Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Über Generationen denken, lernen und handeln.
                                       Unsere Gesellschaft der Zukunft.

Ältere Menschen und Digitalisierung
Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts
Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ


Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,

„Über Generationen lernen, denken, handeln – unsere Gesellschaft der Zukunft“.
So beschreiben wir im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend das Ziel, heute unsere Aufgaben für die Zukunft zu erkennen.
Dafür untersuchen Expertinnen und Experten unterschiedliche Politikfelder
und geben uns in fünf Berichten Empfehlungen zu Themen, die unsere
Gesellschaft prägen.

Der Altersbericht ist nach dem Engagementbericht der zweite Bericht dazu.
Beide befassen sich mit Digitalisierung – einem der grundlegendsten Verän-
derungsprozesse unserer Zeit. Bereits als die Arbeit für den Achten Altersbe-
richt begann, waren wir von der Relevanz des Schwerpunktthemas „Ältere Menschen und Digitalisierung“
mehr als überzeugt. Durch die Coronavirus-Pandemie ist es nun auch aktueller denn je geworden.

Viele ältere Menschen haben in der Zeit der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen erkannt, welche
Möglichkeiten digitale Kommunikations- und Informationstechnologien ihnen bieten und diese stärker
als bisher für sich genutzt. Denken wir beispielsweise an Videotelefonate mit der Familie, digitale Nach-
barschaftsplattformen, um gegenseitige Hilfe und Unterstützung zu organisieren, oder Gespräche mit
der Ärztin oder dem Arzt, die nun häufiger als Videosprechstunden stattfinden.

Deutlich wurde in dieser Zeit aber auch: Die Voraussetzungen für die digitale Teilhabe älterer Menschen
sind noch nicht überall gegeben. Häufig fehlt es am nötigen Wissen, an ratge­bender Unterstützung oder
an Geld, um sich digitale Geräte anzuschaffen. Auch bieten längst nicht alle stationären Pflegeeinrich-
tungen WLAN für ihre Bewohnerinnen und Bewohner.

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ


      Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Leben im Alter zeigen sich beim Wohnen, in der Pflege,
      bei der Mobilität, in der gesundheitlichen Versorgung und in der Organisation von Sozialräumen.
      Die Sachverständigenkommission hat für diese Lebens­bereiche untersucht, welche digitalen Technologien
      hier von Bedeutung sind, welche Entwicklungen sich abzeichnen und wie sie sich auf das Leben im Alter
      auswirken. Die aufschlussreichen Ergebnisse können Sie in diesem Bericht nachlesen. Für ihr Engagement
      und ihre anregenden Ideen danke ich den Kommissionsmitgliedern ganz herzlich.

      Ich bin gespannt auf die öffentliche Diskussion über den Bericht. Und ich hoffe, dass dabei noch viele
      Ideen für unsere Gesellschaft der Zukunft entstehen!

      Dr. Franziska Giffey
      Bundesministerin für Familie, Senioren, ­Frauen und Jugend

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ


Inhalt
Warum ein Bericht über „Ältere Menschen und Digitalisierung“?     6

Was ist Digitalisierung?                                          7

Leitgedanken der Kommission                                       8

Digitale Teilhabe                                                13

Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen            17
         Wohnen: Sicher und selbstbestimmt leben                 17
         Mobilität: Selbständigkeit erhalten                     20
         Soziale Integration: Miteinander – aber anders          23
         Gesundheit: Neue Wege der Versorgung                    25
         Pflege: Unterstützen, nicht ersetzen                    28
         Sozialraum: Verbinden und vernetzen                     31

Digitale Souveränität                                            35

Zielkonflikte und ethische Fragen                                39

Empfehlungen der Kommission                                      43

Die Mitglieder der Achten Altersberichtskommission               50

Die Altersberichterstattung der Bundesregierung                  51

Bestellung und Download der Altersberichte                       52

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Warum ein Bericht über „Ältere Menschen und Digitalisierung“?

Warum ein Bericht über
„Ältere Menschen und Digitalisierung“?
Digitalisierung ist eine der zentralen Entwicklun-      Viele dieser Entwicklungen haben gerade erst
gen unserer Zeit. Die mit der Digitalisierung           begonnen und es ist bislang noch nicht in jedem
einhergehenden Veränderungen betreffen nicht            Bereich klar abzusehen, welche Folgen sie für das
nur eine Teilgruppe, sondern alle Mitglieder der        Leben im Alter haben werden. Aus diesem Grund
Gesellschaft. Für die meisten Menschen, auch für        werden im Achten Altersbericht die mit der
viele Ältere, ist es zu einem selbstverständlichen      Digitalisierung einhergehenden Chancen und
Teil ihres Alltags geworden, immer wieder neue          Herausforderungen für das Leben älterer Men-
digitale Technologien und entsprechende Geräte          schen betrachtet: Welche Möglichkeiten bieten
und Anwendungen kennenzulernen, sie zu nutzen           digitale Technologien älteren Menschen? Wo
und das eigene Leben damit zu gestalten. Der            spielen sie im Leben älterer Menschen bereits eine
Digitalisierung und ihren Folgen kann man sich          wichtige Rolle? Wie verändert sich das Leben im
kaum entziehen: Auch Menschen, die kein                 Alter durch die Verbreitung digitaler Technologien?
Smartphone, kein Tablet und keinen Computer
benutzen, schauen digitales Fernsehen und               Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat die
kommunizieren bei Telefonanrufen mit einem              Achte Altersberichtskommission die Entwicklung
Sprachroboter. Mittlerweile sind viele Informatio-      und Anwendung digitaler Technologien in für
nen ohne Zugang zum Internet nicht zugänglich,          ältere Menschen besonders wichtigen Lebensbe-
und mehr und mehr Dienstleistungen können nur           reichen und Handlungsfeldern in den Blick
über das Internet in Anspruch genommen                  genommen: Wohnen, Mobilität, soziale Integra-
werden.                                                 tion, Gesundheit, Pflege sowie Sozialraum. Auf
                                                        dieser Grundlage hat sie herausgearbeitet, was die
                                                        Politik dazu beitragen kann, dass die Digitalisie-
                                                        rung die Lebenssituation älterer Menschen
                                                        verbessert.

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Was ist Digitalisierung?

Was ist Digitalisierung?

Digitalisierung hat eine technische und eine           Menschen neue Möglichkeiten, ihren Alltag
soziale Seite. Technisch gesehen ist Digitalisierung   zu gestalten und am gesellschaftlichen Leben
die Darstellung und Speicherung von Daten in           teilzuhaben. Wer beispielsweise aus gesundheit-
einer maschinenlesbaren binären Form. Im               lichen Gründen nur eingeschränkt mobil ist,
Vergleich zur analogen Darstellung von Daten           aber einen PC, ein Tablet oder ein Smartphone
können digitale Daten sehr viel effizienter herge-     sowie Zugang zum Internet hat, kann diese Geräte
stellt, gespeichert, verarbeitet und vervielfältigt    benutzen, um mit Angehörigen oder Bekannten
werden. Die Erstellung, Speicherung, Verarbeitung      in Kontakt zu bleiben, sich Informationen einzu-
und Vervielfältigung dieser Daten erfolgen             holen oder Dienstleistungen in Anspruch zu
mithilfe digitaler Kommunikationsmittel. Ein           nehmen.
wesentliches Merkmal digitaler Technologien ist
es, dass viele der dazugehörenden Geräte mitein-
ander vernetzt werden können.

Die beschriebenen technischen Veränderungen
haben Auswirkungen auf das Leben der Men-
schen. Digitalisierung verändert die Art und Weise,
wie die Menschen kommunizieren, sich informie-
ren, konsumieren, soziale Kontakte pflegen,
arbeiten oder mobil sind. Man spricht deshalb
auch von der digitalen Transformation oder dem
digitalen Wandel der Gesellschaft. Mit dem
Einsatz digitaler Technologien und durch die
Nutzung des Internets entstehen auch für ältere

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Leitgedanken der Kommission

Leitgedanken der Kommission

Die folgenden Leitgedanken dienten der Achten        Nutzen und zu den Risiken von digitalen Techno-
Altersberichtskommission als roter Faden für ihre    logien zu vermeiden. Schon im Sechsten und im
Analysen, Argumente und Empfehlungen.                Siebten Altersbericht wurden die sozialen Unter-
                                                     schiede sowie die Vielfalt und Heterogenität der
                                                     Lebensformen innerhalb der Gruppe der älteren
Die Vielfalt des Lebens im Alter                     Menschen hervorgehoben und die Notwendigkeit
                                                     differenzierter Altersbilder aufgezeigt. Im Achten
Für den Achten Altersbericht ist maßgeblich:         Altersbericht wird im Hinblick auf den digitalen
Ältere Menschen sind keine homogene Gruppe, es       Wandel an diese Perspektive angeknüpft.
gibt nicht „den“ älteren Menschen. Die zuneh-
mende Ausdifferenzierung von Lebensläufen und
Lebenslagen bringt es vielmehr mit sich, dass die    Die Potenziale und die Risiken
Lebenssituationen von Menschen mit steigendem        digitaler Technologien
Lebensalter immer unterschiedlicher werden. Das
Geschlecht, der Bildungsstand, das Einkommen,
die Art der Erwerbstätigkeit, kulturelle Prägungen   Die Achte Altersberichtskommission geht davon
und die soziale Herkunft einer Person sind für die   aus, dass digitale Technologien das Potenzial
Lebenssituation mindestens genauso prägend wie       haben, die Lebenssituation älterer Menschen
das Alter. Es sollte deshalb auch im Zusammen-       erheblich zu verbessern. Digitalisierung eröffnet
hang mit Digitalisierung und der Nutzung             neue Möglichkeiten, das Leben im Alter zu
digitaler Technologien nur mit großer Vorsicht       gestalten und soziale Teilhabe zu verwirklichen.
von älteren Menschen im Sinne einer sozialen         Die Kommission nimmt in ihrem Bericht deshalb
Gruppe gesprochen werden. Gerade auch in Bezug       vor allem die Chancen digitaler Technologien in
auf Digitalisierung ist es wichtig, die sozialen     den Blick. Sie geht aber immer wieder auch auf
Unterschiede innerhalb der Gruppe der älteren        Risiken ein, die die Digitalisierung für Ältere, ihre
Menschen im Blick zu behalten und zu themati-        Angehörigen sowie für professionelle Pflegeperso-
sieren, um pauschalisierende Aussagen zum            nen mit sich bringt.

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Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Leitgedanken der Kommission

Der ambivalente Charakter der Digitalisierung zeigt         Ungleichheiten durch Digitalisierung
sich an vielen Stellen. So können beispielsweise
Systeme zur Überwachung der Mobilität (Tracking-­           Die Vielfalt des Lebens im Alter zeigt sich gerade
Systeme) sowie Zugangskontrollen an den Türen von           auch am Umgang mit digitalen Technologien,
stationären Pflegeeinrichtungen die Sicherheit              weshalb ein differenzierter Blick wichtig ist. Viele
älterer Menschen erhöhen, sie stellen zugleich              ältere Menschen beschäftigen sich gerne mit dem
jedoch Eingriffe in die Privatsphäre der betroffenen        Internet und digitalen Technologien, probieren
Personen dar und schränken ihre Freiheit ein. Am            neue Geräte und Anwendungen aus, praktizieren
digitalen Wandel teilhaben bedeutet also auf der            internetgestützte Kommunikationsformen. Andere
einen Seite, von den Vorteilen dieses Wandels               haben hingegen nicht den Wunsch, digitale Techno-
profitieren und sie zur Gestaltung des eigenen              logien und das Internet zu nutzen. Und wieder
Lebens nutzen zu können. Andererseits bedeutet              anderen fehlt es schlichtweg an der Möglichkeit
Teilhabe am digitalen Wandel, sich mit neuen                dazu, weil sie sich die nötigen Geräte oder einen
Herausforderungen auseinandersetzen zu müssen,              Internetzugang nicht leisten können, weil Informa-
etwa was den Datenschutz betrifft. Es ist Aufgabe der       tionen und Unterstützung nicht zur Verfügung
Politik, dafür zu sorgen, dass die Vorteile der Digitali-   stehen, weil es in ihrer Wohnumgebung keinen
sierung genutzt und ihre Risiken minimiert werden.          Internetzugang gibt oder weil sie in einer Region
                                                            leben, in der leistungsstarkes Internet noch nicht
Die Digitalisierung ist auch insofern ambivalent, als       vorhanden ist.
es in verschiedenen Kontexten eklatante Unterschie-
de im Entwicklungsstand gibt. Beispielsweise findet         Die Unterschiede im Zugang zum Internet und in
man im Bereich der Pflege einige Prototypen und             der Nutzung von digitalen Technologien, die
Visionen für den Einsatz komplexer Technologien             zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen
wie Robotik und Künstliche Intelligenz, andererseits        bestehen, werden als „digitale Spaltung“ bezeichnet.
gibt es bislang nur in einem eher kleinen Anteil von        In der Gruppe der älteren Menschen ist ein deutlich
Pflegeheimen Internetzugänge und WLAN für die               größerer Anteil von der Teilhabe und den Möglich-
Bewohnerinnen und Bewohner.                                 keiten digitaler Technologien ausgeschlossen als in

                                                                                                               9
Ältere Menschen und Digitalisierung - Erkenntnisse und Empfehlungen des Achten Altersberichts - BMFSFJ
Leitgedanken der Kommission

anderen Altersgruppen. Der im Vergleich recht           Nutzungsweisen und Wirkung
große Anteil der älteren Menschen ohne Zugang           digitaler Technologien weiter
zum Internet ist nach Meinung der Achten Alters-
berichtskommission nicht zu tolerieren.
                                                        erforschen

                                                        Es werden sehr viele Ressourcen in die Entwick-
Digitale Kompetenzen                                    lung und Verbreitung digitaler Technologien für
                                                        die Zielgruppe der älteren Menschen investiert –
Dem Achten Altersbericht liegt die Annahme              in der Regel wird dies damit begründet und
zugrunde, dass ältere Menschen genauso wie              gerechtfertigt, dass digitale Technologien ein
Menschen anderer Altersgruppen im Rahmen ihrer          selbstständiges Leben unterstützen, soziale
jeweils individuellen Möglichkeiten und sozialen        Teilhabe sichern, die Versorgung stärken und
Netzwerke kompetent und verantwortungsvoll ihr          generell die Lebenssituation älterer Menschen
Leben gestalten. Dieses kompetenzorientierte            verbessern können. Der Achte Altersbericht zeigt
Menschenbild ist gerade im Zusammenhang mit             jedoch sehr deutlich, dass es bislang viel zu wenig
digitaler Technik nicht selbstverständlich: Allzu oft   einschlägige wissenschaftliche Studien gibt, um
werden ältere Menschen als diejenigen dargestellt,      auf solider empirischer Grundlage die Wirkungen
die mit technischen Entwicklungen nicht mithalten       digitaler Technologien auf die Lebenssituation
können, die technische Neuerungen ablehnen und          älterer Menschen einschätzen zu können. Der
lediglich passiv und nachfolgend auf solche             empirische Nachweis, dass die erhofften Wirkun-
Entwicklungen reagieren. Die Kommission wählt           gen des Einsatzes digitaler Technologien im Leben
demgegenüber ein Leitbild, bei dem ältere Men-          älterer Menschen auch tatsächlich eintreten, steht
schen prinzipiell in der Lage sind, in der digitalen    für die meisten der im Achten Altersbericht
Welt kompetent und selbstbestimmt zu agieren.           betrachteten Lebensbereiche noch aus.
Wer sich die dazu nötigen digitalen Kompetenzen
nicht selbst aneignen kann, sollte die passende
Unterstützung und Beratung bekommen.

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Leitgedanken der Kommission

Die Gestaltung des digitalen Wandels                 Auf der Ebene der Institutionen und Organisationen
                                                     sind Akteurinnen und Akteure in Dienstleistungs-
Der Achte Altersbericht soll dazu beitragen, einen   und Versorgungsstrukturen angesprochen, die
gesellschaftlichen Austausch darüber in Gang zu      Verantwortung für die Ausstattung mit digitalen
setzen, wie die Menschen in Deutschland im           Technologien sowie Mitverantwortung für die
digitalen Zeitalter im Alter leben wollen. Dabei     Entwicklung individueller Fähigkeiten und
geht die Kommission davon aus, dass ältere           Fertigkeiten zum kompetenten Umgang mit
Menschen dem stattfindenden digitalen Wandel         diesen Technologien tragen.
keinesfalls hilflos ausgeliefert sind. Mit der
Aufforderung, den digitalen Wandel aktiv zu          Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene muss über
gestalten, spricht die Altersberichtskommission      verbindliche Regeln zur Rahmung und Gestaltung
gleichzeitig Akteurinnen und Akteure auf drei        der digitalen Transformation entschieden werden.
Ebenen an: auf der individuellen Ebene, auf der      Hier geht es unter anderem um gesetzliche
Ebene der Institutionen und Organisationen und       Grundlagen bezüglich des Datenschutzes, der
auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene.              Verantwortung, der Finanzierung und der Sozial-
                                                     versicherung.
Auf der individuellen Ebene spielen Fragen der
Kompetenz im Umgang mit digitalen Technolo-
gien und Fragen der Akzeptanz dieser Technolo-
gien eine wichtige Rolle. Wenn ältere Menschen,
ihre Angehörigen und ihre weiteren Bezugsperso-
nen (zum Beispiel Hausärztin oder Hausarzt,
ambulante Pflegeperson) die vorhandenen
Technologien nicht kompetent bedienen können
oder sie nicht akzeptieren, werden selbst weitent-
wickelte Technikangebote keine Wirkung entfal-
ten können.

                                                                                                     11
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Digitale Teilhabe

Digitale Teilhabe

Einen Zugang zum Internet zu haben, digitale        Viele Studien zeigen, dass in den letzten Jahren
Technologien zu nutzen und kompetent damit          zwar immer mehr ältere Menschen das Internet
umgehen zu können, ist heute in vielen Bereichen    nutzen, dass die digitale Kluft zwischen jüngeren
des alltäglichen Lebens eine wesentliche Voraus-    und älteren Menschen jedoch immer noch groß
setzung für gesellschaftliche Teilhabe.             ist. Während in der Phase rund um den Ruhestand
                                                    der Anteil von Menschen mit Zugang zum
Von digitalen Technologien und dem Internet         Internet mit mittlerweile über 80 Prozent recht
können allerdings nur Menschen profitieren, die     hoch ist, haben Menschen ab Mitte 70 wesentlich
Zugang zu diesen haben, die die verfügbare          seltener einen Internetzugang. Allerdings zeigt
Technik akzeptieren und entsprechend nutzen.        sich zugleich, dass es hier deutliche Unterschiede
Der Zugang zu digitalen Technologien hat dabei      innerhalb der Gruppe der älteren Menschen gibt.
sowohl technisch-infrastrukturelle Voraussetzun-    Ältere Menschen mit niedrigem und mittlerem
gen, wie beispielsweise die Verfügbarkeit des       Bildungsstand nutzen digitale Technik deutlich
Internets und das Vorhandensein eines entspre-      seltener beziehungsweise weniger kompetent als
chenden Anschlusses, als auch die finanzielle       ältere Menschen mit hohem Bildungsstand. Diese
Voraussetzung, sich digitale Technologien leisten   Unterschiede nehmen im höheren Alter zu:
zu können. Darüber hinaus spielen das Wissen        Während bei den Menschen vor dem Ruhestands-
über digitale Produkte und Systeme sowie die        alter die Bildungsunterschiede relativ gering
Fähigkeit, diese nach den eigenen Bedürfnissen zu   ausfallen, sind sie bei älteren Menschen ab etwa
nutzen, eine große Rolle. Diese Voraussetzungen     67 Jahren noch sehr groß (siehe Abbildung).
sind nicht bei allen Menschen in gleichem Maße
gegeben. Um die entsprechenden Unterschiede         Neben dem Bildungsstand spielen auch die (frühe-
zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung       ren) Berufs- und Technikbiografien eine Rolle für
hervorzuheben, spricht man von „digitaler           die kompetente Nutzung digitaler Technologien.
Spaltung“ oder „digitaler Kluft“.                   Vor allem ältere Menschen mit formal hoher
                                                    Bildung sind in ihrem Berufsleben mit digitalen
                                                    Technologien in Berührung gekommen.

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Digitale Teilhabe

     100
                            100                 100
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                                     94                       92                        93
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                                                                                                                               80
                                                                                                      76

                                                                                                                                                   66
     60
                                                                                                                          59
                                                                                                 55

     40
                                                                                                                     40

                                                                                                                                         30
                                                                                                                                              27
     20

      0
                    43–48               49–54              55–60               61–66               67–72               73–78               79–84
                    Jahre               Jahre              Jahre               Jahre               Jahre               Jahre               Jahre

                       Niedrige Bildung                              Mittlere Bildung                              Hohe Bildung

Abbildung: Anteil der Personen mit Zugang zum Internet nach Altersgruppen und Bildung (2017, in Prozent)

Quelle: Huxhold, O. und Otte, K. (2019): Zugang zum Internet und Nutzung des Internets in der zweiten Lebenshälfte. DZA Aktuell. Berlin: Deutsches Zentrum
für Altersfragen. Datengrundlage: DEAS 2017, gewichtet, (n=5246).

14
Digitale Teilhabe

Es zeigen sich zudem deutliche Geschlechter-         schen und ländlichen Regionen sowie zwischen
unterschiede: So nutzen zwar immer mehr ältere       den Bundesländern beeinflussen die Verbreitung
Frauen das Internet; von den über 80-Jährigen, die   und Nutzung digitaler Technologien. Insgesamt
das Internet nutzen, waren jedoch im Jahr 2018       zeigt sich, dass zwischen verschiedenen Ungleich-
nur knapp 40 Prozent Frauen, während sie insge-      heitsdimensionen oft eine Wechselwirkung und
samt in dieser Altersgruppe zwei Drittel der         Verstärkung besteht, das heißt, dass vielen Älteren
älteren Bevölkerung ausmachen. Zu diesem             der Zugang und die Nutzung von digitalen
Unterschied zwischen Männern und Frauen              Technologien durch mehrere Merkmale sozialer
tragen neben traditionellen Rollenbildern auch die   Ungleichheit erschwert werden.
Berufsbiografien von Frauen bei: Ältere Frauen
waren zum Teil gar nicht oder häufig in geringe-     Um digitale Spaltung zu verringern und um die
rem Umfang sowie in technikferneren Berufen          digitale Exklusion bestimmter Gruppen älterer
erwerbstätig als Männer. Sie bezogen meist ein       Menschen zu vermeiden, müssen Zugangs- und
niedrigeres Gehalt und verfügen auch im Alter        Nutzungshindernisse abgebaut werden. Insbeson-
über weniger finanzielle Ressourcen als gleich­      dere sozial schlechter gestellte ältere Menschen
altrige Männer.                                      müssen durch finanzielle Hilfen sowie niedrig-
                                                     schwellige und zielgruppenspezifische Informati-
Unter älteren Migrantinnen und Migranten ist der     ons- und Bildungsangebote unterstützt werden.
Anteil derjenigen ohne Zugang zu Internet und
digitalen Technologien besonders hoch – dies
hängt mit einem überdurchschnittlich hohen
Anteil von Personen mit niedrigem sozioökono-
mischem Status in dieser Bevölkerungsgruppe
zusammen. Für viele ältere Migrantinnen und
Migranten werden Barrieren bei der Nutzung des
Internets durch fehlende oder geringe Deutsch-
kenntnisse sowie Erfahrungen von Ausgrenzung
und Diskriminierung noch verstärkt. Auch
infrastrukturelle Unterschiede zwischen städti-

                                                                                                        15
16
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Die Digitalisierung der Lebenswelten
älterer Menschen
Im Achten Altersbericht werden die Auswirkun-         Digitale Technologien sollen das selbständige
gen der Digitalisierung auf das Leben älterer         Leben in den eigenen vier Wänden unterstützen
Menschen in sechs für ältere Menschen bedeutsa-       und es Menschen auch bei Pflegebedürftigkeit
men Lebensbereichen und Handlungsfeldern in           ermöglichen, Zuhause wohnen zu bleiben. Dazu
den Blick genommen. Die Sachverständigenkom-          werden technische Assistenzsysteme ebenso wie
mission hat dafür wissenschaftliche Studien           sogenannte Smart Home-Technologien eingesetzt,
ausgewertet und Erkenntnisse zu Verbreitung,          die sowohl mit dem Internet als auch miteinander
Nutzung und Wirkung von digitalen Technologien        vernetzt sein können. Die Anwendungsfelder
zusammengetragen.                                     dieser Technologien sind vielfältig: So gibt es
                                                      Systeme, die die Sicherheit Zuhause erhöhen (zum
                                                      Beispiel zur Sturzerkennung, für den Brandschutz,
Wohnen: Sicher und selbstbestimmt                     intelligente Türöffnungssysteme oder Beleuch-
leben                                                 tungssysteme). Andere Systeme erleichtern die
                                                      Haushaltsführung (zum Beispiel Saug- oder
                                                      Mähroboter) oder unterstützen die gesundheit-
Wohnen ist eines der bedeutsamsten Grundbe-           liche oder pflegerische Versorgung (zum Beispiel
dürfnisse älterer Menschen. Viele ältere und          berührungslose Vitaldatenmessung, Telemedizin
insbesondere hochbetagte Menschen verbringen          und Telepflege). Aber auch Verwaltungs- und
einen Großteil ihrer Zeit in der eigenen Wohnung.     Dienstleistungen können mithilfe von digitalen
Häufig wohnen sie schon lange in ihrer Wohnung        Technologien von Zuhause aus beauftragt oder
und haben eine emotionale Bindung zu dieser           erledigt werden (zum Beispiel die Beauftragung
aufgebaut. Die Wohnung vermittelt Sicherheit          von Handwerkern oder Lieferdiensten).
und Selbstbestimmtheit. Auch wenn Hilfe und
Unterstützung benötigt wird, wollen die meisten
älteren Menschen einen Umzug, etwa in eine
stationäre Pflegeeinrichtung, möglichst vermei-
den.

                                                                                                       17
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Ein Teil dieser Systeme sieht vor, dass über das          Service einfordern und so den Verbraucherschutz
Internet Meldungen und Daten an Angehörige,               im Sinne der Mieterinnen und Mieter gestalten.
Pflegedienste, Gesundheitsdienste oder andere             Diese werden dadurch von der Verantwortung
Dienstleistungsanbieter versendet werden. Diese           entlastet, sich um die Auswahl, die Funktionsfä-
Systeme sind in einer Wohnung natürlich nur               higkeit und die Wartung der Geräte selbst küm-
einsetzbar, wenn es dort einen Internetzugang             mern zu müssen. Die Wohnungswirtschaft muss
gibt. Umso problematischer ist es, dass bislang ein       dabei jedoch unterstützt werden: Staatliche oder
großer Teil der hochbetagten Menschen in ihren            kommunale Förderprogramme können Anreize
Wohnungen nicht über einen Internetzugang                 schaffen, auch um etwa einen Umbau zur Redu-
verfügt.                                                  zierung von Barrieren mit dem Einbau alltags-
                                                          tauglicher technischer Hilfsmittel zu verbinden.
Viele ältere Menschen beziehungsweise viele
Angehörige älterer Menschen sind bereit, digitale         Digitale Assistenztechnologien können ihr
Technologien zur Alltagsunterstützung in der              Potenzial nur dann voll entfalten, wenn die in den
Wohnung anzuschaffen und zu nutzen, wenn mit              entsprechenden Wohnungen lebenden Menschen
ihrer Hilfe die Selbständigkeit in den eigenen vier       die Geräte bedienen können. Die Systeme müssen
Wänden unterstützt werden kann. Häufig schei-             also benutzerfreundlich gestaltet sowie in der
tert die Umsetzung dieses Interesses jedoch an            Bedienung möglichst selbsterklärend sein.
fehlenden Informationen und mangelnder                    Zugleich müssen die Bewohnerinnen und Bewoh-
Beratung, aber auch an hohen Anschaffungs- und            ner mindestens grundlegende digitale Kompeten-
Betriebskosten. Bei der Ausstattung der Wohnun-           zen, etwa bei der Verwendung von Smartphones
gen mit Smart Home-Technologien und Assis-                oder Tablets als Schnittstellen zu den Assistenz­
tenzsystemen kommt der Wohnungswirtschaft                 systemen, mitbringen oder unter Anleitung
(vor allem Unternehmen und Genossenschaften)              entwickeln. Dennoch muss immer auch eine
eine zentrale Rolle zu: Sie ist der wichtigste Akteur     leicht zugängliche und schnelle technische
bei der Bereitstellung von digital ausgestattetem         Unterstützung gewährleistet sein. Insbesondere
Wohnraum. Viel besser als Einzelpersonen kann             ans Internet angebundene Assistenzsysteme
die Wohnungswirtschaft von den Technikanbie-              müssen hohe Anforderungen an Datenschutz und
tern hohe Standards bei Sicherheit, Qualität und          Datensicherheit erfüllen.

18
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Zunehmend wächst das Bewusstsein dafür, dass
auch die Bewohnerinnen und Bewohner stationä-
rer Pflegeeinrichtungen einen Anspruch auf
Zugang zum Internet sowie zu digitalen Diensten
haben. Die Einrichtungen sollten über eine
Grundausstattung mit WLAN verfügen, damit die
Bewohnerinnen und Bewohner ihre digitalen
Geräte nutzen können, um Informationen
abzurufen, Musik oder Filme zu übertragen, einen
Sprachassistenten zu nutzen oder per Video mit
dem Freundeskreis oder Verwandten zu kommu-
nizieren.

Auch wenn Smart Home-Systemen und techni-
schen Assistenzsystemen das Potenzial zuge-
schrieben wird, einen längeren Verbleib in der
Wohnung zu gewährleisten und einen Umzug in
eine stationäre Pflegeeinrichtung verzögern zu
können, fehlt es dafür bislang noch an aussage-
kräftigen wissenschaftlichen Belegen.

                                                                                                      19
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Mobilität: Selbständigkeit erhalten                       Im Rahmen von Forschungsprojekten wurde
                                                          mittlerweile eine beachtliche Vielfalt von Assis-
Die Lebensqualität im höheren Alter hängt stark           tenzsystemen zur Unterstützung der Mobilität
davon ab, ob ältere Menschen selbständig in und           älterer Menschen entwickelt. Ein Teil dieser
außerhalb der Wohnung unterwegs sein können,              Systeme wird am Markt angeboten, im Alltag oder
etwa um soziale Kontakte zu pflegen oder um               im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung
medizinische Behandlungen wahrzunehmen.                   eingesetzt. Das Spektrum reicht von Unterstüt-
Gleichzeitig ist die individuelle Mobilität mit           zungssystemen für ältere Menschen, die die
zunehmendem Alter immer stärker gefährdet.                allgemeine Mobilität betreffen (zum Beispiel
Digitale Technologien können eingesetzt werden,           E-Bikes, Assistenzsysteme in Fahrzeugen oder
um verlorengegangene Mobilität wiederherzu­               Mobilitäts-Apps), über Systeme, die bei einge-
stellen oder um die Mobilität älterer Menschen            schränkter Mobilität unterstützen sollen (zum
zu kontrollieren – zum Beispiel um Stürze zu              Beispiel smarte Rollstühle oder Exoskelette), bis
vermeiden.                                                hin zu Systemen, die auf die Wiedergewinnung
                                                          oder Aufrechterhaltung von Gehfähigkeit und
                                                          Balance abzielen (zum Beispiel Exergame-Systeme
                                                          oder Wearables). Darüber hinaus finden sich

20
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Systeme, die der Kontrolle und Sicherheit von          Zunehmend finden Systeme zur Überwachung
Mobilität dienen (zum Beispiel Tracking-Systeme        von Mobilität und körperlicher Aktivität in der
oder smarte Schließsysteme), sowie Systeme zur         Pflege Verbreitung. Diese sogenannten Track-
Prävention von Mobilitätsverlusten (zum Beispiel       ing-Systeme werden sowohl in der privaten
Sensormatten zur Sturzerkennung oder tragbare          Häuslichkeit als auch in stationären Versorgungs-
Aktivitätssysteme).                                    einrichtungen eingesetzt, um vor allem an
                                                       Demenz erkrankte ältere Menschen lokalisieren
Zur Förderung der eigenen Mobilität und gesund-        zu können, deren Zugang oder Abgang automati-
heitlichen Prävention werden von immer mehr            siert zu kontrollieren und im Notfall schnell Hilfe
Menschen aller Altersgruppen Systeme zur               einleiten zu können. Der Einsatz solcher Zugangs-
Aktivitäts- und Sportüberwachung eingesetzt.           und Monitoring-Systeme kann allerdings dann
Dabei werden Daten über körperliche Aktivitäten        problematisch werden, wenn sich die Betroffenen
gesammelt (Anzahl der Schritte, Steigungen,            dadurch in ihrer Autonomie begrenzt oder
Strecken) oder Vitalparameter (Herzschlagrate,         unzulässig überwacht fühlen. Die Technologien
Sauerstoffsättigung) gemessen, um die eigenen          sollten deshalb nur nach Zustimmung der über-
Bewegungs- und Gesundheitsdaten überprüfen             wachten Personen verwendet werden, was vor
und bewerten zu können. Die Komplexität und die        allem bei Menschen mit demenziellen Erkrankun-
Vielfalt der hierfür eingesetzten mobilen Sensoren     gen nicht immer möglich ist und dadurch ethi-
und Smartphone-Apps sowie ihre teils geringe           sche Fragen aufwirft.
Bedienfreundlichkeit stellen allerdings für wenig
technikerfahrene Personen eine oft schwer zu           Im Rahmen der geriatrischen Rehabilitation
überwindende Barriere für die private Nutzung          werden in einigen Kliniken mittlerweile techni-
dar. Mit der zunehmenden Verbreitung dieser            sche Lösungen wie robotische Exoskelette genutzt.
Technologien besteht darüber hinaus die Gefahr,        Diese Mobilitätsassistenzsysteme, die Körperteile
dass ältere Menschen das Gefühl bekommen, es           wie beispielsweise die Rückenmuskulatur mit
entstehe eine Verpflichtung zu Aktivität und           zusätzlicher Bewegungskraft unterstützen, gelten
Mobilität.                                             als sicher und hilfreich und sind nicht nur bei
                                                       Mobilitätseinschränkungen älterer Menschen,
                                                       sondern auch bei Pflegeleistenden zur Vermei-

                                                                                                        21
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

dung von Rückenproblemen einsetzbar. Soge-                Zu den in den letzten Jahren erfolgreichsten
nannte Serious Games oder Exergame-Systeme                Innovationen im Bereich der Mobilität gehören
zur spielerischen Förderung der Geh- und Balan-           sicherlich E-Bikes, die nicht nur das Mobilitätsver-
cefähigkeit werden ebenfalls zunehmend in                 halten vieler älterer Menschen verändert haben,
Rehabilitationskliniken oder Pflegeheimen                 sondern auch das verbreitete Bild von technik-
verwendet.                                                und innovationszögerlichen älteren Menschen
                                                          widerlegen. Auch Assistenzsysteme in Kraftfahr-
Darüber hinaus wird an der Entwicklung techno-            zeugen sind inzwischen weit verbreitet. Digitale
logiegestützter Dienstleistungsangebote im                Einparkhilfen können Beweglichkeitseinschrän-
öffentlichen Nahverkehr gearbeitet, die älteren           kungen im Schulter- und Nackenbereich kompen-
und mobilitätseingeschränkten Menschen                    sieren; Abstandsregeltempomaten, automatische
mithilfe digitaler Technologien eine individuelle         Notbremssysteme oder Abbiegeassistenten
und barrierefreie Mobilität ermöglichen sollen. So        können das Fahren bei altersbedingten Einschrän-
können mithilfe von Mobilitätsplattformen                 kungen sicherer und komfortabler machen.
Informationen über Zugänglichkeit und Kombi-
nierbarkeit der öffentlichen Verkehrsangebote,            Neben solchen bereits etablierten Technologien
über Mitfahrgelegenheiten sowie über mögliche             wird sich in der Zukunft zeigen, welche Rolle
Barrieren bereitgestellt werden. Auch der Einsatz         virtuelle Mobilität für die Lebensqualität älterer
von Navigationssystemen für ältere Menschen zur           Menschen spielen kann, wenn zum Beispiel
besseren Orientierung außerhalb der Wohnung               virtuelles Wandern in einer Berglandschaft das
wird intensiv erforscht.                                  aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr
                                                          mögliche reale Bergwandern ersetzt. Und voraus-
                                                          sichtlich in wenigen Jahren schon wird sich
                                                          zeigen, welche Rolle das autonome Fahren für die
                                                          Aufrechterhaltung der Automobilität älterer
                                                          Menschen spielen kann.

22
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Soziale Integration:                               Mit zunehmendem Alter wird das soziale Netz in
Miteinander – aber anders                          der Regel kleiner, somit nimmt mit dem Alter
                                                   auch die Wahrscheinlichkeit der sozialen Isolation
                                                   deutlich zu. Eine Person ist sozial isoliert, wenn sie
Soziale Beziehungen sind über den gesamten         über einen längeren Zeitraum hinweg nur wenige
Lebenslauf hinweg von großer Bedeutung.            Kontakte zu anderen Menschen hat und die
Aufgrund ihrer Beziehungen zu Familienmitglie-     meiste Zeit des Tages alleine ist. Soziale Isolation
dern, zum Freundeskreis und zur Nachbarschaft      und Einsamkeit sind unterschiedliche Phänome-
erhalten ältere Menschen emotionale Unterstüt-     ne: Soziale Isolation ist objektiv feststellbar,
zung, instrumentelle Hilfen und finanziellen       Einsamkeit hingegen eine subjektive Erfahrung,
Beistand. Soziale Beziehungen sind auch die        über die nur die betroffene Person selbst Auskunft
Grundlage für gemeinsame Aktivitäten, den          geben kann. Soziale Isolation im Alter kann
Austausch von Anregungen und Informationen.        negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben,
                                                   auch wenn die betroffenen Personen sich nicht
                                                   einsam oder depressiv fühlen.

                                                                                                      23
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Mit der Verbreitung digitaler Kommunikations-             Technologien gepflegt werden. Allerdings gibt es
technologien und der Nutzung des Internets sind           Hinweise darauf, dass nicht alle älteren Menschen
auch für ältere Menschen neue Möglichkeiten               in gleichem Maße von den Chancen digitaler
entstanden, Kontakte mit anderen Menschen                 Kommunikationstechnologien profitieren:
aufzunehmen oder zu pflegen. Im Achten Alters-            Personen mit hoher Bildung und gutem Einkom-
bericht wird der Frage nachgegangen, welche               men haben häufiger Zugang zu digitalen Kommu-
Bedeutung digitale Kommunikationstechnologien             nikationstechnologien, zeigen höhere Kompeten-
für soziale Integration und Einsamkeitsgefühle            zen im Umgang mit ihnen und haben einen
älterer Menschen haben. Die Ergebnisse der hierzu         stärkeren Nutzen mit Blick auf soziale Integration
vorliegenden empirischen Studien deuten                   als Menschen mit einem niedrigeren Bildungs-
insgesamt einen positiven Effekt digitaler Kom-           stand und geringerem Einkommen.
munikationstechnologien an: Wenn ältere
Menschen digitale Kommunikationsmedien und
das Internet nutzen, sind sie sozial besser integriert
und haben weniger Einsamkeitsgefühle als
vorher. Dies gilt vor allem dann, wenn vorhandene
soziale Beziehungen auch mithilfe der digitalen

24
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Trotz dieser Hinweise auf einen positiven Zusam-        kationstechnologien ist, dass die virtuellen
menhang zwischen der Nutzung digitaler Kom-             Online-Beziehungen nicht die realen Offline-Be-
munikationstechnologien und der sozialen                ziehungen verdrängen oder ersetzen – sonst
Integration sind Beziehungen auf der Basis              können Einsamkeitsgefühle sogar zunehmen.
digitaler sozialer Netzwerke für ältere Menschen
gegenwärtig noch nicht so wichtig wie für jüngere
Menschen: Mit dem Alter sinkt die Zahl der              Gesundheit: Neue Wege
Bekanntschaften in digitalen sozialen Netzwerken.       der Versorgung
Ältere Menschen ziehen offenbar den analogen
Austausch mit Familienmitgliedern und dem
Freundeskreis dem digitalen Austausch deutlich          Im Bereich der gesundheitlichen Versorgung
vor. Ob und wie sich diese Präferenz in Zukunft         älterer Menschen ergeben sich durch die Digitali-
wandeln wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.         sierung vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.
                                                        Das sehr heterogene Spektrum umfasst E-Health-­
Digitale Kommunikationstechnologien können              Angebote (für Electronic Health) wie die elektro-
dazu beitragen, Beziehungen zu intensivieren und        nische Patientenakte, digitale Informationssyste-
den Kontakt zu vertrauten Bezugspersonen                me für Patientinnen oder Patienten oder virtuelle
aufrechtzuerhalten – ein Umstand, der beispiels-        Arztbesuche, die den Zugang zu medizinischer
weise bei weit entfernt lebenden Kindern und            Versorgung erleichtern können. Auch die Kom-
Enkelkindern oder im Kontext von Hilfe- und             munikation innerhalb der Ärzteschaft kann durch
Pflegebedürftigkeit eine Rolle spielt. Sie können       den Einsatz digitaler Technologien verbessert
aber auch zum Aufbau neuer Beziehungen und              werden. M-Health-Anwendungen (für Mobile
der Erweiterung des eigenen sozialen Netzes             Health), wie Fitness-Armbänder oder Serious
dienen, da sie einen niedrigschwelligen Einstieg in     Games (digitale Lernspiele), können zur Erhaltung
soziale Kontakte bieten. Dies könnte insbesondere       und Förderung der Autonomie und Lebensquali-
bei Menschen von Bedeutung sein, die allein leben       tät dienen. Die Nutzung von Monitoring-Apps
und wenige persönliche Kontakte haben, die also         kann bei chronisch erkrankten Personen das
ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation haben.        Selbstmanagement verbessern und die Häufigkeit
Wichtig bei der Nutzung von digitalen Kommuni-          von Krankenhausaufenthalten senken. Insgesamt

                                                                                                         25
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

können digitale Anwendungen im Gesundheits-               legende Gesundheitskompetenzen vorhanden
system die konventionelle Patientenversorgung             sind. Empirische Studien zeigen, dass ältere
sinnvoll ergänzen und verbessern, Versorgungs-            Menschen digitale Gesundheitsangebote weniger
lücken kompensieren und zu einer Einsparung               nutzen, wenn sie die eigene Kompetenz im
von Gesundheitskosten beitragen.                          Umgang mit digitalen Technologien als gering
                                                          einschätzen. Auch der erwartete Nutzen von
Digitale Gesundheitstechnologien verändern aber           digitalen Anwendungen sowie der erwartete
auch die Beziehung zwischen Ärztin oder Arzt auf          Aufwand bei der Nutzung sind wichtige Einfluss-
der einen und der Patientin oder dem Patienten            faktoren für die Akzeptanz digitaler Gesundheits-
auf der anderen Seite: Gesundheitsbezogene                technologien und Dienstleistungen im Gesund-
Informationen werden mit dem Einsatz digitaler            heitswesen. Dementsprechend sollten die
Gesundheitstechnologien für die Patientinnen              Gestaltung und die Einführung digitaler Gesund-
und Patienten besser verfügbar und können                 heitstechnologien den verschiedenen Bedarfen
einfacher übermittelt werden. Dadurch entsteht            und Anforderungen älterer Menschen gerecht
mehr Transparenz. Außerdem kann der Kontakt               werden. E-Health-Anwendungen sollten leicht
zum medizinischen Fachpersonal vereinfacht                zugänglich und bedienbar sein, die Datenübertra-
werden. Zudem tragen digitale Gesundheitstech-            gung sollte sicher, vertrauenswürdig und verläss-
nologien dazu bei, dass Patientinnen und Patien-          lich sein.
ten an der Diagnostik, Behandlung und Symp-
tomkontrolle stärker beteiligt werden. Eine
stärkere Patientenorientierung ist damit verbun-
den, dass ärztliche Kompetenzen teilweise an die
Patientinnen und Patienten abgegeben werden.

Der Nutzen und die Akzeptanz von digitalen
Gesundheitstechnologien hängen stark davon ab,
ob die älteren Nutzerinnen und Nutzer die
digitalen Technologien kompetent bedienen
können und in welchem Maße bei ihnen grund-

26
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Aber nicht nur ältere Patientinnen und Patienten      Deutschland erst seit einem Jahr exklusiv teleme-
können von digitalen Gesundheitstechnologien          dizinische Behandlung ohne zwingende Notwen-
profitieren, auch für pflegende Angehörige lassen     digkeit erlaubt, ist es nicht sonderlich überra-
sich positive Effekte digitaler Technologien          schend, dass der Bestand an wissenschaftlichen
beobachten, beispielsweise beim Einsatz digital       Erkenntnissen über die Akzeptanz, den Nutzen
vermittelter psychosozialer Unterstützungsange-       und die Wirkung des Einsatzes digitaler Techno-
bote. Verschiedene Untersuchungen lassen              logien in der gesundheitlichen Versorgung bislang
vermuten, dass digitale Informations- und             eher klein ist. In Zukunft sollten Forschungstätig-
Kommunikationstechnologien die mit der Pflege         keiten in diesem Bereich jedoch dringend ausge-
verbundenen Belastungen mildern und soziale           baut werden.
Unterstützung fördern können. Mithilfe digitaler
Technologien können Hürden beim Zugang zu
Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige,
die etwa durch hohe Kosten oder großen logisti-
schen Aufwand entstehen, abgebaut werden.

Generell ist allerdings die wissenschaftliche
Befundlage zur Akzeptanz von digitalen Gesund-
heitstechnologien wie auch zu ihrem Nutzen und
ihren Risiken bislang lückenhaft und heterogen.
Existierende Forschungsarbeiten beispielsweise zu
E-Health-Angeboten legen in der Regel einen
Schwerpunkt auf spezifische Krankheitsbilder (wie
etwa Diabetes oder Herzinsuffizienz) oder spezi-
fische Interventionsstrategien (zum Beispiel
Monitoring oder Kurznachrichten). Selten wird in
den vorliegenden Untersuchungen nach dem
Lebensalter der Patientinnen und Patienten
differenziert. Da die ärztliche Berufsordnung in

                                                                                                       27
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Pflege: Unterstützen, nicht ersetzen                      Es gibt inzwischen eine Vielzahl digitaler Techno-
                                                          logien, die in den drei genannten Kontexten der
Die Pflege steht wegen des demografischen und             Pflege eingesetzt werden können. Zur Unterstüt-
sozialen Wandels vor großen Herausforderungen.            zung der Selbstpflege und der informellen
Es gibt einen zunehmenden Mangel an ausgebil-             Unterstützung in der unmittelbaren häuslichen
deten Fachkräften, zudem sind informelle Unter-           Umgebung sind dies vor allem sogenannte
stützung und Pflege durch Angehörige für die              assistive Technologien. Dazu gehören elektroni-
Familien immer schwieriger zu organisieren. Es            sche Erinnerungshilfen, Fernbedienungen für
wird deshalb immer dringlicher, neue Konzepte             elektronische Geräte, alltagstaugliche Haushalts-
für die pflegerische Versorgung zu entwickeln und         robotik (Saug- oder Mähroboter) oder elektroni-
zu erproben. In diesem Zusammenhang wird                  sche Aufstehhilfen. Auch Sicherheitssysteme wie
vermehrt auf den Einsatz digitaler Technologien           der Hausnotruf, Tür- und Fensteralarme, Rauch-,
gesetzt. Die Erwartungen an digitale Technologien,        Wasser- und Bewegungsmelder sowie Beleuch-
die pflegerische Versorgung wesentlich zu verbes-         tungssysteme sind hierbei von Bedeutung. In den
sern, sind groß. Es wird angenommen, dass                 privaten Wohnungen unterstützungs- und
digitale Technologien Akteurinnen und Akteure             pflegebedürftiger Menschen sollen diese Techno-
der Pflege entlasten und unterstützen sowie die           logien eine selbständige Lebensführung erleich-
Vernetzung und Informationsflüsse in pflegeri-            tern, die Sicherheit erhöhen, die Orientierung
schen Versorgungsnetzwerken verbessern können.            unterstützen, soziale Interaktion und die Freizeit-
Die Hoffnungen auf positive Effekte digitaler             gestaltung anregen.
Technologien erstrecken sich auf alle Kontexte der
Pflege: erstens die Selbstpflege sowie die informel-
le Pflege und Unterstützung durch Angehörige,
zweitens die professionelle ambulante Pflege in
der häuslichen Umgebung und drittens die
professionelle Pflege in stationären Einrichtungen.

28
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Für alle Bereiche der professionellen Pflege sind        In der langzeitstationären Pflege kommen
derzeit vor allem Systeme für den administrativen        Technologien zur Sturz- und Dekubituspro­phy­
und organisatorischen Teil der Pflegearbeit              laxe, im Zusammenhang mit Inkontinenz sowie
interessant. Für die Dienstplanung, die Dokumen-         zur Erfassung des Aufenthaltsorts und der Mobili-
tation der Pflegearbeit und die Abrechnung               tät von Pflegebedürftigen zum Einsatz. Auch
werden von vielen Pflegediensten und in vielen           elektronisch verstellbare Betten, elektronische
stationären Einrichtungen mobile Endgeräte und           Aufsteh- und Tragehilfen, Sensormatten mit
spezialisierte Software genutzt. Bei ambulanten          Alarmfunktion und Geräte zur digitalen Vital­
Pflegediensten sind hier außerdem digitale               zeichen­messung sind auf dem Markt. In immer
Möglichkeiten der Tourenplanung zu nennen.               mehr stationären Einrichtungen werden verschie-
Digitale Technologien zur Unterstützung der              dene Geräte und Anwendungen der Unterhal-
direkten Pflegearbeit (etwa Systeme der Tele-Pflege,     tungselektronik zur Gestaltung der Freizeit zur
Emotionsroboter oder Serviceroboter) sind in der         Verfügung gestellt.
Praxis der ambulanten pflegerischen Versorgung
im häuslichen Umfeld bislang kaum verbreitet.

                                                                                                          29
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Systeme zur Gewährleistung von Sicherheit in der          digitaler Technologien tatsächlich erhöht werden
häuslichen Umgebung (vor allem der Hausnotruf)            können. Zwar geben einzelne Untersuchungen
sowie Anwendungen zur Verwaltung, Dokumenta-              Hinweise auf entsprechende Effekte, methodisch
tion und Organisation der professionellen Pflege-         gut gesicherte und belastbare Erkenntnisse liegen
arbeit haben sich in Deutschland breit etabliert.         jedoch noch nicht vor.

Angesichts der Möglichkeiten, die digitale                In der Bevölkerung ist die Akzeptanz für digitale
Technologien in der Pflege bieten, und vor dem            Technologien in der Pflege grundsätzlich hoch,
Hintergrund der großen Erwartungen, die an sie            auch wenn es Bedenken hinsichtlich des Daten-
gerichtet sind, ist der Verbreitungsgrad digitaler        schutzes, der Datensicherheit und ethischer Fragen
Technologien in der Pflege jedoch insgesamt als           gibt. Immer mehr pflegebedürftige Menschen, ihre
gering einzuschätzen. Digitale Technologien, die          Angehörigen sowie jüngere Generationen von
die direkte Pflege unterstützen, sind in der Praxis       Fachkräften in der professionellen Pflege halten
kaum zu finden, weder im ambulanten noch im               den Einsatz digitaler Technologien auch in der
stationären Bereich. Viele der entwickelten               Pflege für vorstellbar. Es sind also einige Vorausset-
Technologien sind bislang nur als Prototypen              zungen dafür gegeben, mit einer Gesamtstrategie
vorhanden und derzeit gar nicht auf dem Markt             zur Verbesserung der Lebens- und Pflegequalität in
verfügbar. Für die geringe Verbreitung digitaler          der häuslichen und in der langzeitstationären
Produkte für die Pflege gibt es verschiedene              Pflege den Einsatz digitaler Technologien in der
Erklärungen: Wichtige Gründe sind unter                   Pflege stärker zu verankern. Alle Bemühungen, die
anderem mangelnde Informationen bei allen                 vermuteten Potenziale digitaler Technologien in
Akteurinnen und Akteuren der Pflege über das              der Pflege weiter auszuschöpfen, sollten jedoch
Angebot und die Potenziale digitaler Technolo-            sicherstellen, dass der Einsatz digitaler Technik
gien sowie die Anschaffungs- und Wartungskos-             nicht vorrangig ökonomisch motiviert ist und dass
ten, die bislang nur sehr eingeschränkt von den           die Technik die personengebundene Pflegearbeit
Kranken- oder Pflegekassen übernommen                     nicht ersetzt, sondern sie unterstützt und ergänzt.
werden. Hinzu kommt, dass es nur wenige
Studien gibt, die bestätigen, dass die Effektivität
und die Qualität der Pflege durch den Einsatz

30
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Sozialraum: Verbinden und vernetzen                     nen zusammengelegt, der öffentliche Nahverkehr
                                                        eingeschränkt, Kindergärten, Schulen und Vereine
Für ältere Menschen hat das direkte Wohnumfeld          geschlossen und private Dienstleistungen (etwa
für die Alltagsgestaltung eine hohe Bedeutung.          im Bereich des Einzelhandels oder Finanzdienst-
Das Quartier, der Kiez, der Stadtteil oder das Dorf     leistungen) aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit
sind Orte des Wohnens, des sozialen Austauschs          nicht (mehr) angeboten. Für ältere Menschen
und der gesellschaftlichen Teilhabe für ältere          haben solche Entwicklungen besonders gravieren-
Menschen.                                               de Folgen – vor allem, wenn die gesundheitliche
                                                        und pflegerische Versorgung beeinträchtigt ist.
Wie bereits im Siebten Altersbericht herausge-
arbeitet wurde, sind die demografischen und
strukturellen Veränderungen in Deutschland
regional sehr unterschiedlich – wachsenden
Zentren und stabilen Städten stehen struktur-
schwächere Gebiete und Landkreise mit großen
wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen
gegenüber. In vielen Regionen werden Kommu-

                                                                                                         31
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

Vor diesem Hintergrund fragen sich die Verant-            Netzwerke aufbauen und an sie anschließen. In
wortlichen in vielen Kommunen, wie digitale               vielen Modellprojekten hat sich gezeigt, dass
Technologien zur Vernetzung im Sozialraum                 entsprechende Angebote die wirtschaftliche
beitragen und auf diese Weise helfen können,              Entwicklung und die kommunale Daseinsvorsor-
älteren Menschen die Teilhabe am gesellschaftli-          ge mit Blick auf Nahversorgung, Mobilität,
chen Leben zu erleichtern und den Abbau be-               Gesundheit und Pflege verbessern können. Das
stehender Infrastrukturen zu kompensieren.                Ziel digitaler Daseinsvorsorge sollte es immer sein,
Immer häufiger werden Verwaltungsangebote                 Partizipation und Teilhabe auch außerhalb des
auch online bereitgestellt. Und es werden Online-­        digitalen Raums zu stärken. Bürgerinnen und
Plattformen eingerichtet, über die Dienstleistun-         Bürger aller Altersgruppen, unter besonderer
gen angeboten und gebucht, freiwilliges Engage-           Berücksichtigung vulnerabler Gruppen, sollten
ment vermittelt und Informationen ausgetauscht            deshalb in die Entwicklung von Konzepten der
werden können. Allerdings muss bei der Bereit-            digital gestützten Daseinsvorsorge partizipativ
stellung von digitalen Angeboten der Daseinsvor-          eingebunden werden.
sorge immer bedacht werden, dass unter den
älteren Menschen viele mit digitalen Technologien         Damit Ansätze der digital gestützten kommunalen
und dem Internet nicht vertraut sind. Kombiniert          Daseinsvorsorge über den Status von Modellpro-
mit lokalen Angeboten zur Entwicklung digitaler           jekten mit kleiner Zielgruppe hinausgelangen und
Kompetenzen können diese Angebote jedoch auch             ökonomisch tragfähig werden können, sollten sie
dafür genutzt werden, unter Anleitung und                 vor allem in ländlichen Räumen nicht nur für
alltagsnah den Umgang mit digitalen Endgeräten            einzelne Gemeinden, sondern gemeindeübergrei-
und mit dem Internet zu erlernen.                         fend konzipiert werden. Voraussetzung für eine
                                                          digital gestützte Daseinsvorsorge ist eine entspre-
Die Digitalisierung von Angeboten soll dabei nicht        chende digitale Infrastruktur, insbesondere
zum Selbstzweck werden. Digitale Technologien             ausreichend leistungsfähige Internetverbindun-
können die regionale und quartiersbezogene                gen. Dafür muss flächendeckend der Breitband-
Vernetzung und Teilhabe umso besser unterstüt-            ausbau und die Abdeckung mit Mobilfunknetzen
zen, je mehr die neuen digitalen Angebote auf             vorangetrieben werden. Zudem sollten bei der
bereits bestehende analoge Strukturen und                 Entwicklung und Umsetzung digitaler Angebote

32
Die Digitalisierung der Lebenswelten älterer Menschen

sowie der dazugehörigen Finanzierungsmodelle
die konkreten Bedingungen und Voraussetzungen
jeder Region beziehungsweise jedes Quartiers
(zum Beispiel in Bezug auf technische und soziale
Infrastruktur, regionale Akteurinnen und Akteure
et cetera) berücksichtigt werden.

Über die Wirkungen, die eine digitale Bereitstel-
lung von Informationen und Dienstleistungen auf
die Lebensqualität der älteren Nutzerinnen und
Nutzer hat, gibt es bislang kaum gesicherte
empirische Erkenntnisse. Die Evaluationen erster
Modellprojekte in ländlichen Räumen zeigen
positive Effekte, wenn die digitalen Angebote
alltagsnah und problembezogen mit analogen
Lösungen verknüpft werden.

                                                                                                       33
34
Digitale Souveränität

Digitale Souveränität

Allzu oft werden ältere Menschen pauschal als        eigenen Kompetenzen zur Nutzung der digitalen
diejenigen dargestellt, die digitalen Technologien   Technik weiter zu entwickeln.
und dem Internet skeptisch gegenüberstehen, und
denen es schwerfällt, entsprechende Geräte und       Entscheidend für ein souveränes Agieren mit
Anwendungen zu nutzen. Die Achte Altersbe-           digitalen Technologien ist ein Zusammenwirken
richtskommission betont demgegenüber, dass           von Entwicklungen und Leistungen auf drei
ältere Menschen – genauso wie Menschen anderer       Ebenen:
Altersgruppen – in der Lage sind, die Kompeten-
zen zu entwickeln, die nötig sind, um in der         Auf der individuellen Ebene setzt digitale Souve-
digitalen Welt souverän zu agieren. Tatsächlich      ränität voraus, dass die älteren Nutzerinnen und
gehen viele ältere Menschen kompetent und            Nutzer digitale Kompetenzen entwickeln. Digitale
selbstverständlich mit digitalen Technologien und    Kompetenz umfasst dabei die Fähigkeit, digitale
dem Internet um. Die Kommission appelliert an        Produkte und Systeme nach den eigenen Bedürf-
alle älteren Menschen, sich dem digitalen Wandel     nissen, Interessen und Präferenzen zu nutzen.
nicht zu verschließen. Allerdings sollte Menschen    Dazu gehören sowohl Kenntnisse über die
zugestanden werden, nichts Neues mehr lernen zu      Bedienung digitaler Technologien sowie Wissen
müssen, wenn sie dies nicht wollen. Es ist nicht     über beabsichtigte und auch unbeabsichtigte
zielführend, von allen Menschen einen kompeten-      Folgen des Gerätegebrauchs.
ten Umgang mit digitalen Technologien und dem
Internet zu erwarten. Allerdings kann auch nicht
sichergestellt werden, dass es immer analoge
Alternativen zu digitalen Angeboten gibt. Ent-
scheidend ist, dass die lokalen Lern- und Unter-
stützungsangebote sowie die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen digitale Souveränität
möglich machen, sofern bei den Menschen die
Bereitschaft und der Wille vorhanden sind, die

                                                                                                      35
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