betreffen Gebrauchs (zum Beispiel Single-Use Plastic und illegale Exporte bekämpft werden. Die (siehe Abbildung 12). und Überverpackungsverbote). Abfälle gilt EU schlägt ein System mit 14 Kategorien Abb. 12 – EU-Kategorisierungssystem für eine Zirkuläre Wirtschaft22 1 Nutzung 1 R2 Rethink Intensivierung der Produktnutzung (z.B. durch Product-as-a- Nutzung Service, Wiedernutzung und Sharing-Modelle oder mittels der Markteinführung multifunktionaler Produkte). R4 Reuse Die Wiederbenutzung eines Produktes, das sich in noch gutem Zustand befindet und seine ursprüngliche Funktion erfüllt (und kein Abfallprodukt ist), für denselben Grund, für den es ursprünglich gedacht war. R5 Repair Reparatur und Wartung von defekten Produkten, damit diese ihre ursprüngliche Funktion wieder erfüllen können. Produktdesign/ R6 Refurbish Geschäftsmodell Wiederherstellen eines Produktes auf einen Stand, der Up-to-Date ist (bzgl. eines bestimmten Qualitätslevels). 3 R7 Remanufacture Nutzung von Einzelteilen eines verworfenen Produkts für neue Herstellung/ Produkte mit derselben Funktion (um diese in einen neuwertigen Distribution Zustand zu versetzen). R8 Repurpose Nutzung eines nicht mehr benötigten Produkts oder seiner Einzelteile für neue Produkte mit anderen Funktionen. 30
Zirkuläre Wirtschaft | Herausforderungen und Chancen für den Industriestandort Deutschland Die stoffliche Abfall- oder Rückstandsver- Zirkuläres Produktdesign- und/oder zir- wertung wurde explizit unter R9 als Teil der kuläre Geschäftsmodellinnovation sollten Zirkulären Wirtschaft zur Schließung von Stoffintensität und -einsatz, -nutzung und Stoffströmen einbezogen. Dadurch ist die -wiederverwertung abwägen und optimie- große Menge an Haus- und Industriemüll ren. Die folgenden Beispiele illustrieren jetzt explizit als stoffliche Sekundärroh- existierende zirkuläre Strategien. stoffquelle akzeptiert. 2 Sammlung/Wiederverwertung R9 Recycle Wiedererlangen von Materialien aus Abfallprodukten, die zu neuen Produkten, Materialien oder Substanzen aufgearbeitet werden, um entweder dem ursprünglichen Nutzen zu entspre- chen oder einem anderen. Es beinhaltet die Wiederaufarbeitung von organischen Materialien, berücksichtigt jedoch keine Energierückgewinnung oder die Weiterverarbeitung von Materia- lien, die als Brennstoffe oder für Verfüllungen genutzt werden. 2 3 Sammlung/ Herstellung/Distribution Wieder- R1 Refuse verwertung Ein Produkt überflüssig machen, indem seine Funktion eingestellt wird oder selbige mittels eines anderen Produkts oder Services angeboten wird (zum Beispiel digital). R3 Reduce Steigerung der Effizienz eines Produkts oder Materials, indem weniger natürliche Ressourcen aufgebracht werden müssen. 31
R9 Recycle Apple – iPhone 12 materialien bestehen aus Faserstoffen, Industrie: Consumer Products/ davon sind 73 Prozent Sekundärma- Hard- und Softwareentwicklung terialien. Um den Ressourceneinsatz weiter zu verringern, setzt Apple Auf dem Weg zur Klimaneutralität stellt Technologielösungen ein. Mittels des Apple seine Produkte zunehmend Recycling-Programms „Apple Trade In“, aus Sekundärmaterialien her. Bei- bei dem Kunden ihre Altgeräte in Zah- spielsweise stammen 99 Prozent des lung oder zum Recycling geben können, im iPhone 12 verarbeiteten Wolframs setzt Apple unter Verwendung eines sowie 98 Prozent der verwendeten sel- Demontage-Roboters auf innovative tenen Erden aus recycelten Materialien. Technologien. Mit dessen Hilfe gelingt Zudem werden 35 Prozent der ver- es, hochwertige Materialien wie Seltene wendeten Kunststoffe aus Sekundär- Erden und Wolfram wiederzuerlangen materialien gewonnen. Recycling spielt und diese zurück in den Produktions- genauso bei der Produktdistribution prozess zu bringen. eine Rolle: 93 Prozent der Verpackungs- Quelle: https://www.apple.com/environment/pdf/products/iphone/iPhone_12_PER_Oct2020.pdf R9 Recycle Audi – Aluminium Closed Loop Die Zulieferer benötigen für die Her- Industrie: Automotive stellung der Aluminiumbleche weniger Primäraluminium. Außerdem fallen bei 2017 initiierte Audi den sogenannten der Produktion von sekundärem Alumi- „Aluminium Closed Loop“. Mit dem Kon- nium weniger CO2-Emissionen an. Der zept führt das Automotive-Unterneh- gesamte Energieaufwand sinkt dadurch men den Werkstoff in einem Recycling- erheblich. Auch werden die Zulieferer kreislauf. Anfallende Materialausson- resilienter gegenüber Marktschwankun- derungen können so sortenrein an die gen. Der Aluminiumkreislauf ist derzeit in Lieferanten zurückgegeben werden, sieben Baureihen integriert. um aus den rezyklierten Materialien hochwertiges sekundäres Aluminium zu produzieren. Quelle: Experteninterview sowie https://www.volkswagenag.com/de/news/2020/06/Aluminium_Closed_Loop.html 32
Sie können auch lesen